Neue Führungsmethoden - Marketing und Personalmanagement

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→ terführung
ihren Kurs frühzeitig und
nachhaltig wechseln und sich über neue
Führungstheorien und -konzepte informieren, um so gegenüber den zukünftigen Herausforderungen gewappnet zu
sein. In diesem Sinne werden zwei neue
Theorien vorgestellt, die in der Zukunft
häufiger Anwendung finden werden:
die implizite Führungstheorie und die
Super Leadership Theorie.
Die implizite Führungstheorie
Neue Führungsmethoden
Wer den richtigen Führungsstil wählt, bleibt auf Kurs und überholt die Konkurrenz
Von Ruth Stock-Homburg & Gülden Özbek-Potthoff
Illustration: medien|design, www.mediendesign.de
S
eit der ersten Hälfte des letzten
Jahrhunderts wird in der Psychologie und in der Betriebswirtschaftslehre die Mitarbeiterführung
intensiv erforscht und diskutiert. Dabei
wurden verschiedene Führungstheorien und -konzepte, wie z. B. die transformationale und die charismatische Führungstheorie oder das Führen durch
Ziele, ausgearbeitet. Die Anwendung
dieser Theorien soll Führungskräfte
darin unterstützen, ihre Mitarbeiter zu
motivieren und dadurch bessere Leistungen von diesen zu erhalten. Bei den
meisten bekannten Führungstheorien
wird davon ausgegangen, dass die Füh-
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Mittelstand wissen
rungsperson und ihre Mitarbeiter an einem Ort zusammenarbeiten und aus einer Kultur kommen. Was passiert aber,
wenn Führungskräfte und ihre Mitarbeiter nicht an einem Ort sondern weltweit verteilt arbeiten und wenn sie aus
unterschiedlichen Kulturen stammen?
Rasante Änderungen in der
Arbeitswelt
Vor allem der Einsatz neuer Technologien, die Globalisierung und der demographische Wandel führen dazu, dass
das Arbeitsumfeld für Führungskräfte
und Mitarbeiter internationaler, virtu-
eller und heterogener wird. Der Einsatz
von alt bekannten Führungstheorien und -konzepten in umgewandelter
Form oder der Einsatz von neuen Führungstheorien wären Lösungen, um den
neuen Herausforderungen der Arbeitswelt gerecht zu werden. Soll der „alte
Wein in neuen Schläuchen fließen“ oder
ein nachhaltiger Kurswechsel gewählt
werden? Die neuen Herausforderungen
in der Arbeitswelt werden in den nächsten zehn bis 15 Jahren die Mitarbeiterführung radikal ändern. Die bewährten
Führungskonzepte sind dann nur noch
begrenzt wirksam. Die Unternehmen
müssen insbesondere in der Mitarbei-
→
Sie ist eine der neueren Führungstheorien. Die grundlegende Annahme
dieser Theorie ist, dass Mitarbeiter
eine Vorstellung von einer idealen
Führungsperson haben. Diese ideale Führungsperson wird mit der tatsächlich wahrgenommenen, aktuellen
Führungsperson verglichen. Entspricht
die wahrgenommene Führungsperson
nicht den Idealvorstellungen, ist die
Akzeptanz dieser durch ihre Mitarbeiter gering. Bei einer Übereinstimmung
der idealen Führungsperson mit der
wahrgenommenen Führungsperson
ist die Akzeptanz der Führungsperson
durch ihre Mitarbeiter hoch (vgl. Abb.
1). Die Akzeptanz einer Führungsperson durch die Mitarbeiter ist für
den Führungserfolg wichtig, da dieser
wiederum mit der Effektivität der Mitarbeiter und dem Unternehmenserfolg
verbunden ist.
Der Einsatz der impliziten Führungstheorie ist insbesondere in einem Umfeld mit interkulturellen Mitarbeitern von Bedeutung. Die Vorstellung, wie eine Führungsperson sein
sollte, kann von Kultur zu Kultur unterschiedlich sein. Während die Mitarbeiter z. B. aus den Südasiatischen
Ländern eher eine autoritäre Führungsperson erwarten, wollen Mitarbeiter aus den Nordeuropäischen
Ländern eher eine weniger autoritäre
Führungsperson. In einem Umfeld, in
dem die Mitarbeiter aus einer Kultur
sind, ist es für die Führungsperson
einfacher, sich auf die Erwartungen
ihrer Mitarbeiter einzustellen.
Was passiert aber, wenn die Mitarbeiter aus unterschiedlichen Kulturen
stammen? In diesem Fall sollten Führungskräfte sich darüber informieren,
welche Erwartungen die einzelnen
Mitarbeiter haben, z. B. mithilfe von
anonymen Befragungen. Anhand der
gewonnen Ergebnisse können Erwar-
Abb. 1: Modell der impliziten Führungstheorie
Ist-Soll-Vergleich
Wahrgenommene
Führungsperson
(Ist)
Ideale
Führungsperson
(Soll)
Akzeptanz der
Führungsperson
durch die Mitarbeiter
Übereinstimmung
(Ist = Soll)
Hoch
Negative
Abweichung
(Ist < Soll)
Niedrig
Abb. 2: Schritte im Super Leadership Prozess
Schritte
Zentrale Ziele
Beispielhafte Maßnahmen
1. Einführen der Selbstführung bei den Mitarbeitern
Erreichen von Selbstmotivation
und Selbststeuerung der Mitarbeiter im Sinne der Unternehmensziele
- V ermitteln strategischer Denkmuster
- V ermitteln von Techniken
zur Steigerung der eigenen
Effektivität wie z. B. Selbstmanagement
2. Vorleben der Selbstführung gegenüber den
Mitarbeitern
Verstärken der Selbstführungsfähigkeiten der Mitarbeiter
- P raktizieren und Vorleben
strategischer Denkmuster
- P raktizieren einer funktionierenden Selbstorganisation
3. S etzen von eigenen
Zielen durch die Mitarbeiter
Zielgerichtetes Ausrichten der
Mitarbeiter-Verhaltensweisen
- Aktivieren von eigenständigem
Planen und Verteilen benötigter Ressourcen seitens der
Mitarbeiter
- Anregen zu eigenständigem
Identifizieren und Priorisieren
von Zielen durch die Mitarbeiter
4. Kreieren positiver
Gedankenwelten
Etablieren positiver und konstruk- - Positives Bestärken der Mitartiver Denkweisen der Mitarbeiter
beiter
- Aufzeigen von Stärken bzw.
Fortschritten in der Selbstführung
5. B elohnen der Selbstführung der Mitarbeiter
Verstärken der Selbstführungsaktivitäten der Mitarbeiter
- Anerkennen funktionierender
Selbstführung in Feedbackgesprächen
- Konstruktives Umgehen mit
Fehlern in der Selbstführung
6. Unterstützen der Selbstführung der Mitarbeiter
Fördern der Kommunikation und
der Koordination der Aktivitäten
der Mitarbeiter
- Fördern eines regelmäßigen
Austauschs zwischen Mitarbeitern in der Rolle des Self
Leaders
- Verbessern der Abstimmung
der Ziele einzelner Mitarbeiter
tungen und Realität verglichen und
entsprechende Maßnahmen getroffen
werden. Eine Maßnahme ist, dass die
Führungsperson ihr Verhalten bis zu
einem gewissen Grad an die Erwartungen der Mitarbeiter anpasst. Dabei ist
es wichtig, dass die Authentizität der
Führungsperson durch ihre Mitarbeiter nicht in Frage gestellt wird. Weitere
beispielhafte Maßnahmen sind das Anbieten von interkulturellen Workshops
sowie die Durchführung von Fallstudienübungen im interkulturellen Kontext
für Führungskräfte und Mitarbeiter.
Mittelstand wissen
→
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→ Die Super Leadership Theorie
Sie ist eine weitere neuere Führungstheorie. Der Super Leadership Theorie
liegt die Annahme zugrunde, dass die
Führungsperson – der Super Leader –
ihre Mitarbeiter dazu befähigen muss,
selbständig und ergebnisorientiert zu
arbeiten sowie sich selbst zu motivieren
und zu führen. Die Mitarbeiter werden
nach dieser Theorie selbst zu Führungskräften, den so genannten Self Leaders.
Die Idee dahinter ist, dass durch mehr
Autonomie die Mitarbeiter motivierter
arbeiten und ihre vorgegebenen Ziele
effektiver und effizienter erreichen.
Die Super Leadership Theorie beeinflusst nicht, wie klassische Führungstheorien, das Verhalten der Mitarbeiter.
Vielmehr soll durch die Anwendung
dieser Theorie die zielorientierte Selbststeuerung der Mitarbeiter bezweckt
werden. Die Selbststeuerung der Mitarbeiter ist bei so genannten virtuellen Teams von Bedeutung. In solchen
Teams sind zumeist die Führungsperson und die Mitarbeiter an unterschiedlichen Orten und können nur mithilfe
von Informations- und Kommunikationstechnologien miteinander kommunizieren, so dass eine klassische VorortFührungssituation nicht gegeben ist. In
diesem Fall kann die Super Leadership
Theorie zum Einsatz kommen.
Ein wesentlicher Punkt beim Einsatz
dieser Theorie ist, dass sie in der Unternehmenskultur verankert sein sollte. Zudem sollten die Akzeptanz und
die Unterstützung durch die leitenden
Personen gegeben sein. Erst danach
sollte die Selbstführung unter den Mitarbeitern schrittweise etabliert werden.
Abbildung 2 gibt einen Überblick über
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die möglichen Schritte des Super Leadership Prozesses. Aus der Beschreibung der Super Leadership Theorie und
der Prozesse wird ersichtlich, dass die
Theorie nicht in allen Unternehmensbereichen eingesetzt werden kann. Sie
kann in Bereichen eingesetzt werden, in
denen weniger standardisierte Aufgaben dafür aber viel Kreativität, Eigeninitiative und Eigenständigkeit gefordert
werden. Beispielhafte Einsatzbereiche
sind die Forschung und Entwicklung,
das Marketing sowie unterstützende
Funktionen im Unternehmen wie das
Personalmanagement.
Im Interview: Joachim Simon
Gefahr Burnout: Brennen ohne auszubrennen
Wie können Führungskräfte verhindern, dass sie selbst oder ihre
Mitarbeiter in einen Burnout-Zustand
geraten? Das fragte Mittelstand WISSEN
den Braunschweiger FührungskräfteTrainer Joachim Simon.
Warum kämpfen heute mehr
Männer und Frauen als früher mit
einem Burnout?
Mitarbeiterführung von morgen
Wie sollten Unternehmen die Mitarbeiterführung von morgen gestalten, damit ihr Unternehmens- und Führungserfolg gesichert ist? Sollen klassische
Führungstheorien den neuen Bedingungen angepasst werden oder sollen
neue Theorien, die entsprechend der
neuen Bedingungen entwickelt worden
sind, zum Einsatz kommen?
Unternehmen sollten sich bewusst
sein, dass sich die Arbeitswelt in der
nahen Zukunft drastisch ändern wird.
Die Zahl der virtuellen Teams und interkulturellen Mitarbeiter wird, bedingt
durch die Globalisierung, steigen. Die
bekannten und gängigen Führungstheorien und -konzepte werden kaum
noch erfolgsbringend sein. Daher müssen sich Unternehmen und Führungskräfte heute schon Gedanken machen,
wie sie ihre Mitarbeiter entsprechend
der neuen Rahmenbedingungen führen
und dadurch die Effektivität ihrer Mitarbeiter steigern möchten.
p
Simon: Eine Ursache ist sicherlich die
veränderte Arbeitswelt. Daneben gibt
es gesellschaftliche Gründe. Vielen
Menschen fehlen heute private Unterstützer, die sie in Stress-Situationen
entlasten.
Sind Führungskräfte stärker von
einem Burnout bedroht als „normale“
Mitarbeiter?
Simon: Ja und nein. Die meisten Führungskräfte befinden sich in einer
Sandwichpostion, in der sie von vielen
Seiten mit Erwartungen konfrontiert
werden. Das erhöht ihren Arbeitsdruck. Zugleich haben aber gerade
Männer und Frauen in gehobenen
Führungspositionen im Laufe ihrer
beruflichen Biografie meist Strategien
entwickelt, um mit Stress konstruktiv
umzugehen.
Wie können Führungskräfte einem
Burnout vorbeugen?
Univ.-Prof. Dr. Ruth Stock-Homburg
Leiterin des Fachgebiets Marketing & Personalmanagement TU
Darmstadt
Dipl.-Wirtsch.-Inform. Gülden Özbek-Potthoff
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Marketing & Personalmanagement TU Darmstadt
▹ Aktuelle Studie
Das Fachgebiet Marketing & Personalmanagement der Technischen Universität Darmstadt führt derzeit eine aktuelle Studie zum Thema:
„Work-Life-Balance und Karriere – ein Widerspruch?“
Bei Interesse an einer Teilnahme und für weitere Informationen schreiben Sie
bitte eine Email an [email protected]. Die Teilnahme ist bis
einschließlich 10. Januar 2011 möglich. Bei einer Teilnahme erhalten Sie kostenlos als
Dankeschön einen eigens für Sie zusammengestellten Ergebnisbericht.
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Mittelstand wissen
» Vielen Menschen fehlen heute
private Unterstützer, die sie in
Stress-Situationen entlasten. «
J oachim Simon, Inhaber des Trainingsunternehmens
simonconsult HR & Organizational Development www.simonconsult.de
Simon: Wichtig ist es, darauf zu achten,
dass man sich nicht wie ein Hamster
im Laufrad dreht und sich das Gefühl
verdichtet: Egal, wie sehr ich mich anstrenge, ich schaffe es nicht. Das heißt,
wichtig ist es, bildhaft gesprochen, immer mal wieder den Fuß vom Gas zu
nehmen und zu reflektieren: Was will
ich und was tue ich denn eigentlich?
Wichtig ist es auch, sich körperlich
fit zu halten. Und zudem sollte man
an der Situation und häufig auch der
eigenen, inneren Einstellung arbeiten.
Was sind Symptome für einen Burnout?
Simon: Ein Warnzeichen ist es, wenn
Personen pausenlos arbeiten und dabei
zunehmend einen gehetzten und frustrierten Eindruck machen. Ebenfalls ein
Warnsignal ist es, wenn Personen sich
sozial isolieren. Ein weiteres Alarmsignal ist es, wenn Mitarbeiter zunehmend über Erschöpfung und mangelnde Konzentrationsfähigkeit klagen
oder verstärkt zu solchen ‚Helfern’ wie
Alkohol und Tabletten greifen.
Welchen Führungsstil sollte ein Chef
wählen, damit seine Mitarbeiter nicht
ausbrennen?
Simon: Führungskräfte sollten ihre
Mitarbeiter zwar fordern, aber nicht
überfordern. Wann ein Mitarbeiter
sich überfordert fühlt, hängt von vielen
Faktoren ab – seinem Können, seiner
körperlichen Verfassung, und seinem
Selbstwertgefühl. Deshalb sollten Führungskräfte sich bewusst Zeit für ihre
Mitarbeiter nehmen. Zeit, um ihnen zu
erklären, warum ihre Aufgaben wichtig
sind, Zeit, um ihnen Unterstützung zu
gewähren. Am Arbeitsplatz sollte kein
Klima der Angst bestehen, bei dem die
Mitarbeiter stets befürchten müssen:
Wenn ich die Erwartungen nicht erfülle, stehe ich auf der Abschussliste.
Was sollte eine Führungskraft tun,
wenn trotzdem ein Mitarbeiter Anzeichen eines drohenden Burnouts zeigt?
Simon: Das Gespräch mit dem Mitarbeiter suchen, um zu klären: Ist der
Mitarbeiter zur Zeit überfordert? Benötigt er Unterstützung oder Entlastung?
Befindet sich ein Mitarbeiter aufgrund
eines Burnouts bereits in einer Depression, sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden, denn Führungskräfte sind keine Therapeuten.
Vielen Dank für das Interview!
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