Gemüse Cardy oder Kardone Gebleichter Genuss Die ursprünglich aus dem Mittelmeerraum stammende Cardy, manchmal auch als spanische Artischocke bezeichnet, wurde seit dem 15. Jahrhundert in ganz Mitteleuropa und in England kultiviert. D ie Kardone oder Cardy ist eine enge Verwandte der bekannteren Artischocke, die vermutlich sogar von einer Wildform der Kardone abstammt. Im Unterschied zur Artischocke entwickelt Cardy keinen verdickten Blütenboden – gegessen werden die fleischigen, gebleichten Blattstiele. In Deutschland war Cardy bis zum 19. Jh. ein beliebtes Gemüse und häufig in Bauerngärten zu finden. Seitdem geriet die Kardone bei uns weitgehend in Vergessenheit. In Spanien, Norditalien und Frankreich sowie in Teilen der Schweiz wird Cardy bis heute angebaut, um den Genfer See ist „gratin de cardon“ ein traditionelles Weihnachtsessen. Botanik und Kultur Kardonen wachsen nicht nur hoch, sondern benötigen auch nach allen Seiten viel Platz 382 Die Kardone ist eine starkwüchsige, ausdauernde Staude. Im ersten Jahr wächst eine Rosette großer, stark gefiederter, meist bestachelter, auf der Unterseite weißfilziger Blätter mit fleischigen Stielen. Ab dem zweiten Jahr treiben bis zu 2 m hohe Blütenstängel, an deren Spitze sich im Spätsommer violette, distelähnliche Korbblüten zeigen. Da die Eignung der Blattstiele für den Verzehr mit der Blütenbildung abnimmt, werden Kardonen meist als einjährige Pflanzen gezogen. Wenn man keine vorgezogenen Jungpflanzen kaufen kann oder möchte, erfolgt die Anzucht ab Mitte Februar aus Samen. Die ideale Keimtemperatur liegt bei 20 bis 22 °C, höhere Temperaturen sind eher nachteilig. Um die Keimrate zu erhöhen, kann man die Samen vor der Aussaat auch 24 Stunden in warmem Wasser vorquellen lassen. Die Sämlinge werden direkt in Töpfe von 10 bis 12 cm Durchmesser pikiert. Ab Mitte Mai können die frostempfindlichen Jungpflanzen ins Freiland gesetzt werden. Der Pflanzabstand sollte mindestens 1 m in jeder Richtung betragen, der weite Zwischenraum lässt sich vorübergehend mit kurzlebigeren Kulturen wie Salaten nutzen. Damit die starkwüchsigen Pflanzen sich gut entwickeln, brauchen sie einen tiefgründigen und fruchtbaren, humusreichen Boden. Reichlich Kompost, etwa gut verrotteter Mistkompost, ist eine gute Grundlage. Kardonen stehen zwar gerne warm und geschützt, mögen aber keine trockene Hitze. Damit sie saftige Blätter hervorbringen, sind sie auf regelmäßige Feuchtigkeit angewiesen. Ideal ist daher gleichmäßig feuchtes und warmes Sommerwetter. Auf zu mageren oder zu trockenen Böden werden die Blätter hart und ungenießbar. Stimmen die Bedingungen, wachsen bis zum Herbst dicke, kräftige, 1 bis 1,5 m hohe Blattschöpfe, die im Oktober erntereif sind. Obst & Garten | 10 | 2015 Jungpflanzen dürfen nach den Eisheiligen ins Freiland Die Blütenknospen der Cardy ähneln denen der Artischocke, haben aber weniger „Fleisch“ Gegessen werden die fleischigen Blattstiele Fotos: Brosius Aufwendiges Bleichen Dass Cardy heute nur noch selten in Gärten zu finden ist, könnte auch am Arbeitsaufwand vor der Ernte liegen: Zur Abmilderung des strengen Geschmacks müssen die Stiele, ähnlich wie bei Bleichsellerie, im Herbst gebleicht werden. Wenn die gut entwickelten Pflanzen mit Wurzelballen vor dem Frost ausgegraben und in einem kühlen, dunklen Kellerraum dicht nebeneinander in Sand eingeschlagen werden, bleichen die Stiele innerhalb weniger Wochen von selbst. Traditionell erfolgte das Bleichen durch zwei- bis dreiwöchiges Einwickeln der Pflanze ab September auf dem Beet. Dafür werden die Blätter mit einer Schnur fest zusammengebunden und die Pflanzen anschließend mit Strohmatten oder Säcken umwickelt, so dass nur noch die oberen Blattspitzen herausschauen. Man sollte mit dieser Methode immer nur für den aktuellen Bedarf bleichen, denn bei längerem Einwickeln können die Blätter faulen. Auch müssen die Pflanzen vor dem Einwickeln unbedingt trocken sein. Sorten und Verwertung Mit den Stacheln auf den Blättern wehrt sich die Kardone gegen Fressfeinde. Zwar wurden auch stachellose Sorten gezüchtet, stachelige Sorten gelten aber als schmackhafter. Meistens sind die Blattstiele graugrün gefärbt, es gibt aber auch rötliche, gelbe und weißliche Sorten. Im Saatguthandel wird häufig nur „Cardy“ ohne Sortenbezeichnung angeboten. Bekannte Sorten aus der Schweiz sind ‘Argente de Genève’ und ‘Argente de Plainpalais’ (beide bestachelt). Zwei schnell bleichende Sorten mit besonders 10 | 2015 | Obst & Garten Sorten mit bestachelten Blättern gelten als schmackhafter hellen Blättern sind ‘Bianco Avorio’ und die stachellose ‘Plein Blanc Inerme’. Zubereitet wird Cardy ähnlich wie Spargel: Von den gebleichten Blattstielen schält man die äußeren harten Fasern ab und gart die in passende Stücke geschnittenen Stiele etwa eine halbe Stunde lang in Salzwasser mit einem Schuss Essig, Zitrone oder Milch. Anschließend kann das Gemüse mit einer Soße serviert, in der Pfanne angebraten oder als Gratin im Ofen mit Käse überbacken werden. Im Gegensatz zur ganzen Pflanze lassen sich einzelne Blätter nicht gut lagern und sollten deshalb erst kurz vor dem Verzehr geschnitten werden. Giftig sind die Blattstiele übrigens auch ungebleicht nicht – sie enthalten sogar besonders hohe Mengen des gesunden Bitterstoffes Cynarin, der verdauungsfördernd wirkt sowie Galle und Leber unterstützt, aber eben auch sehr bitter schmeckt. Zierende Staude Manche pflanzen Cardy nur zur Zierde. Mit ihren großen silbrig glänzenden Blättern und ihren hübschen blauvioletten Blüten eignet sich die Kardone gut als eindrucksvolle Solitärstaude. Im Freien überwinternde Pflanzen sollten mit einer dicken Mulchschicht aus Stroh oder Laub geschützt werden. Sie vertragen kurzzeitig Fröste bis etwa –15 °C, allerdings keine winterliche Staunässe. In nassen Wintern empfiehlt sich ein Regenschutz, etwa in Form eines übergestülpten Tontopfs, der mit Laub oder Stroh bedeckt wird. Zuvor schneidet man die äußeren Blätter bis auf 10 bis 15 cm über dem Boden zurück, die Herzblätter dürfen nicht beschädigt werden. Unterlässt man das Zurückschneiden, besteht die Gefahr von Fäulnis und Schimmelbildung. Anke Brosius, Freiburg 383