Ziele, Mittel und Träger in wirtschaftspolitischen Konzeptionen Universität Duisburg-Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik Dr. Torsten Sundmacher Übersicht 1. Wirtschaftspolitische Konzeptionen 2. Träger der Wirtschaftspolitik (Politiker, Bürokraten, Verbandsvertreter) 3. Ziele der Wirtschaftspolitik Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik 1. Wirtschaftspolitische Konzeptionen Übersicht Definition Konzeption: • genereller, längerfristig angelegter Orientierungsrahmen • mit Zielen und Ordnungsprinzipien für Individuen und Staat • von dem sich wirtschaftspolitische Entscheidungsträger leiten lassen (sollen) Funktion: • (Vor-)Auswahl von Mitteln (und Trägern) der Wirtschaftspolitik • Z.B. Ordnungs- vs. Prozesspolitik, Angebots- vs. Nachfragepolitik, regelgebundene vs. diskretionäre Politik ... • Rationalisierung der Entscheidungsfindung (auch: Konformitätsabgleich) • Programmatische Funktion im politischen Wettbewerb Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik 1. Wirtschaftspolitische Konzeptionen Reale Konzeptionen a) Laissez-faire-Kapitalismus b) Chicago-Liberalismus (USA) c) Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft (D) Eher marktwirtschaftlich • Marktwirtschaftliche Ordnung, Primat der Ordnungspolitik • Soziale Flankierung • Æ ‚Versöhnung‘ I. Freiheitlicher Sozialismus II. Planificastion (Frankreich) Eher interventionalistisch III. Wohlfahtsstaat (Schweden) Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik 1. Wirtschaftspolitische Konzeptionen Klassifizierung von wirtschaftspolitischem Handeln in Konzeptionen Phasen: • • • • Lageanalyse (Diagnose, Status Quo Prognose) Maßnahmenplanung (Wirkungsprognose, Programmerstellung) Programmrealisierung (z.B. rechtliche Ausgestaltung, Vollzug) Ergebniskontrolle (Erfolgsmessung, u.U. Rückkopplung) Elemente: • Oberziele, abgeleitete Ziele, Mittel, Instrumente • Träger mit zunehmender Konkretisierung stärkere Verbindung Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik Übersicht 1. Wirtschaftspolitische Konzeptionen 2. Träger der Wirtschaftspolitik (Politiker, Bürokraten, Verbandsvertreter) 3. Ziele der Wirtschaftspolitik Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik 2. Träger der Wirtschaftspolitik Überblick: Abgrenzung Definition Entscheidungsträger: • Personen oder Organisationen • mit der verliehenen Befugnis, wirtschaftspolitische Entscheidungen zu treffen • und ausgestattet mit legitimer Zwangsgewalt zur Durchsetzung ihrer Entscheidungen Abgrenzungen: • nicht nur Institutionen (z.B. Gesetze) • nicht nur Einflussträger ohne Durchsetzungsmacht (aber: ‚Grauzonen‘) Differenzierungsmöglichkeiten: • Legislative, Exekutive, Judikative • national, supranational, international • ... Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik 2. Träger der Wirtschaftspolitik Überblick: Beispiele Entscheidungsträger Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik 2. Träger der Wirtschaftspolitik Überblick: Beispiele Einflussträger Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik 2. Träger der Wirtschaftspolitik Überblick: einige Charakterisierungen I Föderale Strukturen • Systemwettbewerb (durch: exit und voice; damit: Möglichkeit zu parallelen Wettbewerbsprozessen) • ‚Kompetenzgerangel‘, hohe Kosten der Entscheidungsfindung Selbstverwaltungskörperschaften • Z.B. Kammern • Z.B. Sozialversicherungssysteme • Ähnlich (wenn auch keine Organe öffentlichen Rechts): Stellung der Bundesbank/EZB, Tarifvertragsparteien • Æ Kontrollprobleme (externe Effekte, Verträge zu Lasten Dritter), Machbias (systematische Interessenselektion) Supranationalisierung/Internationalisierung • Abgabe wirtschaftspolitischer Kompetenzen an EU • Bedeutung internationaler Regelungen (z.B. WTO) • Æ Begründung für gewählte Ebene, Legitimationsprobleme Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik 2. Träger der Wirtschaftspolitik Überblick: einige Charakterisierungen II Lobbying und Korporatismus • Einfluss von organisierten Interessen auf • a) Entscheidungsträger • b) Wähler • Sichtbarkeit des Einflusses • Legitimationsprobleme Ebenen • Gewaltenteilung: • Nationale Exekutive wird auf EU-Ebene zur Legislative (Ministerrat), • Kommission hat legislative, exekutive und judikative Kompetenzen • Kompetenzen des Bundesrates? Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik 2. Träger der Wirtschaftspolitik Verhalten: Übersicht Klassische Wohlfahtsökonomik: • Individuen verhalten sich rational; Versuch der Befriedigung ihrer Interessen • Träger der Wirtschaftspolitik handeln in dem Bestreben, die gesellschaftliche Wohlfahrt zu optimieren Ökonomische Theorie der Politik (Neue Politische Ökonomik): • Ausdehnung der Verhaltensannahme von Individuen auch auf Träger der Wirtschaftspolitik: Nutzenmaximierung unter Nebenbedingungen als Ziel • Argumente in der Nutzenfunktion von Trägern: Einkommen, Macht, Ansehen, Kompetenzen/Wissen ... aber auch: Gemeinwohl! Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik 2. Träger der Wirtschaftspolitik Verhalten: Politiker: Annahmen • Wesentliches Argument in der Nutzenfunktion des Politikers (bzw. Voraussetzung, um durch andere Argumente Nutzen zu generieren): Macht(erlangung, -erhalt) • Aber auch z.B.: Karriere außerhalb der Politik: Interessenverbände, Beratungen ... • Dieses Gut wird in Demokratien durch Wahlen – genauer: durch Mehrheitsentscheidungen – vergeben • Politiker bzw. Parteien stehen im Wettbewerb um Wählerstimmen Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik 2. Träger der Wirtschaftspolitik Verhalten: Politiker Medianwähler im 2-Parteien-System M S R Zahl der Wähler T QB QA Z Parteiprogramme, Budget • Programm QA mit größten Anzahl von Wählern wird von Partei A gewählt • Partei B unterbreitet das Programm mit einem geringeren Budget QB; alle Wähler links von QB wählen B; Fläche 0-QB-S < QB-S-Z • Partei A reagiert mit Programm links von QB usw. • In T gilt: o-T-M = T-M-Z; Medianwähler, der Budget von T fordert, bestimmt das Parteiprogramm! Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik 2. Träger der Wirtschaftspolitik Verhalten: Politiker Medianwähler im Mehr-Parteien-System Zahl der Wähler MA QA MAB QAB MB MBC T QB QAQBC Q B MC QZC Z Parteiprogramme, Budget • Drei Parteien A, B, C bieten Parteiprogramme an; wenn alle QB wählen, erhält jede Partei ein Drittel der Stimmen • Instabile Position, da Auswandern nach links für A bzw. nach rechts für C zu Stimmenzuwächsen führt; B erlangt in diesem Fall nur sehr geringe Stimmen • Reaktion B: weiter nach links oder rechts wie A bzw. C • Gleichgewicht: Angebot von QA, QB und QC; wiederum jede Partei mit 1/3 der Stimmen (0-QAB, MAB = QAB-MAB-MBC-QBC = MBC-QBC-Z) • In Mehrparteiensystemen bestimmt der Medianwähler der jeweiligen Parteien (MA, MB, MC) Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik 2. Träger der Wirtschaftspolitik Verhalten: Politiker: Probleme • Orientierung der Programme am Medianwähler • Bündelung von Abstimmungsgegenständen (u.U. sehr umfassend: Wahlprogramm) • Auch daraus: Rationale Ignoranz des Wählers (geringer Einfluss, hohe Informationskosten) • Warum wird überhaupt gewählt? (Verbindung mit anderen Gütern) • Wenn gewählt wird: Aufgrund welcher Informationen wird gewählt? (Bedeutung des moralischen Arguments) • Problemfeld Subventionsabbau vs. allgemeine Steuersenkung • Æ Daher: geringe Kontrolle des Agenten durch den Prinzipal; Verhaltensspielräume zur Maximierung seiner Nutzenfunktion, keine Übereinstimmung von politischer und ökonomischer Rationalität (‚Staatsversagen‘) Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik 2. Träger der Wirtschaftspolitik Verhalten: Bürokraten: Annahmen • Wesentliches Argument in der Nutzenfunktion des Bürokraten (bzw. Voraussetzung, um durch andere Argumente Nutzen zu generieren): Budgetmaximierung • Aber dies nur Proxi: Argumente in der Nutzenfunktion von Bürokraten, die unabhängig von der Budgetgröße sind (teilweise z.B. Macht/Einfluss) • Dieses Gut wird durch den Prinzipal des Bürokraten vergeben; seine Nutzung wird durch diesen kontrolliert • Aber: • 1. Probleme des politischen Prozesses (mangelnde Kontrolle des Agenten Politiker durch den Prinzipal Wähler) • 2. Kontrollprobleme zwischen Politiker und Bürokraten (starke asymmetrische Informationen) Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik 2. Träger der Wirtschaftspolitik Verhalten: Bürokraten: Folgen • Doppelte Abkopplung der Exekution vom Wählerwillen • Interventionalismus, mangelnde Attraktivität für Ordnungspolitik • Beispiel EU-Kommission: • zwischen Politik und Bürokratie • Intervenstionalismus: Agrarpolitik • Ordnungspolitik: Wettbewerb in Netzindustrien (Begründung u.a.: Budgetrestriktionen, andere Argumente in Nutzenfunktionen (z.B. Anerkennung)) Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik 2. Träger der Wirtschaftspolitik Verhalten: Verbandsvertreter: Annahmen • Wesentliches Argument in der Nutzenfunktion des Verbandsvertreters: Einflussmaximierung • Aber dies nur Proxi: Argumente in der Nutzenfunktion von Verbandsvertretern, die unabhängig vom Einfluss sind (intern: vgl. Bürokraten, extern gegenüber Verbandsmitgliedern: vgl. Politiker) • Verbandsmitglieder als Prinzipale können i.d.R. durch voice und teilweise durch exit die Verbandsarbeit bestimmen • Interessen sind unterschiedlich gut organisierbar (Größe der Gruppe, Existentialität von Chancen/Risiken, Chancen und Risiken (Risikoaversion)) • Nutzen von Verbänden • für Politiker: Informationsaggregation von Wählerstimmen, Beeinflussungskanal, Mittel zur Überwindung Rationaler Ignoranz, weitere Karriere ... • für Bürokraten: Erlangung von (Spezial-)Wissen (allerdings: u.U. systematische Informationsverzerrung), (Ausbau von) Wissensmonopolisierung ... Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik 2. Träger der Wirtschaftspolitik Verhalten: Verbandsvertreter: Rent seeking Defintion: • Generierung von Einkommen über das am Markt erzielbare hinaus (Profit Seeking) • (durch Beeinflussung des politischen Systems) Rent seeking Prozesse: • als Investition von Seiten der Nachfrager (z.B. Lobbying-Aktivitäten) und Anbieter (z.B. Subventionen) • diese stellen sunk costs dar • daher besonders in ‚reifen‘ Volkswirtschaften anzutreffen (Keynes- statt Schumpeter-Unternehmer) • als Tauschprozess: Renten für Personen/Organisationen gegen Wählerstimmen (Politiker) bzw. Budget (Bürokraten) • Als Vertrag zu Lasten Dritter Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik 2. Träger der Wirtschaftspolitik Verhalten: Verbandsvertreter: Rent seeking • Protektionsnutzenkurve 0-S für die Nachfrager (Grenze: prohibitiver Zollschutz) • Rent-Seeking-Kostenkurve 0-V; auch interpretierbar als ‚Wähler-Akzeptanz-Kurve‘: Aufwand, der zur Überzeugung von Wählern (bzw. Politikern/Bürokraten) geleistet werden muss (exponentielle Merklichkeit, Überwinden rationaler Ignoranz) • Gleichgewicht Z1: marginaler Ertrag = marginaler Aufwand • Kostenniveau vorstellar, dass immer über dem Protektionsgewinn liegt: V‘ Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik Übersicht 1. Wirtschaftspolitische Konzeptionen 2. Träger der Wirtschaftspolitik (Politiker, Bürokraten, Verbandsvertreter) 3. Ziele der Wirtschaftspolitik Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik 3. Ziele der Wirtschaftspolitik Ziele und Zielhierarchie •Herkunft von Zielen (positiv, normativ: Gerechtigkeitstheorien) •Gesellschaftliche Grundwerte? (Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit, Sicherheit, Fortschritt) •Jeweils: Norm und materieller Gehalt? •Deduzierbarkeit von abgeleiteten Zielen aus Oberzielen, Zielhierarchie? •Ökonomische Ziele: Wohlstand als ökonomisches Oberziel; Ableitungen: •Allokation, Distribution, Stabilität (Musgrave) •Stabilität, Wachstum, Struktur, Verteilung (Cassel) •Neutralität von Mitteln? Ziel-Mittel-Beziehung Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik 3. Ziele der Wirtschaftspolitik Beispiel einer Zielhierarchie Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik 3. Ziele der Wirtschaftspolitik Zielbeziehungen •Zielneutralität (Grenzfall) •Zielkomplementarität •EWWU und europäische Integration?, Preisniveau und Wirtschaftswachstum? (Zielhierarchie) •Vollbeschäftigung und Wirtschaftswachstum? (Mittel) •Zielkonflikt/Zielantinomie/Ziel-Trade-off •Phillips-Kurve? (kurz- oder langfristig) •Æ Notwendigkeit, Ziele abzuwägen Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik 3. Ziele der Wirtschaftspolitik Zieloperationalisierungen •Wiederum: Deduktionsproblem (Beispiel Vollbeschäftigung): Welcher Indikator? •Ausgestaltung des Indikators •qualitativ/quantitativ •Punktziel/Bandbreitenziel/Verlaufsziel (Durchschnitte) •Statistische Daten für Indikatoren? •Erreichbarkeit/Verfügbarkeit •Qualität •Time lags Universität Duisburg - Essen Standort Duisburg Fachgebiet Allgemeine Wirtschaftspolitik