29. DGVT-Kongress für Klinische Psychologie, Psychotherapie und Beratung Langzeitwirkung von kognitiver Verhaltenstherapie Weniger Symptome und mehr Lebensqualität nach ambulanter Verhaltenstherapie? Eine Katamnesestudie zwei bis 20 Jahre nach Abschluss einer Verhaltenstherapie Arleta Berner [email protected] Agenda 1. Theoretischer Hintergrund: Aktueller Stand zu Katamnesestudien 2. Forschungsvorhaben: 2-Jahres-Katamnesen 3. Methode 2-Jahres-Katamnesen 4. Aktueller Stand 2-Jahres-Katamnesen 5. Methode 5-20 Jahres Katamnesen 6. Ausblick 5-20 Jahres Katamnesen 2 1. Aktueller Stand zu Katamnesestudien Warum ist es wichtig, sich der katamnestischen Forschung zu widmen? • Katamnestische Untersuchungen liefern wertvolle Informationen, die zur Verbesserung von Psychotherapie beitragen (Kanfer et al., 2012). → D.h. also: Was erlebten Patienten als besonders hilfreich in der Therapie? Was war wichtig? → Im Vergleich zum Abschluss der Therapie: Wie ist das aktuelle Befinden? • Laut Methodenpapier des wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie (WBP) sind Katamnesen zentral, um die Nützlichkeit einer Methode überhaupt abschätzen zu können 3 1. Aktueller Stand zu Katamnesestudien Definition: Bisherige Studien zu Langzeitwirkung verschiedener Behandlungsmethoden definieren Langzeitwirkung zumeist über einen Zeitraum von max. zwei Jahren und erfassen nach dieser Zeit in der Regel auch keine Followup Daten mehr (z.B. Durham, Chambers, Power, Sharp, Macdonald, Major, Dow & Gumley, 2005; Vittengl et al., 2007). 4 1. Aktueller Stand zu Katamnesestudien • Die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist ein gut etabliertes Therapieverfahren (Stewart et al., 2009; Chambless & Ollendick, 2001) • Psychotherapeutische Interventionen bewirken eine Reduktion im Ausmaß der jeweiligen Symptomatik, eine Verringerung des subjektiven Leidens und eine Verbesserung der Lebensqualität (Hans & Hiller, 2013; Chambless & Ollendick, 2001). 5 1. Aktueller Stand zu Katamnesestudien • Anhand der gut untersuchten Angststörungen wie Panikstörung und Agoraphobie lässt sich ein stabiler Erfolg zum Follow-up Zeitpunkt von zwei Jahren nachweisen (Renneberg et al., 2013). • Die 1-Jahres-Katamnesen zeigen sogar, dass sich 75% der Patienten ein Jahr nach Therapieende noch weiter verbessern (Margraf et al., 2009). 6 1. Aktueller Stand zu Katamnesestudien • Willutzki et al. (2012) konnten sowohl in einer 2jährigen als auch10-Jahres Katamnese einen nachhaltigen Therapieerfolg anhand von ehemaligen Patienten mit Sozialer Phobie nachweisen. z.B. FB 2-Jahres-Kat (ES) 10-Jahres-Kat (ES) SCL-GSI 1.08 1.45 • Insgesamt belegt die aktuelle Studienlage der 2-Jahres Katamnesen die Nachhaltigkeit von KVT. 7 1. Aktueller Stand zu Katamnesestudien Schwierigkeiten: • Retrospektive Verlaufsbeurteilung • Hoher zeitlicher Aufwand, viel Manpower erforderlich • Langzeitstudien haben häufig mit hohen Drop-out Raten zum Follow-up Zeitpunkt zu kämpfen • Am Beispiel von Willutzki et al. (2012) , ist eine Drop-out Rate von 26% zwischen Prä-Zeitpunkt und Katamnese-Zeitpunkt festzustellen und 47% zwischen 2-Jahres Follow-up und 10-Jahres Follow-up festzumachen 8 1. Aktueller Stand zu Katamnesestudien Jeweils noch erreichte PatientInnen Willutzki et al. (2012) 100% 74% 39% Baseline 2-Jahres Kat 10-Jahres Kat 9 1. Aktueller Stand zu Katamnesestudien Trotz aller Schwierigkeiten und Hindernisse, welche Ideen gibt es aus der bisherigen Studienlage zur Langzeitwirkung? Was trägt zur Stabilität des Erfolges bei? 10 1. Aktueller Stand zu Katamnesestudien Motivationale Aspekte Symptomschwere Intervention Komorbidität Kohärenzsinn Sozialer Status Patientenmerkmale Soziodemographische Faktoren Neurotizismus Bewältigungsstill Therapeutische Beziehung Therapiemerkmale LZT vs. KZT Alter Geschlecht Frequenz der Sitzungen Langzeitverlauf Caspar et al., 2008, Brockmann et al., 2006 11 2. Ziel/Fragestellung 1. Was empfinden Patienten rückwirkend als besonders hilfreich in der Psychotherapie? 2. Wie stabil ist der Therapieerfolg unter Versorgungsbedingungen und störungsübergreifend? 3. Unterscheiden sich Therapieabbrecher (NonCompleter) von Patienten, die die Therapie regulär beendet haben (Completer)? 4. Gibt es Prädiktoren auf Patientenseite, die einen langfristigen Therapieerfolg vorhersagen? 12 2.1 Rahmenbedingungen Die Untersuchung findet im Rahmen eines Kooperationsprojektes statt. Involviert sind bei dem Projekt: Prof. Ulrike Willutzki, Prof. Jürgen Margraf, Dr. Ruth von Brachel, Patrizia Odyniec, Arleta Berner, Masterstudierende der RUB & Uni W/H 13 2.1 Rahmenbedingungen 1. 574 Patienten haben die 2-Jahres Katamnesen abgeschlossen • Datensatz wird ausgewertet 2. Kontaktaufnahme mit Patienten, die vor 5-20 Jahren die Therapie beendet haben • Datenerhebung läuft 14 3.Methode Welche Schritte wurden als erstes eingeleitet? • • Die aktuelle Literaturrecherche in PsycINFO, MEDLINE, Cochrane, OPAC & PubMed ergab zum Suchbegriff long-term effectiveness, long-term treatment outcome ((Langzeitkatamnese OR Katamnese OR follow-up OR long-term follow-up OR long-term effects) AND (Psychotherapie OR Behavioral Therapy OR Verhaltenstherapie)) insgesamt 6400 Paper Die Abstracts der Paper wurden nach folgenden Kriterien gescreent: KVT? Diagnosestellung nach DSM IV?, Medikamentöses Treatment?, Katamnesezeitraum ≧ 2 Literatur ingesamt Relevante Literatur 6400 In Auswertung (2 Jahres-KAT) 15 3.Methode Datenexport 16 3.Methode Geschlecht Alter 1. Patiententabelle: Angaben zu den Patienten Diagnose 2. Fragebogendateien: ASI BDI BSI BSI_Plus BSQ SPAI SCL SOC HZI IES MI Completer? Non-Completer? SOMS WDQ SCL-K9 EDI FSS VEV 17 3.Methode • Hauptquellen; Fragebögen aus… – Diagnostischen Sitzungen (DU) • Es gibt „Routinepatienten“, Pat. aus Forschungsprojekten: – Verschiedene Studien z.B. Soziale Phobie, Angstgenetikstudie – Patienten werden von approbierten und Therapeuten in Ausbildung behandelt • Problem: – Trotz digitaler Akte keine inhaltliche Dokumentation der Therapie – kein einheitliches Vorgehen zum Umgang mit Fragebögen über die Jahre (Standardfragebögen und störungsspezifische Fragebögen variieren über die Jahre, aber nicht innerhalb eines Patienten) 18 4. Aktueller Stand inklusive Ausblick Erste Ergebnisse 2-Jahres Katamnese 19 4. Aktueller Stand inklusive Ausblick • N=574 zum Follow-up Zeitpunkt nach 2 Jahren • 53.9% weiblich, 46.1% männlich • Durchschnittliches Alter 37.3 (SD =11.5) • Durchschnittliche Sitzungsanzahl 35.6 (SD = 17.3) • Keine Einschränkung bzgl. der Diagnose • Patienten unter Routineversorgung und Patienten aus Forschungsprojekten 20 4. Aktueller Stand inklusive Ausblick Diagnosen 60 50 40 30 20 10 0 53,8 19,9 18,7 2,7 2,2 1,3 1,2 0,2 Verteilung in Prozentangaben (%) 21 4. Aktueller Stand inklusive Ausblick DUPrä DUPost DUKat6 DUKat12 DUKat24 22 4. Aktueller Stand inklusive Ausblick Der BSI erfasst störungsübergreifend die psychische Belastung. Es handelt sich um einen Selbsteinschätzungsinstrument, bestehend aus 53 Items, welche auf einer 5-Stufigen Likert-Sklala beantwortet werden. Als klinisch relevant gelten Werte oberhalb des Cut-Off Wertes ≥ .63. Bsp.-Item: 23 4. Aktueller Stand inklusive Ausblick FB N Prä M (SD) Post M (SD) ES δ (SD) BSI (Comp.) 1897 1.16 (.67) .58 (.59) .81*** (.91) BSI 2108 1.29 (.70) 1.01 (.71) .39*** (.81) (Non-Comp.) Effektstärke berechnet: (Mprä - Mpost) / SDprä) *** p<.001, ** p<.01, * p<.05 FB N Prä M (SD) Kat24 M (SD) ES δ (SD) BSI (Comp.) 548 1.16 (.67) .55 (.57) .89*** (.94) BSI 26 1.29 (.70) .59 (.59) .51*** (.77) (Non-Comp.) Effektstärke berechnet: (Mprä - MKat24) / SDprä) *** p<.001, ** p<.01, * p<.05 24 4. Aktueller Stand inklusive Ausblick • Aus den Berechnungen der bereits zugrunde liegenden Daten aus den 2Jahres Katamnesen (n=574) ergeben sich folgende Ergebnisse: • Patienten verbessern sich zwischen Prä-Zeitpunkt und Therapieende hochsignifikant in ihren BSI-Werten. • Completer und Non-Completer unterscheiden sich zum Ende der Therapie hochsignifikant (***p <.001) in ihren Effektstärken. • Auch zum Katamnesezeitpunkt nach 2 Jahren liegt ein signifikanter Unterschied von ** p<.04 zwischen Completern und Non-completern 25 4. Aktueller Stand inklusive Ausblick • Zum Zeitpunkt der 2-Jahres Katamnesen bleibt der Therapieerfolg stabil. • Sowohl zum Therapieende als auch nach 2 Jahren liegt der BSI-Wert im Mittel bei .55 und damit unterhalb des klinischen Cut-off-Wertes von .63. 26 Ziel/Fragestellung 1. Was empfinden Patienten rückwirkend als besonders hilfreich in der Psychotherapie? 2. Wie stabil ist der Therapieerfolg unter Versorgungsbedingungen und störungsübergreifend? 3. Unterscheiden sich Therapieabbrecher (NonCompleter) von Patienten, die die Therapie regulär beendet haben (Completer)? 4. Gibt es Prädiktoren auf Patientenseite, die einen langfristigen Therapieerfolg vorhersagen? 27 5. Projekt 2 • Es gibt deutlich viele Studien zu 2-Jahres Katamnesen, die die Nachhaltigkeit von KVT belegen. • Dennoch gibt es nur wenige Untersuchungen zur langfristigen Stabilität (> 2 Jahre) dieser Effekte (Emmelkamp, 2013). Willutzki et al. (2012) FB 2-Jahres-Kat (ES) 10-Jahres-Kat (ES) SCL-GSI 1.08 1.45 28 5. Projekt 2 1. 574 Patienten haben die 2-Jahres Katamnesen abgeschlossen • Datensatz wird ausgewertet 2. Kontaktaufnahme mit Patienten, die vor 5-20 Jahren die Therapie beendet haben • Datenerhebung läuft 29 5.1 Methode Selektion, der zu kontaktierenden Patienten: 9704 (1989-2014) Einschränkung: 01.01.199431.12.2010 5097 Test/ Musterpatienten, KiJu-Patienten 574 Pat. zu 2jahres-KAT Mindestens 5 prob. Sitzungen 1968 Davon sind noch einige Patienten, die 2-3x eine PT in Anspruch genommen haben 30 5.1 Methode Kontaktaufnahme mit Patienten 31 5.1 Methode Kohorte 19942010 kontaktiert 134 Briefrückl äufer 278 Patienten postalisch kontaktiert 144 Briefe zugestellt Einleitung Recherche Google, Telefonkontakt 11880, Amtshilfe • Hoher zeitlicher Aufwand (>12 Monate) >90 Patienten nicht erreicht Einleitung Recherche: Telefonbuch, 11880 Stand Februar 2016 • Viel Manpower: bislang 11 Mitarbeiter, 5 weitere werden eingearbeitet 181 Telefonisch erreicht 64 keine Teilnahme 117 möchten teilnehmen 32 5.1 Methode Datenerhebung 5-10 Jahres Katamnesen 33 5.1 Methode • Bei der Datenerhebung werden auch die Angehörigen der Patienten erhoben aus Studien ist bekannt, dass die Angehörigen psychisch kranker Menschen stark unter der Erkrankung mitleiden (z.B. Anastasiadou , Sepulveda, & Treasure, 2014; Steele, Marayuma, & Galynka, 2010) Einige wenige Studien zeigen auch, dass der positive therapeutische Effekt auf die Angehörigen von Patienten übertragbar ist (Schneider, In-Albon, Nuendel, & Margraf, 2013) 34 5.1 Methode • Durchführung der Telefoninterviews mit ehemaligen Patienten [und deren Angehörigen, wenn Patient einverstanden] danach zuschicken von Fragebögen Paper Pencil Zuschicken von Fragebögen Fragebögen online Patienten/Angehörige werden ermuntert, sich für die Online-Version zu entscheiden 35 5.1 Methode PatientIn Grundstock: WHOQOL SES-früher SES-heute BDI BSI PartnerIn PFB-K, BSI Kinder ab 10J. ZKE-Kinderversion, SDQ Störungsspezifische Fragebögen: ACQ, BSQ, STAI, MI, IES, PSWQ, SOMS, SPAI, FSS… Wenn Partner mitmacht: PFB-K, Wenn Kind mitmacht: ZKE-Elternversion 36 5.1 Methode MiniDIPS • Durchführung des diagnostischen Interviews, mit Hilfe des Mini-DIPS nach DSM-IV (Margraf, 1994) • Das Interview wird ergänzt durch Fragen des Mini-DIPS nach DSM-V (Cwik et al., in Arbeit) • Fragen nach vergangenen Episoden jeder psychischen Störung und deren Remission; alle Episoden, die jemals aufgetreten sind und wann (vor, nach, während der Therapie) Vergangene Episoden Disability Ranking Ergänzung • Beeinträchtigung in Bezug auf Arbeit, Freizeit, Familie • Weitere Ergänzung durch Fragen aus den katamnestischen Telefoninterviews • Medikamentenfragebogen 37 5.1 Methode • Diagnosevergabe nach DSM IV und DSM 5 Hauptdiagnose, Nebendiagnose und Lifetime-Diagnose inklusive Schweregrad (1, 2 oder 3) Beispiel: • Major Depression: • • • Leicht: Es treten wenige oder keine Symptome zusätzlich zu den Symptomen, die zur Vergabe der Diagnose erforderlich sind; die Intensität der Symptome ist belastend aber beherrschbar; und die Symptome führen zu geringfügigen Beeinträchtigungen in sozialen oder beruflichen Funktionsbereichen (Freizeit, Beruf) [z.B. 5 Symptome (Davon muss eins entweder Kriterium A1 oder A2 sein Symptome sind belastend] Mittel: Die Anzahl und Intensität der Symptome und/oder funktionellen Beeinträchtigungen liegen zwischen denen, die als „leichtgradig“ und „schwergradig“ bezeichnet werden. [z.B. 6-7 Symptome] Schwer: Die Anzahl der Symptome geht deutlich über die Symptome hinaus, die zur Vergabe der Diagnose erforderlich sind; die Intensität der Symptome ist äußerst bealstend und nicht zu bewältigen; und die Symptome beeinträchtigen deutlich das soziale und berufliche 38 Funktionsniveau. [z.B. mehr als 8] 6. Aktueller Stand inklusive Ausblick Erste Ergebnisse aus aktueller Erhebung 39 6. Aktueller Stand inklusive Ausblick Anzahl Patienten 44% 27% lost to Follow-up Verstorben 3% 26% Teilnahme abgelehnt Teilnahme 40 6. Aktueller Stand inklusive Ausblick Katamnesezeiträume 60 50,5 50 40 30 20 10 Verteilung in %Angaben 11,8 9,7 9,7 12,9 5,4 0 41 6. Aktueller Stand inklusive Ausblick 62,5% 2007-2009 18,8% ’94/95 & ‘98 18,7% 2003-2006 n = 114 42 Ziel/Fragestellung 1. Was empfinden Patienten rückwirkend als besonders hilfreich in der Psychotherapie? 2. Wie stabil ist der Therapieerfolg unter Versorgungsbedingungen und störungsübergreifend? 3. Unterscheiden sich Therapieabbrecher (Non-Complete) von Patienten, die die Therapie regulär beendet haben (Completer)? 4. Gibt es Prädiktoren auf Patientenseite, die einen langfristigen Therapieerfolg vorhersagen? 43 6. Aktueller Stand inklusive Ausblick „Was hat Ihnen geholfen, was empfanden Sie als hilfreich?“ • • • • Psychoedukation Übungen (konfrontative Verfahren) Tagebücher Therapeutische Beziehung 44 45 Danke für Ihre Aufmerksamkeit 46