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Daniela Hüffer
Thematisierung von
"Schwerhörigkeit" und "Absehen"
in einer Integrationsklasse
Erste Staatsexamensarbeit
––– 2001 –––
föpädn.et
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Quellenangabe für diese Veröffentlichung:
Hüffer, Daniela: Thematisierung von "Schwerhörigkeit" und "Absehen" in einer
Integrationsklasse.
Online im Internet: URL: http://www.foepaed.net/volltexte/hueffer/hoeren.pdf
Inhaltsverzeichnis
Vorwort............................................................................................................................ 6
1.
Einleitung.................................................................................................................. 8
2.
Grundlegende Bemerkungen zum Thema Schwerhörigkeit ............................. 11
2.1
Erläuterungen zur Begrifflichkeit................................................................... 11
2.2
Veranschaulichung des Hörschadens (Hörmessungen) ................................. 12
2.3
Arten und Grade von Schwerhörigkeit........................................................... 16
2.3.1
2.3.2
2.3.3
2.3.4
2.4
Ursachen von Schwerhörigkeit ...................................................................... 22
2.5
Auswirkungen von Schwerhörigkeit.............................................................. 23
2.5.1
2.5.2
2.6
4.
Übergeordnete Auswirkungen auf die Entwicklung eines schwerhörigen
Kindes .......................................................................................................... 23
Individuelle Auswirkungen der jeweiligen Schwerhörigkeit auf das
betroffene Kind ............................................................................................ 25
Informationen zu Hörgeräten, Höranlagen und Cochlea Implantat ............... 27
2.6.1
2.6.2
2.6.3
3.
Schallleitungsschwerhörigkeit (Mittelohrschwerhörigkeit) ......................... 16
Sensorineurale Schwerhörigkeit (Schallempfindungsschwerhörigkeit,
Innenohrschwerhörigkeit) ............................................................................ 17
Kombinierte Schallleitungs-Schallempfindungsschwerhörigkeit ................ 19
Gehörlosigkeit .............................................................................................. 19
Das Hörgerät ................................................................................................ 27
Die Höranlage .............................................................................................. 31
Das Cochlea Implantat ................................................................................. 32
Die Kommunikation der Hörgeschädigten.......................................................... 37
3.1
Das Absehen als wichtiger Teil der Kommunikation für Hörgeschädigte..... 37
3.2
Die wichtigsten Kommunikationsformen von Schwerhörigen und Gehörlosen
........................................................................................................................ 40
3.3
Der Stellenwert des Absehens für ein hörgeschädigtes Kind in einer
Regelklasse..................................................................................................... 45
Das Absehen ........................................................................................................... 47
4.1
Die Sprechbewegungen.................................................................................. 47
4.2
Die Viseme ..................................................................................................... 48
4.3
Die Kineme .................................................................................................... 49
4.3.1
4.3.2
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Die konsonantischen Kineme....................................................................... 50
Die vokalischen Kineme .............................................................................. 54
3
4.4
Sprechelemente .............................................................................................. 56
4.4.1
4.4.2
4.4.3
4.5
Ursachen für Absehprobleme......................................................................... 57
4.5.1
4.5.2
4.6
Wichtige Kommunikationsstrategien für den Absehenden.......................... 62
Trainingsmöglichkeiten für den Absehenden............................................... 66
Hinweise für eine erfolgreiche Kommunikation im Unterricht ................... 69
Zur Integration von hörgeschädigten Schülern in der Regelschule ................. 72
5.1
Unterrichtliche Integration Hörgeschädigter im historischen Rückblick....... 73
5.2
Derzeitige unterrichtliche Integrationsmodelle für Hörgeschädigte in der BRD
........................................................................................................................ 77
5.2.1
5.2.2
5.2.3
6.
Äußere Faktoren........................................................................................... 58
Innere Faktoren ............................................................................................ 59
Absehhilfen .................................................................................................... 62
4.6.1
4.6.2
4.6.3
5.
Steuerung...................................................................................................... 56
Koartikulation .............................................................................................. 57
Synkinese ..................................................................................................... 57
Die Einzelfallintegration (oder individuelle Integration) ............................. 77
Die Gruppenintegration................................................................................ 78
Die Präventive Integration (oder umgekehrte Integration) .......................... 78
5.3
Vor- und Nachteile einer unterrichtlichen Integration hörgeschädigter Kinder
in die allgemeine Schule ................................................................................ 79
5.4
Rechtliche Grundlagen für eine schulische Integration in Bayern................. 87
Durchführung der Stundeneinheiten „Schwerhörigkeit“ und „Absehen“ in
zwei Regelklassen................................................................................................... 91
6.1
Vorüberlegungen und Bemerkungen zu den zwei Regelklassen ................... 91
6.1.1
6.1.2
6.1.3
6.1.4
6.1.5
6.1.6
6.2
Gespräch mit der Klassleiterin der Klasse 1 ................................................ 92
Paul............................................................................................................... 94
Unterrichtsmitschau in der Klasse 1............................................................. 97
Gespräch mit der Klassleiterin der Klasse 2 .............................................. 100
Lisa............................................................................................................. 101
Unterrichtsmitschau in der Klasse 2........................................................... 103
Darstellung der beiden Stundeneinheiten „Schwerhörigkeit“ und „Absehen“
...................................................................................................................... 107
6.2.1
6.2.2
6.2.3
6.2.4
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Artikulationsschema zur Stundeneinheit „Schwerhörigkeit“ in Klasse 1 .. 107
Bemerkungen zu den einzelnen Artikulationsstufen der Doppelstunde
„Schwerhörigkeit“ in Klasse 1 ................................................................... 109
Artikulationsschema zur Stundeneinheit „Schwerhörigkeit“ in der Klasse 2
und ergänzende Bemerkungen ................................................................... 113
Artikulationsschema zur Stundeneinheit „Absehen“ in Klasse 1............... 116
4
6.2.5
6.2.6
6.3
Reflexionen zu den Stundeneinheiten „Schwerhörigkeit“ und „Absehen“ in
den beiden Regelklassen .............................................................................. 122
6.3.1
6.3.2
6.3.3
6.3.4
6.4
Bemerkungen zu den einzelnen Artikulationsstufen der Doppelstunde
„Absehen“ in Klasse 1................................................................................ 117
Artikulationsschema zur Stundeneinheit „Absehen“ in Klasse 2 und
ergänzende Bemerkungen .......................................................................... 119
Ablauf der Schulstunden zum Thema „Schwerhörigkeit“ in Klasse 1....... 123
Ablauf der Schulstunden zum Thema „Absehen“ in Klasse 1 ................... 127
Ablauf der Schulstunden zum Thema „Schwerhörigkeit“ in Klasse 2....... 132
Ablauf der Schulstunden zum Thema „Absehen“ in Klasse 2 ................... 137
Einige Bemerkungen zur Integration von Paul und Lisa in die Regelschule140
6.4.1
6.4.2
Paul in der Regelschule .............................................................................. 141
Lisa in der Regelschule .............................................................................. 142
7.
Abschließende Gedanken.................................................................................... 145
8.
Merkblatt.............................................................................................................. 147
Literaturverzeichnis ................................................................................................... 154
Broschüren und Zeitschriften ................................................................................ 157
Verwendete CD-Roms........................................................................................... 157
Verwendete Filme.................................................................................................. 157
Verwendete Internetseiten ..................................................................................... 158
Abbildungsverzeichnis: .............................................................................................. 159
Anhang......................................................................................................................... 162
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5
Vorwort
Zu Beginn meiner Arbeit möchte ich zunächst kurz auf meine persönliche Motivation
bezüglich des gewählten Themas eingehen. Ich hatte mich bereits seit längerer Zeit für
das Thema „Absehen“ interessiert und einige Literatur dazu gelesen, als meine Mutter,
die als Regelschullehrerin an einer Grundschule tätig ist, mich um Unterstützung bat.
Sie sollte im darauffolgenden Schuljahr wieder eine erste Klasse bekommen, diesmal
aber mit einem schwerhörigen Kind in der Klasse. Ich empfahl meiner Mutter passende
Literatur, hatte allerdings aufgrund ihrer Rückfragen den Eindruck, dass trotzdem noch
Erklärungsbedarf bestand. Auch ihre Kolleginnen, die das Kind in Stunden wie Textilarbeit/Werken oder Musik unterrichten würden, wünschten sich eine Anleitung in
Bezug auf den Umgang mit dem schwerhörigen Schüler. Ich hatte nun die Idee, meine
Zulassungsarbeit dem Anliegen dieser Regelschullehrerinnen zu widmen, da offensichtlich ein hoher Informationsbedarf hinsichtlich der Integration eines schwerhörigen
Kindes bestand. Zunächst wollte ich die ersten Wochen des Schuljahres die Betreuung
einer oder mehrerer Lehrkräfte einer Regelschule, die ein schwerhöriges Kind in ihre
Klasse bekommen würden, übernehmen. Dieses Vorhaben erwies sich allerdings als zu
aufwändig im Rahmen meiner Arbeit, ferner wurde ich vom Leiter des Mobilen
Pädagogischen Dienstes darauf hingewiesen, dass diese Aufgaben bereits von den
Betreuungskräften erfüllt werden und sich somit Überschneidungen ergeben hätten. Ich
griff daher wieder auf mein zu Anfang gewähltes Thema, das Absehen, zurück, um es
den Schülerinnen und Schülern sowie dem Lehrer/der Lehrerin1 einer Regelschulklasse
in einer Stundeneinheit nahe zu bringen. Denn gerade das Absehen ist ein sehr
wichtiger Aspekt der Kommunikation mit einem schwerhörigen Schüler in einer
Regelschule, der aber oft weder den Mitschülerinnen und Mitschülern noch den
Lehrkräften bewusst ist. Ich stellte allerdings gleich in den ersten Gesprächen mit den
Lehrkräften der Regelklassen fest, dass das Thema Schwerhörigkeit einer dringenden
Bewusstmachung innerhalb der Klassen bedurfte. Daraufhin entschloss ich mich, meine
Arbeit dieser Aufgabe, der Thematisierung von „Schwerhörigkeit“ und „Absehen“ in
einer Integrationsklasse zu widmen. Aufgrund meiner Ergebnisse und Erfahrungen in
den beiden Regelklassen habe ich als Hilfestellung für Regelschullehrer ein Merkblatt
1 Im folgenden Text wird meist die männliche Form (der Lehrer/der Schüler …) stellvertretend für beide
Geschlechter verwendet.
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6
verfasst, das als „Starthilfe“ dienen soll, sobald dem Lehrer bekannt gemacht worden
ist, dass erstmals ein hörgeschädigtes Kind in seine/ihre Klasse kommen wird.
An dieser Stelle möchte ich mich ganz besonders bei den beiden Regelschullehrerinnen
bedanken, die es mir ermöglichten, in ihren Klassen die Stundeneinheiten zum Thema
„Absehen“ zu gestalten, und bei denen ich sehr viel Neues erfahren und lernen durfte,
was mir sicher in meiner späteren Arbeit als Lehrerin von großem Nutzen sein wird.
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1. Einleitung
Eine Hörschädigung ist äußerlich oft nicht zu erkennen. Dem Außenstehenden können
höchstens Symptome auffallen, wie Schwierigkeiten bei der Sprachwahrnehmung, Auffälligkeiten in der Sprechweise oder der Gebrauch gebärdensprachlicher Kommunikationsmittel. Viele hörgeschädigte Menschen haben sich im Laufe der Zeit effektive
Strategien angeeignet, um im Alltag zurechtzukommen und nicht als „hörbehindert“
aufzufallen. So bemerkt ein oberflächlicher Beobachter diese äußeren Symptome kaum
oder gar nicht. Die Kommunikationsprobleme und die sich daraus ergebende psychische
Belastung für den Hörbehinderten bleiben auch einem geschulten Pädagogen häufig
verborgen.
Deshalb ist es umso wichtiger, in einer Regelklasse, in die ein hörgeschädigtes Kind
aufgenommen ist, das Thema Schwerhörigkeit zu behandeln und alle Beteiligten auf die
Problematik, aber auch die Unterstützungsmöglichkeiten aufmerksam zu machen. So
kann die „Besonderheit“ des betroffenen Kindes im Schulalltag zu etwas Selbstverständlichem und Gewohntem werden, was darüber hinaus die Möglichkeit gibt, neue
Perspektiven und Horizonte für Schüler und Lehrer zu eröffnen.
Im Rahmen der Thematisierung von Schwerhörigkeit in einer Integrationsklasse soll auf
die Gruppe der Schwerhörigen, die Ätiologie und die im Unterricht verwendeten Hilfsmittel wie Hörgeräte und FM-Anlage eingegangen werden. Die Schüler sollen so die
Gelegenheit bekommen, die Probleme ihres schwerhörigen Mitschülers/ihrer schwerhörigen Mitschülerin besser zu begreifen, ferner sollen sie erfahren wie sie dazu beitragen können, diese Einschränkungen zu minimieren, um auch dem Hörgeschädigten/der
Hörgeschädigten gleiche Chancen im Regelschulalltag zu ermöglichen. Eine wichtige
Hilfe ist dabei das Absehen, welches in einer eigenen Stundeneinheit mit der Klasse besprochen werden soll.
Das Absehen der gesprochenen Sprache vom Mund eines Sprechers ist für Schwerhörige, vor allem aber für Gehörlose ein unverzichtbares Element der Kommunikation.
Ältere Literatur spricht häufig von „Ablesen“ oder „Mundablesen“, heute ist erwiesen,
dass das Absehen ein wichtiger Teil der Verständigung für Schwerhörige und Gehörlose
ist. Es kann aber keinesfalls der Anspruch erhoben werden, dass das Absehen das Hören
ersetzen könnte, bzw. Sprache vollständig vom Mund „abgelesen“ werden kann. Deshalb soll auch in der vorliegenden Arbeit nur vom „Absehen“ gesprochen werden,
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lediglich bei Originalzitaten kann es vorkommen, dass sich der Ausdruck „Ablesen“
nicht vermeiden lässt. Allerdings muss angemerkt werden, dass der Begriff „Ablesen“
bei den meisten Schwer-hörigen und Gehörlosen, aber auch bei Pädagogen und teilweise sogar noch in neuerer Fachliteratur weitaus geläufiger ist als der Begriff „Absehen“, was sich auch bei einer Recherche im Internet zeigte. Bei Eingabe des Begriffs
„Ablesen“ wurden mehr als dreifach so viele Treffer erzielt als bei der Eingabe des
Begriffs „Absehen“. Dieser Tatsache sollte man sich immer bewusst sein und gegebenenfalls bei Behandlung der Thematik des Absehens zuvor eine Klärung der beiden
Begriffe vornehmen.
Für Gehörlose stellt das Absehen meist die Grundlage der Verständigung mit Hörenden
dar. Bei Gebärdensprachkommunikation, meist mit den Systemen DGS (Deutsche
Gebärdensprache) oder LBG (Lautsprachbegleitende Gebärden) kann das Absehen dazu
beitragen, einzelne Gebärden durch das Mundbild zu differenzieren.
Für Schwerhörige dient das Absehen der visuellen Unterstützung des auditiv Wahrgenommenen. Je nach Art und Grad der Hörschädigung und der individuellen Kommunikationsstrategie sind auch Schwerhörige auf das Absehen angewiesen.
Wie wichtig das Absehen für Hörgeschädigte sein kann, ist den hörenden Mitmenschen
oft nicht bewusst. Dieses Wissen kann aber gerade im gemeinsamen Unterricht normalhörender Regelschulkinder zusammen mit einem oder mehreren schwerhörigen oder
gehörlosen Kindern von großer Bedeutung sein. Denn eben in solchen sogenannten
Integrationsklassen ist es von großer Wichtigkeit, dass sowohl die Lehrkräfte als auch
die hörenden Mitschüler genügend Aufklärung im Hinblick auf die Kommunikation mit
ihrem hörgeschädigten Klassenkameraden bzw. ihrer Klassenkameradin erfahren.
Im ersten Teil dieser Arbeit soll zunächst eine theoretische Grundlage geschaffen
werden, die notwendig ist, bevor die Planung einer Unterrichtsstunde in einer Regelklasse, in der sich auch ein hörgeschädigtes Kind befindet, möglich wird. Die Themenbereiche „Schwerhörigkeit“, „Absehen“ und auch „Integration“ sollen mit ihren
wichtigsten Aspekten erwähnt werden und im bezug auf diese Bereiche soll dann im
zweiten Teil dieser Arbeit jeweils eine Stundeneinheit zu „Schwerhörigkeit“ und
„Absehen“ entworfen werden, die exemplarisch in zwei integrativen Regelklassen
gehalten wird. Abschließend wird über den Verlauf dieser Unterrichtsstunden reflektiert
und kritisch diskutiert, um als Ergebnis der theoretischen und praktischen Einheit ein
Merkblatt für Regelschullehrer entwickeln zu können, welches eine „Erste Hilfe“ bei
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9
der Auseinandersetzung und Beschäftigung mit der Tatsache einer Beschulung eines
hörgeschädigten Kindes in einer Regelklasse sein kann. Es sollen hier Anlaufstellen,
Literatur und die wichtigsten zu beachtenden Aspekte genannt werden, um einem
Lehrer, der zusätzlich zu seinen alltäglichen schulischen Aufgaben die Unterrichtung
eines schwerhörigen Kindes ohne vorherige Kenntnisse in diesem Bereich aufgetragen
bekommt, eine schnelle erste Hilfe und Anregung zu einer möglichen weiteren Vorgehensweise zu bieten.
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2. Grundlegende Bemerkungen zum Thema Schwerhörigkeit
Obwohl die meisten Leute in ihrem Alltag immer wieder schwerhörigen Menschen begegnen, z.B. ihrer Oma, bei der man „möglichst laut und überdeutlich spricht, weil sie
ja sonst nichts mehr versteht“ oder dem Nachbarn, der seit kurzer Zeit Hörgeräte trägt,
ist doch den Wenigsten die eigentliche Problematik und der richtige Umgang mit
Schwerhörigkeit bewusst. Die Meinung, Hörgeräte seien „wie eine Brille, man setzt sie
auf und dann hört man wieder alles“, ist immer noch weitverbreitet, aber in dieser Form
schlichtweg falsch. Im folgenden sollen einige grundlegende Aspekte zu Arten und
Graden der Schwerhörigkeit, der Ätiologie und den technischen Hilfsmitteln genannt
werden, um eine Basis für die weiteren Überlegungen zu den praktischen Stundeneinheiten zu schaffen.
2.1
Erläuterungen zur Begrifflichkeit
In der vorliegenden Arbeit werden verschiedene Begriffe verwendet, um das Phänomen
einer Beeinträchtigung des Hörvermögens zu beschreiben. Diese Begriffe sollen hier
kurz erläutert werden, um ein leichteres Verständnis dieser Arbeit, aber auch anderer
Literatur oder von Fachdiskussionen zu dieser Thematik zu ermöglichen. Meist wird in
der Pädagogik von „Hörschädigung“ oder „hörgeschädigt“ gesprochen. Damit soll nicht
nur auf die Funktionsbeeinträchtigung des auditiven Analysators, sondern auch auf die
psychosozialen Folgen, die dieses physische Defizit mit sich bringt, eingegangen
werden.
Noch stärker betont wird die psychosoziale Situation eines Menschen mit einer Funktionsstörung des Hörorgans durch den Begriff „Hörbehinderung„ bzw. „hörbehindert“.
Diese
Formulierung
wird
allerdings
rückläufig
verwendet,
da
der
Begriff
„Behinderung“ allgemein immer häufiger als diskriminierend aufgefasst wird. Auch der
Terminus „Hörstörung“ und „hörgestört“ ist immer wieder zu finden, allerdings wird
damit hauptsächlich die Funktionsstörung des auditiven Analysators eines Menschen
beschrieben und weniger die damit verbundenen psychosozialen Auswirkungen.
Die Bezeichnungen „taub“ und „taubstumm“ sind heute kaum mehr gebräuchlich, da
die Gruppe der Betroffenen sie vehement ablehnt und sie nach den neueren
wissenschaftlichen Erkenntnissen auch nicht mehr zutreffend wären.
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11
Der Begriff „Schwerhörigkeit“ bzw. „schwerhörig“, der unter Punkt 2.3. noch näher
erläutert wird, findet häufig Verwendung, ebenso wie die Begriffe „Gehörlosigkeit“ und
„gehörlos“ (vgl. 2.3.4.). „Resthörig“, „ertaubt“ und „spätertaubt“ sind ebenfalls oft
benutzte Wendungen im Bereich der Hörgeschädigtenpädagogik. Diese Aufzählung ist
nur ein Ausschnitt aus der Vielfalt der Begrifflichkeiten. Eine ausführlichere Besprechung würde hier zu weit führen, allerdings wird wie schon erwähnt auf die wichtigsten Termini noch unter Punkt 2.1. eingegangen.
Für die genaue Definition eines Schwerhörigen oder Gehörlosen bzw. Hörgeschädigten
gibt es viele Varianten aus Bereichen der Medizin, der Pädagogik und der Psychologie.
Eine genaue Begriffsdefinition ist schon aus dem Grund schwierig, da man niemals
zwei Menschen mit exakt der gleichen Hörschädigung finden wird und folglich auch die
bio-psycho-sozialen Auswirkungen in jedem einzelnen Fall anders sein werden. Für
diese Arbeit ist der Begriff Hörschädigung aus pädagogischer Sicht wichtig, den
Annette Leonhardt wie folgt definiert: „Eine Hörschädigung im pädagogischen Sinne
besteht […] dann, wenn der Ausprägungsgrad des Hörverlustes bzw. die Auswirkungen
des Hörschadens derart sind, dass das Kind sich nicht ungehindert entwickeln und entfalten kann.“ (1999, S.23)
An dieser Stelle soll noch ein Ausspruch des Anthroposophen Dieter Rudloff zitiert
werden, welcher die Bedeutung des Hörens als Sinnesfunktion des Menschen im Vergleich zu der des Auges wie folgt beschreibt: „Das Auge ist ein peripherischer Sinn,
weil es nach außen gerichtet ist. Das Ohr dagegen ist ein zentraler Sinn, weil es die
Außenwelt durch das Ohr in die menschliche Seele einzieht.“ (Seidler, 1996, S.1) Wie
gravierend und weitreichend ein Ausfall des „Ohres“ demnach sein kann zeigt sich hier
sehr anschaulich.
2.2
Veranschaulichung des Hörschadens (Hörmessungen)
Zur genauen Darstellung des Hörschadens dienen sog. Audiogramme2, die helfen, das
Hörvermögen eines Hörgeschädigten bzw. die Hörreste (soweit messbar), beim Gehörlosen zu überwachen und die Hörgeräteanpassung zu ermöglichen. Jeder hörgeschädigte
2
„Das Audiogramm misst zunächst, für jedes Ohr getrennt, die Hörschwelle des Patienten für Luftleitung und Knochenleitung, d.h., jeweils diejenige Lautstärke, bei welcher der Reinton der gewählten
Prüf-frequenz gerade eben gehört wird.“ (Seidler, 1996, S.35)
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12
Schüler sollte immer über ein aktuelles Audiogramm verfügen. Dabei wird man meist
auf ein Tonaudiogramm und eventuell ein Sprachaudiogramm treffen.
Im Tonaudiogramm wird die Hörschwelle, gemessen in Dezibel (dB), über den gesamten normalerweise hörbaren Frequenzbereich dargestellt. Beim normalhörenden Menschen liegt die Hörschwelle bei etwa 0dB (im Tonaudiogramm ist dies die 0-DezibelGerade). Dieser Wert gilt als durchschnittlicher Mittelwert von jungen Erwachsenen,
die in ihrem bisherigen Leben noch keine nennenswerten Ohrerkrankungen hatten oder
besonderem Lärm ausgesetzt waren. Beim hörgeschädigten Menschen zeigt seine Hörschwelle bei welcher Mindestlautstärke ein Messton bestimmter Frequenz gerade noch
gehört wird. Unterschieden wird dabei zwischen der Luft- und Knochenleitung. Bei
Messung der Luftleitung erfolgt die Zuführung des Schalls über den Gehörgang, das
Trommelfell und das Mittelohr zum Innenohr, will man die Hörschwelle für die Knochenleitung ermitteln, so wird der Schall direkt über den Schädelknochen zum
Innenohr, meist mit Hilfe von Knochenleitungshörern, übermittelt. Die Messung wird
als Kurve nach unten in ein entsprechendes Koordinatensystem eingetragen.
Da aber meist nur Kopien des Tonaudiogramms vorliegen, ist die Orientierung nach
Farben nur selten möglich.
„Die Auswirkung des Wahrnehmungsverlusts von Tonfrequenzen und Lautstärkedynamik auf die akustische Sprachauffassung lässt sich graphisch darstellen, wenn man den
Frequenz- und Intensitätsbereich der Umgangssprache bei mittlerer Lautstärke in das
Formblatt des Tonaudiogramms einträgt. So ergibt sich das Sprachfeld (H.i.O.3).“ (v.
Hauff, 1991, S.21) In der nachfolgenden Abbildung ist das Sprachfeld dargestellt. Hieraus geht hervor, dass Sprache allgemein den Frequenzbereich von 100 Hz – 8000 Hz
umfasst. Wichtig zu beachten ist aber, das das Hauptsprachverständnis lediglich von
einem Bereich zwischen 500 Hz – 4000 Hz bestimmt wird. Die Sprachdynamik ist im
normalen Sprachfeld zwischen 35 dB – 70 dB angesiedelt.
3
H.i.O. = Hervorhebung im Original
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13
Abb. 1:
Das Sprachfeld
Legt man Tonaudiogramm und Sprachfeld übereinander, so kann man erkennen, welche
Sprachmerkmale der Hörgeschädigte akustisch nicht mehr wahrnehmen kann. Trotzdem
liefert das Tonaudiogramm keine eindeutige Information zur tatsächlichen Hörsituation
des Hörgeschädigten, da es nur Auskunft darüber gibt, was der Betroffene an reinen
Tönen hört bzw. nicht mehr wahrnehmen kann. So besteht die Möglichkeit, dass ein
Hörgeschädigter, der laut Tondaudiogramm auditiv eigentlich fast keine Informationen
im Hauptsprachbereich erfassen kann, trotzdem relativ gut und für Außenstehende
kaum auffällig mit Guthörenden kommunizieren kann, andererseits ein Schwerhöriger
mit „nur“ mittlerem Hörverlust im Tonaudiogramm große Schwierigkeiten bei einer
solchen Kommunikation hat. Denn je nach individuellen Fähigkeiten, Beginn der
Hörgeräteversorgung, weiteren Behinderungen, Früherziehung, Art der Sprech- und
Spracherziehung und zahlreichen weiteren Kriterien, die hier eine Rolle spielen können,
variiert die tatsächliche Hörsituation des einzelnen Betroffenen mehr oder weniger stark
von den Angaben, die sich aus der Hörkurve des Tondiagramms erschließen lassen.
Das Sprachaudiogramm vermittelt dagegen konkreter, was an Sprache gehört werden
kann. „Die Sprachaudiometrie (H.i.O.) ermittelt, inwieweit das eingeschränkte Hörvermögen Verstehen von Sprache zulässt. Dem Hörgeschädigten werden auf einem Tonträger eine Reihe von Wörtern in unterschiedlicher Lautstärke vorgespielt. Gemessen
wird bei jeder Lautsstärke der Prozentsatz der richtig verstandenen Wörter.“ (v. Hauff,
1991, S.22) Vom Ergebnis des Sprachaudiogramms kann somit, im Gegensatz zum
Tonaudiogramm, genauer auf das tatsächliche Sprachverständnis des Hörgeschädigten
geschlossen werden. Es bietet Informationen über das Lautunterscheidungsvermögen
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14
und damit die Nutzbarkeit des verbliebenen Hörvermögens für die Perzeption von
Sprache.
Abb. 2:
Das Sprachaudiogramm
Die zwei Kurven des Sprachaudiogramms (siehe Abb. 2) sind auf zwei unterschiedliche
Testreihen zurückzuführen. Die Kurve „Zahlen normal“ beschreibt den Test mit mehrsilbigen Zahlwörtern beim Normalhörenden, die Kurve „Wörter normal“ zeigt das Ergebnis des Tests mit einsilbigen Wörtern ebenfalls bei normalem Gehör. Die beiden
unteren Kurven sind, jeweils versetzt zu den beiden bereits beschriebenen Kurven, die
Darstellung der Testergebnisse bei Vorliegen einer Hörschädigung. Die einsilbigen
Wörter sind für die Getesteten meist schwieriger zu verstehen und richtig zu kombinieren als die Mehrsilbigen.
Der Einsilbertest ermittelt den Diskriminationsverlust in Prozent. Ein Hörender versteht
bei einem Sprachschallpegel von 50dB 100% der Einsilber (vgl. Kurve „Wörter normal“). Von einem Diskriminationsverlust wird erst dann gesprochen, wenn selbst bei
erhöhtem Sprachschallpegel nicht mehr 100% der Einsilber verstanden werden, d.h.
dem Hörgeschädigten werden ca. 40dB über seiner zuvor ermittelten Hörschwelle die
Wörter akustisch dargeboten, versteht er annähernd 100% davon liegt kein Diskriminationsverlust vor.
Beim Zahlentest wird der Hörverlust ermittelt. Hier wird gemessen, bei welcher Lautstärke 50% der Zahlen verstanden werden. Der Normalhörende versteht 50% der gesprochenen Zahlen bei ca. 18,5 dB. Dem Prüfling werden deshalb die Zahlen 18,5 dB
über seiner individuellen Hörschwelle angeboten. Häufig entspricht der beim Hörge-
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15
schädigten ermittelte Hörverlust der beim Tonaudiogramm festgestellten mittleren Hörschwelle.
Bei Schallleitungsschwerhörigkeit kann man davon ausgehen, dass bei optimaler Lautstärke volles Sprachverständnis erreicht wird. Bei sensorineuraler oder kombinierter
Schwerhörigkeit können Diskriminationsverluste verschiedener Ausprägung auftreten.
Auf weitere Ausführungen über Hörmessungen wird hier verzichtet, da sie für die nachfolgenden Ausführungen keine Relevanz haben und nur unnötig vom eigentlichen
Thema wegführen würden.
2.3
Arten und Grade von Schwerhörigkeit
Um die Krankheitsgeschichte eines hörgeschädigten Schülers und die Auswirkungen
seiner Hörstörung auf seine Hörsituation besser zu verstehen ist es notwendig über ein
bestimmtes Grundwissen in Bezug auf Art und Grad von Hörschäden zu verfügen. Man
unterscheidet vorrangig zwischen vier Arten der Hörschädigung, die im folgenden kurz
erläutert werden sollen.
2.3.1
Schallleitungsschwerhörigkeit (Mittelohrschwerhörigkeit)
Bei der Schallleitungsschwerhörigkeit ist die Schallzuleitung zum Innenohr im Bereich
des Gehörgangs, des Trommelfells oder des Mittelohres gestört. Die Funktion des
Innenohres ist bei einer reinen Schallleitungsschwerhörigkeit intakt. Somit zeigen hier
die Knochen-leitungswerte im Tonaudiogramm einen normalen Verlauf. Die Kurve der
Luftleitung zeigt einen weitgehend linearen Verlauf, da der Verlust in allen Frequenzen
etwa gleich groß ist. Die audiometrisch ermittelte Differenz von Luft- und Knochenleitung ist im Tonaudiogramm deutlich zu sehen und ein Indiz für eine reine Schallleitungsschwerhörigkeit.
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16
Abb. 3:
Tonaudiogramm Schallleitungsschwerhörigkeit
Die Folge dieser Art von Schwerhörigkeit ist ein leiseres Hören, welches durch einen
chirurgischen Eingriff oder das Tragen optimal angepasster Hörgeräte gut ausgeglichen
werden kann. Die Schallleitungsschwerhörigkeit beeinträchtigt normalerweise die
Kommunikation des Betroffenen mit seinen Mitmenschen und seiner Umwelt kaum
oder gar nicht. Deshalb hat diese Form der Schwerhörigkeit kaum noch sonderpädagogische Relevanz. Bei Auftreten oder Vorhandensein einer weiteren Behinderung (z.B.
einer Lernbehinderung), die sich negativ auf die Gesamtentwicklung eines Kindes auswirken kann, muss die Schallleitungsschwerhörigkeit bei der pädagogischen Betreuung
und Förderung allerdings mitberücksichtigt werden.
2.3.2
Sensorineurale Schwerhörigkeit (Schallempfindungsschwerhörigkeit,
Innenohrschwerhörigkeit)
Die sensorineurale Schwerhörigkeit zeigt sich im Tonaudiogramm durch eine Verschlechterung der Hörschwelle über der Knochenleitung bei fehlender Schallleitungskomponente, d.h. Luft- und Knochenleitung zeigen den gleichen Hörverlust an (vgl.
Abb. 3).
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17
Abb. 4:
Tonaudiogramm Innenohrschwerhörigkeit
Der Ort der Schädigung kann sich hier im Innenohr, aber auch im Bereich des Hörnervs
befinden, man unterscheidet deshalb zwischen cochleärer und retrocochleärer Schwerhörigkeit. Bei der sensorineuralen Schwerhörigkeit verläuft die Hörschwelle nicht linear
sondern der Hörverlust nimmt in Richtung der höheren Frequenzen meist zu. Schallereignisse, vor allem lautsprachliche Äußerungen, werden hier mehr oder weniger
verzerrt wahrgenommen, weil Teile des Sprachfeldes, die für das unmittelbare
Sprachverstehen unverzichtbar sind, unterhalb der subjektiven Hörschwelle liegen.
Lauteres Sprechen oder gar Schreien, was lediglich die Intensität des Gesprochenen
linear verstärken würde, bietet dem Betroffenen hier keine Hilfe, sondern wirkt im
Gegenteil für diesen häufig unangenehm. Um eine Verbesserung des beeinträchtigten
Hörens zu ermöglichen ist eine gründliche audiologische4 Diagnostik, eine optimale
Anpassung von Hörgeräten sowie eine für das Kind individuell bestmögliche Hörerziehung bzw. Hörtraining nötig.
Bei der Schallempfindungsschwerhörigkeit können noch zwei Formen überschwelliger
Störung auftreten, das Recruitment5 und die Pathologische Verdeckung6. Eine ausführliche Darstellung dieser Phänomene würde im Rahmen dieser Arbeit zu weit führen, bei
4
5
6
Audiologie: ist ein Teilgebiet der Akustik, das sich mit dem normalen und dem pathologischen Gehör
beschäftigt. „Audiologie“ (lat.-griech. Mischwort) bedeutet: Lehre vom Hören (Renzelberg, 1997, S.3)
Recruitment: Lautheitsausgleich; Leises wird wegen der Schwerhörigkeit nicht oder schlecht gehört;
etwas Lauteres wird angenehm laut gehört, wenn es dann aber noch lauter wird, empfindet es der
Schwerhörige trotz seines Hörverlustes ebenso laut wie ein Normalhörender. Mitunter besteht sogar
Überempfindlichkeit gegen laute Töne und Geräusche. (Leonhardt, 1999, S.224)
pathologische Verdeckung: abnorme auditive Ermüdung, d.h. unter Geräuschbelastung verschlechtert
sich die Hörschwelle des Betroffenen (Leonhardt, 1999, S.223)
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18
Bedarf kann man diese Erscheinungsformen jedoch in den meisten Standardwerken der
gängigen Fachliteratur nachlesen.
2.3.3
Kombinierte Schallleitungs-Schallempfindungsschwerhörigkeit
Bei gleichzeitigem Auftreten einer Schalleitungsschwerhörigkeit und einer sensorineuralen Schwerhörigkeit spricht man von einer kombinierten Schwerhörigkeit oder einer
kombinierten Mittelohr- und Innenohrschwerhörigkeit. Bei dieser Form der Schwerhörigkeit liegt neben dem typischen Verlauf der Knochenleitungskurve für eine sensorineurale Hörschädigung eine Schallleitungskomponente vor, wobei die Luftleitungs –
Knochenleitungsdifferenz mehr als 10 dB7 betragen sollte. Die Schallempfindungsschwerhörigkeit dominiert jedoch und bestimmt somit das Wahrnehmungsgeschehen.
Abb. 5:
2.3.4
Tonaudiogramm einer kombinierten Schallleitungs-Schallempfindungsschwerhörigkeit
Gehörlosigkeit
Gehörlosigkeit als solche ist eigentlich keine eigene Hörstörung, sondern beruht auf
einem extrem hochgradigen sensorineuralen Hörschaden, d.h. es liegt eine praktische
Taubheit vor. Die absolute Taubheit, bei der überhaupt keine Hörreste zur Aufnahme
von Reizen aus der Umwelt mehr vorliegen, tritt sehr selten auf und meist nur dann,
wenn der Hörnerv oder das primäre Hörzentrum zerstört sind. K.-H. Wisotzki schreibt
7
Dezibel (dB): ist ein logarithmisches Verhältnismaß. Um praktisch verwertbare Zahlen zu erhalten
wurde diese Skala in Anlehnung an das WEBER-FECHNERsche Gesetz gewählt, welches die logarithmische Empfindlichkeit der Sinnesorgane beweist. In der Tonaudiometrie entsprechen 0dB der
Hörschwelle eines Normalhörenden (mit der Angabe HV=Hörverlust bzw. HL=hearing level) [vgl.
Renzelberg, 1997, S.4]
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19
dazu: „Pädagogisch gesehen wird dann von Gehörlosigkeit gesprochen oder ein Mensch
dann als gehörlos bezeichnet, wenn eine so schwere Schädigung des Gehörs vorliegt,
dass selbst bei bestmöglicher Schallverstärkung durch eine Hörhilfe keine oder nur eine
ganz begrenzte auditive Wahrnehmung möglich ist, wobei besonders darauf abgehoben
wird, dass Sprache überhaupt nicht über den akustischen Kanal perzipiert und diskriminiert werden kann. Dieser Sachverhalt bedingt auch, dass eine Eigenkontrolle des
Sprechens über den akustischen Kanal nicht möglich ist, wenn auch bisweilen noch
geringe Hörreste in einzelnen Frequenzen zur Verfügung stehen.“ (1994, S.51)
Gehörlosigkeit bedingt also, dass Lautsprache nicht auf natürlichem Weg, sondern im
besten Fall nur bei Verwendung optimal angepasster Hörhilfen und bei spezifischer
Förderung und Erziehung erlernt werden kann.
Der Vollständigkeit halber soll an dieser Stelle noch der Begriff Ertaubung im Gegensatz zu Gehörlosigkeit abgegrenzt werden, es sei aber darauf hingewiesen, dass durch
neuartige Behandlungsmethoden wie das Cochlear Implantat (vgl. 2.6.3.) heute vielen
Ertaubten zu einem gewissen Hörvermögen bzw. Hörresten zurückverholfen wird, wobei man diese Personengruppe dann wieder zum Kreis der Schwerhörigen zählen kann.
„Ertaubte sind Kinder, Jugendliche und Erwachsene, bei denen eine totale oder praktische Taubheit nach Abschluss des natürlichen Spracherwerbs eingetreten ist. Sie
können Sprache und andere Schallereignisse nicht mehr auditiv wahrnehmen. Im Unterschied zum Gehörlosen haben sie aber die Lautsprache auf natürlichem Wege imitativauditiv erlernt.“ (Pöhle, 1994, S. 25) Als untere Altersgrenze wird dabei das 4. Lebensjahr angesehen, da die Lautsprachentwicklung zu diesem Zeitpunkt einen relativen
Abschluss gefunden hat. Um den bis zur Ertaubung erreichten Sprachstatus zu erhalten
und die Sprachkompetenzen weiter auszubauen müssen sonderpädagogische Maßnahmen möglichst sofort einsetzen, d.h. sobald es der gesundheitliche Zustand des Betroffenen zulässt. Da Ertaubungen meist schlagartig infolge von Krankheiten oder Unfällen
auftreten, erleben die betroffenen Menschen häufig zusätzlich zu dem Verlust ihres
Hörvermögens eine große psychische Belastung. Um erfolgreiche spracherhaltende und
kommunikationsfördernde Schritte durchführen zu können ist demnach eine individuelle und weitreichende psychologische Betreuung notwendig. Je später die Ertaubung
eintritt umso größer sind das Spracherinnerungsvermögen und die aktualisierbaren
akustischen Vorstellungen, ferner ist die Sprechmotorik schon weiter ausgebildet. So
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20
fällt das Umstellen auf die visuelle Perzeption unter Umständen leichter, die psychische
Anspannung und das „Sich-Abfinden-Müssen“ mit der neuen Situation können hingegen weit schwerwiegender ausfallen.
Um abschließend noch eine ungefähre Vorstellung von den Graden der Schwerhörigkeit
zu schaffen, soll hier eine grobe Einteilung des Hörverlust in dB vorgestellt werden.
Ist der Hörverlust zwischen 20 – 40 dB festgestellt worden, spricht man von einer
leichten bzw. leichtgradigen Schwerhörigkeit. Ein Verlust zwischen 40 – 60 dB wird als
mittlere bzw. mittelgradige Schwerhörigkeit bezeichnet und zwischen 70 - 90 dB
spricht man von extremer oder hochgradiger Schwerhörigkeit. Liegt der Hörverlust im
Hauptsprachbereich über 90 dB, so wird der Ausdruck Resthörigkeit oder
Gehörlosigkeit bzw. vereinzelt noch Taubheit verwendet.
Zu beachten ist bei dieser Einteilung, dass eine z.B. als mittelgradig diagnostizierte
Schwerhörigkeit je nach individuellen Voraussetzungen und den angewandten Therapien und Fördermaßnahmen unterschiedliche Auswirkungen sowohl auf die psychische
Situation als auch auf das Sprachverständnis bzw. Hörvermögen des Betroffenen haben
kann. So ist es möglich, dass einerseits ein mittelgradig Schwerhöriger einer Konversation gut folgen kann und sein Hörschaden nur eine geringe Rolle spielt, andererseits ein
Betroffener mit dem gleichen Hörschaden an der Konversation trotz gut angepasster
Hörhilfen nur sehr bedingt und unter Einsatz weiterer Kommunikationshilfen teilnehmen kann.
Zur Veranschaulichung und dem besseren Verständnis von dB-Lautstärke sollen noch
einige Beispiele aufgeführt werden:
Abb. 6:
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Beispiele für dB-Lautstärke (aus: Leonhardt, 1999, S. 51)
21
2.4
Ursachen von Schwerhörigkeit
Die Ätiologie des Hörschadens ist bei Kindern nicht immer hundertprozentig festzustellen. Grundsätzlich kann eine Hörschädigung durch Vererbung oder Krankheit, auch
schon vor der Geburt, verursacht werden. Aber auch die Auswirkungen eines Unfalls
oder von Lärmeinwirkungen können Ursache für eine Minderung des Hörvermögens
sein. Um diese grobe Einteilung etwas mehr zu differenzieren soll zunächst eine Disposition der Ursachen nach dem Zeitpunkt des Eintretens der Hörschädigung vorgenommen werden. Diese kann pränatal (vor der Geburt), perinatal (während der Geburt) oder
postnatal (nach der Geburt) auftreten. Die pränatale oder vorgeburtliche Hörschädigung
ist entweder genetisch bedingt oder kann durch eine Krankheit der Mutter während der
Schwangerschaft auftreten. Ferner können Alkohol-, Nikotin- und Drogenmissbrauch,
falsche bzw. missbräuchliche Einnahme von bestimmten Medikamenten wie Antibiotika und Diabetes oder schwere Blutungen der Mutter während der Schwangerschaft zu
einer Schädigung des Hörorgans beim ungeborenen Kind führen.
Ein perinataler Hörschaden ist kurz vor, während oder gleich nach der Entbindung eingetreten. Er kann bedingt sein durch Schädelverletzungen, Atemstillstand mit längeren
Wiederbelebungsmaßnahmen, Sauerstoffmangel während der Geburt oder durch eine
im Zusammenhang mit der Geburt eingetretene Neugeborenengelbsucht.
Die postnatale Hörschädigung beginnt nach der Geburt und ist meist durch eine Infektionskrankheit bedingt (z.B. Meningitis, Diphtherie, Mumps, Masern usw.), kann aber
auch Folge eines Unfalls z.B. von Schädelverletzungen sein. Bei Erwachsenen wird
eine Hörschädigung weniger durch Krankheit, sondern eher durch Hörsturz, durch
ständigen, anhaltenden und sehr starken Lärm oder als Folge des Alterns
(Altersschwerhörigkeit bzw. Presbyakusis) verursacht.
Hingewiesen werden sollte noch auf mögliche Missbildungen des äußeren bzw. Mittelohres, welche eine Schalleitungsschwerhörigkeit auslösen können. Auch verschiedene
Syndrome8 (z.B. das Waardenburg-Syndrom, das Franceschetti-Syndrom, das UsherSyndrom) können unter anderem einen Hörschaden bewirken.
8
Syndrom: „Die Gesamtheit der für ein Krankheitsbild typischen Symptome bezeichnet man als Syndrom; ein Syndrom, d.h. eine bestimmte Zusammensetzung von Symptomen, kann aber auch für mehrere Krankheiten typisch sein, z.B. Fieber, Kopfschmerzen und Mattigkeit sind ein Syndrom, das bei
vielen Infektionen und Infektionskrankheiten auftritt.“ (Plath, 1995, S.222) Das Waardenburg – oder
auch das Usher - Syndrom beinhalten neben anderen Symptomen auch eine Form von
Schwerhörigkeit.
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22
Abb. 7:
Zusammenstellung mögl. Ursachen für Hörschäden
(aus: Leonhardt 1999, S. 57)
Weitere Darstellungen von Ursachen der Schwerhörigkeit würden den Rahmen dieser
Arbeit überschreiten. Wird man als Pädagoge mit einem hörgeschädigten Schüler konfrontiert, sollte man allerdings zu der in diesem Fall die Hörstörung bedingenden Ursache weitere Informationen bei den entsprechenden Fachleuten bzw. in der einschlägigen
Literatur einholen.
2.5
Auswirkungen von Schwerhörigkeit
Da in die Regelschule zumeist schwerhörige, weniger gehörlose oder ertaubte Kinder
eingeschult werden, sollen hier kurz die wichtigsten Faktoren der Auswirkungen von
Schwerhörigkeit näher geschildert werden, die der unterrichtenden Lehrkraft bekannt
sein sollten. Ferner liegt der Schwerpunkt dieser Ausführungen auf den Folgen für hörgeschädigte Kinder, jene für Erwachsene oder altersschwerhörige Menschen werden
vernachlässigt, da dies zu weit vom eigentlichen Themenbereich dieser Arbeit wegführen würde.
2.5.1
Übergeordnete Auswirkungen auf die Entwicklung eines schwerhörigen Kindes
Zum einen ist natürlich die Kenntnis über Arten und Grade eines Hörschadens (siehe
2.3.) sehr wichtig. Darüber hinaus sollte aber auch der Zeitpunkt des Eintretens Beach-
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23
tung finden. Je früher ein Hörschaden eintritt, desto gravierender sind in der Regel die
Folgen für die individuelle Entwicklung des betroffenen Kindes. Hochgradige Hörschäden, die prä-, peri- oder postnatal im frühen Kindesalter auftreten und somit vor oder
während des Spracherwerbs einsetzen „…belasten die Entwicklung des Kindes erheblich, zumal Kleinkinder noch nicht über die erforderlichen Regulationsmechanismen
verfügen, um aktiv auf die Gestaltung der Wechselbeziehungen mit ihrer sozialen Umwelt Einfluss nehmen und der Hörbehinderung entgegenwirken zu können.“ (Leonhardt,
1999, S.69) Bei hörgeschädigten Kindern gehörloser Eltern können diese Auswirkungen
auf die Entwicklung weniger gravierend sein, da zumindest innerhalb der Familie eine
unproblematische Kommunikation, meist mit Hilfe von manuellen Systemen, ablaufen
kann und das Kind dort mit seiner Behinderung auch nicht als „etwas Besonderes“ auffällt. Tritt der Hörschaden nach Abschluss des Spracherwerbs, der sich etwa nach dem
3.-4. Lebensjahr vollzogen hat, ein, so besteht die Problematik vor allem in der kurzfristigen Veränderung der psychosozialen Lage des Betroffenen, was weitreichende
psychische Folgen nach sich ziehen kann. Die bereits erworbene Lautsprache und die
schon ausgeprägten kognitiven Funktionen können hingegen durch sofort einsetzende
Therapien und Fördermaßnahmen weiter entwickelt und erhalten werden.
Eine bzw. mehrere weitere Behinderungen können die Auswirkungen auf die Gesamtentwicklung eines hörgeschädigten Kindes weiter verstärken. Dabei ist zu beachten,
dass die einzelnen Behinderungen nicht additiv oder nebeneinander wirken, sondern
einen potenzierenden Charakter haben.
Ein weiterer wesentlicher Faktor, der die Folgen einer Schwerhörigkeit beeinflusst, ist
das soziale Umfeld des betroffenen Kindes. Entscheidend ist hier inwieweit die engsten
Bezugspersonen, also die Familie, aber auch Menschen, die mit der Förderung, Erziehung und Therapie des Kindes beauftragt sind, sich für dessen bestmögliche Chancen
und Entwicklungsmöglichkeiten bemühen und einsetzen. Auch ins Gewicht fällt dabei
die Qualität der Hörgeräte und die Anschaffung weiterer Kommunikationshilfen, die
sich manche Familien aufgrund sinkender Unterstützung der Krankenkassen oder eines
geringen Einkommens nur noch schwer leisten können.
Neben diesen äußeren oder auch vorgegebenen Faktoren, auf die das Kind keinen
direkten Einfluss hat, gibt es konkrete Auswirkungen der jeweiligen Schwerhörigkeit
auf die Perzeption und Sprache.
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24
2.5.2
Individuelle Auswirkungen der jeweiligen Schwerhörigkeit auf das betroffene
Kind
Wie schon erwähnt ist es schwierig, verallgemeinernde Aussagen zu Schwerhörigkeit
und ihren Auswirkungen aufzustellen, da sie bei jedem Betroffenen anders ausfällt.
Selbst bei einer exakt gleichen Hörkurve im Tonaudiogramm zweier Menschen würden
die Effekte je nach Persönlichkeit und sozialen Entwicklungsbedingungen des Einzelnen sehr unter-schiedlich ausfallen. Da diese Arbeit sich hauptsächlich an Regelschullehrer wendet, die ein schwerhöriges Kind in ihrer Klasse haben, soll vorrangig die
(Sprach-) Entwicklungsproblematik von Kindern, bei denen eine sensorineurale Hörschädigung im frühen Alter eingetreten ist oder bei denen eine kombinierte Schwerhörigkeit festgestellt wurde, angesprochen werden.
Eine Gemeinsamkeit, die alle Schwerhörigen betrifft, ist die Einschränkung der auditiven Perzeption. Da die Wahrnehmung der akustischen Reize beeinträchtigt ist, muss
die Lautsprache, wenn auch nur eingeschränkt möglich, mit Hörhilfen aufgenommen
werden. Das eigene Sprechen kann gut bis nur bedingt über die auditive Rückkopplung
kontrolliert werden.
Wie schon unter Punkt 2.3.1. angemerkt, kann eine Schalleitungsschwerhörigkeit durch
optimale Anpassung entsprechender Hörgeräte oder operative Maßnahmen soweit ausgeglichen werden, dass kaum mehr negative Auswirkungen für den Betroffenen spürbar
sind. Bei dieser Art von Schwerhörigkeit kommt es aufgrund der geringeren Intensität
der Höreindrücke bzw. der schlechteren Diskriminationsmöglichkeit in Hörschwellennähe zu leiserem und quantitativ beeinträchtigtem Hören. Bei von Geburt an schallleitungsschwerhörigen Kindern kann sich die Hörschädigung auch auf die Sprache auswirken. Endsilben, Endkonsonanten, Präpositionen, Konjunktionen, Flexionsendungen der
Substantive, Verben und Adjektive usw. werden weniger gut rezipiert und so kann es in
diesen Bereichen zu Auffälligkeiten bei der Sprachproduktion kommen. Wird der Hörschaden rechtzeitig erkannt und eine sofortige Hörgeräteanpassung, unter Umständen
chirurgische Schritte und entsprechende Fördermaßnahmen eingeleitet, kann man diese
Entwicklung aufhalten bzw. die bereits aufgetretenen Fehler in der Sprachproduktion
wieder abbauen.
Anders als bei der Schallleitungsschwerhörigkeit kann eine sensorineurale Schwerhörigkeit nicht durch Anpassung von Hörgeräten behoben bzw. ausgeglichen werden, die
Auswirkungen auf die Sprachperzeption und -produktion sind hier weitaus
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25
gravierender. Neben einer quantitativen Einschränkung des Hörens kommt es bei der
Innenohrschwerhörigkeit hauptsächlich zu einer qualitativen Veränderung der auditiven
Wahrnehmung. Das Hören erfolgt für den Betroffenen trotz Verwendung von
elektronischen Hörhilfen nur „verzerrt“ und das Verstehen von Sprache ist je nach Grad
des Hörverlusts mehr oder weniger stark erschwert, da die perzipierten Laute nur stark
deformiert aufgenommen werden können. Je höher die Frequenz, desto größer werden
in der Regel die Höreinbußen, weshalb die Differenzierbarkeit der Sprachlaute
herabgesetzt wird. Das Problem für den Betroffenen ist, dass er die Sprachlaute
akustisch zwar wahrnehmen, nicht aber differenzieren kann. Er kann Sprache also
hören, aber nur sehr eingeschränkt verstehen. Gerade in geräuschvoller Umgebung ist
eine vollständige Sprachperzeption für den senso-rineural Hörgeschädigten kaum mehr
möglich. Inwieweit Sprache noch aufgenommen und verstanden werden kann ist
abhängig
vom
subjektiven
Kompensationsmöglichkeiten
Verlauf
und
der
-strategien.
Hörschwelle,
Eine
genaue
den
individuellen
Darstellung
der
Auffälligkeiten in der sprachlichen Entwicklung eines Kindes als Folge einer sensorineuralen Schwerhörigkeit würde im Rahmen dieser Arbeit zu weit führen. Es lässt sich
aber sagen, dass häufig Auffälligkeiten in der Sprechweise des Betroffenen zu
bemerken sind. So werden einzelne Laute falsch gebildet, fehlen ganz oder klingen für
Außen-stehende verwaschen. Auch die rhythmisch und dynamisch-melodische
Akzentuierung kann falsch oder fehlend sein, ferner neigt die Sprechweise häufig zu
Monotonie und einem verlangsamten oder erhöhten Sprechtempo. An für die sozialkommunikativen Äußerungen wichtigen prosodischen Merkmalen kann es in der
lautsprachlichen Konversation eines schwerhörigen Kindes ebenfalls mangeln. Diese
wirken deshalb oft wenig strukturiert und ihre pragmatische Wirkung kann gegebenenfalls verloren gehen. „Der individuelle Wortschatz schwerhöriger Kinder kann gegenüber dem gleichaltriger Nicht-behinderter in stärkerem oder geringerem Maße retardiert
sein.“ (Pöhle, 1994, S.24) Schwierigkeiten bereitet hier hauptsächlich das Erlernen von
Wörtern, deren Inhalt sich auf Abstraktes bezieht, Wörtern mit bildhafter und übertragener Bedeutung sowie Adverbien, Präpositionen und Konjunktionen.
Als letzter Aspekt soll hier noch auf die Auffälligkeiten bei der Entwicklung des individuellen Sprachformenschatzes hingewiesen werden. Während ein hörendes Kind die
verschiedenen Flexionsformen und die syntaktische Strukturierung unterschiedlicher
Satzmuster mit typischen Wortstellungen und grammatikalischen Fügungen vorrangig
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26
imitativ und beiläufig in der täglichen Kommunikation und Interaktion mit seinen Mitmenschen erlernt, nehmen schwerhörige Kinder lautsprachliche Strukturen nur bruchstückhaft, unvollständig und qualitativ gemindert wahr. Auch ist der „Sprachumsatz“
schwerhöriger Kinder im Vergleich zu dem gleichaltriger Hörender häufig zu gering.
Die in der Schule und den Förderprogrammen erlernten Sprachformen werden im Alltag
nur wenig eingesetzt und geübt und das schwerhörige Kind gelangt unter Umständen
nicht zu einer „automatisierten Sprechweise“ wie das normalhörende Kinder tun,
sondern fühlt sich, ähnlich wie man das vom Erlernen einer Fremdsprache her kennt,
unsicher und gehemmt in seinem kommunikativen Ausdruck.
Diese knappen Hinweise auf die Auswirkungen einer Schwerhörigkeit zeigen, wie
wichtig eine frühzeitige Erkennung des Hörschadens und eine sofortige und
kontinuierlich durchgeführte Förderung, welche individuell auf die Schwierigkeiten des
Kindes ausgerichtet ist, sein muss, um einer Retardation der Sprachentwicklung
wirksam zu entgegnen und sprachliche Auffälligkeiten in Grenzen zu halten bzw. ganz
zu vermeiden.
2.6
Informationen zu Hörgeräten, Höranlagen und Cochlea Implantat
Eine grundsätzliche Kenntnis über die derzeitigen elektronischen Hörhilfen und Zusatzgeräte, sowie einiges Wissen über den Einsatz und die Möglichkeiten der „Hörprothese“
Cochlea Implantat sind für jeden Pädagogen notwendig, sobald er in seinem (schulischen) Umfeld mit einem hörgeschädigten Kind zusammentrifft. Deshalb sollen in
diesem Abschnitt grundlegende Informationen zu den oben erwähnten Themenbereichen gegeben werden.
2.6.1
Das Hörgerät
Bei der Entwicklung und Innovation moderner Hörgeräte stehen mehrere Faktoren im
Vordergrund. So soll eine bestmögliche Verbesserung der akustischen Wahrnehmungsfähigkeit erreicht, der Bedienungskomfort erleichtert und der Anwendungsbereich vergrößert werden. Außerdem wird bei den neuesten Hörhilfen auf immer mehr Unauffälligkeit und kosmetische Vervollkommnung geachtet.
Allgemein ausgedrückt ist der Zweck eines jeden Hörgerätes, „… das akustische Signal
mit allen wesentlichen Merkmalen über die Hörschwelle (H.i.O.) des Hörgeschädigten
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27
zu heben, ohne dass dabei die Schmerzschwelle erreicht wird.“ (Lindner, 1992, S.247)
Im einfachsten Fall besteht ein Hörgerät aus einem Mikrofon zur Schallaufnahme und
-umwandlung in elektrische Signale, einem regelbaren Verstärker zur Intensivierung der
Impulse in mehreren Stufen und einem Hörer für die „Schallabgabe“ oder zur Umwandlung der Impulse in Schall. Von hier erfolgt die Weiterleitung des Schalls in die
Otoplastik. Zuletzt benötigt ein Hörgerät immer auch eine Batterie zur ständigen Stromversorgung.
Zu den Bedienungselementen, die der Hörgeschädigte selbst beeinflussen kann, gehören
der Lautstärkeregler, im häufigsten Fall mit einer Skala von 0 bis 4 und der M-T-0Regler, wobei M für Mikrofon oder „normales Hören“, T für Telefon bzw. Hörspule für
Hören über Zusatzgeräte oder Induktion und 0 für die Aus-Stellung steht. Ferner kann
das Batteriefach selbst geöffnet werden, um bei Bedarf den Stromspender auszutauschen. Bei den neuesten elektronischen Hörhilfen existiert kein Lautstärkeregler mehr,
sondern das Gerät reguliert die Einstellungen je nach Bedarf automatisch.
Das ausgereifte „Innenleben“ eines Hörgerätes kann heute so individuell und optimal an
den Hörschaden eines Betroffenen angepasst werden, dass mit ihnen zwischenzeitlich
auch solche hörgeschädigten Kinder versorgt werden, die man früher als gehörlos oder
gar „taub“ eingestuft und deshalb unversorgt gelassen hätte.
Die Schallaufnahme beim Hörgerät erfolgt von vorne. Werden also zwei Geräte getragen, so ist eine Schalllokalisation möglich. Die individuelle Anpassung von Hörgeräten
erfolgt stets für jedes Ohr getrennt, weshalb man auch die Hörgeräte links und rechts
nicht einfach vertauschen darf, selbst wenn diese äußerlich gleich erscheinen.
Bei den individuellen Hörgeräten unterscheidet man verschiedene Bauweisen. Im Rahmen dieser Arbeit soll auf die beiden am häufigsten vorkommenden Arten kurz näher
eingegangen werden, nämlich das HdO = Hinter dem Ohr Hörgerät (vgl. Abb. 8) und
das IdO = In dem Ohr Hörgerät (vgl. Abb. 9). Die Darstellung weiterer Formen wie
dem Taschengerät, der Hörbrille oder der Knochenhörbrille etc. kann hier
vernachlässigt werden, da der Marktanteil dieser Arten von Hörhilfen zusammen nur
bei etwa 2% liegt und die Wahrscheinlichkeit, ein hörgeschädigtes Kind in einer
Regelschule mit anderen als HdO- oder IdO-Geräten anzutreffen verschwindend gering
ist. Ferner kann man sich bei Bedarf bei jedem Hörgeräteakustiker über die
individuellen Hörhilfen eines hörgeschädigten Kindes näher aufklären lassen.
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28
Abb. 8:
HdO-Gerät
Das HdO-Gerät ist über einen kurzen Plastikschlauch mit einem spezifisch
angefertigten Ohrpassstück, der sogenannten Otoplastik, verbunden. Die Otoplastik
wird individuell nach Abdruck hergestellt. Sie muss das Ohr abdichten und leitet den
verstärkten Schall zum Trommelfell. HdO-Geräte ermöglichen eine ohrnahe
Schallaufnahme. Sie erzeugen kaum unangenehme Reibe- und Tragegeräusche und der
M-T-0-Regler wie auch der Lautstärkeregler sind meist gut bedienbar. Durch den
Hörgeräteakustiker sind präzise Einstellungen möglich und bei Bedarf können
verschiedene Sondereinrichtungen eingebaut werden, um die akustischen Signale auch
bei ungünstigen individuellen Bedingungen auffangen zu können. Die beiden
wichtigsten und in den meisten HdO-Geräten vorhande-nen Zusatzfunktionen sind das
sogenannte Peak-Clipping (PC) und die Automatic Gain Control (AGC).
Beim Peak-Clipping (PC) wird der maximale Ausgangsschalldruckpegel begrenzt, d.h.
es werden die Amplitudenspitzen „abgeschnitten“, so dass die Unbehaglichkeitsschwelle nicht überschritten wird (z.B. bei Schreien, Türenschlagen etc.). Die Automatic Gain Control ist eine automatische Verstärkungsregelung, die den Eingangs- oder
Ausgangsschalldruckpegel durch Absenken der Schalldruckspitzen begrenzt. Trägt ein
Schüler Hörgeräte, die PC oder AGC unterstützen, so kann dies unter anderem ein
Grund sein, warum das betroffene Kind sich durch lautes Schreien oft weniger gestört
fühlt, als seine guthörenden Mitschüler und es unter Umständen das eigene „Herumbrüllen“ als nicht so auffällig empfindet wie die anderen Kinder oder die Lehrkraft. Auf
weitere technische Einzelheiten soll aber an dieser Stelle verzichten werden, um den
Umfang dieser Arbeit nicht zu überschreiten.
Durch die fortschreitende technische Entwicklung sind die Bauteile der Hörgeräte
immer kleiner geworden. Das Aufkommen von IdO-Geräte, deren Marktanteil heute bei
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29
etwa 20% liegt, schreitet deshalb immer weiter fort und wird mittlerweile hauptsächlich
aus kosmetischen Gründen bevorzugt, da die Hörhilfe für die Umwelt so weitgehend
unsichtbar bleibt. Aber auch bei Missbildungen der Ohrmuschel, welche ein Tragen von
HdO-Geräten unmöglich machen können, sind IdO-Geräte in jedem Fall am vorteilhaftesten.
Abb. 9:
IdO-Geräte
IdO-Geräte sind ähnlich aufgebaut wie ein HdO-Gerät, der Hauptunterschied liegt in
der sehr viel geringeren Größe. Sie bestehen fast nur aus einem individuellen
Ohrpassstück in oder an das die gesamte Elektronik angebaut ist. Die IdO-Geräte
müssen schalldicht im Gehörgang sitzen, da sonst wegen der unmittelbaren
Nachbarschaft von Mikrofon und Hörer eine akustische Rückkopplung entstehen kann.
Man unterscheidet zwischen den Geräten, welche Ohrmuschel ausfüllen und in den Gehörgang reichen (Concha-Geräte) und solchen, die nur im Gehörgang sitzen (Kanalgeräte).
Problematisch beim IdO-Gerät im Vergleich zum HdO-Gerät ist das fast schon winzige
Format, welches gerade bei Kindern die Gefahr birgt, leicht verloren zu gehen. Außerdem sind Einstellungen schwieriger vorzunehmen, da die Bedienelemente, die der Träger selbst modifizieren kann, wenn sie am Gerät selbst angebracht sind, erheblich
kleiner und somit schwerer erreichbar und verstellbar sind. Sind sie per Fernbedienung
einzustellen, so bedeutet das ein Element mehr, auf das man aufpassen muss und
welches man möglichst nicht verlieren sollte.
Die meisten Schulkinder, v.a. im jüngeren Alter, sind mit HdO-Geräten ausgestattet.
Dies geschieht nicht nur wegen der kindgerechteren Bedienungsweise, sondern auch
weil viele Eltern heute mit sichtbaren Hörgeräten in knalligen Farben die Umwelt bewusst auf die Hörschädigung ihres Kindes aufmerksam machen wollen, um diesem
missverständliche Situationen oder negative Bemerkungen zu ersparen.
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30
2.6.2
Die Höranlage
Ein hörgeschädigtes Kind, welches eine Regelschulklasse besucht, wird mit großer
Wahrscheinlichkeit als zusätzliche Hilfe neben seinen Hörgeräten über eine frequenzmodulierte Anlage (FM-Anlage) verfügen. Diese Anlage ist mobil einsetzbar und
besitzt eine Spracherkennung, die das Mikrofon des Empfängers bei entsprechenden
Signalen abschaltet, so dass der Lehrer direkten Einfluss auf die Kommunikation im
Unterricht nehmen kann. In Sprechpausen schaltet sie sich jedoch wieder zu, um die
Erkennung umgebender Schallreize zu ermöglichen. Der Lehrer hat hierbei einen
Sendekasten umhängen, während der Schüler einen Empfängerkasten trägt (vgl. Abb.
9), welcher mittels zweier Kabel, an dessen Enden jeweils ein Audio-Schuh sitzt, mit
dem Audio-Eingang des jeweiligen Hörgeräts verbunden ist. Von der Firma Phonak
gibt es seit neuestem eine FM-Anlage (vgl. Abb. 10), welche den Empfänger in den
Audio-Schuh
eingebaut
hat.
Das
hörgeschädigte
Kind
muss
hier
keinen
Empfängerkasten und lästige Kabelverbindungen mehr tragen, was z.B. im Sport- oder
Kunstunterricht von großem Vorteil ist.
Funkmikrofon
„Handy Mic“
HdO-Gerät
mit AudioSchuh und
integriertem
Empfänger
Abb. 10: Mikroportanlage der Firma
Sennheiser
Abb. 11: MikroLink Anlage der Firma
Phonak (drahtlos)
In Schwerhörigen- und auch Gehörlosenschulen sind häufig sogenannte Klassenhöranlagen in Verwendung, welche sich durch ein gutes Stör-Nutzschall-Verhältnis auszeichnen, aber eine Vernetzung aller Schüler mittels ihrer Hörgeräte an diese Anlage bedingen. Deshalb haben diese Anlagen für Regelschulen keine Relevanz, weshalb auf dieses
technische Hilfsmittel hier nicht näher eingegangen werden soll.
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31
Die eindeutig wichtigsten technischen Hilfsmittel für ein hörgeschädigtes Kind stellen
die Hörgeräte sowie die FM-Anlage dar. Daneben gibt es aber noch zahlreiche weitere
Hilfen, die dem betroffenen Kind den Schulalltag erleichtern können. Eine wichtige
Stütze ist dabei, wie bereits erwähnt, das Absehen, auf welches unter Punkt 4 genauer
eingegangen wird. Zunächst soll aber noch kurz auf das Cochlea Implantat eingegangen
werden, welches bei ertaubten, gehörlosen und vereinzelt hochgradig schwerhörigen
Kinder immer häufiger eingesetzt wird und teilweise sehr gute Ergebnisse für die Entwicklung der Implantierten brachte.
2.6.3
Das Cochlea9 Implantat
Das Cochlea Implantat dient dazu, gehörlosen, ertaubten und in speziellen Fällen auch
hochgradig schwerhörigen Menschen mit einer peripheren Hörschädigung akustische
Signale auf elektronischem Weg direkt an die Hörnerven zu übertragen. Die dort erzeugten Impulse werden dann auf natürliche Weise an das Gehirn weitergeleitet und
verarbeitet. Eine Implantation kann nur erfolgen, wenn der Hörnerv und das zentrale
Hörsystem funktionsfähig sind.
Seit den 70er Jahren wird diese „Innenohrprothese“ ertaubten und gehörlosen Menschen
eingesetzt. Zunächst wurden überwiegend betroffene Jugendliche und Erwachsene implantiert, seit Ende der 80er Jahre begann der Mediziner Lenhardt in Hannover, auch
Kleinkinder mit Cochlea Implantaten zu versorgen. „Der Erfolg wurde maßgebend
dadurch bestimmt, dass er nicht nur die operationstechnische Seite vom Standpunkt des
Mediziners bzw. Operateurs betrachtete, sondern die Bedeutung der Nachsorge und die
damit verbundene Rolle und Aufgabe der Hörgeschädigtenpädagogik (H.i.O.) von
Anfang an erkannte.“ (Leonhardt, 1999, S.128)
Die Systemkomponenten des Cochlea Implantats kann man in externe und interne Bestandteile aufgliedern. Extern getragen vom Implant-Träger wird der Sprachprozessor,
das Mikrofon, welches hinter der Ohrmuschel getragen wird und somit die gleiche Platzierung findet wie ein HdO-Gerät und die Sendespule, welche magnetisch hinter der
Ohrmuschel fixiert wird. Während einer Operation wird in das leicht ausgefräste Knochenbett hinter dem Ohr das eigentliche Implantat mit Empfängerschaltkreis, Gegen-
9
Cochlea: [kcx-; griechisch] = Schnecke des Gehörorgans der Säugetiere und des Menschen (vgl. Bertelsmann Lexikon 2000)
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32
magneten, Mikrochip und einer oder mehrerer Reizelektroden eingesetzt. (vgl. Abb. 12,
13, 14)
Abb. 12: interne Komponenten eines CI: Nucleus 24 Double Array
Abb. 13: externe Komponenten eines CI: Nucleus 24 SPrint Speech Processor
Im wesentlichen unterscheiden sich die Implantate der einzelnen Firmen durch die Lage
und Anzahl der Elektroden. Die ersten CIs wurden einkanalig und extracochleär implantiert, mittlerweile sind die Operationsmethoden und technischen Möglichkeiten
soweit fortgeschritten, dass moderne Cochlea Implantate fast ausschließlich transkutan,
intracochleär und mehrkanalig gesetzt werden, da diese Art weit bessere und differenzierte Höreindrücke für den Implantierten ermöglicht.
An dieser Stelle erscheint es wichtig anzumerken, dass mit einem Cochlea Implantat
bisher ein Höreindruck für den Träger erzeugt wird, der von einem normalen Höreindruck noch weit entfernt ist. Die FH-Hannover führte unter der Leitung von Prof. Dr.Ing. Hartmut Kopp eine Simulation des Höreindrucks bei Cochlea-Implant-Trägern
durch. Um diesen möglichst real nachstellen zu können wurden sechs Träger nach
ihrem jetzigen Höreindruck erfragt. Dabei wurden am häufigsten folgende Kriterien genannt, die sehr anschaulich beschreiben, welchen Eindruck das Hören für die
betroffenen Menschen hinterlässt. Stimmen und Laute werden so als „metallische
Roboterstimme“ aufgefasst, allgemein werden Töne und Schall als verzerrt, ähnlich wie
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33
bei
einem
schlecht
eingestellten
Radiosender
wahrgenommen.
Bestimmte
Schalleindrücke erscheinen den Implant-Trägern aber auch als klar und deutlich. Die
simulierten Schalleindrücke können im Internet unter der Adresse www.fhhannover.de/agreha/softsim.htm angehört werden und vermitteln so ein sehr eindrucksvolles Bild vom Höreindruck eines Cochlea-Implant-Trägers.
Im folgenden die detailliertere Darstellung der Funktionsweise eines Cochlea Implantats
anhand des COMBI 40+ der Firma MED-EL Medical Electronics. Bei dem hier beschriebenen Implantat handelt es sich um 24 Elektroden die in 12 Kanälen innerhalb der
Cochlea eingesetzt werden.
(1) Schallwellen werden von einem Mikrofon aufgenommen und in
elektrische Signale umgewandelt.
(2) Die elektrischen Signale werden über das Kabel zum Sprachprozessor
geleitet.
(3) Der Sprachprozessor verarbeitet die elektrischen Signale nach einer
bestimmten Kodierungsstrategie in ein Muster von elektrischen Pulsen.
(4) Dieses Pulsmuster wird über das Kabel zum Sender geleitet.
(5) Der Sender verschlüsselt die Signale für die drahtlose Übertragung
durch die Haut und sendet sie zum Empfänger.
(6) Der Empfänger (Implantat) entschlüsselt das Signal und leitet das
Pulsmuster zur aktiven Elektrode im Innenohr.
(7) Über die 24 Elektrodenkontakte der 12 Kanäle stimulieren die
abgegebenen elektrischen Pulse den Hörnerv an unterschiedlichen
Orten innerhalb der Cochlea. Der Hörnerv generiert als Folge
sogenannter Aktions-Potentiale und leitet diese zum Gehirn weiter.
(8) Das Gehirn empfängt die Aktions-Potentiale des Hörnervs und
interpretiert diese als akustisches Ereignis.
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34
Abb. 14: „So funktioniert ein Cochlea-Implantat“
Die Versorgung mit einem Cochlea Implantat wird bisher meist an einem Ohr durchgeführt, die Erfahrung mit binauraler Versorgung ist noch vergleichsweise gering, wird
aber zunehmend forciert, da sie ein verbessertes Hörvermögen und auch
Richtungshören für die Betroffenen ermöglicht.
Die Implantation bei einem Kind ist grundsätzlich eine Einzelfallentscheidung, die nur
unter Abwägung der möglichen Vor- und Nachteile erfolgen kann. Eine CI-Versorgung
wird nur in Erwägung gezogen, wenn die Aussichten, auch bei optimalster Hörgeräteversorgung und pädagogischer Förderung, auf eine, im Rahmen der Möglichkeiten des
betroffenen Kindes gelungene Sprachentwicklung als zu gering betrachtet werden.
Ziel einer Versorgung mit dem CI ist es dann, dem betroffenen Kind eine im Idealfall
altersgemäße Entwicklung der Lautsprache zu ermöglichen, zumindest aber verbesserte
Chancen im Gegensatz zu einer Versorgung und Förderung mit Hörgeräten.
Lehnhardt nennt mehrere Faktoren, die in seinen Augen ausschlaggebend sind für den
Erfolg einer CI-Versorgung. So ist das frühe Erkennen der Gehörlosigkeit, bzw. Taubheit sehr wichtig, um auch eine eventuelle Cochlea Implantation so früh wie möglich,
schon im 3. oder gar 2. Lebensjahr durchführen zu können. Ferner ist eine intensive
Frühförderung, ein kontinuierliches auditiorisch-verbales Training, eine gewisse
Sprachbegabung sowie eine hörgerichtete Gesamtpersönlichkeit des Kindes entscheidend um ein positives Ergebnis der Implantation zu ermöglichen. (vgl. Lehnhardt, Ernst
in: Leonhardt, 1997, S.28)
Die Beschulung eines implantierten Kindes hängt ab von der jeweiligen Sprach- und
Gesamtentwicklung des Kindes und muss somit stets eine Einzelfallentscheidung sein,
da es eine schulische Einrichtung eigens für CI-Kinder bisher nicht gibt und sich dies
aufgrund der unterschiedlichen Erfolge des CIs bei jedem einzelnen Kind und der breiten Verteilung aller implantierten Kinder auf die ganze BRD als schwierig gestalten
würde. Für Regelschullehrer ist es an dieser Stelle wichtig zu erfahren, dass die Einbzw. Umschulung eines implantierten Kindes in die Regelschule, welches gute Erfolge
in seiner sprachlichen und kognitiven Entwicklung erzielen konnte, immer häufiger in
Erwägung gezogen und auch schon durchgeführt wird.
Nach Lehnhardt sind etwa 25% der implantierten Kinder für einen Besuch der Regelschule geeignet, da sie zu spontaner sprachlicher Kommunikation und zu einem Sprachwww.foepaed.net
35
verstehen kommen, welches es ihnen ermöglicht, auch unbekannte Wörter zu verstehen.
Circa 70% der Kinder, denen ein Cochlea Implantat eingesetzt wurde, können aller Voraussicht nach die Schwerhörigenschule besuchen, da sie dank ihres Implantats Sprache
teilweise wieder rezipieren und identifizieren können. Etwa 5% der mit einem CI versorgten Kinder ziehen nur sehr wenig Nutzen aus ihrer Hörprothese, d.h. sie können es
zum Rezipieren und zur Produktion von Sprache kaum nutzen. Diesen Kindern muss
also trotz Implantation der Besuch einer Gehörlosenschule angeraten werden, da sie in
jedem Fall auf zusätzliche, eventuell auch gebärdensprachliche Kommunikationssysteme angewiesen sind. (vgl. Lehnhardt in: Leonhardt, 1997, S.28)
Abschließend lässt sich sagen, dass auf dem Gebiet der elektronischen und implantierbaren Hörhilfen eine ständige und rasante Entwicklung im Gange ist, die darauf abzielt,
eine weitere Verbesserung mit optimierter individueller Anpassung zu erreichen, um
eine Hörleistung und eine optimierte Ausnutzung des Restgehörs zu erzielen, die dem
eines Normalhörenden möglichst nahe kommt. So wird derzeit an der Entwicklung implantierbarer Hörgeräte gearbeitet. Die Cochlea Implantate werden zunehmend kleiner
und dennoch leistungsfähiger gebaut. Es gibt auch schon Versuche für eine total implantierbare Prothese, bzw. die Verbindung von Mikrofon und Sprachprozessor in
einem Gerät, welches hinter dem Ohr getragen wird um den Tragekomfort zu erhöhen.
Um sich ein Bild von diesen Neuerungen machen zu können und da Fachliteratur zu
diesem Themenbereich sehr schnell überholt ist, bietet das Internet eine gute Möglichkeit sich schnell und umfassend einen Einblick zu verschaffen. Nachfolgend einige
Internetseiten (aktuell im Februar 2001), die Informationen zu Hörgeräten und Cochlea
Implantaten liefern:
• http://www.hoergeraete-jensen.de/HGJ/Hoergeraet.html
• http://www.hca.dk/tysk/horgerat.htm
• www.ci-centrum.de
• http://www.hno-rdi.de/cochl_op.asp
• www.ukl.uni-freiburg.de/hno/icf/cochlear.html
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3. Die Kommunikation der Hörgeschädigten
3.1
Das Absehen als wichtiger Teil der Kommunikation für Hörgeschädigte
Schon von frühester Kindheit an spielt Kommunikation in unserem Leben eine entscheidende Rolle. Ein Neugeborenes kann zunächst nur über Körperreaktionen und
elementare Laute mit seiner Umwelt kommunizieren, aber schon in seinen ersten
Lebensjahren gelangt es über einfache Laute und Satzgebilde hin zu einem System,
welches es dem Menschen schließlich ermöglicht, seine Gedanken, Erfahrungen und
Erkenntnisse in Worte zu fassen und sie an seine Mitmenschen weiterzugeben.
Lindner (1999, S.16) beschreibt Kommunikation als eine „Übermittlung von gedanklichen Inhalten von einem Menschen zu seinem Partner mit Hilfe von Sprache“. Im
Alltag erfolgt die Übermittlung von Sprache meist über die Lautsprache. Weitere
Formen sind Mimik, Gestik, Gebärden, Körperreaktionen und auch die Schrift. Es erscheint aber einsichtig, dass hörgeschädigte Menschen trotz dieser weiteren Möglichkeiten, Sprache aufzunehmen und auch zu verstehen, durch ihr begrenztes oder für
Lautsprache nicht mehr verwendbares Hörvermögen in der täglich stattfindenden
Kommunikation mit ihren Mitmenschen stark eingeschränkt sind.
Müller (1986, S.11) beschreibt sehr anschaulich an zwei Modellen die Übermittlung
von Sprache zwischen zwei Guthörenden (siehe Abb. 1) und als Gegensatz zwischen
einer guthörenden und einer schwerhörigen Person (siehe Abb. 2).
Abb. 15: Kommunikation zwischen zwei Guthörenden
Abb. 16: Kommunikation eines guthörenden Sprechers mit einem Schwerhörigen
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37
So wird im ersten Fall die Sprache vom Kommunikator (Sender) ohne Umwege direkt
zum Kommunikanden (Empfänger) geleitet. Dies wird durch eine durchgezogene Linie
deutlich gemacht. Im zweiten Beispiel gelangt die gesprochene Sprache vom guthörenden Kommunikator (Sender) nur bruchstückhaft (dargestellt durch eine gestrichelte
Linie) an den Empfänger. So genannte „Lückenfüller“ sind „Mundablesen“, „Mimik“,
Gestik“, und „Körpersprache“(vgl. Abb. 16). Auf Grund ihrer Mehrdeutigkeit gewährleisten sie aller-dings keinen ausreichenden Ersatz für das mangelnde Hörvermögen.
Dieses Modell verdeutlicht die Wichtigkeit des Absehens für einen schwerhörigen oder
gehörlosen Men-schen, der Sprache nur bruchstückhaft oder nicht über das Gehör aufnehmen kann. „Die Kommunikationsfähigkeit … erfordert vom Schwerhörigen vom
Ansatz die Anpassung an und die Einstellung auf das Kommunikationssystem der Guthörenden, um zu einer besseren Verständigung zu gelangen.“ (Müller, 1986, S.11)
Welch hohe Anforderungen das Absehen an einen hörgeschädigten Menschen stellt ist
für einen hörenden Menschen meist nicht nachzuvollziehen. Eine gute Möglichkeit bietet hier das Sprechen eines Satzes vor einer Videokamera. Selbst bei Kenntnis des
Satzes fällt es dem ungeübten guthörenden Sprecher oft schwer, die gesprochenen
Worte zu verfolgen, wenn er sie sich ohne Ton ansieht. Dies kann noch gesteigert
werden durch das Sprechen mehrerer Sätze vor der Kamera, die dann von einer anderen
guthörenden Person, die keine Hinweise zum Inhalt bekommen hat, ohne Ton angesehen werden. Meist gelingt nur das Absehen weniger Wörter, ein Sinn wird selten erkannt. Solche Übungen sind wichtig, um sich in die Situation von Hörgeschädigten besser einfühlen zu können, außerdem kann über die oben genannten Beispiele überprüft
werden, ob das eigene Mundbild leicht oder nur schwer „abzusehen“ ist.
Zum Absehen gehört nicht nur das richtige Erkennen einzelner Wörter und Sätze, auch
die Mimik und Gestik des Sprechers muss dem Gesprächsinhalt zugeordnet werden
können. Da Ausdrucks- und Verhaltensweisen häufig mehrdeutig sind, lassen sich
Missverständnisse nie vermeiden.
Es soll an dieser Stelle ein Beispiel gegeben werden, das helfen kann, den Stellenwert
und die Problematik des Absehens, die sich für einen hörbehinderten Menschen während einer Kommunikation mit einem guthörenden Gesprächspartner ergibt, besser zu
verstehen:
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Der Guthörende beginnt zu sprechen. Die schwerhörige Person sammelt die gehörten
und abgesehenen Sprachsignale. Unvollständig gehörte oder abgesehene Sprachlaute
müssen hinzugedeutet werden. Mit Hilfe von Mienenspiel und Körpersprache werden
die einzelnen Informationen kombiniert und zu einem sinnvollen Spracheindruck verarbeitet. Während des geistigen Verarbeitungsprozesses muss die hörgeschädigte Person
das in der Zwischenzeit wahrgenommene audio-visuelle Material speichern, derweil die
guthörende Person weiterspricht, bis der Denkprozess für die vorangegangenen Informationen abgeschlossen ist. Hören, absehen, beobachten, interpretieren, speichern,
kombinieren und verarbeiten muss zugleich stattfinden. Zusätzlich muss noch die passende Reaktion auf das Gesagte vorbereitet werden. Dies kann eine sprachgebundene
Antwort oder auch eine Geste, Handlung etc. sein (vgl. Müller, 1986, S.9). Welch
enorme Konzentrations-, Verarbeitungs-, und Kombinationsleistungen das Absehen für
einen hörgeschädigten während einer ganz alltäglichen Gesprächssituation bedeutet,
kann an diesem Beispiel sehr anschaulich nachvollzogen werden.
Als letzten Aspekt in diesem Abschnitt sollen noch einige Gedanken von Georg Alich
zur Problematik des Absehens erwähnt werden, die dieser bereits Anfang der sechziger
Jahre festgehalten hat. Nach Alich erhält ein Hörgeschädigter einen „im Ablesebild …
lückenhaft codifizierten Text zugesprochen, den er nach einem ihm mehr oder weniger
gut geläufigen Schlüssel in kürzester Frist zu entschlüsseln und zu verstehen hat.“
(Alich, 1968, S.6)
Diese komplexe Aufgabe hat nach Alich nur eine Chance auf Lösbarkeit, wenn
folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
1. die Kenntnis des Codes; der Zeichenwert der Sprechbewegungsbilder muss
geläufig sein
2. die Sprechbewegungsbilder müssen rein sinnlich aufgefasst, also wahrgenommen werden
3. der mangelhafte Code erfordert sinngemäße Ergänzungen; der Hörgeschädigte
muss eine gute Kombinationsgabe besitzen, um die jeweils richtigen, aufgabegemäßen Ergänzungen zu finden
4. die Sprache, in der die Mitteilung erfolgt, muss in ihrem Wort- und Formenschatz hinreichend bekannt sein
(vgl. Alich, 1968, S. 6-7)
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39
Es erscheint verständlich, dass nur in sehr seltenen Fällen alle vier Voraussetzungen von
einem Hörgeschädigten in gleichem Maße erfüllt werden können, besonders für gehörlose und ertaubte Menschen, die keinerlei Sprachlaute als Ergänzungshilfen akustisch
wahrnehmen können, muss die Aufgabe des Absehens auf den ersten Blick oft wie ein
unlösbares Problem bei der täglichen Kommunikation erscheinen.
Im nächsten Abschnitt soll darauf eingegangen werden, welche Arten der Kommunikation und Verständigung sich den Hörgeschädigten neben der Lautsprache und dem Absehen eigentlich bieten und welchen Stellenwert das Absehen unter diesen verschiedenen Kommunikationsmöglichkeiten meist einnimmt.
3.2
Die wichtigsten Kommunikationsformen von Schwerhörigen und Gehörlosen
Wie schon erwähnt haben hörgeschädigte Menschen andere Möglichkeiten, mit ihrer
Umwelt zu kommunizieren als nur die Lautsprache. Je nach Fähigkeiten und insbesondere abhängig von Beginn und Qualität der Frühförderung und audiotechnischer Versorgung beherrschen Hörgeschädigte die gesprochene Sprache zwar mehr oder weniger
gut, das Rezipieren und Identifizieren derselben fällt aber einem großen Teil, trotz optimaler Hörgeräteversorgung und guter Förderung, schon ab dem frühesten Kindesalter,
nicht leicht. Deshalb sind zusätzliche Kommunikationsformen und -hilfen für diese
Menschen eine wichtige und notwendige Unterstützung.
Es ist bereits hingewiesen worden auf die, jede lautsprachliche Kommunikation begleitenden Erscheinungen: Mimik, Gestik und Körpersprache. Diese Phänomene können
bei einer Konversation dem Hörgeschädigten zwar hilfreich sein, da sie Auskunft geben
über Absicht und Gestimmtheit des Sprechers. Sie haben aber nur eine unterstützende
Wirkung und nützen sehr wenig, wenn von den gesprochenen Worten kaum etwas
verstanden wird und der Hörgeschädigte sonst über keinerlei weitere Kommunikationsformen bzw. -hilfen verfügt.
Besonders für Gehörlose, aber nicht selten auch für Schwerhörige spielen die verschiedenen Zeichensysteme und gebärdeten Sprachen eine wichtige Rolle. „Sie ermöglichen
es, dass das gehörlose (…) Kind schon sehr früh kommunikativ (H.i.O.) tätig wird.“
(Lindner, 1999, S.108) Die am häufigsten zum Einsatz kommenden Systeme sind die
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40
Deutsche Gebärdensprache (DGS), die lautsprachbegleitenden Gebärden (LBG) und die
beiden Manualsysteme.
Bei letzteren unterscheidet man meist zwischen dem Graphembestimmten Manualsystem (GMS) und dem Phonembestimmten Manualsystem (PMS), welche in Deutschland
vorrangig verwendet werden. Die GMS-Zeichen weisen meist Ähnlichkeiten mit der
Form des Buchstaben auf, den sie darstellen sollen und sind an der „Regelhaftigkeit der
Schriftsprache“ orientiert (Jussen, 1975, S.15). Sie stimmen also nicht mit den Lauten
der gesprochenen Sprache überein.
Das GMS wird meist von Gehörlosen, aber teilweise auch von Schwerhörigen benutzt,
um schwer verständliche, unbekannte Wörter, Eigennamen oder Fremdwörter begreiflich zu machen. Wird das GMS gut beherrscht, können einzelne Wörter schnell und
flüssig buchstabiert werden.
Abb. 17: Das deutsche Fingeralphabet
Das GMS spielt in der Kommunikation der Hörgeschädigten eine nicht unwesentliche
Rolle, kann aber nur für einzelne Wörter verwendet werden, da es viel zu mühsam wäre,
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41
einen oder gar mehrere Sätze im Sprechtempo zu „fingern“. In den Schwerhörigen- und
Gehörlosenschulen kommt dieses Fingeralphabet relativ häufig zum Einsatz, meist auch
wenn auf Gebärden im Unterricht verzichtet wird.
Das Phonembestimmte Manualsystem versucht, charakteristische Phänomene der Lautbildung zu verdeutlichen. Deshalb wird es immer wieder auch als lautsprachbezogenes
Manualsystem bezeichnet. Das PMS dient vor allem dazu, die Aussprache einzelner
Sprachlaute durch Handbewegungen, oft auch in Verbindung mit Verweis auf die
Sprechorgane des Gesichts zu verdeutlichen und falsche Artikulation zu verbessern. Es
wird fast ausschließlich in der Sprecherziehung von Hörgeschädigten eingesetzt und
spielt in deren Alltagskonversation kaum eine Rolle.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Fingeralphabete „eine weltweit verbreitete
Kommunikationshilfe Hörgeschädigter …“ (Leonhardt, 1999, S.113) sind, die aber in
der Alltagskommunikation mit Hörenden nur eine geringe Rolle spielen.
Die Gebärdensysteme DGS und LBG werden hauptsächlich bei der Kommunikation
Hörgeschädigter
untereinander
verwendet.
DGS
benutzen
dabei
mehrheitlich
Gehörlose, LBG wird immer stärker als Unterstützung der Kommunikation für
Schwerhörige propagiert, kommt allerdings in den Schwerhörigenschulen noch wenig
zum Einsatz.
Die Deutsche Gebärdensprache differenziert sich von LBG und den Fingeralphabeten
insofern, da sie eine von der Lautsprache abweichende Grammatik beinhaltet und nur
unter Einsatz von Hand- und Körperbewegungen mit Unterstützung einer deutlichen
Gesichtsmimik, des Mundbildes und der Mundgestik ihre Inhalte übermittelt. Die DGS
wird somit ausschließlich über die visuelle Wahrnehmung vermittelt.
Die Gebärdensprachforschung der letzten 30 Jahre ergab, dass Gebärden keineswegs
nur eine minderwertige Ersatzkommunikation ausmachen, wie vormals oft behauptet.
„Die bisher vorgelegten Ergebnisse der internationalen Gebärdensprachforschung lassen
keinen Zweifel mehr an der Vollwertigkeit der Gebärdensprachen zu.“ (Prillwitz/
Vollhaber, 1991, S.27) Seit diesen Erkenntnissen versucht die Gebärdensprachbewegung immer nachdrücklicher, in Europa und somit auch in Deutschland DGS als
eigenständige Sprache in der Erziehung und den Schulen für Gehörlose als vorrangiges
Kommunikationsmittel zu etablieren. DGS ist bisher noch keine standardisierte Spra-
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42
che, sondern existiert in vielen Dialekten und Varianten, auch innerhalb einer sprachhomogenen Region. „Obwohl die gehörlosen Gebärdenden […] unterschiedliche
Gebärden
für
mehrere
Begriffe
verwenden,
haben
sie
wenig
oder
keine
Schwierigkeiten, sich miteinander zu verständigen. Diese Verständigung ist teilweise
möglich, weil alle Gebärdenden in allen Regionen die gleichen Regeln der Grammatik
der Gebärdensprache benutzen, obwohl individuelle Gebärden von Dialekt zu Dialekt
verschieden sind.“ (Boes Braem, 1995, S. 128)
Was ist dein Beruf?
DEIN
BERUF
WAS
Abb. 18: Satz in Deutscher Gebärdensprache
In manchen Fällen dienen die Mundbilder der Lautsprache zur Differenzierung der Gebärden. Das Absehen kann also auch beim Gebrauch von Gebärden eine wichtige Rolle
spielen.
„Beim LBG - Verfahren sollen Gebärden nicht als eigenständiges Zeichensystem in Erscheinung treten wie bei der Gebärdensprache, sondern an die gesprochene Sprache
gebunden sein. Das LBG – Verfahren lässt sich demnach definieren als intensives Zusammenspiel von Sprechen, Gebärden, gebärdenergänzenden Fingeralphabetzeichen
und Körpersignalen, bevorzugt der Mimik, wobei die Strukturen der deutschen Sprache
den Ablauf bestimmen.„ (Projektgruppe München 1989, S.9) LBG ist somit eine
Methode zur Visualisierung der Lautsprache, die jedes gesprochene Wort gleichzeitig
durch eine Gebärde unterstützt. Hauptsächlich wird dieses System zur Unterstützung
des Absehens im Schwerhörigen- und Gehörlosenunterricht eingesetzt und kommt ferner beim Dolmetschen für Schwerhörige und Ertaubte zum Einsatz. Allerdings ist LBG
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43
im Gegensatz zu DGS keine eigenständige Sprache, sondern orientiert sich ausschließlich an der Lautsprache. Bei Verwendung von LBG wird hörbar mitgesprochen. Auch
bei dieser Kommunikationsform kann der richtige Inhalt vom Hörgeschädigten nur
durch eine Kombination von Absehen und den zugehörigen Gebärden erfasst werden.
Das Absehen ist also sowohl bei der DGS als vor allem auch bei LBG eine zusätzliche
Kommunikationsstütze, da keines der beiden Systeme so differenziert ist, dass die Bedeutung jeder Gebärde in allen Fällen zweifelsfrei ohne Mundbild oder Kenntnis des
Gesprächsinhalts geklärt ist.
DAS
GEHÖRT
DIR
Abb. 19: Satz unterstützt mit lautsprachbegleitenden Gebärden
Es existieren natürlich noch weitere Fingersysteme und auch Gebärden, die aber entweder nur theoretisch Verwendung finden oder sich als System nicht etabliert haben und
somit kaum benutzt werden.
Die Vorstellung der wichtigsten und derzeit gebräuchlichsten Kommunikationssysteme
von Hörgeschädigten, die als wissenswerte Grundlage für die weiteren Ausführungen in
dieser Arbeit von Bedeutung sind, soll hiermit abgeschlossen werden. Erwähnenswert
ist an dieser Stelle noch, dass Hörgeschädigte im Alltag auf zahlreiche technische
Hilfsmittel zurückgreifen können. Die für das Absehen relevanten Übungs- und Hilfsmittel werden unter Punkt 4.6.2. näher erläutert. Andere Hilfen, wie Schreibtelefon,
Bildtelefon, Faxgerät, Lichtwecker, Tür- und Telefonklingellichtsignal sind im häuslichen und teilweise auch sonderschulischen Alltag oft nötig, sollen hier aber nur
erwähnt bleiben, da sich eine ausführliche Aufzählung und Beschreibung als zu
umfangreich für diese Arbeit erweisen würde und diese Hilfen in der Regelschule meist
nicht zu finden sind.
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44
3.3
Der Stellenwert des Absehens für ein hörgeschädigtes Kind in einer Regelklasse
Durch die vorangegangenen Ausführungen wurde bereits deutlich, wie wichtig das Absehen für einen Hörgeschädigten in der täglichen Kommunikation ist. In der Regelschule ist ein schwerhöriges oder gehörloses Kind noch viel stärker auf das Absehen
angewiesen, als die Kinder in einer Schwerhörigen- bzw. Gehörlosenschule. Einerseits
ist dies zurückzuführen auf die Tatsache, dass in der Regelschule oft bis zu 30 Kinder
pro Klasse zu finden sind, während die Anzahl der Schüler pro Klasse in einer Schwerhörigen- oder Gehörloseneinrichtung auf maximal 15 begrenzt ist. Dies hat teilweise
große räumliche Entfernungen zwischen dem sprechenden und dem zuhörenden Kind
innerhalb der Klasse zur Folge, gleichzeitig ist der Geräuschpegel und somit störende
Nebengeräusche in einer Klasse mit doppelt so großer Schülerzahl wie in einer vergleichbaren Sonderschulklasse meist erheblich höher. Ein integrierter schwerhöriger
Schüler bzw. eine integrierte schwerhörige Schülerin kann also oftmals die für die Verständlichkeit relevanten Sprachanteile trotz optimaler Hörgeräteversorgung aufgrund
der Entfernung zum Sprecher und den Nebengeräuschen in der Klasse schlechter
wahrnehmen als dies in einer Schwerhörigen- bzw. Gehörlosenklasse mit optimaler
Sitzordnung der Fall wäre. Das Absehen ist hier eine wichtige Hilfe für das Kind, um
die nur schlecht wahrgenommenen Äußerungen der Mitschüler oder der Lehrkraft zu
ergänzen.
Andererseits kann ein schwerhöriges oder gehörloses Kind in einer Regelklasse nicht
auf die unter 3.2. beschriebenen Kommunikationssysteme wie Fingeralphabete und
LBG bzw. DGS zurückgreifen, da diese meist weder die Mitschüler noch die Lehrkräfte
der Klasse beherrschen. Einzige zusätzliche Hilfe zum Sprachverstehen bei einer rein
mündlichen Konversation ohne zusätzliche Hilfen wie Bilder, Folien, Anschauungsmaterial etc. ist auch hier wieder das Absehen.
Es wird an diesen beiden Argumenten sehr schnell deutlich, wie wichtig das Absehen
für ein integriertes hörgeschädigtes Kind in einer Regelklasse ist. Trotzdem sind die
Lehrkräfte und teilweise auch die betroffenen Schüler häufig noch zu wenig aufgeklärt
über Bedeutung und richtigen Einsatz des Absehens im normalen Schulalltag. Aufgrund
dieser Erkenntnis erscheint es wichtig, zumindest eine kurze Zusammenfassung zum
Thema „Absehen“ und dessen Bedingungen zu entwerfen, um es den Lehrkräften an
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45
Regelschulen, die ein schwerhöriges oder gehörloses Kind zusammen mit normalhörenden Schülern in ihrer Klasse unterrichten zu ermöglichen, erste Informationen und
Hilfen zu dieser Thematik zu erhalten und Hinweise zu weiterführender Literatur und
Hilfsmaterialien zu bekommen. Ziel dieser Arbeit soll deshalb ein Merkblatt für Regelschullehrer sein, die ein hörgeschädigtes Kind in ihrer Klasse unterrichten und erste
Informationen zum Umgang mit dieser neuen Situation erhalten wollen.
Im nachfolgenden Abschnitt soll zunächst auf die Absehbarkeit von Lauten
eingegangen werden, um den Vorgang und die Möglichkeiten des Absehens als
Kommunikationsform für Hörgeschädigte zu verdeutlichen. Anschließend sollen die
Probleme, Hilfsmöglichkeiten und zuletzt Absehbedingungen in einer integrativen
Regelschulklasse behandelt werden. Untermauert werden sollen die Erkenntnisse aus
diesen Überlegungen durch den praktischen Teil der Arbeit, in dem das „Absehen“ in
zwei Regelklassen in einer Unterrichtseinheit den Schülern dieser Klassen nahegebracht
werden soll.
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46
4. Das Absehen
4.1
Die Sprechbewegungen
Ziel einer jeden sprachlichen Kommunikation ist es, den gedanklich-rationalen Inhalt
des Gesprochenen zu verstehen. „Sprachverstehen hat unausweichlich Sprachhören zur
Voraussetzung (H.i.O.)“ (Lindner, 1999, S. 21). Ist die akustische Aufnahmefähigkeit
eingeschränkt, so ist man sehr stark auf die sichtbaren Bewegungen beim Sprechen
angewiesen, um den Sinn des Gesagten mitverfolgen zu können.
Zu den sichtbaren Sprechbewegungen zählen die Bewegungen der Lippen, des
Unterkiefers mit den Zähnen und der Zungenspitze. Allerdings verändern sich beim
Sprechen auch die Stellungen des Zungenrückens, des Gaumensegels und der
Stimmlippen, die zu den unsichtbaren Bewegungen beim Sprechen zählen.
Nicht nur schwerhörige und gehörlose Menschen, auch ein Normalhörender nutzt
immer wieder, meist unbewusst, die Sprechbewegungen des Gesprächspartners, um z.B.
in einer Umgebung mit sehr hohem Störlärm, das Gesagte besser zu verstehen. „Das
Sprachverstehen ist im Alltag vor allem dann erheblich eingeschränkt, wenn das Hören
zeitweise oder dauernd leistungsgemindert (H.i.O.) ist. Dann kann das Absehen mit
Vorteil als zweiter Weg genutzt werden“ (Lindner 1999, S.107).
Die Frage ist nun, ob und wie das Absehen als eigene Kommunikationsform erlernbar
ist.
Eine Beschreibung der o.g. sichtbaren Sprechbewegungen und deren differenzierte und
systematische Einteilung in bestimmte Absehbilder ist sicher sinnvoll, um einen ersten
Ansatzpunkt zur gezielten Übung und Unterstützung des Absehens als effektive
Kommunikationshilfe zu erhalten.
Bevor die Lippenbewegungen näher beschrieben werden, sollen noch einige Faktoren
erwähnt werden, die die Lippenstellung beeinflussen können. So spielt zum einen die
Individualität der Lippen eine Rolle. Je nachdem, ob man schmale oder volle Lippen,
einen kleinen oder großen Mund hat, kann dies die Sprechbewegung beeinflussen. Ein
weiterer wichtiger Punkt ist die jeweilige persönliche Emotionslage beim Sprechen. So
wird das ganze Mundbild verändert, wenn der Sprecher gerade fröhlich gestimmt ist
und dessen Mundwinkel während des gesamten Sprechvorgangs leicht angehoben sind.
Das Gleiche gilt für jemanden, den gerade eine traurige Stimmung erfasst hat und der
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47
somit seine Mundwinkel etwas herabgezogen hat. Auch die Lautfolge hat großen
Einfluss auf die Lippenstellung. Beim Sprechen werden schon im voraus Laute
angedeutet und unmittelbar Vorangegangenes ist häufig noch nicht völlig abgeklungen,
wenn bereits der nächste Laut geformt wird. Ein letzter Aspekt, der hier erwähnt werden
soll, ist die individuelle Akzentuierung. Wichtiges wird mit stärkerer Innervation
gesprochen, die Lippenbilder verändern sich entsprechend, ebenso der jeweilige
Kieferwinkel.
Im folgenden werden die Sprechbewegungen zunächst als „Viseme“ einer ersten groben
Einteilung unterzogen. Anschließend erfolgt die genauere Einteilung in Kineme. Hier
werden die einzelnen Sprachlaute nach gleichem Absehbild zusammengefasst und ihr
Erscheinungsbild wird unter den Aspekten der Erkennbarkeit und Unterscheidung
beschrieben.
4.2
Die Viseme
Definition (vgl. Lindner 1999, S.195):
Ein Visem ist der sichtbare Ausschnitt der Artikulationsbewegungen beim Sprechen, vor
allem der Lippe und der Zungenspitze.
Der Absehende hat zunächst nur die sichtbaren Sprechbewegungen zur Verfügung, an
denen er sich orientieren kann und die ihm Anhaltspunkte zu den gesprochenen Lauten
geben. Analysiert man die sichtbaren Sprechbewegungen, so kann man fünf Bewegungen unterscheiden, die die unterschiedlichen Stellungen der Lippen beschreiben.
Diese Bewegungen werden Viseme genannt und geben erste Hinweise zum Verständnis
des sprachlichen Inhalts:
• Öffnungsbewegungen
• Schließbewegungen
• Rundungsbewegungen
• Spreizungsbewegungen
• Kombinierte Bewegungen (z.B. Schließung mit Rundung)
• Zungenbewegungen, die sich dadurch manifestieren, dass die Zungenspitze an
den Zähnen oder im Zahnspalt sichtbar wird.
(vgl. Lindner 1999, S.118/119)
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48
In Anlehnung an den englischen Sprachgebrauch werden diese Bewegungen Viseme
genannt. Jemand, der noch keine Übung hat und den Sprecher beobachtet, um den Sinn
des Gesprochenen zu erfassen, ist zunächst auf die Viseme angewiesen. Man erhält
damit ein grobes Gerüst, dass einem aber nur wenig weiterhelfen kann, um das Gesprochene auch wirklich zu verstehen. Mehr Hilfen zum Absehen bietet hier das System der
Kineme, welches erstmals als solches von Georg Alich 1961 in seiner Dissertation
erwähnt und beschrieben wird. „Ein im Absehen Geübter (H.i.O.) erkennt in den Bewegungen die typischen Kinempositionen, die durchlaufen (H.i.O.) werden.“ (Lindner;
1999, S. 118)
4.3
Die Kineme
Definition (nach Lindner 1999, S.194):
Ein Kinem ist die kleinste sichtbare Einheit eines Bewegungsablaufs, vor allem der
Sprechorgane.
Alich hatte die optischen Merkmale an den Absehgestalten erstmals Kineme genannt.
Gleiche Absehgestalten, also auch gleiche Kineme, fasste er zusammen und entwickelte
daraus das kineologische System. Unterschiedliche Laute, die aber die gleiche Absehgestalt aufweisen, werden so ein und demselben Kinem zugeordnet. Im kineologischen
System werden die Anfangs- und Endpositionen eines Sprechgefüges nicht erfasst, die
Kineme beziehen sich ausschließlich auf die Absehgestalten in Medialposition. In
Initial- und Finalposition sind die einzelnen Sprachlaute besonderen Einflüssen ausgesetzt und können nicht mehr eindeutig dem jeweiligen Kinem zugeordnet werden,
welchem sie im kineologischen System entsprechen. Im Anschluss an die Beschreibung
der einzelnen Kineme soll noch kurz auf diese Besonderheit eingegangen werden.
Die Kineme wurden von Alich in zwei Gruppen unterteilt, nämlich die der konsonantischen und die der vokalischen Kineme. Die einzelnen Kineme werden in Großbuchstaben, der jeweils in Klammern steht, transkribiert. In der folgenden Darstellung wird
das Kinem als Abbildung aufgezeigt und die Absehgestalt wird kurz beschrieben. Die
einzelnen Kineme werden durchgehend nummeriert, um eine einfache Zuordnung zu
ermöglichen. Unter der Abbildung werden die einzelnen Phoneme erwähnt, auf die
diese Absehgestalt und somit dieses Kinem zutrifft. Wie schwierig es ist, trotz der
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49
Kenntnis des einzelnen Kinems das sinngemäß richtige Phonem bzw. die richtige Lautverbindung abzusehen, wird für einige Kineme anhand eines jeweils passenden kleinen
Absehrätsel10 veranschaulicht. Ein Satz wird dabei einmal in der phonetisch „falsch“
abgesehenen, von den Absehgestalten her aber auch durchaus richtigen Weise dargestellt, darunter findet sich der sinngemäß richtige Satz, der allerdings die gleichen
Kineme aufweist, wie der „falsche“ Satz.
4.3.1
Die konsonantischen Kineme
K1: das bilabiale Kinem (B)
Beide Lippen sind geschlossen und berühren sich. Wörter wie „Mama“ und
„Papa“ sind allein von der Absehgestalt
her nicht zu unterscheiden! Auch die
Lautverbindungen mp, bm, bmp etc. haben
bei normaler Sprechgeschwindigkeit diese
Absehgestalt.
Abb. 20: b, p, m
Absehrätsel 1:
BEINEBUTTERHATBEINEPAMMEWEGGENOPPEN.
Meine Mutter hat meine Mappe weggenommen.
K2: das labiodentale Kinem (F)
10
Die Idee zu den Absehrätseln entstammt dem Seminar „Theorie und Praxis des Absehens“ von Roland
Hanik, der diese Übungen dort immer wieder mit einbaut.
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50
Unterlippe und obere Schneidezähne bilden
eine Enge. Bei der Bildung wird ein lauttypisches Geräusch erzeugt, welches bei f und w
zwischen der Unterlippe und den oberen
Schneidezähnen erzeugt wird. Die Unterlippe
wird dabei etwas zurückgeführt und berührt die
Schneidezähne. Durch bloßes Absehen kann
keine Unterscheidung zwischen f und w
erfolgen, Wörter wie „Wein“ und „fein“ sind
absehgleich. Auch die Grapheme v, ph und qu
entsprechen phonetisch diesem Kinem
Abb. 21: f,v,w
Absehrätsel 2:
BITDERFELLEKABDIEFALLE.
Mit der Welle kam die Qualle.
K3: das dentale Kinem (D)
Dieses Kinem ist gekennzeichnet durch die
geöffneten Lippen und die Kieferenge.
Dadurch bleiben die Lippen fast geschlossen
und nur im günstigsten Fall ist die Zunge,
die an den oberen Zähnen oder kurz dahinter
liegt, zu erkennen. Auch die vielen möglichen Lautverbindungen, wie nt, ns, nst, ts
(= z) sind diesem Kinem zuzuordnen
Abb. 22: s, t, d, n
Absehrätsel 3:
HONEINABSAG.
Heute ist Samstag.
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51
K4: das ligual-koronale Kinem (L)
Bei geöffneten Lippen und größerem Kieferwinkel wird sichtbar, dass die Vorderzunge
gehoben ist und mit dem oberen Zahnfleischrand Kontakt hat
Abb. 23: Zungespitzen R, l, t, d, n
Absehrätsel 4:
LASNATISTLECHLIF
Das Tal ist recht tief.
In der Praxis ist es nur selten möglich, die Kineme 3 und 4 auseinander zuhalten. Dies
kann nur gelingen, wenn die Laute einzeln gebildet werden, nicht, wenn sie in schnelles
Sprechen einbezogen sind. Deshalb könnte man Kinem 3 und 4 auch mit den Lauten t,
d, s, n, R und l zusammenfassen, da sie sich alle in ihrem Absehbild kaum voneinander
unterscheiden lassen. Außerdem unterliegt die Bildung von t, d und n individuellen und
auch regionalen Unterschieden. Nur bei längerer Gewöhnung an die individuelle
Sprechweise ist im Idealfall eine Unterscheidung zwischen dem Kinem 3 und 4
möglich.
K5: das lingual-dorsale Kinem (C)
Die Lippen sind geöffnet und aufgrund des größeren Kieferwinkels wird die Wölbung des vorderen Zungenrückens sichtbar. Die Sichtbarkeit ist nur gegeben, wenn die Lippen deutlich
geöffnet sind und der Sprecher so steht, dass Licht auf den
Mund fällt.
Abb. 24: Vorderes ch [c], j
K6: das gutturale Kinem (G)
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52
Bei der Bildung des Kinems entsteht ein großer
Kieferwinkel, die Lippen sind geöffnet. Die wesentlichen Mundbewegungen vollziehen sich hier
im hinteren Ansatzrohr und sind somit nicht
sichtbar, deshalb wird es auch als „Leerstellenkinem“ (Alich, 1960, S.128) bezeichnet. Trotzdem ist die Kenntnis diese Kinems sehr wichtig,
um dem Absehenden das Nichtvorhandensein
gewisser Phoneme und Lautverbindung als erkennbare Absehgestalt zu verdeutlichen.
Abb. 25: k, g, Nasallaut ng, hinteres ch, Zäpfchen-R, h (wenn a folgt)
Absehrätsel 4:
IMAEINENAFFE (Kinem 6 wurde hier nicht als Absehgestalt erkannt!)
Ich mag einen Kaffee!
(Die Schwierigkeit des Absehen wird an diesem Beispiel besonders deutlich, da hier
mehrere sinnvolle Lösungen denkbar sind, z.B. „Ich mag keinen Kaffee“, „Ich mach
einen Kaffee“, „Ich mach keinen Kaffee“)
K7: das gerundete Dentalkinem (S)
Kennzeichnendes Merkmal sind hier die gerundeten und vorgestülpten Lippen. Der Kieferwinkel ist sehr klein und die Vorderzunge wird
deshalb nicht sichtbar. Insgesamt zeigt sich dennoch ein gut identifizierbares Absehbild!
Abb. 26: sch
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53
4.3.2
Die vokalischen Kineme
Nun erfolgt die kurze Darstellung der vokalischen Kineme. Ein Vorteil der Vokale
ergibt sich durch die Tatsache, dass sie alle stimmhaft sind und durch ihre Intensität
hervorgehoben werden. Dieser Vorteil kann natürlich nur bei noch ausreichend vorhandenem Hörvermögen ausgenutzt werden.
V1: das weite Palatalkinem (A)
Bezeichnend ist hier die große Mundöffnung, die
meist auch ausreicht, um den Vokal richtig abzusehen. Auch die Lautverbindungen ei, ai, ay, ey und -r
oder -er in Finalposition haben die gleiche Absehgestalt (-r und -er in Finalposition werden fast ausschließlich wie „a“ ausgesprochen!).
Abb. 27: a, a:, e, e:, ä, ae
Absehrätsel 5:
BANBEINHEITZWAMANE
Mein Mann hat zwei Beine.
V2: Das enge Palatalkinem (I)
Kennzeichen ist eine enge und ungerundete Mundöffnung. Die Hebung des vorderen Zungenrückens
ist nicht immer sichtbar, da sie von den Lippen verdeckt sein kann. Allgemein gelingt jedoch eine gute
Differenzierung von den anderen Vokalen.
Abb. 28: i, i:, e, e:, schwachtoniges e (Murmelvokal)
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54
Absehrätsel 6:
ECHSIHISENECHT
Ich sehe sie nicht.
V3: das weite Velarkinem (O)
Dieses Kinem zeigt eine mittlere Mundöffnung
und gerundete, vorgestülpte Lippen. Die Artikulation des hinteren Zungenrückens bleibt unsichtbar.
Die Lippenrundung gilt als deutliches Kennzeichen und ermöglicht eine gute Differenzierbarkeit.
Die Laut-verbindungen eu, äu, oy und oi entsprechen artikulatorisch diesem Kinem!
Abb. 29: o, o:, oe, ö, ö:, eu-Diphthong
Absehrätsel 7:
HOTEIOFFNITEUBI
Heute eröffnet OBI.
V4: das enge Velarkinem (U)
Hier sind ein enger Kieferwinkel und vorgestülpte
Lippen zu erkennen. Die Vorstülpung der Lippen
lässt sich auch im zusammenhängenden Sprechen
gut erkennen. Die Artikulation des hinteren
Zungenrückens wird auch bei diesem Kinem nicht
sichtbar. Eine Verwechslungsmöglichkeit bietet
allerdings der Laut „sch“ (K7) und auch das Kinem
V3, da die vorgestülpten Lippen bei V4 im
schnellen Redfluss oft nicht deutlich genug zu
erkennen sind!
Abb. 30: u, u:, ü, ü
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55
Bei noch vorhandenem Hörvermögen gelingt die Unterscheidung dennoch häufig. Artikulatorisch wird auch y diesem Kinem zugeordnet.
Absehrätsel 8:
ULEÜDE
Gute Hüte.
Das System der Kineme ist im Gegensatz zu dem der Laute mit 42 unterscheidbaren
Möglichkeiten weitaus unspezifischer und ist selbst bei Einzellautbedingungen zum
Sprachverständnis nicht ausreichend. Grundsätzlich ist eine direkte Umsetzung von
Lauten in Kineme unmöglich. Die Kineme bieten trotzdem eine wertvolle Hilfe bei der
Kommunikation schwerhöriger und gehörloser Menschen. Es muss aber auch bewusst
sein, dass eine vollständige Sinnerfassung nur mit Hilfe des Absehbildes, welches als
ein mehrdeutiges Lückenbild erscheint, nicht möglich sein kann. Nur etwa 30% des Gesprochenen kann über das Absehen erkannt werden. Die Kineme als separate Erscheinungen sind zudem in der Form wie oben beschrieben während des Absehens meist
nicht zu identifizieren. In der Praxis verschmelzen beim Sehen die Bilder zu einer bewegten Ganzheit. Die Kineme gehen ineinander über und es ist oft nicht mehr zu unterscheiden, ob das eben Gesehene ein Kinem war oder vielleicht doch nur eine Übergangsbewegung von einem Kinem zum nächsten.
4.4
Sprechelemente
Wie sehr die Kineme während eines Sprechvorgangs verzerrt oder verändert werden
können, sollen die nachfolgenden Sprechelemente aufzeigen. Hat der Absehende
Kenntnis davon, können sie ihm als zusätzliche Hilfe dienen, allerdings zeigen sie auch
sehr deutlich auf, wie unmöglich es ist, nur durch bloßes Absehen einem Gespräch zu
folgen.
Wichtige Elemente beim Sprechvorgang sind Steuerung, Koartikulation und Synkinese.
4.4.1
Steuerung
Steuerung bedeutet, dass der folgende Laut vom vorhergehenden abhängig ist und sich
die Artikulationsorgane teilweise noch in der Stellung des ersten Lautes befinden, wenn
schon der nächste gebildet wird. Sehr deutlich wird dies z.B. bei den Ausrufen „uch“
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56
oder „ach“. Bei „uch“ sind die Lippen noch gerundet, wenn das „ch“ bereits gesprochen
wird, spricht man „ach“ ist die Mundstellung beim Aussprechen des „ch“s anders als im
ersten Fall, da hier die Mundstellung vom vorhergehenden „a“ noch beibehalten wird.
4.4.2
Koartikulation
Bei der Koartikulation wird ein Lautgefüge in der Mundresonanzform des tragenden
Vokals gesprochen. So wird zum Beispiel bei dem Wort „Glück“ die Lippenrundung
des „ü“ schon eingenommen, wenn man das Wort zu sprechen beginnt und wird beibehalten, bis das Wort endet. Bei dem Wort „Glied“ wird schon zu Anfang des Sprechvorgangs eine lineare Mundform eingenommen, die dann bis zum Wortende durchgehalten wird.
4.4.3
Synkinese
Bei der Synkinese werden einander nahe liegende Artikulationsbewegungen nur einmal
ausgeführt. So wird bei den Wörtern „mit dem“ das „t“ und das „d“ am gleichen Artikulationsort als Verschluss (Zungensaum – obere Alveolen) gebildet. Dieser Verschluss
wird nur einmal ausgeführt, man spricht also nicht „mit dem“ sondern „midem“.
Sind diese drei Sprachprinzipien dem hörgeschädigten Menschen bewusst, so können
sie ihm das Absehen erleichtern. Häufig werden sie aber gerade von dem hörenden Gesprächspartner verfälscht, wenn er versucht, möglichst deutlich und langsam mit der
schwerhörigen oder gehörlosen Person zu sprechen. „Wer die Gesetze der Koartikulation und der Synkinese nicht beachtet und die Laute als Einzellaute sozusagen im Rohzustand produziert, der verändert das Mundbild, erzeugt ungewohnte, unübliche Absehgestalten und erschwert dem Schwerhörigen das Absehen.“ (Tigges, S.29) Das Absehen
wird für den Hörgeschädigten erheblich erschwert und was als „Hilfe“ gedacht war
kann so eher Schaden anrichten.
4.5
Ursachen für Absehprobleme
Es gibt zahlreiche Faktoren, die dem Hörgeschädigten das Absehen erschweren. Dies
können äußere Faktoren sein, die, sind sie den Gesprächspartnern bekannt, schnell behoben sind und so das Absehen nicht weiter beeinträchtigen. Häufig ergeben sich Ab-
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57
sehprobleme aber auch aus der Sprechweise des guthörenden Kommunikationspartners,
wenn er unaufgeklärt und unsicher mit einem schwerhörigen oder gehörlosen Menschen
ein Gespräch führt. Die unter 4.4. erwähnten Sprechelemente können so unnötig verfälscht werden und dem Absehenden wird es praktisch unmöglich verwertbare Informationen zu erhalten. Auch solche sog. „inneren Faktoren“ können vermieden werden,
wenn man über sie aufgeklärt ist.
Zu bedenken ist jedenfalls immer, dass der Absehende, anders als der Leser der Schriftsprache, kein vollständiges Abbild der gesprochenen Sprache erhält. Die Kineme und
Viseme können sich an der Leistungsfähigkeit der Phoneme oder der Buchstaben nicht
messen. Diese Tatsache erschwert das Absehen für einen Hörgeschädigten von Anfang
an. Im folgenden sollen die wichtigsten Störfaktoren genannt werden, die das Absehen
noch weiter beeinträchtigen können, im darauffolgenden Abschnitt werden dann Absehhilfen genannt und anschließend wird auf Abseherleichterungen im Unterricht hingewiesen.
4.5.1
Äußere Faktoren
Die Lichtverhältnisse spielen beim Absehen eine wichtige Rolle. Dunkle, schlecht beleuchtete Räume, sowie Schattenbildungen auf dem Gesicht des Gesprächspartners
können sich als sehr ungünstig erweisen. Reicht das Licht nicht aus, ist es für den Absehenden kaum mehr möglich, Mimik, Kineme, Viseme und Körpersprache richtig
wahrzunehmen. Emotionen werden schlechter erkannt und Verwechslungen der Lippenbewegungen passieren noch häufiger als dies sonst schon der Fall ist. „Je geringer
die Beleuchtung wird, desto schwieriger werden das Absehen und die Verfolgung von
Mimik und Gestik.“ (Lindner, 1999, S. 167) Dasselbe gilt für eine zu grelle Beleuchtung, bei der das Gesicht des Sprechers an Plastizität und Konturen verliert. Hier spielt
die Tageszeit eine wichtige Rolle. Das natürliche Licht erzeugt ein Schattenspiel zwischen Hell und Dunkel. In geschlossenen Räumen kann man die elektrische Beleuchtung einschalten, um solche Unregelmäßigkeiten auszugleichen, nicht aber auf dem
freien Gelände.
Eine wichtige Grundregel ist hier, dass der Absehende das Licht möglichst im Rücken
haben soll und das Gesicht des Gesprächspartners von vorne beschienen wird. Generell
ist auf eine ausreichende und gleichmäßige Beleuchtung, welche die Gesichtszüge am
besten ausleuchtet, zu achten.
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58
Auch die Sitzordnung bzw. die Entfernung zum Gegenüber können sich negativ auswirken. Nicht in allen Fällen wird es dem Absehenden möglich sein, einen passenden
Blickwinkel oder die optimale Distanz zu finden. Nach Lindner (1999, S.165) sollte
wenn möglich folgendes beachtet werden: „Die Entfernung zwischen Sprecher und
Hörer sollte so sein, dass der Absehende das Gesicht des Partners in allen Einzelheiten
gut beobachten kann. Der Körperausdruck ist auch wichtig, aber im Gesicht sind die
wesentlichen Informationen sichtbar, vor allem die Lippenbewegungen und die Mimik,
durch die der emotionale Ausdruck offenbart wird. … Die obere Grenze der Entfernung
sollte bei etwa drei bis vier Meter (H.i.O.) liegen. … Die Gestalt der Lippen, vor allem
auch die verschiedenen Arten des Lippenverschlusses, lassen sich auf diese Entfernung
gut ausmachen.“ Aber auch ein zu kleiner Abstand, ca. unter einem halben Meter,
können das Absehen behindern, da hier das Gesicht und der Körper nicht als
Gesamtbild aufgenommen werden. Aber oftmals lassen schon die Einrichtungen, z.B. in
einer Gaststätte oder einem Veranstaltungs- bzw. Schulungsraum, die Einhaltung
solcher Regeln nicht zu. Die Zimmer sind häufig zu klein oder zu groß, haben eine
falsche Anordnung der Sitzplätze und die Beleuchtung reicht nicht immer aus, um die
optischen Signale der Sprache genau differenzieren zu können.
Erwähnenswert sind noch die Faktoren Hintergrund und Augenhöhe. Gespräche
werden nicht selten in einer lauten, mit optischen Reizen überfluteten Umgebung
geführt. Ein unruhiger Hintergrund kann auf den Absehenden störend wirken. Ohne es
zu wollen wird er abgelenkt und achtet nicht mehr auf das Gesicht seines Gesprächspartners. Der Absehende sollte deshalb möglichst darauf bedacht sein, eine ruhige, reizarme Umgebung für eine Unterhaltung aufzusuchen. Das Merkmal der Augenhöhe ist
gerade in Kommunikationssituationen mit hörgeschädigten Kinder wichtig. Am besten
gelingt das Absehen bei gleicher Augenhöhe und wenn das Gesicht des Gesprächspartners von vorne gesehen wird. Im Gespräch mit betroffenen Kinder sollte deshalb möglichst eine sitzende Haltung eingenommen werden, um die Kommunikation auf gleicher
Augenhöhe führen zu können. Dem Absehenden wird so auch geholfen, sich besser auf
die Unterhaltung konzentrieren zu können.
4.5.2
Innere Faktoren
Für eine erfolgreiche Kommunikation ist es von Bedeutung, dass der Informationsfluss
ohne allzu große Schwierigkeiten vonstatten geht. „Kommunikation ist ein zweiseitiger
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59
Vorgang, und er kann von beiden Seiten aus optimiert werden (H.i.O.).“ (Lindner, 1999,
S.174) Für den Hörenden ist es selbstverständlich, Sprache über sein Gehör zu perzipieren. Wenn er keine Erfahrungen im Hinblick auf Kommunikation mit Hörgeschädigten
hat, so kann es vorkommen, dass eine Informationsaufnahme sowohl über den akustischen als zusätzlich auch über den visuellen Kanal erfolgen kann.
Zunächst sollen einige allgemeine sprachliche Aspekte genannt werden, die sich ein
guthörender Sprecher bei der Kommunikation mit einem oder mehreren Hörgeschädigten immer wieder bewusst machen sollte, dann folgen ausgewählte konkrete Beispiele,
die die Komplexität des Absehens weiter verdeutlichen sollen.
Wichtig ist vor allem die Sprechweise. Ohne sich darüber bewusst zu sein, spricht der
guthörende Sprecher teilweise mit überhöhtem Sprechtempo, rhythmisiert falsch oder
sein Mundbild wird durch übertrieben deutliches Sprechen verzerrt und unnatürlich.
Sprachliche Formulierungen sind nicht selten kompliziert in der Wortwahl und im Satzbau, je nachdem auf welchem Niveau, Umfeld und zu welchem Thema die
Unterhaltung geführt wird. Normalerweise kommt es im Erzählfluss zu keinen
Wiederholungen des Gesagten, außer der Zuhörende fragt nach, wenn ihm etwas
unverständlich erscheint. Wobei dies aber nicht nur einem Guthörenden vorbehalten
bleiben sollte. Auch der Absehende hat das Recht bei Unklarheiten nachzufragen.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Verwendung von Dialekten. Jemand, der mit der
deutschen Hochsprache aufgewachsen ist und sein Absehen darauf eingestellt hat, wird
erhebliche Probleme bekommen, sich im Absehbild eines Dialektes zurechtzufinden.
Hierbei muss aber erwähnt werden, dass auch der Normalhörende Schwierigkeiten
haben kann, einen ihm unbekannten Dialekt zu verstehen. Für einen Ostfriesen wird der
bayerische Dialekt so immer ein Kommunikationsproblem bergen, unabhängig ob er
guthörend oder hörgeschädigt ist. Auch wird jemand, der in einem Sprachraum aufgewachsen ist, in dem Hochdeutsch weniger geläufig ist, die Lippenbewegungen des gewohnten Dialekts besser erkennen und differenzieren können, als die der „Amtssprache“.
Personen, die Sprache über das Gehör aufnehmen, haben meistens eine ärmere Mimik
und Gestik, natürliche Gebärden werden weniger verwendet als das bei einer Kommunikation zwischen zwei Hörgeschädigten häufig zu beobachten ist. Natürlich kann man
diese Aussage nicht verallgemeinern, mehrheitlich ist diese Sichtweise jedoch richtig.
Oft tragen eben diese o.g. Elemente, wie Körpersprache, Gestik etc. zum Verständnis
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60
des Gesagten bei und ein vermehrter Einsatz derselben seitens eines guthörenden Sprechers würde das Kommunikationsverständnis nur positiv beeinflussen.
Eine gelungene Unterhaltung hängt zusätzlich noch von der jeweiligen Tagesverfassung
der Gesprächspartner ab. Nicht immer sind beide hier auf der gleichen Ebene. An einem
schlechten Tag hat man weniger Geduld oder nicht das Gespür für seinen Gegenüber,
im Gegensatz dazu fühlt sich der andere ausgeruht und hat Zeit für ein Gespräch. Eine
gemeinsame Basis für eine zufriedenstellende Kommunikation kann so nicht gewährleistet werden.
Neben diesen allgemeinen Aspekten folgen nun, wie bereits angekündigt, einige konkrete Beispiele, welche das Gespräch mit einem Hörgeschädigten negativ beeinflussen
können.
Besondere Schwierigkeiten bereiten den schwerhörigen und gehörlosen Menschen oft
die Situationen zu Beginn eines Gesprächs und beim Themawechsel. Falsch ist es hier,
das Thema durch ein einzelnes Wort oder einen vorangestellten Namen anzukündigen.
„[Denn] Einzelwörter werden … nur schwer aufgefasst, weil sie sowohl in der Klanggestalt als auch im Absehbild zu wenig Diakritika aufweisen.“(Tigges, 1996, S. 30) Sinnvoller ist es stattdessen, zum Gesprächseinstieg einen kurzen Satz mit den wichtigsten
Informationen zum Thema anzubringen.
Einer der wichtigsten Grundsätze bei der Kommunikation mit Hörgeschädigten ist auf
jeden Fall, möglichst kurze Sätze zu formulieren, Schachtelsätze zu vermeiden und
nicht verstandene Sätze oder Satzteile nochmals neu formuliert zu wiederholen. Dies
führt oft schneller zu einer Verständigung als mehrmaliges Wiederholen des gleichen
Satzes, der auf Grund mehrere Kriterien (schlechtes Absehbild, Fremdwörter etc.) nie
ganz verstanden werden kann.
Zeit- und Ortsangaben sollten grundsätzlich immer vorangestellt und wiederholt
werden, da sie meist schwer identifizierbar sind. So könnte man in dem Satz „Gestern
Nachmittag (Pause) habe ich ihn getroffen“ den Teil „gestern Nachmittag“ ruhig einmal
wiederholen, um sicherzugehen, dass der Satzteil auch verstanden wurde.
Ein besseres Absehbild bieten stets zusammengesetzte Formen. So ist die Wortkombination „ist gegangen“ weitaus besser abzusehen als „ging“, das Gleiche gilt für „ist gekommen“ und „kam“. Allerdings wird in der Alltagssprache ohnehin meist das Perfekt
anstelle des Imperfekts verwendet.
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61
Auch ist die prädikative Verwendung des Adjektivs vom Absehbild günstiger als der
attributive Einsatz. So ist die Formulierung „Die Ware ist gut“ vom Mundbild her weit
besser zu erkennen als der Satzteil „die gute Ware“.
Dies waren nur einige Hinweise auf bestimmte Elemente, die die Kommunikation mit
einem hörgeschädigten Gesprächspartner beeinflussen können. In jeder konkreten
Gesprächssituation können aber weitere Merkmale auftreten, die sowohl der Hörgeschädigte als auch der Guthörende beachten müssen.
Für einen hörgeschädigten Menschen, der auf das Absehen als zusätzliche Kommunikationshilfe angewiesen ist, gilt, dass er seine Gesprächspartner über die Notwendigkeit
des Absehens informieren und sie bezüglich der günstigsten Bedingungen aufklären
muss, sofern sie nicht darüber Bescheid wissen. Der Betroffene, für den solch ein
offener und lockerer Umgang mit den eigenen Schwierigkeiten nicht immer leicht sein
wird, wird nur fähig sein, seine Hörschädigung vor fremden Menschen einzugestehen,
wenn er zu seiner Behinderung steht und sie akzeptiert. Diese Haltung ist eine sehr
wichtige Grundvoraussetzung für den Hörgeschädigten, um eine erfolgreiche Kommunikation mit einem guthörenden Gesprächspartner führen zu können.
4.6
Absehhilfen
Zunächst sollen einige Strategien genannt werden, die es dem Betroffenen bei ausreichender Kenntnis ermöglichen können, das Absehen als wichtige Kommunikationshilfe
zu begreifen und zu nutzen. Hingewiesen werden soll dann noch auf Möglichkeiten, das
Absehen einzuüben und zu optimieren, was gerade für ein hörgeschädigtes Kind in
einer Regelklasse wichtig sein kann, da es dies meist neben seinem eingeschränkten
Hörvermögen als einzige zusätzliche Perzeptionsmöglichkeit zur Verfügung hat.
Abschließend sollen noch einige Hinweise für eine erfolgreiche Kommunikation im
Unterricht gegeben werden.
4.6.1
Wichtige Kommunikationsstrategien für den Absehenden
Wie schon zu Anfang ausgeführt ist das Absehen ein wichtiges Element der Kommunikation von hörgeschädigten Menschen. Allerdings kann das Absehbild als „Lückenbild“
nur einen Teil zum Verstehen des Sinns des Gesagten beitragen. Die noch offenen
Lücken müssen durch andere Kommunikationselemente geschlossen werden. „Die
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62
Fähigkeit zur Ergänzung muss beim Absehen ständig sensibilisiert sein, denn das Absehen liefert niemals ein so vollständiges Bild, wie es der Mensch beim Hören, vor allem
beim Lesen erfährt.“ (Lindner, 1999, S.199/120) Im folgenden soll auf solche Elemente
in jeweils kurzer Beschreibung eingegangen werden.
A) Mitsprechen
Reicht das Hören zum Sprachverstehen nicht aus, so ist das Mitsprechen eine gute
Hilfe, denn bei der Nachahmung der Lippenbewegungen werden die übrigen
Bewegungen der Artikulationsorgane geweckt und ins Bewusstsein gehoben. Es kann
so im günstigsten Fall zu einer Ausfüllung der Lücken zwischen sichtbaren und nicht
sichtbaren Sprechbewegungen kommen, da das Unsichtbare durch die Erinnerung
aktiviert und richtig ergänzt wird.
Allerdings können nur Wörter oder Wortfolgen mitgesprochen werden, die zum häufig
verwendeten aktiven Wortschatz gehören. Die Ergänzung kann nur dann richtig erfolgen, wenn die motorischen Muster als Ganzheiten aus dem Gedächtnis abrufbar sind.
Ein Wort oder eine Wortfolge kann also nur dann mitgesprochen werden, wenn man sie
selbst schon häufig in unterschiedlichem Sprechtempo, unterschiedlichen Situationen
und unterschiedlicher emotionaler Beteiligung benutzt hat und ihre Bedeutung bekannt
ist. Außerdem ist Mitsprechen nur möglich, wenn das Absehen und die eigene Sprechmotorik zu einer integrierten Einheit geworden sind. Dies ist gerade bei Gehörlosen
nicht unbedingt vorauszusetzen und erst nach intensiver Übung möglich. Somit ist das
Mitsprechen als Schließung einer der vielen Lücken beim Absehen nur bedingt
geeignet. Sind aber die Voraussetzungen gegeben, kann es von großem Nutzen sein.
B) Situativer Kontext
Will man einem hörgeschädigten Menschen sprachlich Dinge übermitteln, die nicht
unmittelbar mit seinem Alltag zu tun haben, so bietet sich hier an, Anschauungsmittel
einzusetzen, die es ermöglichen, die sprachlich übermittelten Informationen in die
Wirklichkeit einzuordnen. So kann man zum Beispiel bei der Erzählung einer Urlaubsreise Fotos, Landkarten und Prospekte einsetzen, um das Gesagte zu veranschaulichen.
Sollen Dinge übermittelt werden, die sich konkret auf die Situation der beiden Gesprächspartner beziehen, oder hat das Gesagte mit dem Alltag zu tun, so kann man oft
die Umgebung mit ihren Hintergrundinformationen nutzen, um die abgesehenen Inhalte
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sinngerecht zu vervollständigen. Auch ist es von großem Nutzen, wenn sich die Kommunizierenden vertraut sind und so die Sprechgewohnheiten, eventuell den Dialekt, den
emotionalen Einschlag oder die Gestik des jeweils Sprechenden kennen und richtig einordnen können. Dies erleichtert die Kommunikation erheblich, oft ist der
hörgeschädigte Partner dann gar nicht unbedingt auf jedes Absehbild angewiesen,
sondern es genügen auch Gesten und Mimik.
Je nach Situation und Gesprächspartner muss man also entscheiden, inwieweit das Absehbild durch Gesten, Mimik, Gebärden oder gar Anschauungsmittel ergänzt werden
kann, um zu gewährleisten, dass der Sinn des Gesagten auch richtig aufgenommen wird.
C) Kombination der Fernsinne Sehen und Hören
„Wie wichtig die Zusammenarbeit der beiden Fernsinne (H.i.O.) Sehen und Hören für
die Existenz des Individuums sind, kann daraus geschlossen werden, dass sich in der Individualentwicklung des Säuglings schon relativ früh sich die Verbindung zwischen
ihnen herausbildet.“ (Lindner, 1999, S. 129) Die beiden Sinne ergänzen und kontrollieren sich und der völlige oder teilweise Ausfall eines der beiden Sinne beeinträchtigt den
Menschen erheblich.
Beim Verstehen von Sprache ist ebenfalls eine Kombination der beiden Sinne möglich,
meist aber nicht notwendig, da das Hören für die Sprachperzeption alleine ausreicht.
Bei hörgeschädigten Menschen kann der Einsatz ihres Hörrestes in Kombination mit
dem Absehen des Mundbildes zu einem besseren Verständnis des Gesprochenen führen.
Um aber die akustisch wahrgenommenen Eindrücke richtig zu verarbeiten, muss die
Kombination der beiden Sinne Sehen und Hören eingeübt, automatisiert und optimiert
werden.
- Ausschluss von Unsicherheiten bei Konsonanten
Selbst wenn das Hörvermögen so gering vorhanden ist, dass eine eindeutige Erkennung
und Unterscheidung der Laute nicht möglich ist, kann die Kombination mit dem Absehen, das nur als mehrdeutiges Lückenbild zur Verfügung steht, die vorhandenen Unsicherheiten eingrenzen oder ganz ausschließen. Man kann bei den Konsonanten sieben
Lautgruppen unterscheiden, die Hinweise auf den jeweiligen Laut geben
Nach Lindner (1999, S.141) sind dies folgende Gruppen:
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64
– stimmlose Verschlusslaute (p, t, k), erkennbar an dem scharfen Explosionsgeräusch der nachströmenden Luft nach Öffnung des Verschlusses
– stimmhafte Veschlusslaute (b, d, g), erkennbar an der Stimmtonunterbrechung
und dem plötzlichen Wiedereinsetzen der Stimme bei sanfter Explosion
– stimmlose Engelaute (f, s, vorderes ch, sch, h), erkennbar an dem Geräusch
(eventuell auch an der Lücke, die im Sprechkontinuum entsteht)
– stimmhafte Engelaute (w, stimmhaftes s, j, stimmhafte Variante des sch), erkennbar an dem stimmbegleiteten Geräusch
– Nasale und Liquide (Halbvokale), (m, n, ng, l), erkennbar an der tiefformantigen Klangstruktur
– Vokalähnliche Klänge mit typischem, tiefem Geräusch (geriebenes R, hinteres
ch), erkennbar an dem jeweils eigenen Geräusch bei stimmhaftem Klanganteil
– Schwinglaute (Zungenspitzen- oder gerolltes Zäpfchen-R), erkennbar an den
schnellen Stärkeschwankungen des Stimmtones
Diese Lautgruppen können je nach Grad der Hörschädigung mehr oder weniger gut von
der hörgeschädigten Person wahrgenommen werden. Durch intensive und lange Übung
kann es gelingen, die wahrgenommenen Laute dem Absehbild richtig zuzuordnen und
so die Lücken des rein visuellen Eindrucks zu schließen. Aber nicht nur bei den Konsonanten kann man Lautgruppen definieren, auch bei den Vokalen können Unsicherheiten
des Absehbildes durch wahrgenommene Sinneseindrücke ausgeglichen werden.
- Ausschluss von Unsicherheiten bei Vokalen
Vor allem die Dauer der Vokale kann rein visuell schlecht eingeschätzt werden, aber
auch die Differenzierung der Vokale nur über das Absehbild erweist sich oft als schwierig. Deshalb wurden nach Ding Lautgruppen gebildet, die ein hörgeschädigter Mensch
ganz oder noch teilweise wahrnehmen und für die sprachliche Perzeption nutzen kann.
Diese Lautgruppen werden Aureme genannt.
Definition (nach Lindner, 1999, S. 193): Das Aurem umfasst bei eingeschränktem
Hören eine Gruppe von Lauten, die als nicht weiter differenzierbare Qualität wahrgenommen werden. Bei normalem Gehör ist das Aurem mit dem Laut identisch.
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65
Die Aureme sollen nun kurz genannt werden (vgl. Lindner 1999, S. 146/147):
• das lange a-Aurem, erkennbar an dem bis in den mittleren Frequenzbereich reichenden Klanganteil, der den 1. und 2. Formanten umfasst
• das kurze a-Aurem, erkennbar an den gleichen Klangeigenschaften und kurzer
Dauer
• das lange o-Aurem, die langen Vokale o, e, ä und ö enthaltend, erkennbar an
der Dauer und dem mittelhohen ersten Formanten
• das kurze o-Aurem, die kurzen Vokale o, e, ö, das schwachtonige e und das
vokalisierte r enthaltend, erkennbar an der kurzen Dauer und dem mittelhohen
ersten Formanten
• das lange u-Aurem, die langen Vokale u, i und ü enthaltend, erkennbar an dem
tief liegenden ersten Formanten und der langen Dauer
• das kurze u-Aurem, die kurzen Vokale u, i und ü enthaltend, erkennbar an der
kurzen Dauer und dem tief liegenden ersten Formanten
• das Diphthong-Aurem au, die Diphthonge au und ei enthaltend, erkennbar an
dem Abwärtsgleiten der ersten Formanten aus der Mittellage
• das eu-Aurem, den Diphthong eu enthaltend, erkennbar an dem leichten Aufwärtsgleiten des ersten Formanten
Wie schon bei den Lautgruppen der Konsonanten erwähnt gilt auch für die Aureme,
dass sie je nach Grad der Hörschädigung gut bis gar nicht mehr von der jeweiligen hörgeschädigten Person differenziert werden können. Auch hier ist ein intensives Training
nötig, um die wahrgenommenen Aureme mit den Absehbildern in Verbindung bringen
zu können und so einen Weg zu finden, um das Verstehen gesprochener Sprache für
einen hochgradig hörgeschädigten Menschen möglich zu machen.
4.6.2
Trainingsmöglichkeiten für den Absehenden
Menschen, die erst nach dem Spracherwerb schwerhörig oder gar ertaubt sind, müssen
sich nach dem Auftreten des Hörschadens erst neu auf die veränderte Situation einstellen. Sie haben sich noch keine Strategien angeeignet, um das eingeschränkte Hörvermögen auszugleichen. Gerade für diese Gruppe sind Übungsmöglichkeiten für das
Absehen bzw. zusätzliche Kommunikationshilfen sehr wichtig, um ihnen eine
schnellere Reintegration in die hörende Umwelt zu ermöglichen. Aber auch
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66
Hörgeschädigte, die von Geburt an oder während des Spracherwerbs einen mehr oder
weniger großen Ausfall ihres Gehörs erfahren haben und sich so vielleicht von Anfang
an entsprechende Strategien angeeignet haben, um die eingeschränkte auditive
Perzeption auszugleichen, können Hilfe gebrauchen, wenn sie z.B. in einer Regelschule
erstmals ohne weitere Kommunikationshilfen wie Manualsysteme, Gebärden usw.
auskommen müssen.
Eine sehr konkrete Hilfe für das Absehen bietet die Praxis von Roland Hanik in
München (siehe auch Merkblatt Punkt 8.). Ausgebildete Hörgeschädigtensprachtherapeuten üben in Einzelstunden das Absehen mit Hörgeschädigten aller Altersgruppen. In
einer Übungsstunde werden Begriffe zu einem bestimmten Thema (z.B. Büro, Kino,
Weihnachten …) je nach Alter und konkreter Lebenssituation des einzelnen Betroffenen
behandelt und eingeübt. Auch computergestützes Artikulations- und Absehtrainig wird
hierbei nach Bedarf in die Übungseinheiten eingebaut. Leider gibt es zur Zeit kaum eine
vergleichbare Einrichtung, die solche „Absehstunden“ anbietet. Ausgehend von der
Praxis Roland Hanik werden in München auch mehrere VHS-Kurse pro Semester angeboten, in denen das Absehen in einer ganzen Gruppe von – meist erwachsenen - Hörgeschädigten eingeübt wird.
Neben dieser konkreten Hilfe in einer eigenen Einrichtung gibt es einige computergestützte Lernprogramme, die hauptsächlich die Artikulation, teilweise aber auch das
Absehen üben. Einige Schwerhörigen- und Gehörlosenschulen verfügen über solche
Programme. Ein Einsatz in der Regelschule wird aus Kostengründen meist unmöglich
sein, da die Anschaffungskosten je Programm bei über 10 000 DM liegen können und
dies für einen einzelnen integrierten Schüler in der Regel nicht aufgebracht wird. Da
diese Programme für die Regelschule kaum eine Relevanz haben soll hier nicht weiter
darauf eingegangen werden. Lediglich das Computerprogramm „MUSKAT“ (= Medial
unterstütztes Kommunikations- und Absehtraining) soll eine Erwähnung finden, da es
von den Anschaffungskosten (unter 50 DM) her erschwinglich ist (siehe auch Merkblatt
Punkt 8). Es gibt mehrere Übungssituationen, in denen das Absehen, aber auch wichtige
Hilfen dazu eingeübt werden. Das Programm startet mit der Ansicht einer Stadt. Man
kann die Häuser einzeln anklicken und es werden jedes Mal verschiedene Übungsmöglichkeiten zur Wahl gestellt. In der „VHS“ kann man zwischen einem Vortrags- oder
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67
Seminarraum wählen und dann dort einen Sitzplatz wählen. Es wird jeweils angezeigt,
ob die Wahl richtig war und die Entscheidung wird zusätzlich begründet. Unter der Option „Tipps“ kann man wichtige Hinweise bezüglich der besten äußeren Bedingungen
für das Absehen nachlesen. Auch im „Restaurant“, der „Pizzeria“ und beim „Nachbarn“
geht es um die richtige Sitzplatzwahl, in der „Post“, beim „Frühstück“ und beim „Zahnarzt“
kann
man
zwischen
Wortübungen,
Satzübungen,
Textübungen
und
Dialogübungen wählen. Hierbei ist immer das Gesicht eines Sprechers von vorne zu
sehen und man hat die Möglichkeit, die Lautstärke zu regulieren um so „mit“ oder
„ohne“ Stimme das Gesprochene anzuhören. Je nach Übungsart muss man nun einzelne
Wörter, Sätze oder ganze Texte absehen und den richtigen Wörtern, Sätzen oder Bildern
zuordnen können, die anschließend auf dem Bildschirm erscheinen. Das Programm
kann in einer integrativen Regelklasse, sofern hier ein Computer vorhanden ist, als
zusätzliche Übungsmöglichkeit für alle Schüler dienen. Das hörgeschädigte Kind kann
dabei konkrete Hinweise bezüglich des Absehens erhalten und ferner Aufgaben dazu
lösen, aber auch die hörenden Schüler können, wenn man den Ton ganz abstellt, ihre
Absehfertigkeiten
testen
und
so
für
diese
Kommunikationsform mit
ihren
Schwierigkeiten sensibilisiert werden. Grundsätzlich muss man aber sagen, dass dieses
Absehtraining nur kurzzeitig eine wirkliche Übung sein kann, da die Aufgaben, hat man
sie einmal richtig gelöst, immer wieder gleich ablaufen und so für den Übenden keinen
Lerneffekt mehr bieten. Leider besteht hier nicht die Möglichkeit, die Aufgaben selbst
zu variieren oder umzustellen. Da das Programm hauptsächlich für erwachsene
Hörgeschädigte konzipiert wurde, sind Szenen wie „in der VHS“ weniger ansprechend
und nicht unbedingt der Lebenswirklichkeit von Schülern entnommen. Andere
Situationen, z.B. „in der Post“ können aber auch für hörgeschädigte Kinder durchaus
real sein und im Unterricht als differenzierende Einzelübung eventuell eingesetzt
werden.
Leider gibt es keine weiteren konkreten Hilfen zum Absehen, deren Einsatz in einer
Regelklasse sinnvoll erscheinen würde und auf die an dieser Stelle hingewiesen werden
könnte.
Im folgenden sollen noch einige konkrete Hinweise gegeben werden, wie die Kommunikationssituation für ein hörgeschädigtes Kind in einer Allgemeinen Schulklasse verbessert werden kann.
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68
4.6.3
Hinweise für eine erfolgreiche Kommunikation im Unterricht
„Mit zunehmendem Hörverlust sind Hörgeschädigte genötigt, zum sprechenden Lehrer
oder Mitschüler zu sehen. Das fordert ihnen eine hohe Konzentrationsleistung ab. Durch
die entsprechenden Maßnahmen soll und kann eine physische und psychische Überforderung verhindert werden.“ (Leonhardt, 1996a, S.24)
Ein erster Schritt, die Bedingungen für einen auf das Absehen angewiesenen Schüler
auch innerhalb einer Regelklasse so optimal wie möglich zu gestalten, ist die Kenntnis
der auditiven Perzeptionsleistungen durch den betreffenden Lehrer. Er sollte sowohl
Ton- als auch Sprachaudiogramm kennen und daraus erste Vermutungen aufstellen
können, was der betroffene Schüler wie hört. Ebenso gehört es zu seinen Aufgaben, den
hörgeschädigten Schüler darauf hinzuweisen, seine Hörgeräte immer zu tragen, sie
regelmäßig zu überprüfen und durch den Hörgeräteakustiker optimal einstellen und
ständig warten zu lassen.
Der Lehrer sollte sich immer im voraus entsprechend zu den Unterrichtsphasen Gedanken über die Wahl der Hörhilfen machen. In der Regelschule betrifft dies meist die Entscheidung, ob die FM-Anlage eingesetzt werden soll, nur die individuelle Hörgeräte
ausreichen oder in einer Hörpause diese vielleicht sogar abgelegt werden können. Denn
Hörpausen müssen für den hörgeschädigten Schüler im Verlauf eines Unterrichtstages
immer wieder eingeplant werden, um sein Konzentrationsvermögen nicht übermäßig
auszureizen, was hier schneller eintreten kann als bei den hörenden Schülern, die nicht
ständig sowohl die visuelle als auch die akustische Perzeption zum Sprachverstehen
einsetzen müssen.
Ein weiterer Aspekt ist die Raumakustik. Der Störschall sollte so gering wie möglich
gehalten werden. Echoeffekte können durch das Aufhängen von Vorhängen oder Auslegen von Teppichen auf ein Minimum reduziert werden. Ideal wäre es, wenn der Raum
einer natürlichen Akustik entsprechen würde. Da unnötiger Störschall die Konzentration
des betroffenen Schülers nur unnötig strapazieren würde, sollte auf eine ruhige Lernatmosphäre und möglichst wenig Nebengeräusche (z.B. Stühlerücken, Türenschlagen,
laute Zwischenrufe etc.) geachtet werden.
Die Lehrersprache ist ein entscheidendes Kriterium für die Perzeptionsleistung (siehe
auch 4.5.2.). Sie sollte dem betroffenen Schüler von der Intensität und vom Sprechtempo her angepasst sein und eine gute rhythmisch-dynamisch-melodische Akzentuie-
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69
rung aufweisen. Ferner ist die Gliederung nach Sinneinheiten oder Sinnschwerpunkten
notwendig, Schachtelsätze aber auch sehr kurze, primitive Sätze sollten soweit möglich
vermieden werden. Die Lehrersprache sollte Vorbild für alle Schüler sein und deshalb
nicht zu sehr vom natürlichen Sprachgebrauch abweichen. (vgl. Leonhardt, 1996a, S.
27)
Neben den Bedingungen für die akustische Perzeption sind auch jene für die visuelle
Aufnahme gerade für einen auf das Absehen angewiesenen Schüler von großer Bedeutung. Grundvoraussetzung dafür ist ein voll funktionsfähiges Sehvermögen.
Günstig für einen Hörgeschädigten ist eine Sitzordnung im Halbkreis, da hier das Absehbild aller Mitschüler und des Lehrers möglichst optimal wahrgenommen werden
kann. In der Regelschule ist solch eine Sitzordnung meist nicht möglich, trotzdem sollte
man diese so optimal gestalten, wie es in dem jeweiligen Klassenzimmer durchführbar
ist.
Zu beachten ist, dass der hörgeschädigte Schüler einen Sitzplatz bekommen sollte,
welcher es ihm erlaubt, möglichst viele Mundbilder seiner Mitschüler einzusehen. Von
Vorteil kann hier ein Drehstuhl sein, der es dem Kind möglich macht, jeden anderen
Schüler anzusehen ohne sich dabei ständig den Kopf zu verdrehen. Außerdem sollte das
betroffene Kind nicht weiter als 3m von der Stelle entfernt sitzen, an der sich die Lehrkraft meistens aufhält bzw. sollte diese versuchen, sich nicht mehr als 3m zu entfernen.
Löwe (1996, S. 97) stellt vier verschiedene Sitzordnungen vor, die zeigen, welche Sitzpositionen für ein hörgeschädigtes Kind in einer Regelklasse geeignet bzw. welche ungünstig erscheinen:
Bild 1:
optimale Lösung
Bild 2:
nur empfehlenswert, wenn keine andere Sitzordnung möglich
Bild 3:
Nicht zu empfehlen, da das hörgeschädigte Kind die Mundbilder der Mitschüler in der
Fensterreihe nicht oder nur sehr schlecht einsehen kann.
Bild 4:
Sehr ungünstig – das hörgeschädigte Kind hat hier keinerlei Absehmöglichkeiten!
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70
Abb. 31: Sitzordnungen in einer Regelklasse
Der Blickwinkel zum hörgeschädigten Schüler sollte so gewählt werden, dass sich Sprecher und Absehender auf gleicher Augenhöhe und nicht seitlich oder hintereinander
befinden. Die Entfernung zwischen beiden sollte nicht kleiner als 0,5 m und nicht
größer als 3,5 m sein. Bei der Kommunikation ist ferner auf eine ständige Antlitzgerichtetheit zu achten, d.h. der Blickkontakt beim Sprechen sollte immer gewahrt
werden. Die Körpersprache des Lehrers sollte lebendig, aber nicht übertrieben sein, er
sollte außerdem auf eine ruhige Kopfhaltung achten.
Die Beleuchtung im Klassenzimmer sollte so eingestellt sein, dass der Absehende den
Sprechbewegungen gut folgen kann und die Plastizität der Gesichtszüge erhalten bleibt.
Grundsätzlich gilt für den Unterricht, dass neue Themen immer schriftlich festgehalten
werden müssen und der Einsatz von Schriftsprache und visuellem Material (wie Overheadprojektor, Tafelanschrift, Wortkarten, Bilder etc.) das Verständnis erleichtern.
Das Absehen ist für einen hörgeschädigten Schüler in der Regelschule eine äußerst
wichtige Perzeptionsform. Diese Tatsache sollte sowohl der unterrichtenden Lehrkraft
als auch den Mitschülern bewusst gemacht werden, damit sie den betroffenen Schüler
so gut wie möglich im täglichen Unterricht unterstützen können und seinen Aufenthalt
in einer Allgemeinen Schulklasse nicht zu einer Erschwernis sondern einer
Bereicherung für sich und alle Beteiligten werden lassen.
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71
5. Zur Integration von hörgeschädigten Schülern in der
Regelschule
Der Titel dieser Arbeit lautet „Thematisierung von Schwerhörigkeit und Absehen in
einer Integrationsklasse.“ In den vorangegangenen Abschnitten wurde geklärt, was
dabei unter Schwerhörigkeit und Absehen gemeint ist und wo hier die Schwerpunkte
gelegt sind. Ein letzter Aspekt, der noch der Klärung bedarf, ist der Begriff
„Integrationsklasse“ bzw. „Integration“. Die Verwendung dieses Ausdrucks für das
gemeinsame Lernen von behinderten und nichtbehinderten Kindern in einer
Regelschule ist umstritten, scheint aber doch am gebräuchlichsten und auch
verständlichsten im Umgang mit dieser Thematik zu sein. Claußen (1991, S.186)
schreibt zu „Integration“ in diesem Zusammenhang: „‚Integration’ ist ein gefährliches
Wort, weil es Verschiedenartiges meinen kann. Zu unterscheiden sind mindestens (1)
die soziale oder gesellschaftliche Integration – also die Eingliederung des Einzelnen in
verschiedene Gruppen der Gesellschaft und damit in die Gesellschaft insgesamt – von
(2) der schulorganisatorischen oder unterrichtlichen Integration – also in unserem Falle
den gemeinsamen Unterricht für schwerhörige oder ertaubte und guthörende Schüler.
Die Mehrdeutigkeit des Wortes ‚Integration’ ist gefährlich, weil sie die Vorstellung
wecken könnte, diese beiden Inhalte hingen unmittelbar zusammen oder wären
gleichzusetzen, so dass die unterrichtliche Integration zwangsläufig auch die soziale
herbeiführe. Das wäre jedoch erst zu beweisen!“ Diese Erklärung macht einerseits
deutlich, wie kritisch der Einsatz des Wortes „Integration“11 abzuwägen ist, andererseits
weist sie auf die vielen Elemente und Aufgaben hin, von denen eine „wirkliche“
Eingliederung eines (hör-)behinderten Schülers in eine Regelklasse abhängig ist. Bevor
auf die einzelnen Integrationsmodelle und die daraus resultierenden kontrovers
diskutierten Vor- und Nachteile näher eingegangen wird, soll zunächst ein kurzer Blick
zurück auf die Anfänge und Gründe von Integration bzw. gemeinsamem Lernen
hörgeschädigter und normal hörender Kinder in Deutschland geworfen werden.
11
Im nachfolgenden Text ist unter Integration immer die unterrichtliche oder schulische Integration eines
hörbehinderten Kindes in die Regelschule gemeint.
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72
5.1
Unterrichtliche Integration Hörgeschädigter im historischen Rückblick
Bis zum Mittelalter und teilweise noch in der Neuzeit herrschte die gängige Meinung,
dass „taube“ Menschen bildungs- und rechtsunfähig seien. Gehörlose Menschen wurden
als „stumm“ und gleichzeitig „dumm“ angesehen, der Zusammenhang von Hör- und
Sprechvermögen war damals nicht bekannt, und die einzige Kommunikationsmöglichkeit dieser Menschen mit ihrer Umwelt bestand deshalb hauptsächlich in dem Gebrauch
einfacher Gesten und Zeichen. „Öffentlich wurde gehörlosen Menschen erstmals durch
den italienischen Philosophen Hieronymus CARDANUS (1501 – 1576) Intelligenz und
Bildungsfähigkeit zugestanden.“ (Hollweg, 1999, S.62) Erste, zu dieser Zeit unternommene Bildungsversuche, wie etwa von dem spanischen Benediktinermönch Pedro
Ponce de Leon (1510 – 1584) waren auf nur wenige hörgeschädigte Schüler beschränkt
und wurden vorwiegend von Mitgliedern der oberen Stände gefördert. Erst im 18.
Jahrhundert wurden die ersten Einrichtungen bzw. Schulen für Taubstumme gegründet,
so z.B. 1771 in Paris von dem französischen Priester Michel de L’ Epée (1712 – 1789)
und 1778 in Leipzig durch Samuel Heinicke (1727 – 1790) und dies zu einer Zeit, in der
es noch keine allgemeine Schulpflicht gab. Als im Laufe des 19. Jahrhunderts die allgemeine Schulpflicht, häufig gegen den Willen der Eltern, eingeführt wurde, beschloss
man diese etwas später auch für die Taubstummen. Dies bedeutete, dass „…nicht nur
die Kinder gezwungen [wurden], eine Schule zu besuchen, sondern der Staat ging
zugleich die Verpflichtung ein, ihnen die notwendigen Schulplätze zur Verfügung zu
stellen.“ (Leonhardt, 1996b, S.12) Aus dieser Situation heraus entstand die sogenannte
„Verallgemeinerungsbewegung“, welche sowohl aus pädagogischen als auch ökonomischen Gründen die Eingliederung der gehörlosen Schüler in die allgemeine Volksschulen des jeweiligen Ortes bzw. der nächsten Umgebung forderte. Vertreter der Verallgemeinerungsbewegung, deren Gedankengut sich hauptsächlich an den progressiven
bürgerlich-pädagogischen Ideen des 19. Jahrhunderts orientierten, waren u.a.
Elementarschullehrer wie Johann Baptist Graser, Wilhelm Harnisch und Heinrich
Stephanie und Geistliche wie Friedrich Wilhelm Daniel. „Als erster hat GRASER 1821
eine Klasse für hörgeschädigte Kinder an einer Bayreuther Volksschule organisiert. Er
gilt weltweit als Vater der integrierten Beschulung hörgeschädigter Kinder.“ (Hollweg,
1999, S.64)
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73
Unter die ökonomischen Argumente fiel die Tatsache einer zu geringen Aufnahmekapazität der bereits existierenden Gehörlosenschulen, außerdem sollten die taubstummen
Kinder schnell und ohne großen finanziellen Aufwand in einer Schule untergebracht
werden. „Man glaubte, das Problem schneller, finanziell günstiger und pädagogisch
sinnvoller zu lösen, wenn man Pastoren und Lehrer, insbesondere die der Volksschule,
für diese Bildungsaufgabe gewinnen könnte.“ (Kröhnert, 1966, S.62) Hauptsächlich war
die Notsituation, zu wenig geeignete Schulen und gleichzeitig nicht genügend Zeit und
Geld zu haben, um das Taubstummenbildungswesen ausreichend ausbauen zu können
Grund für diese ersten Integrationsversuche in Deutschland.
Aus pädagogischer Sicht wollte man dem taubstummen Kind eine Beschulung möglichst nahe an seinem Wohnort und im Kreise seiner Familie ermöglichen, außerdem
sollte es „… auf natürlichem Weg über das Absehen die Lautsprache erwerben
können.“ (Leonhardt, 2000, S.14) Um eine genügende Ausbildung der Lehrer in Bezug
auf ihre „neuen“ hörgeschädigten Schüler zu schaffen wurden „ … erstens
informatorische Lehrgänge eingerichtet, durch die Volksschullehrer und Geistliche
befähigt werden sollten, taub-stumme Kinder einzeln oder im Rahmen des
Normalschulunterrichts zu fördern. Zweitens gingen einzelne Seminare dazu über, mit
ihren Lehramtskandidaten in benachbarten Taubstummenschulen zu hospitieren … .
Die dritte Neuerung … war die organisatorische Verschmelzung von Seminar (bzw.
Präparandenanstalt)
und
Taubstummenschule.“
(Kröhnert,
1966,
S.62)
Die
Vorbereitung der Lehrer sollte also nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch
erfolgen, um eine erfolgreiche Integration der taubstummen Schüler zu ermöglichen.
Die Meinung Grasers, die hörgeschädigten Kinder könnten allein aufgrund ihrer Absehfähigkeiten dem Unterricht folgen, erwies sich bald als eine Überschätzung. Der Geistliche Daniel forderte nun Nachhilfeunterricht für die gehörlosen Kinder: „Der Taubstumme muss zugleich eine Nachhilfe durch Privatunterricht (mindestens eine Stunde
täglich) erhalten, die ihn mit der Schule gleichen Schritt halten hilft.“ (Claußen,
1991/92, S.193 nach Schumann 1929, S.68)
Doch auch solche Maßnahmen halfen nicht, das Scheitern der Verallgemeinerungsbewegung zu verhindern. Die Integration der hörgeschädigten Schüler war nur in Einzelfällen erfolgreich verlaufen, wenn sich der betreffende Volksschullehrer durch besonderes Interesse und persönlichen Einsatz dem betroffenen Kind gewidmet und es so
zusätzlich gefördert hatte. Dieses Engagement konnte man aber nicht von allen Lehrern,
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74
die ein schwerhöriges oder gehörloses Kind in ihrer Klasse hatten, erwarten. Vor allem
da die Schülerzahl pro Klasse bei durchschnittlich 130-150 lag und außerdem dem
Lehrer keinerlei technische Hilfsmittel zur Verfügung standen. Diese äußeren Umstände, aber auch eine nicht weit genug entwickelte Unterrichtsmethodik waren wohl
die Hauptgründe für ein Ende der Bewegung, die bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts
für die Schulentscheidung der hörgeschädigten Kinder kaum noch eine Bedeutung hatte.
Mit der Rückkehr zum Sonderschulwesen kam es zu einer weiteren Ausdifferenzierung
der Taubstummenanstalten. Um die Jahrhundertwende wurden erste Einrichtungen für
Schwerhörige und Ertaubte geschaffen. So entstand 1894 die erste private Schule für
Schwerhörige und Ertaubte in Jena und 1902 die erste Klasse für Schwerhörige in
Berlin. Aus dieser ging dann 1907 die erste staatliche Schwerhörigenschule hervor.
Ausgelöst worden war dieser Prozess hauptsächlich durch neuere Erkenntnisse der
Mediziner, die erkannt hatten, dass viele vorher als „gehörlos“ oder „taubstumm“
klassifizierten Menschen über Hörreste verfügten.
Die Sonderschule war nun über mehrere Jahrzehnte hinweg wieder der Ort, welcher
hörgeschädigten Kindern die besten Lernmöglichkeiten zu bieten schien.
Erst seit den 60er Jahren ist die aktuelle Integrationsdiskussion wieder neu aufgelebt.
Auslöser dafür war der Beginn des „Mainstreaming“ in den USA, was dort soviel bedeutet wie unterrichtliche Integration. 1954 führten Eltern geistig behinderter Kinder
einen Prozess gegen die Schulbehörde. „Das Gericht stellte fest, dass alle – also auch
geistig behinderte Kinder – einen Anspruch auf schulische Bildung haben.“ (Leonhardt,
1996, S.15) Der Besuch einer Schule wurde somit in den USA auch für behinderte
Kinder ein Bürgerrecht und die „ … in Deutschland früher gängige Verfahrensweise,
vor allem geistigbehinderte Kinder für nicht schulfähig zu bezeichnen und so von jeder
staatlichen Bildungsbemühung auszuschließen, wurde damit als Unrecht verurteilt.“
(Claußen, 1989, S.198) Nach diesem ersten Erfolg seitens der Eltern der betroffenen
Kinder folgten in den USA weitere Schritte zugunsten der Schulbildung behinderter
Kinder. Zu nennen sind hier das Recht auf gebührenfreie Bildung, das Recht auf angemessene Bildung, das Recht auf eine am wenigsten behindernde Umwelt, das Recht auf
ein überprüfbares Ein- bzw. Umschulungsverfahren, das Recht auf Vertraulichkeit der
einer Schule zugänglich gewordenen Informationen (Datenschutz) und das Recht auf
die
Durchführung
von
nicht
aufgrund
der
Behinderung
von
vornherein
diskriminierenden Prüfungen (vgl. Claußen, 1989, S. 198/199).
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75
Aber nicht nur in den USA, auch in Ländern wie Italien, Israel und den skandinavischen
Gebieten wurde in den 60er Jahren mit der Integration hörgeschädigter Kinder begonnen. Auch in Deutschland wurden in dieser Zeit erste Weichen gestellt, die für die
Möglichkeit einer zukünftigen Integration hörgeschädigter Kinder in Regelschulen Voraussetzung waren. So gründete Armin Löwe 1958 in Heidelberg die erste Pädaudiologische12 Beratungsstelle für Eltern, hörgeschädigter Kleinkinder. Die Bedeutung und
Notwendigkeit einer angemessenen Frühförderung und -erziehung gelangte erstmals ins
Bewusstsein der Eltern der betroffenen Kinder und bildete somit eine Voraussetzung für
darauffolgende Integrationsgedanken. „Gut geförderte hörgeschädigte Vorschulkinder
liefen schon zu Beginn der 60er Jahre den anderen, weniger gut oder überhaupt nicht
geförderten Kindern, davon. Sie übertrafen sie in ihrer emotionalen, kognitiven, psychomotorischen, sozialen und sprachlichen Entwicklung so sehr, dass sie für die traditionelle Sonderbeschulung kaum mehr in Frage kommen konnten.“ (Löwe. 1996, S.31)
Neben der Frühförderung, die heutzutage sofort nach Diagnose eines für die Sprachentwicklung hinderlichen Hörschadens jedem betroffenen Kind zuteil wird, waren die
technisch immer besser gewordenen Hörhilfen und ein Rückgang der durchschnittlichen
Klassenstärke ab Mitte der 60er Jahre weitere Gründe, warum Eltern ihren hörgeschädigten Kindern einen Besuch der Regelschule mehr und mehr zutrauten und diesen
Wunsch vermehrt durchzusetzen begannen.
Heute ist die Diskussion, ob und wann ein hörgeschädigtes Kind in die allgemeinen
Bildungseinrichtungen integriert werden soll, voll im Gange. Die meisten Eltern betroffener Kinder hegen die Hoffnung, dass eine intensive vorschulische Förderung und die
Versorgung ihres Kindes mit optimalsten Hörhilfen dieses dazu befähigen könnte, zusammen mit den gleichaltrigen guthörenden Kindern aus der Nachbarschaft die wohnortnahe allgemeine Grundschule zu besuchen.
Bevor einige Argument für und gegen die Integration eines hörgeschädigten in die
Regelschule genannt werden, sollen kurz die Konzepte aufgezeigt werden, welche alle
mit dem Wort unterrichtliche Integration in Zusammenhang gebracht werden.
12
Pädaudiologie: Wissenschaft vom Hören des Kindes und der Hörwahrnehmung von Kindern (vgl.
Leonhardt, 1999, S.223)
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76
5.2
Derzeitige unterrichtliche Integrationsmodelle für Hörgeschädigte in der
BRD
Das gemeinsame Lernen von hörgeschädigten und hörenden Schülern ist in der BRD
nicht einheitlich geregelt, sondern abhängig von der jeweiligen Bildungspolitik und den
gesetzlichen Verankerungen in den einzelnen Bundesländern. Nach Annette Leonhardt
(1999, S.106) können je nach landesspezifischen und regionalen Bedingungen folgende
Möglichkeiten für betroffene Kinder zur Auswahl stehen:
– der Besuch einer Schule für Gehörlose oder Schule für Schwerhörige
– der Besuch einer Schule für Gehörlose oder einer Schule für Schwerhörige mit
engen Kooperationsbeziehungen zu einer allgemeinen Schule
– die Unterrichtung in einer ausgelagerten Klasse von hörgeschädigten Schülern
im Gebäude der Allgemeinen Schule
– der Besuch einer wohnbezirksübergreifenden Integrationsschule, die Schüler
mit unterschiedlichsten Behinderungen aufnehmen
– der Schulbesuch in der wohnortnahen Schule, zumeist in Form von Einzelintegration
Im Rahmen dieser Arbeit soll unter Punkt 5.4. noch näher auf die Möglichkeiten für
hörgeschädigte Schüler in Bayern eingegangen werden.
Im folgenden nun eine kurze Übersicht der einzelnen, in der BRD vorkommenden
Integrationsformen.
5.2.1
Die Einzelfallintegration (oder individuelle Integration)
Diese Form der Integration ist für Hörgeschädigte derzeit in Deutschland am häufigsten
anzutreffen. Vorrangig wird hier ein einzelnes schwerhöriges, teilweise auch mit
Cochlea Implantat versorgtes Kind oder ein Jugendlicher gemeinsam mit hörenden
Schülern einer Regelklasse der Allgemeinen Schule unterrichtet. Gehörlose Kinder erfahren zur Zeit nur in speziellen Fällen die Möglichkeit der Einzelfallintegration. Viele
dieser Kinder erhalten dabei keine spezielle Förderung, die sonderpädagogisch oder
hörgeschädigtenspezifisch ausgerichtet wäre. Die Errichtung und Erweiterung einer
solchen Förderung (z.B. Ambulanzlehrersystem, Ambulante Förderung, Mobile Sonderpädagogische Dienste) in den einzelnen Bundesländern wird zwar nach und nach in Angriff genommen, jedoch im Vergleich zum vorherrschenden Bedarf zu langsam und
insbesondere durch äußere Rahmenbedingungen (Finanzierungsmöglichkeit, Lehrerwww.foepaed.net
77
stellen für derartige Begleitdiens-te, Stundenzuweisungen usw.) zu eingeschränkt. (vgl.
Leonhardt, 1999, S. 107)
5.2.2
Die Gruppenintegration
Diese Integrationsform ist in der BRD nur selten anzutreffen. Hier wird, im Gegensatz
zur Einzelfallintegration, eine Gruppe von hörgeschädigten Schülern gemeinsam mit
Normalhörenden unterrichtet. Man unterscheidet dabei sogenannte integrative Klassen,
in denen alle Fächer zusammen unterrichtet werden und sogenannte kooperative Klassen, in denen nur bestimmte Fächer gemeinsam belegt werden. Diese beiden Klassentypen werden hauptsächlich in Regelschulen eingerichtet und zeichnen sich durch sogenanntes
„Teamteaching“
aus.
Ein
Sonderschullehrer
mit
der
Fachrichtung
Schwerhörigen- oder Gehörlosenpädagogik und ein Lehrer für die Grund-, Haupt- oder
Realschule oder für das Gymnasium arbeiten dabei eng zusammen und wechseln sich
im Unterricht bei Bedarf ab. (vgl. Leonhardt, 1999, S. 107)
5.2.3
Die Präventive Integration (oder umgekehrte Integration)
Diese dritte Form des gemeinsamen Lernens ist zugleich die meist unbekannteste und
für Laien oft auch ungewöhnlichste Art der Integration. In diesem Fall werden hörende
Schüler in die Einrichtungen für Hörgeschädigte aufgenommen und gemeinsam mit
diesen unterrichtet. Praktiziert wird die Präventive Integration z.B. am Pfalzinstitut für
Hörsprachbehinderte Frankenthal, den Samuel-Heinicke-Schulen für Schwerhörige in
München und in einigen vorschulischen Einrichtungen für Schwerhörige bzw. Gehörlose. Zudem entsteht gerade in Berlin-Friedrichshain eine neue Schwerhörigenschule,
die Margerethe-von-Witzleben-Schule, die voraussichtlich im Schuljahr 2001/2002 öffnet und in der die Präventive Integration praktiziert werden soll. Die Planer des dortigen
Schulkonzeptes äußern sich sehr zuversichtlich im Hinblick auf das „gemeinsame Lernen“, welches sowohl Vorteile für die hörgeschädigten wie auch die hörenden Schüler
mit sich bringen soll. „Für die schwerhörigen Schüler gibt es vielfältigere Entwicklungsbedingungen, hörende Kommunikationspartner, sprachliche Vorbilder. Die
größere Schülerzahl bietet eine umfangreiche Palette an Kursen. Für die hörenden
Schüler bietet das Projekt neben dem Erwerb sozialer Kompetenz im Umgang mit
Behinderten die Möglichkeit, in kleineren Lerngruppen individuelle Fähigkeiten und
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78
Fertigkeiten optimal auszubilden und ein Maximum an Wissen und Können zu
erzielen.“ (aus: Spektrum Hören, Nr.3/August 2000, S.25 – ohne Angabe des Autors)
Diese neue schulische Einrichtung mit Ganztagscharakter wird die Grundschule und die
Oberschule mit den Zweigen der Haupt- und Realschule sowie des Gymnasiums
umfassen.
Unabhängig von den eben beschriebenen Modellen wird derzeit ein weiteres Projekt in
einigen Bundesländern gefördert und weiterentwickelt. Der Aufbau von Sonderpädagogischen Förderzentren als zentrale Einrichtungen ohne eigene Schülerschaft soll
Grundlage werden für verbesserte Integrationsmöglichkeiten der hörgeschädigten
Schüler, die in Regelschulen eingegliedert sind. Von den Förderzentren aus sollen Sonderschullehrer der verschiedenen Fachrichtungen behinderte Kinder an Allgemeinen
Schulen während ihrer schulischen Laufbahn so lange wie nötig betreuen und zusätzlich
fördern. Zudem sollen diese Lehrer mehrere Schulstunden pro Woche zusammen mit
den Lehrkräften der Regelschule Unterricht in den betreffenden Klassen halten.
Jedes der angesprochenen Integrationsmodelle bringt Vor- und Nachteile gegenüber den
jeweiligen anderen Formen mit sich. Grundsätzlich kann eine Integration aber nur dann
erfolgreich verlaufen, wenn sowohl möglichst ideale äußere Rahmenbedingungen geschaffen als auch methodische und didaktische Maßnahmen für das betroffene Kind
angewandt werden. „Letztendlich geht es darum, die Möglichkeiten bestmöglicher Förderung des Kindes einzuschätzen. Dies sollte geschehen auf dem Hintergrund vielfältiger, qualitativ sehr unterschiedlicher Informationen über den Entwicklungsstand des
Kindes, über den Anregungsgehalt seiner unmittelbaren Umwelt, über die das Kind
stützende emotionale Zuwendung und über die in allgemeiner Schule und Sonderschule
gebotenen Lernbedingungen.“ (Leonhardt, 2000, S.21)
5.3
Vor- und Nachteile einer unterrichtlichen Integration hörgeschädigter
Kinder in die allgemeine Schule
Es ist sehr schwierig, pauschale Vor- und Nachteile für bzw. gegen die Integration eines
hörgeschädigten Kindes in die Regelschule zu nennen, da jeder Schüler, wie bereits
mehrmals erwähnt, einen anderen Grad, eine andere Art und je nach Persönlichkeit
völlig unterschiedliche Auswirkungen seiner Hörschädigung aufweist. Trotzdem
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79
werden immer wieder einige allgemeine Punkte genannt, die im wesentlichen auch
vielen der betroffenen Schülern entsprechen. Einige dieser Argumente sollen hier
aufgeführt werden, sie können aber lediglich eine Orientierung sein bei der Überlegung,
ob eine schulische Integration zu unterstützen oder abzulehnen ist, da die konkrete
Aufnahme eines hörgeschädigten Schülers in eine Klasse der Allgemeinen Schule
immer eine Einzelfallentscheidung sein wird und sein muss!
Meist beziehen sich die nachfolgenden Vor- und Nachteile auf die Einzelfallintegration,
da diese am häufigsten anzutreffen ist und auch Grundlage des praktischen Teils dieser
Arbeit bildet.
Nachteile:
Zunächst sollen einige äußere Bedingungen genannt werden, auf die weder das hörgeschädigte Kind noch Lehrer oder Mitschüler einen Einfluss haben, welche sich aber im
Unterricht nachteilig auswirken können.
In Regelschulen ist die durchschnittliche Klassenstärke weitaus höher, manchmal doppelt so hoch wie an den Schwerhörigen- oder Gehörlosenschulen. Gerade in den letzten
Jahren ist wieder ein Anstieg der Schüler pro Klasse zu bemerken, bis April 2001 liegt
die maximale Zahl von Schülern einer Klasse in der Regelschule bei 32. Es erscheint
einleuchtend, dass 30 Schüler in einer Klasse einen höheren Lärmpegel verursachen und
damit eine größere Konzentrationsfähigkeit von den einzelnen Kinder gefordert wird,
um dem Unterricht so gut folgen zu können, wie es in einer Klasse mit 15 oder weniger
Schülern der Fall wäre. Gerade für ein hörgeschädigtes Kind kann ein hoher und permanenter Störlärm auf Dauer gravierende Auswirkungen auf Konzentration und auch Verhalten haben, da dieses viel stärker beansprucht wird als ein normalhörendes Kind in
derselben Situation.
Ferner sind die akustischen Bedingungen in einem Klassenzimmer der allgemeinen
Schule bei weitem nicht so angepasst wie das in einer Schwerhörigen- oder Gehörlosenschule der Fall sein sollte. Ob und inwieweit der Klassenraum in einer allgemeinen
Schule zugunsten eines hörgeschädigten Kindes verändert werden kann ist meist eine
Sache des Engagements der Klassenlehrkraft, der Schulleitung und der Eltern.
In der Regelschule muss aus finanziellen Gründen auf technische Hilfsmittel wie eine
Klassenhöranlage oder computergestützte Lernprogramme speziell für hörgeschädigte
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80
Kinder verzichtet werden, mit welchen die Schwerhörigen- und Gehörlosenschulen in
den meisten Fällen ausgestattet sind.
Neben diesen äußeren Bedingungen, die sich ungünstig auf die Perzeptionsleistungen
und -möglichkeiten des betroffenen Schülers auswirken können, gibt es einige weitere
Argumente, welche gegen die schulische Integration eines hörgeschädigten Kindes in
die Allgemeine Schule sprechen.
Kommt ein hörgeschädigtes Kind in eine Regelklasse, deren Lehrkraft erstmals mit
Hörschädigung und vielleicht sogar Integration konfrontiert wird, so fehlt es dieser
meist an genügend Vorbildung, Wissen und auch Erfahrung in Bezug auf den betreffenden neuen Bereich. Dies darf kein Vorwurf sein, da die heute tätigen Regelschullehrer
meist kaum Wissen und Erkenntnisse in dem Gebiet der Integration oder gar der
Schwerhörigen- bzw. Gehörlosenpädagogik während ihres Studiums erworben haben.
Auch zusätzliche Schulungen und Ausbildungen werden nicht häufig angeboten und
wenn, dann oft nicht zu dem Zeitpunkt, zu dem Integration für den Lehrer in seiner
Klasse wirklich aktuell wird. Dieser verfügt demnach nicht immer über das nötige Wissen und Einfühlungsvermögen in Bezug auf die Problematik der Hörschädigung und
deren Konsequenzen und das hörgeschädigte Kind kann so unter Umständen in seinen
sonderpädagogischen Bedürfnissen vernachlässigt werden. Der betreffende Lehrer kann
sich zwar das fehlende Wissen selbst aneignen oder bei den entsprechenden Stellen
nachfragen, dieser Lernprozess braucht aber Zeit und geschieht nicht „über Nacht“ wie
das bei einer plötzlichen Einschulung eines betroffenen Kindes manchmal vonnöten
sein kann.
Bei der Einzelfallintegration ist das Kind allein mit seinen auf den Hörschaden zurückzuführenden Problemen und Schwierigkeiten. Manchmal ist es sogar das einzige hörgeschädigte Kind an der ganzen Schule und hat somit keinerlei Vergleichsmöglichkeiten
mit Kindern, denen es ähnlich ergeht. Es kann sich isoliert und sogar als „behindert“
stigmatisiert fühlen, selbst wenn niemand aus seinem Umfeld negative Bemerkungen
über die Hörschädigung macht. Für ein hörgeschädigtes Kind ist es in jedem Fall wichtig, die Erfahrung zu machen, dass es nicht „allein“ ist mit seiner Schwerhörigkeit oder
Gehörlosigkeit, sondern es andere Kinder mit ähnlichen Problemen und Auffälligkeiten
im Gegensatz zu den normalhörenden Schülern gibt. Es wäre hier somit Aufgabe der
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81
Eltern, ihrem Kind solche Begegnungen zu ermöglichen, da es in der Schule diese Erfahrungen kaum oder gar nicht machen kann.
In einer Klasse mit 25 oder mehr Schülern ist es sehr unwahrscheinlich, dass kein weiteres außer dem hörgeschädigten Kind bestimmte Probleme und Schwierigkeiten hat, auf
die der betreffende Lehrer näher eingehen muss. Er kann also nicht immer Rücksicht
auf das hörgeschädigte Kind nehmen und es kann durchaus vorkommen, dass der
Lehrer in einer stressigen Situation die akuten Bedürfnisse und Nöte des betroffenen
Kindes schlichtweg übersieht, weil er schon von anderen Schülern in Anspruch
genommen wird. Auch kann es der betreffenden Lehrkraft immer wieder schwer fallen,
gerade wenn sie erstmals ein schwerhöriges oder gehörloses Kind in der Klasse hat, sich
die Problematik der Hörschädigung und die daraus folgende geforderte Handlungsweise
während des gesamten Unterrichts gegenwärtig zu machen, da die anderen Schüler genauso individueller Hilfen bedürfen wie das betroffene Kind.
Eine weitere schwerwiegende Tatsache ist der Umstand, dass das hörgeschädigte Kind
oftmals Strategien entwickelt, die ihm dazu verhelfen, dass Kommunikationsprobleme
dem Lehrer und auch den Mitschülern nicht bewusst werden. Es kann so über längere
Zeit hinweg dem Unterricht scheinbar gut folgen und sich auch aktiv beteiligen, allerdings besteht die große Gefahr, dass irgendwann ein Zeitpunkt erreicht wird, an dem
das Kind trotz seiner Strategien und Kompensationsmöglichkeiten dem Unterricht nicht
mehr genügend folgen kann, um gute bis ausreichende Leistungen zu erzielen. In einer
Studie zur Regelbeschulung hörgeschädigter Grundschüler im Vereinigten Königreich
wurden diese Strategien deutlich. Die Autorinnen Susan Gregory und Juliet Bishop gelangten zu folgendem Fazit: „Auf diese Weise basiert viel von dem, was tatsächlich für
guten Dialog mit hörgeschädigten Kindern angesehen wird, nicht auf einem beidseitigen
Verständnis, sondern auf der vom Kind entwickelten Fähigkeit, den sozialen Anforderungen der Situation zu entsprechen.“ (1989, S.83) Dieses Ergebnis kann durchaus auch
auf deutsche integrierte hörgeschädigte Schüler angewandt werden, da die Entwicklung
von solchen Strategien unabhängig von der Muttersprache bei vielen schwerhörigen
oder gehörlosen Menschen beobachtet werden kann, die sie einsetzen um erfolgreich in
einer hörenden Umwelt zurechtzukommen und dort möglichst nicht als hörgeschädigt
aufzufallen.
Ein weiterer Aspekt, der die Regelbeschulung eines hörgeschädigten Schülers im Gegensatz zu einem Besuch der entsprechenden Förderschule negativer erscheinen lässt,
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82
ist die Tatsache, dass der Lehrplan der allgemeinen Schule für normalhörende Kinder
ausgelegt ist und somit gewisse Lernziele, die speziell auf die Bedürfnisse eines
schwerhörigen bzw. gehörlosen Kindes im Lehrplan der jeweiligen Förderschule
eingehen, entfallen. Hilfen, wie eine zusätzliche Sprech- und Spracherziehung, die für
ein schwerhöriges und vor allem gehörloses Kind meist von entscheidender Bedeutung
sind, da hier aufgrund der eingeschränkten auditiven Perzeption erhöhter Förderbedarf
besteht, kann der Regelschullehrer nicht geben, da er den Schüler hierzu einzeln fördern
müsste, wozu er weder zeitliche noch fachliche Voraussetzungen hat. Das hörgeschädigte Kind ist in diesem Bereich also auf zusätzliche Fördermaßnahmen neben dem täglichen Regelschulbetrieb angewiesen, was eine zusätzliche Belastung für das Kind sein
kann.
Die meisten Schüler in einer Regelklasse sind unaufgeklärt gegenüber der Thematik
Schwerhörigkeit und den daraus resultierenden Handlungsweisen, die dem hörgeschädigten Mitschüler in den zahlreichen für ihn schwierigen Sprachwahrnehmungs- und
Kommunikationssituationen helfen könnten. Es mag bei einer unzureichenden oder gar
fehlenden Thematisierung der Schwerhörigkeit innerhalb der Klasse zu negativen Bemerkungen der Mitschüler über die Hörschädigung des betroffenen Kindes kommen.
Auch hier ist es Sache der Lehrkraft, diese Aufklärung möglichst bald zu Anfang des
Schuljahres bzw. nach Beginn der integrativen Beschulung äußerst sensibel und einfühlsam durchzuführen. Dieser Anspruch kann einen Regelschullehrer unter Umständen
überfordern, wenn er sich selbst z.B. nicht kompetent genug im Umgang mit Hörgeschädigten und der Thematik Schwerhörigkeit fühlt. Unaufgeklärte Mitschüler, die dem
betroffenen Kind keine Hilfen und kein Verständnis entgegenbringen, können dessen
psychische Situation und seine Lernfähigkeit in der Klasse in solch einem Fall belasten
und erschweren.
Ein letzter Punkt, der hier genannt werden soll, ist die meist umfangreiche häusliche
Mitarbeit der Eltern oder zumindest eines Elternteils, um die durch den Hörschaden des
Kindes verursachten schulischen Defizite abzubauen und dadurch versäumten Unterrichtsstoff zu Hause nachzuholen. Ein hörgeschädigtes Kind, welches in Form der Einzelintegration die Regelschule besucht, kann einem höheren schulischen und sozialen
Stress ausgesetzt sein, als es dies in einer Gruppe von schwerhörigen bzw. gehörlosen
Schülern wäre. Dies lässt sich durch die zuvor erwähnten Aspekte begründen, Folge
davon ist dann, dass die Familie des Kindes zu Hause sehr viel von diesem Stress „aufwww.foepaed.net
83
fangen“ muss. Was im Unterricht unklar war, muss eventuell nachgearbeitet und erklärt
werden, bei erlittenen Hänseleien müssen die Eltern das Kind beruhigen und positiv
bestärken, ferner können zusätzliche hörgeschädigtenspezifische Therapien anfallen, zu
denen der betroffene Schüler nachmittags gefahren werden muss. Natürlich ist der Umfang dieser häuslichen Betreuung abhängig von den individuellen Fähigkeiten des
Kindes, dem Engagement der Eltern und des Lehrers und der Akzeptanz seitens der
Mitschüler. Unter Umständen kommt es so zu keiner großen „Mehrarbeit“ der Eltern im
Gegensatz zu einer Beschulung in der Förderschule. Trotzdem darf man die Tatsache
nicht verdrängen, dass viele Familie, die eine integrative Beschulung ihres hörgeschädigten Kindes miterleben, über eine große zusätzliche Belastung klagen.
Wie schon erwähnt können manche dieser Nachteile zutreffen, sie müssen aber nicht.
Es können auch, je nach individuellem Fall, weitere hinzukommen oder sich aus der
integrativen Beschulung nur Vorteile für das betroffene Kind und die Eltern ergeben. Zu
bedenken ist, dass die Situation eines hörgeschädigten Kindes in einer Allgemeinen
Schule von Fall zu Fall unterschiedlich ausfallen wird und differenziert gesehen werden
muss!
Vorteile:
Unter diesen Voraussetzungen sollen nun einige Vorteile genannt werden, welche die
schulische Integration eines hörgeschädigten Kindes in die Allgemeine Schule häufig
mit sich bringt.
In den meisten Fällen ist die Allgemeine Schule für das hörgeschädigte Kind näher gelegen und schneller zu erreichen, als die entsprechende Förderschule. Außerdem trifft
das Kind hier seine Freunde aus der Nachbarschaft wieder, sie haben vielleicht sogar
den gleichen Schulweg und können nachmittags zusammen Hausaufgaben machen.
Würde das betroffene Kind die Schwerhörigen- bzw. Gehörlosenschule besuchen,
müsste es jeden Tag weit fahren oder sogar im Internat wohnen, die dortigen Mitschüler
würden weiter entfernt wohnen und soziale Kontakte mit guthörenden Kindern würden
sich nur außerhalb der Schulwelt ergeben. Somit birgt ein Besuch der Regelschule den
Vorteil einer stärkeren Integration in die wohnortnahe Umgebung und einen Verbleib in
der Familie und dem gewohnten Freundeskreis. Das Kind wird bei der Einschulung
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nicht „ausgesondert“, es hat nicht das Gefühl „anders als die anderen“ zu sein, sondern
es erfährt die gleiche Behandlung wie die gleichaltrigen Kinder der Nachbarschaft.
Da das Kind hauptsächlich hörende Freunde in der Regelschule finden wird, findet
meist eine Identifikation mit dieser Gruppe statt. Das Kind wird dadurch noch stärker
das Gefühl haben „normal“ zu sein und sich seiner Behinderung weniger bewusst
werden als dies vielleicht in einer Förderschule der Fall wäre.
Von Vorteil in der Regelschule ist auch, dass das hörgeschädigte Kind hier lernt, sich
unter Hörenden durchzusetzen und zurechtzufinden. Da es das einzige betroffene Kind
in der Klasse kann sein wird, kann nicht ständig auf mögliche Nachteile und Einschränkungen, die sich bezüglich des Hörschadens ergeben, eingegangen werden. Das Kind
wird so zu einer größeren Selbstständigkeit erzogen, weil es lernen muss sich den Anforderungen in einer hörenden Umwelt zu stellen, d.h. immer wieder nachzufragen und
auf seine eingeschränkte auditive Perzeption aufmerksam zu machen.
Ein wichtiger Aspekt ist zudem das große lautsprachliche Angebot und das vermutlich
höhere Sprachniveau in der allgemeinen Schule. Die Sprechfertigkeit und Sprechverständlichkeit des hörgeschädigten Kindes wird jeden Tag, ob bewusst oder unbewusst,
im Vergleich mit den Fähigkeiten der hörenden Schüler gesehen, auch an sich selbst
wird das betroffene Kind aufgrund dieser Vorbilder einen höheren Maßstab legen. Es
erlebt in der Regelklasse eine weitgehend „normale“ Sprache der Mitschüler, die meist
altersgemäß ist und auf natürlichem Weg erlernt wurde. Es wird diesen Vorbildern
nacheifern bzw. ebenso sprechen wollen und ist somit stärker motiviert, auf seine Aussprache, Artikulation und Wortwahl zu achten, als dies vielleicht in der Schwerhörigenoder Gehörlosenschule der Fall wäre, in der Schüler mit Sprech- und Artikulationsproblemen zu kämpfen haben und hier innerhalb der Klasse meist nur der Lehrer als
sprachliches Vorbild gelten kann.
Der Erwerb einer Hörtaktik13, welches Voraussetzung für einen Hörgeschädigten für die
Kommunikation in der hörenden Umwelt ist, wird in der Regelschule erleichtert bzw.
ergibt sich hier von selbst.
13
Hörtaktik: Fähigkeit des Hörgeschädigten, soziale Situationen so zu gestalten oder zu beeinflussen,
dass im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten die eigene Teilhabe möglich bzw. erleichtert wird
(Leonhardt, 1999, S.220)
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85
Wie schon bei den Nachteilen erwähnt ließe sich die Liste der Vorteile, je nach Voraussetzungen und Fähigkeiten des einzelnen betroffenen Kindes, beliebig erweitern oder
würde sich eher verkürzen.
Es muss bei der Entscheidung, ob ein hörgeschädigtes Kind die Regelschule oder die
entsprechende Förderschule besuchen soll, in jedem einzelnen Fall neu nach den Vorund Nachteilen gesucht und eine individuelle Lösung gefunden werden, die dem betroffenen Kind je nach seinen individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten möglichst gerecht
wird.
Auswirkungen auf die Lehrkraft und Mitschüler:
Nicht nur für das einzelne hörgeschädigte Kind, auch für die Klasse und die unterrichtende Lehrkraft können sich Vor- und Nachteile eines gemeinsamen Lernens ergeben.
So kann es sein, dass der Lehrer mit der Situation nicht zurecht kommt. Er fühlt sich
möglicherweise überfordert und hat Angst, den Anforderungen des betroffenen Kindes
nicht gerecht zu werden.
Es kann auch passieren, dass einige Schüler der Klasse sich übergangen und vernachlässigt fühlen, weil der Lehrer sich sehr intensiv um die Bedürfnisse und Belange des hörgeschädigten Kindes kümmert und so unter Umständen anderen Kinder, für die es dringend notwendig wäre, zu wenig Hilfe und Aufmerksamkeit zukommen lässt.
Je nach Persönlichkeit und auch Belastbarkeit der einzelnen Lehrkraft und Zusammensetzung der Klasse kann sich das gemeinsame Lernen aber auch überwiegend vorteilhaft
und positiv für alle Beteiligten entwickeln. So lernen die Schüler im Umgang mit ihren
hörgeschädigten Mitschülern Berührungsängste gegenüber „Behinderten“ bzw. schwerhörigen- und gehörlosen Menschen abzubauen. Hörende und hörgeschädigte Kinder
lernen den lockeren Umgang miteinander. Rücksichtnahme, sich gegenseitig helfen,
sowie die Auseinandersetzung mit Problemen Hörgeschädigter gehören zum Alltag in
der Klasse und prägen das Sozialverhalten aller Schüler, was ihnen auch im späteren
Leben von großem Nutzen sein wird.
Im Bereich der Kommunikation gewöhnen sich die hörenden Schüler an Regeln, welche
nicht nur im Gespräch mit hörgeschädigten Menschen von Nutzen sind, sondern auch
im Umgang mit Hörenden zu konstruktiven Gesprächen und Diskussionen verhelfen
können.
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86
Sowohl das hörgeschädigte Kind als auch die hörenden Mitschüler lernen gemeinsam
miteinander und voneinander, was eigentlich nur eine Bereicherung für beide Seiten
bedeuten kann.
Damit ein hörgeschädigtes Kind eine Regelschule besuchen kann, müssen natürlich
auch zahlreiche Voraussetzungen erfüllt sein. Diese reichen von den vorschulischen
Fördermaßnahmen,
dem
Spracherwerb
(hörgerichtet
oder
gebärdensprachlich
orientiert), den geistigen Fähigkeiten und den Sprachwahrnehmungsleistungen bis hin
zum Engagement der Eltern und beteiligten Pädagogen. Eine genaue Darstellung und
Begründung dieser Voraussetzungen würde den Rahmen dieser Arbeit überschreiten,
trotzdem sei auf dieser Stelle darauf hingewiesen, da die Voraussetzungen bei der
Entscheidung für oder wider eine schulische Integration ebenfalls eine große Rolle
spielen.
5.4
Rechtliche Grundlagen für eine schulische Integration in Bayern
Wie schon unter 5.2. erwähnt sind die schulrechtlichen Bestimmungen zur Integration
in Deutschland nicht einheitlich. Die Aufnahme behinderter Schüler in die allgemeine
Schule ist jedoch immer auch von der personellen, räumlichen und sächlichen Ausstattung der jeweiligen Schule abhängig.
Eine Grundlage der schulische Integration in Bayern sind die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz vom 10.5.1996. Bei den „Empfehlungen zum Förderschwerpunkt
Hören“ ist unter dem Abschnitt „Sonderpädagogische Förderung im gemeinsamen Unterricht“ zu finden, dass hörgeschädigte Kinder und Jugendliche mit Sonderpädagogischem Förderbedarf bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen (z.B. sächliche und
räumliche Rahmenbedingungen, zusätzliche sonderpädagogische Förderung durch
Lehrkräfte mit entsprechender sonderpädagogischer Befähigung usw.) die allgemeine
Schule besuchen können.
Im Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz (BayEUG) von 1994 beschreibt
Artikel 19 die Aufgaben der Förderschulen wie folgt:
(1) Die Förderschulen erziehen, unterrichten, beraten und fördern Kinder und Jugendliche, die
behindert oder von Behinderung bedroht, krank oder vorübergehend in ähnlicher Weise in
ihrem Leistungsvermögen beeinträchtigt sind und deshalb sonderpädagogischer Förderung
bedürfen.
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(2) Die Förderschulen erfüllen diese Aufgaben
1. in eigenen Schulen für Behinderte
2. in Schulen für Kranke
3. in Schulvorbereitenden Einrichtungen der entsprechenden Schulen für Behinderte nach
Maßgabe des Art. 22
ferner im Rahmen der verfügbaren Stellen und Mittel
4. durch Mobile Sonderpädagogische Dienste zur Unterstützung der förderbedürftigen
Schüler in den Schulen anderer Schularten (allgemeine Schulen),
5. durch mobile sonderpädagogische Hilfe im Kindergarten
6. durch Zusammenarbeit im Rahmen der interdisziplinären Frühförderung.
Für hörgeschädigte Schüler, die in Bayern eine Regelschule besuchen und meist die
Einzelintegration erfahren, bedeutet dieses Gesetz, dass sie den Anspruch auf eine Mobile Sonderpädagogische Hilfe haben. Ferner werden noch räumliche und sächliche Anpassungen für das Kind in der Regelklasse vorgenommen, welches mit dem Besuch der
allgemeinen Schule auch die dort vorgegebenen Lernziele erreichen muss.
Im BayEUG wird auf die Mobilen Sonderpädagogische Dienste als Hilfe in den
Regelschulen hingewiesen. Dieser Dienst soll hier kurz näher erläutert werden.
Grundlage für folgende Darstellung soll dabei eine Veröffentlichung des Staatsinstituts
für Schulpädagogik und Bildungsforschung im Internet unter der Adresse:
www.stmukwk.bayern.de/schule/foerders.html sein.
Als Aufgabe des Dienstes wird eine Förderung für die allgemeine Schule und eine
Förderung durch die allgemeine Schule genannt.
Ein Sonderschullehrer oder eine Sonderschullehrerin, die „spezialisierte Diagnostiker
und Berater, aber auch Lehrbefähigte sein [müssen], d.h. Spezialisten für
sonderpädagogische
Förderung“
(siehe
Fachkompetenz
unter
www.stmukwk.bayern.de/schule/foerders.html) und sich fachlich für den Mobilen
Sonderpädagogischen Dienst interessieren, werden ausgewählt, um Regelschullehrer,
welche ein behindertes Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf in ihrer Klasse
unterrichten, zu beraten und zu unterstützen. Auch die Eltern und der betroffene Schüler
selbst sollen in die Betreuung durch den Mobilen Sonderpädagogischen Dienst
einbezogen werden.
Speziell für den Förderschwerpunkt Hören ergeben sich mehrere Hauptaufgaben für den
Mobilen Dienst:
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88
– Hörerziehung
– Sprachaufbau
– Lautsprachentwicklung und Sprechen
– Absehen
– Taktile Wahrnehmung
Dabei sollen die Sonderschullehrkräfte konkret folgenden Aufgaben nachkommen:
– Förderdiagnostik
– Förderung der betroffenen Schüler
– Zusammenarbeit mit den Klassenlehrern (vor allem dem Klassenleiter) und allen
Personen der Schule, die Unterricht und Erziehung verantwortlich mittragen
– Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten
– Zusammenarbeit mit außerschulischen Einrichtungen und Fachdiensten
Über den genauen zeitlichen Rahmen, der den Sonderschullehrkräften dabei pro Klasse
zur Verfügung steht, gibt es keine genauen Angaben, allerdings wird erwähnt, dass der
Mobile Dienst bei der Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs für jedes
betroffene Kind und den Lehrer einen Förderplan erstellt, der zunächst durch häufigere
Besuche in der Schule gekennzeichnet sein sollte, letztendlich aber auf einen „Weg des
Ablösens“, d.h. eine zunehmende Rücknahme der Förderung hinauslaufen sollte. Aufgrund eigener Nachfragen und Erkundigungen haben die Sonderschullehrkräfte aber
meist nur die Möglichkeit, alle 2 Monate einmal jeder zu beratenden Lehrkraft und den
Eltern, die bei diesen Gesprächen meist anwesend sind, einen Besuch abzustatten.
Abschließend wird in dem Artikel hingewiesen, dass bei aller bewährter Praxis der
Mobilen Sonderpädagogischen Dienste noch weitgehend eine Theorie der Mobilen
Sonderpädagogischen Dienste, aus der gültig abgeleitet werden kann, welche Bildungsaufgaben die Mobilen Sonderpädagogischen Dienste und die allgemeine Schule im Verbund übernehmen, fehle (vgl.:. www.stmukwk.bayern.de/schule/foerders.html).
Im Schuljahr 1999/2000 wurden an Bayerns allgemeinen Schulen weit über 9000
Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichtet und gleichzeitig durch die Mobilen Sonderpädagogischen Dienste gefördert. Dafür waren rund
300 Sonderschullehrer eingesetzt. Der Anteil der hörgeschädigten betreuten Kinder lag
dabei bei etwa 600. In den 10 Jahren seit bestehen des Mobilen Sonderpädagogischen
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89
Dienstes ist die Zahl der betreuten schwerhörigen oder gehörlosen Schüler an
allgemeinen Schulen stetig angewachsen. (Quelle: Staatsinstitut für Schulpädagogik und
Bildungsforschung) Nachfolgende Grafik soll dies näher verdeutlichen:
Abb. 32: Anzahl der betreuten Schüler durch den Mobilen Sonderpädagogischen
Dienst der letzten 10 Jahre im Vergleich
Eine Art Leitziel der Integration an allgemeinen Schule beschreibt Artikel 21 des
BayEUG:
Mobile Sonderpädagogische Dienste
Die allgemeinen Schulen können Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichten,
wenn zu erwarten ist, dass die Schüler die Lernziele dieser Schule erreichen und wenn der
sonderpädagogische Förderbedarf in Zusammenarbeit mit den Mobilen Sonderpädagogischen
Diensten erfüllt werden kann.
Im neuen Lehrplan der Grundschulen, der im Schuljahr 2001/2002 in Kraft treten soll
findet sich im ersten Kapitel der Punkt „Leben und Lernen mit Behinderten“. Hier wird
das Ziel der Zusammenarbeit zwischen Förderschulen und allgemeinen Schulen in
Unterricht und Schulleben betont. Die Schüler sollen „ … Einfühlsamkeit und Toleranz
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90
für das bisweilen andersartig wirkende Handeln von Menschen mit einer Behinderung
… entwickeln sowie Handlungsstrategien kennen … lernen, die auch im zukünftigen
Leben eine angemessene Begegnung von Behinderten und Nichtbehinderten anbahnen.“
(Amtsblatt B 1234 A, Teil I, Sondernummer 1 vom 25.9.2000, S.15) Die Integration
eines behinderten, z.B. hörgeschädigten Kindes in eine Regelklasse kann zur Erreichung
dieser Zielsetzung beitragen und Voraussetzung dafür sein.
Zwei praktische Beispiele von Einzelintegration ergeben sich im praktischen Teil dieser
Arbeit (siehe Punkt 6.), da hier zwei Regelklassen mit jeweils einem integrierten hörgeschädigten Kind beschrieben werden. Beide Klassen werden vom Mobilen Sonderpädagogischen Dienst betreut.
Weitere Praxisbeispiele zur Integration hörgeschädigter Kinder in allgemeinen Schulen
in der BRD sind in den folgenden Ausgaben der Zeitschrift „Spektrum Hören“, herausgegeben von der Bundesgemeinschaft der Eltern und Freunde Hörgeschädigter Kinder
e.V. zu finden:
Nr. 2 – Mai 2000: Themenschwerpunkt des Heftes: In der Regelschule
Nr. 3 – August 2000 : Themenschwerpunkt des Heftes: Integration…
Der theoretische Teil der Arbeit soll hiermit beendet werden und im folgenden werden
Vorbereitung, Durchführung und abschließende Bemerkungen zu den Stundeneinheiten
„Schwerhörigkeit“ und „Absehen“ in zwei integrativen Regelklassen dargestellt.
6. Durchführung der Stundeneinheiten „Schwerhörigkeit“
und „Absehen“ in zwei Regelklassen
6.1
Vorüberlegungen und Bemerkungen zu den zwei Regelklassen
Die im ersten Teil gewonnenen Erkenntnisse und Überlegungen sollten in einer praktischen Einheit den Schülern und auch der Lehrkraft einer Regelklasse mit einem integrierten schwerhörigen Kind nahegebracht werden, um das Verständnis von
Mitschülern und Lehrern hinsichtlich der Schwierigkeiten, aber auch der Bedeutung des
Absehens im Schulalltag zu fördern. Die Ergebnisse der Stundeneinheit sollten
schließlich bei der Erstellung des Merkblattes über das Thema „Absehen“ für
Regelschullehrer, die einen oder mehrere schwerhörige Schüler in ihrer Klasse integriert
haben, von Nutzen sein.
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91
Ich entschloss mich, die Stundeneinheit in zwei Regelklassen abzuhalten, um differenziertere Resultate aus dieser praktischen Einheit zu erhalten. Außerdem wurde mir
schnell klar, dass gerade in einer ersten Jahrgangsstufe zu Beginn des Schuljahres eine
Aufklärung über das Absehen sinnvoll und notwendig ist, da für die Schüler, wenn sie
ihren hörgeschädigten Mitschüler bzw. ihre Mitschülerin nicht schon aus dem Kindergarten kennen, der Umgang mit Schwerhörigkeit meist neu erlernt und erfahren werden
muss. Hier muss man aber sehr viel mehr Bild- und Anschauungsmaterial verwenden,
als dies in einer zweiten, dritten oder vierten Klasse nötig ist, da die Schüler der ersten
Klasse zu Beginn des Schuljahres noch kaum Lese- und Schreibkenntnisse haben.
Glücklicherweise gelang es mir, eine erste und eine zweite Klasse für mein Vorhaben
zu gewinnen. So wollte ich die Stundeneinheit einmal mit nur dem nötigsten
Wortmaterial für die erste Jahrgangsstufe gestalten, im zweiten Fall sollte die
Unterrichtsplanung hinsichtlich der ausreichenden Schreib- und Lesekenntnisse einer
zweiten Klasse abgeändert werden.
In der ersten Klasse befindet sich ein integrierter schwerhöriger Schüler. Im folgenden
soll diese Klasse der Einfachheit halber immer mit „Klasse 1“ bezeichnet werden, der
Schüler soll das Pseudonym „Paul“ erhalten. Die andere Klasse ist eine zweite Jahrgangsstufe mit einer schwerhörigen integrierten Schülerin. Diese Klasse wird im weiteren Text immer mit „Klasse 2“ benannt, die Schülerin mit dem Namen „Lisa“.
Um geeignete Klassen zu finden hatte ich bei den Schulleitern mehrerer Schulen angefragt. Ich hatte schnell Erfolg, da die meisten Schulleiter sehr angetan, interessiert und
erfreut über mein Projekt waren. Ich nahm mit zwei Lehrkräften an zwei verschiedenen
Schulen Kontakt auf und wir vereinbarten einen ersten Gesprächstermin, bei dem ich
mein Projekt kurz vorstellen sollte. Dabei handelte es sich, wie schon erwähnt, einmal
um eine erste und um eine zweite Jahrgangsstufe.
6.1.1
Gespräch mit der Klassleiterin der Klasse 1
Ende September 2000 traf ich mich mit der Lehrerin der Klasse 1, um meine geplante
Unterrichtseinheit zu besprechen. Die Lehrerin erzählte mir zunächst, dass noch am
ersten Schultag eine kurzfristige Umstrukturierung der beiden ersten Klassen stattgefunden habe, und sie eigentlich gar nicht damit gerechnet hatte, den schwerhörigen Schüler
in ihre Klasse zu bekommen. Folglich war sie völlig unvorbereitet auf diese Situation
gewesen und hatte sich erst in der ersten Schulwoche einige Informationen zum Thema
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Schwerhörigkeit und Integration besorgen können um sich erstmals mit dieser Thematik
zu befassen. Eilige Anfragen beim Mobilen Dienst, der schon bei der Anmeldung von
Paul an die Regelschule informiert worden war, konnten der Lehrerin auch nicht weiterhelfen, da die ihr zugeteilte Betreuungslehrerin aus Termingründen der Klasse und der
Lehrerin erst sechs Wochen nach Beginn des Schuljahres einen ersten Besuch abstatten
konnte. Auf meine Nachfrage hin erläuterte mir die Lehrerin, dass es auch im Vorfeld,
also noch vor den Sommerferien, als Pauls Einschulung in diese Grundschule schon klar
war, keine Informationen oder Vorbesprechungen für die betroffenen Lehrkräfte gegeben hatte. Da zum Zeitpunkt meines Gesprächs mit der Lehrerin der erste Besuch des
mobilen Dienstes noch nicht stattgefunden hatte, beantwortete ich ihr einige aktuelle
Fragen und wies sie auf Literatur zum Thema Schwerhörigkeit hin.
Der schwerhörige Schüler Paul hatte sich in den ersten Schultagen recht auffällig
benommen. Er wirkte auf die Lehrerin sehr zappelig und unruhig. Auf die Frage der
Lehrerin hin, ob hier die Schwerhörigkeit Ursache sein könnte, wollte ich mich nicht
auf eine Antwort festlegen, da ich den Schüler bis dahin ja noch nicht kannte. Ich
erwähnte jedoch, dass man diese Möglichkeit nicht ausschließen könne. Da die
Betreuungskraft des Mobilen Dienstes vermutlich jedoch viel mehr praktische
Erfahrung in diesem Bereich hatte empfahl ich der Lehrerin, mit dieser Rücksprache
über das Problem zu halten.
Ich erkundigte mich, inwieweit die Problematik des schwerhörigen Schülers in der
Klasse bereits angesprochen worden war. Da erst zwei Schulwochen stattgefunden
hatten und sich die Schüler zunächst an den Schulalltag und den Tagesablauf gewöhnen
mussten, war Pauls Schwerhörigkeit nur kurz angesprochen worden. Außerdem wollte
sich die Lehrerin noch besser über das Thema informieren, bevor sie dazu eine Unterrichtsstunde abhalten wollte. Ferner vermutete sie, dass vielleicht die Betreuungslehrerin vom Mobilen Dienst diese Aufgabe übernehmen könnte. Ich bot an, meine Unterrichtseinheit auf das Thema Schwerhörigkeit auszuweiten, da eine Kenntnis darüber
Voraussetzung für die Schüler ist, um ihnen das Absehen sinnvoll nahe bringen zu
können. Die Lehrerin zeigte sich sehr erfreut über meinen Vorschlag. Sie wollte lediglich mit dem Mobilen Dienst Rücksprache nehmen, um zu erfahren, ob die Betreuungslehrerin nicht schon Ähnliches geplant hatte. Ich wollte die Klasse und auch Paul auf
jeden Fall kennen lernen, bevor ich meine Unterrichtseinheit in der Klasse halten
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wollte. Wir vereinbarten deshalb einen Termin, bei dem ich dem Unterricht einige
Schulstunden lang zuschauen durfte.
Wenige Tage nach unserem Gespräch berichtete mir die Lehrerin, dass sich die ihr
zugeteilte Betreuungslehrkraft des Mobilen Dienstes sehr erfreut über meine geplante
Unterrichtseinheit sowohl zum Thema „Absehen“ als auch zum Thema „Schwerhörigkeit“ geäußert hatte. Aus Zeitmangel hatte sie keine Unterrichtsstunde in der Klasse 1
dazu eingeplant gehabt.
6.1.2
Paul
Vor meiner Unterrichtsmitschau in der Klasse telefonierte ich noch mit Pauls Mutter,
um ihr von meinem Projekt zu erzählen. Auch sie zeigte sich angetan von dem geplanten Vorhaben. Sie erhoffte sich ein ausgeprägteres Verständnis der Mitschüler gegenüber Pauls Schwerhörigkeit. Von ihr erhielt ich einige Informationen zu Pauls Hörverlust, dessen Erkennung im Alter von dreieinhalb Jahren und der darauf einsetzenden
vorschulischen medizinischen und therapeutischen Behandlungen und Untersuchungen.
Ich möchte diese Auskünfte mit Einverständnis von Pauls Eltern hier kurz wiedergeben,
um eine klareres Bild der Situation von Paul als hörgeschädigtem Schüler in einer
Regelklasse zu schaffen.
Pauls Geburt und seine ersten Monate verliefen ohne irgendwelche besonderen Probleme, seine Mutter, die Pauls Entwicklung immer mit der seiner zwei Jahre alten
Schwester verglich, konnte bis dahin keine gravierenden Unterschiede bemerken. Als
Paul im Alter von zwei Jahren immer noch mühsam Zweiwortsätze formulierte und
seine Sprachentwicklung kaum voranschritt konsultierte Pauls Mutter den Kinderarzt,
wo zahlreiche Tests, u.a. auch ein Hörtest vorgenommen wurden. Der Kinderarzt kam
zu dem Schluss, dass Pauls Entwicklung leicht verzögert sei, tat dies aber als eine Alltäglichkeit ab und riet der Mutter einfach abzuwarten, bis der nächste Entwicklungsschub einsetzen würde. Paul wurde nun zunehmend verhaltensauffällig, schnell wurde
er aggressiv oder reagierte für seine Eltern unverständlich auf gewisse Situationen. Bei
Pauls Mutter erhärtete sich der Verdacht, dass Paul an einer Hörstörung leiden könnte.
Als Paul drei Jahre alt wurde wandte sie sich an die Frühförderstelle ihres Wohnortes,
die wiederum einen Hörtest (Spielaudiometrie) durchführte. Auch hier waren die Ergebnisse durchschnittlich und eine Entwicklungsverzögerung wurde erneut als Erklärung
für Pauls Verhalten in Betracht gezogen. Diesmal aber ließ sich Pauls Mutter nicht
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überzeugen, sie wandte sich an die Kinder-HNO Abteilung der Uniklinik München und
bestand auf einem objektiven Hörtest. Die Leiterin der Abteilung weigerte sich zunächst, einen solchen Test durchzuführen, da Paul ja laut Hörtest der Frühförderstelle
über ein normales Hörvermögen verfügte. Der Einwand der Mutter, Paul habe in seinen
ersten Lebensjahren eine Strategie entwickelt, um seine Hörschädigung zu kompensieren und nur ein objektiver Hörtest könne ein unverfälschtes Ergebnis bringen, stieß zunächst auf Unglauben. Im Alter von dreieinhalb Jahren schließlich und nach wiederholten Forderungen der Eltern nach einer ERA14-Untersuchung führte man diese im
Klinikum Großhadern München durch. Es wurde dabei eine leicht- bis mittelgradige
Hörstörung an beiden Ohren festgestellt. Paul wurden sofort Hörgeräte angepasst,
außerdem setzte das Frühförderprogramm ein, in dessen Rahmen ein Mitarbeiter der
Frühförderstelle die Familie einmal pro Woche besuchte. Im Alter von vier Jahren besuchte Paul für ein Jahr die Heilpädagogische Tagesstätte in seinem Wohnort, gleichzeitig begann eine Therapie bei einer Logopädin, die über drei Jahre andauern sollte.
Nach dem einjährigen Besuch der Tagesstätte kam Paul für zwei Jahre in einen normalen Kindergarten, die Therapie bei der Logopädin wurde über diesen Zeitraum noch
weiter fortgesetzt.
Weitere medizinische Untersuchungen ergaben bei Paul als Ursache für seine Hörschädigung eine Verwachsung im Mittelohr sowie eine reduzierte Weiterleitung des Schalls
im Innenohr. Mittels Operation sollte diese Störung noch vor Schuleintritt behoben
werden, die Ärzte rechneten dann mit einem fast wieder normalen Hörvermögen für
Paul. Die Eltern hatte sich schon früh mit Pauls Einschulung befasst und mehrere
Schulen besucht, eine Sprachheilschule, eine Schwerhörigenschule, eine Montessorischule und auch die örtliche Regelgrundschule. Schließlich entschieden sich die Eltern
für eine Einschulung in die Regelschule, einmal weil Pauls Sprachstand durch die Therapie bei der Logopädin und viel elterlichem Einsatz wieder altersgemäß war, zum
anderen, da die kommende Operation Pauls Hörvermögen erheblich verbessern sollte
und die Regelschule viel näher an Pauls Wohnort lag als die anderen Schulen. Die
Operation wurde erst im Juli vor Schuleintritt und zunächst nur an einem Ohr
durchgeführt. Entgegen aller Erwartungen verlief der Eingriff negativ, es kam zum
14
ERA = Elektrische Reaktions-Audiometrie (engl. Evoked Response Audiometry) – ist die Messung
elektrischer Potentiale im Hörnerv, im Hirnstamm und in der Hirnrinde mit Hilfe eines Mittelwertrechners; gibt Auskunft über die Funktionsfähigkeit der verschiedenen Abschnitte der Hörbahn (Leonhardt,
1999, S. 218)
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Austritt von Flüssigkeit beim Entfernen der Verwachsung und nur mit großem Glück
konnten die Ärzte verhindern, dass Paul seine Hörfähigkeit auf diesem Ohr ganz
einbüßte. Die Eltern und auch die Ärzte sahen nun von weiteren Operationen ab. Pauls
Hörvermögen hatte sich auf dem operierten Ohr erheblich verschlechtert und Paul
mussten neue, diesmal digitale, Hörgeräte angepasst werden. Die Endanpassung von
Pauls neuen Hörgeräten sollte erst im Januar 2001 erfolgen, also schon einige Monate
nach Schuleintritt. Die Eltern des Jungen waren zunächst wieder verunsichert, ob eine
Einschulung in die Regelschule noch sinnvoll sei, sie meldeten Paul jedoch beim
Mobilen Dienst an und revidierten ihre Entscheidung nicht. Erwähnenswert scheint
auch, dass sich Pauls Mutter für die voraussichtlich nächsten vier Jahre von ihrem Beruf
hat beurlauben lassen, um ihren Sohn nachmittags zu Hause bei der Bewältigung der
schulischen Aufgaben behilflich sein zu können. Im September 2000 trat Paul dann in
die erste Klasse einer Regelschule ein.
Betrachtet man Pauls Tondiagramm, so zeigt sich eine mittel- bis hochgradige kombinierte Schallleitungs-Schallempfindungsschwerhörigkeit sowohl für das linke wie auch
für das rechte Ohr. Auf Pauls konkrete Hörsituation soll bei der Darstellung des Gesprächs mit dem Schüler (siehe 6.1.3.) eingegangen werden.
Abb. 33: Tonaudiogram von Paul vom 04. August 2000 (nach der Operation)
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96
Ich möchte nun kurz von meinem Unterrichtsbesuch in Klasse 1 berichten, bevor ich
auf mein Gespräch mit der Lehrerin von Klasse 2, Lisas Schwerhörigkeit und die Unterrichtsmitschau in Klasse 2 eingehen werde.
6.1.3
Unterrichtsmitschau in der Klasse 1
Mit der Lehrerin hatte ich abgesprochen, drei Unterrichtsstunden lang den Unterricht in
der ganzen Klasse mitzuverfolgen, um dann mit dem schwerhörigen Schüler Paul allein
zu sprechen und ihn über die geplante Unterrichtseinheit zu informieren. Dies sollte
einer eventuellen Unsicherheit des Schülers mir und den geplanten Stunden gegenüber
vorbeugen, außerdem hatte ich so die Möglichkeit, Paul noch besser kennenzulernen.
Gleich zu Anfang auffällig erschien mir in Klasse 1 die hohe Klassenstärke von 30
Schülerinnen und Schülern.
Da die große Schülerzahl in einem verhältnismäßig kleinen Klassenzimmer untergebracht war ergab sich laut Auskunft der Lehrerin zu der dreireihigen Sitzordnung (siehe
Abb. 34) kaum eine Alternative, da andernfalls auf die im hinteren Teil des Zimmers
untergebrachte Leseecke ganz hätte verzichtet werden müssen. Paul saß in der ersten
Sitzbank der Fensterreihe (siehe Abb. 34), ein Drehstuhl war bereits von der Klasslehrerin beantragt, aber zum Zeitpunkt meines ersten Unterrichtsbesuches im Oktober 2000
noch nicht bereitgestellt worden.
___ Lehrerpult ___
O
Paul
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Abb. 34: Sitzplan der Klasse 1
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Aufgrund der Tatsache, dass es sich um eine erste Klasse im ersten Drittel des Schuljahres handelte, war die mögliche Konzentrationsspanne bei den meisten Schülern noch
recht gering. Im Unterrichtsverlauf mussten zahlreiche Bewegungs- und Entspannungsübungen eingebaut werden, um einen effektiven Unterrichtsverlauf zu gewährleisten.
Trotz dieser Phasen war der Geräuschpegel bei z.B. Partnerarbeiten relativ hoch. Diese
Geräuschkulisse könnte der Grund für Pauls oft unruhiges und hektisches Verhalten in
diesen Situationen sein, da hier seine Konzentration vor allem im Bezug auf das (Zu-)
Hören sehr stark gefordert wird. Laut Auskunft der Lehrerin hatte sich Pauls Verhalten
aber im Vergleich zum Beginn des Schuljahres schon stark gebessert, da es ihm vermutlich zunehmend gelingt, die störenden Nebengeräusche zu kompensieren.
Zwei Schüler der Klasse verhielten sich während des gesamten Unterrichtsverlaufs sehr
auffällig, sie störten immer wieder durch Zwischenrufe oder lenkten die Aufmerksamkeit ihrer Mitschüler bewusst auf sich. Paul ließ sich immer wieder von diesem permanenten Störverhalten ablenken und es animierte ihn teilweise dazu, die Verhaltensweisen der beiden Schüler nachzuahmen. Die Lehrerin hatte schon mehrere Gespräche mit
den Schülern und auch deren Eltern geführt, was aber kaum eine Besserung bewirkt
hatte. Bei einem der beiden Schüler sollte in den nächsten Wochen entschieden werden,
ob ein Wechsel an eine Schule für verhaltensgestörte Kinder stattfinden sollte.
Als die Schüler selbstständig ein Arbeitsblatt ausfüllen sollten fragte ich Paul, ob er
seine Hörgeräte vielleicht ausmachen oder sogar abnehmen wolle, um ihm so eine Hörpause zu ermöglichen. Aber wie mir die Lehrerin schon erzählt hatte, weigerte er sich
dagegen mit der Begründung, er wolle alles hören. Auch ein Einzelgespräch von Paul
mit der Lehrerin einige Tage zuvor hatte ihn nicht überzeugen können, dass das Abschalten der Hörgeräte in bestimmten Situationen für ihn eine Erleichterung wäre.
Nach den drei Unterrichtsstunden ging ich mit Paul in ein separates Klassenzimmer, um
ihn auf die Thematik der geplanten Unterrichtseinheit vorzubereiten. Er wirkte zunächst
etwas unsicher konnte sich aber schnell an die Situation gewöhnen und ich erklärte ihm
kurz, wie die beiden Unterrichtstage über das Thema „Schwerhörigkeit“ und „Absehen“
verlaufen würden. Ich ließ ihn die Hörgeräte abnehmen und musste feststellen, dass
Paul, wenn man ihn nicht direkt anschaute auch aus geringer Entfernung fast gar nichts
rezipieren konnte. Mit Hörgeräten und zusätzlich der Möglichkeit, vom Mund abzusehen, konnte Paul alle Wörter die ich im vorsprach sofort wiedergeben.
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Ich fragte ihn, ob er damit einverstanden wäre, dass wir diese kleine Übung, einmal
Worte ohne und dann mit Hörgeräten zu hören und nachzusprechen, der ganzen Klasse
vorführen könnten. Paul erklärte sich ohne zu zögern einverstanden. Auch eine zweite
Demonstration, die ich kurz mit Paul übte, wollten wir der Klasse vorführen. Ich ließ
Paul wieder einige Worte nachsprechen, beim ersten Durchgang ohne Hörgeräte und
ohne die Möglichkeit, von meinem Mund abzusehen. Er konnte diesmal kein einziges
Wort rezipieren oder gar nachsprechen. Beim zweiten Durchgang hatte Paul wieder
seine Hörgeräte abgelegt, nur durfte er diesmal das Absehbild zum Verstehen der Worte
mitbenutzen. Diesmal konnte er viele Wörter nachsprechen, es unterliefen ihm nur
einige der typischen „Absehfehler“.
Wir besprachen noch, dass Paul seine alten Hörgeräte als Anschauungsmaterial zum
Unterricht mitbringen sollte und zum Ende des Gesprächs merkte Paul an, dass er sich
schon sehr auf die kommenden Stunden freue.
Zu Pauls Hörsituation lässt sich an dieser Stelle, soweit die kurzen Beobachtungen eine
wirkliche Beurteilung zulassen, sagen, dass er mit Hilfe des Absehens, welches er, wie
in dem kurzen Versuch bestätigt wurde, sehr gut beherrscht, seine Perzeptionslücken
recht erfolgreich schließen kann. Für Außenstehende sind kaum Auffälligkeiten oder
Schwierigkeiten bei der Sprachwahrnehmung erkennbar. Trotzdem wurde während des
kurzen Gesprächs mit Paul deutlich, wie angestrengt er teilweise zuhören muss, um
wirklich alles zu verstehen. Für eine unaufgeforderte Wiederholung von Sätzen, die er
offensichtlich nicht ganz verstanden hatte, wirkte er stets dankbar, fragte aber von selbst
nie nach. Als ich mich allerdings einmal bewusst von ihm abwandte und weitersprach
zupfte er mich kurz am Ärmel um mir zu signalisieren, dass er mein Mundbild zum Absehen nicht mehr ausreichend einsehen konnte. Dieses sind nur Feststellungen, die aufgrund des kurzen Gesprächs gemacht werden können, sie reichen aber nicht aus, um
Pauls Hörsituation konkret und fundiert beschreiben zu können. Hierfür wäre eine längere Beobachtung während des Unterrichts und eine genaue Analyse von einer längeren
Gesprächssituation vonnöten, was im Rahmen dieser Arbeit leider nicht möglich ist. Die
o.g. Hinweise auf Pauls Hörsituation können deshalb nur ein kleiner Anhaltspunkt für
die weitern Ausführungen sein.
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99
6.1.4
Gespräch mit der Klassleiterin der Klasse 2
Ungefähr drei Wochen nach Einsetzen des regulären Schulbetriebs nach den Sommerferien besuchte ich die Lehrerin der Klasse 2 zu einem ersten Gespräch. Ich erläuterte
ihr zuerst meine geplante Stundeneinheit und berichtete, dass ich in Klasse 1 auch das
Thema Schwerhörigkeit mit den Schülern behandeln würde, da diese es bisher im Unterricht noch nicht thematisiert hatten.
Die Lehrerin berichtete nun, dass auch in ihrer Klasse über Schwerhörigkeit nur sehr
kurz am Anfang der ersten Jahrgangsstufe im Laufe der ersten Unterrichtstage gesprochen worden war und auch nur in der Form, dass den Schülern nahegelegt worden war,
sie sollten Rücksicht und Verständnis für ihre schwerhörige Mitschülerin aufbringen.
Ähnlich wie in der Klasse 1 hatte auch diese Lehrerin erst am ersten Schultag im
Schuljahr 1999/2000 von der schwerhörigen Schülerin in ihrer Klasse erfahren. Als sie
zum ersten mal ihre neue Klasse betrat, wusste sie noch nicht einmal welche der Schülerinnen schwerhörig war, da sie in der Eile keinen Namen mitgeteilt bekommen hatte.
Die Lehrerin wurde von Lisas Mutter in den ersten Tagen über deren Schwerhörigkeit
aufgeklärt und der Einsatz der Mikroportanlage wurde ihr erläutert. Informationen zur
didaktischen Aufbereitung des Unterrichts mit einem integrierten schwerhörigen Kind,
zum Thema Integration und auch Schwerhörigkeit eignete sich die Lehrerin dann soweit
möglich selbst an. Die ihr zugeteilte Lehrerin des Mobilen Dienstes erschien aus Zeitgründen auch hier erst sechs Wochen nach Beginn des Schuljahres. Diese in größeren
Abständen stattfindenden Besuche seien sehr hilfreich, allerdings immer sehr kurz und
nur auf die nötigsten Fragen und Informationen beschränkt, was mit dem engen Terminplan der Betreuungslehrkraft zusammenhinge, erklärte mir die Lehrerin der Klasse 2.
Eine Literaturliste zum Thema Schwerhörigkeit hatte sie deshalb auch erst gegen Ende
des ersten Schuljahres vom Mobilen Dienst erhalten.
Ich erklärte mich auf Anfrage der Lehrerin natürlich sofort bereit auch hier das Thema
Schwerhörigkeit im Vorfeld der Schulstunden über das „Absehen“ mit den Schülern zu
besprechen, da hier ebenfalls diese Wissensgrundlage für die Klasse äußerst notwendig
und relevant war.
Über Lisa berichtete die Lehrerin mir, dass die Schülerin sich sehr gut in die Klasse eingefügt hatte und äußerst beliebt war. Allerdings hatte sie seit dem zweiten Schuljahr
immer öfter Arbeitsaufträge gar nicht ausgeführt oder unterbrochen mit der Bemerkung
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sie sei sehr müde. Lisa bemühe sich sehr, mit dem Lerntempo der Klasse Schritt zu halten, allerdings sei sie immer wieder von Aufgabenstellungen überfordert und zeige teilweise große Lernschwächen. Die Lehrerin deutete an, dass sie sich momentan sehr mit
der Möglichkeit auseinandersetze, Lisas Eltern doch zu einer Umschulung an die
Schwerhörigenschule zu raten.
Auch mit der Lehrerin aus Klasse 2 vereinbarte ich einen Termin zur einer Unterrichtsmitschau, um sowohl Lisa als auch die Klasse näher kennen zu lernen. Zunächst setzte
ich mich jedoch mit Lisas Eltern in Verbindung und erzählte ihnen von meinem geplanten Projekt in der Klasse. Auf Wunsch von Lisas Mutter trafen wir uns gemeinsam
mit der Lehrerin, um nochmals die geplanten Unterrichtsstunden zu besprechen. Die
Lehrerin bemerkte ferner, dass Lisa in letzter Zeit häufiger ihre Hörgeräte zu Hause
„vergesse“ oder nicht tragen wolle. In der Klasse seine nie negative Bemerkungen über
Lisas Hörgeräte oder ihre Schwerhörigkeit gefallen, allerdings scheine Lisa im Pausenhof oder auch außerhalb der Schule abfällige Aussprüche gehört zu haben und dies habe
bei ihr möglicherweise eine Verunsicherung im Umgang mit ihrer Hörschädigung zur
Folge. Lisas Mutter bestätigte diese Entwicklung, und sie, wie auch die Lehrerin,
äußerten die Hoffnung, dass sich Lisas Einstellung bei einer Thematisierung ihrer
Schwerhörigkeit vor der Klasse wieder positiver verändern könnte.
Bei dieser Gelegenheit erzählte mir Lisas Mutter kurz vom Beginn der Schwerhörigkeit
und den vorschulischen Fördermaßnahmen. Ich möchte diese Informationen nun kurz
aus denselben Gründen wie bei Paul schildern. Selbstverständlich haben sich auch Lisas
Eltern unter Vorbehalt der Anonymität der beschriebenen Personen mit dieser Darstellung in meiner Arbeit einverstanden erklärt.
6.1.5
Lisa
Im Januar 1993 wurde Lisa im Alter von nur sechs Monaten wegen einer Pneumokkoken-Meningitis ins Krankenhaus eingeliefert. Noch während des fünfwöchigen Aufenthalts im Kinderkrankenhaus wurde ein gravierender Hörverlust, besonders des linken
Ohres, festgestellt. Es erfolgten Untersuchungen im Kinderzentrum München und Lisa
wurden erste Hörgeräte angepasst. Gleichzeitig setzte auch die Frühförderung durch die
Frühförderstelle München ein.
Da Lisa gleichfalls starke motorische Probleme durch ihre Krankheit bekommen hatte
begann man im Alter von einem Jahr mit ihr mit der krankengymnastischen Therapie
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101
nach Vojta. Mit vier Jahren fing zusätzlich noch eine Ergotherapie an, die zwei Jahre
später durch spezielle Übungsstunden zur Förderung von Lisas Psychomotorik ergänzt
wurde. Im Alter von fünf Jahren begann sie außerdem regelmäßig mit einer Logopädin
zu üben, dieses Sprachtraining dauerte zwei Jahre, bis zu Lisas Schulbeginn, an. Mit
sechs Jahren besuchte Lisa eine schulvorbereitende Einrichtung ihres Ortes, die aber
nicht nur auf schwerhörige Kinder beschränkt war. Seit ihrem Schulbeginn erhält Lisa
regelmäßig Absehtraining in einer Praxis in München. Wie Lisas Mutter bemerkte stellen die vielen Therapien, zum jetzigen Zeitpunkt sind es vier verschiedene, eine erhebliche Belastung für die Familie dar, da Lisa vier Mal in der Woche nach der Schule zu
den unterschiedlichen Therapeuten gebracht werden muss, die sich leider alle relativ
weit entfernt von Lisas Wohnort befinden. Ferner müssen Lisas Eltern die jeweiligen
Übungen, die in den Therapiestunden für Lisa ausgearbeitet werden, zu Hause weiterführen. Zusammen mit ihren schulischen Aufgaben erscheint Lisa ihren Eltern deshalb
häufig überfordert, sie wollen jedoch keine der Therapien abbrechen, da sie für Lisas
Entwicklung, auch laut Meinung ihrer Ärzte, alle notwendig und unerlässlich sind.
Das Problem ihrer Einschulung beschäftigte auch Lisas Eltern schon früh. Sie zogen
sowohl die Schwerhörigenschule, die Sprachheilschule, die Regelschule als auch die
Montessorischule ihres Ortes in Betracht. Nach einem Besuch der vier Schulen gab ein
Vortrag in der Pädoaudiologischen Beratungsstelle für Schulanfänger 1998/99 den Ausschlag, dass die Eltern beschlossen, Lisa in der Regelschule anzumelden. Lisas Mutter
erwähnte zudem, dass sie Angst gehabt hatte, Lisas Chancen auf einen mittleren Bildungsabschluss, den sich Lisas Eltern erhoffen, wären in einer der beiden
Sonderschulen nur sehr gering. Der Vortrag habe sie in dieser Meinung bestätigt und
ihnen sei geraten worden, auf jeden Fall eine Integration in einer Regelschule zu
versuchen um den Eintritt in eine Sonderschule nach Möglichkeit zu vermeiden.
Trotzdem wandte Lisas Mutter ein, dass sie ihre Tochter sofort in die
Schwerhörigenschule umschulen lassen würde, sollte sich dies als notwendig und besser
für Lisas Entwicklung zeigen.
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102
Abb. 35: Tonaudiogramm von Lisa vom 10. August 2000
Lisas Tonaudiogramm zeigt eine hochgradige sensorineurale Schwerhörigkeit auf beiden Ohren, die links nur noch als resthörig im Sprachbereich bezeichnet werden kann.
Einige Bemerkungen zu Lisas Hörsituation sollen im Anschluss an die Beschreibung
des kurzen Gesprächs (siehe 6.1.6.) mit ihr erfolgen.
6.1.6
Unterrichtsmitschau in der Klasse 2
Anfang November 2000 besuchte ich die Klasse 2 um einen ersten Eindruck von den
Schülern und auch Lisa zu gewinnen. Die Klassenstärke von 23 Kindern war hier
wesentlich reduzierte als in Klasse 1. Deshalb war eine aufgelockertere und für Lisa
vorteilhaftere Sitzordnung möglich als in der 1. Klasse.
Ich wollte dem Unterrichtsgeschehen zwei Schulstunden lang beiwohnen um dann noch
mit Lisa ein Einzelgespräch über die geplante Unterrichtseinheit zu führen.
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103
Abb. 36: Sitzplan der Klasse 2
Die Lehrerin trug während des gesamten Unterrichts das Empfangsgerät einer FMAnlage. Wie sie mir zuvor schon erklärt hatte, wird dieses fast während des ganzen
Unterrichts, teilweise auch während der Sportstunden, eingesetzt.
In der ersten Stunde schrieben die Schüler ihre wöchentliche Nachschrift. Ich beobachtete dabei hauptsächlich Lisa und bemerkte, dass sie ganz offensichtlich
Schwierigkeiten hatte, dem Diktat zu folgen. Immer wieder blickte sie verstohlen zu
ihrer Nachbarin, sie fragte allerdings nie bei ihrer Lehrerin nach. Nachdem alle Schüler
ihre Hefte abgegeben hatten, durfte ich Lisas Nachschrift anschauen. Sie hatte, im
Gegensatz zu den vorherigen Nachschriften auffällig viele Fehler gemacht und teilweise
Satzteile ausgelassen. Gerade als ich deswegen bei der Lehrerin nachfragen wollte
bemerkte diese, dass sie ganz vergessen hatte, den Empfänger der FM-Anlage
einzuschalten. Sie fragte Lisa, warum diese ihr nicht gleich zu Anfang des Unterrichts
bescheid gesagt hatte, aber Lisa zuckte nur mit den Schultern. Später erläuterte mir die
Lehrerin, dass Lisa selten von selbst darauf hinweist, wenn die FM-Anlage einmal nicht
funktioniert, in diesem Falle konnte Lisas Nachschrift nicht gewertet werden, da sie ja
viel eingeschränkter das Gesagte rezipieren konnte als sonst üblich.
In der darauffolgenden Mathematikstunde sollten die Schüler selbstständig ein Arbeitsblatt ausfüllen. Lisa erklärte gleich zu Anfang, dass sie die Aufgabe nicht verstehe und
das Blatt nicht machen könne. Die Lehrerin schlug vor, sie solle es doch mit Hilfe des
Rechenschiebers versuchen. Lisa erklärte sich widerwillig dazu bereit, brach aber nach
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104
einiger Zeit in Tränen aus und wollte nicht mehr weiterarbeiten. Die Lehrerin bot ihr an,
mit mir in ein anderes Klassenzimmer zu gehen, damit ich Lisa auf die kommende
Unterrichtseinheit vorbereiten könne, gleichzeitig erklärte sie mir, dass es für Lisa
besser sei, von ihrem Problem ein wenig abgelenkt zu werden, anstatt sie dazu zu
bringen, die Aufgaben fertig zu lösen.
Während der beiden Unterrichtsstunden hatte eine recht ruhige Atmosphäre im Klassenzimmer geherrscht, die aber immer wieder von hauptsächlich drei Schülern gestört
wurde. Ein Schüler, er saß in der ersten Reihe auf einem Einzelplatz und war eigentlich
ständig im Blickfeld der Lehrerin, erzeugte in den wenigen unbeobachteten Momenten
immer wieder Geräusche, schnitt Grimassen zu den anderen Schülern, zupfte und riss
an der Kleidung, der in seiner Nähe sitzenden Schüler oder versetzte ihnen gar einen
Tritt unter dem Tisch. Dies verursachte teilweise aggressive Reaktionen der von ihm
angegriffenen Mitschüler. Die Lehrerin berichtete mir, dass sie schon verschiedenste
Bemühungen unternommen hatte, um ihn von seinem Verhalten abzubringen und ihn
auf das Unterrichtsgeschehen zu konzentrieren, was aber nur sehr schwer gelang. Selbst
als ich mich kurzzeitig neben den Schülern setzte und ihn zur Beteiligung im Unterricht
aufforderte, setzte er sein Störverhalten fort und reagierte erst, als ich mich direkt hinter
ihn stellte und ihm so den Blick auf die Mitschüler verwehrte. Natürlich war diese Maßnahme nur kurzzeitig möglich, er begann allerdings sofort, nachdem ich mich nur einige
Schritte von ihm entfernt hatte, wieder mit seinen störenden Aktivitäten.
Die beiden anderen Schüler lenkten ihre Mitschüler immer wieder durch Zwischenrufe,
störende Geräusche etc. ab, ungeachtet der Ermahnungen der Lehrerin. Bei allen drei
Schülern waren bereits psychologische Tests durchgeführt worden, die eine Umschulung in die Schule für individuelle Lernförderung bzw. die Schule für verhaltensgestörte
Kinder nahe legten. Da sich die Eltern der jeweiligen Kinder jedoch nicht einverstanden
mit dieser Maßnahme zeigten, würden aller drei Schüler voraussichtlich noch mindestens bis Ende des Schuljahres in der Klasse 2 bleiben.
In meinem Gespräch mit Lisa erklärte ich dieser, wie ich die kommenden Unterrichtsstunden geplant hatte. Sie wirkte sehr aufgeschlossen und erzählte mir von sich aus sehr
viel von ihren Therapien, der neuen FM-Anlage, die sie bald bekommen sollte und
zeigte mir stolz ihre neuen Ohrpasstücke mit Glitzersteinen. Sie war äußerst angetan
von der Idee, ihren Mitschülern ihre Hörgeräte zu zeigen und zu erklären, auch über die
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105
Ursache ihrer Schwerhörigkeit wollte sie etwas vor der Klasse berichten. Wie Paul war
auch Lisa einverstanden, der Klasse ihr Hörvermögen einmal mit und einmal ohne Hörgeräte „vorzuführen“. Wir übten dies kurz und Lisa konnte, zunächst ohne ihre Hörgeräte und ohne die Möglichkeit, von meinem Mund abzusehen, kaum ein Wort rezipieren
und anschließend nachsprechen. Mit Hörgeräten und der Möglichkeit, das Mundbild
mitzubenutzen, gelang dies jedoch fast fehlerfrei. Da Lisa bei dem Versuch, ohne Hörgeräte von meinem Mund abzusehen, sehr unsicher wirkte, obwohl sie fast alle Wörter
gut erkennen konnte, beschlossen wir, diese Übung in der Stunde über das Absehen
nicht mit einzubauen.
Ich hatte aber während des Gesprächs mit der Schülerin deutlich gemerkt, dass das Absehen für Lisa eine sehr wichtige Kommunikationshilfe war, da sie eigentlich ständig
auf mein Mundbild achtete.
Auch Lisa war schon sehr gespannt auf die kommenden Unterrichtsstunden und sagte,
sie fände es sei eine gute Idee in der Klasse über das Thema Schwerhörigkeit und auch
das Absehen zu reden.
Obwohl Lisa in der Klasse so gewirkt hatte, als habe sie immer alle Arbeitsanweisungen
und Bemerkungen ihrer Lehrerin verstanden, hatte ich in dem kurzen Gespräch feststellen können, wie anstrengend es für sie war, das Gehörte mit dem Mundbild zu kombinieren und das Gesagte zu ermitteln. Mehrmals fasste sie einen Satz oder eine Frage von
mir falsch auf, sie hatte meist ein Wort richtig verstanden, aber den Rest des Satzes
falsch kombiniert. So fragte ich sie z.B. :“Warum hast du denn bei der Matheübung geweint? Hast du die Aufgaben nicht verstanden?“ Lisa antwortete mir daraufhin: „Doch,
ich habe alles verstanden, was du mir gesagt hast.“ Als ich die Lehrerin nach dem Gespräch mit Lisa fragte, ob ihr Ähnliches auch schon aufgefallen sei, bestätigte sie mir,
dass sie Verständnisschwierigkeiten bei Lisa bereits vermutet hatte, diese allerdings nur
schwer feststellen könne, da Lisa sehr selten Nachfragen stelle, wenn sie etwas nicht
verstehe, sondern sich bei ihrer Nachbarin erkundige oder ihre Mitschüler beobachte,
und den nicht verstandenen Arbeitsauftrag auf diese Weise ermittle. Lisas Hörsituation
ist also auch wie die von Paul geprägt von der Notwendigkeit des Absehens, welches sie
neben der eingeschränkten auditiven Wahrnehmung nutzt, um das Gesprochene zu verstehen. Aufgrund der Beobachtungen während des Unterrichts ist sie anscheinend sehr
stark auf die Hilfe ihrer Banknachbarin angewiesen, die Lisa in unklaren Situationen
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immer wieder weiterhilft und so deren Perzeptionsschwächen und damit verbundene
Verständnisschwierigkeiten für die Lehrkraft und auch die Mitschüler fast unbemerkt
ausgleicht. Da auch in Lisas Fall aufgrund der kurzen Zeit nur eine ungenügende Beobachtung möglich war, können die hier genannten Fakten nur Vermutungen in Bezug
auf Lisas wirkliche Hörsituation sein.
6.2
Darstellung der beiden Stundeneinheiten „Schwerhörigkeit“ und „Absehen“
Ich entschloss mich bei Erarbeitung der Artikulationsschemata die vier Unterrichtsstunden an zwei Tagen in den beiden Klassen durchzuführen. Zum einen erschien mir das
sinnvoll, da vier Unterrichtsstunden hintereinander, in denen völlig neue Themen und
Begriffe auf die Schüler einströmen würden, diese sicher überfordert hätten. Zum anderen wollte ich die Stunde über das Thema „Schwerhörigkeit“ bewusst von der Unterrichtseinheit über das Thema „Absehen“ separieren, um den Schülern mehr Zeit zur
inneren Verarbeitung des bearbeiteten Unterrichtsstoffes zu geben.
Im folgenden Abschnitt sollen die beiden Doppelstunden, wie sie zur Durchführung in
den beiden Klassen geplant waren, aufgezeigt werden. Darüber hinaus findet eine kurze
Erläuterung und Begründung der einzelnen Artikulationsstufen statt. Die Doppelstunden
„Schwerhörigkeit“ und „Absehen“ wurden für die zweite Klasse geringfügig abgeändert, was anschließend auch beschrieben werden soll.
6.2.1
Artikulationsschema zur Stundeneinheit „Schwerhörigkeit“ in Klasse 1
Grobziel: Die Schüler sollen erfahren, was der Begriff „Schwerhörigkeit“ bedeutet und
diese Zusammenhänge mit ihrem hörgeschädigten Mitschüler in Verbindung bringen
Feinziele: Die Schüler sollen:
– selbst erleben, was es bedeutet, weniger zu hören
– den Personenkreis der Schwerhörigen kennenlernen
– Ursachen erfahren, die eine Schwerhörigkeit bedingen können
– Die wichtigsten Bestandteile eines HdO-Geräts erkennen und benennen können
Behindertenspezifische Maßnahmen:
– individuelle Hörgeräte
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107
– vermehrt Anschauungsmaterial (Tafelbilder, Wortkarten, Folie)
Ziele
Inhalte
Motivation: eigenes S15 bekommen in der VorvierHandeln und
telstunde „Ohropax“, arbeiten
Erleben
bis 8.00 eigenständig weiter
Hinführung
Stummer Impuls:
Tafelbild
2. Feinziel: den
Personenkreis der
Schwerhörigen
kennenlernen
Zielangabe: Wir
wollen heute über
schwerhörige
Menschen reden
Medien
Zeit
(Min.)
Freies Arbeiten in d.
Vorviertelstunde vor
dem offiziellen
Unterrichtsbeginn
Ohropax
15
15
L signalisiert Unterrichtsbeginn, S tragen weiterhin
Ohropax
1.Feinziel: Erleben, L liest Geschichte vor; im
Hintergrund Störgeräusche
was es bedeutet,
weniger zu hören
Reflexion: S
berichten, wie es
ihnen mit eingeschränktem Hörvermögen ergangen
ist
Methoden
Lehrervortrag
Buch:
“DerTurmbau
zu Babel“
Kassettenrecorder (Störgeräusche)
S entfernen Ohropax; sie dür- Lehrerfen berichten, wie es ihnen mit /Schülergespräch
vertäubten Ohren ergangen ist
(wann war es besonders
schwierig…)
10
10 Bilder von
Menschen aller
Altersgruppen –
Ohren sind gelb
markiert
Tafelbild „Schwerhörige Menschen“; S betrachten Bilder
und bemerken gelbe Markierungen
S überlegen, was alle diese
Menschen gemeinsam haben –
schwerhörig
Wortkarte wird als Überschrift
an die Tafel gehängt
Wortkarte
„schwerhörig“
S erzählen von eigenen Erfahrungen mit Schwerhörigen
(L:„Du kennst sicher jemanden, der schwerhörig ist“)
Paul wird als schwerhöriger
Mensch erkannt;
3.Feinziel:Erfahren, wie man
schwerhörig
werden kann
Paul erzählt, wie er schwerhörig geworden ist; er hängt
die Wortkarte „warum“ an die
Tafel
Schülervortrag
Wortkarte
„warum“
15
S stellen weitere Vermutungen Lehrer15
Bei der Darstellung der Artikulationsstufen werden die Wörter Lehrerin und Schüler mit L bzw. S
abgekürzt
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108
/Schülergespräch
an, wie man schwerhörig
werden kann
S hängen entsprechende Bilder
zu den genannten Ursachen auf
9 Bilder für
mögliche
Ursachen von
Schwerhörigkeit
Demonstration von
Schwerhörigkeit an
einem konkreten
Beispiel
Paul demonstriert zusammen
mit der L seine Schwerhörigkeit – er soll 10 Wörter einmal
ohne und einmal mit Hörgeräte verstehen und wiederholen
Reflexion: S bringen ihre Gefühle
über das eben Erlebte zum Ausdruck
S äußern Meinung über das
eben Erlebte
S: Hörgeräte sind notwendig
für einen Schwerhörigen
4.Feinziel:Kennenlernen und benennen der wichtigsten Bestandteile
eines HdO-Gerätes
S lernen die Bestandteile eines
Hörgerätes anhand von Pauls
alten HdO-Geräten kennen
alte HdO-Geräte 20
S beschriften gemeinsam mit
dem L das Bild eines HdOGerätes mit entsprechenden
Wortkarten
Schematische
Darstellung des
HdO-Gerätes; 6
passende Wortkarten
Sicherung: Folie
und Arbeitsblatt
6.2.2
Lehrer/Schülergespräch
15
S erarbeiten gemeinsam mit
der L eine Folie mit Aufgaben
zu „Schwerhörig-warum?“ und
„Das Hörgerät“
S bearbeiten entsprechendes
AB dazu selbstständig
15
Lehrer- /Schülerdemonstration
Folie 1
Selbstständige
Schülerarbeit
Arbeitsblatt 1
Bemerkungen zu den einzelnen Artikulationsstufen der Doppelstunde „Schwerhörigkeit“ in Klasse 1
Gleich zu Anfang, als ich mit den beiden Lehrkräften den zeitlichen Rahmen für die
geplante Unterrichtseinheit festlegte wurde mir klar, dass zwei Schulstunden zur Thematisierung von „Schwerhörigkeit“ mit den wichtigsten Aspekten eigentlich nicht ausreichend sein würden. Allerdings war es im Rahmen meiner Arbeit und auch von der
zeitlichen Einteilung der Lehrerinnen her nicht möglich, mehr als insgesamt vier Schulstunden für dieses „außerlehrplanmäßige“ Projekt aufzubringen.
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Die obige Darstellung der Doppelstunde zum Thema „Schwerhörigkeit“ ist für die 1.
Jahrgangsstufe konzipiert, es wurden für die 2. Jahrgangsstufe nur geringfügige Änderungen vorgenommen, trotzdem soll diese Darstellung im Anschluss ebenfalls gezeigt
und kurz erläutert werden.
Grundsätzlich war mir wichtig, bei der erstmaligen Behandlung von „Schwerhörigkeit“,
wie es ja in beiden Klassen der Fall war, die Schüler selbst erleben zu lassen, was es
eigentlich heißt, seine Umwelt nicht oder nur eingeschränkt auditiv wahrnehmen zu
können. Ich selbst hatte einen solchen Versuch im Rahmen eines Seminars an der Universität schon einmal zu Beginn meines Studiums mitgemacht und ihn als sehr wichtige
Erfahrung für meine weitere Arbeit mit hörgeschädigten Kindern empfunden. Ich entschloss mich deshalb, den Schülern noch vor Unterrichtsbeginn die Ohren zu vertäuben,
um sie auf diese Weise schon während des freien Arbeitens und im lockeren Gespräch
mit ihren Freunden erfahren zu lassen, was es heißt in alltäglichen Situationen schlechter zu hören. Gleichzeitig sollten die Schüler aber auch die Erfahrung machen, wie es
ist, während des Unterrichts über ein nur eingeschränktes Hörvermögen zu verfügen.
Ich beschloss, den Schülern zu Beginn des Unterrichts, wenn sie die Ohren noch
vertäubt hatten, eine Geschichte vorzulesen. Hier würden sie ganz aufs Hören und
Zuhören angewiesen sein, zusätzlich wollte ich während des Vorlesens noch störende
Geräusche einbauen, um den Schülern bewusst zu machen, wie sehr Nebengeräusche,
vor allem bei einer erschwerten auditiven Perzeption, die Möglichkeit einer
erfolgreichen Teilnahme am aktuellen Unterrichtsgeschehen einschränken können.
Wichtig war mir, dass die Schüler im Anschluss an diese neue Erfahrung ihre Gefühle
und Empfindungen mitteilen konnten. So sollte ihnen bewusst werden, wie anstrengend
und auch hinderlich ein reduziertes Hörvermögen im Unterricht sein kann, gerade wenn
durch eine laute Umgebung auf dieses keine Rücksicht genommen wird. Ferner wollte
ich sie in diesem kurzen Unterrichtsgespräch dazu anregen darüber nachzudenken wie
es wohl wäre, immer so schlecht zu hören. Dies sollte schon einen ersten Anstoß geben,
um den Schülern bewusst zu machen, welche Tragweite und Folgen ein dauerhafter
Hörschaden mit sich bringt.
In einem nächsten Schritt wollte ich den Schülern nahe bringen, dass Schwerhörigkeit
alle Menschen, egal welcher Altersgruppe oder welchen Geschlechts, betreffen kann.
Mehrere Bilder von alten und jungen Leuten, deren Ohren ich jeweils gelb markierte,
plante ich als „stummen Impuls“ für die Schüler an die Tafel zu hängen, damit sie von
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selbst die entsprechenden Schlüsse ziehen konnten. Sobald die Schüler erkannt hatten,
dass alle diese Menschen schwerhörig waren, sollte die Wortkarte „schwerhörig“ als
Überschrift und gleichzeitig auch Zielangabe für die beiden Unterrichtsstunden an die
Tafel gehängt werden.
Auch hier wollte ich den Schülern Zeit geben, von eigenen Erfahrungen mit Schwerhörigen zu berichten bzw. zu überlegen, ob sie überhaupt einen schwerhörigen Menschen
kennen. Dies sollte auf Paul aufmerksam machen, der ja als Schwerhöriger ständig mit
den Schülern zusammen ist, als solcher vielleicht aber gar nicht wahrgenommen wird.
Da ich nicht alle Bereiche, die im Zusammenhang mit Schwerhörigkeit von Relevanz
sind, innerhalb der kurzen Zeit ansprechen konnte und die Schüler auch nicht zu sehr
überfrachten wollte, beschloss ich mich konkret an Paul als schwerhörigem Schüler zu
orientieren und seine Erfahrungen direkt in die nächsten Schritte mit einzubauen.
Zunächst wollte ich mögliche Ursachen für Schwerhörigkeit ansprechen. Hier sollte
Paul zunächst berichten, wie und wann es bei ihm zu seinem Hörverlust gekommen
war. Abschließend sollte er als weitere Überschrift die Frage „warum“ an die Tafel
hängen. Anschließend war geplant, die Schüler Vermutungen über weitere auslösende
Faktoren für Schwerhörigkeit aufstellen zu lassen. Ich hatte mehrere Bilder vorbereitet,
die diese Ursachen veranschaulichen sollten und die die Schüler an die Tafel hängen
durften.
Ich wollte in der ersten Klasse nicht zu viele Wortkarten und neue Wörter verwenden,
welche die Schüler noch gar nicht lesen konnten, da sie erst einige Buchstaben gelernt
hatten, sondern mich nur auf die notwendigsten Begriffe beschränken, die mir, trotz
unbekannter Buchstaben, für die Schüler sehr wichtig erschienen. Zu diesen zählten die
Wörter „schwerhörig“ die Frage „warum“ (dieses Wort war den Schülern bereits bekannt) und später einige Begriffe zum Hörgerät. Für die zweite Klasse wollte ich weitere Begriffe verwenden, wie später noch näher erläutert werden soll.
Nachdem die Schüler so etwas über mögliche Auslöser für Schwerhörigkeit gelernt
hatten, plante ich eine direkte Demonstration der Schwerhörigkeit von Paul bzw. in der
zweiten Klasse von Lisa. In den Gesprächen mit den beiden Schülern hatte ich ja bereits
abgeklärt, dass diese Vorführung vor der Klasse stattfinden sollte. Beide Kinder waren
einverstanden gewesen und wir hatten den Ablauf bereits einmal geübt. So wollte ich
dem betroffenen Kind zuerst ohne Hörgeräte 10 Wörter, möglichst von hinten vorsprechen, ohne mein Mundbild zu zeigen. Hier würden die Mitschüler erleben, dass sowohl
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Lisa als auch Paul ohne Hörgeräte und ohne die Möglichkeit abzusehen auch aus geringer Entfernung eigentlich nichts verstehen konnten. Im zweiten Durchlauf sollten Paul
bzw. Lisa die Hörgeräte wieder anlegen und dieselben 10 Wörter sollten ihm bzw. ihr
vorgesprochen werden. Diesmal sollten sie auch das Absehen mitverwenden dürfen und
würden so vermutlich alles verstehen. Ich wollte an dieser Stelle bewusst erreichen,
dass die Schüler alles wiederholen konnten, was ich vorsprach, da es mein Ziel war, den
Mitschülern möglichst drastisch den Unterschied mit und ohne Hörgeräte zu zeigen. In
der geplanten Doppelstunde über das Absehen wollte ich dann darauf hinweisen, dass
die Hörgeräte allein für Schwerhörige häufig nicht ausreichen, um Sprache vollständig
perzipieren und identifizieren zu können.
Die Schüler sollten an dieser Stelle wieder ihre Meinung äußern dürfen und in diesem
Unterrichtsgespräch wollte ich gemeinsam mit den Schülern zu der Erkenntnis gelangen, dass Hörgeräte für einen schwerhörigen Menschen unentbehrlich sind.
Da sowohl Paul als auch Lisa ihre Hörgeräte jeden Tag in der Schule tragen und sie
somit zum Alltag der Klasse gehören, wollte ich wenigstens die wichtigsten Bestandteile den Schülern näher bringen. Paul und Lisa hatten sich einverstanden erklärt, alte
Hörgeräte von sich mitzubringen, die die Mitschüler betrachten und auch anfassen
durften. Trotzdem wollte ich auf den hohen Preis eines Hörgerätes hinweisen, um den
Kindern bewusst zu machen, wie sorgsam man auf diese technischen Geräte achten
muss. Gemeinsam mit Paul bzw. Lisa wollte ich die wichtigsten Bestandteile eines
HdO-Gerätes, wie es beide betroffenen Kinder tragen, erläutern, ich hatte außerdem ein
großes Bild einer solchen Hörhilfe vorbereitet, die wir alle gemeinsam mit den passenden Wortkarten beschriften wollten.
Zuletzt hatte ich Arbeitsblatt 1 vorbereitet (siehe Anhang), welches zunächst auf Folie
bearbeitet werden sollte und dann die Schüler in Einzelarbeit selbst ausfüllen sollten.
Beim Arbeitsblatt für die erste Klasse beschränkte ich mich aus den selben Gründen wie
schon zuvor erwähnt nur auf die wichtigsten Begriffe. Im ersten Teil sollten die Ursachen für Schwerhörigkeit wiederholt werden. Aufgabe für die Kinder sollte hier sein,
die Bilder auszumalen und in das freie Kästchen sollte jeder Schüler individuell malen
dürfen, was seiner Erfahrung nach für seine Ohren einmal besonders gefährlich war. Im
zweiten Teil sollten die Bestandteile des Hörgerätes wiederholt werden, hier waren die
wichtigsten Begriffe aufgelistet und die Schüler mussten sie richtig mit den entsprechenden Teilen des HdO-Gerätes verbinden. Für diese Aufgabe erschien mir die Vorarwww.foepaed.net
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beit auf Folie besonders wichtig, da nicht alle Schüler in der Lage sein würden, die einzelnen Begriffe vollständig zu lesen.
6.2.3
Artikulationsschema zur Stundeneinheit „Schwerhörigkeit“ in der Klasse 2
und ergänzende Bemerkungen
Grobziel: Die Schüler sollen erfahren, was der Begriff „Schwerhörigkeit“ bedeutet und
diese Zusammenhänge mit ihrer hörgeschädigten Mitschülerin in Verbindung bringen
Feinziele: Die Schüler sollen:
– selbst erleben, was es bedeutet, weniger zu hören
– den Personenkreis der Schwerhörigen kennenlernen
– Ursachen erfahren, die eine Schwerhörigkeit bedingen können
– Die wichtigsten Bestandteile eines HdO-Geräts erkennen und benennen können
Behindertenspezifische Maßnahmen:
– individuelle Hörgeräte
– vermehrt Anschauungsmaterial (Tafelbilder, Wortkarten, Folie)
Ziele
Inhalte
Methoden
Motivation: eigenes S bekommen in der Vorviertel- Freies Arbeiten in d.
stunde „Ohropax“, arbeiten bis Vorviertelstunde vor
Handeln und
8.00 eigenständig weiter
Erleben
dem offiziellen
Unterrichtsbeginn
Hinführung
L signalisiert Unterrichtsbeginn, S tragen weiterhin
Ohropax
=> Morgenkreis
1.Feinziel: Erleben, L liest Geschichte vor; im
Hintergrund Störgeräusche
was es bedeutet,
weniger zu hören
Zeit
(Min.)
Ohropax
15
20
Gestaltet von Lehrerin
der Klasse 2
Lehrervortrag
Reflexion: S
berichten, wie es
ihnen mit eingeschränktem Hörvermögen ergangen
ist
S entfernen Ohropax; sie dür- Lehrerfen berichten, wie es ihnen mit /Schülergespräch
vertäubten Ohren ergangen ist
(wann war es besonders
schwierig…)
Stummer Impuls:
Tafelbild
Tafelbild „Schwerhörige Men-
www.foepaed.net
Medien
Buch:
“DerTurmbau
zu Babel“
Kassettenrecorder (Störgeräusche)
10 Bilder von
10
113
Menschen aller
Altersgruppen –
Ohren sind gelb
markiert
schen“; S betrachten Bilder
und bemerken gelbe Markierungen
2. Feinziel: den
Personenkreis der
Schwerhörigen
kennenlernen
Zielangabe: Wir
wollen heute über
schwerhörige
Menschen reden
S überlegen, was alle diese
Menschen gemeinsam haben –
schwerhörig
Wortkarte
„schwerhörig“
Wortkarte wird als Überschrift
an die Tafel gehängt
S erzählen von eigenen Erfahrungen mit Schwerhörigen
(L:„Du kennst sicher jemanden, der schwerhörig ist“)
Lisa wird als schwerhöriger
Mensch erkannt;
3.Feinziel:Erfahren, wie man
schwerhörig
werden kann
Lisa erzählt, wie sie schwerhörig geworden ist; sie hängt
die Wortkarte „warum“ an die
Tafel
Schülervortrag
S stellen weitere Vermutungen Lehrer/Schülergespräch
an, wie man schwerhörig
werden kann
S hängen entsprechende Bilder
zu den genannten Ursachen auf
S ordnen die Bilder den
entsprechenden Wortkarten zu
Sicherung: Folie
und Arbeitsblatt
S erarbeiten gemeinsam mit
der L Folie „Schwerhörigwarum?“
S bearbeiten Arbeitsblatt
„Schwerhörig-warum?“
selbstständig
Demonstration von
Schwerhörigkeit an
einem konkreten
Beispiel
Lisa demonstriert zusammen
mit der L ihre Schwerhörigkeit Lehrer- /Schülerdemonstration
– sie soll 10 Wörter einmal
ohne und einmal mit Hörgeräte
verstehen und wiederholen
Reflexion: S bringen ihre Gefühle
über das eben Erlebte zum Ausdruck
4.Feinziel:Kennenlernen und benen-
www.foepaed.net
S äußern Meinung über das
eben Erlebte
S: Hörgeräte sind notwendig
für einen Schwerhörigen
S lernen die Bestandteile eines
Hörgerätes anhand von Lisas
alten HdO-Geräten kennen
Wortkarte
„warum“
15
9 Bilder für
mögliche
Ursachen von
Schwerhörigkeit
Wortkarten:
Krankheit
Unfall
Lärm
Vererbung
Folie 2,
Arbeitsblatt 2
20
10
Lehrer/Schülergespräch
alte HdO-Geräte 20
114
nen der wichtigsten Bestandteile
eines HdO-Gerätes
S beschriften gemeinsam mit
der L das Bild eines HdOGerätes mit entsprechenden
Wortkarten
L und Lisa erklären gemeinsam den Mitschülern die neue
FM-Anlage
Sicherung: Folie
und Arbeitsblatt
Schematische
Darstellung des
HdO-Gerätes;
Wortkarten:
ein/aus;Batterie
laut/leise;Ohrpassstück;Mikrofon;Schlauch
S erarbeiten gemeinsam mit
der L eine Folie mit Aufgaben
zu „Das Hörgerät“ und „Die
FM-Anlage“
Folie 3
Arbeitsblatt 3
15
S bearbeiten entsprechendes
AB dazu selbstständig
Selbstständige
Schülerarbeit
Für die zweite Jahrgangsstufe hatte ich geringfügige Änderungen im Ablauf der
Stunden eingeplant. So wollte ich die Ursachen für Schwerhörigkeit auch noch durch
Wortkarten festhalten, da die Schüler bereits alle Wörter gut würden lesen können.
Weiterhin hatte ich eine erste Sicherung durch das Arbeitsblatt 2 (siehe Anhang) nach
der Besprechung der Gründe für Schwerhörigkeit eingeplant. Ich hatte so Arbeitsblatt 1,
welches in der ersten Klasse verwendet worden war aufgeteilt in Arbeitsblatt 2 und 3.
Da Lisa während des Unterrichts immer eine FM-Anlage trug und noch dazu eine neue
drahtlose Anlage von Phonak erhalten hatte, die erst in der Klasse vorgestellt werden
musste, baute ich neben der Besprechung der Hörgeräte auch die Erklärung dieser
Anlage ein. Ich wollte die Schüler auf die neuen Funktionen und erweiterten
Einstellungsmöglichkeiten der Anlage aufmerksam machen und ihnen den Audio-Schuh
sowie das Funkmikrofon zeigen. Auf der entsprechenden Folie und Arbeitsblatt 3 (siehe
Anhang) sollten die Schüler dann den Aufbau eines HdO-Geräts und der FM-Anlage
zum Schluss der Stundeneinheit wiederholen.
Da die Doppelstunde „Schwerhörigkeit“ nur knapp im Rahmen von 90 Minuten zu halten gewesen war und ich für Klasse 2 einige Erweiterungen eingeplant hatte, fragte ich
die Lehrerin von Klasse 2, ob ich gegebenenfalls auch mehr als 90 Minuten einplanen
könne. Da dies kein Problem war, plante ich hier von Anfang an mehr Zeit ein.
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115
6.2.4
Artikulationsschema zur Stundeneinheit „Absehen“ in Klasse 1
Grobziel: Die Schüler sollen das Absehen als zusätzliche Kommunikationshilfe
kennen-lernen und im Hinblick auf ihren hörgeschädigten Mitschüler die wichtigsten
Absehregeln erfahren
Feinziele: Die Schüler sollen:
– erkennen, dass Hörgeräte ein eingeschränktes Hörvermögen nicht vollständig
ausglei-chen können
– das Absehen als zusätzliche Kommunikationshilfe kennenlernen
– selbst ihre Absehfähigkeiten ausprobieren
– anhand der eigenen Erfahrungen mit dem Absehen dessen Grenzen bemerken
– die wichtigsten Absehregeln kennenlernen
Behindertenspezifische Maßnahmen:
– individuelle Hörgeräte
– vermehrt Anschauungsmaterial (Tafelbilder, Wortkarten, Folie)
Ziele
Inhalte
Methoden
Medien
Zeit
(Min.)
Wiederholung:
Berichte der Erfahrungen mit vertäubten Ohren zu
Hause;
Wiederholung der
Inhalte von der
Stundeneinheit
„Schwerhörigkeit“
S berichten von ihren
Erfahrungen mit vertäubten
Ohren
Anhand der Folie 1 von AB 1
werden Ursachen von
Schwerhörigkeit und Aufbau
eines Hörgerätes wiederholt
S lösen Rätsel
(Labyrinth) auf dem
Arbeitsblatt „Anna
sucht“
Lehrer-/Schülergespräch
Folie 1
15
Selbstständige
Schülerarbeit
Folie 4, Arbeitsblatt 4
Motivation:
stummer Impuls:
Bild Snoopy
S betrachten Bild von Snoopy:
erkennen gelb markierte
Ohren=>assoziieren Hörgeräte, Schwerhörigkeit
Lehrervortrag
L erklärt Schülern die
Problemstellung: Snoopy hört
trotz Hörgeräten nicht genug;
zur Verdeutlichung wird die
Simulation eines beeinträchtigten Hörvermögens von
Kassette vorgespielt
1.Feinziel:Erkennen, dass Hörgeräte ein eingeschränktes Hörvermögen nicht vollständig ausgleichen können
S beschreiben ihre Eindrücke
2. Feinziel: Das
Absehen als zusätz-
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Lehrer-/Schülergespräch
Bild Snoopy
10
Kassette mit
simulierter
Hörstörung
10
116
liche Kommunikationshilfe kennenlernen
L fragt nach Möglichkeiten um
fehlendes Hören zu
kompensieren
S machen Vorschläge
L spricht Wort ohne Stimme
vor => S sehen Wort ab =>
Erkennen Absehen als
Kommunikationsfaktor
L hängt Wortkarte „das
Absehen“ als Überschrift an
die Tafel
Demonstration:
Paul und L zeigen
dessen gute Abseh- Demonstration von L und Paul:
Paul versucht ohne Hörgeräte
fähigkeiten
zuerst 10 Wörter ohne, dann
mit der Möglichkeit, das
Mundbild der L zu sehen,
nachzusprechen
3.Feinziel: die S
Schülerreaktionen
sollen selbst ihre
L zeigt den S Photos von
Absehfähigkeiten
Mundbildern => versuchen
ausprobieren
durch eigenes Nachmachen die
4.Feinziel:S sollen zugehörigen Laute zu erraten
S sollen sehen: es ist
anhand der eigenen
schwierig, nur durch
Erfahrungen mit
das Absehbild den
dem Absehen
richtigen Laut zu
dessen Grenzen
erkennen (manche
bemerken
Mundbilder für
mehrere Laute)
Übung: S sollen
ganze Wörter nur
anhand von gezeigten Mundbildern
erraten
5. Feinziel:
Kennenlernen der
wichtigsten Absehregeln
Sicherung:
Arbeitsblatt
„Absehen“
6.2.5
Wortkarte „das
Absehen“
Lehrer-/Schülergespräch
S raten 2 Tiernamen, 2
Vornamen und das Wort „toll“
anhand vorgegebener Mundbilder
evtl. Hilfen der L
L zeigt Folie, macht
Situationen darauf vor
S sollen erkennen,
welche Situation
ungünstig für das
Absehen ist
S bearbeiten selbstständig das
Arbeitsblatt „Absehen“
10
Lehrer-/Schülerdemonstration
Abbildungen
der Mundbilder
der deutschen
Sprache
15
Plakat mit 2
Tiernamen
Plakat mit 2
Vornamen
Plakat mit Wort
„toll“
10
10
Lehrervortrag und
Lehrer-/Schülergespräch
Selbstständige
Schülerarbeit
Arbeitsblatt 5
10
Bemerkungen zu den einzelnen Artikulationsstufen der Doppelstunde
„Absehen“ in Klasse 1
Zu Anfang der zweiten Unterrichtseinheit wollte ich den Schülern auf jeden Fall genügend Zeit geben, von ihren Erfahrungen zu Hause mit vertäubten Ohren zu berichten.
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117
Anhand von Folie 1 sollten dann die Inhalte der Stunden zu „Schwerhörigkeit“ wiederholt werden. Als Überleitung zum Thema „Absehen“ wollte ich zunächst auf die erschwerte Hörsituation eines hörgeschädigten Kindes aufmerksam. Dabei sollte Snoopy
als schwerhöriger Schüler mit seinen Problemen beim Perzipieren von Sprache in seiner
Klasse vorgestellt werden. Ich wollte so zunächst einmal unabhängig von Paul den
Schülern klar machen, dass Hörgeräte nie wie eine Brille funktionieren und die Sinneseinschränkung vollständig ausgleichen können. Snoopy sollte erst einmal neutral mit
seinen Problemen dargestellt werden, später wollte ich dann eine Verknüpfung zur Situation in Klasse 1 herstellen. Da ich Snoopys Ohren gelb markierte hatte hoffte ich die
Kinder würden sehr schnell auf dessen Problematik aufmerksam werden. Ich wollte
Snoopys eingeschränkte auditive Perzeption trotz des Tragens von Hörgeräten anhand
eines kurzen Abschnitts einer simulierten Darstellung des Höreindrucks eines sensorineural Hörgeschädigten von Kassette vorspielen. Anschließend sollten die Schüler ihre
Eindrücke von dem eben Gehörten beschreiben und Vorschläge machen dürfen, wie
man das eingeschränkte Hören kompensieren könnte. Ich wollte daraus sehen, ob die
Schüler schon jemals etwas vom „Absehen“ oder „Lippenablesen“ gehört hatten. Falls
sie diese Kommunikationsmöglichkeit noch nicht kannten, wollte ich sie anhand eines
einfachen Beispieles von selbst darauf bringen. Das Wort „das Absehen“ wollte ich hier
auf jeden Fall auch schriftlich festhalten und als Wortkarte an die Tafel hängen.
Da Paul, wie in dem kurzen Gespräch mit ihm zu sehen gewesen war, stark auf das Absehen angewiesen war und dieses sehr gut beherrschte wollte ich, wie zuvor mit ihm
besprochen, der Klasse vorführen, wie viel man eigentlich ohne zu hören, nur über das
Mundbild, an zuvor unbekannten Wörtern erkennen kann. Die Schüler sollten auch hier
wieder Gelegenheit haben, sich zu dem Gesehenen kurz zu äußern.
Nach der kurzen Demonstration sollten die Schüler das Absehen selbst einmal üben. Ich
hatte dazu Abbildungen von Mundbildern vorbereitet, welche die Schüler anhand von
Nachmachens und Beispielwörtern, die ich ihnen gegebenenfalls als Hilfen nennen
wollte, erraten sollten. Ich plante hier, den Schülern nicht alle Mundbilder zu zeigen,
sondern nur einige, hauptsächliche jene Laute, die sie auch schriftlich als Buchstaben
schon gelernt hatten. Die Lehrerin von Klasse 1 sollte die bereits erratenen Bilder an die
Tafel hängen und die entsprechenden Laute darunter schreiben.
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118
Zur Übung sollten die Schüler dann insgesamt 5 Wörter, die man lediglich durch die
Mundbilder erraten konnte, „absehen“. Auch hier wollte ich wenn nötig kleine Hilfen
geben, z.B. indem ich die Wörter lautlos vorsprach oder sogar ganz leise flüsterte.
Nachdem die Schüler sich so selbst im Absehen geübt hatten, wollte ich auf die wichtigsten Kommunikationsregeln aufmerksam machen. An dieser Stelle sollte
hingewiesen werden auf die Notwendigkeit für Paul, neben dem Hören auch absehen zu
müssen. Den Schülern sollte klar sein, dass sie vor allem im Umgang mit ihm gewisse
Regeln beachten müssen, diese aber auch bei Gesprächen mit normalhörenden Personen
beachten sollten.
Ich hatte ein Arbeitsblatt entworfen (Arbeitsblatt 5, siehe Anhang), welches ich
zunächst auf Folie mit den Schülern bearbeiten wollte. Sie sollten immer zwischen 2
Gesprächssituationen von Snoopy mit seinem Freund entscheiden. In einem Fall ist das
Absehen als zusätzliche Kommunikationshilfe berücksichtigt, in dem anderen nicht. Um
die Situationen zu verdeutlichen, wollte ich das Verhalten des „Freunds“ auf dem Blatt
kurz vormachen.
Anschließend sollten die Schüler das Arbeitsblatt selbstständig bearbeiten, d.h. die
falschen Situationen durchstreichen und die richtigen farbig anmalen.
6.2.6
Artikulationsschema zur Stundeneinheit „Absehen“ in Klasse 2 und ergänzende Bemerkungen
Grobziel: Die Schüler sollen das Absehen als zusätzliche Kommunikationshilfe
kennenlernen und im Hinblick auf ihre hörgeschädigte Mitschülerin die wichtigsten
Absehregeln erfahren
Feinziele: Die Schüler sollen:
– erkennen, dass Hörgeräte ein eingeschränktes Hörvermögen nicht vollständig
ausgleichen können
– das Absehen als zusätzliche Kommunikationshilfe kennenlernen
– selbst ihre Absehfähigkeiten ausprobieren
– anhand der eigenen Erfahrungen mit dem Absehen dessen Grenzen bemerken
– die wichtigsten Absehregeln kennenlernen
Behindertenspezifische Maßnahmen:
– individuelle Hörgeräte
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119
– vermehrt Anschauungsmaterial (Tafelbilder, Wortkarten, Folie)
Ziele
Inhalte
Methoden
Motivation: eigenes
Ereleben eines
eingeschränkten
Hörvermögens
Alle S, die beim letzten mal
keine Ohrstöpsel bekommen
hatten, dürfen nun auch in der
Vorviertelstunde und während
des Morgenkreises mit
vertäubten Ohren den
Unterricht erleben
Unterrichtsbeginn:
=> Morgenkreis
Freies Arbeiten vor
Unterrichtsbeginn
S berichten von ihren
Erfahrungen mit vertäubten
Ohren
Anhand der Folie 2 und 3
werden Ursachen von
Schwerhörigkeit und Aufbau
eines Hörgerätes wiederholt
=> S lösen Rätsel (Labyrinth)
auf dem Arbeitsblatt „Anna
sucht“
Lehrer-/Schülergespräch
Wiederholung:
Berichte der Erfahrungen mit vertäubten Ohren jetzt und
zu Hause;
Wiederholung der
Inhalte von der
Stundeneinheit
„Schwerhörigkeit“
Medien
15
Gestaltung von der
Lehrerin der Klasse 2
Folie 2, 3
S betrachten Bild von Snoopy:
erkennen gelb markierte
Ohren=>assoziieren Hörgeräte, Schwerhörigkeit
Bild Snoopy
1.Feinziel:Erkennen, dass Hörgeräte ein eingeschränktes Hörvermögen nicht vollständig ausgleichen können
Lehrervortrag
L erklärt Schülern die
Problemstellung: Snoopy hört
trotz Hörgeräten nicht genug;
zur Verdeutlichung wird die
Simulation eines beeinträchtigten Hörvermögens von
Kassette vorgespielt
=> Zusätzliche Folie „Optische
Darstellung einer
Hörschädigung“ um das
Gehörte zu veranschaulichen
S beschreiben ihre Eindrücke
Kassette mit
simulierter
Hörstörung
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L fragt nach Möglichkeiten um Lehrer-/Schülergespräch
fehlendes Hören zu
kompensieren
S machen Vorschläge
L spricht Wort ohne Stimme
vor => S sehen Wort ab =>
Erkennen Absehen als
Kommunikationsfaktor
L hängt Wortkarte „das
Absehen“ als Überschrift an
die Tafel
15
Folie 4,
Arbeitsblatt 4
Motivation:
stummer Impuls:
Bild Snoopy
2. Feinziel: Das
Absehen als zusätzliche Kommunikationshilfe kennenlernen
Zeit
(Min.)
15
Folie 6
10
Wortkarte „das
Absehen“
120
3.Feinziel: die S
sollen selbst ihre
Absehfähigkeiten
ausprobieren
L zeigt den S Darstellungen
von Mundbildern =>
versuchen durch eigenes
Nachmachen die zugehörigen
Laute zu erraten
S sollen sehen: es ist
schwierig, nur durch
das Absehbild den
richtigen Laut zu
erkennen (manche
Mundbilder für
mehrere Laute)
4.Feinziel:S sollen
Zur Verdeutlichung,
anhand der eigenen
das manche Wörter
Erfahrungen mit
ein exakt gleiches
dem Absehen
Absehbild
dessen Grenzen
hervorrufen: Einsatz
bemerken
mehrerer
Wörter+Wortkarten
Lehrer-/Schülergespräch
Übung: S sollen
ganze Wörter nur
anhand von gezeigten Mundbildern
erraten
S raten 2 Tiernamen, 2
Vornamen und das Wort „toll“
anhand vorgegebener Mundbilder
evtl. Hilfen der L
5. Feinziel:
Kennenlernen der
wichtigsten Absehregeln
L zeigt Folie, macht
Situationen darauf vor
Lehrervortrag und
S sollen erkennen,
Lehrer-/Schülerwelche Situation
gespräch
ungünstig für das
Absehen ist
Falsche Situation wird
durchgestrichen
Sicherung:
Arbeitsblatt
„Absehen“
S bearbeiten selbstständig das
Arbeitsblatt „Absehen“
Selbstständige
Schülerarbeit
Abbildungen
der Mundbilder
der Laute der
deutschen
Sprache
Wortkarten:
Butter, Mutter,
Pute
Wein, fein
drehen, nähen
taufen, laufen
20
Plakat mit 2
Tiernamen
Plakat mit 2
Vornamen
Plakat mit Wort
„toll“
10
10
Folie 5
Arbeitsblatt 5
10
Ich hatte die Stundeneinheit „Absehen“ für Klasse 2 für 90 Minuten konzipiert, die Lehrerin hatte mir aber zugesichert, dass ich gegebenenfalls auch noch in der dritten Schulstunde weitermachen könne, falls ich die Zeit noch brauche.
Eine Änderung im Gegensatz zum Ablauf in Klasse 1 war durch den Wunsch der Schüler gegeben, die sich beim ersten Mal die Ohren nicht hatten vertäuben lassen, dies
unbedingt doch noch zu wollen. Ich plante also ein, dass diese Kinder in der Vorviertelstunde und während des Morgenkreises diese Erfahrung noch nachholen durften.
Bei der anschließenden Reflexion über die Erlebnisse mit vertäubten Ohren zu Hause
sollten diese Kinder natürlich auch ihre aktuellen Eindrücke schildern dürfen.
www.foepaed.net
121
Da die Schüler der Klasse 2 schon alle Buchstaben beherrschten wollte ich die Simulation einer Hörschädigung noch mit der Folie „Optische Darstellung eines Hörschadens“
(Folie 6, siehe Anhang) verdeutlichen.
Da ich mit Lisa vereinbart hatte, dass wir ihre Absehfähigkeiten nicht vor der ganzen
Klasse demonstrieren wollten, fiel dieser Schritt im Gegensatz zum Ablauf bei Klasse 1
weg. Dafür plante ich in Klasse 2 von vorneherein ein, alle Mundbilder erraten zu lassen, sofern die Schüler sich lange genug würden konzentrieren können. Die Schwierigkeiten des Absehens wollte ich zusätzlich noch anhand einiger Wortkarten verdeutlichen. Ich plante hier, den Schüler je zwei Wortkarten mit Wörtern, die gesprochen
dasselbe Absehbild hervorrufen würden zu zeigen und anschließend würde ich eines der
Wörter ohne Stimme sprechen, die Schüler sollten erraten welches ich gesagt hatte. Hier
sollte deutlich werden, dass manche Wörter nur durch das Absehen nicht unterschieden
werden können, und somit Absehen immer mit Hören verbunden werden muss.
Alle weitern Schritte plante ich ebenso wie für Klasse 1.
6.3
Reflexionen zu den Stundeneinheiten „Schwerhörigkeit“ und „Absehen“ in
den beiden Regelklassen16
Nach der vorangegangen Darstellung der Stundenbilder sollen nun die Abläufe in den
beiden Klassen beschrieben werden. Hierbei sind vereinzelt Abweichungen zum jeweiligen vorher geplanten Artikulationsschema feststellbar. Diese Änderungen mussten
spontan vorgenommen werden, um auf die aktuelle Situation in der entsprechenden
Klasse besser eingehen zu können.
Allgemein möchte ich bemerken, dass die geplante Doppelstunde nur in der ersten
Klasse zum Thema „Schwerhörigkeit“ zeitlich eingehalten werden konnte, beim Thema
„Absehen“ und bei beiden Themen in der Klasse 2 musste noch eine dritte Schulstunde
hinzugenommen werden, da die zahlreichen Schülerfragen und Bemerkungen die eingeplanten Zeiteinheiten weit überschritten. Im nachhinein lässt sich daraus folgern, dass
vom Interesse und Bedürfnis der Schüler ausgehend eigentlich viel mehr Unterrichtszeit
in die gewählten Thematiken investiert werden könnte und müsste, um Nachfrage und
Forderung nach mehr Wissen sowohl der betroffenen als auch der hörenden Schüler
befriedigen zu können.
16
Alle verwendeten Arbeitsblätter (= Vorlagen für Folien) sind im Anhang zu finden
www.foepaed.net
122
6.3.1
Ablauf der Schulstunden zum Thema „Schwerhörigkeit“ in Klasse 1
Ich hielt die ersten beiden Unterrichtsstunde am 13.12.00 in der Klasse 1 zu Beginn des
Unterrichtstages. Vor dem Eintreffen der ersten Schüler hängte ich die Bilder von
schwerhörigen Menschen an die Innenseite der Tafel. Beim Eintreffen der ersten Schüler erklärte ich ihnen, dass sie heute etwas besonderes ausprobieren dürften. Die Kinder
bekamen je zwei Ohrstöpsel, allerdings stellte sich heraus, dass ich allen beim Befestigen des Ohropax in der Ohrmuschel helfen musste. Einige Schüler weigerten sich
vehement dagegen, sich die Ohren vertäuben zu lassen, sie wurden dazu auch nicht gezwungen, ich machte sie allerdings darauf aufmerksam, dass für sie das nachfolgende
„Experiment“ nicht so anschaulich sein würde wie für die übrigen Kinder. Paul fragte,
ob er seine Hörgeräte herausnehmen und ebenfalls Ohrstöpsel benutzen sollte, ich erklärte ihm aber, dass die anderen Kinder alle so schlecht hören sollten wie er ohne Hörgeräte und machte ihm den Vorschlag, dass er seine Hörgeräte einfach ausschalten
könne, um ungefähr so gut zu hören wie die anderen Kinder, die ihre Ohren vertäubt
hatten. Insgesamt 16 Schüler der Klasse, also gut die Hälfte, hatten schließlich Ohropax
in ihre Ohren bekommen, allerdings hatte die Vorviertelstunde für diese Maßnahme nur
knapp ausgereicht. Die ersten Reaktionen waren sehr bezeichnend, fast alle machten ein
erstauntes Gesicht und es fielen Bemerkungen wie „Ich hör nix mehr“, „Ich hör ja gar
nix“, „Kann ich’s wieder wegmachen, ich versteh sonst nix“. Einige Schüler fingen an,
sich gegenseitig zuzubrüllen, um das Verstehen zu erleichtern. Ich erklärte den Schülern, dass sie die Ohrstöpsel noch einige Zeit tragen und sich überlegen sollten, was
momentan anders für sie war als sonst. Die Schüler setzten sich zu Beginn der ersten
Schulstunde an ihre Plätze, ich erklärte ihnen, dass ich eine Geschichte vorlesen würde.
Bewusst versuchte ich dabei in normaler Lautstärke zu lesen, zunächst ohne störende
Nebengeräusche. Es gab bereits hier erste Proteste in Form von verhaltenem Murmeln,
aber keiner der Schüler beschwerte sich zunächst offen. Nachdem ich den Beginn der
Geschichte vorgelesen hatte schaltete ich den Kassettenrecorder ein und ließ ihn im
Hintergrund leise weiterlaufen. Als ich die Geschichte nun weiterlas riefen einige der
Schüler „Was?“, „I hör nix mehr“ etc. und brachten deutlich zum Ausdruck, dass die
Musik im Hintergrund sie hinderte beim weiteren Vortrag der Geschichte aufzupassen.
Ich schaltete die Musik wieder ab und bedeutete den Schülern, die Ohropaxstöpsel wieder zu entfernen. Im darauffolgenden Unterrichtsgespräch durften die Schüler berichten,
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123
wie es ihnen mit ihrem eingeschränkten Hörvermögen ergangen war. Es fielen Bemerkungen wie : „Das war ziemlich schwierig“, „Mich hat es angestrengt“, „Ich hab nix
gehört“, „ohne Musik war es besser“ etc. Ich fasste kurz noch einmal die Schülerkommentare zusammen und betonte dabei, dass es mit Ohropax für die meisten Schüler anstrengender war, zuzuhören und mit zusätzlichen Geräuschen im Hintergrund kaum
mehr jemand etwas verstanden hatte. Anschließend überlegten wir gemeinsam, wie es
wohl wäre, immer so schlecht zu hören. Viele Schüler bezweifelten, dass sie in solch
einem Fall dem Unterricht überhaupt folgen könnten.
Im nächsten Schritt klappte ich die Tafel auf und die Bilder der schwerhörigen Menschen wurden sichtbar.
Abb. 37: Tafelbild „Schwerhörige Menschen“
Da die Hörgeräte auf den Bildern farblich markiert waren, meldeten sich sofort einige
Schüler und wiesen auf diese hin: „Die ham’ was an den Ohren“, „Da sind Hörgeräte“.
Gemeinsam erarbeiteten wir, dass alle Leute auf den Bildern Hörgeräte tragen mussten,
da sie alle schwerhörig waren. Außerdem überlegten wir, dass Schwerhörigkeit in
jedem Alter auftreten kann. Die Karte „schwerhörig“ wurde von einem Schüler als
Überschrift an die Tafel gehängt.
Ich fragte die Schüler, ob sie einige Leute kannten, die schwerhörig sind. Sofort erwähnten einige der Kinder Paul, auf meine Nachfrage hin („Du kennst sicher noch je-
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124
manden, der ein Hörgerät trägt!“) wurden aber auch Großeltern und Verwandte genannt.
Als nächstes stellte ich die Frage: „Vielleicht weißt du schon, wie man schwerhörig
werden kann?“ Zwei Schüler bemerkten: „Wenn’s zu laut ist“ und „Wenn man krank
ist“. Ich schlug vor, Paul zu fragen wie er denn schwerhörig geworden war. Er durfte
sich ans Lehrerpult setzen und erzählte kurz von der Erkennung seiner Schwerhörigkeit
im Alter von drei Jahren und den ersten Maßnahmen danach (Besuch beim Arzt, im
Krankenhaus, erste Hörgeräteanpassung). Paul hängte die Wortkarte „warum?“ als
Überschrift an die Tafel. Dann überlegten alle Schüler gemeinsam weitere Ursachen für
die Entstehung von Schwerhörigkeit und hängten entsprechende Bilder an die Tafel.
Abb. 38: Tafelbild „Warum wird man schwerhörig?“
Den Grund „Vererbung“ musste ich den Schülern vorgeben und erklärte den Begriff
kurz an einigen Beispielen (Haarfarbe, Augenfarbe).
Paul durfte wieder nach vorne kommen und ich bedeutete der Klasse, dass es für die
nun folgende Übung völlig ruhig sein müsse, da ich ihnen nun gemeinsam mit Paul
etwas Wichtiges zeigen wollte. Paul legte sein Hörgeräte ab und ich las ihm zehn Worte
vor, die er nachsprechen sollte. Ich stellte mich dabei hinter ihn, damit er keine
Gelegenheit hatte, mein Mundbild zur Perzeption mitzuverwenden. Erstaunlich war die
nun eingetretene absolute Stille im Klassenzimmer. Paul verstand kein einziges Wort.
Die Schüler der ersten Bank versuchten ihm einzusagen. Ich erklärte ihnen, dass Paul
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125
nicht getestet würde und es nicht schlimm wäre, wenn er nichts verstehen könne.
Anschließend legte Paul seine Hörgeräte wieder an und ich las ihm die zehn Wörter
nochmals vor. Diesmal durfte er mein Mundbild sehen und er konnte nun alle Wörter
ohne zu zögern nachsprechen. Diese kleine Demonstration beeindruckte die meisten
Kinder sichtbar und veranlasste einige zu spontanen Äußerungen („Der hört ja jetzt
wieder alles“, „Ohne seine Hörgeräte hat Paul nix verstanden“). Wir sammelten einige
Eindrücke des eben Gesehenen (und Gehörten) und stellten fest, dass Hörgeräte für
einen schwerhörigen Menschen eigentlich unentbehrlich sind.
Nach einer kurzen Zusammenfassung des bisher Gelernten durften die Kinder in einen
Sitzkreis kommen. Paul hatte zwei alte Hörgeräte von sich mitgebracht. Er zeigte diese
herum und benannte die wichtigsten Teile mit meiner Hilfe. Ich legte ein großes Bild
von einem Hörgerät in die Mitte und gemeinsam mit den Schülern beschrifteten wir hier
die einzelnen Teile mit Hilfe von Wortkarten. Dann hängten wir alles an die Tafel und
die Kinder durften sich wieder setzen.
Abb. 39: Tafelbild „Das Hörgerät“
Ich bedankte mich vor der Klasse bei Paul für seine große Hilfe bei den beiden Unterrichtsstunden. Als seine Mitschüler spontan zu klatschen anfingen war Paul sichtlich
erfreut und die Schüler der Klasse brachten zum Ausdruck, wie sehr sie das eben Gelernte beeindruckt und auch emotional berührt hatte.
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126
Zur Sicherung des eben Gelernten teilte ich den Schülern ein Arbeitsblatt aus und wir
bearbeiteten es zunächst gemeinsam auf einer Folie, dann durften es die Schüler selbst
ausfüllen. Viele Kinder zeigten mir ihr Bild, welches sie in das freie Kästchen gemalt
hatten, und das eine Situation zeigte, in der ihr Gehör einmal in Gefahr gewesen war.
Als Hausaufgabe sollten die Schüler, die zwei Ohropax bekommen hatten, diese mit
nach Hause nehmen und einmal einige Stunden lang zu Hause benutzen, z.B. bei den
Hausaufgaben, beim Fernsehen, beim Computerspielen etc.
Wie mir die Lehrerin aus Klasse 1 später berichtete fragten viele Schüler, wann wieder
„so eine Stunde“ stattfinden würde, außerdem gab es noch viele Erzählungen und Nachfragen der Schüler, was deutlich zeigt, dass ein großer Informationsbedarf und auch
reges Interesse bei den Kindern zu dieser Thematik vorliegt.
6.3.2
Ablauf der Schulstunden zum Thema „Absehen“ in Klasse 1
Am 21.12. 2000 hielt ich in den ersten drei Unterrichtsstunden die Einheit zum Thema
„Absehen“. Zu Beginn der Stunde durften die Schüler von ihren Erlebnissen zu Hause
mit vertäubten Ohren berichten. Viele der Schüler wollten hierzu etwas sagen, ich ließ
einige gleich ihre Ereignisse berichten, die anderen bat ich bis zur Pause zu warten, damit sie mir anschließend ihre Erfahrungen mitteilen durften. Ein Schüler erzählte, dass
er den Ton beim Fernseher so laut hatte drehen müssen, dass seine Mutter sich beschwert hatte, ein anderer erzählte, er habe seinen kleinen Bruder gar nicht brüllen
hören, als der hingefallen war. Es gab noch zahlreiche weitere interessante Berichte, die
alle zeigten, dass die Schüler sich ernsthaft über Schwerhörigkeit Gedanken gemacht
hatten und die Erfahrung, einmal weniger zu hören, die meisten sehr beeindruckt hatte.
Anschließend wiederholte ich gemeinsam mit den Schülern anhand der Folie vom letzten Mal warum man schwerhörig werden kann. Es kamen viele Beispiele aber auch alle
vier Begriffe (Krankheit, Unfall, Vererbung, Lärm), die wir ja nicht schriftlich festgehalten hatten, konnten die Schüler nennen. Ebenso hatten sie die den Aufbau eines
Hörgerätes noch gut im Gedächtnis, auch die schwierigen Begriffe wie z.B. Ohrpassstück oder Batterie. Zum Abschluss dieser Wiederholung durften die Schüler selbstständig das Arbeitsblatt „Anna sucht“ ausfüllen, welches ich ihnen zuvor anhand einer Folie
erklärt hatte.
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127
Zum Einstieg in die neue Thematik hängte ich ein Bild von Snoopy an die Tafel, die
Ohren waren gelb gekennzeichnet. Die Schüler erkannten Snoopy sofort und deuteten
auch die gelbe Kennzeichnung der Ohren auf Anhieb richtig: „Das ist der Snoopy und
der ist auch schwerhörig!“. Ich erklärte nun den Kindern, dass Snoopy in seiner Klasse
ein großes Problem habe, weil er seine Freunde trotz Versorgung mit Hörgeräten nur
sehr schlecht verstehen könne. Um diese Tatsache zu veranschaulichen spielte ich den
Schülern von einer Kassette (siehe Anhang) vor, wie Snoopy seinen Lehrer im täglichen
Unterricht verstehen kann. Die Klasse wurde sehr leise und angestrengt versuchten die
Schüler, etwas zu verstehen. Sofort fiel die Bemerkung: „Der Lehrer redet zu undeutlich, da versteht man nix!“ Ich erklärte den Kindern nun, dass der Lehrer sehr deutlich
sprechen würde, aber Snoopy wegen seiner Schwerhörigkeit trotz der Hörgeräte ihn nur
so schlecht verstehen könne. Die meisten Schüler machten ein erstauntes Gesicht und
ich erwähnte, dass Hörgeräte eben nicht wie eine Brille funktionieren, sondern nur teilweise helfen können. Ich regte die Schüler an, nachzudenken, was Snoopy machen
könnte, um trotzdem mehr zu verstehen. Eine Schülerin erwähnte „Fingerzeichen“. Ich
fragte nun, ob das wohl in einer Klasse wie der ihren helfen würde und die Schüler verneinten sofort, da sie alle keine Gebärden beherrschen würden.
Ich bat die Klasse, einmal ganz ruhig zu sein, dann sprach ich ihnen das Wort „Schule“
sehr deutlich aber ohne Stimme vor und fragte, ob jemand trotzdem etwas verstanden
habe. Sofort meldeten sich etwa die Hälfte der Schüler und die meisten hatten auch
wirklich das Wort „Schule“ abgesehen. Ich ließ sie noch einige Wörter erraten, dann
wollte ich von den Schülern wissen, wie sie das eigentlich machten, „ohne Ton“ trotzdem etwas zu verstehen. Es fielen gleich Bemerkungen wie: „Ich hab auf deinen Mund
geschaut“ oder „Man sieht doch wie sich die Lippen bewegen“. Ich erklärte nun, dass
dieser Vorgang „Absehen“ genannt wird und jeder, auch guthörende Leute, diese Hilfe
manchmal bräuchten, z.B. wenn es sehr laut ist und man nichts mehr verstehen kann.
Ein Schüler durfte die Wortkarte „Absehen“ als Überschrift an die Tafel hängen.
Den Schülern erklärte ich, dass Snoopy das Hören und das Absehen gemeinsam benutzte, um in der Klasse seinen Lehrer gut zu verstehen. Jetzt stellte ich die Verbindung
zu ihrer eigenen Klasse her und machte auf Paul aufmerksam, der ja auch Hörgeräte
habe aber zusätzlich das Absehen benütze, um alles gut zu Verstehen. Paul kam nach
vorne und die Schüler wurden sofort wieder alle ganz still, weil sie bemerkt hatte, dass
wieder etwas wie in der letzten Stunde demonstriert werden sollte. Paul nahm die Hörwww.foepaed.net
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geräte ab und drehte sich mit dem Rücken zu mir. Ich sagte 10 Wörter und wie schon
beim letzten Mal konnte Paul wieder nichts verstehen. Dann drehte er sich zu mir um
und ich wiederholte die Wörter nur flüsternd, diesmal konnte er mein Mundbild als
Hilfe benutzen. Paul erkannte fast alle Wörter richtig, nur bei drei Wörtern unterliefen
ihm typische Absehfehler, die aber niemandem wirklich auffielen. Die Schüler zeigten
sich auch von dieser kurzen Demonstration sehr beeindruckt und brachten ihre Bewunderung zum Ausdruck, dass Paul ja ohne Hörgeräte trotzdem fast alles verstanden hätte.
Ich wies auch noch einmal ausdrücklich daraufhin, das Paul diesmal nur „abgesehen“
hatte, da er keine Hörgeräte getragen hatte und ich beim zweiten Mal auch nur geflüstert
hatte, damit die anderen Schüler verstehen konnten, welche Wörter ich gesagt hatte.
Ich klärte die Schülern nun auf, dass wir das „Absehen“ heute einmal üben wollten. Sie
durften alle in einen Sitzkreis nach vorne kommen und ich zeigten ihnen die Photos von
einigen Absehbildern. Die Vokale a,e,i,o,u wurden fast sofort erkannt und bereiteten
den Schülern überhaupt keine Schwierigkeiten. Ich hatte eigentlich damit gerechnet,
dass die Kinder länger brauchen würden, um die einzelnen Kineme abzusehen, da sie ja
noch nicht alle Buchstaben gelernt hatten, aber sie machten selbst das gezeigte
Mundbild nach und kamen so erstaunlich schnell zu der richtigen Lösung. Ich zeigte
ihnen nun die Bilder von „f,v,w“, „m“ und „sch“, auch diese konnten sie fast sofort
richtig benennen. Eigentlich hatte ich den Schülern der Klasse 1 nicht alle Kinembilder
zeigen wollen, da ich gedacht hatte, das Erraten würde ihnen mehr Mühe bereiten.
Nachdem die Kinder offensichtlich aber großen Spaß hatten, die gezeigten Mundbilder
nachzuahmen und zu erraten, zeigte ich ihnen auch die restlichen Bilder. Hinzufügen
muss man an dieser Stelle noch, dass Paul sehr viele der Laute schnell richtig absehen
konnte, und ich ihn aufforderte, dass er vielleicht erst einmal warten solle, bis die
anderen Kinder geraten hätten, um ihnen dann zu helfen, wenn sie nicht mehr
weiterwüssten. Er versuchte sich an diese Abmachung zu halten, wollte aber doch bei
dem allgemeinen Raten mitmachen und so wurden die richtigen Lösungen durch Paul
teilweise schneller gefunden.
Ich erläuterte den Schülern jetzt, dass das Absehen nicht immer ausreichen würde, da
einige Laute genau das gleiche Bild haben. Ich zeigte ihnen das Mundbild von „l“, „n“,
„d“, „t“ und auch diesmal errieten die Schüler sehr schnell drei der vier möglichen
Laute, die dem Bild zugeordnet werden konnten. Ich bedeutete ihnen, einmal ganz leise
zu sein und flüsterte fast kaum hörbar den Laut „d“, den sie bis dahin noch nicht erraten
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hatten. Ich wollte den Schülern so bewusst machen, dass das Absehen durch das Hören
ergänzt werden muss, um die Absehbilder auch wirklich richtig interpretieren zu
können.
Da die Schüler unbedingt auch die restlichen Photos sehen und die passenden Laute
zuordnen wollten, zeigte ich ihnen noch die Mundbilder „s“, „r“ und „k,g,x“. Auch hier
half ich durch leises Flüstern nach, wenn die Schüler einen Laut trotz eifrigen Nachmachens nicht eindeutig erraten konnten
Abb. 40: „das Absehen“
Die Lehrerin der Klasse 1 hatte in der Zwischenzeit Bilder mit bereits im Unterricht
behandelten Lauten, an die Tafel gehängt und die entsprechenden Laute darunter geschrieben.
Mittlerweile war es im Sitzkreis recht unruhig geworden, denn trotz des großen Interesses der Kinder hatte sich diese Phase sehr lange hingezogen, da ich die Schüler alle
Mundbilder hatte erraten lassen und nicht wie geplant nur eine kleine Auswahl.
Ich hatte schon zu Anfang der Doppelstunde mit der Lehrerin vereinbart, dass ich bei
eventuellen Anzeichen von Unruhe und auch Überanstrengung durch die lange Zeit des
Zuhörens und der geforderten Konzentration ein kurzes Bewegungsspiel einbauen
wollte. Da die Kinder erst vor kurzem ein Tanzlied eingeübt hatten, welches sie immer
wieder während des Unterrichts zur Auflockerung machten, bat ich die Lehrerin an dieser Stelle, mit den Schüler das Tanzlied zu spielen, bevor wir mit dem nächsten Teil
weitermachen würden. Nach dem Lied wirkten sie auch wirklich wieder viel ruhiger,
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130
und ich holte sie noch einmal in den Sitzkreis, wo ich ihnen ein großes Plakat17 zeigte
auf welchem mehrere Mundbilder nebeneinander aufgeklebt waren. Ich erklärte ihnen,
dass dies mehrere Wörter seien, die man hier „absehen“ könnte. Die Schüler machten
sofort eifrig die Mundbilder nach und versuchten, die Wörter zu entziffern. Gemeinsam
überlegten wir, welche Wörter es wohl sein könnten, ich gab den Schüler auch die
Hilfe, dass es alles Tiernamen seien, und so hatten sie bald die Wörter richtig erraten.
Beim nächsten Plakat handelte es sich um Namen, hier durften immer zwei Schüler
„laut“ raten und die anderen „leise“, da sonst der Lärmpegel zu groß geworden wäre.
Ich zeigte ihnen noch ein letztes Wort, welches den Schülern verdeutlichen sollte, dass
die einzelnen Mundbilder nicht mit den geschriebenen Worten gleichzusetzen sind. Da
das Wort sehr schwierig zu erraten war, half ich den Kinder und schrieb dann „toll“ an
die Tafel, da sie diese Buchstaben schon alle gelernt hatten. Ich zeigte ihnen, das man
zwar zwei „ll“ schreibt aber beim Sprechen nur eines sieht.
Die Schüler durften sich nun wieder an ihre Plätze setzen und ich ging nun zum letzten
Teil der Stundeneinheit, nämlich den „Absehregeln“ über. Ich deutete nochmals auf
Snoopy und wies darauf hin, dass er Hören und Absehen in seiner Klasse immer kombinieren muss, um alles zu verstehen. Ich erwähnte nun, dass es aber leider trotzdem nicht
alles verstehen könne, und zwar gerade wenn seine Freunde mit ihm sprechen, da sie
manche Sachen falsch machen würden. Ich legte nun die Folie zu den Absehregeln auf
und gemeinsam überlegten wir welches der beiden Bilder wohl jeweils das richtige sei.
Zur besseren Veranschaulichung machte ich die einzelnen Situationen vor und flüsterte
dabei jeweils einen Satz, damit die Schüler auch wirklich zusätzlich noch auf das Absehen angewiesen waren. So sprach ich einmal den Satz mit dem Rücken zu den Schülern
und dann ihnen zugewandt oder mit einem Blatt vor dem Mund und ohne usw. Die
Schüler konnten so auf Anhieb richtig entscheiden, welche Situation auf der Folie richtig und welche falsch war. Um den Gegensatz hell/dunkel zu zeigen machte ich kurz das
Licht aus, worauf gleich ein Schüler einwarf: „Was machst du jetzt, ich seh da nix“.
Auch das letzte Beispiel, nämlich, dass man bei einem weit aufgerissenen Mund und
lautem Schreien eher schlechter versteht und nicht Absehen kann, beeindruckte die
Schüler, da ihnen diese Tatsache anscheinend nicht so bewusst gewesen war. Es fielen
hier Bemerkungen wie: „Genau, der X schreit immer so, und da versteht man nie was“.
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Die Plakate sind im Anhang abgebildet.
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Die Schüler bekamen nun das Arbeitsblatt (wie Folie) und sollten hier die falschen Situationen durchstreichen, die Bilder durften sie anschließend ausmalen.
Die Lehrerin aus Klasse 1 fragte mich im Anschluss an den Unterricht, ob ich ihr die
Kinembilder kopieren könne, damit sie bei der weiteren Einführung der einzelnen
Buchstaben immer gleich das passende Mundbild zeigen könne um dies dann auch
neben die jeweiligen Buchstaben zu hängen. Auch sie fand die Tatsache, dass die
Schüler so interessiert beim Absehen mitgearbeitet hatten und alle Mundbilder so gut
erraten konnten recht erstaunlich, da viele Schüler der Klasse schnell recht unruhig und
ablenkbar wären und normalerweise selten so lange konzentriert und intensiv
mitarbeiten.
Diese Beobachtung verdeutlichte erneut, dass sowohl das Thema „Schwerhörigkeit“ als
auch das „Absehen“ die Schüler interessiert und beschäftigt hatte. Mir war natürlich
klar, dass der Inhalt der Doppelstunde „Absehen“, die sich ja, wie schon erwähnt, über
drei Stunden hingezogen hatte, was dank der flexiblen Stundenplanung der Lehrerin
möglich gewesen war, sehr leicht über vier bis fünf Schulstunden hätte verteilt werden
können. So hätte man einige Aspekte noch besser herausstellen und den Schülern erklären können, andererseits war die vorangegangene Doppelstunde enorm wichtig als Basiswissen für das „Absehen“ gewesen, und auch diese Stundeneinheit hätte ausführlicher und genauer ausfallen und so über vier bis fünf Schulstunden auf mehrere Tage
verteilt werden können. Leider war aber aus zeitlichen Gründen, sowohl im Rahmen
meiner Arbeit als auch innerhalb der Wochenplanung der Lehrerin kaum eine längere
Beschäftigung mit den beiden Themen möglich.
6.3.3
Ablauf der Schulstunden zum Thema „Schwerhörigkeit“ in Klasse 2
Am 11.01.2001 hielt ich die Doppelstunde zum Thema „Schwerhörigkeit“ in der Klasse
2. Ich hatte zunächst die Bilder der schwerhörigen Menschen an die Innenseite der dann
zugeklappten Tafel gehängt und beim Eintreffen der ersten Schüler in der Viertelstunde
vor Unterrichtsbeginn begann ich, ihnen Ohrenstöpsel zum Vertäuben der Ohren auszuteilen. Die Schüler zeigten sich gleich beim Hereinkommen ins Klassenzimmer sehr
neugierig, sie gingen nicht, wie gewohnt, zuerst in die Garderobe sondern gleich ins
Klassenzimmer, um nachzuschauen, was da wohl heute passierte. Ich erklärte, wer
wolle, dürfe bei einem Experiment mitmachen und würde dann von mir Ohropax be-
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kommen. Die Schüler stellten sich sofort in einer Reihe an und zwei Drittel der Klasse
wollten das Experiment auch unbedingt mitmachen, die restlichen Schüler zeigten sich
skeptisch und wollten „lieber erst mal nur zuschauen“. Auch Lisa wollte gerne Ohrenstöpsel bekommen, ich erklärte ihr aber, dass es heute vielleicht besser sei, sie würde
etwas hören, weil ja sonst fast keiner etwas verstehen würde, wenn sie aber wolle,
könne sie ihre Hörgeräte ausmachen. Lisa sagte daraufhin, sie wolle ihre Hörgeräte anlassen, damit sie ihrer Nachbarin, die auch ihre Ohren vertäubt hatte, notfalls einsagen
könne. Sie wirkte dabei sehr begeistert von der Idee und ich hatte den Eindruck es freue
sie, dass nun einmal ihre Banknachbarin auf ihre Hilfe angewiesen war und nicht umgekehrt wie sonst immer.
Zum Unterrichtsbeginn um 8.00 stellten sich die Schüler automatisch in einem Kreis
auf, da sie normalerweise immer morgens einen „Morgenkreis“ abhielten. Ich bat die
Lehrerin von Klasse 2 diesen ganz normal zu gestalten, da die Schüler in dieser für sie
alltäglichen Situation möglicherweise besonders gut merken würden, wie es war hier
weniger zu hören. Während des Morgenkreises gab es laufend Beschwerden von den
Schülern mit den vertäubten Ohren. Sie meldeten sich und fragten die Lehrerin „Kannst
du lauter reden“, „Alles ist so leise heute“, „Der X ist so laut, ich hör nichts“ usw. Die
Lehrerin sprach weiter in normaler Lautstärke und machte die Schüler darauf aufmerksam, dass sie eventuell besser hören würden, wenn sie ganz leise wären.
Nach dem Morgenkreis setzten sich die Schüler auf ihre Plätze und ich las ihnen den
Anfang der Geschichte aus dem Buch „Der Turmbau zu Babel“ vor. Ein Schüler aus der
letzten Reihe erhob sich und trat bis zur Mitte des Klassenzimmers vor. Ich fragte ihn,
warum er aufgestanden sei und er erklärte mir, er würde auf seinem Platz nichts hören
und ob er „die Dinger“ wieder aus den Ohren nehmen könne. Ich wies die Schüler darauf hin, dass sie heute extra weniger hören sollten und sie sich einmal überlegen könnten, was für Unterschiede sie bemerkten im Gegensatz zu einem normalen „Hören“. Ich
las die Geschichte weiter, währenddessen fing die Lehrerin an, auf dem CD-Player ein
Lied abzuspielen. Sofort meldeten sich einige Schüler, vor allem aus den hinteren Reihen, und beschwerten sich, dass sie jetzt überhaupt nichts mehr hören könnten. Die Lehrerin schaltete den CD-Player wieder aus und ich las die Geschichte noch etwas weiter.
Dann bedeutete ich den Schülern, dass sie jetzt die Ohrstöpsel wieder entfernen dürften.
Einige Schüler zeigten sich sichtlich erleichtert andere fanden es schade, dass das Experiment so schnell zu Ende war. Nun durften die Schüler berichten, wie es ihnen mit dem
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eingeschränkten Gehör ergangen war. Es fielen Bemerkungen wie: „Ich hab heut wenig
verstanden“; „Das war blöde“; „Der Morgenkreis ist sonst schöner“; „Mich hat es stark
angestrengt“; „Als der CD-Player an war, hab ich überhaupt nichts mehr verstanden“.
Insgesamt hatten sich die meisten nicht wohl gefühlt so wenig zu verstehen und vor
allem das Zuhören bei der Geschichte war der Mehrzahl zu anstrengend gewesen. Als
ich die Schüler aufforderte „Stell dir vor, es ist immer so!“ waren viele erschrocken und
zeigten sich betroffen. Sie bezweifelten, ob sie dann überhaupt noch gerne in die Schule
gehen würden.
Im nächsten Schritt klappte ich die Tafel auf und die Bilder der schwerhörigen Menschen wurden sichtbar. Auch in der Klasse 2 bemerkten die meisten Schüler sofort die
gelben Markierungen an den Ohren der Personen. Schnell fielen die Begriffe „Hörgeräte“, „die hören nicht gut“, „kranke Leute“, aber auch „schwerhörig“. Ich erklärte der
Klasse, dass wir heute über schwerhörige Leute sprechen wollten und hängte die Wortkarte „schwerhörig“ als Überschrift an die Tafel (vgl. Abbildung 37). Ich zeigte auf
diese und bemerkte „Also nur alte Leute werden schwerhörig“. Sofort gab es Proteste
seitens der Schüler, die mir erklärten auf den Bildern wäre ja auch ein Baby zu sehen.
Ich fragte die Schüler, ob sie meinten, dass alle Menschen, egal wie alt, schwerhörig
werden könnten. Aufgrund der Bilder bejahten das die meisten, allerdings merkte ich
deutlich, dass viele zuvor wohl wirklich gedacht hatten, nur alte Leute würden Hörgeräte tragen müssen und wären somit schwerhörig. Ich fragte die Schüler, ob sie denn
schwerhörige Leute kennen würden, und sie nannten sofort Lisa, dann aber auch andere
Menschen aus ihrem Verwandten- und Bekanntenkreis.
Nun wies ich darauf hin, dass wir gemeinsam überlegen wollten, wie man denn eigentlich schwerhörig wird. Lisa durfte nach vorne kommen und erzählen, wie es bei ihr zu
dem Hörverlust gekommen war. Durch Zwischenrufe brachten die Schüler zum Ausdruck, dass sie teilweise sehr erstaunt und auch erschrocken waren: „So lange schon?“;
„Du warst im Krankenhaus?“; „Geht des nimmer weg?“ Lisa, deren Schwerhörigkeit
durch eine Krankheit verursacht wurde, durfte das entsprechende Bild an die Tafel hängen. Die Schüler nannten noch weitere mögliche Ursachen, die passenden Bilder hängten sie dann an die Tafel bzw. ich zeigte ihnen einige der Bilder und sie nannten die
darauf abgebildete Ursache. Dann betrachteten wir die Bilder, ich zeigte ihnen die
Wortkarten „Krankheit“, „Unfall“ und „Lärm“ und ordnete ihnen gemeinsam mit den
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Schülern die passenden Bilder zu. Die letzte Ursache, Vererbung, erklärte ich auch in
dieser Klasse kurz anhand einiger Beispiele, dann hängten wir auch zu dieser Wortkarte
die entsprechenden Bilder auf.
Abb. 41: Tafelbild „Warum wird man schwerhörig?“(Klasse 2)
Zum Abschluss dieses ersten Teils bearbeitete ich gemeinsam mit den Schülern das Arbeitsblatt 2 zunächst auf Folie, dann durften es die Kinder selbstständig ausfüllen. Viele
Schüler zeigten mir, was sie in das Kästchen „Das war für meine Ohren gefährlich!“
gemalt hatten. Bemerkenswert ist hier, dass mindestens die Hälfte von ihnen Feuerwerkskörper oder ein Feuerwerk gemalt hatten, da Silvester erst einige Tage zurücklag.
Aber auch Flugzeuge, die weinende Schwester oder auch eine Krankheit „bei der ich
dann fast nichts mehr gehört hab“ wurden dargestellt.
Nachdem die Schüler ihre Blätter eingeklebt und weggepackt hatten, bedeutete ich
ihnen, jetzt mal ganz ruhig zu sein, damit ich allen, gemeinsam mit Lisa, etwas zeigen
könne. Lisa legte ihre Hörgeräte ab und ich stellte mich hinter sie und sagte einige
Wörter. Lisa verstand nichts. Beim zweiten Mal durfte Lisa ihre Hörgeräte wieder tragen und mich anschauen, jetzt konnte sie alle Wörter ohne Probleme wiederholen,
nachdem ich sie ihr noch einmal vorgesprochen hatte.
Die Schüler zeigten sich erstaunt und ich fragte sie, was sie denn jetzt bemerkt hätten.
„Die hört erst nix und dann alles“; „Die Lisa hat total gute Hörgeräte, weil vorher hat
sie nichts gehört“ usw. Den Schülern war die Bedeutung der Hörgeräte für Lisa
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aufgefallen und ich erklärte, dass wir uns diese wichtigen Geräte jetzt einmal anschauen
wollten. Wir setzten uns in einen Sitzkreis und Lisa zeigte alte Hörgeräte von sich, die
sie mitgenommen hatte, herum. Ich machte darauf aufmerksam, dass ein Hörgerät sehr
teuer sei und man gut darauf aufpassen müsse. Lisa erklärte und zeigte kurz die
wichtigsten Bestandteile des Hörgerätes und anhand des großen Bildes beschrifteten wir
diese mit entsprechenden Wortkarten (vgl. Abbildung 39). Die Schüler waren
interessiert und zeigten es mit Bemerkungen wie: „Das ist aber klein und da ist so viel
drin“; „Die Ohrpasstücke sind total schön“; „Wie macht man die?“ Lisa durfte erklären,
wie Ohrpasstücke hergestellt werden und ein Hörgerät angepasst wird. Die Schüler
konnten feststellen, dass ein Ohrpassstück wohl so ähnlich hergestellt wird wie eine
Zahnspange. Da es aufgrund einiger schwieriger Schüler, die sich für ihre Verhältnisse
sowieso schon sehr lange ruhig verhalten hatten, zunehmend unruhiger und lauter im
Sitzkreis wurde, musste ich Lisas Erklärungen abbrechen und schlug vor, sie solle es
vielleicht den anderen in der Pause weitererzählen. Die Schüler setzten sich und ich
zeigte ihnen noch Lisas neue FM-Anlage, die im Gegensatz zur alten Mikroportanlage
schnurlos war und mehr Funktionen hatte. Die Abbildung dazu auf Folie (Arbeitsblatt
3) veranschaulichte ich den Schülern, indem ich das Funkmikrofon und Lisas Hörgerät,
mit dem Audioschuh vergleichend, neben die jeweilige Abbildung legte.
Ich erklärte den Schülern die Aufgaben des Arbeitsblattes 3 (siehe Anhang) zunächst
auf Folie, dann durften es die Kinder selbstständig bearbeiten und ausmalen.
Auch in dieser Klasse gab ich die Hausaufgabe, dass alle Schüler, die zwei Ohropax
bekommen hatten, diese zu Hause für 1 – 2 Stunden tragen sollten um beim nächsten
Mal ihre Erlebnisse mit dem eingeschränkten Hörvermögen zu schildern.
Auch diese, eigentlich als Doppelstunde geplante Themeneinheit, hatte sich über drei
Schulstunden hingezogen. Aufgrund der Erfahrungen in Klasse 1 hatte ich die Lehrerin
von Klasse 2 aber schon vorher darauf aufmerksam gemacht, dass zwei Unterrichtsstunden eventuell nicht ausreichen würden. Obwohl es aufgrund der schwierigen Schüler in der Klasse manchmal unruhig geworden war, hatte sich auch hier reges Interesse
und eine große Aufgeschlossenheit gegenüber der neuen Thematik bemerkbar gemacht.
Alle Schüler, die sich zu Beginn des Unterrichts geweigert hatten, die Ohren vertäubt zu
bekommen, wollten dies nun unbedingt auch ausprobieren und ich vereinbarte mit
ihnen, dass sie am Anfang der zweiten Stundeneinheit ebenfalls die Gelegenheit dazu
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erhalten sollten. In der Pause wurde ich mit Fragen regelrecht bestürmt, was zeigte, wie
viel Neues und vielleicht auch Unerwartetes die Schüler an diesem Tag gelernt hatten.
Zwei Schülerbemerkungen möchte ich an dieser Stelle wiedergeben, da sie meiner Meinung nach die Stimmung der Klasse und auch den nachhaltigen Eindruck, den das neue
Thema für sie hinterlassen hatte, sehr gut widerspiegeln. Ein Schüler, der laut Auskunft
der Lehrerin eigentlich recht unruhig und verhaltensauffällig war, hatte sich in den drei
Unterrichtsstunden sehr ruhig verhalten und viel Interesse gezeigt. In der Pause fragte er
mich: „Warum reden wir heute nur über so was Trauriges?“ Ein anderer Schüler erzählte mir, seine Mutter sei gerade schwanger. Er zögerte, dann stellte er sehr leise die
Frage: „Das Baby ist aber nicht schwerhörig, oder?“ Ich denke, diese Bemerkungen
sprechen für sich und müssen nicht noch kommentiert oder erläutert werden.
6.3.4
Ablauf der Schulstunden zum Thema „Absehen“ in Klasse 2
Am 17.1 2001 hielt ich in den ersten Unterrichtsstunden die Einheit zum Thema „Absehen“ in Klasse 2. In der Vorviertelstunde bekamen alle Schüler, die dies beim letzten
Mal noch nicht mitgemacht hatten, die Ohren mit Ohrstöpseln vertäubt. Im anschließenden Morgenkreis erging es diesen Kinder ähnlich wie ihren Mitschülern eine Woche
zuvor. Sie fragten häufig nach, beklagten sich, warum alles so leise sei und redeten untereinander mit erhöhter Lautstärke. Auch während der anschließenden Reflexion, bei
der die Ohrstöpsel wieder entfernt werden durften, bemerkten diese Schüler, das Zuhören hätte sie heute sehr angestrengt, alles sei so leise gewesen, sie hätte ihre Freunde
und auch die Lehrerin nur ungenügend verstanden und mussten teilweise näher an den
Sprecher treten, um ihn besser zu hören. Dann durften die Kinder, welche Ohropax zu
Hause benutzt hatten, von ihren Erfahrungen berichten. Einige hatten versucht mit den
Ohrstöpseln Fernsehen zu schauen und den Ton dabei sehr laut drehen müssen. Ein
Schüler berichtete, seine Mutter hätte ihn mehrmals gerufen, aber er hätte sie nie gehört,
erst als sie direkt neben ihm stand. Ein Mädchen erzählte, sie hätte die Ohrstöpsel
bewusst am Abend benutzt, als ihre Schwester Flöte übte, weil ihr das immer zu laut sei
und ihr so erträglicher geworden war. Eine andere Schülerin berichtete, sie hätten zu
Hause gerade eine Baustelle vor der Wohnung, und die Zeit mit den Ohropax wäre so
viel angenehmer gewesen, sie hätte diese dann den ganzen Nachmittag in den Ohren
gelassen. Viele der Schüler hatten die Ohrstöpsel nicht nur einen Nachmittag sondern
mehrmals und während unterschiedlicher Situationen ausprobiert und wollten ihre
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unterschiedlichen Erfahrungen berichten. Ich musste die Erzählungen aus Zeitgründen
unterbrechen, allerdings bot ich den Schülern an, dass sie mir alles in der Pause
weitererzählen dürften.
Nun folgte die kurze Wiederholung des Gelernten vom letzten Mal. Die Unterrichtsbeteiligung war hierbei sehr groß und sowohl alle Ursachen für Schwerhörigkeit, zahlreiche Beispiele dazu als auch alle Bestandteile eines Hörgerätes wurden schnell und
richtig genannt.
Abschließend zu dieser Thematik durften die Schüler das Arbeitsblatt 4 bearbeiten.
Zum Einstieg in das neue Thema zeigte ich das Bild von Snoopy mit den gelb markierten Ohren herum. Sofort riefen einige Schüler „Der hat Hörgeräte!“; „Dem seine Ohren
sind gelb!“ dazwischen. Ich bestätigte die Vermutung der meisten Mitschüler, dass
Snoopy schwerhörig sei. Dann erläuterte ich, dass Snoopy ein großes Problem im
Unterricht habe, weil er trotz Hörgeräten nicht alles verstehen könne. Eine Schülerin
meinte daraufhin, er könne ja auch einen „Mike“18 benutzen, wie Lisa einen habe. Ich
erklärte, dass Snoopy auch einen Mike besitze, dieser ihm aber nicht immer helfen
könne. Ich spielte zur Verdeutlichung seines eingeschränkten Hörvermögens die
Kassette mit dem simulierten Höreindruck eines hochgradig schwerhörigen Schülers
vor. Die Schüler versuchten zunächst angestrengt, etwas zu verstehen, dann baten sie
mich die Kassette lauter zu stellen, was natürlich keine Besserung brachte. Auch in
dieser Klasse wurde nun vermutet, der Lehrer würde undeutlich sprechen oder nuscheln.
Ich betonte nochmals, dass der Lehrer sehr deutlich sprechen würde, aber Snoopy ihn so
schlecht verstehen könne. Um diese eingeschränkte auditive Perzeption noch
anschaulicher zu machen legte ich die Folie „Optische Darstellung einer
Hörschädigung“ auf, die durch die verzerrte Schrift eingeschränktes Hören zu
verdeutlichen versucht. Die Schüler schienen erstaunt, als ich ihnen erklärte, dass man
Hörgeräte nicht mit einer Brille vergleichen könne, sondern dass diese nur bedingt
helfen könnten.
Als ich nun nach Ideen fragte, die Snoopy das Verstehen seines Lehrers vielleicht erleichtern könnten, wurden Fingerzeichen oder „Zusatzcomputer“ genannt, als ich aber
fragte, ob sie sich so etwas für ihre Klasse vorstellen könnten mussten die Schüler verneinen.
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Bezeichnung der Klasse für Lisas FM-Anlage
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Ich bedeutete der Klasse, ganz leise zu sein und zu schauen, ob sie etwas verstehen
könnten, dann sprach ich sehr deutlich aber ohne Stimme „Schule“. Sofort riefen einige
Schüler das richtige Wort und als ich fragte, wie sie etwas verstehen konnten rief Lisa
gleich „Ich hab von deinen Lippen abgelesen!“ Ich erklärte den Schülern, dass man
„Absehen“ zu dem Vorgang sagte und Lisa diesen schon sehr gut beherrsche, weil sie
auch richtigen Absehunterricht bekomme. Die Wortkarte „Absehen“ wurde an die Tafel
gehängt, dann setzten sich die Schüler im Halbkreis vor die Tafel und ich zeigten ihnen
die einzelnen Darstellungen der Mundbilder. Ähnlich wie in Klasse 1 machte den
Schülern das Absehen viel Spaß und sie errieten die „einfachen“ Absehbilder durch
eigenes Nachmachen sehr schnell. Die schon erratenen Bilder hängte ich an die Tafel
und schrieb die entsprechenden Laute darunter. Bei den schwierigeren Kinemen sagte
ich lautlos ein Wort vor und die Schüler versuchten dieses zu erraten. Dann hängte ich
die entsprechenden Wortkarten neben das Kinem an die Tafel, um den Schülern auch
schriftlich zu verdeutlichen, dass manche Laute vom Absehbild her völlig gleich sind
und deshalb manchmal ganze Wörter vom Mundbild her ganz gleich sind (drehen –
nähen; Wein – fein; Butter – Mutter – Pute; taufen – laufen). Um die Laute leichter zu
erraten, sollten die Schüler sich gegenseitig die einzelnen Mundbilder „vormachen“.
Während die Schüler einzelne Mundbilder zu erraten versuchten, hängte ich die bereits
behandelten Bilder und Wortkarten an die Tafel.
Abb. 42: Tafelbild „Das Absehen“ (Klasse 2)
Nach dem Erraten der einzelnen Mundbilder durften sich die Schüler in Partnerarbeit je
fünf Worte „lautlos“ vorsagen, der Partner musste diese dann erraten. Als letztes zeigte
ich den Schülern noch die Plakate (siehe Anhang) mit den Vornamen bzw. Tiernamen,
durch gegenseitiges Vormachen waren diese schnell erraten.
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Da die Schüler eine lange Zeit sehr konzentriert mitgearbeitet hatten, bat ich die Lehrerin der Klasse 2, ein kurzes Bewegungsspiel mit den Kindern zu machen, welches sie
bereits gut kannten.
Nach dem Spiel setzten sich die Schüler wieder an ihre Plätze und ich legte die Folie
des Arbeitsblatts 5 auf. Ich spielte den Schülern die einzelnen Situationen vor und
schnell konnten sie die Falschen auf der Folie durchstreichen.
Ich machte die Schüler darauf aufmerksam, dass diese Regeln für alle Kinder sehr
wichtig seien, nicht nur für Lisa, die auf das Absehen neben dem Hören angewiesen
war.
Die Schüler füllten das Arbeitsblatt aus und klebten es in ihre Hefte ein.
Ein letztes Absehspiel, welches ich den Kindern zuvor versprochen hatte und das sie
unbedingt noch machen wollten, diente als Abschluss dieser Stundeneinheit. Dabei
durfte ein Schüler vorkommen, sich zwei Wörter ausdenken, diese laut der Klasse sagen
und dann eines nochmals „lautlos“ wiederholen. Die Mitschüler mussten erraten, welches der beiden Wörter gesagt worden war, der betreffende Schüler durfte einen Schüler
aufrufen, welcher dann sagte, welches Wort er abgesehen hatte. Dann durfte ein anderer
Schüler nach vorne kommen und seine Mitschüler raten lassen.
Im anschließenden Gespräch mit der Lehrerin von Klasse 2 teilte mir diese mit, dass die
soeben gelernten Absehregeln sehr wichtig für die Klasse seien, gerade für die schwierigen Schüler, die ständig für einen erhöhten Lärmpegel sorgten. Sie wollte die Regeln
vergrößern und gut sichtbar im Klassenzimmer aufhängen, damit die Schüler immer
wieder darauf hingewiesen werden.
6.4
Einige Bemerkungen zur Integration von Paul und Lisa in die Regelschule
Durch meine Gespräche mit den Eltern, Lehrern und den betroffenen Kindern selbst,
aber auch durch die gehaltenen Unterrichtsstunden in den beiden Regelklassen hatte ich
die Gründe für eine Einschulung von Paul und Lisa in die allgemeine Schule erfahren
und deren Umsetzung miterlebt. In den Vorüberlegungen (siehe 6.1.) und den Reflexionen zu den Stundeneinheiten (siehe 6.3.) sind schon einige Aspekte erwähnt worden, die
sich im bezug sowohl auf Pauls als auch auf Lisas Situation in der Regelschule beziehen. Im folgenden soll kurz die derzeitige integrative Lage der beiden Schüler dargestellt werden und ein Ausblick für deren weiteren Schulweg gegeben werden.
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6.4.1
Paul in der Regelschule
Paul, der zusammen mit einigen seiner Kindergartenfreunde in die erste Klasse der Regelschule integriert wurde, hat mittlerweile einen großen Freundeskreis unter seinen
Mitschüler gefunden und fühlt sich in der Klasse sehr wohl. Negative Bemerkungen
oder Hänseleien aufgrund seiner Hörschädigung hat es bisher nie gegeben.
Pauls schulische Leistungen sind recht gut, auch wenn seine Lehrerin des öfteren feststellt, dass er nichts alles versteht und mehrmalige Wiederholung von Arbeitsanweisungen meist angebracht sind. Pauls Mutter, eine Fachlehrerin für Textilarbeit/Werken,
hat sich wegen Paul beurlauben lassen und möchte solange wie nötig auf die Arbeit verzichten, um nachmittags genügend Zeit für ihren Sohn zu haben. Paul hat eine ältere
Schwester die zur Zeit die vierte Klasse besucht und die wegen des baldigen Übertritts
an eine weiterführende Schule auch die Unterstützung der Mutter benötigt.
Pauls Verhalten in der Klasse war zu Beginn des Schuljahres auffällig, nachdem aber
ein Drehstuhl in der Klasse angeschafft worden war und die Sitzordnung mehrmals abgeändert wurde schienen sich seine Perzeptionsbedingungen verbessert zu haben, was
sich auch auf sein Verhalten auswirkte. In letzter Zeit reagiert er aber wieder öfter unruhig und seine Konzentrationsspannen werden zunehmend kürzer. Ein Grund kann hier
ein sehr verhaltensauffälliger Schüler sein, der immer wieder während des Unterrichts
Tobsuchtsanfälle bekommt, dann mehrere Minuten lang schreit, lärmt und um sich
schlägt. In diesen Phasen wird auch Paul sehr unruhig, springt von seinem Platz auf,
kann nicht mehr still sitzen und verhält sich teilweise aggressiv gegenüber seinen Mitschülern. Da Pauls Schmerzschwelle bei lauten Geräuschen schneller erreicht wird als
bei einem Normalhörenden, kann es sein, dass die lauten Geräusche und das Schreien
seines Mitschülers Pauls auffälliges Verhalten auslösen. Ferner erreicht der Lärmpegel
in einer Klasse mit 30 Schülern immer einen gewissen Grad und Paul, der sich bei der
auditiven Perzeption mehr anstrengen muss und gleichzeitig noch auf das Absehen angewiesen ist, kann hier immer wieder an seine Leistungsgrenzen gebracht werden.
Die Betreuungslehrkraft des Mobilen Sonderpädagogischen Dienstes erscheint alle 2
Monate für je ca. 30-45 Minuten. In dieser Zeit versucht sie nach Kräften, sowohl der
Klassleiterin als auch Pauls Mutter Hilfen und Ratschläge aufzuzeigen, allerdings ist
aus ihrer eigenen Sicht die Zeit viel zu knapp bemessen, um hier wirklich helfen zu
können.
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Vor wenigen Tagen machte die Konrektorin der Schule, die zusätzlich als Beratungslehrerin tätig ist und sich ebenfalls sehr für Paul einsetzt den Vorschlag, diesen auf die
ortsnahe Sprachheilschule zu überweisen, da die Schwerhörigenschule sehr weit
entfernt ist und Paul hier lange Fahrtzeiten in Kauf nehmen müsste. Die Konrektorin
erhofft sich durch diese Maßnahme eine ruhigere Lernatmosphäre in einer Klasse mit
geringerer Schülerzahl für Paul und eine intensivere Betreuung. Somit sollen seine
Verhaltensauffälligkeiten
abgebaut
werden
und
seine
Konzentrationsfähigkeit
bestenfalls weniger belastet sein. Pauls Eltern sehen einer solchen Umschulung eher
skeptisch entgegen, sie wollen lieber noch abwarten und ihn wenn möglich in der
allgemeinen Schule belassen.
6.4.2
Lisa in der Regelschule
Lisa ist bereits das zweite Schuljahr in der gleichen Klasse einer allgemeinen Schule
integriert. Ihre Mitschüler akzeptieren sie als ein vollwertiges Mitglied der Klassengemeinschaft, sie hat hier viele Freunde und ist sehr beliebt. Auch in Lisas Klasse wurden
noch nie negative Bemerkungen bezüglich ihrer Hörschädigung gemacht, allerdings
kommt es ab und zu vor, dass Schüler auf dem Pausenhof eine kränkende Bemerkung
fallen lassen. Lisa reagiert darauf meist sehr empfindlich, sowohl Lehrerin als auch Eltern versuchen dies dann wieder auszugleichen. Lisa „vergisst“ ihre Hörgeräte immer
wieder zu Hause oder weigert sich manchmal sogar, diese zu tragen, was eventuell auf
die Hänseleien zurückzuführen, aber auch Teil ihrer Entwicklung und der langsam beginnenden Pubertät sein kann.
Lisas Lehrerin erhält auch ca. alle 2 Monate Beratung und Unterstützung durch eine
Lehrkraft des Mobilen Sonderpädagogischen Dienstes. Der äußerst begrenzte zeitliche
Rahmen erscheint sowohl der Klassleiterin als auch der Betreuungslehrkraft zu wenig,
leider sind hier aber aufgrund der begrenzten Stundenzahl des Mobilen Sonderpädagogischen Dienstes keine Erweiterungen möglich.
Sprachlich scheint Lisa auf dem Stand ihrer Mitschüler zu sein, dass sie
Schwierigkeiten bei der Perzeption und beim Verstehen von Sprache hat tritt gerade in
letzter Zeit häufiger zu Tage. Lisa hat gelernt, Perzeptionslücken durch Nachfragen bei
ihrer Banknachbarin aber auch durch gewisse Strategien zu vertuschen, welche im
Einzelgespräch mit ihr sichtbar werden. So greift sie häufig ein einzelnes Wort einer
Frage auf und beantwortet diese dann nicht sinngemäß. Lisas schulische Leistungen
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sinken in letzter Zeit ab. Sie hat zunehmend „Schulunlust“, fühlt sich während des
Unterrichts häufig müde und fängt bei schwierigen Aufgabenstellungen schnell zu
weinen an, wobei sie eine Weiterarbeit dann meist verweigert. Inwiefern dieses
Verhalten und Lisas Leistungseinbruch mit ihrer Schwerhörigkeit und den damit
verbundenen Problemen zusammenhängen, kann Lisas Lehrerin, die zum ersten Mal ein
hörgeschädigtes Kind in ihrer Klasse unterrichtet, aufgrund von Erfahrungsmangel und
wenig fundiertem Wissen in diesem Gebiet kaum beurteilen, sicherlich kann man das
auch
nicht
von
ihr
verlangen.
Die
Betreuungslehrerin
des
Mobilen
Sonderpädagogischen Dienstes kann im Rahmen ihres Aufgabenfeldes die Lehrerin hier
zwar beraten, allerdings fällt es ihr selbst schwer, die Situation einzuschätzen, da sie nur
alle 2 Monate für kurze Zeit mit Lisas Lehrerin und deren Mutter spricht.
Da zwei besonders verhaltensauffällige Schüler der Klasse einen ständigen Lärmpegel
verursachen, welcher auch durch zahlreiche Maßnahmen und Gespräche mit den betreffenden Schülern nicht eingedämmt werden kann, vermutet die Lehrerin hier eine zusätzliche Belastung für Lisa.
Durch die Gespräche mit Lisas Lehrerin wurde deutlich, dass sich diese zunehmend
überfordert mit der Situation fühlt. Sie hat Angst, den Anforderungen, die durch Lisas
Schwerhörigkeit an sie gestellt werden, nicht gerecht zu werden, gleichzeitig verlangen
aber drei weitere Schüler der Klasse, die aufgrund massiver Verhaltensauffälligkeiten
bereits für eine Umschulung in eine Förderschule getestet wurden, ihre ständige Hilfe
und Unterstützung, so dass sie sich verständlicherweise nicht in der Lage sieht, ständig
auf Lisas momentane Bedürfnisse achten zu können.
Lisa hat immer weniger Lust auf die Schule. Laut Auskunft der Mutter „bockt“ sie immer öfter bei den Hausaufgaben, benötigt sehr viel Zeit dafür und ist häufig gereizt und
schlecht gelaunt. In der Schule gibt Lisa bei schwierigen Aufgabenstellungen immer
häufiger ein leeres Blatt ab oder löst nur sehr wenige Aufgaben. Hört Lisa einmal etwas
nicht richtig und kann so eine Arbeitsanweisung nicht verstehen, meldet sie sich nicht,
sondern fragt ihre Nachbarin oder versucht, die Situation zu überspielen. Zahlreiche
Gespräche seitens der Lehrkraft, die Lisa immer wieder versucht klarzumachen, dass es
besser für sie wäre, sich zu melden, wenn sie etwas nicht versteht zeigen kaum Erfolg.
Zur Zeit wird überlegt, ob Lisa nicht doch in die Schwerhörigenschule umgeschult werden soll. Die Eltern sind zwar skeptisch, da Lisa einen langen Schulweg in Kauf
nehmen und in eine neue Klassengemeinschaft eingegliedert werden müsste,
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grundsätzlich wollen sie aber Lisas sinkende Leistungen und ihre zunehmende
Schulunlust bekämpfen, sie wären deshalb zu einer Umschulung bereit. Lisas Lehrerin
fühlt sich teilweise, als hätte sie sich nicht genügend für Lisa eingesetzt und ihrer
Hörschädigung während des Unterrichts nicht ausreichend Rechnung getragen.
Andererseits weiß sie auch, dass es für einen jeden Lehrer in solch einer unruhigen
Klasse mit teilweise massiv verhaltensauffälligen Schülern unmöglich ist, immer auf
Lisas Hörschaden bedacht zu sein und optimale Bedingungen für sie zu schaffen.
Die Betreuungslehrkraft des Mobilen Pädagogischen Dienstes gibt aus Sicht von Lisas
Lehrerin hier zahlreiche wertvolle Tipps und Ratschläge, aber auch sie ist unschlüssig,
ob eine Umschulung für Lisa gut wäre, einmal weil sie Lisa nicht aus ihrem gewohnten
Umfeld reißen will und sie weiterhin hofft, Lisa könne sich leistungsmäßig auch in der
Regelschule wieder steigern. Aber auch für die Betreuungslehrkraft stellt ein Scheitern
von Lisas Integration in die Regelschule teilweise ein eigenes Versagen dar, was natürlich außer Frage steht, da die wenigen Beratungsstunden im Schuljahr nicht den Ausschlag für eine erfolgreiche Integration oder das Gegenteil geben können.
Letztlich liegt die Entscheidung nun bei Lisas Lehrerin, die sich hierbei ganz offensichtlich überfordert und alleine gelassen fühlt, da sie auch um die Nachteile einer Umschulung weiß und nicht sicher beurteilen kann, ob Lisas Lage sich in der Schwerhörigenschule wirklich verbessern wird.
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7. Abschließende Gedanken
Die Arbeit an der Aufgabe „Thematisierung von ‚Absehen’ und ‚Schwerhörigkeit’“ in
den zwei Regelklassen hat mir persönlich sehr viele neue Inhalte und Sichtweisen eingebracht. Sollte zunächst nur das „Absehen“ in den beiden Integrationsklassen behandelt werden, so merkte ich bereits bei meinem ersten Zusammentreffen mit den beiden
Lehrkräften, dass auch das Thema „Schwerhörigkeit“ dringend aufgegriffen und den
Schülern näher gebracht werden musste. Für mich war diese Tatsache eine neue Herausforderung und ich erweiterte das Thema meiner Arbeit. Im nachhinein berichteten mir
die beiden Regelschullehrerinnen, dass sowohl die Schüler der Klasse als auch sie selbst
neue Einblicke und wertvolle Hinweise in Bezug auf Hörschädigung erhalten hatten.
Trotzdem denke ich, es könnten noch weit mehr Unterrichtseinheiten in den Klassen
zum Thema Schwerhörigkeit gehalten werden bzw. hätte man die beiden
Doppelstunden ausweiten und ausführlicher gestalten können. Dies war leider durch den
begrenzten Rahmen meiner Arbeit nicht möglich, die beiden Lehrerinnen wollten aber
selbst weitere Stunden gestalten. Ich hatte bei beiden bemerkt, dass sie sich vorher nicht
an eine Thematisierung der Hörschädigung von Lisa bzw. Paul innerhalb der Klasse
gewagt hatten, da sie fürchteten, auf diesem Gebiet nicht über genügend Fachwissen zu
verfügen. Durch die Gespräche und auch meine Stundeneinheiten hatten sie aber
Anregungen erhalten, wie sie selbst solche Unterrichtseinheiten gestalten könnten.
Während meiner Arbeit hatte ich an zwei konkreten Beispielen die Durchführung von
Einzelintegration hörgeschädigter Kinder erlebt. Sowohl die beiden Regelschullehrerinnen als auch die Betreuungslehrkräfte des Mobilen Sonderpädagogischen Dienstes waren sehr engagiert und bemüht, den betroffenen Schülern möglichst optimale Bedingungen innerhalb der Regelklasse zu schaffen gleichzeitig aber auch den anderen Schülern
gerecht zu werden. Da die Betreuungslehrkräfte aufgrund ihres knappen Zeitkontingents
pro bereuter Klasse nur ca. alle 2 Monate für je eine halbe bis dreiviertel Stunde den
Regelschullehrerinnen mit Rat und Tat zur Seite stehen können, sind diese die meiste
Zeit auf sich gestellt. Dies fordert von beiden aufgrund der hohen Schülerzahlen pro
Klasse bzw. der teils sehr schwierigen Schüler ein hohes Maß an Motivationsbereitschaft, Einfühlungsvermögen und Kreativität in manchen Unterrichtssituationen. Die
„Integrationsbewegung“ der letzten Jahre ist aktuell und notwendig, da sowohl die neueren medizinischen, technischen als auch pädagogisch-psychologischen Erkenntnisse
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hier einen Weg für hörgeschädigte Kinder eröffnet haben, der nicht mehr umgangen
werden kann. Deshalb werden Integrationsklassen, wie ich es in Klasse 1 und Klasse 2
erlebt habe, immer häufiger zur Realität der Regelschulen gehören.
Aus diesem Grund sollten die betreffenden Regelschullehrer bestmögliche Unterstützung und Hilfe erhalten, um die Beschulung eines hörgeschädigten Kindes in ihrer
Klasse zu einer Bereicherung für alle Beteiligten werden zu lassen. Der Einsatz des Mobilen Sonderpädagogischen Dienstes ist hier ein sehr wichtiger Schritt, allerdings
könnte man die Aufgabenbereiche und auch den zeitlichen Rahmen hier noch erweitern
damit die Betreuungslehrkraft Aufgaben wie die z.B. die Thematisierung von
Schwerhörigkeit in der Klasse zusammen mit dem Regelschullehrer bewältigen kann.
Für letzteren wäre es sicher sehr hilfreich, wenn ihm die anfängliche Unsicherheit
gegenüber der neuen Situation und dem neuen Fachgebiet durch gemeinsames
„Teamteaching“ genommen werden würde, da er hier am praktischen Beispiel den
Umgang mit einem hörgeschädigten Kind erleben könnte. Zu begrüßen wäre auch,
wenn die Regelschullehrkraft noch vor der Einschulung des hörgeschädigten Kindes die
Möglichkeit zur Teilnahme an entsprechenden Seminaren, Fortbildungen oder
Vorträgen erhalten würde, um mit einem fundierteren und gesicherteren Wissen der
neuen Situation mit einem hörgeschädigten Kind selbstbewusster begegnen zu können.
Vielleicht wäre es hier sinnvoll, das Konzept des Mobilen Sonderpädagogischen
Dienstes zeitlich und inhaltlich zu erweitern, um so auf jeden Fall bestmögliche Chancen für eine erfolgreiche Integration eines hörgeschädigten Kindes in die Regelschule
zu gewährleisten. Selbstverständnis und die einzelnen Lehrerrollen müssen neu
bestimmt werden, ferner sollten kooperative Fähigkeiten sowie die Bereitschaft zum
interdisziplinären Zusammenarbeiten weiter gefördert werden. Allgemeine Schule und
Förderschule sollten gemeinsam Lösungsansätze für die Förderung von Schülern mit
indiviuellem sonderpädagogischen Förderbedarf suchen. Hierbei können sich völlig
neue Aufgabenfelder für Förderschullehrer ergeben, z.B. indem Seminare und
Fortbildungen für die Regelschullehrer abgehalten werden müssen, aber auch in einer
noch intensiveren Zusammenarbeit des Mobilen Sonderpädagogischen Dienstes mit den
allgemeinen Schulen.
Der Weg der Integration für hörgeschädigte Kinder ist neu entdeckt worden, jetzt sollte
er bestmöglich gerüstet beschritten werden, damit sein Ziel sicher erreicht werden kann.
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8. Merkblatt
Im folgenden soll das Merkblatt für Regelschullehrer vorgestellt werden, welches als
erste Hilfe gedacht ist, erfährt ein Lehrer, dass er demnächst erstmals ein hörgeschädigtes Kind in seiner Klasse unterrichten wird.
Merkblatt
für Regelschullehrer, die ein hörgeschädigtes Kind in ihrer Klasse
unterrichten werden
Sie sind Lehrer oder Lehrerin an einer allgemeinen Schule und erwarten demnächst ein
hörgeschädigtes Kind in ihrer Klasse? Dieses Merkblatt will Ihnen eine erste Hilfe im
Umgang mit dieser für sie momentan neuen und anspruchsvollen Aufgabe sein.
1) Was ist ein Hörschaden?
Haben Sie sich schon einmal näher mit der Problematik einer Hörschädigung, den
Ursachen und weitreichenden Folgen befasst? Wenn nicht sollten Sie sich zunächst mit
diesem Thema vertraut machen.
Grundsätzlich kann man Hörschäden in die
Schallleitungsschwerhörigkeit
und die
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Schallempfindungsschwerhörigkeit
einteilen.
Bei der Schallleitungsschwerhörigkeit liegt ein Defekt im Mittelohr vor, der Betroffene
hört Sprache und Töne leiser, die Qualität bleibt jedoch erhalten. Durch gut angepasste
Hörgeräte ist diese Art der Hörschädigung meist behebbar und ein Kind mit Schallleitungsschwerhörigkeit bedarf meist keiner zusätzlichen sonderpädagogischen Betreuung.
Bei der Schallempfindungsschwerhörigkeit sind das Innenohr, der Hörnerv oder entsprechende Regionen im Gehirn geschädigt. Der Betroffene hört leiser aber auch qualitativ schlechter, d.h. Töne und Sprache nimmt er nur verzerrt und unvollständig wahr.
Oft sind diese Menschen auch besonders lärmempfindlich, d.h. laute Geräusche (Türen
schla-gen, Schreien) können ihnen schmerzhafter erscheinen als normalhörenden
Personen.
In einem Ton- oder Sprachaudiogramm wird der individuelle Hörschaden für jedes
Ohr getrennt (links und rechts) aufgezeichnet bzw. seine Auswirkungen auf das Sprachverstehen dargestellt.
2) Was bedeutet eine eingeschränkte auditive Wahrnehmung für das hörgeschädigte Kind?
Um diese Frage besser beantworten zu können, sollten Sie sich selbst einmal bewusst
machen, was es heißt, weniger zu hören.
Schränken Sie ihr eigenes Hörvermögen durch Verwendung von Ohrstöpseln (Ohropax)
ein, eventuell können Sie sich zusätzlich noch große Kopfhörer aufhören aufsetzen, um
wirklich möglichst wenig zu hören.
Versuchen Sie mit diesem eingeschränkten Gehör einige Stunden lang in ihrem Alltag
zurechtzukommen.
Wie verstehen Sie jetzt ihre Familienmitglieder?
Hören Sie das Telefon klingeln?
Müssen Sie den Fernseher lauter drehen?
Wenn Sie es sich zutrauen, könnten sie mit diesem eingeschränkten Gehör auch in die
Öffentlichkeit, z.B. zum Einkaufen, gehen.
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Wie reagieren die Leute auf das Sie, wenn Sie öfter nachfragen müssen, weil Sie
etwas nicht verstanden haben?
Überwiegen hier Hilfsbereitschaft oder Skepsis?
Sie haben nun selbst erlebt wie es ist, weniger zu hören. Allerdings haben Sie „nur“
leiser gehört, was mit einer Schallleitungsschwerhörigkeit vergleichbar wäre, während
das hörgeschädigte Kind in ihrer Klasse meistens unter einer Schallempfindungsschwerhörigkeit leiden wird.
Um sich einen Eindruck darüber zu verschaffen wie es ist auch noch verzerrt und
lückenhaft zu hören, können Sie sich folgende Filme ansehen, die eine solche Schwerhörigkeit simulieren, außerdem aber auch wichtige Informationen im Umgang mit hörgeschädigten Schülern liefern:
Schau mich an, wenn du sprichst! Gemeinsamer Unterricht für hörgeschädigte und
normalhörende Schüler. Institut für Schulpädagogik und Grundschuldidaktik. Unterrichtsmitschau der Universität München 1990
Wer schlecht hört muss mehr sehen. Integration Hörbehinderter in Regelschulen.
Institut für Schulpädagogik und Grundschuldidaktik, Universität München. Im Auftrag
von Heiner Graf, Sonderschullehrer für Hörbehinderte, mit Unterstützung der Stiftung
zur Förderung körperbehinderter Hochbegabter, Vaduz, Fürstentum Liechtenstein,
1991.
Sie haben nun gesehen und gehört mit welchen Einschränkungen in der Perzeption ein
schwerhöriges Kind zu kämpfen hat. Entsprechend der Art und dem Grad der Hörschädigung variiert dabei die individuelle Hörsituation.
Das hörgeschädigte Kind hat Sprache, welche normalerweise über das Gehör aufgenommen und so „natürlich“ erlernt wird, viel mühsamer und bewusster erworben als die
anderen Schüler der Klasse. Vielleicht klingt die Aussprache des betroffenen Kindes
leicht „verwaschen“, es lässt gerne Endungen weg oder manche Begriffe sind ihm unbekannt. Dies können alles Folgen der eingeschränkten auditiven Perzeption sein.
Nehmen Sie Rücksicht darauf und versuchen Sie dem Kind so gut wie möglich zu
helfen!
3) Versorgung mit einem Cochlea Implantat
Manche hörgeschädigten Kinder tragen ein Cochlea Implantat (CI). Sollten Sie ein Kind
mit CI in ihrer Klasse erwarten, informieren Sie sich in jedem Fall genauer über diese
„Innenohrprothese“. Da Kinder mit CI nur sehr selten die allgemeine Schule besuchen,
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sei an dieser Stelle lediglich auf entsprechende Literatur verwiesen, die Ihnen weiterhelfen kann:
• Diller, Gottfried: Hören mit einem Cochlear-Implant. Eine Einführung.
Universitätsverlag C. Winter, Heidelberg, 1997. ISBN 3-8253-8241-9
• Leonhardt, Annette (Hrsg.): Das Cochlear Implant bei Kindern und Jugendlichen. Ernst Reinhardt GmbH & Co. Verlag, München, 1997. ISBN 3-49701425-7
Der Fall eines schwerhörigen Jungen, welcher schließlich mit einem Cochlear Implant
versorgt wurde, wird sehr anschaulich vom Vater des Kindes in dem Buch:
• Kessler, Achim: Lukas oder: Unser Weg zum CI. SchulzKirchner Verlag,
Idstein, 2000. ISBN 3-8248-0397-6
geschildert.
4) Umgang mit Hörgeräten
Eine unentbehrliche Hilfe für das hörgeschädigten Kinder sind seine Hörgeräte, welche
meist an beiden Ohren getragen werden, damit Richtung, aus der Schall kommt, bestimmt werden kann.
Wichtig zu wissen ist hierbei, dass Hörgeräte bei einer Schallempfindungsschwerhörigkeit den Hörschaden nicht beseitigen sondern nur abschwächen können.
Die meisten Kinder tragen ein HdO-Gerät (Hinter dem Ohr), aber auch fast unsichtbare
IdO-Geräte (In dem Ohr) sind hin und wieder anzutreffen.
Informieren Sie sich über Aufbau und Funktionsweise eines Hörgeräts!
Setzen sie sich mit den Eltern des hörgeschädigten Kindes noch vor dem ersten Schultag
zusammen und klären sie wichtige Dinge zum Umgang und dem Einsatz der Hörhilfen
des Kindes!
Hierzu kann auch eine drahtlose Mikrofonanlage (FM-Anlage) gehören, welche die
Verständigung zwischen Lehrer und Schüler weiter verbessert. Diese Anlagen vermitteln dem Hörgeschädigten den Eindruck, dass der Lehrer aus nächster Nähe zu ihm
spricht, auch wenn dieser sich zur Tafel wendet oder in der Klasse herumgeht.
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In der folgenden Broschüre können Sie die wichtigsten Informationen hierzu knapp zusammengefasst nachlesen:
Technischer Ratgeber für Eltern hörgeschädigter Kinder. Herausgeber: Bundesgemeinschaft der Eltern und Freunde hörgeschädigter Kinder e.V., Hamburg 1997
An dieser Stelle soll noch einige Literatur genannt werden, die möglichst knapp und
verständlich weitere Informationen zu obigen Punkten liefern kann:
Pädagogische Hilfen für hörgeschädigte Kinder in Regelschulen. (Löwe, Armin)
Universitätsverlag C. Winter GmbH – Programm Edition Schindele, Heidelberg. 1996
Hören – Hörschädigung. Informationen und Unterrichtshilfen für allgemeine Schulen.
Hrsg.: Der Paritätische Wohlfahrtsverband in Hessen. Redaktion: Hartmut Jacobs,
Michael Schneider, Jürgen Weishaupt; Frankfurt, 1998.
Oder die gleichnamige CD-Rom:
Hören – Hörschädigung. Basierend auf der gleichnamigen Broschüre von Hartmut
Jacobs, Michael Schneider und Jürgen Weishaupt. Hrsg.: Paritätischer Wohlfahrtsverband Hessen e.V., 1999.
Unterricht in Klassen mit hörgeschädigten und hörenden Schülerinnen und
Schülern. Hinweise für Lehrer, Schüler und Eltern. (von Hauff, Roswitha / Kern,
Walter) Ehrenwirth Verlag, München. 1991
(diese Broschüre ist für Gymnasiallehrer konzipiert worden, beinhaltet aber auch allgemeine Informationen, die für Lehrer aller allgemeinen Schulen nützlich sein können)
Natürlich gibt es zu allen Bereichen noch weiterführende Literatur, die sie sich bei Bedarf beschaffen sollten, damit Sie sich in dem für Sie neuen Gebiet fachlich nicht überfordert oder zu unerfahren zu fühlen!
5) Wichtige Hinweise für den Unterricht mit einem hörgeschädigten Kind in
einer Regelklasse
Einige wichtige Punkte, die Sie sich immer wieder vergegenwärtigen und in Ihrem
Unterricht beachten sollten, werden hier kurz genannt:
• Wählen Sie eine für den hörgeschädigten Schüler möglichst optimale Sitzordnung!
Beachten Sie, dass der Schüler absehen muss und möglichst alle Gesichter seiner
Mitschüler im Blick haben sollte. Eine hufeisenförmige oder kreisförmige Sitzordnung wäre hier am idealsten, ferner ist ein Fensterplatz für das hörgeschädigte
Kind besonders günstig, da hier alle Gesichter der Mitschüler beleuchtet sind.
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• Verringern Sie soweit möglich Störlärm!
Vermeiden Sie zu lauten Lärm von der Straße, unnötiges Stühle rücken, Zwischenrufe aber auch „quietschende“ Kreiden bei der Tafelanschrift.
• Achten Sie auf ihre Lehrersprache!
– natürliche Sprechweise verwenden
– das Sprechtempo dem Sprachverständnis und der Perzeptionsleistung anpassen
– sinnentsprechende Akzente setzen
– keine Schachtelsätze machen
– auch nonverbale Kommunikation einsetzen (Mimik, Gestik, Blickkontakt…)
– gut moduliert, rhythmisiert und klar gegliedert sprechen
• Wechseln Sie immer wieder die Unterrichts- und Sozialformen!
Ein hörgeschädigtes Kind muss sich beim Zuhören besonders stark konzentrieren,
deshalb sollten Sie immer wieder Hörpausen in ihren Unterricht einbauen und auch
Formen wie Offenen Unterricht, Partnerarbeit etc. nicht scheuen.
• Halten Sie Arbeitsaufträge auch schriftlich fest!
Um Sicherzugehen, dass das hörgeschädigte Kind Arbeitsaufträge, Hausaufgaben
und andere, meist mündlich formulierte Aufgaben verstanden hat, sollten Sie diese
an der Tafel oder einer Folie festhalten.
• Verwenden Sie viel visuelles Material!
Um dem hörgeschädigten Kind die Perzeption zu erleichtern sollten Sie Anschauungsmaterial, Wortkarten, Bilder, Dias usw. einsetzen. Auch der Gebrauch des
Tageslichtprojektors ist sehr nützlich, da sie hier mit dem Gesicht zur Klasse
gewandt stehen, während Sie bei einer Tafelanschrift nicht gleichzeitig reden sollten,
da Ihr Mundbild hier nicht sichtbar ist.
• Thematisieren Sie die Schwerhörigkeit in der Klasse
Es ist wichtig, die Mitschüler über Probleme und Situation eines Hörgeschädigten zu
informieren, um hier Vorurteile abbauen zu können, Verständnis zu fördern und
Rücksichtnahme einzuüben.
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Man könnte diese Liste noch weiterführen, sie soll Ihnen aber für den Anfang eine erste
Hilfe sein und Anstoß geben zur weiteren Beschäftigung mit bestimmten Schwerpunkten.
Abschließend soll eine kurze „Kontrolle für den täglichen Unterricht“ vorgestellt werden, die Sie sich z.B. auf das Pult legen können und die ihnen während des Unterrichts
im Umgang mit dem hörgeschädigten Kind immer wieder eine Hilfe sein kann.
Kontrolle für den täglichen Unterricht
• Funktionieren beide Hörgeräte?
• Wenn möglich im Sitzen unterrichten (Absehen)
• Nie mit dem Rücken zum Schüler stehen
• Kerngedanken der Stunde schriftlich festhalten (Overheadprojektor)
• Mundbild muss beim Sprechen sichtbar sein
• Nicht überlaut oder überdeutlich sprechen
• Auf ausreichende Beleuchtung achten
• Hörpausen einlegen
• Themenwechsel deutlich angeben
• Beim Ausfragen dem Schüler die Fragen schriftlich vorlegen
• Wiederholungen und Teilzusammenfassungen einbauen
• Schwierige Begriffe und Fremdwörter erklären
• Hausaufgaben schriftlich festhalten
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Literaturverzeichnis
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Springer-Verlag Berlin/Heidelberg/NewYork. 1996
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Claußen, Hartwig W.: „Integration! (…oder lieber nicht?) In: hörgeschädigte Kinder
Heft 4/91 (S.186-194) ; 1/92 (S.44-49) und 2/92 (S.103-107). Verlag hörgeschädigte
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Diller, Gottfried: Hören mit einem Cochlea-Implant. Universitätsverlag C. Winter
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Broschüren und Zeitschriften
Spektrum Hören – Die Zeitschrift für lautsprachliche Erziehung hörgeschädigter
Kinder. Hrsg.: Bundesgemeinschaft der Eltern und Freunde hörgeschädigter Kinder e.V.
Ausgaben:
- Juni 1998 / Nr. 3: Was sollen sie lernen?
- Oktober 1998 / Nr. 5: Hörgerichtete Erziehung braucht Technik I
- Dezember 1998 / Nr. 6: Hilfe und Selbsthilfe
- Februar 1999 / Nr. 1: Hörgerichtete Erziehung braucht Technik II
- Mai 1999 / Nr. 2: Erfahrungen mit dem CI
- Mai 2000 / Nr. 2: In der Regelschule
- August 2000 / Nr. 3: Integration …
Hören – Hörschädigung. Informationen und Unterrichtshilfen für allgemeine Schulen.
Hrsg.: Der Paritätische Wohlfahrtsverband in Hessen. Redaktion: Hartmut Jacobs,
Michael Schneider, Jürgen Weishaupt; Frankfurt, 1998.
Projektgruppe München: Das lautsprachbegleitende Gebärdenverfahren. Druckerei
Wagner, München. 1989
Technischer Ratgeber für Eltern hörgeschädigter Kinder. Herausgeber: Bundesgemeinschaft der Eltern und Freunde hörgeschädigter Kinder e.V., Hamburg 1997
Bertelsmann Lexikon 2000 – Ausgabe auf CD-Rom.
Verwendete CD-Roms
Hören – Hörschädigung. Basierend auf der gleichnamigen Broschüre von Hartmut
Jacobs, Michael Schneider und Jürgen Weishaupt. Hrsg.: Paritätischer Wohlfahrtsverband Hessen e.V., 1999.
Muskat. Medial unterstütztes Kommunikations- und Absehtraining für Schwerhörige
und Ertaubte. Multimediaverlag der IN FORMA – Zentrum für Hörgeschädigte
Neuwied gGmbH, 1999.
Verwendete Filme
Schau mich an, wenn du sprichst! Gemeinsamer Unterricht für hörgeschädigte und
normalhörende Schüler. Institut für Schulpädagogik und Grundschuldidaktik.
Unterrichtsmitschau der Universität München 1990
Wer schlecht hört muss mehr sehen. Integration Hörbehinderter in Regelschulen.
Institut für Schulpädagogik und Grundschuldidaktik, Universität München. Im Auftrag
von Heiner Graf, Sonderschullehrer für Hörbehinderte, mit Unterstützung der Stiftung
zur Förderung körperbehinderter Hochbegabter, Vaduz, Fürstentum Liechtenstein,
1991.
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FM-Systeme für Kinder. Vorgehensweise, Auswahl und Prüfstrategien. Phonak Video
Focus. Phonak AG, 1998.
Hörgeräteanpassung im Kindesalter. Phonak Video Focus. Phonak AG, 1997.
Verwendete Internetseiten
- www.taubenschlag.de (27.11.2000)
- www.schwerhoerigen-netz.de (27.11.2000)
- www.fh-hannover.de/agreha/hardsim.htm (05.02.2001)
- www.ci-centrum.de (05.02.2001)
- www.hno-rdi.de/cochl_op.asp (05.02.2001)
- www.ukl.uni-freiburg.de/hno/icf/cochlear.html (27.11.2001)
- http://sat.eskatoo.de/d/home.html (12.02.2001)
- http://www.oticon.de/Index.html (12.02.2001)
- http://www.phonak.de/phonak_neu/kapitel/kap2/kap2_5.htm (12.02.2001)
- www.isb.bayern.de (12.02.2001)
- www.stmukwk.bayern.de/schule/foerders.html (12.02.2001)
- http://www.cochlear.com/rcs/cochlear/publisher/web/home_static/index.jsp
(12.02.2001)
- www.hno-rdi.de/cochlearImplant/cochlea_impl_2.asp (12.02.2001)
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Abbildungsverzeichnis:
Abbildung 1: aus: von Hauff, Roswitha / Kern, Walter: Unterricht in Klassen mit
hörgeschädigten und hörenden Schülerinnen und Schülern. Hinweise für Lehrer,
Schüler und Eltern. Ehrenwirth Verlag, München. 1991; S. 21
Abbildung 2: Renzelberg, Gerlinde: Pädagogische Audiologie – Einführung. Skript zur
Vorlesung. Hamburg/München 1997; S. 37
Abbildung 3: aus: von Hauff, Roswitha / Kern, Walter: Unterricht in Klassen mit
hörgeschädigten und hörenden Schülerinnen und Schülern. Hinweise für Lehrer,
Schüler und Eltern. Ehrenwirth Verlag, München. 1991; S. 19
Abbildung 4: aus: von Hauff, Roswitha / Kern, Walter: Unterricht in Klassen mit
hörgeschädigten und hörenden Schülerinnen und Schülern. Hinweise für Lehrer,
Schüler und Eltern. Ehrenwirth Verlag, München. 1991; S. 20
Abbildung 5: aus: Renzelberg, Gerlinde: Pädagogische Audiologie – Einführung.
Skript zur Vorlesung. Hamburg/München 1997; S. 35
Abbildung 6: Leonhardt, Annette: Einführung in die Hörgeschädigtenpädagogik. Ernst
Reinhardt Verlag, München. 1999; S. 51
Abbildung 7: siehe Abb. 11; S. 57
Abbildung 8: Jacobs, Hartmut/Schneider, Michael/Weishaupt, Jürgen: Hören –
Hörschädigung. Informationen und Unterrichtshilfen für allgemeine Schulen. DER
PARITÄTISCHE, Landesverband Hessen e.V., Frankfurt. 1998; S. 61
Abbildung 9: unter: http://sat.eskatoo.de/d/d21-prod.html
Abbildung 10: Werbung der Fima Sennheiser (Sennheiser electronic/Am Labor
1/30900 Wedemark)
Abbildung 11: unter: http://www.phonak.de/phonak_neu/kapitel/kap2/kap2_5.htm
Abbildung 12:
http://www.cochlear.com/rcs/cochlear/publisher/web/home_static/index.jsp
Abbildung 13:
http://www.cochlear.com/rcs/cochlear/publisher/web/home_static/index.jsp
Abbildung 14: www.hno-rdi.de/cochlearImplant/cochlea_impl_2.asp
Abbildung 15: Müller, J.: Kommunikation mit Guthörenden. Hrsg.:
Bundesgemeinschaft d. Eltern und Freunde schwerhöriger Kinder e.V. Hamburg. 1986;
S. 11
Abbildung 16: siehe Abbildung 15; S. 11
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Abbildung 17: aus: Hillenmeyer, Margit: Deutsche Gebärdensprache I, Grundkurs für
Anfänger – Bayern. München. 8. Auflage 1996; S. 3
Abbildung 18: aus: Hillenmeyer, Margit: Deutsche Gebärdensprache I, Grundkurs für
Anfänger – Bayern. München. 8. Auflage 1996; S.25 und S. 31
Abbildung 19: aus: Projektgruppe München: Das lautsprachbegleitende Gebärdenverfahren. Druckerei Wagner, München. 1989; S. 14
Abbildung 20: Eisenwort, Brigitte, Viehhauser Gundula, Bigenzahn, Wolfgang:
Ablesetraining Arbeitsblätter. Julius Groos Verlag, Heidelberg. 1992; Liste 46
Abbildung 21: siehe Abbildung 20; Liste 50
Abbildung 22: siehe Abbildung 20; Liste 58
Abbildung 23: siehe Abbildung 20; Liste 54
Abbildung 24: Wagenbach, W.: Wer nicht hören kann, muss (ab-)sehen. Verlag
Schwerhörigen-Verein Koblenz e.V., Koblenz. 1980; S. 110
Abbildung 25: siehe Abbildung 20; Liste 67
Abbildung 26: siehe Abbildung 20; Liste 59
Abbildung 27: siehe Abbildung 20; Liste 12
Abbildung 28: siehe Abbildung 20; Liste 19
Abbildung 29: siehe Abbildung 20; Liste 25
Abbildung 30: siehe Abbildung 20; Liste 26
Abbildung 31: Löwe, Armin: Pädagogische Hilfen für hörgeschädigte Kinder in
Regelschulen. Universitätsverlag C. Winter GmbH – Programm Edition Schindele,
Heidelberg. 1996; S. 97
Abbildung 32: www.stmukwk.bayern.de/schule/foerders.html
Abbildung 33: Tonaudiogramm Paul: eigenes Material
Abbildung 34: Sitzplan Klasse 1 : eigenes Material
Abbildung 35: Tonaudiogramm Lisa : eigenes Material
Abbildung 36: Sitzplan Klasse 2 : eigenes Material
Abbildung 37: Tafelbild „Schwerhörige Menschen“ : eigenes Material
Abbildung 38: Tafelbild „Warum wird man schwerhörig?“ (Klasse 1) : eigenes
Material
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Abbildung 39: Tafelbild „Das Hörgerät“ : eigenes Material
Abbildung 40: Tafelbild „das Absehen“ (Klasse 1) : eigenes Material
Abbildung 41: Tafelbild „Warum wird man schwerhörig?“ (Klasse 2) : eigenes
Material
Abbildung 42: Tafelbild „das Absehen“ (Klasse 2) : eigenes Material
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