Mag. Simone Pfandl-Pichler LKH-Univ. Klinikum Graz Auenbruggerplatz 19, 8036 Graz [email protected] Tel. Nr.: + 43 (316) 385-87791 Presseinformation zur sofortigen Veröffentlichung Graz, 24. November 2016 Vier Hände gegen den Tumor Eine Neurochirurgin und ein Hals-Nasen-Ohren-Spezialist konnten am LKH-Univ. Klinikum Graz mittels Vier-Hand-Technik einen Tumor über die Nase entfernen. Der Tumor, der hinter dem Auge lag, galt als inoperabel und hätte zum Erblinden des Patienten geführt. Ein Jahr nach der Operation steht fest: Der Eingriff ist gelungen – auch das Sehvermögen des Patienten hat sich deutlich verbessert. Der 12. November ist für den Salzburger Hubert K. ein besonderer Glückstag! 2015 bekam der 49-Jährige an genau diesem Tag die Sehkraft seines linken Auges zurück, die er bereits verloren geglaubt hatte. Ein sogenanntes Orbitahämangiom, ein gefäßreicher Tumor, wucherte direkt hinter dem Auge und hätte zur Erblindung geführt, wenn nicht die Neurochirurgin, OA Dr. Verena Gellner, und der HNOSpezialist, Ass. Prof. Priv.-Doz. Dr. Peter Valentin Tomazic, am LKH-Univ. Klinikum Graz den Tumor mittels Vier-Hand-Technik endoskopisch über die Nase entfernt hätten. Eine interdisziplinäre Meisterleistung, die weltweit ihresgleichen sucht. Bei Hubert K. wurde das Orbitahämangiom zufällig entdeckt: Der Salzburger hatte sich als Proband für eine MR-Untersuchung zur Verfügung gestellt, dabei wurde der Tumor bemerkt, den er vermutlich schon seit seiner Geburt hatte. „Die Diagnose lautete: ein gutartiger, allerdings mit herkömmlichen Operationsmethoden inoperabler Tumor“, erinnert sich der Patient. „Ich habe mehrere Meinungen eingeholt, die vorgeschlagene Therapie war aber immer dieselbe: Beobachten und Abwarten – eine Operation wäre zu riskant.“ Zwei Jahre lang blieb die Situation unverändert, dann begann der Tumor plötzlich zu wachsen und drückte, da er direkt hinter dem Augapfel lag, diesen nach vorne. „Meine letzte Option wäre nun gewesen, so lange zu warten, bis ich blind bin und dann operieren zu lassen“, erzählt Herr K. Wäre er erblindet, hätte man den Tumor entfernt, da das Auge – drastisch ausgedrückt – dann ohnehin nicht mehr brauchbar gewesen wäre. Glücklicherweise konnte ein Salzburger Augenarzt die triste Prognose entschärfen. „Er wusste, dass wir am LKH-Univ. Klinikum Graz derartige Tumore mit einer endoskopischen Methode über die Nase entfernen können und hat uns sämtliche Behandlungsunterlagen von Herrn K. mit der Bitte geschickt, sie uns anzusehen“, erzählt OA Dr. Verena Gellner. Schnell stand fest, dass das Team der Schädelbasischirurgie des Klinikum Graz bereit war, den Tumor über die Nase zu entfernen, der etwa die Größe des Auges hatte. Wenige Tage später war der OP-Termin für die Folgewoche fixiert. Perfektes Zusammenspiel mittels Vier-Hand-Technik Mit eigens entwickelten Instrumenten und einer speziellen Technik, um gesunde Strukturen wie die Augenmuskeln zu schonen, gehen die Chirurgen über die Nase bis zum Tumor. Der HNO-Chirurg, der das Endoskop mit viel Feingefühl führt, schafft in der Nasenhöhle Platz, um dann gemeinsam mit der Neurochirurgin den Tumor heraus zu präparieren und zu entfernen. „Es ist eine äußerst schonende Methode, die bei sehr schwer zugänglichen Tumoren eingesetzt werden kann, ohne äußerlich sichtbare Narben zu hinterlassen und ohne das gesunde Gewebe zu strapazieren“, erklärt Ass. Prof. Priv.-Doz. Dr. Peter Valentin Tomazic. OA Dr. Gellner fügt hinzu: „Ohne die Pionierarbeit von Univ.-Prof Dr. Michael Mokry, Klinikvorstand der Neurochirurgie, und von Univ.-Prof. Dr. Heinz Stammberger, ehemals Leiter der Klinischen Abteilung für Allgemeine HNO, wären diese Operationen heute nicht möglich. Die beiden haben vor mehr als 14 Jahren durch die interdisziplinäre Kooperation im Rahmen einer gemeinsamen Schädelbasischirurgie diese erfolgreichen Entwicklungen in Gang gesetzt.“ Ihre außergewöhnlich hohe Expertise haben Univ.-Prof. Mokry und Univ.-Prof. Stammberger über die Jahre an ihr Team weitergegeben. Dieses ist derzeit das einzige in Österreich, das eine solche Operationsmethode beherrscht und damit auch regelmäßig das Interesse der internationalen Fachwelt auf sich zieht. Die interdisziplinäre OP-Technik lebt von dem perfekten Zusammenspiel der Akteure: „Es ist wie tanzen. Je besser man aufeinander eingestellt ist, desto erfolgreicher ist man“, bringt’s die Neurochirurgin auf den Punkt. Neue Chancen Mit der Vier-Hand-Technik lassen sich auch andere – sogar maligne – Tumore, die schwer zugänglich sind, schonend entfernen, wie z. B. Wucherungen der Hirnanhangsdrüse (Hypophysenadenome, Kraniopharyngeome), Hirntumore (Menigeome), Zysten u. v. m. Hubert K. ist, auch wenn er mittlerweile nicht mehr zu Nachsorgeuntersuchungen nach Graz muss, nach wie vor mit seinem Ärzteteam in Kontakt. Gute Nachrichten gibt er besonders gerne weiter: „Bei den Nachsorgeterminen ist bisher immer alles bestens gewesen. Meine Sehleistung ist auf dem linken Auge inzwischen von 20 Prozent auf 50 Prozent gestiegen, was für mich als Busfahrer vor allem auch heißt, dass ich meinen Beruf weiterhin ausüben kann.“ FOTOS: (v.l.n.r.) Univ.-Prof. Dr. Michael Mokry, OA. Dr. Verena Gellner, Patient Hubert K., Ass.Prof. Priv.-Doz. Dr. Peter Valentin Tomazic und Ärztlicher Direktor Univ.-Prof. Dr. Gernot Brunner Fotonachweis: M. Kanizaj/LKH-Univ. Klinikum Graz (v.l.n.r.) OA. Dr. Verena Gellner, Patient Hubert K. und Ass.Prof. Priv.-Doz. Dr. Peter Valentin Tomazic Fotonachweis: M. Kanizaj/LKH-Univ. Klinikum Graz (v.l.n.r.) OA. Dr. Verena Gellner, Ehepaar K. und Ass.Prof. Priv.-Doz. Dr. Peter Valentin Tomazic Fotonachweis: M. Kanizaj/LKH-Univ. Klinikum Graz (v.l.n.r.): Neurochirurgin OA Dr. Verena Gellner und HNO-Spezialist Ass.Prof. Priv.-Doz. Dr. Peter Valentin Tomazic sind ein eingespieltes Operationsteam. Fotonachweis: LKH-Univ. Klinikum Graz Mittels endoskopischer Methode und Vier-Hand-Technik wird das Augenlicht des Patienten gerettet. Fotonachweis: LKH-Univ. Klinikum Graz Der durch die Nase entfernte Tumor hatte etwa die Größe eines Auges. Bildnachweis: LKH-Univ. Klinikum Graz Zahlen, Fakten, Daten: Seit mehr als 14 Jahren arbeiten die Klinische Abteilung für Allgemeine HNO der Hals-Nasen-Ohren-Universitätsklinik und die Univ. Klinik für Neurochirurgie in Graz im Rahmen der interdisziplinären Schädelbasischirurgie zusammen. Mit dieser Technik zur endoskopischen Entfernung von Tumoren wird österreichweit nur am Klinikum Graz operiert, pro Woche werden ein bis zwei endoskopische Schädelbasiseingriffe durchgeführt. Etwa 1.000 Operationen wurden seit Bestehen der interdisziplinären Chirurgie mit der Vier-Hand-Technik durchgeführt.