G ES U N DH EI T Von der uralten Tradition aus Asien zur modernen Medizin Pilze als Heilmittel Der Herbst naht, und das feuchtwarme Wetter begünstigt das Wachstum von unterschiedlichsten Pilzarten in unseren Wäldern. Viele Pilze sind nicht nur ein Gaumenschaus, sie haben auch heilende Kräfte. In Japan und China nutzt man das medizinische Potenzial schon seit Jahrhunderten. (fh) Herbstzeit ist Pilz-Zeit. Jedes Jahr zieht es eifrige Sammler in die Wälder auf die Suche nach den kleinen Exoten der Natur. Die feine Küche ohne Speise-Pilze wie Champignons, Morcheln oder Pfifferlinge ist unvorstellbar. Pilze sind die Perlen auf so manchem Menü. Sie schmecken nicht nur köstlich, sie liefern auch wichtige Nährstoffe und viele haben eine heilende Wirkung. In Japan und China werden Pilze schon seit Jahrhunderten als Heilmittel eingesetzt. Die «Mykotherapie», eine Therapie mit Pilzen also, beruht in Asien heute sogar auf wissenschaftlichem Fundament. Das Interesse an alternativen Medizinmethoden nimmt auch in der Schweiz stark zu. So bekommen auch hierzulande Pilze mit therapeutischer Wirkung ein immer höheres Ansehen. Pilze in der Waagschale Pilze sind nicht jedermanns Sache. Die einen lieben sie, anderen sind sie verpönt. Pilze gehören weder dem Pflanzen- noch dem Tierreich an. Sie bilden im Stammbaum des Lebens ein eigenes Reich. In der Natur sind sie lebenswichtig und dienen als eine Art biologische Wiederaufbereitungsanlage. Doch gibt es auch einige Pilze, die von Bauern und Förstern als gefährliche Schädlinge gefürchtet werden. Pilze sind in der Küche eine wunderbare Bereicherung. Hält man sich jedoch nicht an gewisse Regeln bei der Zubereitung oder erwischt man einen falschen Pilz, so wird der Gaumenschmaus schnell zu einer unschönen Erfahrung. Gletschermumie Ötzi weckt das Interesse am Therapieren mit Pilzen Asien hat gegenüber der westlichen Welt einen enormen Wissensvorsprung, was Vitalpilze und ihre Wirkstoffe betrifft. Doch auch in unseren Breitengraden nimmt das Interesse an den Wirkstoffen von Pilzen stark zu. Nicht ganz unschuldig daran soll die Gletschermumie Ötzi sein, die 1991 im Südtirol gefunden wurde. Der Mann, der anscheinend vor über 5250 Jahren lebte, trug einen Brustbeutel aus Leder. Darin soll man zwei Birkenporlinge gefunden haben. Diese Pilze haben eine stark antibakterielle und antibiotische Wirkung. Der Mann vom Hauslabjoch wusste also genau, was er auf sich trug. Seit dieses Wissen an die Öffentlichkeit gedrungen ist, erlebt die «Mykotherapie» in der Naturheilkunde einen regelrechten Aufschwung. Und so wie der Birkenporling eignen sich noch viele andere einheimische Pilze mit nachweisbarer Heilwirkung bestens für den Hausgebrauch. In Heilkräuterbüchern findet man auch heimische Pilze, deren heilende Wirkungen beschreiben sind. Vitalpilze mit unentdecktem Potenzial Die meisten Pilze mit therapeutischer Wirkung, auch Vitalpilze genannt, findet man in den Wäldern und auf den Märkten in Japan und China. Einige wachsen allerdings auch bei uns. Forscher vermuten in unseren mitteleuropäischen Pilzen gut anderthalb Millionen verschiedene Wirkstoffe. Ein ganz kleiner Teil davon hat den Weg in den Dienst der Medizin gefunden. Pilze sind ein unschätzbar wertvoller organischer Rohstoff. Die Erforschung der Pilze steht allerdings noch ganz am Anfang. Pilze sind sehr verletzlich und können sich nicht mit mechanischen Waffen – wie viele Pflanzen beispielsweise mittels Dornen oder dicker Rinde – gegen Feinde wehren. Pilze versuchen sich mit chemischen «Waffen» vor ihren Feinden zu schützen. Entweder sind sie 14 September 2014 G E S UND HE I T im Geschmack ungeniessbar oder sie enthalten Giftstoffe. Aus diesem Grund sind in Pilzen extrem viele Wirkstoffe enthalten. Uralte Tradition in moderner Medizin In der modernen Medizin werden diese Wirkstoffe von vielen Pharmakonzernen für Medikamente synthetisch nachgebaut. In der asiatischen und chinesischen Medizin behandeln Ärzte und Heiler seit über 5000 Jahren Menschen, indem sie Pilze oder deren Extrakte ihren Patienten verabreichen. Der wichtigste Ansatz für ihr Naturheilverfahren ist stets Viele Speisepilze sind gleichzeitig auch Heilpilze Champignon Der Champignon kann hohen Blutdruck senken, das Immunsystem stärken und bei regelmässigem Verzehr sogar Brustkrebs vorbeugen. Pfifferling oder Eierschwamm Dieser Pilz wird bei Sehstörungen angewandt. Zudem soll er gesund für die Lunge sein. das Stärken des Immunsystems. Doch bestimmte Vitalpilze werden auch gezielt gegen verschiedene Krankheiten und deren Symptome eingesetzt. Es gibt Vitalpilze, die bei Gelenk- und Gefässkrankheiten helfen, andere lassen den Blutdruck oder Cholesterinspiegel sinken, und es gibt solche, die bei Magenund Darmproblemen nützlich sind oder gar bei Vergiftungen eingesetzt werden. Steinpilz Der beliebte Steinpilz soll Muskeln und Gelenke entspannen. Gesund, eiweissreich und voller wichtigen Mineralstoffen Austernseitling Der Pilz wird auf Stroh gezüchtet und hat eine stark cholesterinsenkende Wirkung. In Japan werden Extrakte auch gegen verschiedene Tumore angewendet. Russische Forscher haben aus diesem Pilz sogar ein Antibiotikum namens Pleurotin gewonnen. Der Shiitake Dieser Pilz gilt als einer der wichtigsten Heilpilze überhaupt. Er wird in Japan zur Normalisierung des Blutdrucks empfohlen. Zudem soll er helfen bei Magengeschwüren, Verstopfung und Gicht. Er wird oft als Altersbremse eingesetzt. Seine Wirkung gegen Grippe und Erkältungskrankheiten sind bereits erwiesen. Der Shiitake hilft auch bei Altersdiabetes, senkt den Cholesterinwert und mindert das Wachstum von verschiedenen Tumoren. Forscher haben aus diesem Pilz das Krebsmedikament Lentinan gewonnen, das heute in Japan kombiniert mit Chemotherapie zur Behandlung von Magenkrebs eingesetzt wird. Pilze werden auch «Fleisch des Waldes» genannt. Für die ärmere Bevölkerung sind Pilze noch heute eine wichtige Ergänzung für die eiweissarme pflanzliche Kost. Sie sind ein kostbarer Ersatz für Fleisch. Pilze sind gesund und ihr Nährwert liegt zwischen dem von Gemüse und Fleisch. Pilze sind sehr eiweissreich, enthalten gesunde Kohlenhydrate und viele Mineralstoffe wie Kalium, Eisen, Phosphor und Niacin. Zudem enthalten sie viele wichtige Vitamine wie Vitamin D und B2. Pilze bestehen hauptsächlich aus Wasser und haben einen hohen Gehalt an gärungsfördernden Fermenten, aber sie enthalten kaum Fett. Daher sind sie kalorienarm und ideal zum Abnehmen. Sie regulieren zudem als Basenspender den Säure-Basen-Haushalt. Pilze können schwer im Magen liegen Um den Pilz herum liegt, wie eine feine Haut, die Membran. Diese besteht nicht aus Cellulose, sondern aus Chitin. Aus diesem Stoff sind die meisten Insekten und Gliedertiere. Chitin regt als Ballaststoff die Darmtätigkeit an, ist für uns Menschen jedoch unverdaulich. Aus diesem Grund können üppige Pilzmahlzeiten schwer im Magen liegen oder Verdauungsstörungen verursachen. Besonders wichtig ist, Pilze immer gut zu kauen. Es wird empfohlen, frische Waldpilze nicht roh zu essen, sondern genügend lange und vor allem auch genügend hoch zu erhitzen. Somit sind unerwünschte Pilzbewohner wie beispielsweise die Larve des Fuchsbandwurmes sicher beseitigt. Viele Starköche raten davon ab, Pilze mit viel Fett oder Kräuter zuzubereiten, da sie so ihren Eigengeschmack verlieren und noch schwerer verdaulich werden. Und niemals übertreiben. Offiziell gilt: nicht mehr als 250 Gramm Pilze pro Woche essen. Mit Vorsicht geniessen Pilze können keine Wunder vollbringen, aber ihre Wirkung ist unumstritten und ihre Heilkräfte werden seit Tausenden von Jahren genutzt. Forschungsergebnisse mit immer mehr möglichen Indikationen schiessen wie Pilze aus dem Boden. Trotzdem darf man Heilpilze nicht überschätzen. Sie wirken sicher unterstützend, sind aber nicht ein Ersatz für die klassische Therapieform. Zudem gilt es zu bedenken, dass die Mykotherapie auch nicht ganz ohne Risiko ist. Viele Heilpilze können auch zu Nebenwirkungen wie beispielsweise Hautauschlägen oder Verdauungsbeschwerden führen. Bleibt auch immer die Frage nach der richtigen Anwendungsform. Es ist wichtig, sich von einer Fachperson beraten zu lassen. Wichtige Informationen findet man in der Apotheke oder Drogerie oder in einer Praxis, die traditionelle Chinesische Medizin anbietet. Leider werden heute einige uralte Heilpilze als Drogen missbraucht. September 2014 15