Neuroblastom für Eltern, die mehr wissen wollen Inhalt Ursachen 2 Chancen 4 Beschwerden 5 Untersuchung 5 Behandlung 9 Nach der Behandlung 18 Hallo du! 20 Einleitung Bei Ihrem Kind wurde ein Neuroblastom festgestellt, ein bösartiger Tumor, der im Sympathikus (einem Teil des vegetativen Nervensystems) gebildet wird und nur bei Kindern vorkommt. Für Sie bricht jetzt wahrscheinlich eine Welt zusammen, und viele Fragen tauchen auf. Diese Broschüre möchte Sie über Grundlegendes bei der Behandlung von Kindern mit einem Neuroblastom informieren. Machen Sie sich in aller Ruhe mit den Informationen vertraut und besprechen Sie diese mit Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin oder dem Pflegepersonal. „Neuron“ bedeutet Nerv, ein „Blastom“ ist eine Neubildung unreifer Zellen. 1 Ursachen Neuroblastome entstehen wahrscheinlich durch einen Fehler in der Entwicklung in einer der Vorläuferzellen des Sympathikus. Vermutlich fand im Zellkern schon vor der Geburt eine Änderung der Informationsweitergabe statt. Diese Informationsänderungen sind möglich im Rahmen von natürlichen Steuerungsmechanismen. Wahrscheinlich spielen mehrere Faktoren zusammen, damit sich ein echtes Tumorwachstum entwickelt. Eine Reihe dieser „Fehler“ im Erbmaterial sind bekannt, aber es ist noch immer nicht genau entschlüsselt, wie ein Neuroblastom entsteht. Jedenfalls scheint es, dass Rauchen während der Schwangerschaft oder der Gebrauch von Alkohol und Medikamenten keinen Einfluss auf die Entstehung eines Neuroblastoms hat. Dennoch fühlen Sie sich vielleicht schuldig. Es ist sinnvoll, Ihre Ängste und Gedanken mit den behandelnden ÄrztInnen Ihres Kindes zu besprechen. Unreife Zellen Der menschliche Körper besteht aus vielen Milliarden Zellen, die sich immer wieder teilen. Diese neuen Zellen sorgen für Wachstum und Entwicklung. In einem gesunden Körper befindet sich die Zellteilung im Gleichgewicht. Alte Zellen werden ersetzt und es werden nur so viele neue Zellen wie nötig gebildet. Bei Krebs hingegen ist dieses Gleichgewicht gestört. Es findet hier eine ungehemmte Teilung statt, wodurch die Zellen nicht aufhören, sich zu vermehren. Bei einem Neuroblastom handelt es sich um unreife Zellen des Sympathikus. Eine dieser Zellen beginnt ein Eigenleben zu führen, teilt sich in einem hohen Tempo und bildet einen Tumor, der manchmal auch Metastasen bildet. Wie oft, bei wem und wo? Jedes Jahr erkranken in Österreich ungefähr 25 Kinder an einem Neuroblastom. Fast alle Kinder sind jünger als sechs Jahre und bei den meisten sitzt der Tumor im Bauch, bei manchen im Brustkorb, im Hals oder im Becken. Was macht der Sympathikus eigentlich? Der Sympathikus ist jener Teil des unbewussten (auch vegetativen oder autonomen) Nervensystems, der für die Kontrolle von Organen oder Organsystemen wie dem Darm, den Blutgefäßen, der Haut und der Pupillen zuständig ist. Wenn wir erschrecken oder nervös sind, beschleunigt er den Herzschlag und die Atmung und sorgt dafür, dass wir schwitzen, zittern, bleich werden, große Augen machen und auf die Toilette müssen. Der Sympathikus besteht aus einem Netzwerk von Zellen, Strängen und Knoten und verläuft vom Hals bis zum Steißbein. Die wichtigsten Abschnitte sind der Strang, der entlang der Wirbelsäule liegt (Grenzstrang), das Mark(innere) der Nebennieren und die Nerven(knoten) rund um die Nieren, den Samenstrang und die großen Blutgefäße im Bauch. Neuroblastome können innerhalb dieses Systems überall entstehen, hauptsächlich (in 60 Prozent der Fälle) im Mark der Nebenniere. Metastasen Manchmal befindet sich das Neuroblastom nicht an einem einzigen Ort, sondern hat bereits Metastasen in anderen Teilen des Körpers gebildet. Metastasen können sich in den Lymphdrüsen, den Knochen, dem Knochenmark, der Leber oder der Haut befinden. Manchmal sind die Metastasen so klein, dass sie nicht so einfach wahrnehmbar sind (Mikrometastasen). Chancen Die Heilungschance eines Kindes mit einem Neuroblastom hängt sehr von der Ausbreitung des Tumors (d. h. von seiner Größe und eventuellen Metastasenbildungen), dem Alter des Kindes und den genetischen Veränderungen in den Tumorzellen ab. Neuroblastome können oft ein sehr eigenartiges Verhalten an den Tag legen. So ist die Behandlung eines Neuroblastoms bei Babys oft einfacher als bei größeren Kindern und die Prognose bezüglich des Langzeitüberlebens sehr gut. Manchmal kann der Tumor auch spontan wieder verschwinden. An Neuroblastomen erkrankte Kinder ohne Metastasen haben im Allgemeinen gute Heilungschancen (70 – 90 Prozent). Sind Metastasen vorhanden und tritt der Tumor sehr aggressiv auf, dann ist er wesentlich schwieriger zu behandeln und die langfristige Überlebenschance ist deutlich geringer (30 – 50 Prozent). Da jede Situation und jedes Kind jedoch einzigartig sind, lassen sich nur schwer Vorhersagen treffen. Beschwerden Ein Neuroblastom im Bauch kann diesen anschwellen lassen und ist manchmal mit Bauchschmerzen und Übelkeit verbunden. Ein Tumor im Brustkorb kann Atemprobleme, ein Tumor im Becken Schwierigkeiten beim Harnlassen und beim Stuhlgang verursachen. Befindet sich das Neuroblastom im Nervenkanal der Wirbelsäule (Sanduhrtumor), können Lähmungserscheinungen wie bei einer Querschnittslähmung auftreten. Ein Neuroblastom im Hals verursacht neben einer Schwellung manchmal auch ein hängendes Augenlid. Da der Tumor Stoffe bildet, welche die Nerven rund um die Organe stimulieren, leiden manche Kinder an Bluthochdruck, übermäßigem Schwitzen und Durchfall. Auch die Metastasen können Beschwerden verursachen. Diese sind eher allgemeiner Natur wie Gewichtsverlust, Anämie (Blutarmut), verminderter Appetit und Lustlosigkeit, aber auch spezifisch wie Schmerzen in Knochen und Gelenken, Schwellungen in und rund um die Augenhöhlen sowie Blutergüsse rund um die Augen. Bei Babys können Schwellungen der Leber und Knötchen auf der Haut auftreten. Untersuchung Um eine genaue Diagnose zu stellen, muss sich Ihr Kind einer Reihe von Untersuchungen unterziehen. Diese finden auch während und nach der Behandlung regelmäßig statt. π Anamnese: Mittels Fragen versuchen die ÄrztInnen, einen Eindruck vom Verlauf der Krankheit zu bekommen. π Allgemeine Untersuchung des Körpers: Die ÄrztInnen bestimmen Größe, Gewicht, Temperatur und Blutdruck und untersuchen die Lungen, den Bauch und andere Körperteile Ihres Kindes. Dem Gebiet, in dem sich der Tumor befindet, wird zusätzliche Aufmerksamkeit gewidmet. π Urinuntersuchung: Fast alle Neuroblastome scheiden Stoffe aus, die im Urin vorkommen. Zur Untersuchung genügt meist eine Harneinzelportion oder es wird der Urin von 24 Stunden gesammelt. Sehr junge Kinder bekommen einen Katheter oder ein Harnsackerl. π Blutuntersuchung: Um den Zustand von Blut, Leber und anderen Organen zu beurteilen, wird dem Kind Blut aus einer Vene entnommen. Eine betäubende Creme kann den Schmerz des Einstichs lindern. Mit Hilfe von bildgebenden Verfahren wird die Größe des Tumors untersucht, es wird festgestellt, wo er sich befindet und ob es Metastasen gibt. Bildgebende Verfahren: Um die Lage des Tumors zu bestimmen, wird ein Ultraschall (Sonographie) – eine Untersuchung mittels Schallwellen – gemacht. Die Ärzt­Innen geben ein Gel auf den Bauch Ihres Kindes und tasten mit einer kleinen Sonde darüber. Durch den Widerhall der Schallwellen wird der Tumor auf einem Bildschirm sichtbar und auf Bildern festgehalten. Vor einem Ultraschall des Bauches darf Ihr Kind nicht urinieren. Wahrscheinlich wurden bereits Röntgenaufnahmen von Ihrem Kind gemacht. Um zu kontrollieren, ob es Metastasen gibt, sind zusätzliche Aufnahmen des Brustkorbs und der Wirbelsäule nötig. Um sowohl den Tumor als auch die Metastasen sichtbar zu machen, kann eine MIBG-Szintigraphie durchgeführt werden. MIBG (Metajodbenzylguanidin) ist ein Stoff, den viele Neuroblastome leicht aufnehmen. Durch das Koppeln dieses Stoffes an radioaktives Jod können Neuroblastomzellen sichtbar gemacht werden. Diese Untersuchung findet in der Abteilung für Nuklearmedizin statt. Ihr Kind erhält Medikamente in Form von Kapseln oder Tropfen, um die Schilddrüse zu schützen, und mittels einer Injektion in den Arm wird radioaktives Jod verabreicht. Nach 24 und eventuell auch nach 48 Stunden wird der ganze Körper mit einer Spezialkamera fotografiert. Ihr Kind muss ungefähr eine Stunde lang still liegen bleiben. Bei sehr jungen Kindern wird diese Ablesung gegebenenfalls unter Narkose (Allgemeinanästhesie) durchgeführt. Hinsichtlich der Radioaktivität brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Sie können Ihr Kind ganz normal berühren und festhalten. Der radioaktive Stoff wird im Urin und im Stuhl wieder ausgeschieden. Man kann Metastasen auch mittels eines Knochenscans sichtbar machen, wobei radioaktives Technetium injiziert wird. Dieses Verfahren kann mit einer MIBG-Untersuchung verglichen werden. Es werden hier die Fotos lediglich bereits einige Stunden nach der Injektion gemacht und die Schilddrüse bedarf keines besonderen Schutzes. Allerdings sollte Ihr Kind viel trinken. Der radioaktive Stoff wird im Urin und im Stuhl wieder ausgeschieden. Oft wird auch eine CT (Computertomographie) oder eine MRT (Magnetresonanztomographie) durchgeführt. Beide Techniken sind geeignet, sich ein Bild vom Tumor und des ihn umgebenden Gewebes und der Organe zu machen 4POPHSBQIJF 3HPN=O?D=HH3JPANOQ?DQJC %JF6MUSBTDIBMM6OUFSTVDIVOHOFOOUNBOBVDI4POPHSBQIJF BMTP[FJDIOFOPEFSTDISFJCFONJU4DIBMM4JFJTUEBTBN IjV¹HTUFOBOHFXFOEFUFCJMEHFCFOEF7FSGBISFOJOEFS .FEJ[JOVOEFJHOFUTJDICFTPOEFSTHVU[VS%BSTUFMMVOHWPO ,zSQFSSFHJPOFOEJFBVT8FJDIUFJMFOPIOF,OPDIFOCFTUFIFO Die Österreichische KinderKrebs-Hilfe hat zu den bildgebenden Verfahren MRT, CT, Sonographie, Szinti­ graphie und zu den Untersuchungsmethoden EKG und EEG Informations­bro­ schüren herausgegeben. Bestellmöglichkeiten: oesterreichische@kinder­ krebshilfe.at oder Tel.: 0043/1/402 88 99 sowie um eine Metastasenbildung in der Lunge auszuschließen. Bei einer MRT werden Magnetfelder verwendet. Erst wird eine Aufnahmenserie vom Gehirn gemacht, dann bekommt Ihr Kind ein Kontrastmittel injiziert und es werden wiederum Aufnahmen gemacht. Ihr Kind muss lange still liegen bleiben. Bei Bedarf ist diese Untersuchung auch unter Narkose möglich. Bei einer CT werden Röntgenstrahlen eingesetzt. Ihr Kind liegt auf einem beweglichen Tisch und wird langsam durch einen großen Apparat geschoben. Immer wenn sich der Tisch ein Stückchen weiter bewegt, werden Aufnahmen gemacht. Ihr Kind muss eine Weile still liegen bleiben, allerdings nicht so lange wie bei einer MRT. Da manche Kinder nicht so lange still liegen können, wird ihnen eine Narkose verabreicht. Eine gute Vorbereitung ist äußerst wichtig. Informieren Sie sich, wie Sie dabei helfen können. Der Arzt/die Ärztin wird Ihnen alles genau erklären. Scheuen Sie sich nicht, Fragen zu stellen. Schreiben Sie Ihre Fragen auf, nehmen Sie jemanden zur Unterstützung mit und machen Sie sich Notizen. Biopsie, Knochenmarkpunktion und Knochenbiopsie Um den Typ und die Aggressivität des Tumors zu bestimmen, wird unter Narkose ein kleines Stückchen Tumorgewebe entnommen. Dies nennt man Biopsie. Das Gewebe wird bearbeitet, unter ein Mikroskop gelegt und von PathologInnen untersucht. Gleichzeitig mit der Biopsie werden ebenfalls unter Narkose eine Knochenmarkpunktion und eine Knochenmarkbiopsie durchgeführt. Mit einer langen Hohlnadel wird aus dem Becken ein Stück Knochenmark entnommen. Mittels einer zweiten Hohlnadel wird dann ein Stück Knochengewebe entnommen. Das erhaltene Material wird anschließend auf Metastasen untersucht. Vielleicht haben Sie etwas vom MycN-Gen gehört. Das erhöhte Vorkommen dieses Gens in den Tumorzellen deutet auf eine aggressive Form des Neuroblastoms mit einer ungünstigen Prognose hin. Nach aktuellen Erkenntnissen gibt es weitere strukturelle Abnormitäten am Chromosom, die ebenfalls mit einem ungünstigeren Verlauf verbunden sind. Behandlung Die Behandlung beginnt, sobald der Tumor genau lokalisiert wurde. Für viele Kinder bedeutet dies eine einschneidende Veränderung. Das Vorgehen ist abhängig vom Alter des Kindes, der Art des Tumors, der Stelle, wo sich der Tumor befindet sowie der Anwesenheit von Metastasen und eventuellen Veränderungen im MycN-Gen. Sollte es keine Metastasen geben und sind die Krebsgene im Neuroblastom nicht überaktiv, wird eine Operation wahrscheinlich ausreichen, falls der Tumor operabel ist (Stadium 1 und manchmal Stadium 2). Ist der Tumor nicht operabel (Stadium 2 und 3), wird dieser erst einer anderen Behandlung unterzogen und dann chirurgisch entfernt. Diese andere Behandlung kann aus einer Chemotherapie oder einer MIBG-Therapie bestehen. Bei metastasierenden Tumoren (Stadium 4) und bei Abweichungen am MycN-Gen ist eine intensive Behandlung notwendig. Diese besteht aus einer Chemotherapie, die mit einer Operation, einer Bestrahlung und einer höheren Dosis Chemotherapie mit Stammzellrückgabe kombiniert wird. Nach der Beendigung der kompletten Behandlung bekommen die Kinder sechs Monate lang Vitamin A verabreicht. Manchmal ist eine MIBG-Therapie notwendig. Operation Vor der Operation werden die KinderchirurgInnen Ihnen und Ihrem Kind in einem Gespräch erläutern, was geschehen wird. Das wichtigste Ziel ist die vollständige Entfernung des Tumors. Während der Operation wird das gesamte Gebiet gründlich untersucht und es werden so viele verdächtige Stellen wie möglich entfernt. Oft muss wegen des Wachstums des Tumors auch eine Nebenniere oder ein Teil des Grenzstrangs entfernt werden. Die Niere kann fast immer behalten werden. Nach der Operation untersuchen die PathologInnen das Gewebe, um Klarheit über die Art des Tumors zu erhalten. Basierend auf dem Befund und den Daten der anderen Untersuchungen wird die weitere Behandlung festgelegt. Die Erstellung des Befunds der pathologischen Untersuchung kann ein bis zwei Wochen dauern. 10 Was merkt mein Kind von der Operation? Ihr Kind wird von pädagogisch geschulten MitarbeiterInnen oder vom Pflegepersonal mittels Fotos und Gesprächen auf die Operation vorbereitet. Am Tag der Operation bekommt Ihr Kind ein Beruhigungsmittel und ein Operationshemd und Sie dürfen Ihr Kind zum Operationssaal begleiten. Das Entfernen eines Tumors ist ein sehr großer Eingriff und es kann einige Stunden dauern, bis Sie Ihr Kind wieder in die Arme schließen können. Nach der Operation hängt Ihr Kind an Schläuchen und Apparaten. Es ist noch benommen von der Narkose und es bekommt ein Schmerzmittel. Kleine Kinder können bereits nach einigen Tagen wieder aufrecht im Bett sitzen. Eine Bauchoperation kann dazu führen, dass der Darm nur sehr träge arbeitet (Verstopfung). Nach einer Brustkorboperation kann sich die Hand oder der Arm Ihres Kindes ungeachtet der Umgebungstemperatur kalt anfühlen. Chemotherapie Die Chemotherapie ist eine Behandlung mit Medikamenten (Zytostatika), welche die Zellteilung hemmen. Diese Medikamente töten die Tumorzellen, wodurch der Tumor kleiner wird und eventuelle Metastasen angegriffen werden. Die Tumorkapsel wird fester, dadurch können die ChirurgInnen besser operieren und die Chancen auf Komplikationen sinken. Um den Krebs so effizient wie möglich zu bekämpfen, bekommt Ihr Kind mehrere Arten von Zytostatika. Bei einem Neuroblastom sind folgende Medikamente am effektivsten: Carboplatin, Cisplatin, Cyclophosphamid, Doxorubicin, Etoposid, Topotecan, Vincristin. Im Behandlungsprotokoll steht genau verzeichnet, was Ihr Kind wann bekommt. Manchmal entscheiden sich die ÄrztInnen für eine andere Kombination oder ein anderes Verabreichungsschema von Medikamenten. Erkundigen Sie sich nach den Gründen dafür. Manche Therapien werden in der Tagesklinik verabreicht, Ihr Kind darf dann im Laufe des Tages wieder nach Hause. Fast immer wird Ihr Kind ein paar Tage stationär aufgenommen. Meistens wird zu Beginn der Behandlung ein Port-a-Cath (PAC oder VAP) implantiert, ein kleines Reservoir unter der Haut, an dem ein kleiner Schlauch sitzt, der in ein großes Blutgefäß mündet. Mittels dieses Port-a-Cath können die ÄrztInnen Zytostatika verabreichen und Blut entnehmen, ohne jedes Mal wieder ein Blutgefäß suchen zu müssen. Das Reservoir 11 muss allerdings jedes Mal wieder angestochen werden. Eine betäubende Salbe kann den Schmerz lindern. Um einer Verstopfung des Schlauches des Port-a-Cath vorzubeugen, muss dieser regelmäßig durchgespült werden. Oder Ihr Kind bekommt einen Broviac- oder Hickman-Katheter. Dies ist ein Plastikschlauch, der unter Narkose in eines der großen Blutgefäße eingeführt wird, in einem Hauttunnel einwächst und dessen Ende an der Haut festgeklebt wird. Ein Anstechen ist nicht notwendig, aber der Schlauch muss regelmäßig durchgespült werden. 12 Was merkt mein Kind von der Chemotherapie? Machen Sie sich Sorgen darüber, was Sie sehen oder bemerken? Scheuen Sie sich nicht, nach dem Arzt/der Ärztin zu rufen. Sie kennen Ihr Kind am besten. Neben dem erwünschten Effekt auf die Tumorzellen haben Zytostatika Auswirkungen auf die Blutzellen, die Schleimhäute, die Haut und das Haar Ihres Kindes. Als Folge davon kann es zu Übelkeit, Müdigkeit, Mundschmerzen, Appetitmangel und Haarausfall kommen. Überdies ist Ihr Kind durch eine verringerte Abwehr besonders anfällig für Infektionen. Obwohl diese Nebenwirkungen nach der Behandlung verschwinden, sind sie sehr unangenehm und können einen großen Einfluss auf das Leben Ihres Kindes ausüben. Oft ist eine unterstützende Behandlung in Form von Medikamenten, Bluttransfusionen und einer Sondenernährung notwendig. Jedes Zytostatikum hat seine spezifischen Nebenwirkungen, die temporär, aber auch bleibend auftreten können. Vincristin kann die Enden der Nervenbahnen schädigen, was zu einem kribbelnden Gefühl in Fingern und Zehen und einer verringerten Muskelkraft in Händen und Unterschenkeln führt und wodurch Ihr Kind Schwierigkeiten beim Gehen und Schreiben haben kann. Auch Verstopfung kommt oft vor, Ihr Kind erhält dann Abführmittel oder eine spezielle Diät verschrieben. Carboplatin und Cisplatin können neben den Nieren auch das Gehör angreifen, daher muss sich Ihr Kind regelmäßig einem Gehör- und einem Bluttest unterziehen. Da Cyclophosphamid Nieren- und Blasenschäden verursachen kann, werden Blut und Urin regelmäßig kontrolliert. Bei Etoposid besteht langfristig die leicht erhöhte Möglichkeit, dass ein neuer Krebs entstehen könnte, und Doxorubicin kann auf Dauer den Herzmuskel schädigen. Mit einem Ultraschall wird das Herz beobachtet. Schließlich können sich manche Zytostatika auch nachteilig auf die Fruchtbarkeit auswirken. Bedenken Sie bitte, dass nicht jedes Kind mit den gleichen Nebenwirkungen konfrontiert wird. MIBG-Therapie Vielleicht bekommt Ihr Kind neben der Chemotherapie auch eine MIBG-Therapie, eine zielgerichtete Form der Bestrahlung, die nur bei Neuroblastomen angewendet wird. MIBG ist ein Stoff, der selektiv von den Tumorzellen aufgenommen wird. An radioaktives Jod gekoppelt, bestrahlt er den Tumor 13 von innen, ohne die umliegenden Organe zu schädigen. Die Menge an Radioaktivität ist größer als bei einem Scan, und daher wird Ihr Kind isoliert versorgt. Dies geschieht auf der Abteilung für Nuklearmedizin, wo Ihr Kind ein eigenes Zimmer bekommt und wo ganz besondere Regeln gelten. Die Behandlung beginnt mit Medikamenten, welche die Schilddrüse abschirmen. Da Sie in den kommenden Tagen selber für Ihr Kind sorgen, bekommen Sie ebenfalls Medikamente verabreicht. Dann wird das mit radioaktivem Jod vermischte MIBG mittels einer Infusion zugeführt. Diese Behandlung dauert ca. zwei Stunden. Ab diesem Zeitpunkt ist das Kind radioaktiv, merkt aber selber nichts davon. Seine Versorgung ist schwierig. Um das Risiko einer Verstrahlung so gering wie möglich zu halten, sollten Sie sich wenig im Zimmer aufhalten. Es empfiehlt sich, mehrere Betreuungspersonen, die Ihr Kind gut kennt und die nicht schwanger sein dürfen, für eine solche Therapiewoche mit einzuplanen. Um einer radioaktiven Übertragung vorzubeugen, dürfen Sie Ihr Kind nur mit Handschuhen waschen, ihm etwas zu essen geben und es sauber machen. Sie sollen es aber wenig auf den Schoß nehmen und liebkosen. Manche Kinder sind sehr traurig darüber und bekommen daher beruhigende Medikamente. Nach ein paar Tagen wird ein Scan durchgeführt, um zu kontrollieren, wieviel Jod sich im Tumor befindet. Danach wird täglich die Strahlung gemessen, um zu bestimmen, wann Ihr Kind aus der Isolation und wieder nach Hause darf. Dies ist meistens nach vier bis sechs Tagen der Fall. Eine MIBG-Behandlung kann in eine Behandlung mit Chemotherapie und Bestrahlung integriert und auch mehrere Male durchgeführt werden. Allerdings ist dies noch nicht in allen Kliniken möglich. Die verringerte Bildung von Blutzellen, insbesondere von Blutplättchen, ist eine direkte Nebenwirkung. Nach einer gewissen Zeit pendelt sich das wieder ein. Langzeiteffekte sind nicht bekannt. Wird MIBG als Therapieform in einer höheren Dosierung angewendet, werden zusätzlich auch eigene periphere Blutstammzellen verabreicht, um eine bessere Regeneration der Blutbildwerte zu ermöglichen. 14 Strahlentherapie Eine Strahlentherapie tötet die Tumorzellen und ihrem Wachstum wird entgegen gewirkt. Hat Ihr Kind einen ausgebreiteten Tumor mit Metastasen oder Abweichungen des MycN-Gens, wird an jener Stelle bestrahlt, wo operiert wurde. Um den größtmöglichen Effekt zu erzielen, wird die Bestrahlung über eine Reihe von Wochen verteilt, in denen Ihr Kind täglich eine Reihe von Bestrahlungen bekommt, die einige Minuten dauern. Es wird vorab festgelegt, wie viel Strahlung Ihr Kind erhält und das zu bestrahlende Gebiet wird genau angezeichnet. Gesunde Körperteile werden so gut es geht verschont und mit Bleischürzen abgedeckt. 15 Was merkt mein Kind von der Strahlentherapie? Eine Strahlentherapie ist unsichtbar und unhörbar, Ihr Kind wird nichts davon merken. Gleichwohl kann es eine unangenehme Erfahrung sein, denn es muss allein in einem großen Raum und unter einem großen Apparat liegen. Glücklicherweise dauert die Bestrahlung nicht so lange. Sie stehen hinter einer dicken Wand und haben über einen Monitor und/oder eine Gegensprechanlage Kontakt zu ihm. Die medizinischtechnischen AssistentInnen werden Ihnen sagen, was Sie tun können, um Ihr Kind zu unterstützen. Auch die Bestrahlung zeigt ihre Nebenwirkungen. Die bestrahlte Haut kann jucken, rot werden und sich brennend anfühlen. Da die verabreichte Dosis beim Neuroblastom relativ gering ist, sind die genannten Nebenwirkungen selten und wenig ausgeprägt. Bei einer Bestrahlung auf dem Bauch kann Ihrem Kind schlecht werden, möglicherweise bekommt es Durchfall und der Appetit wird geringer. Die Nebenwirkungen sind lästig, verschwinden aber meistens nach einer gewissen Zeit wieder. 16 Apherese und Re-Infusion der Stammzellen Um auch mögliche nicht sichtbare Tumorzellen zu zerstören, kann eine Hochdosis-Chemotherapie erforderlich sein. Diese schädigt das Knochenmark, das seine Funktion nicht mehr zur Gänze erfüllen kann. Deshalb werden dem Blut vorher Stammzellen des Knochenmarks entnommen (Apherese). Nach einer Chemotherapie bekommt Ihr Kind täglich eine subkutane Injektion mit dem Wachstumsfaktor (G-CSF), der bei Ihrem Kind ein grippeähnliches Gefühl und Knochenschmerzen auslösen kann. Meistens hilft dagegen Paracetamol. Nach ein bis zwei Wochen kommt es zur Ausschwemmung von Stammzellen und mit der Entnahme (Apherese) kann begonnen werden. Ihr Kind bekommt in beide Arme einen Katheter, und das Blut fließt durch einen Apparat, mit welchem die Stammzellen gewonnen werden. Diese Stammzellen werden später eingefroren. Während der Entnahme kann Ihr Kind prickelnde Lippen oder Fingerspitzen bekommen sowie etwas schwindlig werden. Diese Symptome sind einem Kalkmangel zuzuschreiben, der ausgeglichen werden kann (Milch, Medikamente). Die Entnahme dauert ungefähr vier Stunden und wird, wenn nötig, am nächsten Tag (an den folgenden Tagen) wiederholt. Nach der Hochdosis Chemotherapie werden die Stammzellen mittels einer Infusion an Ihr Kind zurückgegeben (Re-Infusion). Sie wachsen in den Knochenhöhlen wieder an und sorgen für ein gut funktionierendes Knochenmark. Vitamin A Roaccutan ist eine Form des Vitamins A, welche das Wachstum von Neuroblastomzellen, effektiv allerdings nur bei minimalen Resten an Tumorzellen, hemmt. Bei Hochrisikotumoren wird Vitamin A am Ende der Behandlung verwendet, um eine Ausreifung etwaiger Tumorzellen herbeizuführen und damit die Möglichkeit einer Rückkehr der Krankheit zu verringern. Ihr Kind bekommt sechs Monate lang zwei Mal täglich Kapseln mit diesem Medikament. Für eine gute Wirkung ist eine hohe Dosierung erforderlich, die aber leider unangenehme Nebenwirkungen wie rote, trockene und juckende Haut, geplatzte Lippen, Magen-Darm-Beschwerden und Hirndrucksymptome mit sich bringen kann. Fragen Sie Ihre ÄrztInnen, was man dagegen tun kann. 17 Nach der Behandlung Es beginnt ein neuer Zeitabschnitt. Keine Tumorbehandlungen mehr, aber regelmäßige Krankenhausbesuche, um festzustellen, ob alles in Ordnung ist. So eine Kontrolle ist belastend, kann aber auch beruhigend sein. Ihr Kind wird körperlich untersucht, und sein Blut und der Urin werden kontrolliert. Manchmal sind auch noch andere Untersuchungen wie ein Ultraschall, Lungenröntgen oder eine MRT notwendig. Der Kontrollzeitraum dauert einige Jahre, vielleicht sogar, bis Ihr Kind erwachsen ist. Dies hängt von der Krankengeschichte und den Befunden ab. Anfangs finden die Kontrollen alle ein bis zwei Monate statt, später werden die Intervalle größer. Wollen Sie mehr wissen und/oder mit Eltern in Kontakt treten, die das Gleiche durchgemacht haben: [email protected] Den Alltag wieder meistern Den Alltag wieder aufzunehmen ist manchmal leichter gesagt als getan. Vielleicht hat Ihr Kind noch Schwierigkeiten beim Gehen, oder sein Appetit oder sein Wachstum geben Anlass zur Sorge. Vielleicht hat es noch Beschwerden aufgrund der Chemotherapie, ist es das Pillenschlucken leid oder kann nicht einschlafen. Und wie sieht es mit Ihren anderen Kindern aus? Brauchen diese zusätzliche Aufmerksamkeit, da sie das Gefühl haben, zu kurz gekommen zu sein? Dann gibt es natürlich auch noch Ihre eigenen Gefühle. Es scheint, als ob Ihnen erst jetzt bewusst wird, was alles geschehen ist. Dies ist völlig normal, denn Sie haben eine schwere Zeit hinter sich. Wie gehen Sie damit um? Bei wem finden Sie Unterstützung? An wen können sich Ihre Kinder wenden? Vielleicht kommen Sie damit alleine oder zusammen mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin, Ihrer Familie oder Ihren FreundInnen zurecht. Vielleicht haben Sie auch das Bedürfnis, Erfahrungen mit Eltern, die das Gleiche durchgemacht haben, auszutauschen? Sie können immer mit den KinderKrebs-Hilfe-Organisationen Kontakt aufnehmen. Wenn es nicht (so) gut läuft Sollte Ihnen leider mitgeteilt werden, dass es Ihrem Kind nicht mehr besser gehen wird, kommt eine schwere Zeit auf Sie zu. Für Sie beginnt ein Abschnitt, der durch Trauer und Abschiednehmen gekennzeichnet ist. Behalten Sie Ihren Mut und denken Sie daran, dass die meisten Kinder sehr stark sind und weitermachen, solange es geht. Vielleicht hat 18 Ihr Kind noch einige besondere Wünsche. Versuchen Sie die Momente, die Ihnen noch gemeinsam mit Ihrem Kind gegeben sind, zu genießen. Denken Sie daran, dass die KinderKrebs-Hilfe gerade auch jetzt für Sie da ist. Langfristig Kinder, die ein Neuroblastom überstanden haben, werden die Folgen möglicherweise immer mit sich tragen. Manche Kinder leiden an den Folgen der Chemotherapie, haben eine große Narbe oder die Strahlentherapie hat ihre Spuren hinterlassen. Unfruchtbarkeit, Müdigkeit und Nierenprobleme sind Dinge, die Ihr Kind auch noch langfristig belasten können. – Dies kann, muss aber nicht sein. Wie auch immer, schließlich finden die Kinder ihren Weg, manchmal mit externer Hilfe und Begleitung. Geben Sie diese Broschüre auch an Ihre Familie, FreundInnen, Bekannte oder an die LehrerInnen Ihres Kindes weiter. 19 Hallo du! Hast du selber ein Neuroblastom (gehabt)? Hat dein Bruder oder deine Schwester so einen Tumor (gehabt) und willst du wissen, was das alles bedeutet? In dieser Broschüre geht es um Krebs, Neuroblastome, Chemotherapie, Untersuchungen, Nebenwirkungen, Operationen und Bestrahlungen. Sie wurde für deine Eltern geschrieben, aber du kannst sie natürlich auch lesen. Vielleicht steht hier etwas, was du noch nicht weißt! Vielleicht warst du noch jung, als du Krebs hattest und jetzt hast du viele Fragen. Was NICHT in der Broschüre steht, ist, wie du dich damals fühltest, wie du aussahst, in welchem Krankenhaus du warst, wie du reagiertest, welcher Herr oder welche Frau Doktor an deinem Bett stand, wie oft dein Opa und deine Oma dich besuchten, was im Sportverein oder in der Klasse passierte und was auch sonst noch los war. Diese Fragen kannst du am besten deinen Eltern stellen, denn 20 sie waren ja schließlich dabei. Es gibt sicher noch Fotos aus dieser Zeit und, wer weiß, vielleicht haben deine Eltern etwas aufgeschrieben. Oder, oder, oder … du willst wissen, wie es jetzt um dich steht. Ob du schon ganz gesund bist und wie das genau mit der Narbe weitergeht. Ist es normal, wenn du manchmal daran zurückdenkst? Sind alle Eltern von Kindern, die Krebs haben, so überbesorgt? Wer weiß, vielleicht bist du ja „nur“ ein Bruder oder eine Schwester eines/r Betroffenen, und du fühlst dich alleine und unverstanden. Dies sind alles ganz normale Gefühle und Fragen, die sich immer wieder aufdrängen. Probier doch selbst, hier etwas zu tun. Geh zu deinem/r Hausarzt/Hausärztin, zu den ÄrztInnen ins Krankenhaus oder liege deinen Eltern in den Ohren. Suche jemanden, der so alt ist wie du und das Gleiche erlebt hat. Lies Bücher, geh ins Internet, denk dir eine Geschichte aus, schreib einen Brief oder eine E-Mail, oder sprich mit jemandem, der viel über Krebs bei Kindern weiß. In den Nachsorge-Camps der Österreichischen Kinder-KrebsHilfe gibt es u.a. auch die Möglichkeit zum Erfahrungsaustausch unter Gleichbetroffenen. Gemäß dem Leitsatz „Kraft und Hoffnung geben – Überleben!“ lernen von Krebs betroffene Kinder und Jugendliche sowie deren Geschwister, ihr Leben wieder selber in die Hand zu nehmen, mit ihren Ängsten umzugehen und Selbstvertrauen aufzubauen. Nähere Informationen zu den psychotherapeutisch begleiteten Nachsorge-Projekten der Österreichischen Kinder-Krebs-Hilfe gibt es per Telefon: +43/1/402 88 99 oder auf der Website: www.kinderkrebshilfe.at 21 I mpressum Herausgeberin: Österreichische Kinder-Krebs-Hilfe, Anita Kienesberger Borschkegasse 1/7, 1090 Wien Tel.++43/1/402 88 99, e-mail: [email protected], www.kinderkrebshilfe.at Idee + Konzept: Vereniging „Ouders, Kinderen en Kanker“ (VOKK), Niederlande Originaltext: Nel Kleverlaan Mitarbeit: Univ.Prof. Dr. Christian Urban, Univ. Doz. Dr. Ruth Ladenstein Redaktion: MMag. Monika Kehrer, Anita Kienesberger Grafik + Gestaltung: Monika Vali. Druck: REMAprint, 1160 Wien, 2009/1. Auflage i K K r e bs - H i lfe er nd Österreichische Kinder-Krebs-Hilfe Verband der Österreichischen Kinder-Krebs-Hilfe Organisationen Spendenkonto: PSK 7.631.111, Blz 60.000