Was sind Salafisten? (Teil 1: Der Moderate Jamal Addin al

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Walter Leonhardt, Veröffentlichungsdatum: 02.12.2015
Was sind Salafisten? (Teil 1: Der Moderate Jamal Addin alAfghani)
Verfolgt man die aktuelle Berichterstattung bundesdeutscher Medien bezüglich Islam, Islamisten und Islami(-sti-)sierung taucht immer wieder der Begriff “Salafismus” auf.
Dabei haben unsere Bürger immer das Bild von böse drein blickenden Muselmanen mit Bombenleger-Bärten im Kopf, die unsere schöne christlich-demokratische Welt siebenhundert Jahre zurück in die Vergangenheit katapultieren wollen und uns ganz nebenbei noch Koran, Vollkörperschleier und Scharia aufdrücken.
Doch ist das wirklich Salafismus? Was sagt Dein gesunder Menschenverstand dazu? Bösen
Blick und Bartwuchs können die Salafisten zwar allesamt, allerdings kann Basketball-Profi
Jon Brockman das ebenfalls, ohne deshalb gleich Salafist oder gar böse zu sein…
Der Salafismus entstand im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert aus der islamischen Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus sowie der eigenen gesellschaftlichen Rückständigkeit
heraus. Dabei kannst Du Dir das mit einem Baum vergleichen, der erst zwei Äste und von
diesen Ästen wiederum weitere Ästchen bildet.
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Walter Leonhardt, Veröffentlichungsdatum: 02.12.2015
Der eine Ast, das waren die Moderaten, der andere Ast die Radikalen. Beide verfolgten dasselbe Ziel: Beide wollten sie durch eine Rückbesinnung auf die Zeit der idealen frühislamischen Gesellschaft - als das Islamische Reich von Kabul bis nach Lissabon reichte und als Inbegriff für Toleranz und wissenschaftliche Freiheit galt - den Islam reformieren und modernisieren.
Die Bezeichnung “Salafist” leitet sich hierbei vom arabischen Ausdruck ‘As salaf as-salih’ ab
und bedeutet “Die frommen Altvorderen”. Diese Bezeichnung tragen beide Salafistenstämme, doch das war es bereits, was beide Stämme gemeinsam haben: Die Moderaten wollen
das Gute und Richtige der Vergangenheit mit dem Richtigen und Guten der Moderne kombinieren, dass heißt, den Islam an die gegenwärtigen Umstände der Moderne anpassen. Die Radikalen dagegen wollen das Gute und Richtige der Vergangenheit als Kampfmittel gegen die
Moderne verwenden.
Ich stelle Dir in meinen folgenden Artikeln Stück für Stück die wichtigsten Vertreter der Moderaten sowie der Radikalen vor und dann entscheidest Du für Dich, was Salafismus ist und
was Salafismus nicht ist.
Es steht Dir natürlich frei, Wissen auch weiterhin auf Grundlage von glauben zu erlangen, sodass mein Angebot Dir Wissen auf Grundlage von verstehen zu vermitteln vollkommen unverbindlich ist. Du bist in meinen Augen alt genug um darüber urteilen zu können, was richtig
und was falsch ist…
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Walter Leonhardt, Veröffentlichungsdatum: 02.12.2015
Nummer 1: Der Godfather-Babo des moderaten Salafismus, Jamal
Addin al-Afghani
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Walter Leonhardt, Veröffentlichungsdatum: 02.12.2015
Jamal Addin al Afghani lebte von 1838-1897. Er war Denker, Philosoph und politischer Aktivist. Geboren wurde er als Sayyid Jamāl ad-Dīn Asadābādī in Asabad, Iran.
Den martialisch klingenden Kampfnamen “al-Afghani” gab er sich, weil er die meiste Zeit
seines (politischen) Lebens in Regionen mit einer sunnitischen Gesellschaftsmehrheit lebte
und nicht sofort für einen Schiit gehalten werden wollte, damit seine Botschaft von den Zuhörern frei von irgendwelchen Vorurteilen angehört wird. Al-Afghani glaubte, dass die Menschen die ursprünglich reine Botschaft Gottes verloren hätten und deshalb zurück zu den Ursprüngen gehen sollten, damit man den europäischen Kolonialismus abstreifen könne.
Was im ersten Augenblick in Deinen Ohren barbarisch und brutal klingt, ist das überhaupt
nicht. Um Dir das vor Augen zu führen, stelle wir beide uns daher gemeinsam folgende Frage:
Warum glaubte al-Afghani, dass die Menschen Gott verloren hätten und ‘back to the
Roots’ gehen sollten?
Ganz einfach: In der sunnitisch-muslimischen Welt entschieden im 13. Jahrhundert die vier
Rechtsschulen, die alleine das Recht zur Urteilsfindung namens „Ijtihad“ besaßen (eine methodische Auslegung eines Sachverhaltes, sofern weder Koran, Hadithen, Tradition oder andere Sekundärliteratur ausreichend Anhaltspunkte für ein eindeutiges Urteil liefern), dass alles
Wissenswerte bezüglich der Welt bereits bekannt ist und zukünftig zur Rechtsfindung ‘Taqlid’
– auf Basis des vorhandenen Wissens – ausreichen würde. Damit kapselten sich diese geistig
von allen nachfolgenden modernen Entwicklungen ab.
Al-Afghani wollte durch Rückbesinnung auf die Grundlagen genau diese Entscheidung revidiert sehen, damit der Islam in der Moderne neu erblühen kann. Dabei bezog er sich bei seiner
‘back to the roots’ (of Qur'an)-These ausdrücklich auf Martin Luther und die christliche Reformation als Vorbild.
Al-Afghani war aber mehr als nur der Gründervater des moderaten Salafismus - gleichzeitig war er auch der erste Panislamist! Er sah in der Spaltung von Schiiten und Sunniten
ein Problem für das neu erblühen und kritisierte darüber hinaus, dass in islamischen Nationen
unterschiedliche Sprachen gesprochen werden, dass also eine Art von Nimrods Turm zu Babel
entstanden sei, was die Verständigung erschwere und Missverständnisse begünstigt.
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Walter Leonhardt, Veröffentlichungsdatum: 02.12.2015
Wie stand al-Afghani zum Thema Gott und moderne Zivilisation? Er sagte, dass das Heil
der Menschen nicht nur im Jenseits sondern auch im (modernen) Diesseits zu suchen ist, deshalb sei neben dem Glauben an Gott das zweite Ziel der Menschen, eine blühende Gesellschaft zu erschaffen. Dafür müsse man unbedingt verstehen, dass moderne westliche Technik
und Wissenschaft notwendig sind und man sich nicht davor verschließen dürfe. Diese Erkenntnis war für ihn deshalb so wichtig, weil er zum Ergebnis gekommen war, dass die islamische Wissenschaft der letzten paar hundert Jahre (auch aufgrund o.g. Entscheidung der vier
Rechtsschulen) ein Eigenleben entwickelt und sich von den reellen Problemen der Menschen
entfernt hätte.
Die islamischen Gesellschaften müssten eine lebens- und wachstumsfähige moderne Ökonomie entwickeln und um das zu erreichen müsse man vom Westen lernen: Für den Erfolg der
westlichen Gesellschaften waren Autonomie, intellektuelle Freiheit und Toleranz ein Produkt
der Wirtschaft ebenso wie der Philosophen gewesen.
Das war das Ziel, das er verfolgte.
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