76 5 5 Schutz gegen elektrischen Schlag Brandschutz gewährleistet. Auch der Tierschutz ist nur auf diese Weise möglich. Darüber hinaus wird sogar ein Schutz bei Schutzleiterun­terbrechungen, bei Schutz­ leiterverwechslungen und bei Isolationsfehlern in Betriebsmitteln der Schutzklasse II (Schutzisolierung) erreicht. Insbesondere in Räumen mit Badewanne, in land­ wirtschaftlichen und Baubetrieben sowie in nassen und feuerge­fährdeten Betriebs­ stätten, im Freien, in fliegenden Bauten, auf Campingplätzen und in allen sonstigen besonders gefährdeten Anlagen empfiehlt sich die Fehlerstromschutzeinrichtung (RCD) im TT‑ oder TN‑Systen, möglichst mit einem Bemessungsfehlerstrom 30 mA, oder sie ist sogar zwingend vorgeschrieben. Die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen mit Überstromschutzeinrich­tungen hängt von der Sorgfalt bei der Errichtung und der erstmaligen Prüfung, die mit Fehler­ stromschutzeinrichtungen (RCDs) von der dauernden Funktionstüchtigkeit der Fehlerstromschutzeinrichtung – auch ohne regel­mäßige Überwachung – ab. Bei besonderer Gewittergefährdung in Freileitungsnetzen und bei automatisch arbeitenden Anlagen, wie Intensivbetrieben, Tiefkühl­truhen, Verkehrssignalen und Straßenbeleuchtungen, sollte man kurzverzögerte Fehlerstromschutzeinrichtungen (RCDs), sog. selektive Fehlerstromschutzeinrichtungen, verwenden. Wie immer auch entschieden wird – stets möge sich der Elektroinstallateur die sehr alte VDE‑Grundregel vor Augen halten: Zusätzliche Schutzmaßnahmen sind nur eine Notbremse, die natürlich in Ordnung sein muss. Am wichtigsten aber sind die Verwendung normgerecht hergestellter Betriebsmittel, die auch eine ausreichende Qualität besitzen, eine gewissenhafte, sorgfältige Installation sowie eine regelmäßige Instandhaltung und Überwachung der elektrischen Anlage durch Fachkräfte. Die Schutzmaßnahmen werden durch den Potenzialausgleich (Abschn. 6.2) wir­ kungsvoll unterstützt. Bei Gleichstrom sind ebenfalls Schutzmaßnahmen erforderlich. In Betracht kom­ men alle genannten Schutzmaßnahmen mit Ausnahme der netzspannungsabhän­ gigen Fehlerstromschutzeinrich­tungen. Überstromschutzeinrich­tungen können in Gleichstrom-­wie in Wechselstromnetzen verwendet werden. Lei­tungs­schutz­ schalter (VDE 0641-11 und -12) und Leistungsschalter (VDE 0660-101) müssen jedoch für Gleichstrom geeignet sein. 5.6 Schutz durch automatische Abschaltung der Stromversorgung Der Basisschutz (Schutz gegen direktes Berühren) wird bei Schutz durch automa­ tische Abschaltung der Stromversorgung durch eine Basisisolierung der aktiven 5.6 Schutz durch automatische Abschaltung der Stromversorgung 77 Teile (s. Abschn. 5.3.1.1) oder durch Abdeckung oder Umhüllungen (s. Abschn. 5.3.1.2) verwirklicht. Alle elektrischen Betriebsmittel müssen diesen Basisschutz besitzen. Bei Bereichen, die nur von Elektrofachkräften oder von sog. elektrotech­ nisch unterwiesenen Personen betrieben oder überwacht oder auch nur betreten werden (z. B. abgeschlossene elektrische Betriebsstätten (s. Abschn. 14.12.2)), kann als Basisschutz auch der Schutz durch Hindernisse oder Schutz durch Abstand angewendet werden. Der Fehlerschutz (Schutz bei indirektem Berühren) wird durch Schutzpotenzialausgleich über die Haupterdungsschiene (bisherige Bezeichnung: Hauptpotenzial­ ausgleich) und automatische Abschaltung im Fehlerfall verwirklicht. Dazu müssen alle Körper von elektrischen Betriebsmitteln mit einem Schutzleiter verbunden werden. Diese Erdung über den Schutzleiter bezeichnet man mit Inkrafttreten der VDE 0100-410:2007-06 als Schutzerdung. Der Begriff wird einigen älteren Lesern bekannt vorkommen. So wurde bis zum Inkrafttreten der VDE 0100-410:1983-11 die Schutzmaßnahme „Schutz durch automatische Abschaltung der Stromver­ sorgung im TT-System“ bezeichnet. Der hier „neue“ Begriff Schutzerdung steht also nicht im Zusammenhang mit der früher so bezeichneten Schutzmaßnahme Schutzerdung. Deshalb sollte statt des neuen Begriffs Schutzerdung besser Erdung über den Schutzleiter gesagt werden [1]. Gleichzeitig berührbare Körper müssen mit demselben Erdungssystem einzeln, in Gruppen oder gemeinsam verbunden werden. Die Schutzerdungsleiter müssen den Anforderungen entsprechen, wie sie in Abschn. 5.6.1 beschrieben sind. Für jeden Stromkreis muss ein Schutzleiter vorhanden sein, der durch Anschluss an die diesem Stromkreis zugeordnete Erdungsklemme oder Erdungsschiene geerdet ist. Darüber hinaus müssen in jedem Gebäude der Erdungsleiter und die leitfähigen Teile über die Haupterdungsschiene zum Schutzpotenzialausgleich verbunden werden. Der Schutzpotenzialausgleich über die Haupterdungsschiene (bisherige Bezeichnung: Hauptpotenzialausgleich) ist in Abschn. 5.6.11.1 beschrieben. Beim automatischen Abschalten im Fehlerfall muss eine Schutzeinrichtung im Falle eines Fehlers vernachlässigbarer Impedanz zwischen dem Außenleiter und einem Körper oder einem Schutzleiter des Stromkreises oder einem Schutzleiter des Betriebsmittels die Stromversorgung zu dem Außenleiter eines Stromkreises oder dem Betriebsmittel in einer bestimmten maximalen Abschaltzeit automatisch unterbrechen (s. Abschn. 5.6.2 bis 4). Wenn im Falle eines Fehlers, d. h. bei Berührung eines aktiven Leiters mit dem Schutzleiter oder mit Erde, bei einer Nennspannung des Netzes über AC 50 V oder DC 120 V die Ausgangsspannung der Stromquelle innerhalb einer der Zeiten wie sie in den Tabellen 5.9 (TN-System) und 5.15 (TT-System) genannt sind, auf AC 5 78 5 Schutz gegen elektrischen Schlag 50 V oder DC 120 V oder weniger absinkt oder auch begrenzt wird, ist die auto­ matische Abschaltung nicht erforderlich. Allerdings nur aus Gründen des Schutz gegen elektrischen Schlages. Geforderte Abschaltzeiten z. B. für den Überstrom­ schutz müssen allerdings beachtet werden. Solch ein Absinken oder Begrenzen der Spannung kann z. B. bei Verbrauchsmitteln auftreten, die durch einen Umrichter mit Strombegrenzung gespeist werden. 5 5.6.1Arten von Verteilungssystemen VDE 0100-300 Zur einheitlichen Beschreibung elektrischer Versorgungs­netze im Hinblick auf deren sicherheitstechnische Konzeption und die Auswahl der Schutzmaßnahmen dienen die in VDE 0100-300 aufgeführten Arten von Verteilungssystemen: – TN‑System, – TT‑System, – IT‑System. Der 1. Buchstabe bezieht sich dabei auf die Erdungsverhält­nisse der Stromquelle. So bedeutet „T“ eine direkte Verbin­dung eines Netzpunktes mit der Erde (Be­ triebserdung). „I“ steht entweder dafür, dass alle aktiven Teile von Erde getrennt („isoliert“) sind oder dass ein Punkt über eine Impedanz mit Erde verbunden ist, z. B. über eine Isolationsüberwachungseinrichtung. Der 2. Buchstabe kennzeichnet die Beziehung der Körper der elektrischen Anlage zur Erde. Werden die Körper direkt ge­erdet, so steht hierfür das „T“. Dies ist unab­ hängig von der etwa bestehenden Erdung eines Punktes des Versorgungs­systems. Werden die Körper direkt mit dem geerdeten Punkt des Versorgungssystems verbunden, so dient zur Kennzeichnung des Versorgungsystems das „N“. In TN‑Systemen ist ein Punkt, meist der Sternpunkt, direkt geerdet (Betriebser­ dung). Die Körper der elektrischen Anlage sind über Schutzleiter bzw. PEN‑Leiter mit diesem Punkt ver­bunden (früher: „Nullungsnetz“). Nach der Anordnung der Neutralleiter und der Schutzleiter sind drei Arten von TN‑Systemen zu unterscheiden: – TN-S-System: Im gesamtem System wird ein getrennter Schutzleiter angewendet (früher: „moderne Nullung“). – TN‑C‑System: Im gesamtem System sind die Funktionen des Neutral­ leiters und des Schutzleiters in einem einzigen Leiter, dem PEN‑Leiter, kombiniert (früher: „klassische Nullung“). 5.6 Schutz durch automatische Abschaltung der Stromversorgung 79 – TN‑C‑S-System (Bild 5.6): In einem Teil des Systems sind die Funktionen des Neutralleiters und des Schutzleiters in einem einzigen Leiter kombi­ niert (PEN), im anderen Teil getrennt (PE + N). Das TN‑C‑S‑System ist das TN‑System, das in der Praxis wohl am häufigsten vorgefunden wird. In dem Teil des Verteilungs­systems, in dem Querschnitte von 10 mm2 Cu und größer ver­wendet werden, sind Neutral‑ und Schutzleiter in einem PEN‑Leiter zusammengefasst, bei Querschnitten unter 10 mm2 Cu sind sie aufge­ teilt. In Sonderfällen, z. B. in Krankenhäusern, kann unabhängig vom Querschnitt ein TN‑S‑System erforderlich sein. Bild 5.6: TN-C-S-System Bild 5.7: TT-System Im TT-System (Bild 5.7) ist ein Punkt direkt geerdet (Betriebserdung). Die Körper der elektrischen Anlage sind mit Erdern verbunden, die elektrisch vom Erder für die Erdung des Systems unabhängig sind (früher: „Schutzerdung“ bzw. „Schutz­ schaltung“). Im IT-System (Bild 5.8) sind alle aktiven Teile von Erde getrennt, oder ein Punkt ist über eine Impedanz mit Erde verbunden. Die Körper der elektrischen Anlage sind entweder einzeln oder gemeinsam geerdet oder gemeinsam mit der Erdung des Systems verbunden (früher: „Schutzleitungssystem“). Bild 5.8: IT-System 5