Kaija Saariaho Cinq Reflets aus: L‘amour de loin (desweiteren: Gustav Mahler, Adagio aus: Sinf. Nr. 10; Peter Eötvös, Violinkonzert Nr. 2; Béla Bartók, „Der wunderbare Mandarin“, Suite op. 19) Do 22. September 2016, 20 Uhr Fr 23. September 2016, 20 Uhr Stuttgart, Liederhalle Sa 24. September 2016, 20 Uhr Freiburg, Konzerthaus Konzerteinführungen jeweils 19 Uhr Pia Freund, Sopran; Russel Braun, Bariton; Patricia Kopatchinskaja, Violine SWR Symphonieorchester Dirigent: Peter Eötvös Erstellt von Anja Renczikowski 1 Inhalt I. Die Komponistin Kaija Saariaho Seite 3 a) Einleitung: Kaija Saariaho - „Eine Liebe aus der Ferne“ als Auftakt zu einer großen Werkschau b) Von Finnland nach Paris und in die Welt c) Zwischen Naturgeräuschen und Computerklängen d) Cinq Reflets des L'amour de loin II. Ausführende des Konzerts Seite 7 a) Pia Freund, Sorpan b) Russell Braun, Bariton c) SWR Symphonieorchester d) Peter Eötvös, Dirigent III. Quellen / Wo gibt es mehr? Seite 11 a) Weblinks b) Hör- und Seh-Tipps c) Literatur IV. Unterrichtsmaterial Seite 15 a) Ein Leben ins Stichworten b) Daten zum Werk c) Die Texte – Cinq Reflets de L'amour de loin V. Material Seite 26 a) Warum eine Oper schreiben? b) Die literarische Vorlagen c) Der Begriff Heimat 2 I. Kaija Saariaho I.a) Einleitung: Kaija Saariaho - „Eine Liebe aus der Ferne“ als Auftakt zu einer großen Werkschau Unkonventionell und überraschend ist der Lebenslauf der finnischen Komponistin Kaija Saariaho. Geboren wurde sie 1952 in Helsinki und erlebte als Kind die Musik auf ihre ganz eigene Weise – ganz ohne einen musikalischen Background in der Familie. Seit über 30 Jahren lebt sie in ihrer Wahlheimat Paris. Mittlerweile zählt sie zu einer der erfolgreichsten Komponistinnen der Gegenwart. Umfangreich ist ihr Schaffen und es ist interessant zu sehen, wie ihr Gesamtwerk, trotz aller musikalischer Veränderungen, nie elitär wirkt. Ihre Musik ist hörbar. Die ihr so wichtige Verbindung zwischen musikalischen und persönlichen Belangen und eine enge Verbundenheit zu ihrem Seelenleben ist immer spürbar. Man braucht keine „Anleitung“ um ihre Musik sinnliche zu erfahren, aufzunehmen. Und doch sind einige Hinweise zu ihren Ideen hilfreich. Im Fokus der Saison 2016/2017 des SWR Symphonieorchesters stehen neben Werken von Gustav Mahler ihre Kompositionen. Zum Auftakt spielt das SWR Symphonieorchester „Cinq Reflets“, eine Art Suite, deren fünf Szenen aus der Oper „L'amour de loin“ entnommen sind. Ihre erste Oper wurde bei den Salzburger Festspielen im Jahr 2000 aufgeführt und machte Saariaho international noch bekannter. Dualität und das Wandern zwischen zwei Polen sind wesentlichee Merkmale 3 ihrer Musik. In den „Cinq Reflets“ sind es die Themen „Orient und Okzident“, „Heimat und Exil“ aber auch „Traum und Wirklichkeit“. I.b.) Von Finnland nach Paris und in die Welt Woher kommt das Interesse für eine bestimmte Sache? Manchmal ist die Auswahl groß und die Entscheidung fällt langsam und mühsam, weil man sich gar nicht entscheiden kann. Dann wieder lässt ein Mangel oder ein Zufall einen mit Dingen in Berührung kommen, die fesseln und nie wieder loslassen. In Kaija Saariahos Familie spielte die Musik kaum eine Rolle. „Das erste Erlebnis waren einige Schallplatten, die ich in meinem Elternhaus hörte. Aber da in meiner Familie keine Musiker waren, handelte es sich eher um populäre Musik, die ich als erstes wahrnahm“, erinnert sie sich. Ihr Zugang zur Musik kam aus eigener Kraft und eigenem Interesse. Wichtig war auch ihr Umfeld – vor allem die Natur. Als sie weiter in ihren Erinnerungen gräbt, erzählt sie: „Aber was ich wirklich als erste Erfahrung mit der Musik bezeichnen würde, fand tatsächlich in der Natur statt. Als ich ein Kind war, habe ich viel Zeit im Wald verbracht; ich liebte besonders den Wald nach dem Regen. Er bot ein faszinierendes Hörerlebnis, weil alles so widerhallend und doch still war.“ Und noch eine wichtige Inspirationsquelle gab es in frühen Jahren – das Radiohören: „Ich wurde durch unser Radio auf die klassische Musik aufmerksam, vor allem, indem ich selbst danach gesucht und mich kundig gemacht hatte.“ Kaija Saariaho erinnert sich auch an die ersten prägenden Konzerterlebnisse. „Besonders in der Sommerzeit war ich oft im Konzerthaus. Ich bin nie dorthin gebracht worden, als ich alt genug war, habe ich selbst damit angefangen, zu den Konzerten zu gehen. Das ist aber in einem Land wie Finnland sehr jung: mit elf oder zwölf Jahren.“ Wer jetzt denkt – das ist aber früh und sich gleich eingeschüchtert fühlt, in diesem Alter noch keine Konzerterfahrung gemacht zu haben, sollte sich keine Sorgen machen, denn auch Kaija Saariaho ließ sich bei allem Interesse für klassische Musik abschrecken. „Als ich las, dass Mozart in diesem Alter bereits ein großer Komponist war, war ich ganz deprimiert. Gleichzeitig weckte es in mir dieses übergroße Bedürfnis, als Komponistin meinen eigenen Weg zu gehen.“ Dieser Weg war bei aller Zielstrebigkeit nicht einfach. Sie brauchte mehrere Anläufe, bis sie sich schließlich für die Komponistinnenlaufbahn entschied – da war sie Anfang zwanzig. Als Frau musste sie vor allem gegen männliche Überheblichkeit ankämpfen. 4 Einige Lehrer wollten sie gar nicht unterrichten. „Sie dachten, ich würde sowieso in ein paar Jahren heiraten“, erinnert sie sich. Als ihr erstes Auftragswerk vom finnischen Radio aufgenommen wurde, begrüßten die Musiker sie nicht einmal. „Ein Cellist, den ich sehr bewundert habe, hat sich schier kaputt gelacht, als ich ihn fragte, ob er mal ein Stück von mir fürs Radio aufnehmen würde.“ An der Sibelius-Akademie fand sie dann aber doch Lehrer, die sie unterrichteten und die sie unterstützten. Mit ihren Studienkollegen, darunter der ebenfalls sehr bekannte Komponist Magnus Lindberg, gründete sie die Vereinigung „EarsOpen!“, die nicht nur Konzerte in Kindergärten und Gefängnissen organisierte, sondern auch viele zeitgenössische Werke und Musik des 20. Jahrhunderts nach Finnland brachte. Bis dahin war die klassische Musikszene stark von dem finnischen „Übervater“ Jean Sibelius geprägt. Zeitgenössische Musik gab es kaum. Vor allem ein konservativer und postromantischer Stil prägte die Kompositionsschule in den 1970er Jahren in Finnland. „Sibelius ist für jeden finnischen Komponisten sehr wichtig. Schon allein deshalb, weil seine Musik so präsent ist, immer und überall.“ Bereits in den Kindergärten und Schulen werden seine Lieder gesungen und in den Konzertsälen seine Sinfonien oftmals gespielt. Erst als sie dann nach Freiburg und später nach Paris ging, hat sich Kaija Saariaho intensiver mit seiner Musik beschäftigt. Sie habe zwar nie einen übermächtigen Einfluss gespürt, wie einige ihrer Kollegen, doch war es für sie wichtig, wegzugehen und dadurch einen neuen Blick auf die Heimat und die Musik dort zu bekommen. Aber auch die Avantgarde betrachtete sie kritisch, denn dort gab es zu viele Regeln, Verbote. Wenn rhythmische Muster oder tonale Anklänge vermieden werden sollten, wo war dann die Freiheit? „Die ersten Jahre in Paris lehrten mich, dass so viele Dinge koexistieren und Leute sehr polemisch sind. Und ich lernte, dass von mir nicht erwartet wird, immer allem zuzustimmen. Dies waren sehr wichtige Erkenntnisse für meine eigene Identitätsbildung, weil ich fühlte, dass ich genau so existieren kann, wie ich bin.“ I.c.) Zwischen Naturgeräuschen und Computerklängen Wie kann man Kaija Saariahos Musik beschreiben? Worte können immer nur ein wenig von dem erfassen, was jeder Hörer individuell für sich hört und erlebt. Berührend, immer sehr persönlich, doch nie mit einem intellektuellen Habitus, sondern sehr zugänglich – das 5 umschreibt kurz ihre Musik. Nach ihrem Studium bei Paavo Heininen in Helsinki studiert sie in Freiburg bei Klaus Huber und Brian Ferneyhough. Anfang der 80er Jahre begann sie in Paris am IRCAM, dem Institut de Recherche et Coordination Acoustique/Musique, dem Forschungsinstitut für Akustik und Musik, das sich im Centre Pompidou in Paris befindet, zu arbeiten. Sie war eine der ersten, die in Finnland den Computer für ihre KlangfarbenAnalysen einsetzte. Gelegentlich arbeitet sie auch mit Tonbandzuspielen und liveelektronischem Equipment. (Die große Bandbreite ihrer verschiedenen Kompositionen wird im Laufe der Werkschau beim SWR zur hören sein.) Würde man nur davon in Kenntnis gesetzt, würde jeder wahrscheinlich eine sehr technische und sehr abstrakte Musik erwarten. Doch beeindruckt ihre Musik durch eine große Sinnlichkeit und Emotionalität. Einflüsse mögen ihre finnische Herkunft haben. Auch wenn sie sich unsicher sei, sich nach all den Jahren als finnische Komponistin zu betrachten: „Auf der einen Seite bin ich mir nicht sicher, ob ich so denken kann. Auf der anderen Seite empfinde ich mich immer noch als eine sehr finnische Person. Selbst wenn ich über die Jahre hinweg immer sehr schüchtern war, hat sich mein öffentliches Auftreten dort stark verändert. Da meine Musik meine Person reflektiert, dürfte auch die Musik in dieser Art und Weise finnisch sein. Ich denke deshalb schon, dass ich eine finnische Komponistin bin. Trotzdem hängt es natürlich von der genaueren Definition ab. Aber der musikalische Ausdruck und der Weg, in die Tiefe zu gehen und große Formen mit langen Zeitpannen zu bilden, das alles ist, denke ich, sehr nordisch.“ Wissenschaft, Technik und Natur sieht sie nicht als Gegensätze – sie empfindet es keineswegs als Widerspruch, Naturgeräusche, die an Vogelgezwitscher oder Wellen erinnern, am Computer zu erschaffen. Ihre oft von Bildner und Lyrik inspirierte Musik, ist hoch reflektiert und entwickelt doch einen geradezu klangmagischen Sog, in der Raum – und Zeitkoordination ausgeschaltet zu sein scheinen. Ihre Musik „lebt“ quasi aus dem Klang heraus. Gerne weist sie darauf hin, dass sie Klänge schon vor Beginn einer Komposition vor ihrem inneren Auge als Farben und Texturen sieht. Manche Konzeptionen eines Werks beginnt sie mit einem Pinselstrich auf dem Papier. Sie sei eine disziplinierte Arbeiterin, die auch früh aufsteht und sehr konzeptionell vorgeht: „Ich gehe beim Komponieren sozusagen vom Globalen ins Detail: Ich stelle mir die Tempi vor, die Orchestration – und dann beginne ich mein musikalisches Material zu entwickeln: Ich definiere die Harmonien, die Rhythmen, in welche Richtung sie 6 sich entwickeln. Und dann erst beginne ich mit dem Aufschreiben. Dazu brauche ich ausreichend Zeit – darum plane ich weit im Voraus, setze mir bestimmte Deadlines. Ich hasse es nämlich, Stress zu haben!“ I. d.) Cinq Reflets de L'amour de loin Die erste Oper von Kaija Saariaho ist ein Auftragswerk der Salzburger Festspiele und wurde am 15. August 2000 dort aufgeführt. Seitdem wurde es mehrmals an verschiedenen renommierten Opernhäuser neu inszeniert. Die Geschichte der Oper basiert auf „La vida breve“ des Troubadours Jaufré Rudel aus dem 12. Jahrhundert. Das Libretto für die Oper schrieb der libanesische und heute, wie Saariaho ebenfalls in Paris lebende Schriftsteller Amin Maalouf. Im Mittelpunkt steht eine märchenhafte wie tragische Liebe. Nur vom Hörensagen berauscht und durch immer wieder neue Berichterstattung eines Pilgers angeregt, verliebt sich der spätmittelalterliche Troubadour Jaufré Rudel in die Gräfin von Tripolis namens Clémence. Immer wieder besingt er sie – ohne sie tatsächlich einmal von Angesicht zu Angesicht gesehen zu haben - und schwärmt von ihrer Schönheit und ihren Tugenden. Durch die Vermittlung des Pilgers erreichen die Gräfin diese wunderschönen Lieder. Der Troubadour weiß von alledem nichts. Beide schwärmen nun – nichts ahnend von den Träumen des anderen – voneinander. Beide haben Angst vor einer Begegnung, weil sie befürchten, die Realität könnte ihre Träume und Sehnsüchte zerstören. Doch schließlich überwindet sich Rudel und macht sich mit dem Pilger auf eine lange Reise nach Tripolis auf. Auf dem Weg erkrankt er schwer. Mit letzter Kraft erreicht er die Geliebte und stirbt in ihren Armen. Clémence geht nach dem Tod des geliebten Troubadours ins Kloster. „Die Geschichte faszinierte mich sofort“, so Saariaho. „Sie war das, was ich suchte, ein Märchen über Liebe und Tod, einfach und linear. Ich suchte nichts Dramatisches, nichts mit großen Eifersuchtsausbrüchen. Und schließlich fühlte ich: Ich bin der Troubadour, der Musiker, und ich bin die Frau, die in einer fremden Kultur lebt.“ Das Thema ließ Saariaho auch nach Fertigstellung der Oper nicht mehr los. Zwei Jahre später, 2002, entstand als Auftrag für das 7 Königliche Philharmonische Orchester in Stockholm der Liederzyklus „Cinq reflets de l'amour de loin“ - „Fünf Spiegelungen der fernen Liebe“. Das Material dazu entnahm die Komponistin aus fünf Szenen der Oper, doch stellt der Zyklus ein selbstständiges sinfonische Werk, als eine Reflexion dessen, was die Vorstellungskraft der Liebe, Sehnsucht und Erfüllung ersinnt. Im ersten Satz der „Cinq reflets“ singt die Gräfin von Tripolis von ihrer Sehnsucht. Im zweiten Lied erzählt der Troubadour Rudel von einem Traum, in dem er die ferne Geliebte sieht und ihre Stimme hört. „L'amour de loin“ - das dritte Lied, das den gleichen Titel wie die Oper trägt – beinhaltet den zentralen Abschnitt der Oper. Hier trägt der Pilger für die Gräfin ein vom Troubadour verfasstes Liebesgedicht vor. In der Liederzyklus-Fassung ist es für die Bariton-Stimme geschrieben, wird also vom Troubadour selbst gesungen. Dort gibt es eine Stelle, wo das Orchester inne hält und - wie die ferne Geliebte - dem Gesang lauscht. Das vierte Lied spiegelt eine Szene des fünften und letzten Aktes der Oper. Liebe und Tod, die zentralen Themen der Oper, treffen in jener Szene aufeinander, als beide endlich zusammenfinden, der Troubadour jedoch in den Armen der Gräfin stirbt. Im letzten Lied befindet sich die Gräfin im Kloster. In ihren Gebeten preist sie die höhere Macht und gesteht immer wieder ihre Liebe, die über den Tod hinaus geht. Die höchste Form der Liebe ist der Glaube, dass sich die Liebe erfüllt – wenn auch nicht auf Erden. Raum und Zeit – Liebe und Tod – Zeitliches und Ewiges finden hier musikalisch zusammen – traumversponnen und in der für Saariaho so typischen sensiblen Art, eine spezifische Klangsprache zu finden. Bemerkenswert ist, wie die Komponistin es schafft, diesen antiquierten mittelalterlichen Stoff zum Leben zu erwecken. Musikalisch wie inhaltlich verpackt sie Antithesen wie NäheDistanz, Leben-Tod, Diesseits-Jenseits, Ekstase-Melancholie, Traum-Wirklichkeit, Heimat-Exil, Orient-Okzident - und damit allesamt Themen, die auch heute noch hochaktuell sind und fast jeden betreffen. Musikalisch verpackt sie das in Harmonie-Klangfarben, die aufgefächert, zerlegt, verwandelt, verdichtet und ausgedünnt werden. Die spezifischen Stimmungen werden durch Mikrotonalität, schwebende Streicher- und Bläserklänge und Naturgeräusche in Verbindung mit diatonischen Material umgesetzt. Damit charakterisiert sie weniger eine Handlung, als dass sie vielmehr in das Seelenleben der Charaktere vordringt, diese sichtbar macht und den Hörer daran teilhaben lässt. Das Thema Exil ist für die in Finnland und seit langem in Paris lebende Komponistin immer wichtig gewesen. Die Heimatverbundenheit ist, wie so oft, erst in der Ferne sichtbar. Auch die Lebensgeschichte 8 des Librettisten Amin Maalouf ist eng mit dem Thema Orient-Okzident sowie Heimat und Exil verbunden. Dass sie sich nicht irgendein Thema ausgewählt hat, sondern eines, das ihr persönlich auch sehr nahe ist, begründet auch ihre allgemeine Haltung zum Komponieren: „Ihre Musik ist ihr Leben und ihr Leben ist ihre Musik, das eine das andere schaffend, beides verbunden durch sozusagen organisches Band“, so Anne Grange in einem Versuch eines Porträts über die Komponistin. 9 II. Ausführende des Konzerts a.) Pia Freund, Sopran Die Sopranistin Pia Freund absolvierte ihr Musikstudium am Konservatorium in Turku und am Opernzweig der Sibelius-Akademie in Helsinki. 1991 gewann sie den Timo MustakallioWettbewerb, 1992 den Gesangswettbewerb Lappeenranta. Pia Freund hat u. a. mit dem Barockensemble Drottingholm und dem Schottischen Kammerorchester zusammengearbeitet. 1996, als Solistin des Orchestre Nationale d'Ile de France, gab sie ihr Debüt in Paris in der Salle Playel. 1998 folgte das Debüt in London als Solistin des Royal Philharmonic Orchestra. 2003 debütierte sie in New York an der Carnegie Hall und in Leipzig als Solistin de Gewandhaus-Orchesters. Pia Freund ist auf dem Musikfest „Prager Frühling“, auf den Berliner Festspielen, den Festwochen Helsinki, den Musikfestspielen in Kuhmo und Naantali und auf den Opernfestspielen Savonlinna, an der Finnischen Nationaloper, am Theater Dortmund und an der Norrlands Operan aufgetreten. Zu den Opernrollen, die sie gesungen hat, zählen die Micaela in „Carmen“, die Pamina in der „Zauberflöte“, Fiordiligi in „Così fan tutte“, Mimi in „La Bohème“, Helena in Brittens „Ein Sommernachtstraum“ sowie die Minna in Rautavaaras „Geschenk der Weisen“. Zudem ist sie als Solistin in Kaija Saariahos Oper „L'amour de loin“ an der Finnischen Nationaloper aufgetreten. Freund hat Arbeiten von Saariaho auch in Berlin, Paris und Stockholm aufgeführt. b.) Russell Braun, Bariton Der Bariton Russell Braun hat kanadisch-deutsche Wurzeln und wurde 1965 in Frankfurt a. M. geboren. Er lebte bis zu seinem 17. Lebensjahr in Deutschland, studierte dann Klavier bei John Coveart am Royal Conservatory of Music in Toronto und später Gesang bei Patricia Kern an der University of Toronto. Seine Laufbahn hat ihn an die größten Opernhäuser der Welt geführt, wie beispielsweise die Metropolitan Opera New York, die Lyric Opera of Chicago und die Opéra de Paris sowie zu den Salzburger Festspielen, wo er Partien wie Papageno und Eugen Onegin gestaltet hat. Mit seinen intelligenten und durchdachten Porträts von Chou En-lai in John Adams Oper „Nixon in China“ oder als Billy Budd in Brittens gleichnamiger Oper oder als Prinz Bolkonsky in Prokofjews „Krieg und Frieden“, aber auch als Pagageno in Mozarts „Zauberflöte“ und als Figaro in Rossinis „Barbier von Sevilla“ fesselt er sein Publikum. Russell Braun lebt in der Nähe von Toronto. 10 c.) SWR Symphonieorchester Die Zusammenführung des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart des SWR und des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg zum SWR Symphonieorchester dürfte einer der ambitioniertesten Fusionsprozesse in der jüngeren Geschichte der ARD gewesen sein. Anders gesagt: Das Orchester ist neu, aber es hat bereits Geschichte geschrieben. Zwei bedeutende Traditionslinien und 70 Jahre an gelebter Erfahrung kommen überein. Mit der selbstverständlichen Aufgabe, nämlich die Programme der neugeordneten Rundfunklandschaft im deutschen Südwesten mit Musik zu versorgen, begann es 1946. Schon damals formten profilierte Chefdirigenten ihre jungen Orchester – in Baden-Baden war es der weltläufige Hans Rosbaud, in Stuttgart der gewissenhafte Hans Müller-Kray, der sich dabei gerne von Carl Schuricht unterstützen ließ. Von Anfang an stand der öffentlichrechtliche Auftrag im Zentrum, was neben der Pflege des Standardrepertoires die experimentellen Aspekte mit einschloss oder, um es etwas anders auf den Punkt zu bringen: die stete Verlebendigung des Überlieferten, des noch zu Entdeckenden und der Neuen Musik! Im natürlichen Wandel dieser Bedürfnisse haben sich beide Orchester entwickelt, wobei in Stuttgart und Baden-Baden (später Freiburg) durchaus unterschiedliche Akzente gesetzt wurden. Nach der Gründergeneration am Chefdirigentenpult kamen neue Kräfte: in Baden-Baden bzw. Freiburg Ernest Bour, Michael Gielen, Sylvain Cambreling und zuletzt François-Xavier Roth. In Stuttgart hießen diese Leitfiguren, von denen jede für ein Programm steht, dann Neville Marriner, Sergiu Celibidache, Georges Prêtre, Sir Roger Norrington und Stéphane Denève. Neben diesen institutionalisierten Chefs kamen noch bedeutende Gastdirigenten hinzu. Sie zu nennen, liefe partiell auf ein »Who is Who« der Branche hinaus. Seit der Fusion von SDR und SWF zum SWR standen die beiden großen Sinfonieorchester bereits unter einer Dachorganisation als zwei sinfonische Kollektive, die sich idealtypisch ergänzten. Die Geschichte geht weiter, sie hat gerade erst begonnen. d.) Peter Eötvös, Dirigent Peter Eötvös ist einer der bedeutendsten Dirigenten des 20. Jahrhunderts, der regelmäßig die besten Orchester sowohl in Europa als auch in Amerika und in Japan dirigiert. Er wurde 1944 in Székelyudvarhely (Transsylvanien) geboren. Mit 14 Jahren nahm ihn Zoltán Kodály 11 an die Budapester Musikakademie (Komposition) auf, wo er auch sein Studium abschloss. Seine musikalische Entwicklung wurde von Pál Kardos, János Viski, Albert Simon, György Kurtág, Béla Bartók, Pierre Boulez, Karlheinz Stockhausen und Miles Davis beeinflusst. Vom DAAD erhielt er 1966 ein Stipendium für die Kölner Musikhochschule (Dirigieren). Zwischen 1968 und 1976 spielte er Klavier, Schlagzeug und eigene Live-ElektronikInstrumente zusammen mit dem Stockhausen-Ensemble. Von 1971 bis 1978 arbeitete er beim elektronischen Studio des Westdeutschen Rundfunks in Köln. Während dieser Zeit wurde Eötvös als Komponist und Dirigent bekannt. 1978 leitete er auf Einladung von Pierre Boulez das Konzert anlässlich der Eröffnung des IRCAM und wurde in der Folge zum musikalischen Leiter des Ensembles InterContemporain (1979-91) berufen. Seit seinem PROMS Debut, 1980, hatte er regelmäßige Auftritte in London. Von 1985 bis 1988 war er Principal Guest Dirigent des BBC Sinfonieorchesters. Von 1992 bis 1995 wurde er zum First Guest Dirigenten des Budapester Festival Orchesters und 1994 zum Chefdirigenten des Radio Chamber Orchestra Hilversum ernannt. 1991 gründete er das Internationale Peter Eötvös Institut für junge Dirigenten und Komponisten. Von 1992 bis 1998 war er Professor für Neue Musik an der Musikhochschule Karlsruhe, seit 1998 ist er Professor an der Kölner Musikhochschule. Peter Eötvös erhielt zahlreiche Preise, u. a. den "Officier de l’ordre des l’arts et des Lettres" und den Bartók-Preis. 12 III. Quellen Wo gibt es mehr? a.) Weblinks: Nähere Informationen zu Kaija Saariaho sind im Internet auf der Seite http://saariaho.org/ zu finden. Hier gibt es Fotos, eine ausführliche Biografie und Informationen zu ihren Werken, u. a zu „Cinq Reflets de L'amour de loin“: http://saariaho.org/works/cinq-reflets/ Informationen zu „Cinq Reflets de L'amour de loin“ gibt es auch auf der Verlagsseite von Sikorski: http://www.sikorski.de/3077/de/kaija_saariaho_l_amour_de_loin.html Die Botschaft von Finnland in Berlin hat eine sehr informative Seite im Internet mit einigen Informationen zum finnischen Musikleben. Neben Hinweisen zur klassischen Musik, gibt es auch Informationen zur Jazz-Szene, dem finnischen Tango und Electro-Pop und Heavy Metal Musik. www.finnland.de/public/default.aspx?nodeid=40381 Im Dezember 2016 wird es in verschiedenen Kinos eine Live-Übertragung der Oper „L'amour de loin“ aus der Metropolitan Opera in New York geben: https://www.cinemaxx.de/Programm/Film/MET-Saariaho-LAMOUR-DE-LOIN/23488 b.) Hör- und Seh-Tipps: Von „Cinq Reflets de L'amour de loin“ ist eine Aufnahme mit dem Finnish Radio Symphony Orchestra unter der Leitung von Jukka-Pekka Saraste beim Label Ondine (ODE 1049-2) erschienen. Solistin ist neben dem Bariton Gabriel Suovanen, die Sopranistin Pia Freund, die auch beim Konzert mit dem SWR Symphonieorchester singen wird. Bei Ondine ist auch ein Schuber mit vier CDs mit den Orchesterwerken Kaija Saariahos erschienen: Ondine (ODE 1113-2Q) 13 Auf Youtube gibt es auch einen Mitschnitt zu hören: https://www.youtube.com/watch?v=X-ii041ZGyQ Für diejenigen, die sich weiter mit der Geschichte um die Liebenden, die Geschichte des Troubadours und der Comtesse Clémence interessieren und vielleicht auch die Oper einmal sehen wollen: Bei der Deutschen Grammophon ist eine DVD mit einer Aufzeichnung von „L'amour de loin“ erschienen. Das Finnish National Opera Orchestra und der Finnish National Opera Chorus agiert unter der Leitung von Esa-Pekka Salonen. Solisten sind Dawn Upshaw, Monica Groop und Gerald Finley. Die Inszenierung ist von Peter Sellars. Deutsche Grammophon B0004721-09 c.) Literatur: Woher? Wohin?: Die Komponistin Kaija Saariaho (Schott Music GmbH & Co. KG 2007) heißt der Titel des in der Edition neue zeitschrift für musik herausgegebenen Büchlein. Der Herausgeber Hans-Klaus Jungheinrich versammelt Beiträge eines Symposiums im Rahmen von „Auftakt 2006“ der Alten Oper Frankfurt a. M. 14 IV. Unterrichtsmaterial a.) Ein Leben in Stichworten Kaija Saariaho 14.10.1952: geboren in Helsinki als Tochter des Industrierats Launo Laakkonen und seiner Frau Tuovi. Sie erhält früh Orgel- und Klavierunterricht. 1960er Jahre: Sie beginnt Konzerte in Helsinki zu besuchen – ihr ganz „persönliches Abenteuer“. Saariaho versucht alle mögliche Musik zu hören. Oft spricht sie später in Gesprächen von einer fehlenden kulturellen Prägung bzw. Erfahrung. 1972: Abitur. Danach beginnt sie Malerei und Zeichnen an der Kunstgewerblichen Hochschule in Helsinki zu studieren; gleichzeitig studiert sie Musikwissenschaft an der Universität. Zu dieser Zeit komponiert sie erste Lieder. 1972: Heirat mit Architekten Markku Saariaho. Ein Jahr später trennt sich das Paar. 1976-1980: Saariaho studiert an der Sibelius-Akademie in Helsinki unter Leitung von Paavo Heininen. Der Vater steht nicht hinter ihrer Entscheidung, er betrachtet ihr Leben als „ruiniert“. 1980-1982: Sie nimmt an den Sommerkursen für Neue Musik in Darmstadt teil. Dort lernt sie Brian Ferneyhough kennen und setzt 1981-82 ihr Studium bei ihm und Klaus Huber in Freiburg fort. 1982: Zum ersten Mal nimmt sie an Kursen für Computermusik am IRCAM in Paris teil. Seit dieser Zeit ist der Computer ein grundlegendes Element ihrer Kompositionstechnik. Außer am IRCAM-Studio arbeitet sie u. a. auch im Experimentalstudio des Finnischen Rundfunks, im Studio EMS in Stockholm und im Studio des Südwestrundfunks in Freiburg i. Br. Seit 1982: Sie lebt als freie Künstlerin in Paris. Sie interessiert sich für die französische Spektralmusik. Tristan Murail und Gérard Grisey gehören zu den Vertretern, die auch Spuren in ihrem Oeuvre hinterlassen. Die Spannung zwischen Klang und Geräuschen fasziniert sie. 1983: Diplom für Komposition an der Sibelius-Akademie. Saariaho studiert Komposition bei Paavo Heininen an der Sieblius Akademie in Helsinki und der Musikhochschule Freiburg bei Brian Ferneyhough und Klaus Huber sowie am Institut für Elektronische Musik IRCAM in Paris. 15 1984: Heirat mit Jean-Baptiste Barrière. Sie komponiert „Verblendungen“ - ein Wechselspiel zwischen Orchester und Tonband. 1986: Kranichsteiner Musikpreis der Darmstädter Ferienkurse 1988: Mit ihrem radiophonischen Werk „Stilleben“ gewinnt sie den Prix Italie. 1989: Ars Electronica Preis für „Stilleben“ und „Io“. Sie komponiert „Du Cristal“ 1990: „...á la Fumée“ unter Verwendung von Live-Elektronik 1995: Gidon Kremer spielt ihr Violinkonzert bei den BBC Proms. 1996: Der Zyklus Chateau de l'ame mit der Sopranistin Dawn Upshaw wird bei den Salzburger Festspielen aufgeführt. 15. August 2000: Uraufführung ihrer Oper „L'amour du loin“. Danach übernehmen das Stadttheater Bern und die Santa Fé Opera das Werk. 2002: Zum 50. Geburtstag werden ihre Werke zahlreich aufgeführt. 7. November 2002: UA von „Cinq Reflets“ für Sopran, Bariton und Orchester bei dem Komponisten-Festival im Stockholmer Konserthuset. Daneben steht auch ihr frühes Orchesterstück „Du Cristal“ auf dem Programm. 9. November 2002: UA „Tag des Jahres“ in Helsinki. Auftraggeber ist der Tapiola Chamber Choir. Das Werk ist für a capella-Chor und Elektronik geschrieben und basiert auf Gedichten von Friedrich Hölderlin. 2003: Im Januar wird ihre Orchesterkomposition „Orion“ mit dem Cleveland Orchestra unter Franz Welser-Möst uraufgeführt. Für die Sopranistin Karita Mattila schreibt sie den LiederZyklus „Quatre instants“, der am Pariser Théatre du Chatelet am 2. April uraufgeführt wird. Auch hier schreibt Amin Maalouf, der schon das Libretto von „L'amour du loin“ und den Text zu den „Cinz Reflets“ geschrieben hatte, den Text. 16. September 2004: Esa-Pekka Salonen leitet die finnische Erstaufführung von „L'amour du loin“ in Helsinki. Auch „Orion“ wird erstmals in Finnland aufgeführt. 2005: Im März deutsche Erstaufführung am Theater Freiburg mit Musik von Kaija Saariaho („Die Grammatik der Träume“) in der Instalation und Präsentation von ihrem Ehemann, Jean Baptiste Barrière. 2006: Uraufführung der Oper „Adriana Mater“ an der Operá Bastille in Paris. 2007: Im Februar wird in Boston „Notes of Light“ uraufgeführt. Im Juli folgt die englische Erstaufführung von „La Passion de Simone“ im Londoner Barbican Centre. Im August wird es 16 in Stockholm und Helsinki gezeigt. Später übernimmt es noch das Los Angeles Philharmonic Orchestra. 1. März 2010: Uraufführung ihrer dritten Oper „Émilie“ an der Opéra de Lyon unter Leitung von Kazushi Ono und in der Regie von Francois Girard. Das Libretto schrieb wieder Amin Maalouf. 2012: Zum 60. Geburtstag der Komponistin gibt es am 14. Oktober ein Festkonzert des Finnish Radio Symphony Orchestra in Helsinki. b.) Daten zum Werk Kaija Saariaho: Cinq Reflets de L'amour de loin (2002) Uraufführung: 7. November 2002 beim jährlichen Komponisten-Festival in Stockholms Konserthuset mit dem Königlich Philharmonischen Orchester. Textdichter: Die Texte stammen von Amin Maalouf, der auch das Libretto zu „L'amour de loin“ schrieb. Widmung: Kaija Saariaho widmet dieses Stück dem finnischen Dirigenten Esa-Pekka Salonen, der die Salzburger Uraufführung ihrer Oper „L'amour de loin“ leitete. Besetzung Orchester: 4 Flöten, 3 Oboen, 3 Klarinetten, 3 Fagotte, 4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba, Schlagzeug, Pauke, 2 Harfen, Klavier, Streicher Gesang: Sopran und Bariton Dauer: ca. 30 Minuten 17 c.) Cinq Reflets de L'amour de loin Texte: Amin Maalouf I. Outremer I: Two Shores Sorpano: Soprano : Tant de gens qui rêvent de venir en Orient, So many people dream of coming to the East, Et moi qui rêve d’en partir. And I dream of leaving it. A l’âge de cinq ans j’ai quitté Toulouse, At the age of five I left Toulouse, Et depuis, rien ne m’a consolée. And since then nothing has consoled me. Chaque bateau qui accoste Each ship that arrives me rappelle mon propre exil, Reminds me of my own exile. Chaque bateau qui s’éloigne Each ship that leaves me donne le sentiment d’avoir été abandonnée Makes me feel I have been abandoned J’ai les pieds dans les herbes d’ici, I stand here in the grass, but my thoughts stray mais toutes mes pensées gambadent To distant fields. dans des herbes lointaines. We both dream of crossing the sea, Nous rêvons d’outremer l’un et l’autre, But your destination is here, Pilgrim, mais votre outremer est ici, et le mien est la-bàs. and mine is over there. Mon outremer à moi est du côte de My destination is near Toulouse, Toulouse où résonnent toujours les appels Which bears the image of de ma mère et mes rires d’enfant. My mother's voice and my childish smiles. Je me souviens encore d’avoir couru pieds I still remember how I ran barefoot nus dans un chemin de pierre à la poursuite d’un Along a stony track chasing a cat. chat. The cat was young, and is perhaps still alive, and Le chat était jeune, il est peut-être encore en vie, remembers me. et se souvient de moi. No, it must be dead, or has certainly forgotten Non, il doit être mort, ou bien il m’a oubliée, me, 18 comme m’ont oubliée les pierres du chemin. As the stones in the road have forgotten me. Je me souviens encore de mon enfance I remember my childhood still, mais rien dans le monde de mon enfance But nothing in the world of my childhood Remembers me. ne se souvient de moi. Le pays où je suis née respire encore en moi, mais pour lui je suis morte. Que je serais heureuse si un seul muret, si un seule arbre, se rappelait de moi. The land where I was born still breathes in me, But for it I am dead. How happy I would be if a single wall, A single tree, remembered me. II. Songe II. Dream Baryton: Baritone: Je l’ai vue, je l’ai vue comme je te vois! I have seen her, I have seen her as I see you! Elle était ici, et son corps et son She was here, and her body and her face and her visage et sa robe blanche illuminaient la nuit. white dress lit up the night. Elle chantait une chanson que j’ai écrite pour elle. She sang a song that I had written for her. Soprano : Ton amour occupe mon esprit Dans la veille et dans la songe Mais c’est le songe que je préfère Soprano: Your love fills my mind Waking and dreaming, But it's dreaming that I prefer, Because in dreams you're mine! Car dans le songe tu m’appartiens! Baryton : ... Car dans le songe tu m’appartiens Soprano : ... D’aquest amor suy cossiros Vellan e pueys somphan dormen, Quar lai ay joy meravelhos, Baritone: …Because in dreams you're mine! Soprano: …Your love fills my mind Waking and dreaming, But it's dreaming that I prefer, 19 Per qu’ieu la jau jauzitz jauzen… Because in dreams you're mine! Baryton : Baritone: Lorsque je l’ai regardée dans le yeux, When I looked into her eyes she smiled, elle a souri et m’a fait signe de la suivre. And made a sign for me to follow her. Puis elle est partie, d’un pas de reine, Then she moved away, with the footsteps of a queen, sa robe traînant derrière elle, comme tu l’avais vue la première fois, à Tripoli, le dimanche de Pâques. Her dress trailing behind her, As you saw her that first time in Tripoli, on Easter Sunday Je l’ai suivie mais soudain je l’ai vue s’éloigner du bateau et marcher sur la mer comme Notre Seigneur, sans qu’elle ne s’enfonce. I followed her, but suddenly I saw her leave The ship and walk on the sea Like Our Lord, without sinking. Then she turned towards me Elle s’est tournée alors vers moi, And opened her arms, elle a ouvert les bras But I dared not go to her. mais je n’ai pas osé m’avancer vers elle. I remained clinging to the rail Je suis resté accroché au bastingage Without daring to join her, sans oser la rejoindre et je pleuraus de honte And I wept with shame for my cowardice. pour ma couardise. When I awoke, my eyes were filled with tears Au réveil, j’avais les yeux pleins de larmes And she was gone. et elle avait disparu. I am afraid, I am afraid. J’ai peur, j’ai peur. I am afraid of not finding her, J’ai peur de ne pas la retrouver And I'm afraid of finding her. et j’ai peur de la retrouver, I am afraid of being lost at sea et j’ai peur de disparaître en mer Before reaching Tripoli, avant d’avoir atteint Tripoli, And I am afraid of reaching Tripoli. 20 et j’ai peur d’atteindre Tripoli... I am afraid of dying, and I am afraid of living. J’ai peur de mourir, et j’ai peur de vivre, Do you understand me? me comprends-tu? III. L'amour de loin III. O Distant Love Baryton : Baritone: Jamais d’amour je ne jouirai Never shall I delight in love Si je ne jouis de cet amour de loin If I delight not in this distant love, Car plus noble et meilleure je ne connais For a nobler nor a better love I know not of En aucun lieu ni près ni loin Wheresoever, neither near, nor far. Sa valeur est si grande et si vraie Its worth so great is, and so true, Que là-bas, au royaume des Sarrasins That over there, in the kingdom of the Saracens, Pour elle, je voudrais être captif. For her sake, I would a captive be. Je tiens Notre Seigneur pour vrai Par qui je verrai I hold faith with Our Lord That by his grace I shall l’amour de loin see my distant love. Mais pour un bien qui m’en échoit Yet through this one piece of fortune J’ai deux maux, car elle est si loin. My ills are doubled, since she is so far away. Ah que je voudrais être là-bas en pèlerin Ah, that I were there, a pilgrim, Afin que mon bâton et mon esclavine So that my staff and my robe Soient comtemplés par ses yeux si beaux. Could fall beneath the gaze of her beautiful eyes. Il dit vrai celui qui me dit avide He who calls me greedy speaks aright Et désirant l’amour de loin For wishing for a distant love, Car aucune joie ne me plairait autant For no joy would please me as much Que de jouir de cet amour de loin As to delight in this distant love, Mais ce que je veux m’est dénié But what I wish for is denied me. 21 Ainsi m’a doté mon parrain Such was my godfather's decree, Que j’aime et ne suis pas aimé... That I should love and be not loved… IV. Si la mort pouvait attendre IV. If Death could wait Soprano : Soprano: Il est une chose There is something que je pensais garder longtemps en moi, I thought to keep long hidden within me, Mais si je ne la disais pas aujourd’hui même,# But if I do not tell it this very day, je crains de ne plus jamais pouvoir vous la dire. I fear I shall never be able to say it. Vos chansons, je me les récitais le soir, Your songs, I speak them at night, toute seule, dans ma chambre, all alone, in my room, Et je pleurais de bonheur. And I weep with happiness. Baryton : Baritone: Si mes chansons étaient belles, If my songs were beautiful, c’est parce que mon amour était pur, It is because my love was pure, And because the object of my love is so beautiful. But you are still a thousand times more Mais vous êtes encore mille fois plus rayonnante radiant et parce que l’objet de mon amour est si beau. et mille fois plus douce And more gentle than I imagined. que je ne l’imaginais. Si j’avais pu vous contempler, If I had gazed on you, j’aurais trouvé des paroles bien plus belles et une musique qui pénètre l’âme. Et je vous aurais aimée encore davantage. I would have found words much more beautiful, And a music that entered the soul. And I would have loved you even more. Soprano : Moi aussi, si nous étions rencontrés, je vous aurais aimé. Baryton : Soprano: I too, if we had met, Would have loved you. Baritone: 22 Autant que je vous aime? As much as I love you? Soprano : Soprano: Autant que vous m’aimez. As much as you love me. Baryton : Baritone: You could have said, I love you, Jaufré? Vous auriez pu dire, je vous aime, Jaufré? Soprano: Soprano : J’aurais pu dire je vous aime, Jaufré. I could have said it, yes; I love you, Jaufré. Baryton : Baritone: Seigneur, pardonnez-moi, Lord, forgive me, I want to live again! j’ai de nouveau envie de vivre! If Heaven were to cure me, Si jamais le Ciel me guérissait. Would you take me by the hand Me prendais-tu par la main And lead me to your chamber? pour me conduire jusqu’à ta chambre? Soprano : Soprano: Oui, Jaufré, si le Ciel dans sa bonté voulait vien te guérir, je te prendrais par la main Yes, Jaufré, if Heaven in its goodness really Wanted to cure you, I would take you by the hand pour te conduire jusqu’à ma chambre. And lead you to my chamber. Baryton : Baritone: Et je m’étendrais près de toi? And I would lie next to you? Soprano : Soprano: Et tu t‘étendrais près de moi... And you would lie next to me… Baryton : Baritone: Et tu poserais la tête sur mon épaule? And you would rest your head on my shoulder? Soprano : Soprano: Ma tête sur ton épaule... My head upon your shoulder… Baryton : Baritone: Ton visage tourné vers le mien, tes lèvres près 23 des miennes... Soprano : Mes lèvres près des tiennes... Baryton : En cet instant, j’ai tout ce que je désire. Que demander encore à la vie? Your face turned to mine, your lips close to mine… Soprano: My lips close to yours… Baritone: In this instant, I have all I wish. Why ask life for more? V. Vers toi qui es si loin V. Towards you so far away Soprano : Soprano: Si tu t’appelles amour je n’adore que toi, Seigneur, If you are called Love I adore only you, Lord, Si tu t’appelles Bonté je n’adore que toi, If you are called Goodness I adore only you, If you are called Pardon I adore only you, Lord, Si tu t’appelles Pardon je n’adore que toi, Seigneur, If you are called Passion, I adore only you. Si tu t’appelles Passion, je n’adore que toi. My prayer rises to you Ma prière s’élève vers toi so far from me now, qui es si loin de moi maintenant, Towards you so far away. Vers toi qui es si loin Forgive me for having doubted your love, Pardonne-moi d’avoir douté de ton amour, Forgive me for having doubted you! Pardonne-moi d’avoir douté de toi! You who gave your life for me, Toi qui as donné ta vie pour moi, Forgive me for having remained so distant. Pardonne-moi d’être restée si lointaine. A précent c’est toi qui es loin, Now that it is you who are distant, Es-tu encore là pour écouter ma prière? Are you still there to hear my prayer? A précent c’est toi qui es loin, Now that it is you who are distant, A précent c’est toi l’amour de loin, Now you are the distant love, 24 Seigneur, Seigneur, c’est toi l’amour. Lord, Lord, you are love, C’est toi l’amour de loin... You are the distant love… French libretto by Amin Maalouf © 2002 Amin Maalouf All Rights Reserved. English translation by George Hall © Copyright 2002 Amin Maalouf All Rights Reserved. Exclusively licensed to and reproduced by kind permission of Chester Music Limited. 25 V. Material a.) Warum eine Oper schreiben? Im Booklet zur DVD mit einem Mitschnitt der Oper „L'amour de loin“ gibt Kaija Saariaho Auskunft darüber, was sie an diesem Stoff fasziniert hat und wie es die Gattung der Oper ihr musikalisch ermöglicht, den größten Geheimnissen und Rätseln der menschlichen Existenz auf den Grund zu gehen: Warum eine Oper – warum diese Geschichte? „L'amour de loin“ entstand relativ schnell: ich braucht nur 18 Monate, um die Partitur zu schreiben. Ein Großteil des Materials ging aus einer langen Arbeitsperiode mit Reflexionen und Vorbereitungen hervor, während der ich versucht habe, für mich zu klären, was die Oper für mich bedeutet und was ich mit dieser Gattung kommunizieren kann. Während dieser prägenden Jahre gab es viele Fragen rund um die Aspekte der Komposition, beispielsweise wie man einen nahtlose Beziehung zwischen Text und Musik herstellen kann und wie ich möglichst effektiv die Hauptcharaktere musikalisch gestalten kann. Die Oper ist eine besondere Gattung innerhalb einer abstrakten Form der Musik, denn im besten Fall, reflektiert sie mit den dargelegten Ereignissen unser eigenes Leben. Überzeugende und anrührende Charaktere werfen ein neues Licht auf unser Dasein. Liebe und Tod, Themen, die die Menschen im Innersten treffen, stehen daher auch in der Oper im Vordergrund. Mein Ziel war es, mich auf diese starken Themen zu konzentrieren, die Gefühle musikalisch ausloten, die sie hervorrufen und über die Musik ihrem unbekannten Reich näherkommen. In der Oper geht es weniger um eine äußere Handlung, als vielmehr um die Spannung, die sich aus dem Inneren, dem Seelenleben der Protagonisten ergibt. Nachdem ich mein Text für die Oper gewählt hatte, hatte ich mich - wie so viele um mich herum - gefragt: „Warum L'amour de loin?“ Hinter der bekannten Schönheit der Geschichte, die mich anfänglich interessierte, fühlte ich während der Zeit der Komposition eine langsam wachsende Affinität zu allen drei Charakteren der Oper: Ich sah mich selbst als Komponistin, als Jaufré und ich sah mich als Frau, die im Exil lebt wie Clémence und ich wollte beide zusammenbringen, so wie es der Pilger tut. Der Pilger ist das Schicksal, das beider Leben 26 zusammenbringt und genauso wollte ich mein Leben als Komponistin und als Frau zusammenbringen.“ Auszug aus dem Booklettext der DVD: „L'amour de loin“ / Deutsche Grammophon Übersetzung Anja Renczikowski b.) Die literarische Vorlage Jaufré Rudel stirbt in den Armen der Gräfin von Tripoli (MS der Bibliothèque Nationale) Wer war Jaufré Rudel? Jaufré Rudel war ein südfranzösischer Troubadour adeliger Herkunft. Was über seine Lebensgeschichte erzählt wurde, ist fast ausschließlich Fiktion. So soll er eine romantische „Fernliebe“ (amour de lonh) zu einer Gräfin von Tripolis Melisande verfallen gewesen sein. Ihretwegen begab er sich auf einen Kreuzzug ins Heilige Land. Noch auf der Reise auf dem Meer erkrankte er und starb kurz nach seiner Ankunft in Tripolis in den Armen der von ihm Angebeteten. Die Gräfin habe aus Gram und Trauer noch am gleichen Tag den WitwenSchleier genommen und sei in ein Kloster eingetreten. Es wird angenommen, dass mit der „Gräfin von Tripolis“ Melisande, die Tochter des Grafen Raimond II. von Tripolis, gemeint war. Sechs seiner Troubadour-Lieder sind überliefert, vier davon mit einer Melodie. 27 Der Textdichter Amin Maalouf Amin Maalouf, 1949 im Libanon geboren, lebt seit 1976 in Frankreich, wo er als Journalist und Schriftsteller arbeitet. Maalouf war Direktor der großen Wochenzeitschrift „An Nahar International“ und des Magazins „Jeune Afrique“. Amin Maalouf entstammt dem bedeutenden arabischen Stamm der Maalouf. Er ist im Libanon aufgewachsen und emigrierte zu Beginn des libanesischen Bürgerkrieges 1976 nach Paris, wo er seitdem lebt. Seine Romane beschäftigen sich häufig mit historischen Themen. 1993 erhielt er für seinen Roman „Der Felsen des Tanios“ den Prix Goncourt. Zentrales Thema ist das Aufeinandertreffen verschiedener Religionen und Ethnien, wie etwa von Drusen und Christen im Libanon Mitte des 19. Jahrhunderts. In „Der Felsen des Tanios“ geraten die heterogenen Gruppen des Landes in die imperialen Rivalitäten Englands und Frankreichs um die Levante (siehe auch Geschichte des Libanon). In seinem Buch „Les croisades vues par les Arabes“ (deutsch unter dem etwas reißerischen Titel „Der heilige Krieg der Barbaren“ publiziert) versucht Maalouf, die Kreuzzüge aus Sicht der Araber zu beschreiben. Das Buch ist kein Roman, sondern ein Sachbuch, das auf Recherchen in zeitgenössischen arabischen Quellen basiert, und für den europäischen Leser ein völlig neues Licht auf die damaligen Ereignisse wirft. Vor allem hilft es zu verstehen, warum Al-Qaida so wirkungsvoll zum Kampf gegen die "Kreuzritter" aufrufen kann. Hierbei handelt es sich nicht wie bei Francesco Gabrieli [1] um eine Quellensammlung, sondern um Sekundärliteratur, die zwar Quellennachweise bietet, aber nicht in Form von Fußnoten. Sein Roman „Die Häfen der Levante“ erzählt die Biographie eines im Libanon geborenen Mannes armenisch-türkischer Abstammung, der nach Frankreich emigriert und in der Résistance kämpft, sich in eine 28 jüdische Frau aus Österreich verliebt, die nach Palästina auswandert. Später kehrt er in den Libanon zurück und wird dort Zeuge und Opfer des Nahost-Konfliktes. Dieser Roman wurde auch in einem TV-Feature des Bayerischen Rundfunks vorgestellt. Sein Roman „Die Spur des Patriarchen“ erzählt die Geschichte einer Familie, eigentlich nicht die Geschichte der hochangesehenen Familie Maalouf, sondern die Geschichte der Nachforschungen des Enkels, der alle Aussagen mit Briefen, Tagebüchern und weiteren schriftlichen Dokumenten belegt. Geschickt gelingt es, die Vielschichtigkeit verschiedener Personen der Generation des Großvaters aufzuzeigen, ohne dass der Autor urteilt oder gar verurteilt. So wird an manchen Stelle eine persönliche Familiengeschichte transparent. Dahinter erscheinen dann aber allgemeine menschliche Fragen und Grundmuster der libanesischen Gesellschaft. Besonders diskussionswürdig und bemerkenswert ist das vernichtende Fazit über den Einfluss der Religion, das die Großmutter am Ende des Buches zieht: Wenn die Religion in einer Familie fehle, sei es eine Tragödie, aber wo zu viel Religion sei, sei es nicht besser. Der historische Roman „Leo Africanus“ handelt von einem gelehrten Muslim, der in die Hände der Christen fällt und als Sklave an den päpstlichen Hof kommt. Die Hauptfigur des Romans ist einer historischen Person (frühes 16. Jahrhundert) entlehnt. c.) Der Begriff „Heimat“ bei Amin Maalouf und Kaija Saariaho. Amin Maalouf hat sich immer wieder mit den Themen Wurzeln, Heimat und Fremde beschäftigt. Am Beginn seiner Familienchronik erklärt Amin Maalouf, warum „er Wurzeln nicht mag“. „Wurzeln graben sich in die Erde, ziehen sich durch den Morast, entfalten sich in der Finsternis; sie halten den Baum von Anfang an fest und umsorgen ihn auf Kosten einer Erpressung: „Wenn du dich losreißt, wirst du sterben!“ Der Baum muss sich fügen, er braucht seine Wurzeln; der nicht. Wir atmen Licht, wir strecken uns nach dem Himmel, und wenn wir in die Erde sinken, verwesen wir. Der Saft der Heimaterde steigt nicht durch unsere Füße nach oben, unsere Füße dienen uns einzig zum Gehen. Für uns zählen die Wege. (…) Sie geben uns Hoffnung, sie tragen uns, sie bringen uns voran, schließlich verlassen wir 29 sie. Wir sterben also, wie wir geboren wurden, am Rande eines Weges, den wir nicht ausgesucht haben.“ In: Wolfgang Sandner: Die Kraft der Litanei. Über Kaija Saariahos erste Oper „L'amour de loin“, in: Woher? Wohin? Die Komponistin Kaija Saariaho, hr. Von Hans-Klasu Jungheinrich, Mainz 2007, S. 49. Kaija Saariaho über ihre Heimat: „Ich lebte bis zum Alter von 26 Jahren in Finnland. Und obwohl ich seit zwanzig Jahren in Paris wohne, bin ich Finnin. Wenn ich an Finnland denke, erinnere ich mich an wunderbare Veränderungen des Lichts. Alles ist markant. Der Winter ist unglaublich dunkel. Der Sommer ist berauschend. Die Natur schafft sich ihre eigne Akustik. Insbesondere im Frühjahr und Sommer. Ich bewundere diesen magischen Augenblick, wenn im Wald, nach dem Regen, sich die Vögel durch die feuchten Blätter bewegen und singen. Oder wenn es sehr kalt ist, wenn der Schnee wie feiner weicher Puder ist, es verursacht eine ganz besondere Stille. Und dann gibt es die Akustik des feuchten, schweren Schnees: Alles ist tönende Atmosphäre und hängt eng mit speziellen klimatischen Bedingungen zusammen.“ aus: Tom Mäkelä: Kaija Saariaho und Finnland: in: Woher? Wohin? Die Komponistin Kaija Saariaho, hg. Von Hans-Klaus Jungheinrich, Mainz 2007, S. 22 30