Kapitel 1 Periodensystem und Atombau Schon sehr früh bemerkten die Chemiker, dass bestimmte Elemente ähnliche Eigenschaften besaßen. Dies lieferte den Anreiz, die Elemente zu klassifizieren. Das erste Schema bestand aus nur zwei Einteilungen: Metalle (glänzendes Aussehen, schmiedbar und duktil, leiten Wärme und Elektrizität, bilden mit Sauerstoff Verbindungen, die basisch reagieren) und Nichtmetalle (kein charakteristisches Aussehen, leiten keine Wärme und Elektrizität, bilden saure Oxide). Döbereiners Triaden 1829 beobachtete J OHANN D ÖBEREINER mehrere Gruppen von drei Elementen – Triaden – mit ähnlichen chemischen Eigenschaften. Ein Beispiel für ein solche Triade ist die Gruppe Chlor, Brom und Iod. Jedes dieser Elemente bildet farbige Dämpfe, die zweiatomige Moleküle enthalten. Jedes Element verbindet sich mit Wasserstoff entsprechend der Formel HX. Die relative Atommasse von Brom (80) ist angenähert der Mittelwert der aus den relativen Atommassen des Chlors (35,5) und des Iods (127). Weiter Beipiele für Döbereiners Triaden: S, Se, Te; Ca, Sr, Ba; Li, Na, K. Newlands’ Oktavengesetz 1865 untersuchte N EWLANDS 1 das Problem des periodischen Wiederauftretens von ähnlichem Verhalten von Elementen. Er ordnete nach ansteigenden relativen Atommassen und erhielt folgendes Schema: H F Cl 1 Li Na K Be Mg Ca B Al Cr John Newlands, englischer Chemiker 1839-1898 1 C Si Ti N P Mn O S Fe 2 KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU Er bemerkte, das das achte Element (Fluor) dem ersten (Wasserstoff), das neunte dem zweiten usw. ähnelte. Diese Beobachtung, das jedes achte Element ähnliche Eigenschaften hatte, nannte er Oktavengesetz. Dies war ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, hatte aber einige ernste Mängel: • es gab keinen Platz für die Elemente, die in schneller Folge entdeckt wurden • keine Diskussion über die relativen Atommassen und die vermutlich besten Werte • einige Elemente scheinen am falschen Platz zu stehen: Mn und Fe, beides Metalle, ähneln den darüber stehenden Nichtmetallen P und S überhaupt nicht. 1.1 Das Periodensystem der Elemente ,→ Folie ??: M ENDELEJEWs System der Elemente und Eigenschaften von Germanium ,→ Arbeitsblatt ??: M ENDELEJEWs System der Elemente Schon im Jahre 1864 vermutete der deutsche Chemiker L OTHAR M EYER einen Zusammenhang zwischen Atommasse und Eigenschaften der chemischen Elemente. Unabhängig von ihm stieß der russische Chemiker D IMITRI M ENDELE JEW ebenfalls auf diese Tatsache. Er stellte 1869 fest, daß sich die Eigenschaften der Elemente in einer bestimmten Richtung ändern und sich gleichzeitig periodisch (= regelmäßig) wiederholen. Wie N EWLANDS ordnete er die Elemente nach steigendem Gewicht und stellte chemisch verwandte untereinander, dabei führte er aber wesentliche Verbesserungen ein: • Es wurden lange Perioden für jene Elemente eingerichtet, die wir heute als Übergangsmetalle bezeichnen. Damit mussten Metalle wie Mangan (Mn) oder Eisen (Fe) nicht mehr direkt unter Nichtmetalle gesetzt werden. • Zugunsten der chemischen Ähnlichkeit mußte er an manchen Stellen eine Lücke lassen. Hier sagte er noch nicht gefundene Elemente mit erstaunlicher Genauigkeit vorraus. • Es kam vor, dass er das Ordnungsprinzip der steigenden Massen zugunsten der chemischen Verwandtschaft verlassen mußte. Dies regte ein Überprüfung und Revision bspw. der Äquivalentmassen des Chroms (Cr) und Indiums (In)an. 1.1. DAS PERIODENSYSTEM DER ELEMENTE H=1 Li=7 Ni = Be = 9,4 B =11 C =12 N =14 O =16 F =19 Na=23 Mg=24 Al =27,4 Si =28 P =31 S =32 Cl =35,5 K =39 Ca =40 Ti =50 V =51 Cr =52 Mn=55 Fe =56 Co =59 Cu =63,4 Zn =65,2 ? =68 ? =70 As =75 Se =79,4 Br =80 Rb =85,4 Sr =87,6 Zr = 90 Nb= 94 Mo= 96 Rh =104,4 Ru =104,4 Pl =106,6 Ag=108 Cd=112 Ur =116 Sn =118 Sb =122 Te =128 ? I =127 Cs =133 Ba =137 3 ? =180 Ta =182 W =186 Pt =197,4 Ir =198 Os=199 Hg=200 Au=197 ? Bi =210 ? Tl =204 Pb =207 Tabelle 1.1: System der Elemente von D. Mendelejew Mendelejew formulierte aufgrund dieser Beobachtungen das Periodengesetz: Die Eigenschaften von chemischen Elementen ändern sich nicht willkürlich, sondern systematisch mit der relativen Atommasse. Als kurze Zeit darauf die vorhergesagten Elemente gefunden wurden, war das Periodensystem der Elemente allgemein anerkannt. Mendelejews Vorraussage Atommasse ungefähr 72 u Dunkelgraues Metall mit hohem Schmelzpunkt; Dichte 5,5 g/cm3 Beim Erhitzen entsteht XO2 Oxid schwerflüchtig; Dichte 4,7 g/cm3 Chlorid (XCl4 ) ist eine leichtflüchtige Flüssigkeit (Sdp. wenig unter 100 ◦ C); Dichte 1,9 g/cm3 Nach der Entdeckung des Elements durch Winkler (1886) beobachtete Eigenschaften Atommasse 72,59 u Weißlichgraues Metall; Smp. 958 ◦ C; Dichte 5,36 g/cm3 Beim Erhitzen entsteht GeO2 Smp. von GeO2 1100 ◦ C; Dichte 4,7 g/cm3 GeCl4 ist flüssig (Sdp. 83 ◦ C); Dichte 1,88 g/cm3 Tabelle 1.2: Eigenschaften von Germanium Trotzdem blieb auch nach sorgfältiger Überprüfung der relativen Atommassen das Problem bestehen, dass an drei Stellen die ansteigende relative Atommasse nicht das geeignete Kriterium für die Einordnung der Elemente in das KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU 4 Periodensystem ist. Deshalb wurde den Elementen die Ordnungszahlen zugeschrieben, die als Index unten links vor dem Elementsymbol stehen. Moseleysches Gesetz 1912 beobachtete M OSELEY 2 , dass die Frequenzen der von den Elementen ausgesendeten Röntgenstrahlung besser mit den Ordnungszahlen als mit den relativen Atommassen in Beziehung zu setzen sind. Er entdeckte, dass die Frequenz der Röntgenstrahlung ν sich mit der Ordnungszahl Z nach dieser Beziehung ändert: ν = a(Z − b)2 Dabei sind a und b konstant und für eine bestimmte Röntgenlinie charakteristisch und besitzen für alle Elemente denselben Wert. Zn, 30 Cu, 29 Ni, 28 Co, 27 Fe, 26 Mn, 25 Z Cr, 24 V, 23 Ti, 22 Ca, 20 9 10 11 12 13 1 14 15 16 1 ν 2 × 10−8 (s− 2 ) Abbildung 1.1: Moseleys Auftragung der Quadratwurzel aus der Röntgenstrahlfrequenz ν gegen die Ordnungszahl Z. Die Linien stammen von zwei verschiedenen, meßbaren Frequenzen aus dem Spektrum eines jeden Atoms. 2 Henry G.J. Moseley (1888-1915) fiel mit 27 Jahren als britischer Soldat 1.1. DAS PERIODENSYSTEM DER ELEMENTE 5 1914 veröffentlichte M OSELEY die Ergebnisse: „Die Spektren der Elemente sind entlang horizontaler Linien angeordnet, die gleichen Abstand voneinander besitzen.. . . Dieses ist gleichbedeutend mit der Zuordnung einer Reihe von aufeinander folgenden, charakteristischen ganzen Zahlen zu aufeinander folgenden Elementen. . . Wenn jetzt entweder die Elemente nicht durch diese ganzen Zahlen charakterisiert wären oder wenn irgendein Fehler bei der gewählten Reihenfolge oder in der Zahl der für unbekannte Elemente freigelassenen Plätze gemacht worden wäre, würden diese Gesetzmäßigkeiten (die geraden Linien) sofort verschwinden. Wir können daher . . . den Schluß ziehen, daß diese ganzen Zahlen in der Tat charakteristisch für die Elemente sind. . . Jeder Grund spricht für die Annahme, daß die ganze Zahl. . . dieselbe Zahl ist wie die Zahl von elektrischen Einheiten im Kern. . . “ Die von Moseley angeführten unbekannten Elemente sind Technetium 43 Tc, Promethium 61 Pm und Rhenium 75 Re. Seine Arbeit zählt zu den wichtigsten Einzelschritten in der Entwicklung des Periodensystems. Er bewies, dass die Ordnungszahl bzw. die Kernladung die wesentliche Eigenschaft für die Einordnung im Periodensystem ist und lieferte damit die Gesetzmäßigkeit, um eventuelle Lücken feststellen bzw. ausschliessen zu können. 1.1.1 Periodische Eigenschaften Die Stellung eines Elementes im Periodensystem erlaubt Aussagen über seine Eigenschaften. Untereinander stehende Elemente bilden eine Gruppe, nebeneinander stehende gehören zu einer Periode. Metallcharakter Überblickt man die Perioden, so erkannt man, daß innerhalb einer Periode der metallische Charakter der Elemente von rechts nach links zunimmt (vgl. Fluor – Lithium). Innerhalb einer Gruppe nimmt der metallische Charakter nach unten zu (vgl. Stickstoff – Bismut oder Fluor – Jod). Das ideale Metall steht links unten, das ideale Nichtmetall rechts oben. Verbindungsverhältnisse mit Wasserstoff Die Anzahl von Wasserstoffatomen, die sich mit einem Atom eines bestimmten Hauptgruppenelements aus den ersten drei Perioden des PSE verbinden, ändert sich, wie in Abbildung 1.2 gezeigt,von eins bis vier und wieder zurück bis eins, wenn man eine Periode entlang geht. Die Zahl der H-Atome ist dabei gleich der Gruppennummer oder gleich acht minus der Gruppennummer, wobei der kleinere Wert von beiden gilt. KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU 6 4 3 2 1 H He Li Be B C N O F Ne Na Mg Al Si P S Cl Ar K Ca Abbildung 1.2: Die Periodizität der Verbindungsverhältnisse der leichtesten Elemente in Verbindung mit Wasserstoff I II III IV V VI VII 1H 1 7 Li 3 23 Na 11 39 K 19 85,5 37 Rb 133 Cs 55 (223) 87 Fr 9 Be 4 24 Mg 12 40 Ca 20 88 Sr 38 137 Ba 56 (226) 88 Ra 11 B 5 27 Al 13 70 Ga 31 115 In 49 204 Tl 81 12 C 6 28 Si 14 72 Ge 32 119 Sn 50 207 Pb 82 14 N 7 31 P 15 75 As 33 122 Sb 51 209 Bi 83 16 O 8 32 S 16 79 Se 34 128 Te 52 (210) 84 Po 19 F 9 35,5 17 Cl 80 Br 35 127 J 53 (210) 85 At VIII 4 He 2 20 Ne 10 40 Ar 18 84 Kr 36 131 Xe 54 (222) 86 Rn 1.1.2 Die Gruppen und Perioden des PSE Alkalimetalle. Die Metalle Lithium (Li), Natrium (Na), Kalium (K), Rubidium (Rb), Caesium (Cs) und Francium (Fr) bilden eine Elementgruppe von sehr einheitlichem Charakter. Es sind alles leichte, weiche, relativ tief schmelzende Metalle, die an der Luft schnell anlaufen (Aufbewahrung unter Petroleum). Die Alkalimetalle sind sehr reaktionsfähig, die Reaktionsfähigkeit nimmt vom Lithium zum Caesium zu. Mit Wasser reagieren sie heftig, Kalium und die schwereren sogar mit Feuererscheinung. Es entstehen salzartige Verbindungen, deren wässrigen Lösungen sich schlüpfrig anfühlen, in den Augen brennen und einen unangenehm scharfen Geschmack haben; gewisse Farbstoffe werden charakteristisch verfärbt – man bezeichnet das als alkalische Reaktion, die Elementgruppe hat daher ihren Namen. In der Natur treten Alkalimetalle nicht elementar auf, man stellt sie meist durch Elektrolyse geschmolzener Salze her. Erdalkalimetalle. Beryllium (Be), Magnesium (Mg), Calcium (Ca), Strontium (Sr), Barium (Ba) und Radium (Ra). Die Erdalkalimetalle sind härter und schwerer als die Alkalimetalle, ihre Reaktionsfähigkeit ist deutlich geringer. Nur noch Barium muß unter Petroleum aufbewahrt werden. Mit Wasser bilden sie ebenfalls salzartige Hydroxide. Magnesium und auch Beryllium sind dank ihrer geringen Dichte wichtige Werkmetalle. 1.1. DAS PERIODENSYSTEM DER ELEMENTE 7 Erdmetalle. Von den Ermetallen Bor (B), Aluminium (Al), Gallium (Ga), Indium (In) und Thallium (Tl) besitzt nur das Aluminium als Werkstoff größere Bedeutung (Leichtmetall!). Es ist ein an sich ziemlich unedles, reaktionsfähiges Metall, das aber durch seine kompakte Oxidschicht gegen den Angriff anderer Stoffe (Sauerstoff, Säuren) weitgehend geschützt ist. Es kommt in der Natur nicht elementar vor und wird Elektrolyse einer Schmelze von Aluminiumoxid gewonnen. Als dritt häufigstes Element der Erdkruste spielt Aluminium für die Chemie der Gesteine eine wichtige Rolle. Kohlenstoff/Silicium-Gruppe Kohlenstoff (C), Silicium (Si), Germanium (Ge), Zinn (Sn) und Blei (Pb). Von diesen Elementen kommt nur Kohlenstoff elementar in der Natur vor (als Diamant oder Graphit); alle übrigen müßen aus Verbindungen gewonnen werden. Sowohl Kohlenstoff wie Silicium besitzen innerhalb der Chemie eine gewisse Sonderstellung: Kohlenstoff als Element der organischen Chemie und Silicium (zusammen mit Sauerstoff) als wichtigstes gesteinsbildende Element. Silicium und Germanium sind Halbmetalle (geringe, aber mit zunehmender Temperatur wachsende elektrische Leitfähigkeit), Zinn und Blei sind typische Metalle. Stickstoff/Phosphor-Gruppe. Stickstoff (N), Phosphor (P), Arsen (As), Antimon (Sb) ind Bismut (Bi). Auch hier nimmt der metallische Charakter der Elemente von Stickstoff (ausgesprochenes Nichtmetall, reaktionsträges Gas) zu Bismut (typisches Metall) sehr deutlich zu. Als einziges Element dieser Gruppe tritt Phosphor nicht elementar in der Natur auf. Phosphor existiert wie Kohlenstoff in verschiedenen Formen, die sich in ihren Eigenschaften stark unterscheiden. Auch Arsen kommt in zwei Formen vor, einer mehr metallähnlichen grauen und einer nichtmetallischen gelben Form. Chalkogene. Zu dieser Gruppe gehören Sauerstoff (O), Schwefel (S), Selen (Se), Tellur (Te) und Polonium (Po). Auf die Nichtmetalle Sauerstoff und Schwefel folgen auch hier ein Halbmetall sowie die Metalle Tellur und Polonium. Viele Metallverbindungen von Schwefel und Sauerstoff treten in der Natur als Mineralien auf und sind wichtige Erze (chalkos gr.: Erz, gennan gr.: bilden). Halogene. Fluor (F), Chlor (Cl), Brom (Br), Iod (I) und Astatin (At). Fluor (ein gelbliches Gas), Chlor (gelbgrünes Gas), Brom (rotbraune, niedrig siedende Flüssigkeit, bildet sehr unangenehm erstickend riechende rotbraune Dämpfe) und Iod (blauschwarze, metallisch glänzende Schuppen, sublimiert leicht zu violettem Dampf) zeigen untereinander stärkere Ähnlichkeiten als die Elemente der meisten anderen Gruppen. Die vier Elemente sind recht reaktionsfähige Stoffe. Viele Metalle “verbrennen” in Fluor- oder Chlorgas heftig. Mit den meisten Metallen bilden die Halogene typische Salze (halos gr.: Salz). Keines dieser Elemente tritt inder Natur elementar auf, Fluor und Chlor gewinnt man durch Elektrolyse KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU 8 ihrer Salze. Astatin ist ein nicht natürlich vorkommendes, bisher erst in kleinen Mengen künstlich hergestelltes Element. Edelgase. Helium (He), Neon (Ne), Argon (Ae), Krypton (Kr), Xenon (Xe) und Radon (Rn). Die Edelgase, eine Gruppe auffallend ähnlicher, gasförmiger Elemente, wurden erst nach der Aufstellung des Periodensystems entdeckt3 ; sie ordneten sich aber ihrem Atombau nach sehr gut zwischen die Halogene und die Alkalimetalle ein. Sie kommen in sehr geringen Mengen in der Luft vor und haben heute teilweise in der Beleuchtungstechnik (Neonröhren, Krypton und Xenon als Füllgase für Glühlampen) Verwendung gefunden. Lange Zeit glaubte man, daß überhaupt keine chemischen Verbindungen dieser Elemente existieren würden, erst 1962 wurden echte Verbindungen von Xenon und Krypton hergestellt (z.B. XeF4 ,XePtF6 , KrF4 ). 1.1.3 Wertigkeit und Formeln 3 1892 entdeckte L ORD R AYLEIGH, das Stickstoff, der aus der Luft durch Entfernen des Sauerstoffs hergestellt worden war, eine etwas höhere Dichte zeigt als aus Verbindungen gewonnener Stickstoff. Die genaue Untersuchung des “Luftstickstoffes” ergab dann, daß er noch geringe Mengen schwererer Gase enthielt. 1.2. ATOMBAU-MODELLE 9 1.2 Atombau-Modelle D ALTON (vgl. S. ??) beschrieb die Atome als massive Kugeln, die nicht weiter teilbar sind. Dieses Teilchen-Modell der Materie vermag viele Beobachtungen erklären, nicht aber die Kräfte, die zwischen den Teilchen herrschen: CH4 NH3 H2 O HF Warum bindet Kohlenstoff 4 H-Atome, Stickstoff noch 3 H-Atome, Sauerstoff nur noch 2, und Fluor lediglich 1 H-Atom? Hier versagt D ALTONs Atommodell. Darüber hinaus häuften sich gegen Ende des vorigen Jahrhunderts die Hinweise, daß Atome doch weiter teilbar sind. Die elektrische Ladung Schon im Altertum war bekannt, dass ein Stück Bernstein,welches mit einem Fell gerieben wird, die Fähigkeit erhält, andere Körper, z.B. Haare oder Federn, anzuziehen. Der Leibarzt der Königin E LIS ABETH I. von England, G ILBERT, nannte diese Anziehungskraft vis electrica (elektrische Kraft, von elektron gr.: Bernstein). In der Folgezeit wurden die elektrischen Erscheinungen weiter studiert. Man fand, dass auch Glasstäbe, Siegellack usw. elektrisch werden, wenn man sie mit entsprechenden Materialien (Leder, Wolle u. a.) reibt. Im Laufe des 18. Jahrhunderts gelangte man dann zu der Ansicht, dass die Elektrizität oder elektrische Ladung etwas Stoffliches sein müsse und das sie von einem auf den anderen Körper übertragbar sei. Experimente mit verschieden geladenen Körpern zeigten, dass es zwei Arten Elektrizität geben muß, die man willkürlich als positive und negative Ladung unterschied. Versuch Ein Bernsteinstab wird durch Reiben mit Leder elektrisch gemacht und damit ein an einem Faden hängendes Styroporkügelchen berührt. Danach stößt der Stab das Kügelchen ab. Offenbar wurde also bei der Berührung Ladung auf das Kügelchen übertragen. Die gleiche Beobachtung macht man mit einem Glasstab. Berührt man das Kügelchen zuerst mit dem Bernsteinstab und bringt dann den geladenen Glasstab in die Nähe, so wird das Kügelchen angezogen, die Ladung des Glasstabes muß also von der des Bernsteinstabes verschieden sein. Elektrisch geladene Körper üben Kräfte aufeinander aus: gleich geladene Körper stoßen sich ab, verschieden geladene Körper ziehen sich an. Die Größe der anziehenden bzw. abstoßenden Kräfte ist proportional den Größen der Ladungen, umgekehrt proportional dem Quadrat des Abstandes der Körper und hängt auch vom Material zwischen den beiden Körpern ab. F =k· 1 Q1 · Q2 · ε r2 KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU 10 Coulombsches Gesetz von C OULOMB 1785 aus Messungen abgeleitet. F = Kraft; Q 1 bzw. Q2 = Ladungen; r = Abstand; ε = Dielektrizitätskonstante (Materialkonstante des Stoffes zwischen den Körpern); k = Proportionalitätsfaktor, verschieden je nach verwendetem Maßsystem. Weitere Arbeiten im Laufe des 19. Jahrhunderts (FARADAY 4 u.a.) führten zu dem Schluß, daß alle natürlich vorkommenden Ladungen ganzzahlige Vielfache einer kleinsten Ladungsmenge (eines “Elektrizitätsatoms”) sind. Diese elektrische Elementarladung läßt sich auf verschiedene Weise bestimmen, indirekt durch Messung bei Elektrolysen, direkt durch einen von M ILLIKAN 1909 durchgeführten Versuch (Öltropfenversuch). Kathodenstrahlen Im Laufe des 19. Jahrhundert wurden Teilchen entdeckt, welche wesentlich leichter und kleiner sind als Atome: Kathodenstrahlen. Die zuerst untersuchten Elementarteilchen waren die in den Kathodenstrahlen auftretenden Elektronen. Solche Strahlen enstehen in einem mit verdünntem Gas gefüllten und mit zwei einander gegenüberliegenden Elektroden versehenen Glasrohr, wenn man eine hohe elektrische Spannung an die Elektroden anlegt. Abbildung 1.3: Eine Crookessche Röhre Aus der negativen Elektrode (Kathode) treten dann Elektronen aus, welche sich mit hoher Geschwindigkeit auf die positive Elektrode (Anode) zu bewegen. Wegen ihrer geringen Masse sind die Elektronen solcher Strahlen durch elektrische oder magnetische Felder leicht abzulenken. Durch Messung der Ablenkung unter der Wirkung elektrischer und magnetischer Kräfte konnten Geschwindigkeit und Masse des Elektrons bestimmt werden. Seine Masse be1 trägt 1837 der Masse eines H-Atoms, die Ladung ist gleich der negativen Elementarladung –e. Kanalstrahlen Verwendet man eine Röhre mit einer durchbohrten Kathode, so kann man eine weitere Korpuskularstrahlung erkennen. Die Teilchen dieser Strahlung bewegen sich durch die Bohrung der Kathode von der Anode weg, es muß sich bei ihnen also um positiv geladene Teilchen handeln. 4 M. FARADAY (1792-1867), ursprünglich Buchbinderlehrling, später Assistent von D AVY. Arbeitete über Halogenkohlenwasserstoffe, entdeckte das Benzol im Leuchtgas. 1834 Entdeckung der nach ihm benannten elektrochemischen Gesetze. Berühmte Untersuchungen über Elektromagnetismus und Induktionsströme. 1.2. ATOMBAU-MODELLE 11 Sie entstehen dadurch, dass die Elektronen der Kathodenstrahlen beim Zusammenstoß mit den Molekülen des in der Röhre enthaltenen Gases Elektronen herausschlagen. Der Verlust eines Elektrons bewirkt, daß das Gasteilchen eine positive Ladung erhält und sich auf die Kathode zubewegt. Dort nehmen die meisten positiven Teilchen wieder Elektronen auf und werden elektrisch neutral. Nur diejenigen, die durch die Bohrung fliegen, können auf der anderen Seite als Kanalstrahlen beobachtet werden. Die Masse der Kanalstrahlen ist viel größer als die Elektronenmasse und hängt davon ab, welches Gas zur Füllung der Röhre verwendet wurde – sie entspricht der Masse der Gasatome bzw. -moleküle. Sie kann ähnlich wie die Elektronenmasse durch Ablenkung im elektrischen und magnetischen Feld bestimmt werden. Das kleinste Kanalstrahlteilchen hat die Atommasse 1 u und eine positive Elementarladung +e, man bezeichnet es als Proton. Die große Bedeutung der Kanalstrahlversuche liegt darin, daß mit ihnen zum erstenmal Elektronen als Bausteine von Atomen bzw. Molekülen nachgewiesen werden konnten. Um 1920 wurde die Existenz eines weiteren, elektrisch neutralen Elementarteilchens der Masse 1 u postuliert. Die mit dem Nachweis eines ungeladenen Teilchens verbundenen Schwierigkeiten machten jedoch zunächst einen direkten Beweis seiner Existenz unmöglich, da solche Teilchen weder durch elektrische noch magnetische Felder abgelenkt werden können. C HADWICK (1923) gelang es nachzuweisen, daß bei der Bestrahlung verschiedener leichter Elemente durch α-Teilchen eine starke, die Materie durchdringende Strahlung entsteht, die ebenfalls eine Korpuskularstrahlung ist, wobei die Teilchen den früher postulierten Neutronen entsprechen. Neutronen scheinen nur als Bestandteile von Atomen stabil zu sein, ein freies Neutron wandelt sich mit einer Halbwertszeit von 13 Minuten in ein Elektron und ein Proton um. Das Atommodell von Thomson J. J. Thomson hatte aufgrund dieser Ergebnisse ein recht zufriedenstellendes Atommodell vorgeschlagen, bei dem die gesamte Masse und die gesamte positive Ladung gleichmäßig über das ganze Atom verteilt waren, während die Elektronen im Atom wie Rosinen in einem Kuchen eingebettet waren. Die Abstoßung der Elektronen untereinander sorgen ebenfalls für eine gleichmäßige Verteilung über das Atom. Daraus folgt eine enge Verknüpfung zwischen positiven und negativen Ladungen, was sehr vernünftig schien. Das Modell ist also das eines massiven, festen Atomes. Die Entdeckung der Radioaktivität B ECQUEREL entdeckte 1896, dass Uranerze Strahlen aussenden, die eine lichtundurchlässig verpackte Photoplatte schwärzen. M. und P. C URIE isolierten 1898 in mühevollen Trennungsarbeiten aus Pechblende, einem Uranerz, die KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU 12 vorher unbekannten, stark strahlenden Elemente Polonium (Po) und Radium (Ra). Im magnetischen und elektrischen Feld können drei Arten von Strahlung unterschieden werden: α γ β Abbildung 1.4: Strahlungen des Radiums in einem Magnetfeld α-Strahlen: positiv geladene, relativ schwere Teilchen; ihre Masse beträgt ungefähr das Vierfache der Masse eines Wasserstoffatoms, β-Strahlen: Elektronen, γ-Strahlen: nicht aus materiellen Teilchen bestehend, sondern kurzwellige Röntgenstrahlen („Licht“-Energie), elektrisch ungeladen. Die Strahlen selbst sind unsichtbar, können aber durch das Aufleuchten eines Leuchtschirms sichtbar gemacht werden. Wenn man mit dem Mikroskop genau schaut, dann sind rasch aufeinander folgende Lichtblitze sichtbar, die vom Auftreffen der einzelnen Teilchen herstammen. R UTHERFORD erkannte diese Strahlung als die Folge eines Zerfalls der Atome, bei dem andere Elemente entstehen. Die von Becquerel beobachtete Strahlung waren α-Teilchen aus dem Zerfall des Urans 238 U 92 −→ 234 Th + 42 He 90 Atome sind nicht unteilbar. Sie können zerfallen und sich in andere Atomsorten spalten. Dabei senden sie Strahlen aus. Zerfallstypen Heute kennt man vier Zerfallstypen: β − -Emission, Elektroneneinfang, β + -Emission und α-Teilchen-Emission 226 Ra 88 Rn + 42 H −→ 222 86 (α-Emission) 228 Ra 88 −→ 228 Ac + −10 e 89 (β − -Emission) 207 Po 84 −→ 207 Bi 83 (Elektroneneinfang) 207 Po 84 −→ 207 Bi + +10 e 83 (β + -Emission Bei den Typen der β + -Emission und des Elektroneneinfangs wandelt sich im Kern ein Proton in ein Neutron um. Dies wird einmal durch Aussendung eines Positrons erreicht, zum anderen durch Einfangen eines Elektrons aus den Orbitalen um den Kern. Bei praktisch unveränderter Atommasse erniedrigt sich die Ordnungszahl um eine Einheit. 1.2. ATOMBAU-MODELLE 13 1p +1 −→ 10 n + +10 e 1p +1 + −10 e −→ 10 n Bei der β − -Emission wandelt sich ein Neutron in ein Proton und ein Elektron um, das ausgestrahlt wird. Hier erhöht sich die Ordnungszahl um eins, die Atommasse bleibt aber ebenfalls praktisch gleich. 1n 0 −→ +11 p + −10 e Rutherford 1919 14 N 7 + 42 He −→ 178 O + 11 H • Nachweis von Protonen als Kernbaustein • erste geglückte Elementumwandlung Chadwick 1932 9 Be + 4 He 2 4 −→ 10 n + 126 C • Nachweis von Neutronen als Kernbaustein Kernspaltung Otto Hahn 1938 235 U 92 Ba + 3 10 n Kr + 139 + 10 n −→ 94 56 36 • Als erste führten Enrico Fermi und Kollegen in Rom sowie Otto Hahn, Lise Meitner und Fritz Straßmann am Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin diese Reaktion durch. Beide Forschergruppen versuchten Transuranelemente herzustellen. Niemand erwartete damals, dass eine Kernspaltung in zwei annähernd gleichgroße Bruchstücke eintreten würde. ,→ Materialien: Brief Einsteins an Roosevelt Hahn leitete die Neuigkeit privat an Lise Meitner in Skandinavien weiter, deren Vetter, Otto Frisch, entdeckte, dass während der Reaktion riesige Energiemengen freigesetzt werden und er erkannte die militärische Anwendung. Über Bohr, bei dem Frisch arbeitete, gelangten diese Erkenntnisse in die USA, wo Fermi sie bestätigte. Von Szilard überredet, schrieb Einstein den heute berühmten Brief an Präsident Roosevelt. Dieser richtete daraufhin das Manhattan Projekt ein, dass zum ersten Atombombenversuch 1945 bei Trinity Flats, New Mexico, und den Abwürfen auf Hiroshima und Nagasaki führte. • Kernspaltung = b künstliche Radioaktivität • Die 3 freiwerdenden Elektronen können 3 neue Urankerne spalten, die dann 9 frei werdenden Elektronen 9 Urankerne usw.: Kettenreaktion KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU 14 Halbwertszeit Eine wichtige Eigenschaft des Kernzerfalls ist die Tatsache, dass die Zeit, die eine beliebige Menge eines radioaktiven Elementes braucht, um auf die Hälfte dieser Menge zu zerfallen, konstant und unabhängig von der Menge des vorhandenen Stoffes ist. Diese Zeit wird als Halbwertszeit bezeichnet und sie erstreckt sich über einen enorm großen Bereich: Astat-216: 0,0003 sec Polonium-214: 0,0016 sec Polonium-210: 140 Tage Radium-226: 1622 Jahre Plutonium-239: 24000 Jahre Uran-238: 4,51 Milliarden Jahre Kernfusion 2 1H +31 H −→ 4 1 2 He+0 n+17,6 MeV Im kleinen Maßstab kann die notwendige Energie für den Kernzusammenstoß (≈0,02 MeV) in Teilchenbeschleunigern erreicht werden. Aber die dabei gewonnene Energie ist viel geringer als jene zum Betrieb des Teilchenbeschleunigers benötigte. Die militärische Anwendung ist hier weiter: die für den Fusionsprozess nötigen Temperaturen von mehr als 200 Millionen Grad werden in Wasserstoffbomben dadurch erreicht, dass man eine normale Atombombe als Zündholz verwendet. 1.2.1 Das Kern-Hülle-Modell R UTHERFORDs Streuversuch Wichtige Erkenntnisse über den Aufbau des Atoms lieferte der von R UTHER FORD5 1911 durchgeführte Streuversuch: Eine extrem dünne Goldfolie (6x10 −5 cm ≈ 2000 Atomlagen dick) wurde mit α-Teilchen beschossen. Erwartung: “. . . als ob sie eine 38cm-Granate gegen ein Stück Seidenpapier abfeuern. . . ” Bei gleichmäßiger Verteilung der Masse und der Ladung über das Atom dürfte der Strahl der α-Teilchen nur wenig abgelenkt werden. 5 E. R UTHERFORD (1871-1937), englischer Physiker. Erklärte 1903 gemeinsam mit S ODDY die Radioaktivität als Zerfall der Atome; Schöpfer des Kernmodells der Atome. Erste künstliche Atomumwandlung 1919. Nobelpreis 1908. 1.2. ATOMBAU-MODELLE 15 Abbildung 1.5: Rutherfords Versuchsaufbau Beobachtung: Die meisten dringen völlig ungehindert hindurch, nur wenige werden aber stark abgelenkt oder prallen gar zurück. Erklärung: Die Atome sind größtenteils leer, sie bestehen aus einem kleinen Kern (Durchmesser 10−18 cm ; Atomdurchmesser 10−8 cm) und einer großen Hülle (Größenverhältniss 1: 10 000) Genauere Untersuchungen ergeben, daß Atome aus drei verschiedenen Elementarteilchen bestehen: Kern Hülle Name Protonen Neutronen Elektronen Masse 1u = 1,67 x 10−24 g 1u 1 1836 u elektr. Ladung 1+ keine 1- 1.2.2 Der Aufbau der Atomkerne Die einfachsten Atomkerne Der denkbar einfachste Kern ist derjenige des Wasserstoff-Atoms. Er besteht aus einem einzigen Proton. Protonenzahl = Ordnungszahl In diesem Fall ist die Ordnungszahl gleich der Massenzahl, bei Helium ist die Massenzahl aber um zwei u höher. Das bedeutet, daß im Kern neben zwei Protonen auch zwei Neutronen enthalten sind. Neutronenzahl = Massenzahl - Protonenzahl KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU 16 (a) (b) Abbildung 1.6: Das zu erwartende Ergebnis nach 1.12(a) dem Thomsonschen Atommodell und 1.12(b) dem Rutherfordschen Atommodell 1H 1 4 2 He 7 Li 3 Tabelle 1.3: Die Atomkerne von Wasserstoff, Helium und Lithium 1.2.3 Isotope Alle drei Atome sind Wasserstoff-Atome. Jedes besitzt 1 Proton, doch die Neutronenzahl ist unterschiedlich. Ein Isotop ist ein Element mit unterschiedlicher Neutronenzahl. Die meisten Elemente kommen als Isotopengemisch vor. Deshalb bestimmt nur die Protonenzahl ein Element eindeutig. Beispiel: Chlor - wie ist die -,5 der Atommasse zu erklären? Halbe Protonen oder Neutronen gibt es nicht. Aber zwei verschiedene Isotope: Isotop Neutronen Anteil 35 Cl 18n 75 durchschnittl. Atommasse von 35,5 u. 17 37 Cl 20n 25 17 Im PSE werden die durchschnittlichen Atommassen der Elemente angegeben. 1.2. ATOMBAU-MODELLE 17 1H 1 D Deutrium 2 1 Wasserstoff 3T 1 Tritium Tabelle 1.4: Isotope des Wasserstoffs Radioaktive Isotope Die 14 C-Methode Auf der Existenz radioaktiver Isotope beruht auch eine Methode zur Bestimmung des Alters von organischem Material. Natürlicher Kohlenstoff enthält in sehr geringen Mengen das radioaktive Isotop 14 C, das dadurch entsteht, das Neutronen aus der Höhenstrahlung auf den atmosphärischen Stickstoff einwirken: 14 N + 1 n 7 0 −→ 146 C + 11 H Das Kohlenstoff-14 zerfällt mit einer Halbwertszeit von 5570 Jahren: 14 C 6 −→ 147 N + −10 e Weil sich im Laufe der Erdgeschichte ein Gleichgewicht zwischen dem radioaktiven Zerfall von 14 C und seiner Neubildung aus Stickstoff eingestellt hat, besitzt die Luft einen konstanten Gehalt an radioaktivem Kohlendioxid. Pflanzen nehmen bei der Atmung Kohlendioxid auf, und zwar radioaktives und inaktives ohne Unterschied, und bauen daraus Cellulose 6 , Stärke7 usw. auf. Tiere, die sich von Pflanzen ernähren, bauen den Kohlenstoff des von den Pflanzen aufgenommenen Kohlendioxids in ihr Gewebe ein. wobei das Verhältnis zwischen radioaktivem und inaktivem Kohlenstoff das selbe ist wie in der Atmosphäre. Nach dem Absterben der Pflanzen oder Tiere hört der Stoffwechsel auf und der Gehalt an 14 C sinkt als Folge des radioaktiven Zerfalls. Durch die Bestimmung der Radioaktivität einer Kohlenstoffprobe, die aus Holz, Kohle, Knochen, Horn, Haut oder anderen pflanzlichen oder tierischen Überresten erhalten wurde, läßt sich deshalb die Zeit bestimmen, die seit der Bindung des Kohlenstoffs aus der Atmosphäre verstrichen ist. Die 14 C-Methode erlaubt eine Zeitbestimmung von Gegenständen bis etwa 20 000 Jahre in die Vergangenheit zurück, sie besitzt daher eine besondere Bedeutung für die Datierung vor- und frühgeschichtlicher Funde. 6 7 daraus sind die Stämme, Äste, Blätter usw. aufgebaut beispielsweise in der Kartoffel KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU 18 1.3 Der Aufbau der Atomhülle 1.3.1 Linienspektren von Elementen ,→ Folie Wenn Atome und Moleküle auf hohe Temperatur erhitzt werden, dann senden sie Licht mit bestimmten Frequenzen aus. Wasserstoff strahlt z.B. rotes Licht aus. Diese Frequenzmuster werden Emissionsspektren genannt. Grenze 109678 ν(cm−1 ) 110000 Grenze 27420 100000 80000 60000 40000 Lyman 20000 Grenze 12186 5000 Balmer Paschen Ultraviolett sichtbar Infrarot Abbildung 1.7: Emissionsspektrum heißer Wasserstoffatome. Die Linien treten in Serien auf, die nach ihren Entdeckern benannt sind. Angeregte Atome senden Licht nur ganz bestimmter Wellenlänge aus. Das beobachtete Linienspektrum ist charakteristisch für das jeweilige Element (Atomabsorptionsanalyse). Die einzelnen Wellenlängen eines Spektrums stehen untereinander in einem bestimmten, mathematischen Verhältnis und lassen sich in sogenannte Serien ordnen. J.J. Balmer 1885: empirische Beziehung für die Wellenzahlen der Linien im Balmer-Spektrum ν = RH 1 4 − 1 n2 ; n = 3, 4, 5, ... Die allgemeine Formel, um die Linienpositionen des Wasserstoffspektrums zu berechnen, stammt von J OHANNES RYDBERG: ν = RH 1 1 − 2 2 n1 n2 (1) mit RH = Rydberg-Konstante, für die sich aus Experimenten der Wert 109 677,581 cm −1 ergab. Eine Spektrallinie wird als die Differenz zwischen zwei Energiezuständen eines Elektrons gedeutet. 1.3. DER AUFBAU DER ATOMHÜLLE 19 Elektronen befinden sich normalerweise im energieärmsten Zustand – dem Grundzustand. Durch Energieaufnahme können Elektronen in Zustände höheren Energieinhaltes übergehen: angeregter Zustand. Der angeregte Zustand ist aber nicht stabil, die Elektronen fallen sofort auf tiefere Energiezustände zurück. Dabei wird eine der Energiedifferenz entsprechende Strahlung ausgesandt. ν (cm1 ) 0 -4387 -6855 -12186 Lyman Paschen Balmer n= n= n= n= ∞ 5 4 3 4E 4E 5→3 4→3 -27420 n=2 Zunehmende Energie 4E 4E 4E 5→2 4→2 3→2 -109678 n=1 4E 4E 4E 4E 5→1 4→1 3→1 2→1 Abbildung 1.8: Das Energieniveau des beobachteten Wasserstoffspektrums P LANCKsche8 Quantentheorie: Energie kann nur als ganzzahliges Vielfache von kleinsten Energiepaketen auftreten: Energiequanten. E = h·ν h = Plancksche Konstante (Wirkungsquantum) ν = Frequenz = Anzahl Schwingungen/s der Strahlung. Anwendung auf das Atom 4E = E2 − E1 = ν = 8 h·ν E2 −E1 h (2) Max Planck (1858-1947), deutscher Physiker. Leitete die Quantentheorie ab aus der Erscheinung der Strahlung eines schwarzen Körpers (1900). Nobelpreis 1918. KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU 20 mit E2 Energie des höheren, E1 Energie des tieferen Zustandes. Aus den Linienspektren können damit wichtige Informationen über den Atombau entnommen werden: • Elektronen können im Atom nur bestimmte, ausgewählte Energiezustände einnehmen, • und nach Gleichung (2) können diese Energien bestimmt, aber noch nicht vorhergesagt werden. 1.3.2 B OHRsches Atommodell 1913 veröffentlichte N IELS B OHR seine Theorie des Wasserstoffatoms. Dabei setzte er sich über die herrschenden physikalischen Vorstellungen hinweg und formulierte eine kühne Hypothese, die im Ergebnis dann aber • das Problem des instabilen Rutherfordschen Atommodells – warum stürzt das Elektron nicht in den Kern – beseitigte und • eine vollkommene Erklärung für die beobachteten Wasserstoffspektren lieferte. v me r mn Abbildung 1.9: Das Bohrsche Modell des Wasserstoffatoms. Ein Elektron der Masse me bewegt sich auf einer kreisförmigen Umlaufbahn mit der Geschwindigkeit v in einem Abstand r von einem Kern der Masse m n Ohne offensichtlichen Grund postulierte er: im Wasserstoffatom gibt es nur Umlaufbahnen, für die der Drehimpuls ein ganzzahliges Vielfache des durch 2π dividierten Planckschen Wirkungsquantum ist. h me vr = n 2π Ohne weitere neue Annahmen und nur mit Gesetzen der klassischen Mechanik und Elektrostatik konnte er dann die Beschränkung der Energie des Elektrons eines Wasserstoffatoms ableiten: E=− k ; n2 n = 1, 2, 3, 4, ... (3) 1.3. DER AUFBAU DER ATOMHÜLLE 21 mit n = Hauptquantenzahl und k = 1 4πε0 2 2π 2 me e4 h2 wobei k eine Konstante ist, die nur vom Planckschen Wirkungsquantum h, der Elektronenmasse me , der Ladung des Elektrons e und der elektrischen Feldkonstanten ε0 abhängt und einen Wert von 13,595 eV oder 2,1782 × 10 −18 J hat. Nach Gleichung (3) kann damit die Energie des Elektrons im Wasserstoffatom auf einer erlaubten Bahn n berechnet werden. Die Linien des Emisionsspektrums des Wasserstoffes entsprechen dann der Energiedifferenz zwischen den Bahnen n 1 und n2 : 1 1 − 4E = E1 − E2 = −k n21 n22 Nach dieser Formel konnten weitere Spektren vorhergesagt werden, deren Auffinden dann den Durchbruch für das Bohrsche Atommodell brachten. Balmer Pasc hen an m Ly n= 5 n= 4 n= 3 n= 2 n= 1 Abbildung 1.10: Die ersten fünf Bohrschen Umlaufbahnen Auch der Radius der Umlaufbahn wird durch die ganze Zahl n bestimmt: r = n 2 a0 wobei die Konstante a0 als erster Bohrscher Radius bezeichnet wird und durch a0 = ε0 h2 = 0, 0529 nm πme e2 KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU 22 gegeben ist. Die Elektronen kreisen mit bestimmten Radius um den Atomkern. Die erlaubten Abstände ("Schalen") wachsen sprunghaft (Quantentheorie). Die Schalen entsprechen Energieniveaus. Die innerste Schale ist die energieärmste Schale und wird zuerst mit Elektronen besetzt. Wenn sie voll ist wird in der zweiten Schale aufgefüllt usw.. . . Lichtteilchen und Materiewellen 0 a 0 a 0 a 0 a 0 a 0 a 0 a 0 a (a) (b) Abbildung 1.11: Mögliche und unmögliche Schwingungen einer Violinsaite Ionisierungsenergien So gut das Bohrsche Atommodell das Wasserstoffatom beschreibt, bei den höheren Atomen sind die Ergebnisse nicht zufriedenstellend. Hier gewinnt 1.3. DER AUFBAU DER ATOMHÜLLE 23 n=5 n = 4 31 (a) (b) Abbildung 1.12: Annehmbare 1.12(a) und nicht annehmbare 1.12(b) Elektronenwellen in einer Bohrschen Umlaufbahn man bessere Erkenntnisse durch die Analyse der Energien, die nötig sind, um die Elektronen aus dem Atom zu entfernen – den Ionisierungsenergien. Gesetzmäßigkeiten der Elektronenhülle können dann gut erkannt werden, wenn man die Ionisierungsenergien jeweils entsprechender Elektronen der Elemente in ein gemeinsames Diagramm einträgt: • Die Abtrennung jedes weiteren Elektrons erfordert immer höhere Energien, denn die zunehmende positive Ladung hält die verbleibenden Elektronen immer fester. • Die Abtrennung des zweitletzten Elektrons erfordert unverhältmäßig viel mehr Energie. Die zwei letzten Elektronen sind offenbar besonders fest gebunden. • Ein weiterer solcher Sprung in der Zunahme der notwendigen Energie erfolgt mit dem zehnten Elektron. Die Elektronen lassen sich also in verschiedene Gruppen von unterschiedlicher Energie ordnen. In Anlehnung an das Bohrsche Atommodell kann man sich diese Gruppen als konzentrisch um den Atomkern angeordnete Schalen vorstellen. Diese erste Annäherung an die Struktur der Elektronenhülle wird verfeinert, wenn man nicht nur die Änderung der Ionisierungsenergien betrachtet, sondern die Änderung der Änderung. Dann wird ersichtlich, dass innerhalb einer Schale noch Unterschalen existieren, die sich bezüglich ihrer Energie, wenn auch nur wenig, unterscheiden. Hier ist auch der Grund zusuchen, warum die vierte Schale bereits mit zwei Elektronen besetzt wird (Kalium und Calcium), obwohl die dritte Schale erst mit acht Elektronen gefüllt ist. KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU 24 eV Ne 1300 1200 F 1100 1000 900 O 800 700 N 600 500 C 400 B 300 Be 200 Li He 100 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 Abbildung 1.13: Vergleich der Ionisierungsenergien entsprechender Elektronen der ersten 10 Elemente Der Schalenbau der Hülle 1. Im neutralen Element ist die Elektronenzahl gleich der Protonenzahl. 2. Die Atomhülle ist in mehrere Schalen unterteilt. 3. Diese Schalen haben für 2n2 -Elektronen Platz, mit n = Schalennummer. 4. Die Schalen werden von innen (= der energieärmsten) nach außen (= den energiereicheren) besetzt. 5. Die “volle Aussenschale” ist mit 8 Elektronen (Ausnahme Helium) erreicht, was der Edelgaskonfiguration entspricht. ,→ Arbeitsblatt Elektronenbesetzung der Elemente Die Elektronenbesetzung der Elemente Mit Blick auf das Periodensystem kann nun folgender Zusammenhang mit dem Atombau erkannt werden: • Alle Elemente einer Gruppe haben die gleiche Anzahl von Elektronen auf der äußersten Schale, diese Anzahl entspricht der Gruppennummer. 1.3. DER AUFBAU DER ATOMHÜLLE 25 eV 1300 1200 1100 1000 900 800 700 600 500 400 300 200 100 K Ar Cl S P Si Al Mg Na Ne F O Abbildung 1.14: Vergleich der Ionisierungsenergien entsprechender Elektronen der ersten 20 Elemente • Innerhalb einer Periode wird die jeweilige Schale aufgefüllt. Da die Elemente einer Gruppe chemisch verwandt (= 2. Ordnungsprinzip von M ENDELEJEW) sind, können wir jetzt behaupten: die Elektronenbesetzung der äußersten Schale ist für das chemische Verhalten eines Elements ganz besonders wichtig. Aus dem Reaktionsverhalten der Edelgase schließen wir auf das Reaktionsverhalten der anderen Elemente. Die Edelgase haben eine volle Außenschale und reagieren nicht mit anderen Elementen. Alle anderen Elemente reagieren solange, bis ihre äußerste Schale voll ist.