Evidenzbasiertes Vorgehen bei Schluckstörungen Unser Ziel im Dysphagienetzwerk Südsachsen Vorstellung • Roy Eike Logopäde, Geschäftsführer der Logopädischen Praxis R. Eike GmbH mit Praxen in- Marienberg 01.01.1993 - Freiberg - Olbernhau - Oederan - Brand-Erbisdorf 12.06.1995 01.02.2002 01.03.2004 01.06.2012 - Akutversorkung der Stroke Unit im Kreiskrankenhaus Freiberg intensive Betreuung der Neurologie, ITS, Pädiatrie und aller anderen Stationen - Therapeutische Versorgung des Krankenhauses Olbernhau - Therapeutische Versorgung der Knappschaftskurklinik Warmbad - Mitarbeit im Arbeitskreis Dysphagie des Dysphagiezentrums, Mitglied in der Gesellschaft für Aphasieforschung und Behandlung, Mitglied in der Gesellschaft für Dysphagieforschung - Fortbildungsveranstalter für Therapeuten, Ärzte, Pflegekräfte, vielsprechende Berufsgruppen 1 Schluckstörung - Ist der Schluck gestört ? Spezifische Symptome bei Schluckstörungen • • • • • • • • • • • häufiges Verschlucken, Husten, Räuspern Steckenbleiben von Nahrung im Hals Nahrung / Speichel läuft aus dem Mund belegte, raue, heisere Stimme Schmerzen, Angst vor dem Schlucken vorsichtige, sehr langsame Nahrungsaufnahme Vermeiden bestimmter Speisen Essen in Gesellschaft wird vermieden Häufige Infektion Signifikante Gewichtsabnahme Flüssigkeitsmangel -> Verdacht auf Schluckstörung 2 Dysphagiescreening - Dysphagie-Management © Dysphagiescreening 3 einheitliche Bewertung des Schweregrades • BODS (Bogenhausener Dysphagiescore) einheitliche Bewertung des Schweregrades • BODS (Bogenhausener Dysphagiescore) 4 Zusammenfassung BODS Beispielbefund: BODS 1 Score 3 = mäßiggradige Störung - keine TK jedoch ineff. Speichelschlucken, häufig gurgelnder Stimmklang, effektives Räuspern BODS 2 Score 8 = schwerste Störung - Ernährung ausschließlich über Sonde Score 11 von 16 = schwere Dysphagie Risiko der rein klinischen Dysphagie-Diagnostik • • • • Nur ca. 42 – 66 % aller Patienten mit einer Dysphagie, die aspirieren, werden in einer klinischen Diagnostik als aspirierende Patienten identifiziert. Symptome, von denen ein erhebliches Aspirationsrisiko ausgeht (z. B. Residuen in Valleculae oder Sinus piriformis) können durch eine rein klinische Beobachtung nicht erkannt werden. stille Aspiration („silent aspiration“): Eindringen von Bolusbestandteilen in die Luftwege unterhalb der Stimmlippen ohne klinische Zeichen (insbesondere kein Hustenstoß) tritt bei 50% der Patienten auf, die sich verschlucken Notwendigkeit weiterführender Diagnostik und interdisziplinärer Austausch 5 Unter Einbeziehung aller Ergebnisse: Erstellen eines Therapieplans unter Berücksichtigung differenzierter Therapieziele - Zusammenstellen eines individuellen Übungsprogramms für den Patienten regelmäßige Verlaufskontrollen und Dokumentation (Gibt es eine Dynamik?) Wir können Therapie messbar machen! Interdisziplinärer Austausch mit Ärzten, Pflege und anderen Therapiesparten (Wer macht was ?) Kooperation mit den Angehörigen (Warum darf mein Angehöriger denn keinen Saft und keine Kekse bekommen ?) Ziele Verbesserung der Schluckeffizienz Optimaler Gebrauch der Restfunktionen Sicherung ausreichender Ernährung und Flüssigkeitszufuhr Verbesserung der Schlucksicherheit unter Vermeidung bzw. Reduzierung der Penetration und Aspiration Verbesserung und Erhalt der Lebensqualität 6 Wirksamkeit Randomisierte kontrollierte Follow-up-Interventionsstudie (Carnaby 2006) 306 Probanden (akuter Apoplex) randomisiert Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3 Therapie Nicht standardisiert Standardisiert Standardisiert 1 Mon./ 3xWoche 1 Mon./ 5xWoche Dauer/Frequenz Erfragung nach 6 Monaten: Ernährungszustand, Pneumonie, Tod Kein Dysphagie Pneumonierate 56% Erhöht Mortalitätsrate 64% 70% Signifikat gering kein signifikanter Unterschied Weitere ambulante Therapien wurden nicht berücksichtigt! Optimierte Sitzhaltung Aber bitte nicht so: Inhibition abnormer Bewegungen, Fazilitation der Kopf-, Rumpf-, Kieferkontrolle 7 Therapie von Dysphagien • Restitution - Wiederherstellung - Anbahnung eines physiologischen Schluckmusters, therapeutische Mundpflege - Abbau pathologischer Reflexe z.B. durch Eigenberührung oder Kautraining Wirksamkeit Art der Störung Art des Verfahrens Ziel Studien zur Wirksamkeit Dysfunktion des oberen ÖOS Kopf-Hebeübung im Liegen hyolaryngealen Anteriorbewegung, Öffnung des oberen OÖS Shaker et. al. 2002 (RCT), Mepani et. al. 2009 Dysphagie nach Schlaganfall Isometrische Zungenkraftübungen Zungenkraft und –volumen sowie anderer Schluckparameter Robbins et. al. 2007 Gestörte Pharynxkontraktion Zungenspitze während des Schluckens zwischen den Zähnen festhalten Zungenbasisrachenabschluss Fujiu und Logemann 1996 Oropharyngeale Dysphagie bei Mb. Parkinson Lee-Silverman-Voice-Treatment (LSVT) Verbesserung der Stimmparameter und der Dysphagie Sharkawi et. al. 2002 Verzögerte Schluckreflexauslösung Taktil-thermale Stimulation der Gaumenbögen, saurehaltige Getränke Schluckreflex-Auslösung Sciortino et. al. 2003, Regan et. al. 2010, Logemann et.al. 1995, Pelletier & Lawless 2003, Hamdy et.al. 2003 8 Therapie von Dysphagien • Kompensation - Ausgleichen - Haltungsänderung, Positionierung der Nahrung - Schlucktechniken (z.B. Mendelson-Manöver oder kraftvolles Schlucken) - Reinigungsstrategien (Räuspern, Husten, Nachschlucken) Wirksamkeit Art der Störung Art des Verfahrens Ziel Studien zur Wirksamkeit Schluckreflexauslösung verzögert, orale Boluskontrolle gestört Kopfneigung nach vorne Vermeidung einer prä- oder intradeglutitiven Aspiration Shanahan et.al. 1993 Einseitige Pharynxparese Kopfdrehung zur paretischen Seite Abtransport des Bolus über gesunde Seite Logemann et. al. 1989, Tsukamoto 2000 Gestörte pharyngeale Kontraktion, reduzierter ZungenbasisRachenabschluss Kräftiges Schlucken Verbesserung der Schubkraft der Zunge und des Intrabolusdruckes Bolustransport Lazarus et.al. 2002, Huckabee et.al. 2005, Steele und Huckabee 2007 Gestörte Larynxverschluss Supraglottisches Schlucken, Super-supraglottisches Schlucken Glottisschluss, Reinigung, Zusätlicher TF-Verschluss u. Kippung der Aryknorpel Ohmae et.al. 1996, Hirst et.al. 1998 Dysfunktion des oberen OÖS (postdeglutitive Aspiration) Mendelsohn-Manöver Zeitliche Verlängerung der Larynxelevation Verbesserung der Öffnung des oberen ÖOS Bryant 1991, Kahrilas et.al. 1991, Crary et.al. 2004 9 Therapie von Dysphagien • Adaption - Anpassen - Ess- und Trinkhilfen, Platzieren der Nahrung - Essensbegleitung durch das Team - Sondentherapie (evtl. nur als Ergänzung) - Trachealkanülenmanagement - Diätetik/ Dysphagiekoststufen I - III Koststufen Dys I II III 10 Konsistenzänderung 190 Patienten wurden Flüssigkeiten unterschiedlicher Viskosität dargeboten dünn, dick, ultradick mit Löffel und mit Tasse Resultat: In 95% wurde eine Applikationsform bzw. Konsistenz gefunden, bei der aspirationsfrei abgeschluckt werden kann. Diätetische Maßnahmen ( Andicken ) sind eine effiziente Form der Adaptation. Kuhlemeier 2001 Kuhlemeier KV, Palmer JB, Rosenberg D. Effect of liquid bolus consistency and delivery method on aspiration and pharyngeal retentionin dysphagia patients. Dysphagia 2001;16:119-122 Wirksamkeit Art der Störung Art des Verfahrens Studien zur Wirksamkeit neurogene Dysphagie Verkleinerung des Bolusvolumens Daniels 2000 Verbesserung der Reflextriggerung Bisch et. al. 1994 gestörte orale Boluskontrolle, unvollständiger laryngealer Verschluss, verzögerte Reflextriggerung breiige Nahrung, angedickte Flüssigkeiten Bisch et. al. 1994, Kuhlemeier et. al. 2001, Logemann et.al. 2008 verzögerte Reflextriggerung Geschmacks- und Temperaturreize Logemann et. al. 1995, Rosenbeck et. al. 1996, Sciortino 2003 Aspiration Vermeidung pulmotoxischer Substanzen (säure- und fetthaltige Speisen) Anatomie, Physiologie 11 Hilfsmittel Fazit Grundsätzlich gilt: - Das Syndrom Dysphagie wird zu selten bedacht und erkannt - Bei bestimmten Symptomen (häufiges Hüsteln, Räuspern) bestimmten Grundkrankheiten (Schlaganfall, Parkinson) bestimmten Folgen (rezidivierende Pneumonien) konsequentes Screening, Schluck-Assessment Rechtzeitiges Handeln retten Leben und vermeidet Folgekosten 12 Fragen – Anregungen - Diskussion Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit! 13