Kapitel 3 Dynamik

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Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Wir sagen:
a) Das Gewicht ist eine Kraft1 , die ein Körper z.B. auf den Boden
ausübt. Das Gewicht ist eine Grösse, die mit einer Waage gemessen wird.
b) Die Masse ist eine Eigenschaft eines Körpers. Die Masse ist ein
Mass dafür, wieviel “Stoff” im Körper enthalten ist.
Kapitel 3
Dynamik
Wenn die Beschleunigung eines Teilchens bekannt ist, haben wir gelernt, wie
wir seine momentane Geschwindigkeit und seine Lage als Funktion der Zeit
(mit Integralrechnung oder mit numerischer Rechnung) bestimmen können.
Bislang haben wir gefragt, wie wird sich ein Teilchen bewegen.
Aber in vielen realistischen Fällen kennen wir die Beschleunigung oder die
Geschwindigkeit des Teilchens nicht.
Wir wollen wissen, weshalb ein Teilchen sich bewegt. Wir werden dazu
physikalische Grössen einführen, die für die gesamte Physik von fundamentaler
Bedeutung sind: der (lineare) Impuls (oder die Bewegungsgrösse) und die
Kraft.
Wir werden das Problem so ausdrücken: wir kennen die Kräfte, die auf
das Teilchen wirken, oder die Energie des Teilchens, und wir wollen diese
Information benutzen, um die Bewegung vorherzusagen. Diese Methoden
bilden das Gebiet der Dynamik. Eine zentrale Rolle in der Dynamik spielt die
Masse.
Das Gewicht eines Körpers kann in verschiedenen Situationen verschieden
sein. Das Gewicht eines Astronauts sei z.B. auf der Erdoberfläche 90 kg“.
”
Wenn er in einer Umlaufbahn um die Erde ist, ist sein Gewicht gleich null.
Im Gegensatz dazu ist die Masse des Astronauts auf der Erde und in der
Umlaufbahn immer dieselbe. Der Astonaut ist nicht masselos geworden,
sondern nur gewichtslos.
Rückstossversuch: Um die Masse genau zu definieren, werden wir einen
Rückstossversuch verwenden. Wir betrachten zwei Wagen, A und B, die sich
reibungsfrei über eine Luftkissenbahn bewegen können. Siehe Abbn. 3.1 und
3.2.
Am Anfang werden die beiden Wagen sich in Ruhe befinden und mit einem
Faden zusammengebunden. Eine Feder ist zwischen den beiden Wagen eingeklemmt.
Wenn der Faden zerschnitten wird, entfernen sich beide Wagen mit entgegengesetzen Geschwindigkeiten voneinander.
Bei diesem Versuch wird der Faden zerschnitten und die Geschwindigkeiten
der Wagen vA und vB gemessen. Wir bemerken, dass die Geschwindigkeiten
der Wagen nicht immer denselben Betrag besitzen.
Aus Experimenten mit verschiedenen Wagen schliessen wir, dass das Verhältnis
der Geschwindigkeiten der beiden Wagen gegeben ist durch
mA
vB
=
mB
vA
Auf den Begriffen Masse, Impuls und Kraft basiert die gesamte klassische Mechanik.
(3.1)
wobei mA und mB die Massen“ der Wagen sind.
”
3.1
3.1.1
Die Masse
Zwei wichtige Bemerkungen:
Die Definition der Masse
In unserer Alltagssprache benutzen wir austauchbar die Wörter Masse“ und
”
Gewicht“. Im Rahmen der Physik werden diese Wörter mit verschiedener
”
Bedeutung benutzt.
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1. Das Rückstossexperiment hat nichts mit den Gewichten der Wagen zu
tun. Man könnte das Experiment ebenso im Weltraum (wo die Wagen
gewichtslos wären) durchführen. Das Ergebnis wäre dasselbe!
1
Wir werden eine genaue Definition der Kraft im Kap. 3.5.1 einführen.
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Auf der Erde haben wir eine Luftkissenbahn verwendet, so dass die Wagen
sich frei (z.B. mit vernachlässigbarer Reibung) bewegen. Die nach unten
gerichtete Erdbeschleunigung wird von der Luftkissenbahn kompensiert
(die Wagen fallen nicht nach unten). Obwohl die Wagen auf die Luftkissenbahn drücken, ist der Effekt dank der Luftströmung vernachlässigbar.
2. Das Ergebnis ist auch unabhängig von der Feder:
Wäre nämlich die Feder stärker, würden sich beide Wagen schneller
voneinander entfernen. Das Verhältnis der Geschwindigkeiten würde
sich aber nicht ändern. D.h., dass die Masse eines Wagens nur von den
Eigenschaften der Wagen abhängt.
Bis jetzt haben wir nur von einem Verhältnis gesprochen. Wie sollen wir die
Masse definieren?
Wir wählen eine der Massen, z.B. mB , so, dass sie eine genormte Masse besitzt.
Von einer solchen genormten Masse haben wir schon im Kap. 1.2 gesprochen,
als die Definition der Einheit der Masse (das Kilogramm) betrachtet wurde.
Wir haben dort gesagt:
Abbildung 3.1: Demonstrationsexperiment: Wagen auf einer Luftkissenbahn.
Das Kilogramm ist die Masse eines Prototyps des Kilogramms. Es ist ein
Platin-Iridium-Zylinder, der im Bureau International des Poids et Mesures in
Sèvres bei Paris aufbewahrt wird.
Dann werden alle Massen relativ zur gewählten Masse mB gemessen, als
mA =
Feder Faden
A
a)
Alle anderen Massen werden dann durch einen Rückstossversuch als
!
"
v(BIPM − Prototyp)
mA = 1 kg ·
vA
B
reibungsfreie Luftkissenbahn
vA
b)
A
B
vB
mB
vA
vB
reibungsfreie Luftkissenbahn
Abbildung 3.2: Ein Rückstossversuch: a) Anfangszustand b) Faden zerschnitten.
(3.2)
(3.3)
definiert, wobei v(BIPM − Prototyp) die gemessene Geschwindigkeit des Prototyps ist.
3.1.2
Träge und schwere Masse
Die vorher gegebene Definition der Masse entspricht einer genauen, aber komplizierten Art von Messung der Masse!
Eine Messung mit einer Waage ist eine einfachere Methode, um die Masse
zu messen. Siehe Abb. 3.3.
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Dank R.H. Dicke3 , der das Eötvösche Experiment noch verbessert hat, wissen
wir heutzutage, dass beide Definitionen mit einer Genauigkeit von 1 Teil in
1011 gleich sind.
Stab
Drehpunkt
genormte
Masse
Gegenstand
Im Bereich der Mechanik wird nicht gesagt, warum diese zwei Massen gleich
sind. Nur in der Allgemeinen Relativitätstheorie von Einstein kann man mit
Hilfe des Äquivalenzprinzips verstehen, warum beide gleich sein müssen.
3.2
Der lineare Impuls
Nun werden wir das Gesetz der Impulserhaltung einführen.
Abbildung 3.3: Waage. Wenn die zwei Massen gleich sind, wird der Stab stillstehen. Der Stab ist im Gleichgewicht.
Ein Erhaltungs“-Gesetz im Gebiet der Physik drückt aus, dass eine Grösse
”
sich nicht ändert. Sie wird erhalten, d.h. sie wird vor und nach verschiedenen
Vorgängen dieselbe sein.
3.2.1
Die Waage vergleicht die Gewichte der Massen, d.h. die nach unten gerichteten Gravitationskräfte, die die zwei Massen auf den Teller ausüben. Wenn die
Gravitationskräfte einander gleich sind, bleibt der Stab im Gleichgewicht.
Mit einer solchen Waage können wir die Gravitationskräfte von Massen
mit der Gravitationskraft, die die genormte Masse auf den Teller ausübt,
vergleichen.
Wir nehmen zwei Wagen, die sich im Rückstossversuch mit derselben Geschwindigkeit bewegen. D.h., dass sie die gleiche Masse besitzen. Wenn wir diese Wagen auf den Teller der Waage stellen, wird der Stab im Gleichgewicht stehen:
Die Definition des Impulses
In der Definition der Masse haben wir gesehen, dass in Rückstossversuchen
das Verhältnis der Geschwindigkeiten der Wagen eine konstante Zahl war, unabhängig von der Feder.
Jetzt wollen wir eine Grösse definieren, die sich nicht ändern wird, wenn der
Faden zwischen den Wagen zerschnitten wird.
Wir schreiben die Gl. 3.1 als
vB
mA
=
mB
vA
⇒
mA vA = mB vB
(3.4)
Wenn wir die Messungen mit einer Waage mit denjenigen des Rückstossversuches vergleichen, bemerken wir, dass gleiche Massen die gleichen
Gravitationskräfte ausüben.
Jetzt bemerken wir, dass vA und vB die Beträge der Geschwindigkeitsvektoren
der Wagen sind. Da die Wagen sich in entgegengesetzen Richtungen voneinander entfernen, gilt
mA v A = −mB v B
(3.5)
Dieses experimentelle Ergebnis ist keine offensichtliche Sache!
(Beachte das Vorzeichen!) wobei wir die Geschwindigkeitsvektoren statt der
Beträge der Geschwindigkeiten benutzt haben.
Der Physiker Eötvös2 hat 1922 mit sehr genauen Versuchen bewiesen, dass
Körper mit gleicher Masse gleiche Gravitationskräfte ausüben.
Diese Gleichung wird geschrieben als
9
Er hat dieses Ergebnis mit einer Genauigkeit von 1 Teil in 10 geprüft.
mA v A + mB v B = 0 (nachdem der Faden zerschnitten ist)
(3.6)
Wir sagen gewöhnlich
a) die träge Masse ist die Grösse, die wir mit einem Rückstossexperiment
messen, und
Mit einem solchen Ausdruck haben wir die folgende Grösse den Wagen A und
B zugeordnet: mA v A ist nur eine Eigenschaft des Wagens A, und mB v B nur
eine Eigenschaft des Wagens B.
b) die schwere Masse ist die Grösse, die wir mit einer Waage messen.
Eine neue Grösse wird deshalb definiert:
2
Loránd Eötvös (1848-1919)
3
Robert Henry Dicke (1916-1997)
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Der lineare Impuls eines Teilchens ist gleich dem Produkt aus seiner Masse
und seiner Geschwindigkeit:
p = mv
(3.7)
Der Impuls ist eine vektorielle Grösse, weil er das Produkt einer skalaren Grösse
(der Masse) und einer vektoriellen Grösse (der Geschwindigkeit) ist. Wir bemerken, dass gilt:
mA v A + mB v B = pA + pB = 0
(3.8)
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Ein isoliertes“ System ist ein System, das keine Wechselwirkungen mit ande”
ren Körpern spürt. Das System kann sehr weit von anderen Körpern entfernt
sein, oder die Wechselwirkungen mit anderen Körpern kompensieren einander,
so dass der Effekt verschwindet.
In einem solchen isolierten System ist der Gesamtimpuls erhalten.
Die Gleichung drückt aus, dass die Summe der Impulse nach dem Rückstoss
gleich null ist.
Das Gesetz der Erhaltung des Impulses ist eines der grundlegenden und
allgemein gültigen Gesetze der Physik. Wir kennen keine Ausnahmen von diesem Prinzip. Wir zeigen nun, dass die drei berühmten Newtonschen Gesetze
aus dem Impulserhaltungsgesetz folgen.
Bevor der Faden zerschnitten wurde, waren beide Wagen in Ruhe. Vor dem
Rückstoss, gilt daher
vA = 0
vB = 0
(3.9)
3.4
Die Summe der linearen Impulse, bevor der Faden zerschnitten wurde, ist dann
mA v A + mB v B = 0 (bevor der Faden zerschnitten ist)
Das erste Newtonsche Gesetz: Trägheit
Eine erste Folgerung aus dem Impulserhaltungsgesetz ist das Trägheitsprinzip. Wir sehen, dass für ein isoliertes System gelten muss:
(3.10)
ptot = konst. ⇒
dptot
=0
dt
(3.13)
Wir schliessen daraus, dass die Summe der linearen Impulse der Wagen
sich wegen des Rückstosses nicht geändert hat.
Wenn ein System nur einen Körper enthält, ist der Gesamtimpuls gleich dem
Impuls des Körpers, und wir erhalten
Die Summe der linearen Impulse der Wagen nennen wir den Gesamtimpuls
ptot = pA + pB
(3.11)
dp
d(mv)
dv
=0=
=m
(3.14)
dt
dt
dt
wobei wir angenommen haben, dass sich die Masse des Körpers mit der Zeit
nicht ändert.
ptot (vorher) = ptot (nachher)
(3.12)
Daraus folgt:
Die Gleichung
dv
= 0 ⇒ v = konst. ⇒ a(t) = 0
dt
drückt die Erhaltung des Gesamtimpulses aus.
(3.15)
Wir sagen,
3.3
Die Impulserhaltung
3.3.1
Das allgemeine Gesetz
Auf den vorherigen Seiten haben wir einen Rückstossversuch betrachtet. Wir
haben gefunden, dass in einem solchen Versuch eine vektorielle Grösse — der
Gesamtimpuls — erhalten ist. Bisher haben wir nur das Ergebnis des Rückstossversuches auf eine andere Art neu dargelegt.
Das Gesetz der Impulserhaltung ist aber ganz allgemein gültig!
Es kann so formuliert werden:
Trägheitsprinzip: Ein Körper bleibt in Ruhe oder bewegt sich mit
konstanter Geschwindigkeit, wenn er isoliert (oder frei) ist.
3.5
3.5.1
Das zweite Newtonsche Gesetz: Aktionsprinzip
Die Definition der Kraft
Wir betrachten eine gleichförmige Kreisbewegung, die wir in Kap. 2.7 studiert
haben. Ein Ball der Masse m kann z.B. mit einem Faden gezwungen werden,
sich auf einem Kreis zu bewegen (Siehe Abb 3.4). Wir haben gesehen, dass
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Zusammenfassend:
eine zum Zentrum des Kreises hin gerichtete Beschleunigung auf das Teilchen
wirken muss, damit das Teilchen sich auf einer Kreisbahn bewegt.
v
m
F ≡
Faden
Abbildung 3.4: Die Beschleunigung des Balles ist zum Zentrum des Kreises hin
gerichtet.
Wir können den Impuls des Balles berechnen. Es gilt:
r(t) = r cos ωt ex + r sin ωt ey
(3.16)
dr
v(t) =
= −rω sin ωt ex + rω cos ωt ey
dt
(3.17)
Im folgenden Kapitel werden wir verschiedene Arten von Kräften definieren.
Wenn wir die Wirkung mehrerer Kräfte auf einen Körper betrachten, wird die
resultierende Kraft als die Vektorsumme der einzelnen Kräfte geschrieben:
#
F =
Fi
(3.21)
i
Es folgt daraus, dass sich der Impuls eines Körpers nur dann mit der Zeit
ändern wird, wenn sich die Wirkungen aller Kräfte nicht gegenseitig kompensieren.
3.5.2
Beziehung zwischen Kraft und Beschleunigung
Welche Rolle spielt dann die Masse?
Damit ist der Impuls gleich:
(3.18)
wobei m die Masse des Körpers ist.
Der Impulsvektor zeigt in die Richtung des Geschwindigkeitsvektors und ist
deshalb tangential. Er ändert sich mit der Zeit, so dass sich der Ball auf dem
Kreis bewegt.
Wir können die zeitliche Ableitung des Impulses betrachten:
dp
= mrω (−ω cos ωt ex − ω sin ωt ey )
dt
= −mω 2 (r cos ωt ex + r sin ωt ey )
(3.20)
Weil der Impuls eine vektorielle Grösse ist, der eine Richtung und einen Betrag
besitzt, ist die Kraft auch ein Vektor.
r
p(t) = mv(t) = mrω (− sin ωt ex + cos ωt ey ) ,
dp
dt
Wir sagen: Wenn sich der Impuls eines Körper mit der Zeit ändert, wirkt auf
den Körper eine nicht verschwindende Kraft.
a
= −mω 2 r
Die resultierende Kraft, die auf einen Körper wirkt, wird als die zeitliche Änderung des Impulses des Körpers definiert:
Wir können die Definition des Impulses als Funktion der Masse und der Geschwindigkeit des Körpers verwenden, um eine Beziehung zwischen der resultierenden Kraft und der Beschleunigung herzuleiten, die nur gilt, wenn die Masse
des Körpers konstant ist:
F ≡
dp
d
dv(t)
=
{m v(t)} = m
= m a(t)
dt
dt
dt
(3.22)
Es folgt damit
Aktionsprinzip: Die Beschleunigung eines Körpers, dessen Masse sich mit
der Zeit nicht ändert, ist umgekehrt proportional zu seiner Masse und direkt
proportional zur resultierenden Kraft, die auf ihn wirkt:
(3.19)
Der resultierende Vektor zeigt zum Zentrum des Kreises hin. Dies ist auch die
Richtung des Fadens. Siehe Abb. 3.4. Was ist für die zeitliche Änderung des
Impulses verantwortlich?
Wir sagen, dass der Faden eine Kraft auf den Körper ausübt. Diese Kraft ist
für die zeitliche Änderung des Impulses verantwortlich.
a(t) =
1
F (t)
m
(3.23)
Weil die Masse eine skalare Grösse ist, zeigen die Beschleunigung und die
resultierende Kraft immer in dieselbe Richtung.
SI-Einheit: Die Einheit der Kraft ist 1 kg·m/s2 oder 1 Newton (N) und
entspricht jener Kraft, die benötigt wird, um einen Körper der Masse 1 kg mit
1 m/s2 zu beschleunigen.
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67
Das dritte Newtonsche Gesetz: Aktion =
Reaktion
Wir betrachten die Wechselwirkung zwischen zwei Körpern A und B. Jeder
Körper übt eine Kraft auf den anderen aus. Experimentell wird beobachtet,
dass wenn ein Körper auf einen zweiten eine Kraft ausübt, so wirkt dieser auch
auf den ersten mit einer Kraft. Es gibt keine einzelne isolierte Kraft:
Jede Einzelkraft ist nur ein Aspekt einer gegenseitigen Wechselwirkung
zwischen den zwei Körpern.
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Wir können trotzdem annehmen, dass für einen Körper im Weltraum, der sehr
weit entfernt von anderen Sternen und Planeten ist, die Wechselwirkung mit
dem Rest des Universums als vernachlässigbar betrachtet werden kann und der
Körper deshalb frei“ ist.
”
Ein Körper ist auch frei, wenn sich die Wechselwirkungen mit anderen Körpern
gegenseitig kompensieren, was zu einer verschwindenden Gesamtwechselwirkung führt.
In diesem Fall ist der Impuls des Körpers erhalten:
p = m v = konst.
Wenn die erste Kraft als Aktionskraft bezeichnet wird, wird die zweite Reaktionskraft genannt (jede der beiden Kräfte kann natürlich als Aktion betrachtet werden, dann ist die andere die Reaktion).
Der Körper bewegt sich geradlinig mit konstanter Geschwindigkeit.
Newton hat in seinem dritten Gesetz die Situation zusammengefasst und hat
die Richtungen und die Beträge der Kräfte postuliert:
3.7.2
Aktions-Reaktions-Prinzip: Zu jeder Aktion gehört eine gleich grosse Reaktion, die denselben Betrag besitzt aber in die entgegengesetzte Richtung zeigt.
Dieses Gesetz ist eine direkte Folgerung der Impulserhaltung: wir betrachten
ein isoliertes System mit den zwei Körpern A und B. Wenn das System isoliert
ist, wird der gesamte Impuls erhalten:
ptot = pA + pB = konst.
(3.24)
Wir berechnen die zeitliche Ableitung des gesamten Impulses:
dptot
dpA dpB
=
+
=0
dt
dt
dt
Aus der Definition der Kraft folgt:
FA + FB = 0,
(3.25)
(3.26)
wobei F A die Kraft ist, die auf den Körper A wirkt, und F B ist die Kraft, die
auf den Körper B wirkt. Weil das System isoliert ist, ist F A die Kraft, die der
Körper B auf A ausübt und F B die Kraft, die der Körper A auf B ausübt.
Damit:
F A = −F B :
3.7
3.7.1
Aktion = Reaktion
Ein freier Körper im Weltraum
Was ist ein freier Körper? Das ist sicher eine Idealisierung!
Der Rückstoss von Eiskunstläufern
Ein Mann mit einer Masse von 70 kg und ein Junge mit einer Masse von 35 kg
stehen zusammen auf einer glatten Eisfläche, für die die Reibung vernachlässigbar sei.
Wie weit sind die beiden nach 5 Sekunden voneinander entfernt, wenn sie sich
voneinander abstossen und der Mann sich mit 0,3 m/s relativ zum Eis bewegt?
Siehe Abb. 3.5. Der Mann und der Junge werden als ein System betrachtet.
Kann ein solches System als isoliert betrachtet werden?
Die Gravitationskraft, die beide erfahren, wird durch die Kraft ausgeglichen,
die vom Eis ausgeübt wird. Die Reibung mit dem Eis ist als vernachlässigbar
angenommen. Das System kann deshalb als isoliert betrachtet werden, und der
Gesamtimpuls wird erhalten.
Da sich der Mann und der Junge ursprünglich in Ruhe befinden, ist der Gesamtimpuls gleich null.
pA + pB = 0
(3.27)
Anwendungen: Impuls und Impulserhaltung
(3.28)
⇒
mA v A + mB v B = 0
(3.29)
Daraus folgt:
|v B | =
70 kg
mA
· |v A | =
· 0,3 m/s = 0,6 m/s
mB
35 kg
(3.30)
Der Mann hat die doppelte Masse des Jungen und der Junge bewegt sich mit
der doppelten Geschwindigkeit des Mannes. Nach 5 Sekunden hat sich der
Mann 1,5 Meter, der Junge 3 Meter weit vom Ausgangspunkt weg bewegt, so
dass sie nun 4,5 Meter voneinander entfernt sind.
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vA
vB
Abbildung 3.5: Rückstoss der Eiskunstläufer. Der Gesamtimpuls wird erhalten.
Da die Masse des Mannes doppelt so gross ist wie die des Jungen, beträgt seine
Geschwindigkeit nur die Hälfte derjenigen des Jungen.
3.7.3
Raketenantrieb
Der Raketenantrieb folgt aus der Impulserhaltung.
Eine Rakete erzeugt ihren Schub, indem Treibstoff verbrannt und das dadurch
erzeugte Gas nach hinten ausgestossen wird. Die Rakete wird durch den Rückstoss nach vorne getrieben.
Ausgestossenes Gas
Abbildung 3.7: Rückstossexperiment: Durch den Rückstoss wird der Wagen
und der Mensch nach vorne getrieben.
1. v = Geschwindigkeit der Rakete bezüglich einem festen Koordinatensystem,
2. u = Ausstossgeschwindigkeit des Gases relativ zur Rakete, und
Treibstoff + Rakete
3. M (t) = Masse der Rakete zur Zeit t.
Abbildung 3.6: Prinzip des Raketenantriebs.
Wenn man Raketen in den Weltraum schiesst, drückt die Rakete gegen das
Gas, das von ihr ausgestossen wird. Das Medium (d.h. Luft in der Nähe der
Erdoberfläche) hat in diesem Fall nichts mit dem Antrieb zu tun!
Demonstrationsexperiment: Rückstoss mit Wagen und CO2 -Flasche.
Das CO2 Gas wird nach hinten ausgestossen. Durch den Rückstoss wird der
Wagen (und der Mensch) nach vorne getrieben. Siehe Abb. 3.7.
Nun leiten wir die sogenannte Raketengleichung her. Wir brauchen nur das
Impulserhaltungsgesetz.
Wir definieren die folgenden Grössen:
Wir berechnen die Impulsänderung des gesamten Systems während eines Zeitintervalls ∆t. Wegen der Impulserhaltung muss die Impulsänderung gleich null
sein (wir nehmen an, dass keine äussere Kraft auf die Rakete wirkt).
Zur Zeit t bewegt sich die Rakete mit der Anfangsgeschwindigkeit v.
Der Gesamtimpuls ist gleich
p = M (t) v
(3.31)
Nach dem Zeitintervall ∆t hat die Rakete eine Masse M –dm (wobei dm positiv
ist und der Masse des ausgestossenen Gases entspricht) und bewegt sich mit
einer Geschwindigkeit v + dv.
Wenn das Gas mit einer Geschwindigkeit u relativ zur Rakete ausgestossen
wird, bewegt es sich mit einer Geschwindigkeit v–u.
71
72
(3.32)
(3.33)
(3.34)
Geschwindigkeit v (m/s)
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Der Gesamtimpuls ist deshalb gleich (t! = t + ∆t):
p(t! ) = (M − dm)(v + dv) + dm(v − u)
⇒ p(t! ) = M v + M dv − v dm − dm dv + v dm − u dm
≈ M v + M dv − u dm ,
wobei wir den Term dm dv weggelassen haben, weil er ein Produkt aus zwei
sehr kleinen Grössen ist und daher im Vergleich zu den anderen Grössen vernachlässigbar ist.
Die Impulsänderung während des Zeitintervalls ∆t ist
500
400
u = 200 m/s
300
200
u = 50 m/s
u = 100 m/s
100
!
p(t ) − p(t) ≈ M v + M dv − u dm − M v
= M dv − u dm
≡ 0,
0
⇒
M
dm
dv
=u
dt
dt
(3.36)
Aus M (dv/dt) = F folgt, dass auf die Rakete eine Schubkraft F wirkt, mit
dem Betrag
dm
F =u
(3.37)
dt
und daher die Rakete beschleunigt wird.
Wir integrieren nun die Raketengleichung und erhalten
M
dv
dm
=u
dt
dt
⇒
dv
u dm
=
dt
M dt
(3.38)
oder (mit dm = –dM )
$t
t0
dv !
dt =
dt!
$t
t0
u dm !
dt = −u
M (t! ) dt!
$t
t0
1 dM !
dt
M (t! ) dt!
(3.39)
wobei wir angenommen haben, dass die Ausstossgeschwindigkeit des Gases
relativ zur Rakete konstant ist, und dass die Masse des Gases aus der Abnahme der Masse der Rakete kommt.
Damit gilt:
v(t) − v0 = −u
M
$ (t)
M0
0.5
0.75
1
B ≡ m/M0
1.25
(3.35)
wobei wir die Impulserhaltung verwendet haben. Es gilt daher
M dv = u dm
0.25
Abbildung 3.8: Raketenantrieb: Geschwindigkeit der Rakete v als Funktion
der ausgestossenen Massen für 3 verschiedene Ausstossgeschwindigkeiten u
= 50 m/s (obere gestrichelte Kurve), 100 m/s (kontinuierliche Kurve) und
200 m/s (untere gestrichelte Kurve). Die horizontale Linie entspricht einer Geschwindigkeit von v =100 m/s.
wobei M0 die Anfangsmasse der Rakete zur Zeit t = t0 und m die Gesamtmasse
des ausgestossenen Gases ist. Deshalb ist die Geschwindigkeit der Rakete als
Funktion der ausgestossenen Masse gleich (für v0 = 0):
"
!
M0
v = u {ln M0 − ln (M0 − m)} = u ln
M0 − m
"
!
1
(3.41)
= u ln
1−B
wobei 0 ≤ B ≡ m/M0 ≤ 1 der als Gas ausgestossenen Masse m relativ zur
gesamten Anfangsmasse der Rakete M0 entspricht (Siehe Abb. 3.8). Für B → 1
erhalten wir v → ∞: die ganze Rakete wird verbrannt (inkl. Austronauten!)
und erreicht eine unendliche Endgeschwindigkeit mit einer verschwindenden
restlichen Masse.
In der Praxis ist B < 1. In diesem Fall ist die Endgeschwindigkeit zur Geschwindigkeit u proportional. Je schneller das Gas bezüglich der Rakete ausgestossen
wird, desto mehr wird die Rakete beschleunigt, und daher erreicht sie eine
höhere Endgeschwindigkeit.
Für den Fall B > e gilt
dM !
= −u {ln (M (t)) − ln M0 }
M ! (t)
= −u {ln (M0 − m) − ln M0 }
(3.40)
!
"
M0
M0
> e ⇒ ln
>1
M0 − m
M0 − m
⇒v>u
(3.42)
Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
73
Dann bewegt sich für einen Beobachter das ausgestossene Gas in der gleichen
Richtung wie die Rakete.
3.8
Anwendungen: Kontaktkräfte
In der Natur beobachten wir verschiedene Arten von Kräften. Wir werden uns
nun mit den Kräften, die auf makroskopische Gegenstände wirken, beschäftigen. Diese Kräfte, sogenannte Kontaktkräfte, werden z.B. von Federn, Fäden
oder Oberflächen ausgeübt, wenn diese in direktem Kontakt mit den Gegenständen sind.
Das Konzept der Kraft und die Newtonschen Gesetze spielen ihre wichtigste
Rolle in Anwendungen. Wenn wir sie nicht anzuwenden wissen, dann sind sie
nicht nützlich.
Wir diskutieren im Folgenden einige Anordnungen.
3.8.1
74
Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
4. Jede Kraft muss eine Richtung und einen Betrag besitzen.
Verschiedene Körper können z.B. durch Feder- oder Fadensysteme miteinander
verbunden werden oder können aneinander stossen oder ziehen.
Alle Wechselwirkungen zwischen Körpern werden durch Kräfte dargestellt.
In unserem Beispiel sind wir an den zwei Blöcken A und B interessiert. Die
Massen werden als MA und MB bezeichnet. Der Boden wird nicht betrachtet,
und deshalb werden wir die Kräfte, die auf den Boden wirken, nicht zeichnen.
F A = MA g
MA
NA
FA
NB
F B = MB g
F AB
MB
FB
Körper, die sich aufeinander befinden
Wir betrachten ein System mit zwei Blöcken: der erste Block sitzt auf dem
zweiten, der sich auf dem Boden befindet (siehe Abb. 3.9).
Block A
Abbildung 3.10: Aufeinander befindliche Körper mit markierten Schwerpunkten und Kräftediagramm.
Das entsprechende Kräftediagramm ist in Abb. 3.10 wiedergegeben.
Wir finden 5 unterschiedliche Kräfte:
1. Block A:
Block B
Abbildung 3.9: Aufeinander befindliche Körper.
(a) F A ist die Gravitationskraft (d.h. das Gewicht) des Blocks A der
Masse MA . Diese Kraft beschreibt die Wechselwirkung zwischen der
Erde und dem Block A.
(b) N A ist die Normalkraft, die der Block B auf den Block A ausübt.
2. Block B:
Im Allgemeinen können wir einige Regeln“ formulieren, um die Anwendung
”
von Kräften zu vereinfachen:
(a) F B ist die Gravitationskraft (d.h. das Gewicht) des Blocks B der
Masse MB . Diese Kraft beschreibt die Wechselwirkung zwischen der
Erde und dem Block B.
1. Man muss komplizierte Systeme in kleine Teile unterteilen, so dass jeder
Teil als ein Massenpunkt (Siehe Kap. 2.1.1) betrachtet werden kann.
(b) N B ist die Normalkraft, die der Boden auf den Block B ausübt.
2. Jeder Körper wird durch einen Punkt dargestellt.
(c) F AB ist die Kraft, die der Block A auf den Block B ausübt.
3. Man zeichnet die Kräfte für jeden Massenpunkt. Nur die Kräfte, die auf
den Massenpunkt wirken, werden dargestellt.
Diese Kräfte sind vektorielle Grössen, die eine Richtung und einen Betrag besitzen.
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75
76
Wir diskutieren die Gleichgewichtssituation, d.h. wenn die Körper in Ruhe
bleiben. In diesem Fall müssen die wirkenden Kräfte einander kompensieren.
Wir finden eine Bedingung für jeden Körper:
Block A:
Block B:
oder
%
F A + NA
F A + NA = 0
F B + N B + F AB = 0
= MA g + N A = 0
F B + N B + F AB
= MB g + N B + F AB = 0
müssen sie einander kompensieren. Die Kraft N A kann als die Reaktion der
Kraft F AB betrachtet werden oder umgekehrt. Die Kräfte entsprechen der gegenseitigen Wechselwirkung zwischen den zwei Blöcken. Damit ist:
NA
MB g + N B − N A
(3.46)
= −MA g
=0
(3.47)
Schliesslich ist:
⇒
MB g + N B + MA g = 0
(MA + MB ) g + N B = 0
⇒ N B = − (MA + MB ) g
(3.48)
(3.49)
(3.50)
Wie erwartet, sagt diese Gleichung voraus, dass die Kraft N B , die der Boden
auf den Block B ausübt, das gesamte Gewicht der Blöcke kompensieren muss.
In ähnlicher Weise muss die Kraft N A , die der Block B auf den Block A ausübt,
das Gewicht des Blocks A kompensieren:
N A = −MA g
FB
45◦
FA
y
30◦
Knoten
45◦
FC
x
(3.45)
2. N A die Kraft ist, die der Block B auf den Block A ausübt,
%
30◦
M
1. F AB die Kraft ist, die der Block A auf den Block B ausübt, und weil
und es folgt
Decke
(3.43)
(3.44)
Wir haben ein System von zwei Gleichungen mit 3 Unbekannten. Wir brauchen
eine zusätztliche Bedingung. Wir verwenden das Aktions-Reaktions-Prinzip.
Weil nun
F AB = −N A
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(3.51)
Abbildung 3.11: Hängendes Gewicht und dazugehörige Kräfte.
3.8.2
Ein hängendes Gewicht
Ein Gewicht der Masse M hängt an drei Fäden von einer Zimmerdecke, wie in
der Abb. 3.11 gezeigt ist. Es wird beobachtet, dass das Gewicht in Ruhe bleibt.
Was sind die Beträge der Kräfte in den Fäden?
Der Knoten verbindet die drei Fäden: Er wird als Körper“ betrachtet. Gemäss
”
Abb. 3.11 wirken die drei Kräfte F A , F B und F C auf ihn.
Wenn das Gewicht in Ruhe bleibt, so gilt die vektorielle Gleichung:
FA + FB + FC = FA + FB + M g = 0
(3.52)
Wir wählen das Koordinatensystem, wie gezeigt, und erhalten zwei Gleichungen für die x- und y-Komponenten (Beachte das Vorzeichen!):
%
FA,x + FB,x
=0
(3.53)
FA,y + FB,y − M g = 0
Mit Hilfe der Winkel (Die positive x-Richtung ist nach rechts gerichtet, und
die positive y-Richtung ist nach oben):
%
−FA cos 30◦ + FB cos 45◦
=0
(3.54)
FA sin 30◦ + FB sin 45◦ − M g = 0
wobei FA und FB die Beträge der Vektoren F A und F B sind. Daher
 √
√

3
2

−
FA +
FB
=0
2 √ 2
(3.55)


 1 FA + 2 FB − M g = 0
2
2
Damit gilt
*
2M g
3
√
FA =
und FB =
FA
(3.56)
2
1+ 3
Wie erwartet, ist die Kraft FB wegen des grösseren Winkels grösser als FA .
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3.8.3
77
Die schiefe Ebene: statischer Fall
x
Eine Rückstellkraft: Die Federkraft
Die Federkraft entspricht der Kraft, die eine Feder ausübt. Um diese von einer
Feder ausgeübte Kraft einfach zu studieren, können wir Massen an einer Feder
aufhängen.
Demonstrationsexperiment: An einer Feder aufgehängte Massen (Siehe
Abb. 3.13).
N
y
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3.8.4
Wir betrachten einen Block der Masse M , der auf einer reibungsfreien schiefen
Ebene mit dem Neigungswinkel ϑ ruht, weil er durch einen Faden mit einer
vertikalen Wand verbunden ist (siehe Abb. 3.12).
M
78
F
Mit Hilfe von verschiedenen aufgehängten Massen überprüfen wir, dass die
Verlängerung im ausgezogenen Zustand der Feder zur aufgehängten Masse proportional ist.
ϑ
Wenn die aufgehängten Massen in Ruhe sind, ist die Vektorsumme der Kräfte,
die auf die Massen wirken, gleich null.
Mg
Wir müssen zwei Kräfte betrachten (Siehe Abb. 3.14):
ϑ
1. die nach unten gerichtete Gravitationskraft und
Abbildung 3.12: Die schiefe Ebene.
2. die nach oben gerichtete Federkraft.
Die vektorielle Gleichung, die dem Gleichgewicht entspricht, lautet:
F + N + Mg = 0
(3.57)
In diesem Fall können wir das Koordinatensystem so wählen, dass die y-Achse
senkrecht zur schiefen Ebene zeigt, und die x-Achse parallel zur Ebene ist.
Dann gilt:
1. Die Normalkraft zeigt in die y-Richtung,
F + Mg = 0
(3.60)
wobei M die gesamte aufgehängte Masse ist.
Es folgt damit, dass der Betrag der Gravitationskraft, den wir durch die Menge
von aufgehängten Massen kontrollieren können, die Federkraft bestimmt.
Die Federkraft ist das Ergebnis der Verlängerung der Feder. Die Feder will
ihren ursprünglichen Zustand wieder herstellen.
2. die Kraft entlang des Fadens zeigt in die x-Richtung,
3. und die Gravitationskraft muss zerlegt werden.
(Man könnte natürlich auch die y-Achse entlang der vertikalen Richtung
wählen, und dann die beiden anderen Kräfte zerlegen.)
Mit Hilfe der Zerlegung in Komponenten sieht die Gleichung der Gleichgewichtsbedingung folgendermassen aus:
%
F − M g sin ϑ = 0
(3.58)
N − M g cos ϑ = 0
d.h.
F = M g sin ϑ und N = M g cos ϑ
Wenn sich die Massen in Ruhe befinden, müssen die Gravitationskraft und die
Federkraft einander kompensieren. Die vektorielle Gleichung ist:
(3.59)
Jetzt bemerken wir, dass sich die Feder verlängert, wenn wir mehr Masse
anhängen.
Hookesches Gesetz: Experimentell beobachtet man, dass bei kleiner
Längenänderung die Längenänderung der Feder zur wirkenden Kraft proportional ist.
Diese Beobachtung gilt für beide, positive und negative Längenänderungen (d.h.
bei ausgezogenem und zusammengedrücktem Zustand der Feder).
Das Hookesche Gesetz kann geschrieben werden als
F = −k (x − x0 ) = −k∆x ,
(3.61)
Wie erwartet, entsprechen den beiden extremen Fällen die Werte:
ϑ= 0◦ :
F= 0
und
N =M g
ϑ=90◦ :
F =M g
und
N= 0
wobei k die Federkonstante, x0 die Länge der Feder im unbelasteten Zustand
und ∆x die Verschiebung aus der Ruhelage ist. Die SI-Einheit der Federkonstante ist N/m.
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79
80
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Rückstellkraft: Die Federkraft versucht, die Feder in ihren ursprünglichen
Zustand zurückzuführen.
Die Gleichung enthält deshalb ein negatives Vorzeichen (siehe Abb. 3.15):
1. Für positive ∆x (d.h., im ausgezogenen Zustand) zeigt die Federkraft in
die negative Richtung;
2. für negative ∆x (d.h., bei zusammengedrückter Feder) zeigt die Federkraft in die positive Richtung.
F
x = x+ > x 0 ⇒ F < 0
x = x0 ⇒ F = 0
F
x−
x0
x = x− < x 0 ⇒ F > 0
x+
x
Abbildung 3.15: Federkraft-Diagramm. Weil die Federkraft versucht, die Feder
in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuführen, spricht man von Rückstellkraft.
Abbildung 3.13: Demonstrationsexperiment: An einer Feder aufgehängte Massen.
3.8.5
Die Spannung: Fadenkräfte
Kräftediagramm:
F
x
50 g
M = gesamte
aufgehängte Masse
50 g
Man beobachtet experimentell:
Wenn wir an einem Faden ziehen, dann spannt sich der Faden und zieht mit
einer gleich grossen, aber entgegengesetzten Kraft zurück.
Wir können uns einen Faden als eine Feder vorstellen, die eine solch grosse
Federkonstante besitzt, dass ihre Verlängerung während der Kraftwirkung vernachlässigbar ist.
Wir werden oft idealisierte masselose Fäden betrachten. D.h., die Masse
der Fäden ist viel kleiner als die Massen der Gegenstände, die an die Fäden
gebunden werden. Der Effekt der Massen der Fäden kann in diesem Fall vernachlässigt werden.
Ein Faden ist eine sehr bequeme Vorrichtung, um eine Kraft zu übertragen.
50 g
Mg
Abbildung 3.14: An einer Feder aufgehängte Massen.
Wir betrachten die Situation der Abb. 3.16. Zwei Menschen ziehen an einem
Faden. Wir analysieren die Anordnung der Kräfte.
Die Kräfte müssen entlang des Fadens wirken, weil der Faden nicht seitlich
ziehen kann.
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81
3.9
F2
F1
82
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Anwendung: Berechnung der Bewegungen
Die Newtonschen Gesetze sorgen für eine Verbindung zwischen (1) den dynamischen Grössen Masse und Kraft einerseits, und (2) den kinematischen Grössen
Beschleunigung, Geschwindigkeit und Verschiebung andererseits.
(1)
(2)
S2
S1
F1
S1 =
Wir können die Bewegungsgleichung eines Körpers, dessen Masse sich mit der
Zeit nicht ändert, direkt mit diesem Gesetz finden. Es gilt
+
F2
i
S2 = S
(1)
F i = ma = m
dv
d2 r
=m 2
dt
dt
(3.66)
D.h., wenn alle Kräfte (oder die resultierende Kraft) bekannt sind, die auf ein
Teilchen wirken, können wir die Beschleunigung des Teilchens berechnen.
(2)
Oder umgekehrt, wenn wir die Beschleunigung eines Teilchens, oder die zeitliche Ableitung seiner Geschwindigkeit, oder die zweite zeitliche Ableitung seiner Ortsvektorfunktion kennen, können wir die resultierende Kraft, die auf das
Teilchen wirkt, bestimmen.
Abbildung 3.16: Fadenkraft. Zwei Menschen ziehen am Faden.
1. Der Mensch (1) zieht nach links mit einer Kraft F 1 ;
Diese Gleichung kann auch mit Hilfe des Impulses ausgedrückt werden:
2. Der Mensch (2) zieht nach rechts mit einer Kraft F 2
+
Die Kräfte sind entgegengesetzt, deshalb ist der Faden gespannt. Die Beschleunigung aF des Fadens ist (Gravitationskraft wird vernachlässigt)
mF aF = (F 1 + F 2 )
(3.62)
wobei mF die Masse des Fadens ist. Wenn wir den Faden als wirklich masselos
betrachten, gilt
(F 1 + F 2 ) = 0 ⇒ F 1 = −F 2
(3.63)
(Wenn die auf den Faden wirkende resultierende Kraft nicht gleich null ist, wäre
die Beschleunigung des Fadens wegen der verschwindenden Masse unendlich!)
Jetzt führen wir die Spannung des Fadens ein.
Wir können uns vorstellen, dass die Spannung sich im Faden befindet. Sie ist
für eine Übertragung der Kräfte durch den Faden verantwortlich. Sie wirkt entlang des Fadens, so dass ein Faden, der zwei Punkte verbindet, überall dieselbe
Spannung besitzt.
Im Punkt, wo der Mensch (1) den Faden zieht, wird die Kraft F 1 kompensiert.
Dieselbe Situation findet im Punkt (2) statt. D.h.,
F 1 + S 1 = 0 und F 2 + S 2 = 0
(3.64)
Da die Beträge von F 1 und F 2 gleich sind, gilt
|S 1 | = |S 2 | ≡ S
(3.65)
d.h., die Spannung S entlang des ganzen Fadens besitzt überall denselben Betrag. Siehe Abb. 3.16.
i
F i = ma = m
dv
d(mv)
dp
=
=
dt
dt
dt
(3.67)
wobei p der Impuls des Teilchens ist. Wenn keine Kraft auf das Teilchen wirkt,
ist sein Impuls wie erwartet erhalten, d.h., er ändert sich nicht mit der Zeit.
3.9.1
Die reibungsfreie schiefe Ebene: dynamischer Fall
Wir haben in Kap. 3.8.3 eine Anordnung betrachtet, bei der ein Block mit
der Masse M auf einer schiefen Ebene mit dem Neigungswinkel ϑ ruhte, weil
er durch einen Faden mit einer vertikalen Wand verbunden war. Wird nun
der Faden zerschnitten, so verschwindet die Kraft F . Die resultierende Kraft
ist nun nicht mehr gleich null, und der Block wird sich beschleunigt bewegen
(siehe Abb. 3.17). Wie gross ist seine Beschleunigung bei vernachlässigbarer
Reibung? Die vektorielle Gleichung ist:
N + M g = F res = M a ,
(3.68)
wobei der Vektor a die Beschleunigung der Masse M ist.
Die Gleichungen mit den Komponenten sehen so aus (das Koordinatensystem
wird wie im Kap. 3.8.3 gewählt):
%
0 − M g sin ϑ = M ax
(3.69)
N − M g cos ϑ = M ay
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83
84
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N
y
x
ϑ
Mg
Abbildung 3.17: Beschleunigte Bewegung auf schiefer Ebene.
Die Normalkraft wirkt so, dass die Beschleunigung in die y-Richtung verschwindet. Der Block erfährt nur eine Beschleunigung in die x- Richtung:

1

(−M g sin ϑ)
ax =
M
(3.70)
1

a =
(N − M g cos ϑ) = 0 ⇒ N = M g cos ϑ
y
M
Schliesslich ist
ax = −g sin ϑ
(3.71)
Wie erwartet, entsprechen den beiden extremen Fällen die Werte:
ax =0,
ϑ=90◦ :
ax = −g,
N = Mg
N =0
N
3.9.2
positive Richtung
Bewegung mit Rollen
Wir betrachten die folgende Anordnung (Siehe Abbn. 3.18 und 3.19): auf einer
horizontalen Fläche befinde sich ein Wagen der Masse M . Durch einen über
eine Rolle geführten Faden ist er mit einer aufgehängten Masse verbunden.
Die aufgehängte Masse m kann sich in die vertikale Richtung bewegen. Wir
betrachten den Faden als masselos und die Rolle als reibungsfrei. Die Funktion
der Rolle ist es, die Spannung im Faden umzulenken.
Demonstrationsexperiment: Messung der Beschleunigung mit Wagen.
Das Kräftediagramm kann wie in Abb. 3.19 dargestellt werden. Wir bemerken,
dass die Spannung S 1 die einzige nicht verschwindende Kraft ist, die auf den
Wagen wirkt, weil die Gewichtskraft des Wagens von der nach oben gerichteten
(Normal-) Kraft, die der Tisch ausübt, kompensiert wird. Anderseits spürt
die aufgehängte Masse die nach oben gerichtete Spannung S 2 und die nach
unten gerichtete Gewichtskraft. Wenn der Faden als masselos und die Rolle
Wagen
S1
M
Mg
Rolle
S2
m
Reibungsfreie Rolle:
|S 1 | = |S 2 | ≡ S
positive Richtung
ϑ= 0◦ :
Abbildung 3.18: Messung der Beschleunigung mit Wagen.
mg
Abbildung 3.19: Kräftediagramm zur Messung der Beschleunigung mit Wagen.
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85
als reibungsfrei betrachtet werden, dann wird die Rolle nur die Spannung im
Faden umlenken und es gilt |S 1 | = |S 2 | = S.
Die Bewegungsgleichung kann so ausgedrückt werden (Beachte die positive
Richtungen für die Bewegung des Wagens und der aufgehängten Masse):


= Ma
S
(3.72)
m

mg − S = ma ⇒ a =
g
M +m
Für M ) m ist
m
1
g ⇒ a ∝ m und a ∝
(3.73)
M
M
Die Beschleunigung ist zum Verhältnis der Massen proportional. Wir können
sagen, dass
a≈
1. wegen der schweren Masse m das System beschleunigt wird;
2. wegen der trägen Masse M das System gebremst“ wird. Die träge Masse
”
M des Wagens wirkt seiner Beschleunigung entgegen.
3.9.3
Die Atwoodsche Maschine
Wir betrachten die Anordnung in Abb. 3.20. Zwei Massen m1 und m2 hängen
an einem Faden. Wir nehmen an, dass der Faden masselos ist und reibungsfrei
über die Rolle gleiten kann. Eine solche Anordnung wird eine Atwoodsche
Maschine genannt.
86
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dieses Ergebnis so beweisen: Weil wir annehmen, dass der Faden nicht dehnbar
ist, bleibt seine Länge unverändert. Es gilt (Siehe Abb. 3.20)
# = h1 + h2 +
0=
d#
d
d
= h1 + h2 + 0 = v1 + v2
dt
dt
dt
(3.75)
0=
d
d
v 1 + v 2 = a1 + a2
dt
dt
(3.76)
und
S
m2
m1
m1 g
m2 g
h2
Abbildung 3.20: Eine Atwoodsche Maschine mit einem masselosen Faden und
einer reibungsfreien Rolle.
Wenn der Faden immer gespannt ist, müssen die Beträge der Beschleunigungen
der Massen gleich sein und entgegengesetztes Vorzeichen besitzen. Man kann
⇒ a1 = −a2
Weil der Faden masselos ist, ist die Spannung entlang des Fadens immer dieselbe. Wir betrachten deshalb nur einen Spannungsvektor, der nach oben zeigt.
Wir betrachten nun die Kräfte, die auf die Masse A und die Masse B wirken:
Masse A: S + m1 g = m1 a1
Masse B: S + m2 g = m2 a2
(3.77)
(3.78)
wobei S die Spannung des Fadens ist. Wir verwenden nun die Komponenten:
wir brauchen nur die vertikale Richtung. Die positive Richtung wird nach oben
gewählt.
Damit schreiben wir das System der Bewegungsgleichungen:
%
S − m1 g
S − m2 g
positive Richtung
S
(3.74)
wobei # die Länge des Fadens ist, und 2πR der Umfang der Rolle. Mit der
zeitlichen Ableitung dieser Gleichung, finden wir
Rolle
h1
1
(2πR)
2
= m1 a1
= m 2 a2
(3.79)
Mit der Bedingung für die Beschleunigung lautet die Bewegungsgleichung für
a1 = −a2 folgendermassen:
%
S − m 1 g = m 1 a1
(3.80)
S − m2 g = −m2 a1
Die Lösung ist (wir berechnen die Differenz und die Summe der Gleichungen):
%
m1 a1 + m2 a1 = −m1 g + m2 g
(3.81)
m1 a1 − m2 a1 = 2S − m1 g − m2 g
d.h.

a1

S
m2 − m1
g
m2 + m1
= 21 {(m1 − m2 ) a1 + (m1 + m2 ) g}
=
(3.82)
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87
88
Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Mit Algebra findet man schliesslich
y
m2 − m1
a1 = −a2 =
g
m2 + m1
2m1 m2
und S =
g
m1 + m2
(3.83)
F 12 = −F 21
m1
m1
F 21
|F 12 | = |F 21 |
Die Beträge der Beschleunigungen sind einander gleich:
|a1 | = |a2 | =
|m2 − m1 |
g≤g
m2 + m1
Die Beschleunigung der Masse ist kleiner oder gleich der Erdbeschleunigung g.
Die Spannung wirkt immer entgegen der Gravitationskraft und bremst die Massen.
Wir verstehen dieses Ergebnis auch in den Grenzfällen: In diesen letzten Fällen
ist die Spannung gleich null, und die Massen fallen frei mit einer Beschleunigung
gleich g.
m2 = 0 ⇒ a1 = −g und a2 = g
m1 = 0 ⇒ a1 = g und a2 = −g
3.10
r 12
(3.84)
(3.85)
(3.86)
Eine fundamentale Kraft: Das Newtonsche Gravitationsgesetz
ey
Newton behauptete 1665 (als er 23 Jahre alt war), dass dieselbe Kraft für den
Fall von Körpern (z.B. ein Apfel) auf der Erde und für die Bewegung der
Planeten verantwortlich ist.
Er behauptete ferner, dass diese Kraft zwischen allen Objekten im Universum wirkt. Die Beziehung zwischen Erdbeschleunigung und Gravitationskraft
hat die Existenz einer allgemeinen, zwischen allen Körpern wirkenden, Kraft
bewiesen.
Nach dem allgemeinen Newtonschen Gravitationsgesetz ist diese Kraft
immer anziehend, proportional zu den Massen der beiden Körper und umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstandes zwischen ihnen. Sie liegt in der
Verbindungslinie zwischen ihnen.
4
5
Johannes Kepler (1571-1630)
Tycho Brahe (1546-1601)
F 12
m2
m2
r2
ex
x
Abbildung 3.21: Die Definition des Vektors r 12 .
Abbildung 3.22: Die Gravitationskraft
ist immer anziehend, und beide Körper
spüren dieselbe Anziehungskraft, aber
mit entgegengesetztem Vorzeichen.
Erstmals hat Newton 1686 mit einer mathematischen Berechnung bewiesen,
dass eine solche Gravitationskraft die elliptischen Bahnen der Planeten um die
Sonne erklären kann.
In der mathematische Sprache wird die Gravitationskraft, die die Masse m1
auf m2 ausübt, geschrieben als (siehe Abb. 3.21):
Eines der grundlegendsten Probleme, das die Menschheit seit langem
beschäftigt hat, ist die Bewegung der Himmelskörper, d.h. die Planetenbewegung.
Kepler4 analysierte die astronomischen Beobachtungen von Brahe5 . Dabei fand
er empirisch drei Gesetze über die Bewegung der Planeten. Das erste Keplersche
Gesetz sagt, dass alle Planeten sich auf elliptischen Bahnen bewegen, in deren
einem Brennpunkt die Sonne ist.
F 12
r1
F 12 = −
Gm1 m2 r 12
·
2
r12
r12
(3.87)
wobei m1 und m2 zwei Punktmassen sind, und r 12 /r12 ein Einheitsvektor, der
von m1 nach m2 zeigt (r 12 = r 2 − r 1 ), und G ist die universelle Gravitationskonstante, die den Wert
G = 6,67 × 10−11 N m2 /kg2
(3.88)
hat.
Aus der Definition der Gravitationskraft kann man sehen, dass beide Körper
dieselbe Anziehungskraft, aber mit entgegengesetztem Vorzeichen (siehe Abb.
3.22) spüren:
F 12 = −F 21 ,
|F 12 | = |F 21 |.
(3.89)
Die Gravitationskraft wird von der Gegenwart anderer Massen nicht gestört:
Im Fall, dass es viele Massen in der Nähe eines Körpers gibt, ist die Gesamtgravitationskraft auf den Körper gleich der Vektorsumme aller Gravitationskräfte,
die die anderen Körper auf ihn ausüben.
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3.10.1
89
Die Erdbeschleunigung
Gm1 m2
(6,67 · 10
=
r2
≈ 4 · 10−7 N
|F | =
Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
ist:
Wir sagen, dass die Gravitationskraft eine schwache Kraft ist. Zum Beispiel
ist die Kraft zwischen zwei Studenten, die sich in einem Abstand von 1 Meter
befinden und je eine Masse von 80kg haben, ungefähr
−11
90
2
−2
N · m kg ) · (80 kg) · (80 kg)
(1 m)2
mE ≈ 6,0 × 1024 kg
(3.90)
Nun verstehen wir den Betrag der Erdbeschleunigung und warum er unabhängig von der Masse eines Körpers ist.
Die Erde übt auf den Körper eine Kraft aus, die dieselbe ist, als ob ihre ganze
Masse im Zentrum der Erde konzentriert wäre (siehe Abb. 3.24).
Dabei haben wir die Studenten als Punktmassen betrachtet. Ein solcher Betrag
ist praktisch unmessbar.
Die Gravitationskraftwirkung ist messbar, wenn wir grosse Massen betrachten.
Sie bindet z.B. Sterne in Galaxien (siehe Abb. 3.23), Galaxien in sogenannten
“Superclusters”, und sie ist auch verantwortlich für die Bewegung der Planeten
um die Sonne, der Satelliten um die Planeten und für den Fall der Körper auf
der Erde.
FG
FG
rE
=
Erde
mE
Abbildung 3.24: Die Gravitationskraft der Erde.
Wir berechnen daher die Gravitationskraft, die die Erde auf eine auf der
Erdöberfläche liegende Masse m ausübt, als
|F G | =
GmE m
rE2
(3.91)
wobei mE die Masse der Erde ist und rE der Radius der Erde.
Um die Erdbeschleunigung zu bestimmen, benutzen wir das zweite Newtonsche
Gesetz:
Abbildung 3.23: Eine Galaxie. Die Sterne werden durch die Gravitationskraft
zusammengehalten.
Wir spüren die Erdbeschleunigung deshalb, weil die Masse der Erde sehr gross
F G = mg
⇒
GmE m
= mg
rE2
⇒
g=
GmE
rE2
(3.92)
d.h., g ist unabhängig von m. Alle Körper, unabhängig von ihren Massen,
werden gleich beschleunigt.
Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
91
3.11
Drehimpuls
3.11.1
Der Drehimpuls eines Teilchens
92
Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Die Richtung des Drehimpulses kann mit Hilfe der Rechte-Hand-Regel des
Vektorprodukts gefunden werden. Siehe Kap. 1.5.3 und Abb. 3.26.
r
Bei der Behandlung der Bewegung eines Teilchens haben wir den linearen Impuls eines Teilchens definiert (Siehe Kap. 3.2). Diese Grösse war sehr hilfreich,
wegen der Erhaltung des Gesamtimpulses (Siehe Kap. 3.3).
r
Der Erhaltungssatz kann im Fall einer Drehbewegung (oder Rotation) umformuliert werden. Man spricht von der Erhaltung des gesamten Drehimpulses.
p
p
p
r
Wir führen den Drehimpuls ein:
Der Drehimpuls bezüglich eines bestimmten Punktes O wird durch das
Vektorprodukt des Ortsvektors r und des (linearen) Impulses p, d.h.
p
r
Abbildung 3.26: Die Rechte-Hand-Regel für das Vektorprodukt r × p.
Wir bemerken:
L = r × p = m (r × v)
(3.93)
definiert, wobei m die Masse des Teilchens ist. Der Ortsvektor r wird bezüglich
O definiert. Siehe Abb. 3.25. Beachte, dass der Drehimpuls vom gewählten
Ursprung O abhängt.
1. Der Drehimpuls ist senkrecht zur Ebene, die durch den Ortsvektor und den
Impuls definiert ist. Er ist senkrecht zur Bewegungsrichtung der Masse.
2. Der Betrag des Drehimpulses ist gleich
|L| = |r||p| sin ϑ ,
(3.95)
wobei ϑ der von r und p eingeschlossene Winkel ist.
Der Betrag kann auch in den folgenden Formen ausgedrückt werden:
%
L = (r sin ϑ) p = r⊥ p
L = r (p sin ϑ) = r p⊥
Bahn
p
L
r
ϑ
m
(3.96)
wobei r sin ϑ die Komponente von r senkrecht zur Wirkungslinie des Impulses
p und p sin ϑ die Impulskomponente senkrecht zu r ist (Siehe Abb. 3.27).
Wenn der vom Ortsvektor und dem Impuls eingeschlossene Winkel ϑ gleich
0◦ oder 180◦ ist, ergibt sich keine zu r senkrechte Impulskomponente, und
auch keine zur Wirkungslinie des Impulses senkrechte Komponente von r. Der
Drehimpuls verschwindet in diesem Fall.
O
Ebene der
Bewegung
Der Drehimpuls kann auch durch die kartesischen Komponenten ausgedrückt
werden:
Abbildung 3.25: Die Definition des Drehimpulses. Der Drehimpulsvektor ist
senkrecht zur Ebene, die durch den Ortsvektor und den Impulsvektor definiert
ist.
SI-Einheit: im MKS-System:
[L] = m ·
kg · m
kg · m2
=
s
s
(3.94)
L = r × p = (ry pz − rz py ) · ex + (rz px − rx pz ) ey + (rx py − ry px ) ez
(3.97)
Wir können die folgenden Spezialfälle diskutieren: Wir nehmen an, dass die
xy-Ebene durch den Impuls und den Ortsvektor definiert wird (d.h. pz = 0
und rz = 0). In diesem Fall zeigt der Drehimpuls in die z-Richtung:
L = (rx py − ry px ) ez
Wir unterscheiden zwei Fälle (siehe Abb. 3.28):
(3.98)
Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
y
93
94
Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
y
Das Drehmoment bezüglich eines bestimmten Punktes O wird durch das Vektorprodukt des Ortsvektors r und der Kraft F , d.h.
M =r×F
p
definiert. Beachte, dass das Drehmoment, wie der Drehimpuls, vom gewählten
Ursprung O abhängt.
p
p⊥
r⊥
SI-Einheit: Im MKS-System gilt
m
m
r
[M ] = [r] [F ] = N m =
r
O
x O
x
Abbildung 3.27: Zur Definition des Vektorprodukts L = r×p: L = r⊥ p = r p⊥ .
kg m2
s2
(3.100)
Wir bemerken, dass Kraft und Drehmoment unterschiedliche Grössen sind: die
resultierende Kraft, die auf ein System wirkt, kann z.B. verschwinden, ohne
dass das Drehmoment verschwindet, oder umgekehrt (siehe Abb. 3.28).
a)
1. p = (px , 0) ⇒ L = (−ry px ) · ez und Lz = −ypx < 0;
2. p = (0, py ) ⇒ L = (rx py ) · ez und Lz = xpy > 0.
y
(3.99)
b)
r
y
O
F
F
c)
r
F
O
F
r
O
−F
|M tot | = 2rF
|F tot | = 0
p
|M tot | = 0
|M tot | = rF
|F tot | = 2F
|F tot | = F
p
r⊥
m
O
r
x O
L = (−ry px ) · ez
⇒ Lz = −ypx < 0
r⊥
L = (rx py ) · ez
⇒ Lz = xpy > 0
Abbildung 3.28: Drehimpuls in z-Richtung.
3.11.2
Abbildung 3.29: Zum Unterschied zwischen Kraft und Drehmoment.
m
r
Das Drehmoment
Wir führen eine neue Grösse, das Drehmoment, ein:
x
3.11.3
Erhaltung des Drehimpulses
Das Drehmoment ist eine wichtige Grösse, wegen seiner engen Beziehung mit
dem Drehimpuls.
Wir betrachten die zeitliche Ableitung des Drehimpulses
!
" !
"
!
"
dL
d
dr
dp
dp
=
(r × p) =
×p + r×
= (v × mv) + r ×
, -. /
dt
dt
dt
dt
dt
=0, da v%v
(3.101)
Es folgt:
Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
95
96
Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
d.h., sie wirkt immer längs der Verbindungslinie zwischen den zwei Körpern.
Die zeitliche Änderung des Drehimpulses ist gleich dem Vektorprodukt des Ortsvektors r und der zeitlichen Änderung des (linearen) Impulses p:
dL
dp
=r×
dt
dt
(3.102)
Wenn wir z.B. die Bewegung eines Planeten um die Sonne betrachten, ist das
auf den Planet ausgeübte Drehmoment bezüglich der Sonne gleich (wir stellen
die Sonne in den Ursprung des Koordinatensystems)
0
r 1 f (r)
M = r × F = r × f (r) ·
=
(r × r) = 0
r
r
Aus dem zweiten Newtonschen Gesetz kennen wir die Beziehung zwischen Kraft
und Impuls, nämlich
dp
dmv
dv
=
= m
= ma = F
dt
dt ,-./
dt
(3.103)
(3.107)
Bezüglich O übt die Gravitationskraft kein Drehmoment auf den Planet aus.
m=konst.
wobei wir angenommen haben, dass die Masse des Teilchens konstant ist. Damit
gilt:
dL
dp
=r×
=r×F
(3.104)
dt
dt
Aus der Definition des Drehmoments folgt der Drehimpulssatz (für m =
konst.):
Die zeitliche Änderung des Drehimpulses eines Teilchens ist gleich dem angreifenden Drehmoment, d.h.
dL
dp
=r×
=r×F =M
dt
dt
(3.105)
Diese Gleichung kann als das Analogon des zweiten Newtonschen Gesetztes
betrachtet werden:
Linearer Impuls:
Drehimpuls:
dp
=F
dt
dL
d
=
(r × p) = r × F = M
dt
dt
Wir bemerken nun, dass die Beziehung für die Drehbewegung keinen grundsätzlich neuen Satz der Physik darstellt, sie ist nur eine Umformulierung der Newtonschen Gesetze für die Drehbewegung.
Beachte, dass beide, Drehmoment und Drehimpuls, bezüglich desselben Punktes
definiert werden müssen, um diese Gleichung zu verwenden (Die Gleichung gilt
aber natürlich unabhängig vom gewählten Ursprung).
3.12
Drehimpuls and Zentrale Kräfte
Die Gravitationskraft ist z.B. eine zentrale Kraft, weil sie die folgende Form
besitzt (Der Ursprung O wurde im Massenpunkt gewählt):
r
F (r) = f (r) · ,
(3.106)
r
Es folgt, dass der Drehimpuls des Planeten bezüglich der Sonne konstant ist:
dL
= M = 0 ⇒ L = konst.
dt
3.12.1
(3.108)
Anwendung: das Flächengesetz
Kopernikus6 schlug vor, die Bewegung aller Planeten (einschliesslich der Erde),
relativ zur Sonne als Mittelpunkt zu beschreiben.
Was Kopernikus vorschlug, war ein Koordinatensystem, dessen Ursprung mit
der Sonne zusammenfällt und in welchem die Planetenbewegungen sich einfacher beschreiben liessen7 .
Der Vorschlag von Kopernikus half Kepler die Gesetze der Planetenbewegung
zu entdecken. Kepler verwendete die astronomischen Messungen von Tycho
Brahe. Die Gesetze, die als Keplersche Gesetze bezeichnet werden, sind kinematische Beschreibungen der Planetenbewegung. Sie besagen:
1. Die Planeten beschreiben elliptische Bahnen, mit der Sonne im Brennpunkt.
2. Das Flächengesetz: Der Ortsvektor jedes Planeten relativ zur Sonne überstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flächen der Ellipse.
3. Die Quadrate der Umlaufszeiten sind der dritten Potenz des mittleren
Abstands der Planeten von der Sonne proportional.
Nikolaus Kopernikus (1473-1543)
Wegen der Relativitätstheorie (Siehe Kap. 9) können wir nicht sagen, ob sich die Planeten
um die Sonne bewegen, oder umgekehrt, ob die Sonne sich um die Planeten bewegt. Die
einfachste Beschreibung findet man, wenn die Sonne im Ursprung des Koordinatensystems
ist. Der Grund dafür ist, dass die Sonne, der grösste Körper in unserem Planetensystem,
praktisch mit dem Schwerpunkt des Systems zusammenfällt. Wir können deshalb annehmen,
dass die Sonne sich nicht bewegt, und die anderen Planeten sich um sie drehen.
6
7
Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
97
Newton verwendete diese Ergebnisse, als er die Existenz der allgemeinen Gravitationskraft postulierte. Das Flächengesetz sagte voraus, dass die Gravitationskraft eine Zentralkraft sein muss. Wir zeigen nun diese Beziehung.
98
Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Der Drehimpuls ist damit gleich:
Wir betrachten die Position eines Planeten bezüglich der Sonne, die sich im
Ursprung des Koordinatensystems befinde. Wir verwenden Kugelkoordinaten
und diskutieren die Lage des Planeten zu den Zeiten t und t + dt:
t : (r, ϕ)
t + dt : (r + dr, ϕ + dϕ)
y
≈
rd
"
dϕ
dr
= mr er × er + mr2 er × eϕ
dt
dt
!
"
2 dϕ
= mr
er × eϕ
dt
(3.109)
Die vom Ortsvektor überstrichene Fläche dA während des Zeitintervalls dt ist
ungefähr die Fläche des Dreiecks mit Höhe r dϕ und Grundlinie r + dr (siehe
Abb. 3.30):
3
1
12 2
dA ≈ (r + dr) (r dϕ) =
r dϕ + rdrdϕ
(3.110)
2
2
!
dr
dϕ
er + r eϕ
dt
dt
!
"
dr
dϕ
= mrer ×
er + r eϕ
dt
dt
L = r × mv = r er × m
(3.113)
Wir vergleichen dieses Ergebnis mit dA/dt und erhalten:
dA
1 dϕ
L
= r2
=
dt
2 dt
2m
(3.114)
Experimentell beobachtete Brahe, dass die Flächenrate dA/dt eine Konstante
der Planetenbewegung ist:
dA
= konst.
(3.115)
dt
Es folgt daraus:
ϕ
r+
dϕ
dr
1. Der Drehimpuls eines Planets wird während seiner Umlaufbewegung erhalten.
r
ϕ
2. Die Gravitationskraft bewirkt kein Drehmoment auf den Planet.
x
Abbildung 3.30: Flächengesetz: Vom Ortsvektor r in der Zeit dt überstrichene
Fläche dA.
Die pro Zeit überstrichene Fläche (=Flächengeschwindigkeit dA/dt) kann damit so geschrieben werden:
dA
1 dϕ 1 dϕ dr
1 dϕ
= r2
+
−→ r2
dt
2 dt
2 dt
2 dt
für t → 0
(3.111)
Der zweite Term in der Summe entspricht der Fläche des kleinen Dreiecks mit
Seiten r dϕ und dr; und sein Beitrag ist vernachlässigbar, wenn das Zeitintervall
dt gegen null geht.
In Kugelkoordinaten sind der Ortsvektor und die Geschwindigkeit gleich (Siehe
Kap. 2.5):
dr
dϕ
r(t) = r er und v(t) = er + r eϕ
(3.112)
dt
dt
3. Die Gravitationskraft ist eine zentrale Kraft. Sie wirkt entlang der Verbindungslinie zwischen der Sonne und dem Planet.
3.13
Harmonische Schwingungen
Schwingungen sind Vorgänge, bei denen sich eine physikalische Grösse in
Abhängigkeit von der Zeit periodisch ändert. Eine Schwingung kann als eindimensionale Bewegung betrachtet werden.
Bei einer Schwingung bewegt sich z.B. ein Teilchen in einer periodischen Bewegung immer nur auf demselben Weg hin und her.
3.13.1
Eine sinusförmige Bewegung
Eine Masse wird an einem Faden aufgehängt. Wenn wir die Masse aus seiner
Gleichgewichtslage auslenken und sie loslassen, schwingt sie um die Gleichgewichtslage.
Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
99
100
Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Wie soll eine solche Bewegung beschrieben werden?
Demonstrationsexperiment: Schwingwagen
Ein Wagen ist mit zwei Federn verbunden. Siehe Abb. 3.31. Der Wagen wird
ausgelenkt und losgelassen. Die Auslenkung wird als Funktion der Zeit geplottet. Sie sieht sinusförmig aus.
Pendel
Kreisbewegung
Abbildung 3.31: Schwingwagen: Der Wagen ist mit zwei Federn verbunden.
Demonstrationsexperiment: Pendel bewegt sich sinusförmig.
Die Kreisbewegung einer Kugel wird auf die Wand projiziert. Wir vergleichen
die Bewegung des Pendels mit der Projektion der Kugel auf die Wand. Siehe
Abb. 3.32.
Experimentell beobachten wir:
Abbildung 3.32: Das Pendel bewegt sich sinusförmig: Die Bewegung der aufgehängten Masse (Pendel) und die Projektion der Kugel auf die Wand werden
verglichen.
Um die Bewegung des Pendels zu beschreiben, müssen wir die Projektion der
Kreisbewegung betrachten. Wir werden z.B. die Projektion der umlaufenden
Kugel auf die y-Achse betrachten:
Für kleine Auslenkungen ist die Pendelbewegung gleich der Projektion einer
Kreisbewegung.
Wir können die Kreisbewegung als eine zweidimensionale Bewegung betrachten. Wir wählen dafür ein Koordinatensystem. Siehe Abb. 3.33. Die Kreisbewegung der Kugel wird durch den Winkel ϕ parametrisiert und die Koordinaten
der Kugel sind gleich:
%
x(t) = R cos ϕ(t)
(3.116)
y(t) = R sin ϕ(t)
wobei R der Radius des Kreises ist. Weil die Kugel mit konstanter Geschwindigkeit auf dem Kreis umläuft, ist die Winkelgeschwindigkeit konstant als Funktion der Zeit, so dass der Winkel linear mit der Zeit zunimmt (Siehe Kap.
2.7):
ϕ(t) = ωt
(3.117)
y(t) = R sin ϕ(t) = R sin ωt
(3.118)
Wir schliessen daraus:
Die Masse des Pendels bewegt sich sinusförmig um ihre Gleichgewichtslage.
Eine solche Bewegung ist durch den folgenden allgemeinen Ausdruck gegeben:
x(t) = A sin (ωt + δ)
(3.119)
wobei A die Amplitude, ω die Kreisfrequenz und δ die Phasenkonstante ist.
Solche Bewegungen werden harmonische Schwingungen genannt.
Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Lichtquelle
π
2
1
1
2
ϕ
ωt
0 x 0
− 12
ω
π
π
2
3π
2
2π
5π
2
3π
Abbildung 3.33: Die Pendelbewegung ist gleich der Projektion einer Kreisbewegung. Ein Punkt bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit auf dem Kreis.
Der Radius ist gleich 1.
Oft wird der Winkel der Sinusfunktion auch als die Phase der Schwingung
bezeichnet. Hier haben wir diese Phase so ausgedrückt:
ϕ(t) = ωt + δ
(3.120)
wobei δ die ursprüngliche Phase zur Zeit t = 0 ist. Siehe Abb. 3.34.
δ
π
0 x
π
2
π
3π
2
2π
5π
2
3π
2
3.13.2
(3.124)
Die Periode der Schwingung
Die Periode T der Schwingung ist definiert als die Zeit, die benötigt wird, um
eine vollständige Schwingung durchzuführen.
ϕ(t + T ) = ϕ(t) + 2π
⇒ ω · (t + T ) + δ = ωt + δ + 2π
⇒ ωt + ωT = ωt + 2π
oder
ωt = 2π
-1
⇒
T =
2π
ω
(3.125)
Die Frequenz ν ist die Anzahl der Schwingungen pro Zeit:
Abbildung 3.34: Die graphische Darstellung der ursprünglichen Phase.
Obwohl wir die harmonische Bewegung durch eine Sinusfunktion definiert haben, kann sie ebenso gut durch eine Kosinusfunktion ausgedrückt werden, wobei
der einzige Unterscheid ein Phasenunterschied von π/2 ist:
0
π1
x(t) = A cos (ωt + δ) = A sin ωt + δ +
= A sin (ωt + δ ! )
(3.121)
2
d.h.
x(t) = A sin (ωt + δ)
= A sin ωt cos δ + A cos ωt sin δ
= (A cos δ) sin ωt + (A sin δ) cos ωt
= B sin ωt + C cos ωt
Normalerweise werden wir nur den Ausdruck mit der Sinusfunktion und die
ursprüngliche Phase verwenden.
ωt
δ
− 12
ω
(3.123)
wobei B = A cos δ and C = A sin δ neue Konstanten (d.h. Amplituden) sind,
die die ursprüngliche Phase enthalten.
1
1
2
sin (α + β) = sin α cos β + cos α sin β
Die Sinusfunktion wiederholt sich, wenn der Winkel ϕ(t) um 2π zunimmt. D.h.,
bei einem vollständigen Zyklus erhöht sich die Phase der Sinusfunktion um 2π.
Zur Zeit t + T unterscheidet sich die Phase um 2π von der Phase zur Zeit t:
sin(ωt + δ)
y
Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
folgt
-1
3π
2
π
2
102
Wir bemerken schliesslich, dass harmonische Bewegungen auch als Summe von
Kosinus- und Sinusfunktionen ausgedrückt werden können. Aus der Gleichung
sin ωt
y
π
101
0
π1
cos ϕ = sin ϕ +
2
(3.122)
ν=
1
ω
=
T
2π
(3.126)
Die SI-Einheit der Frequenz ist das Hertz (Hz) = 1/Sekunde .
3.13.3
Auslenkung, Geschwindigkeit und Beschleunigung
Weil die Sinusfunktion nur Werte zwischen –1 und 1 annehmen kann, ist die
grösste Auslenkung aus der Gleichgewichtslage gleich der Amplitude A, d.h.,
Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
103
104
Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
die Amplitude ist der Betrag der maximalen Auslenkung:
x(t) = A sin (ωt + δ)
⇒
−A ≤ x(t) ≤ A
f (t) = sin ωt
1
(3.127)
ωt
Die Amplitude entspricht der maximalen Entfernung vom Ursprung.
−2π
Die erste zeitliche Ableitung, die die Geschwindigkeit liefert, ist gleich
dx
v(t) =
= Aω cos (ωt + δ)
dt
−π
δ=0
π
2π
-1
(3.128)
f (t) = cos ωt
1
und wir erhalten:
ωt
v(t) = (Aω) cos (ωt + δ)
⇒
−Aω ≤ v(t) ≤ Aω
(3.129)
−2π
−π
π
2
δ=
-1
In ähnlicher Weise ist die Beschleunigung gleich:
a(t) =
d
dv
=
{Aω cos (ωt + δ)} = −Aω 2 sin (ωt + δ) = −ω 2 x(t)
dt
dt
1
π
2π
f (t) = − sin ωt
(3.130)
Wir bemerken, dass
2
3
a(t) = − Aω 2 sin (ωt + δ)
ωt
−2π
⇒
−Aω 2 ≤ a(t) ≤ Aω 2
Zusammenfassend haben wir gefunden:


A sin (ωt + δ)
x(t) =
v(t) = Aω cos (ωt + δ)


a(t) = −Aω 2 sin (ωt + δ) = −ω 2 x(t)
−π
1
δ=
(3.132)
−2π
π 3π
,
, ...
2 2
(3.133)
Das System bewegt sich periodisch zwischen den maximalen Auslenkungen –A und +A.
f (t) = − cos ωt
3π
2
ωt
π
−π
2π
-1
f (t) = sin ωt
1
Um die Diskussion zu vereinfachen, nehmen wir an, dass die Anfangsbedingungen so sind, dass die Phase δ verschwindet.
1. Die Auslenkung verhält sich sinusförmig. Zur Zeit t=0 ist die Auslenkung
gleich null und ihr Betrag ist maximal, wenn
2π
-1
(3.131)
Die Beziehung zwischen Sinus- und Kosinus-Funktionen sind in Abb. 3.35 gezeigt. Mit diesen kann die Beziehung zwischen Auslenkung, Geschwindigkeit
und Beschleunigung graphisch verstanden werden.
Maximale Auslenkung: ωt =
δ=π
π
δ = 2π
−2π
ωt
π
−π
2π
-1
Abbildung 3.35: Beziehung zwischen Sinus- und Kosinus-Funktionen. Die angegebene Phase δ entspricht der Phasenkonstante, die eine Sinusfunktion
sin(ωt + δ) haben muss, um die entsprechende Funktion zu liefern.
Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
105
2. Die Geschwindigkeit verhält sich kosinusförmig, d.h. sie kann als sinusförmig mit einer ursprünglichen Phase gleich π/2 dargestellt werden
(siehe Abb. 3.35). Die Geschwindigkeit verhält sich periodisch zwischen
den maximalen Geschwindigkeiten (–Aω und +Aω). Wegen des Phasenunterschieds ist die Geschwindigkeit maximal, wenn die Auslenkung
verschwindet, und umgekehrt ist die Geschwindigkeit minimal, wenn die
Auslenkung maximal ist:
Maximale Geschwindigkeit: ωt = 0, π, 2π, . . .
106
3.13.4
Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Anfangsbedingung bei ber harmonischen Bewegung
Die Amplitude A und die Phasenkonstante δ sind durch die Anfangsbedingungen festgelegt. Die Kreisfrequenz ω wird durch die Lösung der Bewegungsgleichung bestimmt (Siehe Kap. 3.13.6).
Zur Zeit t = 0 ist z.B. die Auslenkung x(t = 0) gleich
(3.134)
Man kann das so verstehen: beim Nulldurchgang ist die Geschwindigkeit
maximal. Die Auslenkung nimmt zu und die Bewegung wird gebremst
bis die Geschwindigkeit verschwindet. Dieser Punkt entspricht der maximalen Auslenkung. Die Richtung der Bewegung ändert sich und die
Bewegung läuft nachher zurück: die Auslenkung nimmt ab und die Geschwindigkeit nimmt zu, bis der Nulldurchgangspunkt wieder erreicht
ist. In diesem Punkt ist die Geschwindigkeit maximal, und die Bewegung
wiederholt sich weiter.
3. Die Beschleunigung verhält sich sinusförmig, wie die Auslenkung, aber
mit entgegengesetztem Vorzeichen, d.h. sie kann als sinusförmig mit einer ursprünglichen Phase gleich π dargestellt werden (siehe Abb. 3.35).
Die Beschleunigung verhält sich periodisch zwischen den maximalen Beschleunigungen (–Aω 2 und +Aω 2 ). Sie ist maximal bei maximaler Auslenkung und verschwindet beim Nulldurchgang. Sie ist aber der Auslenkung immer entgegengesetzt. Die Beschleugigung wirkt der Bewegung
entgegen. Wenn die Bewegung in eine Richtung läuft, versucht die Beschleunigung die Bewegung in die entgegengesetzte Richtung zu bringen:
wenn die Auslenkung z.B. nach rechts ist, zeigt die Beschleunigung nach
links, und umgekehrt, wenn die Auslenkung nach links ist, zeigt die Beschleunigung nach rechts.
x(t = 0) = A sin δ ≡ x0 ,
wobei x0 der Anfangswert der Auslenkung ist.
Zur Zeit t = 0 ist die Geschwindigkeit
v(t = 0) = Aω cos δ ≡ v0 ,
Mit Hilfe der Anfangsauslenkung und der Anfangsgeschwindigkeit werden die
Konstanten A und δ festgelegt.
Z.B. für v0 = 0:
%
x(0) = A sin δ = x0
v(0) = Aω cos δ = 0
(3.136)
Die Geschwindigkeit wird maximal und die Beschleunigung verschwindet.
⇒
v(0) = Aω cos δ = 0
und
x(0) = A sin δ = A sin
Schliesslich,
0π 1
2
δ=
⇒
π
2
A = x0
0
π1
= x0 cos ωt
x(t) = x0 sin ωt +
2
(3.140)
(3.141)
(3.142)
Die Kraft bei der harmonischen Bewegung
In der harmonischen Bewegung besitzt die Beschleunigung eine einfache Beziehung zur Auslenkung:
Die Geschwindigkeit verschwindet und die Beschleunigung wird maximal.
2. Beim Nulldurchgang (sin(ωt + δ) = 0):


x = 0
v = ±Aω


a =0
(3.139)
Damit gilt
3.13.5
(3.135)
(3.138)
wobei v0 die Anfangsgeschwindigkeit ist.
In mathematischer Form können wir die zwei Grenzfälle so zusammenfassen:
1. Bei maximaler Auslenkung (sin(ωt + δ) = ±1):


x = ±A
v =0


a = ∓Aω 2
(3.137)
dv
d2 x
d2
= 2 = 2 {A sin (ωt + δ)}
dt
dt
dt
2
3
= −Aω 2 sin (ωt + δ) = −ω 2 A sin (ωt + δ)
2 23
= −ω x(t)
a(t) =
d.h.,
(3.143)
(3.144)
(3.145)
bei der harmonischen Bewegung ist die Beschleunigung proportional und entgegengesetzt zur Auslenkung.
Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
107
Wir betrachten nun eine Masse, die eine harmonische Schwingungsbewegung
durchführt. Wie muss die Kraft, die auf die Masse wirkt, sein, damit die Masse
eine solche Bewegungskurve beschreibt?
Die Kraft, die auf die Masse wirken muss, damit die Masse in harmonischer
Bewegung schwingt, ist gleich:
F (t) = ma(t) = m (−ω 2 ) x(t) = (−mω 2 ) x(t)
(3.146)
Wir bemerken, dass die Kraft sich mit der Zeit ändern muss, und im Allgemeinen kann sie so ausgedrückt werden:
108
Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
Diese Bewegungsgleichung wird eine Differentialgleichung genannt. Sie stellt
eine Beziehung zwischen der Funktion x(t) und ihrer zweiten Ableitung dar.
Gesucht wird die Funktion x(t), die die Gleichung erfüllt.
Diese Funktion x(t) ist bis auf den Faktor –(m/k) gleich ihrer zweiten Ableitung:
0 m 1 d2 x(t)
x(t) = −
(3.151)
k
dt2
Eine solche Bedingung erfüllen die Sinus- und Kosinusfunktionen. Wir schreiben den Ansatz
x(t) = A sin (ωt + δ) ,
F (t) = −kx(t) ,
wobei k = mω 2
(3.147)
(3.152)
Bei der harmonischen Bewegung ist die Kraft proportional und entgegengesetzt
der Auslenkung.
wobei A die Amplitude, ω die Kreisfrequenz, und δ die Phasenkonstante
ist. Dieser Ansatz entspricht der Schwingung, die wir in Kap. 3.13 diskutiert
haben. Die physikalische Interpretation der Amplitude, der Kreisfrequenz und
der Phasenkonstante wurden dort schon erklärt.
D.h., wenn die Auslenkung nach rechts ist, zeigt die Kraft nach links, und wenn
die Auslenkung nach links ist, zeigt die Kraft nach rechts. Die Kraft zeigt daher
immer in die Richtung des Ursprungs.
Wir haben in Kap. 3.13.4 gesehen, dass die Amplitude und die Phasenkonstante durch die Anfangsbedingungen bestimmt werden. Wir wollen nun die
Kreisfrequenz der Schwingung berechnen.
Eine solche Kraft haben wir als Rückstellkraft bezeichnet, und wir haben sie
z.B. im Fall der Feder angetroffen (Siehe Kap. 3.8.4).
Durch die Ableitung nach der Zeit erhalten wir
3.13.6
Differentialgleichung der harmonischen Bewegung
Mit Hilfe der Lösung einer Differentialgleichung werden wir die Kreisfrequenz der Schwingung als Funktion der physikalischen Grössen der schwingenden Anordnung bestimmen.
Wir benutzen Newtons zweites Gesetz für den Fall, dass die Kraft proportional
zur Verschiebung x ist, wobei der Ursprung der x-Achse (x = 0) die Gleichgewichtslage der Masse ist:
F = −kx = ma ,
(3.148)
wobei die Rückstellkraftkonstante k dem Proportionalitätsfaktor zwischen Verschiebung und Rückstellkraft entspricht. Sie kann z.B. die Federkonstante sein,
wenn wir eine Masse betrachten, die mit einer Feder verbunden ist.
Die Beschleunigung ist
a=
d2 x
dv
= 2 ,
dt
dt
(3.149)
d.h.
−kx = m
d2 x
dt2
⇒
d2 x
k
+ x=0
dt2
m
(3.150)
dx(t)
= Aω cos (ωt + δ)
dt
(3.153)
und
d2 x(t)
= −Aω 2 sin (ωt + δ) = −ω 2 x(t)
dt2
(3.154)
Wir setzen die Lösung x(t) in die Differentialgleichung
d2 x
k
+ x=0
dt2
m
(3.155)
ein und finden
−Aω 2 sin (ωt + δ) +
k
A sin (ωt + δ) = 0
m
(3.156)
Wir beobachten, dass die Zeitabhängigkeit verschwindet, wenn wir die Sinusfunktionen weglassen, und dass die Amplitude auch weggelassen werden kann.
Es bleibt
*
k
k
(3.157)
−ω 2 +
=0 ⇒ ω=
m
m
D.h., die Kreisfrequenz ω ist durch die Rückstellkraftkonstante k und die Masse
m festgelegt.
Wir bemerken, dass
Physik, SS 2007, Prof. A. Rubbia (ETH Zürich)
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1. die Kreisfrequenz von der Rückstellkraftkonstante und der inversen Masse
abhängt;
2. die Kreisfrequenz unabhängig ist von der Amplitude A der Schwingung;
3. sobald die Masse erst einmal harmonisch schwingt, führt sie diese Schwingung mit gleicher Amplitude, Kreisfrequenz und Phasenkonstante weiter.
Die entsprechende Periode der Schwingung ist:
T =
2π
= 2π
ω
*
m
k
(3.158)
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