www.chemmybear.com Organische Chemie für MST 1 Lienkamp / Prucker / Rühe Inhalt 1 Warum OC in der MST? Orbitaltheorie Bindungstypen und intermolekulare Kräfte kovalente Bindung ionische Bindung Wasserstoffbrückenbindung Dipol‐Dipol‐Wechselwirkung van‐der‐Waals‐Kräfte Funktionelle Gruppen/Funktionelle Gruppen in MST‐Materialien Einfluß von funktionellen Gruppen auf chemische Eigenschaften Elutrope Reihe, Mischbarkeit von Lösungsmitteln Wie schreibt man organische Strukturen? Warum Organische Chemie in MST? • Alle Mikrosysteme sind Materialien ‐ viele davon sind organische Materialien! z.B. PMMA; HDPE; Zeonex, PEEK, SU‐8... • Verwendung von Chemikalien in der MST: Lösungsmittel, Photoresists, Säuren… – Kann ich mein Mikrosystem mit Toluol behandeln ohne das es kaputt geht (sich auflöst, quillt…)? – Worin löst sich mein Photoresist und warum? – Was passiert auf molekularer Ebene, wenn Photoresists belichtet werden? • Alle Mikrosysteme haben Oberflächen – Warum wird mein Mikrokanal nicht von Wasser benetzt? – Wie kann ich den Kanal modifizieren, damit er benetzt wird? Deshalb brauchen Sie Grundkenntnisse der organischen Chemie!!! Lernziele: • Grundlagen der chemischen Bindung – „Alphabet“ • Funktionelle Gruppen – „Vokabeln“ • Chemische Reaktionen – „Grammatik“ • MST‐Anwendungen – „Aufsatz“ Grundkenntnisse („Mittelstufen‐Chemie“) werden vorausgesetzt. Falls nicht mehr vorhanden: K. Standhartinger, „Organische Chemie für Ahnungslose“, Hirzel, Stuttgart 2010. Lehrbuchempfehlung und Weblink Paula Bruice Organische Chemie – Studieren kompakt Paula Y. Bruice Organische Chemie – Studieren kompakt 5., aktualisierte Auflage ISBN: 978-3-8689-4102-9 1.200 Seiten | 4-farbig Juni 2011 € 89,95 [D] | € 92,50 [A] | SFR 139,00 www.pearson-studium.de www.pearson.ch 5 ebenfalls sehr hilfreich: www.masterorganicchemistry.com OC = Chemie des Kohlenstoffs • 4 Bindungen Strukturvielfalt • Warum 4 Bindungen? – komplizierte Antwort: Quantenmechanik – 4 Valenzelektronen, Oktettregel • Grundsätzliche Frage bei allen organischen Reaktionen: „Wie sind die Elektronen (Ladungen) verteilt und wohin fließen sie?“ (Analog zum elektrischen Stromkreis) • Wichtig: in der OC fließen nur Elektronen, es hopsen keine „Löcher“ OC‐ABC: Atommodelle • „Primitive“ Vorstellung: Kern‐Schale‐Modell (Bohrsches Atommodell) http://de.wikipedia.org/wiki/Bohrsches_ Atommodell www.oebv.at OC‐ABC: Orbitaltheorie • Realistischere Vorstellung = Orbitale • Orbitale – Lösung der Schrödinger‐Gleichung – Definiert den Raum, in dem sich ein Elektron aufhält – 4 Quantenzahlen • Hauptquantenzahl n: „Schale“, Energieniveau • Bahndrehimpuls‐Quantenzahl l: „Unterschale“, Form des Orbitals; s, p, d, f... • Magnetquantenzahl ml: Neigung des Drehimpolsvektors: px, py,pz • Spinquantenzahl: s • Besetzungsregeln: – Hund‘sche Regel: energiegleiche Orbitale werden zunächst nur einfach besetzt – Pauli‐Prinzip: pro durch 4 Quantenzahlen beschriebenes Orbital nur ein Elektron. Wozu Orbitaltheorie? Organische Chemie = „Strichmännchen“ und „Elektronenschubsen“ Orbitaltheorie • erklärt die Bindungsverhältnisse in organischen Molekülen (warum Einfachbindungen, warum Doppelbindungen…) • erklärt die Molekülgeometrie • erklärt die Molekülreaktivität www.ptable.com/Images/periodensystem.png „Periodensystem der Organischen Chemie“ OC‐ABC: Bindungstypen • Wir kennen verschiedene Bindungstypen • Der Bindungstyp wird u.a. bestimmt durch Elektronegativitätsdifferenz zwischen den beteiligten Atomen Verfügbare Orbitale aus: Paula Bruice, Organische Chemie – Studieren kompakt, 5. Aufl, Pearson Verlag, 2010 Bindungstypen – Die kovalente Bindung • „Teamplayer“: k(l)eine EN‐Differenz, Elektronen werden geteilt, z.B. C‐C‐ Einfachbindung • Welche und wie viele kovalente Bindungen hängt von der Anzahl der Valenzelektronen ab • C: Einfach‐, Doppel‐, Dreifachbindung, in summa immer 4 • H:(normalerweise) nur eine Einfachbindung. Bindungstypen – Die kovalente Bindung im Wasserstoffmolekül aus: Paula Bruice, Organische Chemie – Studieren kompakt, 5. Aufl, Pearson Verlag, 2010 Bindungstypen – Die kovalente Bindung im Wasserstoffmolekül (2) aus: Paula Bruice, Organische Chemie – Studieren kompakt, 5. Aufl, Pearson Verlag, 2010 Bindungstypen – Die kovalente Bindung im Wasserstoffmolekül (3) aus: Paula Bruice, Organische Chemie – Studieren kompakt, 5. Aufl, Pearson Verlag, 2010 OC‐ABC: Orbitale des Kohlenstoffatoms • Wie sehen Kohlenstoff‐Atomorbitale im Grundzustand aus? 1s 2s 2px 2py 2pz • zu beachten: Größe und Symmetrie aus: Paula Bruice, Organische Chemie – Studieren kompakt, 5. Aufl, Pearson Verlag, 2010 OC‐ABC: Orbitale des Kohlenstoffatoms (2) • Verschiedene Orbitale, gleichwertige Bindungen? • Atomorbitale kann man mischen! (nicht willkürlich, es gibt Regeln – passende Symmetrie, passendes Energieniveau…) • Linearkombination von Atomorbitalen zu Molekülorbitalen (n AOs ergeben n MOs!) = Hybridisierung. Beispiel: C‐Atom in Methan OC‐ABC: Orbitale des Kohlenstoffatoms (3) • Hybridorbitale des Kohlenstoffs aus: Paula Bruice, Organische Chemie – Studieren kompakt, 5. Aufl, Pearson Verlag, 2010 Bindungstypen – die kovalente Bindung unter Beteiligung von Kohlenstoff Wie sehen Hybridorbitale aus? • sp3 : Tetraeder‐Geometrie, 109° Beispiel: Methan – C‐H‐Bindungen aus: Paula Bruice, Organische Chemie – Studieren kompakt, 5. Aufl, Pearson Verlag, 2010 Bindungstypen – die kovalente Bindung unter Beteiligung von Kohlenstoff • C‐C‐Einfachbindungen entstehen durch Überlappung von sp3 ‐ Hyridorbitalen aus: Paula Bruice, Organische Chemie – Studieren kompakt, 5. Aufl, Pearson Verlag, 2010 Bindungstypen – Die kovalente Bindung • Beispiele: Bindungstypen – Die ionische Bindung • „egoistische Atome“: große EN‐Differenz http://masterorganicchemistry.com/ http://isitgross.com/ Wenn Sie hierüber lachen können haben Sie die Natur der ionischen Bindung verstanden http://www.lab‐initio.com/ Bindungstypen – Die polare kovalente Bindung • Ursache: mäßige Elektronegativtätsdifferenz zwischen Bindungspartnern • Resultat: Partialladungen, intermolekulare Dipol‐Dipol‐ Wechselwirkung http://masterorganicchemistry.com/ Übung: Polare Atombindungen masterorganicchemistry.com/ Bindungstypen – Die Wasserstoffbrückenbindung • Wechselwirkungen zwischen H‐Brückendonor und –akzeptor • intermolekular und intramolekular http://masterorganicchemistry.com/ OC‐ABC: Intermolekulare Kräfte • Wir kennen bereits: Ionische WW, Dipol‐Dipol‐WW, H‐Brücken http://masterorganicchemistry.com/ OC‐ABC: Intermolekulare Kräfte (2) Relative Stärke bei intermolekularen Kräften Ionische‐WW Wasserstoffbrückenbindungen Dipol‐Dipol ‐WW van der Waals‐Kräfte Chemisches Vokabelheft: Reaktionstypen • Substitution: – Eine fkt. Gruppe wird durch eine andere ersetzt – Abgangsgruppe • Addition – Anlagerung an eine Mehrfachbindung • Eliminierung – Abspaltung, Umkehrreaktion der Addition • Umlagerung – Änderung der Reihenfolge bzw. des C‐Gerüsts Chemisches Vokabelheft: Funktionelle Gruppen Funktionelle Gruppen in MST‐Materialien (1) • Poly(ethylen): HD‐PE, LD‐PE, UHMWPE chemisch inert Hydrophob „Polyalkan“ • Poly(vinylchlorid): PVC chemisch relativ inert Hydrophob „Polyhalogenalkan“ Funktionelle Gruppen in MST‐Materialien (2) • Poly(methylmethacrylat): PMMA http://de.wikipedia.org/wiki/PMMA Funktionelle Gruppen in MST‐Materialien (3) • Poly(oxymethylen): POM, Poly(acetal), Poly(formaldehyd) • Poly(amid): PA, Nylon http://de.wikipedia.org/wiki/Polyoxymethylen bzw. /Polyamid Funktionelle Gruppen in MST‐Materialien (5) • Poly(carbonat): PC http://de.wikipedia.org/wiki/Polycarbonate Funktionelle Gruppen in MST‐Materialien (6) • Poly(ethylenterephthalat): PET • Poly(butylenterephthalat): PBT http://de.wikipedia.org/wiki/Polyethylenterephthalat bzw. /Polybutylenterephthalat Chemist‘s Worst Nightmare Lab‐initio.com Einfluß von funktionellen Gruppen auf chemische Eigenschaften • Elektronegativität: – Partialladungen – Dipole • Wasserstoffbrücken: – Donoren – Akzeptoren • Einfluß auf Reaktivität und makroskopische Eigenschaften, z.B. – Schmelzpunkt/Siedepunkt – Wasserlöslichkeit/Mischbarkeit aus: Paula Bruice, Organische Chemie – Studieren kompakt, 5. Aufl, Pearson Verlag, 2010 Intermolekulare Kräfte/Funktionelle Gruppen Übung: Überlegen Sie sich... • ..die Verteilung der Partialladungen/Dipole • ...die Ausbildung von Wasserstoffbrücken (Donoren‐ /Akzeptoren?) • ...den Einfluß auf den Siedepunkt und die Wasserlöslichkeit/Polarität für folgende funktionelle Gruppen: • C=O, COOH • OH • Phenylgruppe unpolar polar Elutrope Reihe der Lösungsmittel aliphatische Lösungsmittel (Pentan, Hexan, Cyclohexan...) (Vgl. Praktikumsversuch Chromatographie) Lösungsmittel sind nach Polarität sortiert Toluol, Benzol Diethylether 0 Dichlormethan, Trichlormethan (Chloroform) 10 Aceton 20 30 Dioxan, Tetrahydrofuran (THF) Essigsäureethylester (Ethylacetat) Dimethylsulfoxid (DMSO) 40 50 Acetonitril Pyridin 2‐Propanol (Isopropanol) Ethanol Methanol Essigsäure Wasser Warum ist das wichtig für die MST? • Reinigungsschritte für Substrate in MEMS‐ Prozessen (stört sonst beim Bonden/Löten/etc.) • Reihenfolge der Waschschritte: – Aceton oder Chloroform („Entfetten“, Entfernung unpolarer Verunreinigungen) – Isopropanol (Abspülen von Aceton oder Chloroformresten, mischbar mit org. LöMi und Wasser) – Wasser (Entfernung restlicher polarer Verunreinigungen) Warum ist das wichtig für die MST? Beispiel: Strippen eines Resists n H CO2 + H+ O O OH O löslich in: Anisol (Methoxybenzol) NaOH Mischbarkeit von Lösungsmitteln • unmischbare LöMis können nicht direkt nacheinander zum Waschen verwendet werden (keine Oberflächenbenetzung) • z.B. Chloroform – Wasser; Lösung: mit einem LöMi mittlerer Polarität „zwischenspülen“ www.fisher.co.uk OC‐ABC : Wie schreibt man organische Strukturen? • z.B. Actinomycin D (Antibiotikum) • hinter organischen „Strichmännchen“ verbirgt sich die Orbitaltheorie http://de.wikipedia.org/wiki/Naturstoff Warum „Strichmännchen“? • Vereinfachung http://masterorganicchemistry.com/ Warum Vereinfachung? • Vereinfachung erlaubt es, ähnliches leichter zu identifizieren… http://masterorganicchemistry.com/ Warum Vereinfachung? (2) …und Kompliziertes leichter zu analysieren! MIT 2003 OC‐ABC: Wie schreibt man organische Strukturen? (2) Grundregeln: • Bindungen und freie Elektronenpaare = Linien • Eine Linie = 2 Elektronen • Cs und Hs werden weggelassen (außer man will spezielle Positionen betonen) • Jedes Linienende, jede Kreuzung gleich ein C‐Atom (außer ein Heteroatom ist angegeben) • Hs werden „im Geist“ ergänzt, so dass jedes C‐Atom 4 Bindungen (= 8 Elektronen) hat. • Heteroatome werden ausgeschrieben • Abkürzungen (CH3, CH2) sind OK. OC‐ABC: Wie schreibt man organische Strukturen? (3) aus: Paula Bruice, Organische Chemie – Studieren kompakt, 5. Aufl, Pearson Verlag, 2010 OC‐ABC: Wie schreibt man organische Strukturen? (4) aus: Paula Bruice, Organische Chemie – Studieren kompakt, 5. Aufl, Pearson Verlag, 2010 OC‐ABC: Wie schreibt man organische Strukturen? (5) Beispiele: Wie schreibt man organische Strukturen NICHT? • Nicht wie in der Schule (ein Strich H)! • Wenn ein C ausgeschrieben wurde, werden alle Bindungen an diesem C ausgeschrieben! (C = C Ethen!) • Bindungswinkel beachten: meist 109°, 120° bzw. 180° • Fünfbindiger Kohlenstoff gibt Punktabzug!!! OC‐ABC: Wie schreibt man organische Moleküle in 3D? • Moleküle sind nicht flach! „ball‐and‐stick“‐ Modell (Wikipedia.de) http://cdn.physorg.com/ Kalotten‐Modell (http://partner‐google.photobucket.com/) OC‐ABC: Wie schreibt man organische Moleküle in 3D (2) masterorganicchemistry.com OC‐ABC: Wie schreibt man organische Moleküle in 3D (3) Keilstrich‐Schreibweise masterorganicchemistry.com OC‐ABC: Wie schreibt man organische Moleküle in 3D (4) masterorganicchemistry.com OC‐ABC: Wie schreibt man organische Moleküle in 3D (5) OC‐ABC: Verschiedene 3D‐ Darstellungen • Keilstrich‐, Sägebock‐ und Newman‐Projektion masterorganicchemistry.com Wie schreibt man Reaktionsmechanismen? • „Elektronen schubsen“ • Ein Elektron bewegt sich: „Fischhaken‐Pfeile“ • Zwei Elektronen bewegen sich: „ganze Pfeile“