P L G PAUL LAZARSFELD GESELLSCHAFT FÜR SOZIALFORSCHUNG A-1010 Wien, Maria Theresien-Straße 24/4 * Tel: (+43-1) 319 44 45 * Fax: 319 44 49 * Email: [email protected], http://www.plg.at "Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Grenzen der EU" (OeNB-Jubiläumsfondsprojekt 10557) In der Phase der immer weiter voranschreitenden Expansion der EU erscheint es von großem Interesse, zu untersuchen, wo denn nun eigentlich die Grenzen der EU sind. Im gegenständlichen Forschungsprojekt wurde einerseits durch Aufarbeitung vorhandener Literatur, andererseits auf Basis von Sekundäranalysen eine Diskussionsgrundlage zur Frage erarbeitet, ob für Staaten mit mittel- bis langfristigen Assoziations- bzw. Beitrittswünschen zur Europäischen Union die Möglichkeit besteht, aufgrund ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Voraussetzungen bzw. Gegebenheiten Vollmitglieder oder assoziierte Mitglieder der EU zu werden. In die Untersuchung wurden neben EU-Mitgliedsländern folgende Staaten einbezogen: Kroatien, Serbien und Montenegro, Mazedonien, Bosnien und Herzegowina, Albanien, Rumänien, Bulgarien, Moldawien, Belarus, Ukraine und die Türkei. Folgende Aspekte wurden in die gegenständliche Studie einbezogen: • ökonomische Aspekte, • politische Kriterien - rechtliche Aspekte sowie • gesellschaftliche Aspekte. INHALTSVERZEICHNIS der Projektteile und deren Verfasser „Ökonomische Aspekte“ (Dr. Rupert Weinzierl)................................ Seite 3 „Politische Kriterien“ (Mag. Sigrid Kroismayr) ................................. Seite 7 „Pressefreiheit“ (Mag. Marc Bittner) ............................................. Seite 11 „Gesellschaftliche Aspekte" (Dr. Michaela Hudler-Seitzberger/ Mag. Marc Bittner) ..................... Seite 13 2 Projektteil „Ökonomische Aspekte“ Die Grenzen Europas - Ökonomische Aspekte Dr. Rupert Weinzierl Einleitungsthese Eine Differenzierung zwischen politischen und ökonomischen Motivationen der europäischen Einigung ist zwar nicht leicht trennscharf zu bewerkstelligen, macht aber durchaus Sinn: Die EU–Erweiterungen der Vergangenheit waren WU-Professor Fritz Breuss zufolge bis 1995, als Finnland, Österreich und Schweden beitraten, im wesentlichen wirtschaftlich motiviert, die Aufnahme der 10 neuen Staaten im Jahr 2004 und die geplanten neuen Erweiterungen sieht er hingegen als primär politisch motiviert. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus im Jahr 1989 haben die Staats- und Regierungschefs integrationspolitischen Überlegungen der die EU versucht, ehemals auch aus kommunistischen sicherheitsStaaten in und die europäische Union zu integrieren. Trotz dieser laut Breuss primär politischen Motivation der Erweiterungen ab 2004 ist auch die jüngste Erweiterung eine ökonomische Erfolgsgeschichte: Die 10 neuen Mitgliedsstaaten erreichten durch ihren Beitritt im Schnitt 1% mehr Wachstum pro Jahr (vor allem jene, die schon Handelsintegration mit der EU hatten). Die alten 15 Mitgliedstaaten wuchsen durch die Erweiterung um 0.1% pro Jahr mehr, am stärksten Österreich (rund 0.2% zusätzliches Wachstum). Nach dem „Nein“ zur EU-Verfassung von Frankreich und den Niederlanden rückt das oft übersehene vierte Kopenhagener Kriterium, nämlich dass sich die Europäische Union selbst für reif befinden muss, neue Mitglieder aufzunehmen, in den Mittelpunkt. Es ist bei Gesamtansicht der Effekte der bisherigen Erweiterungen aber zu argumentieren, dass die EU auch von den geplanten Erweiterungsschritten profitieren würde und realistische Beitrittsperspektiven in allen potenziellen Mitgliedsländern wichtige Strukturreformen beschleunigen würden. 3 1. Erweiterungsfahrplan Bulgarien und Rumänien Die Verhandlungen mit Bulgarien und Rumänien sind abgeschlossen und es ist ein Beitrittsvertrag ausgehandelt worden, der von allen 25 EU-Staaten ratifiziert werden muss. Der Beitritt dieser beiden Staaten soll am 1. Januar 2007 erfolgen – die beiden Staaten müssen allerdings (Korruptionsbekämpfung, Verwaltungssystems und noch einige Auflagen Reform-Anstrengungen der Justiz). Der der im frühere Union erfüllen Bereich des Erweiterungskommissar Verheugen schloss angesichts zahlreicher Defizite die Verzögerung der Aufnahme um ein Jahr nicht aus. Gleichzeitig bescheinigte Verheugen den beiden Staaten aber, die Voraussetzungen für funktionierende Marktwirtschaften zu erfüllen. Laut einer Prognose der EU-Kommission wird Bulgariens BIP 2005 und 2006 um jeweils stattliche 5% wachsen. Rumänien liegt Zahlungsdisziplin etwas die hinter Bulgarien Modernisierung zurück, des da Kapitalstocks neben und Problemen die mit der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit nur langsam vorangehen. Das Bruttoinlandsprodukt Rumäniens wuchs 2003 trotz schwieriger Weltwirtschaftslage im Vergleich zu 2002 um 4,9%, 2004 waren es sensationelle 7,8%. 2005 und 2006 wird Rumäniens BIP um 5 bzw. 5,5% wachsen. Kroatien Die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien hätten am 17. März 2005 beginnen sollen, wurden ausgesetzt, weil die Regierung in Zagreb aus EU-Sicht zu wenig mit dem Haager Kriegsverbrecher-Tribunal zusammenarbeitet. Kroatien liegt von allen 11 in dieser Studie untersuchten Staaten am besten bei der Erfüllung der ökonomischen Kriterien für wirtschaftliche einen Lage EU-Beitritt des Landes (noch ist seit vor 2000 Bulgarien durch eine und Rumänien). zunehmende Die Erholung gekennzeichnet. Im Jahr 2003 erreichte Kroatien ein beachtliches BIP-Wachstum von 4,3%, die BIP-Wachstumsraten für 2005 und 2006 werden auf jeweils 3,5% geschätzt. 4 Türkei Die Beitrittsgespräche mit der Türkei sollen fahrplanmäßig am 3. Oktober 2005 beginnen. Bis zum Referendum in Frankreich verliefen die Vorbereitungen für diese Gespräche planmäßig. Was wären die wirtschaftlichen Effekte eines Beitritts der Türkei? Die Effekte sind aus heutiger Sicht sehr schwer abzuschätzen. Die publizierten Studien schwanken zwischen 1% und 5% zusätzliches BIP durch den Beitritt. Die EU würde eher längerfristig sehr profitieren, weil die Türkei ein sehr schnell wachsender Markt ist. Die Entwicklung der letzten Jahre ist jedenfalls positiv: 2002 und 2003 wies die Türkei mit 7,8% bzw. 5,3% wirklich imposante BIP-Wachstumsraten auf. Wirtschaftlich läuft also ein erstaunlicher Aufholprozess der Türkei ab, aber das absolute Level des Inlandsprodukts ist noch recht niedrig (BIP pro Kopf zu laufenden Preisen 3383 Euro, zu Kaufkraft 6800 im Vergleich zu 22000 Euro für d. EU-15). 2. Assoziationsabkommen Albanien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien plus Montenegro Mit dem seit 1999 entwickelten Assoziierungsprozesses (SAP) hat Konzept die EU des Stabilisierungs- Mazedonien, Albanien, und Bosnien- Herzegowina sowie Serbien plus Montenegro (auch als Balkan-4 bezeichnet) langfristig die Perspektive einer späteren Mitgliedschaft eröffnet. Mazedonien hat schließlich am 22. März 2004 einen Beitrittsantrag gestellt – dazu liegt aber noch keine Bewertung der Kommission vor. Die vier Volkswirtschaften sind in den letzten Jahren rasch gewachsen, allerdings von sehr niedrigen Niveaus ausgehend: Das BIP/Kopf von Albanien betrug 2002 1653 Dollar, dasjenige von BosnienHerzegowina 1464 Euro, das von Mazedonien 1805 Dollar und das von Serbien plus Montenegro 1889 Dollar. Zum Vergleich: Die ÖsterreicherInnen verfügten 2002 über rund 15-mal soviel Einkommen pro Kopf wie der Durchschnitt der Balkan-4! Die Balkan-4-Volkswirtschaften wachsen allerdings mit einem guten Tempo: Das BIP/Kopf von Albanien wuchs 2004 um 6%, das von Bosnien-Herzegowina 2004 um 6%, das von Mazedonien soll laut EU-Kommission um 4% im Jahr 2005 wachsen und das von Serbien plus Montenegro um 7% im Jahr 2004. Die Wirtschaftsentwicklung institutionellen Sicherheit wird aber gefährdet: Es durch fehlt 5 gewichtige weitgehend Defizite an im Bereich der Rechtssicherheit (ein Schlüsselindikator für potenzielle Investoren), die staatliche Governance ist schwach und teilweise korrupt. 3. Ring of Friends Ukraine, Moldawien und Weißrussland Drei der in der Studie untersuchten Staaten, nämlich Ukraine, Moldawien und Weißrussland, wird derzeit von der EU kein Beitritt in Aussicht gestellt, sondern eine neue europäische Nachbarschaftspolitik unter dem Header „Ring of Friends“. Idee des „Ring of Friends“: Zunächst intensivere Handelsbeziehungen mit der EU. Weiters sollen die „Friends“ an das Wertesystem der EU herangeführt werden. Es laufen bereits diverse Programme, Hilfsprogramme und finanzielle Unterstützungsaktionen. Die Ukraine ist das zweitärmste unserer 11 Untersuchungsländer - das BIP/Kopf betrug 2002 nur 860 Dollar (!), das ist etwa die Hälfte von jenem Albaniens, das lange als "Armenhaus Europas" galt. Die Wirtschaft durchläuft aber einen Aufholprozess: Das Wirtschaftswachstum 2004 hat 12% erreicht und für 2005 sind wieder 9% prognostiziert. Moldawien ist das mit Abstand ärmste Land der 11 untersuchten Länder: Das BIP/Kopf betrug 2002 nur 473 Euro (!!), das ist etwa ein Sechzigstel von jenem Österreichs! Das bedeutet auch, dass den EinwohnerInnen Moldawiens pro Tag weniger als 1,50 Euro zur Verfügung stehen. Elemente staatswirtschaftlichen Handelns konnten u.a. aufgrund parlamentarischer Hürden bis heute nicht restlos beseitigt werden. Weißrussland steht mit einem BIP/Kopf von 1758 Dollar im Jahr 2003 deutlich besser da als Moldawien oder die Ukraine. Die wirtschaftliche Lage bleibt aber schwierig und die Regierung hält am System einer zentralistischen Lenkungswirtschaft fest. Die Wachstumsdaten sind aber gut: 2004 betrug der BIP-Zuwachs nach Angaben der EUKommission beachtliche 11% nach 7% im Jahr 2003. 6 Projektteil „Politische Kriterien“ DIE POLITISCHEN KRITERIEN VON KOPENHAGEN UND IHRE UMSETZUNG IN DEN EU-NACHBARLÄNDERN Mag. Sigrid KROISMAYR Die politischen Kriterien von Kopenhagen beinhalten die Stabilität der politischen Institutionen, den Minderheitenschutz sowie die Einhaltung der Menschenrechte. a) Stabilität der politischen Institutionen Ingesamt lassen sich fünf Entwicklungen bei der Charakterisierung der politischen Institutionen hervorheben: - Festhalten am alten System: Jene Gruppe von Ländern, die an dem vor der Wende bestehenden Parteiensystem festhalten. Dazu zählen Albanien, Moldawien, Weißrussland. Die Ukraine konnte durch die „Orange Revolution“ einen Machtwechsel herbeiführen. In diesen Ländern sind (außer in Moldawien) Unregelmäßigkeiten bei Wahlen aufgetreten. - Bildung von Parteibündnissen: Sowohl die Regierung wie auch die Opposition nützen dieses Mittel, um ihren Erfolg bei Wahlen zu erhöhen. Diese Praxis ist vor allem in Mazedonien, Serbien und Montenegro anzutreffen. Der Zusammenschluss umfasst zumeist viele Parteien. - Erfolg von Parteineugründungen In manchen Ländern konnten Parteien, die erst kurz vor einer Wahl gegründet wurden, beachtliche Erfolge erzielen und sogar Regierungsverantwortung übernehmen, wie in Bulgarien, Lettland, Rumänien und der Türkei. 7 - Regierungsparteien schaffen nicht den Einzug Parlament Der schnelle Erfolg mancher Parteibündnisse bzw. einzelner Parteien kann bei der nächsten Wahl oft nicht fortgesetzt werden, da es trotz des Wechsels an der Spitze des Staates zu keiner Besserung der Lebenslage gekommen ist. Durch den Unmut der Wähler schaffen dann ehemalige Regierungsparteien nicht einmal mehr den Einzug ins Parlament wie in Lettland, Serbien und der Türkei. - Rechtsruck gewählter Parteien in den Balkanländern In allen Balkanländern haben (bis auf Mazedonien) nationalistisch gesinnte Parteien Stimmengewinne verbucht. Hier ist die EU mehr den je gefordert. Situation der Minderheiten - In allen neuen Nachbarländern leben Minderheitenvölker In allen neuen Nachbarstaaten der EU einschließlich der Balkanländer und der Türkei lebt ein mehr oder weniger großer Bevölkerungsanteil an Minderheiten. In Mazedonien, Moldawien und der Türkei beträgt der Anteil über 30%, in der Ukraine, Weißrussland, Bulgarien und Serbien-Montenegro um die 20%, in Rumänien, Kroatien und dem Kosovo um die 10% (wie in Österreich). Albanien ist diesbezüglich das homogenste Land, da die albanische Volksgruppe 98% der Gesamtbevölkerung ausmachen. - Die Lage der Minderheiten in den Balkanländern ist durch die Kriegsgeschehnisse bestimmt. In diesem Zusammenhang gilt es die Statusfrage des Kosovos zu klären, die Zukunft Serbien-Montenegros auf friedlichem Wege zu lösen sowie das UN-Protektorat in Bosnien-Herzegowina in die Eigenverantwortung der Landesbewohner zu legen. - Volksgruppe der Roma ist am häufigsten Diskriminierung ausgesetzt Die Volksgruppe der Roma stellt durch ihre mangelnde gesellschaftliche Integration in den Balkanländern (Ausnahme: Kroatien und Albanien) sowie in Rumänien und Bulgarien ein Problem eigener Qualität dar. 8 - In den Staaten Weißrussland, Ukraine und Moldawien gibt es eine mehr oder weniger oppositionelle Haltung gegenüber dem Russischen. Da meistens Russen wichtige Regierungsämter bekleiden, tendiert die Politik dazu, das aufkeimende Nationalbewusstsein der Mehrheitsbevölkerung zu unterdrücken. - Verbesserung der Minderheitensituation durch EU Die EU hat einen bedeutenden Beitrag für die Minderheitensituation, sei es in rechtlicher Beratungsfunktion (z. B. bei der Ausarbeitung von Verfassungen) oder durch das Mittel der „Konditionalisierung“ (z. B. durch das Ohrider Abkommen in Mazedonien) in den neuen Nachbarstaaten geleistet. b) Menschenrechtslage in den EU-Nachbarländern - Die EU-Nachbarländer haben noch nicht europäischen Standard erreicht. In allen EU-Nachbarländern sind Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung, wenngleich in einem mehr oder minder ausgeprägten Ausmaß. - Folterungen, insbesondere nach der Festnahme, sind in vielen Ländern verbreitet. Minderheiten sind von Übergriffen eher betroffen als die Mehrheitsbevölkerung. - Oppositionelle und Journalisten sind in manchen Ländern besonders starken Bedrohungen ausgesetzt. Vor allem in Bosnien-Herzegowina, Türkei, die Ukraine sowie Weißrussland haben politisch Oppositionelle und Journalisten polizeiliche Übergriffen zu fürchten. - Ein faires Gerichtsverfahren ist in keinem der EU-Nachbarländer garantiert. Historisch bedingt ist eine Unterordnung das Justizsystem der Politik und den relevanten Partei- und Staatsorganen untergeordnet. Regierung und Exekutive haben maßgeblichen Einfluss auf die Justiz (z. B. durch die Ernennung der Richter). Eine Rechtspraxis, die für Individual- und Menschenrechte eintritt, muss erst entwickelt werden. 9 Demokratie- und Rechtsstaatlichkeitsscores: Jahresbericht 2004 des Freedom House Wahlprozess Zivilgesellschaft Unabhängige Medien Regierung Demokratisierung Rahmenbedingungen von Verfassung, Gesetz und Justiz Korruption Rechtsstaatlichkeit Wahlprozess Zivilgesellschaft Unabhängige Medien Regierung Demokratisierung Rahmenbedingungen von Verfassung, Gesetz und Justiz Korruption Rechtsstaatlichkeit Albanien 3.75 3.75 4.00 4.25 3.94 4.25 Bosnien 3.75 4.00 4.25 5.25 4.31 ⇑ 5.00 Bulgarien 2.00 3.25 3.50 3.75 3.13 ⇓ 3.50 Kroatien 3.25 3.00 3.75 3.75 3.44 ⇓ 4.25 Lettland 1.75 2.00 1.75 2.25 1.94 2.25 Mazedonien 3.50 3.75 4.00 4.50 3.94 ⇑ 4.50 5.00 4.63 ⇑ 5.00 5.00 4.25 3.88 ⇑ 4.25 4.50 ⇓ 3.50 2.88 5.50 5.00 ⇑ Moldawien Rumänien Ukraine Weißrussland 3.75 3.75 4.75 5.25 4.38 ⇓ 4.50 2.75 2.75 3.75 3.75 3.25 ⇑ 4.25 3.75 2.75 3.25 4.25 3.50 ⇑ 4.25 1.50 1.50 1.75 2.25 1.75 ⇑ 1.75 4.00 3.50 5.50 5.00 4.50 ⇑ 4.50 6.75 6.50 6.75 6.50 6.63 ⇓ 6.75 6.25 5.38 ⇓ 4.50 4.38 ⇑ 5.00 4.63 ⇑ 2.00 1.88 5.75 5.13 ⇑ 5.50 6.13 ⇓ Serbien u. Slowenien Montenegro (1= das Optimum, 7= Negativum); die Pfeile (⇑⇓) symbolisieren die Tendenz 10 Projektteil „Pressefreiheit“ ZUR PRESSEFREIHEIT IN DEN UNTERSUCHUNGSLÄNDERN Mag. Marc Bittner (Juni 2005) Betrachtet man die in unsere Studie einbezogenen Untersuchungsländer (vgl. auch die folgende Grafik), so zeigt sich, dass hinsichtlich des “World Press Freedom Index” der „Reporter ohne Grenzen“ Finnland stabil die Spitzenposition einnimmt (dass dort also die größte Pressefreiheit herrscht), wobei im Jahr 2004 das neue EU-Mitglied Lettland (für das erst seit dem Jahr 2003 Daten vorliegen) dem Wert von Finnland bereits sehr nahe kommt. Ebenfalls aufsteigende Tendenz weist das neue EU-Mitglied Slowenien auf, das Österreich noch knapp übertrifft. Österreich selbst hat sich gegenüber dem Jahr 2002 deutlich verbessert, wobei gegenüber dem Jahr 2003 allerdings wieder ein geringer Rückfall zu verzeichnen ist. Im Zeitverlauf steigende Tendenz weist Bosnien und Herzegowina auf – im Jahr 2004 erreicht es bereits das Niveau von Österreich. Absteigende Tendenzen zeigen sich in Griechenland, das im Jahr 2004 noch knapp vor dem ebenfalls etwas rückläufigen Bulgarien zum Liegen kommt. Mazedonien, Kroatien und Albanien erreichen im Jahr 2004 sehr ähnliche Werte Mazedonien und Albanien allerdings mit sinkender Tendenz, wogegen sich Kroatien nach einen Durchhänger im Jahr 2003 wieder nach oben orientiert. Rumänien ist im Jahr 2004 wieder deutlich hinter Kroatien zurückgefallen und liegt nur noch knapp vor Serbien und Montenegro sowie Moldawien, beides Länder, die zudem eher im Steigen begriffen sind. Mit einigem Abstand dazu folgt die Türkei mit leicht sinkender Tendenz. Einen besonders starken Rückfall seit dem Jahr 2003 verzeichnet die Ukraine, die nunmehr nur noch knapp vor dem Schlusslicht der Rangliste bzgl. Pressefreiheit, Weißrussland, zu finden ist. 11 Index: 0 (größte Pressefreiheit) - 100 (geringste Pressefreiheit) Pressefreiheit: Die Untersuchungsländer im Zeitverlauf Finnland Lettland Slowenien Österreich Bosnien u. H. Griechenland Bulgarien Mazedonien Albanien Kroatien Rumänien Serbien u. M. Moldawien Türkei Ukraine Weißrussland 50 40 30 20 10 0 2002 2003 12 2004 Projektteil „Gesellschaftliche Aspekte“ DIE GRENZEN DER EU SEKUNDÄRANALYSE AUSGEWÄHLTER UMFRAGEDATEN Mag. Marc Bittner, Dr. Michaela Hudler-Seitzberger (Juni 2005) Im Zuge einer sekundärstatistischen Analyse ausgewählter Umfragedaten zu den in der europäischen Verfassung verankerten Werten sowie politischen, sozialen und wirtschaftlichen Zielen wurde ein Vergleich der Länder der Europäischen Union (25), der EU-alt (15), der neuen EU-Mitgliedsstaaten (10) sowie der tatsächlichen und möglichen EU-Beitrittskandidatenstaaten angestellt. Folgende mögliche Beitrittskandidatenstaaten wurden in die Analyse einbezogen: Kroatien, Serbien und Montenegro, Mazedonien, Bosnien und Herzegowina, Albanien, Rumänien, Bulgarien, Moldawien, Weißrussland und die Ukraine. Ziel der Analyse ist die komparative Darstellung der subjektiven Einstellung der Bürgerinnen und Bürger der jeweiligen Staaten zu folgenden Indikatoren bzw. Themenbereichen: Politische Indikatoren: • Demokratie • Menschenrechte • Politisches Interesse und politische Beteiligung • Vertrauen in Institutionen • Moderne/Postmoderne Werte Soziale Indikatoren: • Wichtigkeit von Lebensbereichen • Toleranz • Nationalstolz • Einstellung zur Familie • Prioritäten in der Kindererziehung • Wohlergehen • Gleichstellung von Mann und Frau 13 Wirtschaftliche Indikatoren: • Marktwirtschaft/Arbeitsmarkt • Einstellung zum Betrug • Prioritäten im Beruf Die vergleichende Darstellung dient zur Veranschaulichung, wo die Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger der einzelnen Länder relativ zu den Mittelwerten der EU der 25, der alten EU der 15 und der 10 neu beigetretenen EU-Mitglieder rangieren. Dieser Vergleich der Haltungen zu politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen liefert eine Datengrundlage für Diskussionen um die Grenzen der EU. Es muss jedoch angemerkt werden, dass in diesem Forschungsansatz jedes Land jeweils nur durch einen Wert charakterisiert wird, was natürlich eine grobe Vereinfachung darstellt. Regional detailliertere Analysen zeichnen natürlich ein wesentlich differenzierteres Bild. Recherchen haben ergeben, dass die Weltwertestudie Daten aus den meisten zu untersuchenden Ländern zu relevanten gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Themenbereichen, die in der Europäischen Verfassung angesprochen werden, umfasst und daher für einen Länder- und Zeitvergleich geeignet erscheint. Um Entwicklungstendenzen einzufangen, wurde neben dem Ländervergleich auch ein Zeitvergleich der Daten aus 1990, 1995 und 2000 angestellt. Der Versuch anhand von subjektiven politischen, wirtschaftlichen und sozialen Indikatoren Grenzen der EU auszumachen, indem die Daten aus den einzelnen Ländern mit den Durchschnittswerten der EU verglichen werden, zeigt deutlich, dass die subjektive Wahrnehmung von objektiven Gegebenheiten, Werten und Einstellungen nicht unbedingt der Beurteilung der objektiven Situation im jeweiligen Land von außen bzw. dem Entwicklungsgrad der Länder nach wirtschaftlichen Maßzahlen entsprechen. Beispielsweise herrscht in den Ländern Albanien, Bosnien-Herzegowina, SerbienMontenegro und Kroatien eine gleich hohe bzw. höhere Demokratieaktzeptanz vor als in den anderen Vergleichsländern, obwohl zum Beispiel Rumänien und 14 Bulgarien bereits im europäischen Integrationsprozess sehr weit fortgeschritten sind und ein Beitritt dieser Staaten zur EU für 2007 vorgesehen ist. Das Vertrauen in andere Menschen, das einen wichtigen Gradmesser für Demokratisierung darstellt, ist in der Türkei, in Moldawien, in Rumänien, Serbien und Montenegro sowie in Mazedonien nicht so stark ausgeprägt wie in der EU. Die EU selbst genießt in (fast) allen Vergleichsländern gleich viel bzw. mehr Vertrauen als in den EU-Ländern selbst. Nur in Kroatien haben weniger Menschen Vertrauen in die EU. Der Respekt für Menschenrechte ist lediglich in Mazedonien sowie in SerbienMontenegro ähnlich ausgeprägt wie in den EU-Staaten. Religion spielt in den meisten untersuchten Ländern eine noch stärkere bzw. gleich wichtige Rolle als in der EU. Die Toleranz gegenüber Homosexualität und Abtreibung ist in den meisten Staaten schwächer. Die Ablehnung von Korruption ist in den Balkan-Staaten häufiger zu finden als in der EU – in ehemaligen GUS-Staaten (Moldawien, Ukraine, Belarus) wird Korruption weniger häufig abgelehnt. Auch ein patriarchalisches Weltbild ist in den Vergleichsländern mit Ausnahme von Kroatien stärker verankert als in der EU. Die Zustimmung zur Meinungsfreiheit als nationales Ziel erreicht ebenfalls nicht in allen Staaten den EU-Durchschnitt. Angesichts der Ergebnisse stellt sich die Frage, ob nicht die subjektive Meinung bzw. die Werte und Haltungen der Bevölkerung in den einzelnen Staaten verstärkt als Kriterien bei einem Integrationsprozess in die Europäische Union herangezogen werden sollten - vor allem, da sich die Europäische Union als Wertegemeinschaft definiert. 15