Ethik – der neue Verkaufsschlager in der Pflege Ethische Aspekte von Qualität – Wo beginnt der Etikettenschwindel? M. Rabe, Berlin Von Etikettenschwindel spricht man, wenn das in den Hochglanzbroschüren Versprochene, z.B. „im Mittelpunkt steht der Patient“ für Betroffene schon zynisch klingt, oder wenn man befürchten muss, dass sich hinter dem Etikett „Qualität“ nur Einsparungen verstecken. Solchen Etikettenschwindel erleben Patienten und Angehörige, aber auch die Beschäftigten im Gesundheitswesen selbst. Warum werden notwendige und gut gemeinte Qualitätssysteme als Etikettenschwindel erlebt und wo stehen sie in Gefahr, ihr Ziel zu verfehlen? Ein Grund liegt in der schematischen Handhabung der Systeme, die von oben eingeführt werden, ohne dass es eine Verständigung darüber gibt, woran sich Qualität wirklich misst. Was gute Pflege und gute Medizin ist, ist nicht nur eine fachliche, sondern auch eine moralische Frage. Deshalb ist beim Nachdenken über Qualität die Ethik immer schon mit im Spiel. Denn wie kann etwas gut sein, wenn es nicht moralisch gerechtfertigt ist? Qualitätsentwicklung braucht Ziele und Maßstäbe dafür, was gute Qualität sein soll. Ethik im Gesundheitswesen hat sehr viel mit Qualität zu tun, denn sie ist eine kritische Reflexion der Praxis und keine entfernte Theorie. Die Ethik stellt grundsätzliche Fragen, die in der Hektik des Alltags mit seinen vielen scheinbaren Sachzwängen oft in Vergessenheit geraten, zum Beispiel die Frage nach Menschlichkeit und Würde. Diese grundsätzlichen Fragen sind das Fundament der helfenden Berufe. Sie beeinflussen die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten. Durch die Orientierung an ethischen Prinzipien gewinnen wir übergeordnete Gesichtspunkte als Maßstäbe für moralisches Handeln und damit für Qualität. Die Würde als ethischer Zentralbegriff wird konkretisiert durch die Prinzipien Fürsorge, Autonomie, Verantwortung, Gerechtigkeit und Dialog. Am Beispiel dieser Maßstäbe werden die Grenzen aufgezeigt, an denen Qualitätsansprüche in Gefahr stehen, zum Etikettenschwindel zu werden: nicht selten scheitern die moralischen Ansprüche in der Praxis an der institutionellen Realität. Deshalb ist ein Blick auf die Moral von Institutionen nötig, die durch die Organisationsethik reflektiert wird. Die Grundpfeiler der Organisationsethik für das Gesundheitswesen sind Qualitätsentwicklung, Kultur der Einrichtung, Ökonomie und klinische Ethik. Wenn eine Organisation als Ganzes, das heißt vor allem auch, die Management- und Leitungsebenen, Qualitätsentwicklung und Wertorientierung als Einheit sehen und entsprechend handeln, werden günstige Rahmenbedingungen für das Handeln der Einzelnen geschaffen. So kommt Qualität tatsächlich auch bei dem Patienten an. Dr. phil. Marianne Rabe Charité – Universitätsmedizin Berlin Campus Mitte Gesundheitsakademie Pädagogische Geschäftsführung Charitéplatz 1 10117 Berlin