Psychische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter Jan Hendrik Puls, Kiel Offenlegung • In den vergangenen fünf Jahren habe ich direkte finanzielle Zuwendungen für Vorträge, Beratungstätigkeiten und Studienteilnahmen oder indirekte Zuwendungen in Form von Kostenübernahmen für Fortbildungen von folgen Firmen erhalten: – Janssen-Cilag – Lilly – Medice – Novartis – Shire MAS • • • • • • 1. Klinisch-psychiatrisches Syndrom 2. Umschriebene Entwicklungsstörungen 3. Intelligenzniveau 4. Körperliche Symptomatik 5. Psychosoziale Umstände 6. Psychosoziales Funktionsniveau ICD-10 • • • • • Für Ärzte in Deutschland verbindlich Im englischsprachigen Bereich: DSM V Kapitel A (Infektionen) bis Z (Sonstiges) Kapitel F: Psychische und Verhaltensstörungen Beispiel: F43.24G, F90.0V, F81.0A ICD-10, Kapitel F • • • • • • F0 Organisch begründete Störungen F1 Suchterkrankungen F2 Schizophrenie F3 Manie und Depression F4 Ängste, Zwänge, reaktive Störungen F5 Essstörungen, Schlafstörungen ICD-10, Kapitel F • • • • F6 Persönlichkeitsstörungen F7 Intelligenzminderung F8 Entwicklungsstörungen F9 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend Diagnose, ICD-10 • • • • Symptomatik Ursachen Verlauf Therapie Bio-psycho-soziales Modell • Mehrere Ursachen für eine Erkrankung • Biologische Faktoren: Gene, Geschlecht, Alter, dingliche Umwelteinflüsse • Psychologische Faktoren: Intelligenz, Temperament, Lernerfahrungen • Soziale Faktoren: Familiäre Unterstützung, soziale Integration Schädlicher Gebrauch von Drogen, F1X.1 • Abgrenzung zu akuter Intoxikation, Abhängigkeit, Entzugssyndrom • Häufig familiäre Risiken und psychiatrische Vorerkrankungen • Eigener Risikofaktor für weitere psychiatrische Erkrankungen • Drogenberatungsstellen, Kliniken, PT Schizophrenie, F2 • Langjährige unspezifische Vorläufer-symptome (Prodromi), später Vollbild z.B. mit Wahn und Halluzinationen • Genetische Risiken, drogeninduziert • Chronische Erkrankung • Immer medikamentös, häufig stationär Manie, F30 • Ruhelosigkeit, Rededrang, Gedankenrasen, Verlust sozialer Hemmungen, nicht müde, Größenwahn • Genetischer Einfluss belegt • Chronische Erkrankung • Immer medikamentös, häufig stationär Bipolare Störung, F31 • • • • Abwechselnd manische und depressive Symptomatik Starke genetische Faktoren Chronischer Verlauf mit Schwankungen Medikation von zentraler Bedeutung, häufige stationäre Aufenthalte Depression, F32 und F33 • Traurigkeit, Freudlosigkeit, Interesse-verlust, Antriebslosigkeit, reduziertes Selbstvertrauen, Schuldgefühle, Suizidgedanken, somatisches Syndrom • Biopsychosoziales Modell • Verlauf in Episoden • Psychotherapie + Medikation hilfreich Agoraphobie, F40.0 • Angst vor Menschenmengen, öffentlichen Plätzen, Reisen alleine, Entfernung von zu Hause • Biopsychosoziales Modell • Unbehandelt oft chronischer Verlauf • Psychotherapie + Medikation hilfreich Soziale Phobie F40.1 • Furcht im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, Vermeidung von entsprechenden Situationen • Biopsychosoziales Modell • Gefahr der Chronifizierung • Psychotherapie, weniger Medikation Isolierte Phobien, F40.2 • Angst vor spezifischen Auslösern wie Hunden, Gewitter, Fliegen und entsprechendes Vermeidungsverhalten • Biopsychosoziales Modell • Relativ gute Heilungschancen • Vorrangig kognitive Verhaltenstherapie Panikstörung • Panikattacke ohne erkennbaren Auslöser, dann auch Angst vor der Angst • Biopsychosoziales Modell • Chronische Entwicklung möglich • Vorrangig Psychotherapie Zwangsstörung F42 • Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen gegen des Willen des Betroffenen • Biopsychosoziales Modell • Häufig zunehmend und chronisch • Vorrangig Psychotherapie, adjuvant Medikation möglich PTBS F43.1 • Nach Trauma Flashbacks und Meiden von ähnlichen Situationen, Schlafprobleme, Reizbarkeit, Konzentrationsprobleme • Identifizierbares Trauma und auch hier: Biopsychosoziales Modell • Gefahr der Chronifizierung • Vorrangig Psychotherapie Anpassungsstörung F43.2 • Anhaltende Reaktion auf negative Lebensereignisse mit vielfältigen Folgen • Identifizierbare Belastung und biopsychosoziales Modell • Definitionsgemäß maximale Dauer 6 (-24) Monate, dann ggf. neue Diagnose • Individuelle Mischung von Therapien Anorexie F50.0 • Magersucht, d.h. selbstinduzierter Gewichtsverlust, keine Störungseinsicht • Biopsychosoziales Modell • Häufig chronischer Verlauf und zusätzliche psychische Störungen • Psychotherapie, adjuvant Medikation, oft stationäre Therapie Bulimie F50.2 • Fressattacken, andauernde Beschäftigung mit Essen, Versuche des Gegensteuerns • Biopsychosoziales Modell • Gefahr der Chronifizierung • Immer Psychotherapie, häufig auch stationäre Phasen, adjuvant Medikation Nichtorganische Schlafstörung F51 • Einschlaf- oder Durchschlafstörungen • Häufig bei ADHS (ES) und Autismus (DS), aber auch durch Medienkonsum etc • Vollständige Umstellung des Schlaf-Wach-Rhythmus möglich • Psychoedukation, Erziehungsberatung, in schweren Fällen zeitweise Medikation Persönlichkeitsstörungen F60 • Schwere Störung der charakterlichen Konstitution: paranoid, schizoid, dissozial, emotional instabil, histrionisch, anankastisch, ängstlich, abhängig • Biopsychosoziales Modell • Langjähriger Verlauf ab Erwachsenenalter • Therapie nach Motivation und Bedarf Trichotillomanie F63.3 • • • • Zwanghaftes Haareausreißen mit sichtbarem Haarverlust Biopsychosoziales Modell Unter Therapie oft gut behandelbar Vorrangig Verhaltenstherapie Störung der Geschlechtsidentität F64.2 • Anhaltendes und starkes Unbehagen über das angeborene Geschlecht • Biopsychosoziales Modell • Persistenz ins Erwachsenenalter nur bei etwa 15-20%, 80% werden homosexuell • Zunächst Elternberatung, später PT Kanner-Autismus F84.0 • Autismus mit Intelligenzminderung und guten sprachlichen Defiziten • Biopsychosoziales Modell • Lebenslange und schwerwiegende Erkrankung • Autismusspezifische Therapie und andere Hilfen, ggf. Medikation Atypischer Autismus F84.1 • Autismus mit Einschränkung der Kommunikation und Interaktion, nicht Kanner- und nicht Asperger-Typus • Biopsychosoziales Modell • Sehr variabel im Schweregrad • Autismusspezifische Therapie und andere Hilfen, ggf. Medikation Asperger-Autismus F84.5 • Autismus ohne Intelligenzminderung mit guter sprachlicher Kompetenz sowie Spezialinteressen oder Stereotypien • Biopsychosoziales Modell • Insgesamt bessere Adaptationsfähigkeit bei unterschiedlicher Schwere • Psycho- und autismusspezifische Therapie, andere Hilfen, auch Medikation ADHS, F90.0 • Klassische Trias von Aufmerksamkeits-störung, Hyperaktivität und Impulsivität • Biopsychosoziales Modell • Chronische Erkrankung, Persistenz ins Erwachsenenalter in 90% • Leitlinienbasiert Elterntraining, (Psycho-) Therapie, Medikation Hyperkinetische SSV F90.1 • ADHS mit Störung des Sozialverhaltens • Biopsychosoziales Modell • Chronische Störung mit hohem Risiko psychosozialer Spätfolgen • Multimodale Therapie gemäß Leitlinien Störung des Sozialverhaltens F91 • Hochrangige Diagnose bei erheblichen Verhaltensproblemen • Biopsychosoziales Modell • Hohes Risiko für weitere psychische Erkrankungen und psychosoziale Spätfolgen • Elternarbeit, Psychotherapie, Medikation Trotzig-oppositionelle SSV F91.3 • • • • Geringgradigere Störung des Sozialverhaltens Biopsychosoziales Modell Möglichkeit der Chronifizierung Pädagogisch und therapeutisch gut behandelbar, Schwerpunkt Elternarbeit und verhaltenstherapeutische Elemente Trennungsangst des Kindesalters F93.0 • Große Ängste, den Eltern könnte etwas zustoßen oder sie könnten vom Kind getrennt werden, oft auch Psychosomatik • Biopsychosoziales Modell • Günstige Prognose bei Therapie • Elternarbeit, Verhaltenstherapie Soziale Ängstlichkeit F93.2 • Ängste und Befangenheit in soziale Situationen, beeinträchtigte Beziehungen • Biopsychosoziales Modell • Günstige Prognose bei Therapie • Elternarbeit, Verhaltenstherapie Mutismus F94.0 • Beständiges Schweigen außerhalb eines engsten Kreises bei vorhandener Sprachkompetenz • Biopsychosoziales Modell • Gefahr chronischer Entwicklung • Elternarbeit, Psychotherapie, Medikation Bindungsstörung F94.1 • Beziehungsauffälligkeiten in Verbindung mit emotionalen Problemen • Häufig Folge von Vernachlässigung, Mißbrauch und Mißhandlung • Häufig chronischer Verlauf mit starken psychosozialen Folgeschäden • Stabilität, Psychotherapie Ticstörungen F95 • Motorische und/oder vokale Tics, bei gleichzeitigem Auftreten: Tourette-Syndrom • genetisch und neurobiologisch verursacht • Schwankender, z. T. chronischer Verlauf • Ignorieren, Psychoedukation, Medikation Enuresis, Enkopresis F98.0, F98.1 • Einnässen und Einkoten ohne organische Ursache, als einzelnes oder Teilsymptom • Biopsychosoziales Modell • Typischerweise spontane Remission • Elternberatung, Psychoedukation, Psychotherapie, selten Medikation ADS F98.8 • • • • Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität Biopsychosoziales Modell Oft chronischer Verlauf Multimodale Therapie Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Dr. Jan Hendrik Puls Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie Poggendörper Weg 3-9 24149 Kiel www.praxis-puls.de