Periodensystem und Atombau - T

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Kapitel 1
Periodensystem und Atombau
Schon sehr früh bemerkten die Chemiker, dass bestimmte Elemente ähnliche
Eigenschaften besaßen. Dies lieferte den Anreiz, die Elemente zu klassifizieren.
Das erste Schema bestand aus nur zwei Einteilungen: Metalle (glänzendes
Aussehen, schmiedbar und duktil, leiten Wärme und Elektrizität, bilden mit
Sauerstoff Verbindungen, die basisch reagieren) und Nichtmetalle (kein charakteristisches Aussehen, leiten keine Wärme und Elektrizität, bilden saure Oxide).
Döbereiners Triaden
1829 beobachtete J OHANN D ÖBEREINER mehrere Gruppen von drei Elementen
– Triaden – mit ähnlichen chemischen Eigenschaften. Ein Beispiel für ein solche
Triade ist die Gruppe Chlor, Brom und Iod. Jedes dieser Elemente bildet farbige Dämpfe, die zweiatomige Moleküle enthalten. Jedes Element verbindet
sich mit Wasserstoff entsprechend der Formel HX. Die relative Atommasse
von Brom (80) ist angenähert der Mittelwert der aus den relativen Atommassen
des Chlors (35,5) und des Iods (127).
Weiter Beipiele für Döbereiners Triaden: S, Se, Te; Ca, Sr, Ba; Li, Na, K.
Newlands’ Oktavengesetz
1865 untersuchte N EWLANDS 1 das Problem des periodischen Wiederauftretens
von ähnlichem Verhalten von Elementen. Er ordnete nach ansteigenden relativen Atommassen und erhielt folgendes Schema:
H
F
Cl
1
Li
Na
K
Be
Mg
Ca
B
Al
Cr
John Newlands, englischer Chemiker 1839-1898
1
C
Si
Ti
N
P
Mn
O
S
Fe
2
KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU
Er bemerkte, das das achte Element (Fluor) dem ersten (Wasserstoff), das neunte dem zweiten usw. ähnelte. Diese Beobachtung, das jedes achte Element
ähnliche Eigenschaften hatte, nannte er Oktavengesetz. Dies war ein weiterer
Schritt in die richtige Richtung, hatte aber einige ernste Mängel:
• es gab keinen Platz für die Elemente, die in schneller Folge entdeckt wurden
• keine Diskussion über die relativen Atommassen und die vermutlich
besten Werte
• einige Elemente scheinen am falschen Platz zu stehen: Mn und Fe, beides Metalle, ähneln den darüber stehenden Nichtmetallen P und S überhaupt nicht.
1.1 Das Periodensystem der Elemente
,→ Folie ??: M ENDELEJEWs System der Elemente und Eigenschaften von Germanium
,→ Arbeitsblatt ??: M ENDELEJEWs System der Elemente
Schon im Jahre 1864 vermutete der deutsche Chemiker L OTHAR M EYER einen
Zusammenhang zwischen Atommasse und Eigenschaften der chemischen Elemente. Unabhängig von ihm stieß der russische Chemiker D IMITRI M ENDELE JEW ebenfalls auf diese Tatsache. Er stellte 1869 fest, daß sich die Eigenschaften
der Elemente in einer bestimmten Richtung ändern und sich gleichzeitig periodisch (= regelmäßig) wiederholen. Wie N EWLANDS ordnete er die Elemente
nach steigendem Gewicht und stellte chemisch verwandte untereinander, dabei
führte er aber wesentliche Verbesserungen ein:
• Es wurden lange Perioden für jene Elemente eingerichtet, die wir heute
als Übergangsmetalle bezeichnen. Damit mussten Metalle wie Mangan
(Mn) oder Eisen (Fe) nicht mehr direkt unter Nichtmetalle gesetzt werden.
• Zugunsten der chemischen Ähnlichkeit mußte er an manchen Stellen
eine Lücke lassen. Hier sagte er noch nicht gefundene Elemente mit erstaunlicher Genauigkeit vorraus.
• Es kam vor, dass er das Ordnungsprinzip der steigenden Massen zugunsten der chemischen Verwandtschaft verlassen mußte. Dies regte ein
Überprüfung und Revision bspw. der Äquivalentmassen des Chroms
(Cr) und Indiums (In)an.
1.1. DAS PERIODENSYSTEM DER ELEMENTE
H=1
Li=7
Ni =
Be = 9,4
B =11
C =12
N =14
O =16
F =19
Na=23
Mg=24
Al =27,4
Si =28
P =31
S =32
Cl =35,5
K =39
Ca =40
Ti =50
V =51
Cr =52
Mn=55
Fe =56
Co =59
Cu =63,4
Zn =65,2
? =68
? =70
As =75
Se =79,4
Br =80
Rb =85,4
Sr =87,6
Zr = 90
Nb= 94
Mo= 96
Rh =104,4
Ru =104,4
Pl =106,6
Ag=108
Cd=112
Ur =116
Sn =118
Sb =122
Te =128 ?
I =127
Cs =133
Ba =137
3
? =180
Ta =182
W =186
Pt =197,4
Ir =198
Os=199
Hg=200
Au=197 ?
Bi =210 ?
Tl =204
Pb =207
Tabelle 1.1: System der Elemente von D. Mendelejew
Mendelejew formulierte aufgrund dieser Beobachtungen das Periodengesetz:
Die Eigenschaften von chemischen Elementen ändern sich nicht willkürlich, sondern systematisch mit der relativen Atommasse.
Als kurze Zeit darauf die vorhergesagten Elemente gefunden wurden, war das
Periodensystem der Elemente allgemein anerkannt.
Mendelejews Vorraussage
Atommasse ungefähr 72 u
Dunkelgraues Metall mit hohem
Schmelzpunkt; Dichte 5,5 g/cm3
Beim Erhitzen entsteht XO2
Oxid schwerflüchtig;
Dichte 4,7 g/cm3
Chlorid (XCl4 ) ist eine
leichtflüchtige Flüssigkeit (Sdp.
wenig unter 100 ◦ C);
Dichte 1,9 g/cm3
Nach der Entdeckung des
Elements durch Winkler (1886)
beobachtete Eigenschaften
Atommasse 72,59 u
Weißlichgraues Metall;
Smp. 958 ◦ C; Dichte 5,36 g/cm3
Beim Erhitzen entsteht GeO2
Smp. von GeO2 1100 ◦ C;
Dichte 4,7 g/cm3
GeCl4 ist flüssig (Sdp. 83 ◦ C);
Dichte 1,88 g/cm3
Tabelle 1.2: Eigenschaften von Germanium
Trotzdem blieb auch nach sorgfältiger Überprüfung der relativen Atommassen
das Problem bestehen, dass an drei Stellen die ansteigende relative Atommasse nicht das geeignete Kriterium für die Einordnung der Elemente in das
KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU
4
Periodensystem ist. Deshalb wurde den Elementen die Ordnungszahlen zugeschrieben,
die als Index unten links vor dem Elementsymbol stehen.
Moseleysches Gesetz
1912 beobachtete M OSELEY 2 , dass die Frequenzen der von den Elementen
ausgesendeten Röntgenstrahlung besser mit den Ordnungszahlen als mit den
relativen Atommassen in Beziehung zu setzen sind. Er entdeckte, dass die
Frequenz der Röntgenstrahlung ν sich mit der Ordnungszahl Z nach dieser
Beziehung ändert:
ν = a(Z − b)2
Dabei sind a und b konstant und für eine bestimmte Röntgenlinie charakteristisch und besitzen für alle Elemente denselben Wert.
Zn, 30
Cu, 29
Ni, 28
Co, 27
Fe, 26
Mn, 25
Z
Cr, 24
V, 23
Ti, 22
Ca, 20
9
10
11
12
13
1
14
15
16
1
ν 2 × 10−8 (s− 2 )
Abbildung 1.1: Moseleys Auftragung der Quadratwurzel aus der Röntgenstrahlfrequenz ν gegen die Ordnungszahl Z. Die Linien stammen von zwei
verschiedenen, meßbaren Frequenzen aus dem Spektrum eines jeden Atoms.
2
Henry G.J. Moseley (1888-1915) fiel mit 27 Jahren als britischer Soldat
1.1. DAS PERIODENSYSTEM DER ELEMENTE
5
1914 veröffentlichte M OSELEY die Ergebnisse: „Die Spektren der Elemente sind
entlang horizontaler Linien angeordnet, die gleichen Abstand voneinander
besitzen.. . . Dieses ist gleichbedeutend mit der Zuordnung einer Reihe von
aufeinander folgenden, charakteristischen ganzen Zahlen zu aufeinander folgenden Elementen. . . Wenn jetzt entweder die Elemente nicht durch diese
ganzen Zahlen charakterisiert wären oder wenn irgendein Fehler bei der gewählten
Reihenfolge oder in der Zahl der für unbekannte Elemente freigelassenen Plätze
gemacht worden wäre, würden diese Gesetzmäßigkeiten (die geraden Linien) sofort verschwinden. Wir können daher . . . den Schluß ziehen, daß diese
ganzen Zahlen in der Tat charakteristisch für die Elemente sind. . . Jeder Grund
spricht für die Annahme, daß die ganze Zahl. . . dieselbe Zahl ist wie die Zahl
von elektrischen Einheiten im Kern. . . “
Die von Moseley angeführten unbekannten Elemente sind Technetium 43 Tc,
Promethium 61 Pm und Rhenium 75 Re. Seine Arbeit zählt zu den wichtigsten
Einzelschritten in der Entwicklung des Periodensystems. Er bewies, dass die
Ordnungszahl bzw. die Kernladung die wesentliche Eigenschaft für die Einordnung im Periodensystem ist und lieferte damit die Gesetzmäßigkeit, um eventuelle
Lücken feststellen bzw. ausschliessen zu können.
1.1.1 Periodische Eigenschaften
Die Stellung eines Elementes im Periodensystem erlaubt Aussagen über seine
Eigenschaften. Untereinander stehende Elemente bilden eine Gruppe, nebeneinander stehende gehören zu einer Periode.
Metallcharakter
Überblickt man die Perioden, so erkannt man, daß innerhalb einer Periode
der metallische Charakter der Elemente von rechts nach links zunimmt (vgl.
Fluor – Lithium). Innerhalb einer Gruppe nimmt der metallische Charakter
nach unten zu (vgl. Stickstoff – Bismut oder Fluor – Jod). Das ideale Metall
steht links unten, das ideale Nichtmetall rechts oben.
Verbindungsverhältnisse mit Wasserstoff
Die Anzahl von Wasserstoffatomen, die sich mit einem Atom eines bestimmten
Hauptgruppenelements aus den ersten drei Perioden des PSE verbinden, ändert sich, wie in Abbildung 1.2 gezeigt,von eins bis vier und wieder zurück bis
eins, wenn man eine Periode entlang geht. Die Zahl der H-Atome ist dabei gleich der Gruppennummer oder gleich acht minus der Gruppennummer, wobei
der kleinere Wert von beiden gilt.
KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU
6
4
3
2
1
H He Li Be B C N O F Ne Na Mg Al Si P
S Cl Ar K Ca
Abbildung 1.2: Die Periodizität der Verbindungsverhältnisse der leichtesten
Elemente in Verbindung mit Wasserstoff
I
II
III
IV
V
VI
VII
1H
1
7 Li
3
23 Na
11
39 K
19
85,5
37 Rb
133 Cs
55
(223)
87 Fr
9 Be
4
24 Mg
12
40 Ca
20
88 Sr
38
137 Ba
56
(226)
88 Ra
11 B
5
27 Al
13
70 Ga
31
115 In
49
204 Tl
81
12 C
6
28 Si
14
72 Ge
32
119 Sn
50
207 Pb
82
14 N
7
31 P
15
75 As
33
122 Sb
51
209 Bi
83
16 O
8
32 S
16
79 Se
34
128 Te
52
(210)
84 Po
19 F
9
35,5
17 Cl
80 Br
35
127 J
53
(210)
85 At
VIII
4 He
2
20 Ne
10
40 Ar
18
84 Kr
36
131 Xe
54
(222)
86 Rn
1.1.2 Die Gruppen und Perioden des PSE
Alkalimetalle. Die Metalle Lithium (Li), Natrium (Na), Kalium (K), Rubidium (Rb), Caesium (Cs) und Francium (Fr) bilden eine Elementgruppe
von sehr einheitlichem Charakter. Es sind alles leichte, weiche, relativ tief
schmelzende Metalle, die an der Luft schnell anlaufen (Aufbewahrung
unter Petroleum). Die Alkalimetalle sind sehr reaktionsfähig, die Reaktionsfähigkeit nimmt vom Lithium zum Caesium zu. Mit Wasser reagieren
sie heftig, Kalium und die schwereren sogar mit Feuererscheinung. Es
entstehen salzartige Verbindungen, deren wässrigen Lösungen sich schlüpfrig
anfühlen, in den Augen brennen und einen unangenehm scharfen Geschmack
haben; gewisse Farbstoffe werden charakteristisch verfärbt – man bezeichnet das als alkalische Reaktion, die Elementgruppe hat daher ihren Namen. In der Natur treten Alkalimetalle nicht elementar auf, man stellt sie
meist durch Elektrolyse geschmolzener Salze her.
Erdalkalimetalle. Beryllium (Be), Magnesium (Mg), Calcium (Ca), Strontium
(Sr), Barium (Ba) und Radium (Ra). Die Erdalkalimetalle sind härter und
schwerer als die Alkalimetalle, ihre Reaktionsfähigkeit ist deutlich geringer.
Nur noch Barium muß unter Petroleum aufbewahrt werden. Mit Wasser
bilden sie ebenfalls salzartige Hydroxide. Magnesium und auch Beryllium sind dank ihrer geringen Dichte wichtige Werkmetalle.
1.1. DAS PERIODENSYSTEM DER ELEMENTE
7
Erdmetalle. Von den Ermetallen Bor (B), Aluminium (Al), Gallium (Ga), Indium (In) und Thallium (Tl) besitzt nur das Aluminium als Werkstoff
größere Bedeutung (Leichtmetall!). Es ist ein an sich ziemlich unedles,
reaktionsfähiges Metall, das aber durch seine kompakte Oxidschicht gegen
den Angriff anderer Stoffe (Sauerstoff, Säuren) weitgehend geschützt ist.
Es kommt in der Natur nicht elementar vor und wird Elektrolyse einer Schmelze von Aluminiumoxid gewonnen. Als dritt häufigstes Element der Erdkruste spielt Aluminium für die Chemie der Gesteine eine
wichtige Rolle.
Kohlenstoff/Silicium-Gruppe Kohlenstoff (C), Silicium (Si), Germanium (Ge),
Zinn (Sn) und Blei (Pb). Von diesen Elementen kommt nur Kohlenstoff
elementar in der Natur vor (als Diamant oder Graphit); alle übrigen
müßen aus Verbindungen gewonnen werden. Sowohl Kohlenstoff wie
Silicium besitzen innerhalb der Chemie eine gewisse Sonderstellung: Kohlenstoff als Element der organischen Chemie und Silicium (zusammen mit
Sauerstoff) als wichtigstes gesteinsbildende Element. Silicium und Germanium sind Halbmetalle (geringe, aber mit zunehmender Temperatur
wachsende elektrische Leitfähigkeit), Zinn und Blei sind typische Metalle.
Stickstoff/Phosphor-Gruppe. Stickstoff (N), Phosphor (P), Arsen (As), Antimon (Sb) ind Bismut (Bi). Auch hier nimmt der metallische Charakter der
Elemente von Stickstoff (ausgesprochenes Nichtmetall, reaktionsträges
Gas) zu Bismut (typisches Metall) sehr deutlich zu. Als einziges Element
dieser Gruppe tritt Phosphor nicht elementar in der Natur auf. Phosphor existiert wie Kohlenstoff in verschiedenen Formen, die sich in ihren
Eigenschaften stark unterscheiden. Auch Arsen kommt in zwei Formen
vor, einer mehr metallähnlichen grauen und einer nichtmetallischen gelben Form.
Chalkogene. Zu dieser Gruppe gehören Sauerstoff (O), Schwefel (S), Selen
(Se), Tellur (Te) und Polonium (Po). Auf die Nichtmetalle Sauerstoff und
Schwefel folgen auch hier ein Halbmetall sowie die Metalle Tellur und
Polonium. Viele Metallverbindungen von Schwefel und Sauerstoff treten
in der Natur als Mineralien auf und sind wichtige Erze (chalkos gr.: Erz,
gennan gr.: bilden).
Halogene. Fluor (F), Chlor (Cl), Brom (Br), Iod (I) und Astatin (At). Fluor
(ein gelbliches Gas), Chlor (gelbgrünes Gas), Brom (rotbraune, niedrig
siedende Flüssigkeit, bildet sehr unangenehm erstickend riechende rotbraune Dämpfe) und Iod (blauschwarze, metallisch glänzende Schuppen, sublimiert leicht zu violettem Dampf) zeigen untereinander stärkere
Ähnlichkeiten als die Elemente der meisten anderen Gruppen. Die vier
Elemente sind recht reaktionsfähige Stoffe. Viele Metalle “verbrennen”
in Fluor- oder Chlorgas heftig. Mit den meisten Metallen bilden die Halogene typische Salze (halos gr.: Salz). Keines dieser Elemente tritt inder
Natur elementar auf, Fluor und Chlor gewinnt man durch Elektrolyse
KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU
8
ihrer Salze. Astatin ist ein nicht natürlich vorkommendes, bisher erst in
kleinen Mengen künstlich hergestelltes Element.
Edelgase. Helium (He), Neon (Ne), Argon (Ae), Krypton (Kr), Xenon (Xe) und
Radon (Rn). Die Edelgase, eine Gruppe auffallend ähnlicher, gasförmiger
Elemente, wurden erst nach der Aufstellung des Periodensystems entdeckt3 ; sie ordneten sich aber ihrem Atombau nach sehr gut zwischen
die Halogene und die Alkalimetalle ein. Sie kommen in sehr geringen
Mengen in der Luft vor und haben heute teilweise in der Beleuchtungstechnik (Neonröhren, Krypton und Xenon als Füllgase für Glühlampen)
Verwendung gefunden. Lange Zeit glaubte man, daß überhaupt keine
chemischen Verbindungen dieser Elemente existieren würden, erst 1962
wurden echte Verbindungen von Xenon und Krypton hergestellt (z.B.
XeF4 ,XePtF6 , KrF4 ).
1.1.3 Wertigkeit und Formeln
3
1892 entdeckte L ORD R AYLEIGH, das Stickstoff, der aus der Luft durch Entfernen des Sauerstoffs hergestellt worden war, eine etwas höhere Dichte zeigt als aus Verbindungen gewonnener Stickstoff. Die genaue Untersuchung des “Luftstickstoffes” ergab dann, daß er noch geringe
Mengen schwererer Gase enthielt.
1.2. ATOMBAU-MODELLE
9
1.2 Atombau-Modelle
D ALTON (vgl. S. ??) beschrieb die Atome als massive Kugeln, die nicht weiter
teilbar sind. Dieses Teilchen-Modell der Materie vermag viele Beobachtungen
erklären, nicht aber die Kräfte, die zwischen den Teilchen herrschen:
CH4
NH3
H2 O
HF
Warum bindet Kohlenstoff 4 H-Atome, Stickstoff noch 3 H-Atome, Sauerstoff
nur noch 2, und Fluor lediglich 1 H-Atom? Hier versagt D ALTONs Atommodell. Darüber hinaus häuften sich gegen Ende des vorigen Jahrhunderts die Hinweise, daß Atome doch weiter teilbar sind.
Die elektrische Ladung Schon im Altertum war bekannt, dass ein Stück
Bernstein,welches mit einem Fell gerieben wird, die Fähigkeit erhält, andere
Körper, z.B. Haare oder Federn, anzuziehen. Der Leibarzt der Königin E LIS ABETH I. von England, G ILBERT, nannte diese Anziehungskraft vis electrica
(elektrische Kraft, von elektron gr.: Bernstein). In der Folgezeit wurden die elektrischen Erscheinungen weiter studiert. Man fand, dass auch Glasstäbe, Siegellack usw. elektrisch werden, wenn man sie mit entsprechenden Materialien
(Leder, Wolle u. a.) reibt. Im Laufe des 18. Jahrhunderts gelangte man dann
zu der Ansicht, dass die Elektrizität oder elektrische Ladung etwas Stoffliches
sein müsse und das sie von einem auf den anderen Körper übertragbar sei.
Experimente mit verschieden geladenen Körpern zeigten, dass es zwei Arten
Elektrizität geben muß, die man willkürlich als positive und negative Ladung
unterschied.
Versuch Ein Bernsteinstab wird durch Reiben mit Leder elektrisch gemacht
und damit ein an einem Faden hängendes Styroporkügelchen berührt.
Danach stößt der Stab das Kügelchen ab. Offenbar wurde also bei der
Berührung Ladung auf das Kügelchen übertragen. Die gleiche Beobachtung macht man mit einem Glasstab. Berührt man das Kügelchen zuerst
mit dem Bernsteinstab und bringt dann den geladenen Glasstab in die
Nähe, so wird das Kügelchen angezogen, die Ladung des Glasstabes
muß also von der des Bernsteinstabes verschieden sein.
Elektrisch geladene Körper üben Kräfte aufeinander aus: gleich geladene
Körper stoßen sich ab, verschieden geladene Körper ziehen sich an.
Die Größe der anziehenden bzw. abstoßenden Kräfte ist proportional den Größen
der Ladungen, umgekehrt proportional dem Quadrat des Abstandes der Körper und
hängt auch vom Material zwischen den beiden Körpern ab.
F =k·
1 Q1 · Q2
·
ε
r2
KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU
10
Coulombsches Gesetz von C OULOMB 1785 aus Messungen abgeleitet. F = Kraft; Q 1
bzw. Q2 = Ladungen; r = Abstand; ε = Dielektrizitätskonstante (Materialkonstante
des Stoffes zwischen den Körpern); k = Proportionalitätsfaktor, verschieden je nach
verwendetem Maßsystem.
Weitere Arbeiten im Laufe des 19. Jahrhunderts (FARADAY 4 u.a.) führten zu
dem Schluß, daß alle natürlich vorkommenden Ladungen ganzzahlige Vielfache
einer kleinsten Ladungsmenge (eines “Elektrizitätsatoms”) sind. Diese elektrische Elementarladung läßt sich auf verschiedene Weise bestimmen, indirekt
durch Messung bei Elektrolysen, direkt durch einen von M ILLIKAN 1909 durchgeführten Versuch (Öltropfenversuch).
Kathodenstrahlen Im Laufe des 19. Jahrhundert wurden Teilchen entdeckt,
welche wesentlich leichter und kleiner sind als Atome: Kathodenstrahlen. Die
zuerst untersuchten Elementarteilchen waren die in den Kathodenstrahlen auftretenden Elektronen. Solche Strahlen enstehen in einem mit verdünntem Gas
gefüllten und mit zwei einander gegenüberliegenden Elektroden versehenen
Glasrohr, wenn man eine hohe elektrische Spannung an die Elektroden anlegt.
Abbildung 1.3: Eine Crookessche Röhre
Aus der negativen Elektrode (Kathode) treten dann Elektronen aus, welche
sich mit hoher Geschwindigkeit auf die positive Elektrode (Anode) zu bewegen. Wegen ihrer geringen Masse sind die Elektronen solcher Strahlen durch
elektrische oder magnetische Felder leicht abzulenken. Durch Messung der
Ablenkung unter der Wirkung elektrischer und magnetischer Kräfte konnten
Geschwindigkeit und Masse des Elektrons bestimmt werden. Seine Masse be1
trägt 1837
der Masse eines H-Atoms, die Ladung ist gleich der negativen Elementarladung –e.
Kanalstrahlen Verwendet man eine Röhre mit einer durchbohrten Kathode,
so kann man eine weitere Korpuskularstrahlung erkennen. Die Teilchen dieser
Strahlung bewegen sich durch die Bohrung der Kathode von der Anode weg,
es muß sich bei ihnen also um positiv geladene Teilchen handeln.
4
M. FARADAY (1792-1867), ursprünglich Buchbinderlehrling, später Assistent von D AVY. Arbeitete über Halogenkohlenwasserstoffe, entdeckte das Benzol im Leuchtgas. 1834 Entdeckung
der nach ihm benannten elektrochemischen Gesetze. Berühmte Untersuchungen über Elektromagnetismus und Induktionsströme.
1.2. ATOMBAU-MODELLE
11
Sie entstehen dadurch, dass die Elektronen der Kathodenstrahlen beim Zusammenstoß mit den Molekülen des in der Röhre enthaltenen Gases Elektronen
herausschlagen. Der Verlust eines Elektrons bewirkt, daß das Gasteilchen eine
positive Ladung erhält und sich auf die Kathode zubewegt. Dort nehmen die
meisten positiven Teilchen wieder Elektronen auf und werden elektrisch neutral. Nur diejenigen, die durch die Bohrung fliegen, können auf der anderen
Seite als Kanalstrahlen beobachtet werden. Die Masse der Kanalstrahlen ist
viel größer als die Elektronenmasse und hängt davon ab, welches Gas zur Füllung der Röhre verwendet wurde – sie entspricht der Masse der Gasatome
bzw. -moleküle. Sie kann ähnlich wie die Elektronenmasse durch Ablenkung
im elektrischen und magnetischen Feld bestimmt werden. Das kleinste Kanalstrahlteilchen hat die Atommasse 1 u und eine positive Elementarladung +e,
man bezeichnet es als Proton.
Die große Bedeutung der Kanalstrahlversuche liegt darin, daß mit ihnen zum
erstenmal Elektronen als Bausteine von Atomen bzw. Molekülen nachgewiesen
werden konnten.
Um 1920 wurde die Existenz eines weiteren, elektrisch neutralen Elementarteilchens
der Masse 1 u postuliert. Die mit dem Nachweis eines ungeladenen Teilchens
verbundenen Schwierigkeiten machten jedoch zunächst einen direkten Beweis
seiner Existenz unmöglich, da solche Teilchen weder durch elektrische noch
magnetische Felder abgelenkt werden können. C HADWICK (1923) gelang es
nachzuweisen, daß bei der Bestrahlung verschiedener leichter Elemente durch
α-Teilchen eine starke, die Materie durchdringende Strahlung entsteht, die
ebenfalls eine Korpuskularstrahlung ist, wobei die Teilchen den früher postulierten Neutronen entsprechen. Neutronen scheinen nur als Bestandteile von
Atomen stabil zu sein, ein freies Neutron wandelt sich mit einer Halbwertszeit
von 13 Minuten in ein Elektron und ein Proton um.
Das Atommodell von Thomson
J. J. Thomson hatte aufgrund dieser Ergebnisse ein recht zufriedenstellendes
Atommodell vorgeschlagen, bei dem die gesamte Masse und die gesamte positive Ladung gleichmäßig über das ganze Atom verteilt waren, während die
Elektronen im Atom wie Rosinen in einem Kuchen eingebettet waren. Die Abstoßung der Elektronen untereinander sorgen ebenfalls für eine gleichmäßige
Verteilung über das Atom. Daraus folgt eine enge Verknüpfung zwischen positiven und negativen Ladungen, was sehr vernünftig schien. Das Modell ist
also das eines massiven, festen Atomes.
Die Entdeckung der Radioaktivität
B ECQUEREL entdeckte 1896, dass Uranerze Strahlen aussenden, die eine lichtundurchlässig verpackte Photoplatte schwärzen. M. und P. C URIE isolierten
1898 in mühevollen Trennungsarbeiten aus Pechblende, einem Uranerz, die
KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU
12
vorher unbekannten, stark strahlenden Elemente Polonium (Po) und Radium
(Ra).
Im magnetischen und elektrischen Feld können drei Arten von Strahlung unterschieden werden:
α
γ
β
Abbildung 1.4:
Strahlungen
des Radiums
in
einem
Magnetfeld
α-Strahlen: positiv geladene, relativ schwere Teilchen; ihre
Masse beträgt ungefähr das Vierfache der Masse eines Wasserstoffatoms,
β-Strahlen: Elektronen,
γ-Strahlen: nicht aus materiellen Teilchen bestehend, sondern
kurzwellige Röntgenstrahlen („Licht“-Energie), elektrisch ungeladen.
Die Strahlen selbst sind unsichtbar, können aber durch das
Aufleuchten eines Leuchtschirms sichtbar gemacht werden.
Wenn man mit dem Mikroskop genau schaut, dann sind rasch
aufeinander folgende Lichtblitze sichtbar, die vom Auftreffen der einzelnen Teilchen herstammen. R UTHERFORD erkannte diese Strahlung als die Folge eines Zerfalls der Atome, bei
dem andere Elemente entstehen.
Die von Becquerel beobachtete Strahlung waren α-Teilchen aus dem Zerfall
des Urans
238 U
92
−→ 234
Th + 42 He
90
Atome sind nicht unteilbar. Sie können zerfallen und sich in andere Atomsorten spalten. Dabei senden sie Strahlen aus.
Zerfallstypen
Heute kennt man vier Zerfallstypen: β − -Emission, Elektroneneinfang, β + -Emission
und α-Teilchen-Emission
226 Ra
88
Rn + 42 H
−→ 222
86
(α-Emission)
228 Ra
88
−→ 228
Ac + −10 e
89
(β − -Emission)
207 Po
84
−→ 207
Bi
83
(Elektroneneinfang)
207 Po
84
−→ 207
Bi + +10 e
83
(β + -Emission
Bei den Typen der β + -Emission und des Elektroneneinfangs wandelt sich im
Kern ein Proton in ein Neutron um. Dies wird einmal durch Aussendung eines
Positrons erreicht, zum anderen durch Einfangen eines Elektrons aus den Orbitalen um den Kern. Bei praktisch unveränderter Atommasse erniedrigt sich
die Ordnungszahl um eine Einheit.
1.2. ATOMBAU-MODELLE
13
1p
+1
−→ 10 n + +10 e
1p
+1
+ −10 e −→ 10 n
Bei der β − -Emission wandelt sich ein Neutron in ein Proton und ein Elektron
um, das ausgestrahlt wird. Hier erhöht sich die Ordnungszahl um eins, die
Atommasse bleibt aber ebenfalls praktisch gleich.
1n
0
−→ +11 p + −10 e
Rutherford 1919
14 N
7
+ 42 He −→ 178 O + 11 H
• Nachweis von Protonen als Kernbaustein
• erste geglückte Elementumwandlung
Chadwick 1932
9 Be + 4 He
2
4
−→ 10 n + 126 C
• Nachweis von Neutronen als Kernbaustein
Kernspaltung
Otto Hahn 1938
235 U
92
Ba + 3 10 n
Kr + 139
+ 10 n −→ 94
56
36
• Als erste führten Enrico Fermi und Kollegen in Rom sowie Otto Hahn,
Lise Meitner und Fritz Straßmann am Kaiser-Wilhelm-Institut in Berlin
diese Reaktion durch. Beide Forschergruppen versuchten Transuranelemente herzustellen. Niemand erwartete damals, dass eine Kernspaltung
in zwei annähernd gleichgroße Bruchstücke eintreten würde.
,→ Materialien: Brief Einsteins an Roosevelt
Hahn leitete die Neuigkeit privat an Lise Meitner in Skandinavien weiter, deren Vetter, Otto Frisch, entdeckte, dass während der Reaktion riesige
Energiemengen freigesetzt werden und er erkannte die militärische Anwendung. Über Bohr, bei dem Frisch arbeitete, gelangten diese Erkenntnisse in die USA, wo Fermi sie bestätigte. Von Szilard überredet, schrieb
Einstein den heute berühmten Brief an Präsident Roosevelt. Dieser richtete
daraufhin das Manhattan Projekt ein, dass zum ersten Atombombenversuch 1945 bei Trinity Flats, New Mexico, und den Abwürfen auf Hiroshima und Nagasaki führte.
• Kernspaltung =
b künstliche Radioaktivität
• Die 3 freiwerdenden Elektronen können 3 neue Urankerne spalten, die
dann 9 frei werdenden Elektronen 9 Urankerne usw.: Kettenreaktion
KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU
14
Halbwertszeit
Eine wichtige Eigenschaft des Kernzerfalls ist die Tatsache, dass die Zeit, die
eine beliebige Menge eines radioaktiven Elementes braucht, um auf die Hälfte
dieser Menge zu zerfallen, konstant und unabhängig von der Menge des vorhandenen Stoffes ist. Diese Zeit wird als Halbwertszeit bezeichnet und sie erstreckt sich über einen enorm großen Bereich:
Astat-216: 0,0003 sec
Polonium-214: 0,0016 sec
Polonium-210: 140 Tage
Radium-226: 1622 Jahre
Plutonium-239: 24000 Jahre
Uran-238: 4,51 Milliarden Jahre
Kernfusion
2
1H
+31 H −→
4
1
2 He+0 n+17,6 MeV
Im kleinen Maßstab kann die notwendige Energie für den Kernzusammenstoß (≈0,02 MeV) in Teilchenbeschleunigern erreicht werden. Aber die dabei
gewonnene Energie ist viel geringer als jene zum Betrieb des Teilchenbeschleunigers benötigte. Die militärische Anwendung ist hier weiter: die für den Fusionsprozess nötigen Temperaturen von mehr als 200 Millionen Grad werden
in Wasserstoffbomben dadurch erreicht, dass man eine normale Atombombe
als Zündholz verwendet.
1.2.1 Das Kern-Hülle-Modell
R UTHERFORDs Streuversuch
Wichtige Erkenntnisse über den Aufbau des Atoms lieferte der von R UTHER FORD5 1911 durchgeführte Streuversuch: Eine extrem dünne Goldfolie (6x10 −5 cm
≈ 2000 Atomlagen dick) wurde mit α-Teilchen beschossen.
Erwartung: “. . . als ob sie eine 38cm-Granate gegen ein Stück Seidenpapier
abfeuern. . . ” Bei gleichmäßiger Verteilung der Masse und der Ladung
über das Atom dürfte der Strahl der α-Teilchen nur wenig abgelenkt
werden.
5
E. R UTHERFORD (1871-1937), englischer Physiker. Erklärte 1903 gemeinsam mit S ODDY die
Radioaktivität als Zerfall der Atome; Schöpfer des Kernmodells der Atome. Erste künstliche
Atomumwandlung 1919. Nobelpreis 1908.
1.2. ATOMBAU-MODELLE
15
Abbildung 1.5: Rutherfords Versuchsaufbau
Beobachtung: Die meisten dringen völlig ungehindert hindurch, nur wenige
werden aber stark abgelenkt oder prallen gar zurück.
Erklärung: Die Atome sind größtenteils leer, sie bestehen aus einem kleinen
Kern (Durchmesser 10−18 cm ; Atomdurchmesser 10−8 cm) und einer großen
Hülle (Größenverhältniss 1: 10 000) Genauere Untersuchungen ergeben,
daß Atome aus drei verschiedenen Elementarteilchen bestehen:
Kern
Hülle
Name
Protonen
Neutronen
Elektronen
Masse
1u = 1,67 x 10−24 g
1u
1
1836 u
elektr. Ladung
1+
keine
1-
1.2.2 Der Aufbau der Atomkerne
Die einfachsten Atomkerne
Der denkbar einfachste Kern ist derjenige des Wasserstoff-Atoms. Er besteht
aus einem einzigen Proton.
Protonenzahl = Ordnungszahl
In diesem Fall ist die Ordnungszahl gleich der Massenzahl, bei Helium ist die
Massenzahl aber um zwei u höher. Das bedeutet, daß im Kern neben zwei
Protonen auch zwei Neutronen enthalten sind.
Neutronenzahl = Massenzahl - Protonenzahl
KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU
16
(a)
(b)
Abbildung 1.6: Das zu erwartende Ergebnis nach 1.12(a) dem Thomsonschen
Atommodell und 1.12(b) dem Rutherfordschen Atommodell
1H
1
4
2
He
7 Li
3
Tabelle 1.3: Die Atomkerne von Wasserstoff, Helium und Lithium
1.2.3 Isotope
Alle drei Atome sind Wasserstoff-Atome. Jedes besitzt 1 Proton, doch die Neutronenzahl ist unterschiedlich.
Ein Isotop ist ein Element mit unterschiedlicher Neutronenzahl.
Die meisten Elemente kommen als Isotopengemisch vor. Deshalb bestimmt
nur die Protonenzahl ein Element eindeutig.
Beispiel: Chlor - wie ist die -,5 der Atommasse zu erklären? Halbe Protonen
oder Neutronen gibt es nicht. Aber zwei verschiedene Isotope:

Isotop Neutronen Anteil 
35 Cl
18n
75
durchschnittl. Atommasse von 35,5 u.
17

37 Cl
20n
25
17
Im PSE werden die durchschnittlichen Atommassen der Elemente angegeben.
1.2. ATOMBAU-MODELLE
17
1H
1
D
Deutrium
2
1
Wasserstoff
3T
1
Tritium
Tabelle 1.4: Isotope des Wasserstoffs
Radioaktive Isotope
Die 14 C-Methode Auf der Existenz radioaktiver Isotope beruht auch eine
Methode zur Bestimmung des Alters von organischem Material. Natürlicher Kohlenstoff enthält in sehr geringen Mengen das radioaktive Isotop 14 C, das dadurch
entsteht, das Neutronen aus der Höhenstrahlung auf den atmosphärischen
Stickstoff einwirken:
14 N + 1 n
7
0
−→ 146 C + 11 H
Das Kohlenstoff-14 zerfällt mit einer Halbwertszeit von 5570 Jahren:
14 C
6
−→ 147 N + −10 e
Weil sich im Laufe der Erdgeschichte ein Gleichgewicht zwischen dem radioaktiven Zerfall von 14 C und seiner Neubildung aus Stickstoff eingestellt
hat, besitzt die Luft einen konstanten Gehalt an radioaktivem Kohlendioxid. Pflanzen nehmen bei der Atmung Kohlendioxid auf, und zwar radioaktives und inaktives ohne Unterschied, und bauen daraus Cellulose 6 , Stärke7
usw. auf. Tiere, die sich von Pflanzen ernähren, bauen den Kohlenstoff des
von den Pflanzen aufgenommenen Kohlendioxids in ihr Gewebe ein. wobei
das Verhältnis zwischen radioaktivem und inaktivem Kohlenstoff das selbe
ist wie in der Atmosphäre. Nach dem Absterben der Pflanzen oder Tiere hört
der Stoffwechsel auf und der Gehalt an 14 C sinkt als Folge des radioaktiven Zerfalls. Durch die Bestimmung der Radioaktivität einer Kohlenstoffprobe,
die aus Holz, Kohle, Knochen, Horn, Haut oder anderen pflanzlichen oder
tierischen Überresten erhalten wurde, läßt sich deshalb die Zeit bestimmen,
die seit der Bindung des Kohlenstoffs aus der Atmosphäre verstrichen ist. Die
14 C-Methode erlaubt eine Zeitbestimmung von Gegenständen bis etwa 20 000
Jahre in die Vergangenheit zurück, sie besitzt daher eine besondere Bedeutung
für die Datierung vor- und frühgeschichtlicher Funde.
6
7
daraus sind die Stämme, Äste, Blätter usw. aufgebaut
beispielsweise in der Kartoffel
KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU
18
1.3 Der Aufbau der Atomhülle
1.3.1 Linienspektren von Elementen
,→ Folie
Wenn Atome und Moleküle auf hohe Temperatur erhitzt werden, dann senden
sie Licht mit bestimmten Frequenzen aus. Wasserstoff strahlt z.B. rotes Licht
aus. Diese Frequenzmuster werden Emissionsspektren genannt.
Grenze
109678
ν(cm−1 )
110000
Grenze
27420
100000
80000
60000
40000
Lyman
20000
Grenze
12186
5000
Balmer Paschen
Ultraviolett
sichtbar Infrarot
Abbildung 1.7: Emissionsspektrum heißer Wasserstoffatome. Die Linien treten
in Serien auf, die nach ihren Entdeckern benannt sind.
Angeregte Atome senden Licht nur ganz bestimmter Wellenlänge aus. Das
beobachtete Linienspektrum ist charakteristisch für das jeweilige Element (Atomabsorptionsanalyse).
Die einzelnen Wellenlängen eines Spektrums stehen untereinander in einem
bestimmten, mathematischen Verhältnis und lassen sich in sogenannte Serien
ordnen.
J.J. Balmer 1885: empirische Beziehung für die Wellenzahlen der Linien im
Balmer-Spektrum
ν = RH
1
4
−
1
n2
; n = 3, 4, 5, ...
Die allgemeine Formel, um die Linienpositionen des Wasserstoffspektrums zu
berechnen, stammt von J OHANNES RYDBERG:
ν = RH
1
1
− 2
2
n1 n2
(1)
mit RH = Rydberg-Konstante, für die sich aus Experimenten der Wert 109 677,581 cm −1
ergab.
Eine Spektrallinie wird als die Differenz zwischen zwei Energiezuständen eines
Elektrons gedeutet.
1.3. DER AUFBAU DER ATOMHÜLLE
19
Elektronen befinden sich normalerweise im energieärmsten Zustand – dem
Grundzustand. Durch Energieaufnahme können Elektronen in Zustände höheren
Energieinhaltes übergehen: angeregter Zustand. Der angeregte Zustand ist aber
nicht stabil, die Elektronen fallen sofort auf tiefere Energiezustände zurück.
Dabei wird eine der Energiedifferenz entsprechende Strahlung ausgesandt.
ν
(cm1 )
0
-4387
-6855
-12186
Lyman
Paschen
Balmer
n=
n=
n=
n=
∞
5
4
3
4E 4E
5→3 4→3
-27420
n=2
Zunehmende Energie
4E 4E 4E
5→2 4→2 3→2
-109678
n=1
4E 4E 4E 4E
5→1 4→1 3→1 2→1
Abbildung 1.8: Das Energieniveau des beobachteten Wasserstoffspektrums
P LANCKsche8 Quantentheorie:
Energie kann nur als ganzzahliges Vielfache von kleinsten Energiepaketen
auftreten: Energiequanten.
E = h·ν
h = Plancksche Konstante (Wirkungsquantum)
ν = Frequenz = Anzahl Schwingungen/s der Strahlung.
Anwendung auf das Atom
4E = E2 − E1 =
ν
=
8
h·ν
E2 −E1
h
(2)
Max Planck (1858-1947), deutscher Physiker. Leitete die Quantentheorie ab aus der Erscheinung der Strahlung eines schwarzen Körpers (1900). Nobelpreis 1918.
KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU
20
mit E2 Energie des höheren, E1 Energie des tieferen Zustandes.
Aus den Linienspektren können damit wichtige Informationen über den Atombau entnommen werden:
• Elektronen können im Atom nur bestimmte, ausgewählte Energiezustände
einnehmen,
• und nach Gleichung (2) können diese Energien bestimmt, aber noch nicht
vorhergesagt werden.
1.3.2
B OHRsches Atommodell
1913 veröffentlichte N IELS B OHR seine Theorie des Wasserstoffatoms. Dabei
setzte er sich über die herrschenden physikalischen Vorstellungen hinweg und
formulierte eine kühne Hypothese, die im Ergebnis dann aber
• das Problem des instabilen Rutherfordschen Atommodells – warum stürzt
das Elektron nicht in den Kern – beseitigte und
• eine vollkommene Erklärung für die beobachteten Wasserstoffspektren
lieferte.
v
me
r
mn
Abbildung 1.9: Das Bohrsche Modell des Wasserstoffatoms. Ein Elektron
der Masse me bewegt sich auf einer kreisförmigen Umlaufbahn mit der
Geschwindigkeit v in einem Abstand r von einem Kern der Masse m n
Ohne offensichtlichen Grund postulierte er: im Wasserstoffatom gibt es nur Umlaufbahnen, für die der Drehimpuls ein ganzzahliges Vielfache des durch 2π dividierten Planckschen Wirkungsquantum ist.
h
me vr = n
2π
Ohne weitere neue Annahmen und nur mit Gesetzen der klassischen Mechanik
und Elektrostatik konnte er dann die Beschränkung der Energie des Elektrons
eines Wasserstoffatoms ableiten:
E=−
k
;
n2
n = 1, 2, 3, 4, ...
(3)
1.3. DER AUFBAU DER ATOMHÜLLE
21
mit n = Hauptquantenzahl und
k =
1
4πε0
2
2π 2 me e4
h2
wobei k eine Konstante ist, die nur vom Planckschen Wirkungsquantum h,
der Elektronenmasse me , der Ladung des Elektrons e und der elektrischen
Feldkonstanten ε0 abhängt und einen Wert von 13,595 eV oder 2,1782 × 10 −18 J
hat.
Nach Gleichung (3) kann damit die Energie des Elektrons im Wasserstoffatom
auf einer erlaubten Bahn n berechnet werden.
Die Linien des Emisionsspektrums des Wasserstoffes entsprechen dann der
Energiedifferenz zwischen den Bahnen n 1 und n2 :
1
1
−
4E = E1 − E2 = −k
n21 n22
Nach dieser Formel konnten weitere Spektren vorhergesagt werden, deren
Auffinden dann den Durchbruch für das Bohrsche Atommodell brachten.
Balmer
Pasc
hen
an
m
Ly
n=
5
n=
4
n=
3
n=
2
n=
1
Abbildung 1.10: Die ersten fünf Bohrschen Umlaufbahnen
Auch der Radius der Umlaufbahn wird durch die ganze Zahl n bestimmt:
r = n 2 a0
wobei die Konstante a0 als erster Bohrscher Radius bezeichnet wird und durch
a0 =
ε0 h2
= 0, 0529 nm
πme e2
KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU
22
gegeben ist.
Die Elektronen kreisen mit bestimmten Radius um den Atomkern. Die erlaubten Abstände ("Schalen") wachsen sprunghaft (Quantentheorie). Die
Schalen entsprechen Energieniveaus.
Die innerste Schale ist die energieärmste Schale und wird zuerst mit Elektronen besetzt. Wenn sie voll ist wird in der zweiten Schale aufgefüllt
usw.. . .
Lichtteilchen und Materiewellen
0
a
0
a
0
a
0
a
0
a
0
a
0
a
0
a
(a)
(b)
Abbildung 1.11: Mögliche und unmögliche Schwingungen einer Violinsaite
Ionisierungsenergien
So gut das Bohrsche Atommodell das Wasserstoffatom beschreibt, bei den
höheren Atomen sind die Ergebnisse nicht zufriedenstellend. Hier gewinnt
1.3. DER AUFBAU DER ATOMHÜLLE
23
n=5
n = 4 31
(a)
(b)
Abbildung 1.12: Annehmbare 1.12(a) und nicht annehmbare 1.12(b) Elektronenwellen in einer Bohrschen Umlaufbahn
man bessere Erkenntnisse durch die Analyse der Energien, die nötig sind, um
die Elektronen aus dem Atom zu entfernen – den Ionisierungsenergien.
Gesetzmäßigkeiten der Elektronenhülle können dann gut erkannt werden, wenn
man die Ionisierungsenergien jeweils entsprechender Elektronen der Elemente
in ein gemeinsames Diagramm einträgt:
• Die Abtrennung jedes weiteren Elektrons erfordert immer höhere Energien, denn die zunehmende positive Ladung hält die verbleibenden
Elektronen immer fester.
• Die Abtrennung des zweitletzten Elektrons erfordert unverhältmäßig viel
mehr Energie. Die zwei letzten Elektronen sind offenbar besonders fest
gebunden.
• Ein weiterer solcher Sprung in der Zunahme der notwendigen Energie
erfolgt mit dem zehnten Elektron.
Die Elektronen lassen sich also in verschiedene Gruppen von unterschiedlicher Energie ordnen. In Anlehnung an das Bohrsche Atommodell kann man sich diese
Gruppen als konzentrisch um den Atomkern angeordnete Schalen vorstellen.
Diese erste Annäherung an die Struktur der Elektronenhülle wird verfeinert,
wenn man nicht nur die Änderung der Ionisierungsenergien betrachtet, sondern die Änderung der Änderung. Dann wird ersichtlich, dass innerhalb einer Schale noch Unterschalen existieren, die sich bezüglich ihrer Energie, wenn
auch nur wenig, unterscheiden. Hier ist auch der Grund zusuchen, warum die
vierte Schale bereits mit zwei Elektronen besetzt wird (Kalium und Calcium),
obwohl die dritte Schale erst mit acht Elektronen gefüllt ist.
KAPITEL 1. PERIODENSYSTEM UND ATOMBAU
24
eV
Ne
1300
1200
F
1100
1000
900
O
800
700
N
600
500
C
400
B
300
Be
200
Li
He
100
10
9
8
7
6
5
4
3
2
1
Abbildung 1.13: Vergleich der Ionisierungsenergien entsprechender Elektronen der ersten 10 Elemente
Der Schalenbau der Hülle
1. Im neutralen Element ist die Elektronenzahl gleich der Protonenzahl.
2. Die Atomhülle ist in mehrere Schalen unterteilt.
3. Diese Schalen haben für 2n2 -Elektronen Platz, mit n = Schalennummer.
4. Die Schalen werden von innen (= der energieärmsten) nach außen (= den
energiereicheren) besetzt.
5. Die “volle Aussenschale” ist mit 8 Elektronen (Ausnahme Helium) erreicht, was der Edelgaskonfiguration entspricht.
,→ Arbeitsblatt Elektronenbesetzung der Elemente
Die Elektronenbesetzung der Elemente
Mit Blick auf das Periodensystem kann nun folgender Zusammenhang mit
dem Atombau erkannt werden:
• Alle Elemente einer Gruppe haben die gleiche Anzahl von Elektronen
auf der äußersten Schale, diese Anzahl entspricht der Gruppennummer.
1.3. DER AUFBAU DER ATOMHÜLLE
25
eV
1300
1200
1100
1000
900
800
700
600
500
400
300
200
100
K Ar Cl S
P Si Al Mg Na Ne F O
Abbildung 1.14: Vergleich der Ionisierungsenergien entsprechender Elektronen der ersten 20 Elemente
• Innerhalb einer Periode wird die jeweilige Schale aufgefüllt.
Da die Elemente einer Gruppe chemisch verwandt (= 2. Ordnungsprinzip von
M ENDELEJEW) sind, können wir jetzt behaupten: die Elektronenbesetzung der
äußersten Schale ist für das chemische Verhalten eines Elements ganz besonders wichtig. Aus dem Reaktionsverhalten der Edelgase schließen wir auf das
Reaktionsverhalten der anderen Elemente. Die Edelgase haben eine volle Außenschale und reagieren nicht mit anderen Elementen. Alle anderen Elemente
reagieren solange, bis ihre äußerste Schale voll ist.
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