Scharf, schärfer und weniger scharf!

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Scharf, schärfer und weniger
scharf!
Manchmal kommt es vor, dass einem das Wetter diktiert, was man
gerade so machen sollte. Zum Glück eher selten. Aber die
letzten Tage mussten, vorausschauend auf den Wetterbericht,
der Temperaturen unter dem Gefrierpunkt und Schneefall
ankündigte, genutzt werden, um unsere Terrasse winterfest zu
machen. Das heißt in erster Linie die Zitrusbäume und den
Lorbeer in Sicherheit zu bringen und abernten, was noch bis
zuletzt reift. Auf unserer Terrasse wachsen nämlich fast
ausschließlich Pflanzen, die in irgendeiner Weise verzehrbar
sind oder Verzehrbares tragen. Dass ich ein leidenschaftlicher
Koch bin, wissen viele – dass ich auch ein leidenschaftlicher
Gärtner bin, weiß kaum jemand. Allerdings hängen beide
Interessen bei mir ursächlich zusammen: wenn eine Pflanze
nichts Essbares produziert, dann muss sie schon sehr schön
sein, um mein Interesse zu wecken…
Angefangen hat alles so: irgendwie
gab es auf meiner Terrasse immer
die nötigsten Kräuter, die man in
der Küche regelmäßig braucht und
die man immer frisch verfügbar
haben will. Was mein Interesse
aber im Speziellen entfacht hat,
das war eine Beobachtung, die ich
vor
einigen
Jahren
in
Südfrankreich
gemacht
habe.
Genauer gesagt im Kräuter- und
Gemüsegarten eines 3-SterneRestaurants! Dort waren, ungemein
durchdacht
gepflanzt,
alle
möglichen
Gemüseund
Kräutersorten angebaut. Wenn man aber näher hingeschaut hat,
dann sah man, dass das fast alles sehr spezielle Sorten waren,
die es auf den lokalen Märkten oder im Carrefour nie zu kaufen
gab. Und die für diese spezielle Art der Küche vermutlich
neben den herkömmlichen Sorten entscheidend waren. So habe ich
auch begonnen, verschiedene Sorten von Minzen, Kressen,
Thymian, Basilikum etc. zu kultivieren und in der Küche
auszuprobieren. Dann kamen die Gemüsesorten hinzu und nach
einigen fast immer enttäuschenden Versuchen mit besonderen
Tomatensorten, habe ich mich auf letztlich auf sieben rankende
Zucchinipflanzen, die uns den Sommer über regelmäßig mit
wundervollen Zucchiniblüten versorgen (wegen der Zucchinis
lohnt der Aufwand nicht, wegen der Blüten schon!) und 10-12
Chili- und Paprikasorten beschränkt. Die wachsen nämlich
problemlos in Töpfen. Und um Chili und Paprika geht es im
Folgenden. Ich hoffe, ich kann dem einen oder anderen unter
Euch einen Anreiz geben, es selbst auch mal zu versuchen…? Man
muss kein erfahrener Gärtner sein um zufrieden stellende
Resultate ernten zu können.
Anfangs habe ich versucht, mich in den einschlägigen Foren zu
informieren, was ich jedem empfehlen würde, wenn es um die
Grundregeln der Aussaat und Pflege geht. Und vor allem um
einen Überblick über die verschiedenen Sorten! Allerdings hat
mich immer gestört, dass es dort meist weniger um raffinierten
Genuss ging als um Ernte- und Schärferekorde. „Richtige Männer
lieben Schärfstes zum Barbecue“ – nichts für mich! Waren die
ersten Jahre meine Chilisorten auch eher scharf, habe ich das
inzwischen umgekehrt: zwei scharfe Sorten reichen mir, der
Rest ist eher dezent scharf oder gar mild. Es geht um
Geschmack und nicht um Schärfe. Das Problem dabei: manche
dieser sehr scharfen Sorten haben ein extrem interessantes
fruchtig-intensives Geschmacksbild, das aber kaum in der
feineren Küche eingesetzt werden kann, weil die Gerichte bei
nötiger Chili-Menge schlicht viel zu scharf werden und nicht
mehr gut balanciert sind. Deshalb die Suche nach milden
Sorten, die aber trotzdem interessant sind. Normal beim
Gemüsehändler kaufen kann man die meisten dieser Sorten nicht.
Die einzige Chilisorte, die ich nicht selbst anbaue, sondern
regelmäßig kaufe – frisch im Asia-Laden – sind scharfe
Vogelaugenchilis, die etwa für ein Thaicurry unabdingbar sind
und die in meiner Küche ganzjährig regelmäßig Verwendung
finden.
Bei zwei Sorten sind es ästhetische Gründe, warum ich sie
ausgewählt habe und anbaue: da ist zum ersten der kleine
unglaublich dicht wachsende „Purple Tiger“, eine Sorte, die
wenig Platz braucht, nur etwa 40 bis 50cm hoch wächst,
ausgesprochen gut trägt und wunderschöne Blüten und Blätter
hat: dunkel- bis hellgrün mit violettem Einschlag und stark
panaschiert sind die Blätter, die Blüten hellblau bis weißviolett. Die Früchte wachsen dunkel Auberginen-farbig und
reifen in ein bläulich unterlegtes leuchtendes Rot ab.
Geschmacklich eher durchschnittlich mit einer mittleren
Schärfe, die mitgekocht am besten zur Geltung kommt.
Etwa vergleichbar in der Schärfe
ist der ebenfalls sehr kleine Chili
„Marbles“, allerdings sind hier die Früchte die ästhetische
Attraktion: klein und kugelrund wie bunte Schusser wachsen sie
weiß und dunkelblau-violett um dann nach orange und knallrot
abzureifen. Da die Früchte schnell abreifen, hat man ab dem
Sommer alle Farbvarianten gleichzeitig vor Augen. Sieht sehr
spektakulär und dekorativ aus! Im Gegensatz zum „Purple Tiger“
sind die Früchte aber dickfleischig, fast wie Beeren, was sie
für einen „rohen“ Einsatz, fein aufgeschnitten, prädestiniert.
Die kleine Pflanze wird nicht höher als 40 cm. Wie der Purple
Tiger“ steht der „Marbles“ bei uns auf der Terrassenbalustrade
in einem mittelgroßen Topf. Diese Sorte habe ich zum ersten
Mal angebaut und beschlossen, es nächstes Jahr zu wiederholen.
Die nächste Sorte, die ich
vorstellen möchte, ist ein
absoluter Klassiker, den
ich seit Jahren anbaue und
der für uns unverzichtbar
ist:
der
aus
Mexiko
stammende „Jalapeño“. Die
Pflanze wird etwa einen
Meter hoch, sieht im
Gegensatz
zu
den
vorhergehenden vollkommen
unspektakulär aus und trägt 6 – 8cm lange Früchte, die
dickfleischig sind und sowohl grün als auch abgereift rot
verarbeitet werden können. Sind sie grün, ist die Schärfe sehr
dezent und der Geschmack ähnelt dem von Paprika, rot dagegen
haben die Früchte mittlere Schärfe. Die Dickfleischigkeit
prädestiniert die Sorte für frische Verwendung, ob roh über
Gerichte gegeben oder in Saucen…
Viele kleinere Früchte trägt
der „Sibirische Hauspaprika“,
der ein reiner Chili mittlerer
Schärfe ist und etwa einen
guten Meter hoch wird. Dieser
Chili ist ein absoluter
Allrounder in der Küche, er
kann frisch verwendet werden
oder getrocknet im gedünsteten
Gemüse oder im Sugo. Getrocknet
vermahle ich ihn auch zu
Chilipulver. Das besondere an
dieser Sorte ist, dass sie
außerordentlich robust wächst
und
auch
längere
kühle
Regenperioden problemlos wegsteckt. Auch die bislang
vorgestellten Sorten sind diesbezüglich zu empfehlen.
Mehr Wärme dagegen brauchen
die nun folgenden Sorten:
da ist zum ersten der
„Cheiro
Roxa“,
eine
ziemlich scharfe Sorte aus
Brasilien, deren attraktive
Früchte
dunkel
auberginefarbig wachsen und
dann weisslich-lachsfarben
bis violett abreifen.
Ausgehend von der Form und
dem Geschmack würde ich
vermuten, dass es sich um
eine
„Scotch-Bonnet“Kreuzung handelt. Die Wuchshöhe ist etwa ein Meter. Die
Früchte sind auf der Schärfeskala von 0-10 im Gegensatz zu den
vorherigen, die alle etwa bei 5-6 angesiedelt sind, bei 9! Was
diese Sorte so interessant macht, ist der fruchtige, an
Aprikosen erinnernde Geschmack der Früchte, der erst mal recht
präsent ist und dann messerklingenhaft von einer
durchdringenden Schärfe abgeschnitten wird. Um ihn frisch roh
zu verwenden ist er zu scharf – er sollte mitgekocht werden.
Ein
Klassiker
unter
den
scharfen Sorten ist der
„Habanero“, in meinem Fall eine
orangefarbene Sorte. Auf der
Skala steht er mit 10 weit
oben, allerdings gibt es
inzwischen auch neue Sorten,
die um ein vielfaches schärfer
ausfallen. Geschmacklich zählt
der
„Habanero“
zur
Königsklasse, denn er entfaltet zum Paprikaton ungemein
komplexe Aromen von Zitrusfrüchten und Pfirsichen. Fast süß,
aber der anfänglichen Süße folgt unbarmherzig schneidende
Schärfe. Er ist sparsam zu dosieren und muss mitgekocht
werden. Die dünnwandigen Früchte eigenen sich auch gut zum
Trocknen. Die Wuchshöhe beträgt 80cm bis einen Meter.
Etwas sehr Besonderes ist
die Folgende Sorte: der
„Habanero El Remo“. Für ihn
gilt das, was auch für den
normalen „Habanero“ gilt,
er ist eine Fruchtbombe –
nur mit einem wesentlichen
Unterschied: im Gegensatz
zum klassischen „Habanero“
liegt die Schärfe des
„Habanero El Remo“ bei
gerade mal 2 in unserer
Skala! Das heißt, dass man ihn mit seiner sehr dezenten feinen
Schärfe auch problemlos roh essen kann. Noch interessanter
aber dürfte sein, die dünnwandigen leuchtend roten Früchte zu
trocknen und zum vermutlich besten Paprikapulver der Welt zu
vermahlen. Das ist jedenfalls mein Plan…
Die letzte Sorte,
vorstellen möchte,
die
ist
ich
der
„Piment doux des Landes“,
eigentlich ein Gemüsechili, dem
jegliche Schärfe fehlt. Das
Saatgut habe ich vor Jahren in
der Gascogne gekauft, wo ich
den Chili auch probiert habe.
Die Pflanze wird etwa 150 bis
170cm groß und braucht Platz,
wächst aber problemlos in
größeren Töpfen und trägt,
sofern gut gedüngt, reichlich.
Die dünnen Früchte sind 20 bis 25cm lang. Essen kann man sie
zwar auch roh, aber das wäre schade, denn ihren vollen
Geschmack entfalten sie erst gegart, gebraten oder gegrillt.
Dann sind sie aber von unglaublich aromatischer Paprikasüße
und eignen sich sogar für die „Große Küche“ – egal ob noch
grün oder schon rot: die grünen schmecken frischer mit einem
ganz leichten Bitterton, die roten süßer. Eine Sorte, ohne die
es bei mir nicht geht. Sehr zu empfehlen!
Es gibt in der Zwischenzeit etliche Online-Anbieter, die sich
auf Chilis und Paprika spezialisiert haben. Ich beziehe mein
Saatgut von Händlern, die Kräuter, Heil- und Würzpflanzen und
Gemüse generell anbieten, etwa hier oder hier, weil ich ja
nicht nur Chilisamen kaufe und die auch nur bei neuen Sorten.
Ansonsten selektiere ich bei der Ernte und säe die gesammelten
getrockneten Samen Ende Januar wieder neu aus. Pflanzen kaufen
möchte ich nicht online, weil ich sehen möchte, ob die Pflanze
kräftig genug ist oder eher kümmert. Bei den selbst ausgesäten
Chilis selektiere ich dann beim Pikieren und kann so schon
anfangs gewährleisten, dass, sofern das Wetter mitspielt, ich
auch eine gute Ernte habe.
Abschließend noch ein Rezept für eine Chili-Sauce aus
Jalapeños, mit deren Zubereitung ich den gestrigen Morgen
zugebracht habe. Dazu braucht man:
etwa 40 frische Jalapeños, rot oder/und grün
1,2 Kg – gute – Pomodori Pelati
4 Schalotten
3 Zehen frischer Knoblauch
Zesten einer halben unbehandelten Limette
140ml Reisessig
etwas gutes Olivenöl Extra Vergine
6 Lorbeerblätter
eine Zimtstange
einen Esslöffel Koriandersamen
einen Esslöffel Gewürznelken
drei Esslöffel Zucker
ein gehäufter Teelöffel Meersalz
Die Zubereitung ist relativ einfach und funktioniert wie
folgt: den Reisessig mit den Gewürznelken eine Minute
aufkochen und abkühlen lassen. Nelken danach entfernen. Die
Koriandersamen in einem Topf anrösten bis sie duften,
anschließend in einem Mörser fein zermahlen. In einem
möglichst tiefen Topf die feingeschnittenen Schalotten und den
fein geschnittenen Knoblauch zusammen mit der Zimtstange in
etwas Olivenöl glasig anschwitzen. Den Zucker zugeben und
alles leicht karamelisieren lassen. Mit den Pomodori Pelati
und dem Nelken-Reisessig ablöschen. Jetzt die gemörserten
Koriandersamen, das Salz, die Limettenzesten und die
Lorbeerblätter hinzugeben. Zum Schluss die in etwa ein
Zentimeter breite Streifen geschnittenen Jalapeños mit ihren
Samen zugeben und alles auf kleinerer Flamme solange köcheln
lassen bis die Jalapeños ganz weich sind und die Konsistenz
leicht dickflüssig ist. Zimtstange und Lorbeerblätter
entfernen. Mit einem Stabmixer die Sauce nun gründlich
pürieren und mit Hilfe eines Trichters sauber in gewissenhaft
vorbereitete
(sterilisierte)
Weckgläser
füllen.
Etwa, je nach Größe der
Gläser, einen bis zwei
Zentimeter Rand lassen. Die
Gläser mit Glasdeckel,
Gummi
und
Klemmen
verschliessen. Diese in
eine Bratwanne stellen, die
mit
einem
Küchentuch
ausgelegt und soweit mit
Wasser gefüllt ist, dass
die
Gläser
einige
Zentimeter
im
Wasser
stehen.
Die
Wassertemperatur
sollte
dabei grob der Temperatur der Sauce entsprechen, damit die
Gläser nicht platzen, falls die Sauce noch recht heiss ist.
Alles in den Backofen stellen, der auf 140 Grad vorgeheizt
ist, und die Temperatur auf 90 Grad reduzieren. Nach etwa 30
bis 40 Minuten den Ofen ausschalten und die Gläser langsam
abkühlen lassen. Das so entstandene Vakuum konserviert die
Sauce perfekt. Fehlen nur noch die Etiketten. Das Rezept
ergibt ungefähr 1,6 Liter Chilisauce.
Will man weniger Sauce, kann man das Rezept runterrechnen und
sich gegebenenfalls dann auch den Aufwand der Konservierung
sparen, wenn man die Sauce frisch konsumieren möchte. Die
Sauce ist scharf, aber nicht unerträglich feurig, der
intensive Geschmack der frischen Jalapeños steht absolut im
Vordergrund, die Tomaten liefern den Körper und die Gewürze
die lediglich unterstützende Komplexität. Guten Appetit!
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