Garten NATUR Natürlich | 1-2004 1 Kiwis selber anba Saftig, reich an Vitamin C und äusserst schmackhaft sind sie. Ihren Namen haben sie vom neuseeländischen, flugunfähigen Nationalvogel Kiwi-Kiwi erhalten. Und selbst bei uns können Kiwis erfolgreich angebaut werden – beispielsweise in Herisau, 800 Meter über Meer. Text: Kurt Forster F ür jedes Kilogramm Kiwi, das aus Neuseeland eingeflogen wird, werden 4 Liter Flugkerosin verpufft. Solche Transporte sind aus ökologischer Sicht nicht vertretbar. Soll man deshalb auf die gesunden, saftigen, aromatischen Früchte verzichten? Nein, denn ein Anbau dieser lang haltbaren Früchte lohnt sich auch bei uns in der Schweiz. Im Spätherbst gepflückt und 18 Natürlich | 1-2004 kühl gelagert, schenken sie uns vor allem im Winter den notwendigen Gesundheitskick. Statt im Winter Vitamintabletten zu schlucken, können uns die sehr VitaminC-reichen Kiwis helfen, ohne Grippe oder Erkältung über den Winter zu kommen. Spricht man von Kiwis, so denkt man primär an die grossen, braunen, kurzbehaarten, hühnereigrossen Früchte, die in jedem Lebensmittelgeschäft erhältlich sind und meistens aus Neuseeland importiert werden. Die strauchartige Kletterpflanze, die chinesische Stachelbeere (Actinidia chinensis), stammt ursprünglich aus Südchina, dem Flusstal des Yangtse. Sie wurde um 1900 in Neuseeland eingeführt und dort züchterisch weiterentwickelt. Heute werden die grossen Kiwis (Actinidia deliciosa) in riesigen Plantagen vor allem in Neuseeland, Süd- uen Foto: Beat Ernst Garten NATUR afrika, Japan, Kalifornien, den Mittelmeerländern und Chile angebaut. Da diese Kiwis kälteempfindlich sind, lassen sie sich bei uns nur in einem guten Weinklima oder einem Gewächshaus erfolgreich anbauen. Heute sind aber auch andere, frostharte Sorten auf dem Markt. jedes halbwegs sonnige Plätzchen. Eine kahle Schuppenwand oder eine nackte Ecke genügen. Die stark wachsenden, schlanken Lianen begrünen Zäune und Wände. Am besten zieht man sie an einem Rankengerüst mit 3 bis 4 gespannten Drähten und einer Gesamthöhe von 1,8 m. Bei den Kiwis ist Geschlechtertrennung angesagt. Eine Pflanze trägt nur weibliche, eine andere Pflanze nur männliche Blüten. Die männliche Minikiwis (die so genannten Nostinos) vermögen im Umkreis von 20 m bis 8 weibliche Pflanzen zu bestäuben. An einem Südhang habe ich zwischen 2 weiblichen eine männliche Pflanze im Abstand von 2,5 m gepflanzt. Sie bevorzugen zwar einen leicht sauren Boden, nehmen aber auch mit kalkhaltigem Untergrund vorlieb. Aus der ursprünglich nordasiatischen Pflanze sind eine Fülle von Sorten gezüchtet worden. Die Sippschaft der stachelbeergrossen, glattschaligen Mini-Kiwis (Actinidia arguta) ist vielfältig. Auf dem Markt sind unter anderem folgende Namen anzutreffen: Weiki (rote, 2 bis 3 cm lange Früchte, robuste Pflanze), Jssai (selbst fruchtende, kleinfruchtige, grüne Sorte), Ambrosio (3 bis 4 cm lange, grüne, aromatische Früchte, frühe Sorte), Maki (rotschalige, walnussgrosse Art), Nostino (männlicher Bestäuber für alle ArgutaKiwis) usw. Am besten pflanzt man die Mini-Kiwis im Frühling. Bei einer Herbstpflanzung ist im ersten Jahr ein Schutz aus Chinaschilf, Stroh, Riedschnitt, Laub oder Häckselmaterial angebracht. Die unerschütterlichen Minis überstanden bei mir den knochentrockenen Sommer 2003 an einem Südhang ohne Giessen in grüner Pracht. Selbst eine schlechte Bodenqualität scheint sie nicht zu beeindrucken. Da in der Schweiz bis heute keine Krankheiten aufgetreten sind, benötigen sie keinen Pflanzenschutz. Sie sind deshalb auch für kleinere Gärten ohne ideale Südlage geeignet. Kleine Früchtchen – reiche Ernte Die Minis sind ausserordentlich reich an Vitamin C (bis 400 mg/100 g). Daneben kommen B-Vitamine, Provitamin A sowie viele Mineralstoffe vor. Von Mitte September bis Ende Oktober kann man die saftigen, stachelbeerähnlichen Früchtchen ernten. Man pflückt sie, sobald sie weich sind. Nach 3 Jahren trugen die Ranker bei mir die ersten Früchtchen, im 4. Jahr brachte jede Pflanze schon einige Dutzend davon und nach einigen Jahren Hunderte von Früchtchen. Pro Pflanze ist ein Ertrag bis 20 kg möglich. Auch ohne grosse Pflege fruchten sie unermüdlich. Sie benötigen nur alle 2 bis 3 Jahre einen Auslichtungsschnitt. Am besten geniesst man die süsssäuerlichen, delikaten Früchtchen frisch geerntet und mit Schale. Im Kühlschrank sind sie etwa 14 Tage haltbar. Sie lassen sich zu schmackhaften Konfitüren, Obstkuchen oder Kompott verarbeiten. Die Minis lassen sich gut einfrieren, in einem Rumtopf verwenden, oder sogar zu Kiwiwein vergären. Resistente Minikiwis Bei den etwas grösseren weiblichen Blüten (oben) sind die Griffel strahlenförmig angeordnet. Foto: Kurt Forster In den letzten Jahren tauchen verstärkt kleinere, glatte, rote und grüne Argutasorten (Actinidia arguta und Actinidia melanadra) auf. Diese stachelbeerähnlichen Kiwis ertragen Wintertemperaturen bis 30 ° unter dem Gefrierpunkt. An meinem Wohnort in Herisau, auf 800 m Höhe, haben die kleinen Minikiwis den letzten bitterkalten, schneereichen Februar im Freien problemlos überstanden. Unter Pilzen, Krankheiten, Bakterien und Schädlingen leiden die widerstandsfähigen Pflanzen kaum. Als Schlingpflanzen begrünen die anspruchslosen Kletterer Bei den kleineren, männlichen Blüten (links) sind die Griffel verkümmert, dafür dominieren die Staubblätter. Natürlich | 1-2004 19 Foto: Kurt Forster Im Schutz einer warmen, südexponierten Hauswand gedeihen die grossen Kiwis besonders gut: ein dicht bewachsenes «Hexenhäuschen» Die Grossen sind anspruchsvoller Der Anbau der eigentlichen Kiwis (Actinidia deliciosa) lohnt sich bei uns dagegen nur in einem guten Weinklima. Dort kann ein solcher Schlinger spielend eine Fläche von 30 m2 begrünen. Ideal ist eine windgeschützte Südwestlage vor einer wärmenden Mauer. Da ich selber auf 800 m Höhe wohne, baue ich die Grossen erfolgreich im ungeheizten Gewächshaus an. Die wüchsigen Ranker bedecken bei mir die 8 m lange Nordwand des Glashauses bis zum Giebel hinauf – ein grüner, dichter Kiwidschungel. Als Unterpflanzung wählte ich frühe Erdbeeren mit Zwiebeln in Mischkultur. Während der heissen Sommermonate wuchsen viele Kiwizweige aus den Lüftungsfenstern. Selbstverständlich müssen die Zweige im Herbst zurückgeschnitten werden. 2 weibliche Pflanzen umrahmen 1 mittlere männliche Pflanze. Im Freiland besteht die Gefahr, dass ein zu früher Austrieb erfriert. Daher schützt man im Frühling die zarten Austriebe vor dem Frost mit einem Vlies oder einer Noppenfolie. Schon im April tragen die Kiwis eine reiche Blattfülle von grossen, dunkelgrünen Blättern. Etwas später, Anfang Mai, prunken sie dann mit ihren grossen, weiss leuchtenden Blüten. Die weissen Gruppen strahlen aus dem dichten dunkelgrünen Blattgewirr. Um eine möglichst vollständige Bestäubung der weiblichen Blüten zu erreichen, tippe ich mit einer männlichen 20 Natürlich | 1-2004 Blüte auf die weiblichen Narben. Während den Sommer- und Herbstmonaten reifen sie zu hühnereigrossen, braunen Früchten heran, die möglichst spät, erst im November geerntet werden. Die Früchte ertragen selbst einige Minusgrade. Jetzt, nach rund 12 Jahren, bringen die 2 weiblichen Stöcke pro Saison 400 bis 500 Früchte; unsere Vitamin-C-Versorgung in den Monaten Januar, Februar und März ist somit gesichert. Die weltweit bedeutendste Sorte unter den grossen Kiwis ist Hayward. Ihre Früchte sind sehr aromatisch, die Pflanze mässig wuchsstark, spät blühend und sehr ertragreich, aber etwas empfindlich. In klimatischen Grenzlagen ist daher die robustere Sorte Starella besser geeignet. Sie ist starkwüchsig und trägt grosse Früchte. Als männlichen Bestäuber kann man für alle Deliciosa-Kiwis die Sorte Matua dazu anbauen. Weitere Sorten sind Abbott und Monty. Jenny (Kiwi chinensis) ist eine selbst fruchtende Kiwisorte mit kleinen, aromatischen Früchten. «Kiwi-Gold»: Honigund Melonengeschmack Die Neuzüchtung «Kiwi-Gold» liegt zwischen den kleinen und grossen Sorten. Ihre Früchte sind schwach behaart, 6 bis 8 cm gross und in der Form feigenähnlich. Ihr Fruchtfleisch ist süss, goldgelb und sehr saftig. Ihr Aroma erinnert an ein Zusammenspiel von Melone, Pfirsich, Zi- trusfrucht und Honig. Die Pflanzen sind robust, hart und widerstandsfähig gegen Pilze und Schädlinge. Als Befruchter für die Goldkiwis eignen sich männliche Sorten von Actinidia deliciosa oder die Sorte Matua. Ein Anbauversuch im Hausgarten vor einer ungenutzten Hauswand oder als Spalier an einem windgeschützten Standort könnte erfolgreich sein. Auch die Früchte der Goldkiwis lassen sich im kühlen Keller lagern, aber nicht so lang wie ihre grossen, grünen Verwandten. Kletterhilfen für Winder Kiwis sind keine Haftkletterer wie Efeu oder wilder Wein. Als Winder benötigen sie eine Kletterhilfe. Ihre Ranken winden sich um alle vorhandenen Gegenstände. Am besten stellt man ihnen Drahtspaliere Eine Unterpflanzung der Kiwikultur mit frühen Erdbeeren, Ruccola und Knoblauch bildet eine erfolgreiche Mischkultur. Garten NATUR Foto: René Berner Zwischen Ende Oktober und Mitte November werden die grossen Kiwis in Mitteleuropa geerntet. Am besten geniesst man die kleinen, aromatischen Minikiwis direkt vom Spalier und mit der Schale. Bodenpflege und Schnitt Kiwis lieben leicht sauren (pH-Wert 5,5–6), lockeren, humusreichen, tiefgründigen Boden. Sie ertragen Staunässe schlecht, benötigen aber während der Sommermonate genügend Feuchtigkeit. Die kleineren, härteren Minis gedeihen auch auf schlechten, kalkhaltigen Böden. Sie sind nach meinen Erfahrungen recht genügsam. Die Grossen (Actinidia deliciosa) habe ich in ein Hochbeet gepflanzt, das ich jeweils im Frühling, vor Beginn der Wachstumszeit, mit gut gelagertem Kompost versorge. Da Kiwis mit ihrer grossen Blattmasse viel Wasser verdunsten, bedecke ich den Fuss der Pflanzen mit einer guten Mulchdecke, damit die Bodenfeuchtigkeit besser erhalten bleibt. Über den Schnitt findet man unterschiedliche Anweisungen. Geschnitten werden die grossfrüchtigen Arten 2-mal im Jahr. Im Pflanzjahr zieht man mit einem Erziehungsschnitt einen Hauptstamm möglichst ohne Windungen hoch, aus ihm werden später die Nebenäste T-förmig weiter geleitet. Ich selbst habe die Kiwipflanzen fächerförmig gezogen. Im Spätwinter schneide ich die Kiwis. Dabei entferne ich alle unerwünschten Ranken und einige alte, mehrjährige Äste; achte aber darauf, dass möglichst viele einjährige Triebe stehen bleiben, denn dort gedeihen im nächsten Jahr die neuen Früchte. Die fruchttragenden Ranken werden im Hochsommer 4 bis 5 Blätter nach den Früchten abgeschnitten. Ein zu dichtes Rankengewirr wird zusätzlich gezähmt. Die Minikiwis wachsen schwächer und ihre Triebe sind feiner und häufiger verzweigt. Daher genügt im Spätherbst, wenn sie keine Blätter mehr tragen, ein Auslichtungsschnitt. Gute Lagerfähigkeit Kiwis werden möglichst spät im November vor den ersten Frösten geerntet. Sie sind dann ausgereift und stecken voller Gesundheit. Grosse Kiwis sind kühl gelagert bis Ende April haltbar. Ihre dicke Haut schützt sie vor Wasser- und Vitaminverlust. An den Hautfalten zeigte sich allerdings, dass der Wassergehalt während der halbjährigen Lagerung abgenommen hat. Das Fruchtfleisch war trotzdem noch fest und schmackhaft. Eine gute Kontrolle lohnt sich, damit man weiche Früchte sofort aufbrauchen kann. Einzelne Früchte können verderben und weich werden. Bis jetzt konnte ich an den Kiwis keine Schädlinge beobachten. Kiwis dürfen nicht mit Äpfeln zusammen gelagert werden, da das Äthylen, Foto: Kurt Forster 10 bis 20 cm vor einer Hauswand mit etwa 50 cm Drahtabstand zur Verfügung. Ein geschickter Bastler wird ein Lattengerüst aus dünnen, beständigen Holzlatten konstruieren. Kiwis nehmen aber auch Schnüre, Pfosten, Pergolastützen oder Geländer als Kletterhilfe an. Mit einem WeikiPärchen könnte man auch einen Rosenbogen verkleiden. das Reifegas der Äpfel, auch den Reifungsprozess der Kiwis beschleunigt. Nicht ins Birchermüesli In Verbindung mit Milchprodukten werden durch ein Enzym Bitterstoffe entwickelt. Daher haben Kiwis im Birchermüesli nichts verloren. Am besten geniesst man die Früchte einzeln oder im Fruchtsalat. Kiwis können auch fein geschnitten und gedörrt werden, verlieren dabei aber ihre grüne Farbe. ■ Kiwi: Erwerb, Anbau und Pflege Grundsätzlich gibt es 3 Möglichkeiten, sich junge Kiwipflanzen zu beschaffen: Der schnellste, aber teuerste Weg ist der Ankauf von 3- bis 4-jährigen Jungpflanzen in einem Gartenzentrum. Dabei sollte man die jungen Kiwipflanzen aus einheimischer Zucht und nicht von einem Grossimporteur aus Neuseeland oder Südafrika beziehen. Der zweitschnellste ist die Vermehrung aus Stecklingen, und die dritte Möglichkeit ist die Anzucht aus den kleinen Sämchen, die man in jeder Frucht findet. Ich selbst habe alle 3 Wege erfolgreich ausprobiert. Zu Beginn meiner Kiwikarriere kaufte ich 2 weibliche und 1 männliche Pflanze in einem Gartenzentrum. 3 Jahre später hatte ich schon einen ersten Ertrag. Aus diesen Pflanzen habe ich schon mehrfach Stecklinge geschnitten und erfolgreich grossgezogen. Erstaunlicherweise gedeihen diese grossen, selbst gezogenen Kiwis im Freien auf 800 m Höhe, bei einem doch eher rauen Klima. Sie geniessen allerdings einen bevorzugten Standort vor der Südwestwand des Hauses. Während der Frostzeit schützt man den Fuss mit Strohoder Schilfmatten. Neuerdings gibt es auch 2-häusige Pflanzen auf dem Markt. Aus Erfahrung wissen wir allerdings, dass eine kreuzweise, das heisst 1-häusige Bestäubung meist grössere Früchte bringt. Natürlich | 1-2004 21