WEBERN »Langsamer Satz« BERG »Sieben frühe Lieder« BRUCKNER 6. Symphonie JÄRVI, Dirigent PERETYATKO, Sopran Freitag 10_06_2016 20 Uhr Samstag 11_06_2016 19 Uhr Sonntag 12_06_2016 19 Uhr Immer eine brillante Geschenkidee... Echt brillante Fridrich Geschenk-Idee: Zum Beispiel: * EKA, das elastische FOPE-Armband in 750/– Gelb-, Weiß- oder Roségold, mit brillantbesetzter Ronde ab € 4.430,– TRAURINGHAUS · SCHMUCK · JUWELEN · UHREN · MEISTERWERKSTÄTTEN J. B. FRIDRICH GMBH & CO.KG · SENDLINGER STRASSE 15 · 80331 MÜNCHEN TELEFON: 089 260 80 38 · WWW.FRIDRICH.DE ANTON WEBERN »Langsamer Satz« für Streichquartett (1905) Fassung für Streichorchester von Gerard Schwarz ALBAN BERG »Sieben frühe Lieder« für Singstimme und Orchester 1. »Nacht« (Sehr langsam) 2. »Schilflied« (Mäßig bewegt) 3. »Die Nachtigall« (Zart bewegt) 4. »Traumgekrönt« (Langsam) 5. »Im Zimmer« (Leicht bewegt) 6. »Liebesode« (Sehr langsam) 7. »Sommertage« (Schwungvoll) ANTON BRUCKNER Symphonie Nr. 6 A-Dur 1. Majestoso 2. Adagio: Sehr feierlich 3. Scherzo: Nicht schnell – Trio: Langsam 4. Finale: Bewegt, doch nicht zu schnell PAAVO JÄRVI Dirigent OLGA PERETYATKO Sopran 118. Spielzeit seit der Gründung 1893 VALERY GERGIEV, Chefdirigent PAUL MÜLLER, Intendant 2 Der Prophet als junger Mann SUSANNE STÄHR ANTON WEBERN (1883-1945) »Langsamer Satz« für Streichquartett (1905) Fassung für Streichorchester von Gerard Schwarz LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN Geboren als Anton von Webern am 3. Dezember 1883 in Wien; getötet am 15. September 1945 in Mittersill (Land Salzburg / Österreich): als Anton Webern während der nächtlich verhängten Ausgangssperre lediglich vor die Haustür trat (ohne Anstalten zu machen, das Haus tatsächlich zu verlassen), wurde er bei dem Versuch, sich eine Zigarre anzuzünden, von einem amerikanischen Besatzungssoldaten ohne Vorwarnung erschossen. ENTSTEHUNG Anton Webern hat nur 31 Werke seines knappen Œuvres mit Opuszahlen versehen, beginnend mit der Passacaglia für Orchester op. 1, die 1908 entstand. Komponiert aber hat er schon seit 1899, und dieses Frühwerk umfasst mehr als hundert Stücke, meistenteils Lieder, Klavierminiaturen und Werke für Streicher. Dazu zählt auch der »Langsame Satz« für Streichquartett, den Webern im Anschluss an eine ausgedehnte Landpartie mit seiner Kusine und späteren Ehefrau Wilhelmine Mörtl zu Papier brachte: Die handschriftliche Partitur trägt das Datum Juni 1905. Parallel dazu richtete Webern auch einen kompletten Stimmensatz ein. Diese Maßnahme lässt darauf schließen, dass er eine Aufführung zumindest im privaten Kreis vorbereitet und eventuell auch durchgeführt hat. Denkbar wäre etwa, dass der »Langsame Satz« im Zirkel seines Lehrers Arnold Schönberg erklungen ist. Zu einer Drucklegung konnte sich Webern zeitlebens nicht entschließen. URAUFFÜHRUNG Am 27. Mai 1962 in Seattle (Washington / USA) durch das University of Washington String Quartet (Solisten: Emanuel Zetlin, Richard Ferrin, Vilem Sokol und Eva Heinitz). Anton Webern: »Langsamer Satz« 3 Anton Webern als Wanderer in Kärnten (um 1905) Anton Webern: »Langsamer Satz« 4 Wenn Sie nicht wüssten, wer der Komponist ist, der am Anfang des heutigen Programms steht, wenn Sie also das erste Werk »blindverkosten« müssten – worauf würden Sie dann wohl tippen ? Ganz und gar spätromantisch klingt dieser »Langsame Satz« für Streichorchester, sehnsüchtig im Charakter, wenn nicht gar schmachtend. Einflüsse von Strauss, Wagner oder Mahler sind spürbar, vielleicht auch, in der Verarbeitungstechnik, von Johannes Brahms. Der wahre Urheber aber, der Österreicher Anton Webern, kommt einem bei diesen Klängen wohl kaum in den Sinn. Denn alles, was man gemeinhin mit Weberns Musik verbindet – zum Beispiel die Atonalität, die lakonische Kürze oder die Verdichtung der Textur – ist hier nicht zu finden. Dieser Webern klingt nicht nach Webern, und das ist auch kein Wunder. Der »Langsame Satz«, den der Komponist im Juni 1905 als 21-Jähriger schuf, dokumentiert vielmehr seine künstlerischen Anfänge. Und die wurzelten noch ganz in der musikhistorischen Tradition. WAGNER-PILGER UND SCHÖNBERG-JÜNGER Als Sohn eines Bergbauingenieurs wurde Anton Webern 1883 in Wien geboren und erhielt früh eine profunde musikalische Ausbildung. Schon als 14-Jähriger, 1898, wurde er in die Cellogruppe des Konzertvereinsorchesters in Klagenfurt aufgenommen, wo die Familie seit 1894 lebte. Seine ersten Werke, zwei Stücke für Violoncello und Klavier aus dem Jahr 1899, schuf er denn auch zum Eigengebrauch, für das gemeinsame häusliche Spiel mit seiner älteren Schwester Maria. Es folgten Lieder und Klavierstücke, die Weberns Interesse an der schöpferischen Arbeit bezeugen, aber dennoch wagte er es zunächst nicht, sich an einem Konservatorium zu bewerben, sondern entschied sich dafür, nach der Matura an der Wiener Universität das Fach Musikwissenschaft zu belegen, nicht zuletzt, weil seine Eltern einer künstlerischen Laufbahn skeptisch gegenüberstanden. Mit der Promotion und einer Arbeit über Heinrich Isaacs »Choralis Constantinus« schloss er das Studium im Jahr 1906 auch ordnungsgemäß ab – doch seine Leidenschaft galt längst der kreativen Disziplin. Ein Schlüsselerlebnis bildete für den jungen Anton Webern fraglos die Begegnung mit der Musik Richard Wagners: Im April 1901 hatte er in Graz erstmals »Tristan und Isolde« gehört, im Jahr darauf spendierte ihm der Vater zum Schulabschluss eine Reise zu den Wagner-Festspielen – zeitlebens werde er noch »an diese meine erste Bayreuther Pilgerfahrt denken«, gestand er danach. Hans Pfitzner schien ihm ein geeigneter Lehrer zu sein, um das kompositorische Rüstzeug zu erhalten, mit dem er Wagners Spuren folgten könnte. Im Frühjahr 1904 reiste er deshalb zu Pfitzner nach Berlin, doch als er im Bewerbungs­ gespräch seine Begeisterung für die Musik von Richard Strauss und Gustav Mahler erwähnte und Pfitzner darauf nur mit abschätzigen Bemerkungen reagierte, warf Webern alle Pläne über Bord. Stattdessen meldete er sich in Wien für die Kurse des damals 30-jährigen Arnold Schönberg an, der selbst erst an der Schwelle zum Ruhm stand, um sich herum aber bereits einen illustren Kreis von Künstlern verschiedener Sparten versammelt hatte und über eine auratische Persönlichkeit verfügte. Schönberg akzeptierte Webern als Privatschüler – und sollte in ihm seinen treuesten »Jünger« finden. Anton Webern: »Langsamer Satz« 5 Arnold Schönberg inmitten seiner Schüler, links vorne Anton Webern (um 1910) Anton Webern: »Langsamer Satz« 6 »ZWEI SEELEN HATTEN SICH VERMÄHLT !« Der »Langsame Satz« für Streichquartett stammt aus Weberns zweitem Studienjahr bei seinem neuen Lehrer, aber es ist wenig wahrscheinlich, dass Schönberg unmittelbar auf das Werk Einfluss genommen hat. Viel eher dürfte ein privates Ereignis den Impuls zur Komposition gesetzt haben: Über das Pfingstfest des Jahres 1905 unternahm Webern einen fünftägigen Ausflug mit seiner Cousine Wilhelmine Mörtl, mit ausgedehnten Wanderungen durch das Waldviertel. Und es war nicht nur die schöne Landschaft oder das Naturerlebnis der duftenden Wälder und satten Wiesen, das die bei­den begeisterte. Nein, sie entdeckten vielmehr ihre Gefühle füreinander: »Zwei Seelen hatten sich vermählt !«, vermerkte Webern euphorisch in seinem Tagebuch, und tatsächlich sollte die Beziehung der beiden sieben Jahre später in die Ehe münden. Der Quartettsatz, der unmittelbar nach dem folgenreichen Pfingstfest entstand, scheint den Überschwang der Gefühle jedenfalls plastisch zu spiegeln. Dies bewerkstelligt Webern mit einer ausgreifenden Kantilene, die zunächst in der ersten Violine herausgestellt wird, später dann aber auch durch die anderen Instrumente wandert und dabei mit raffinierten Modulationen und rhythmischen Veränderungen immer wieder neu ausgeleuchtet wird. Ein zweites Thema bezieht sich ebenfalls auf diese Melodie, indem es sie partiell spiegelt – eine Technik, wie man sie von Johannes Brahms kennt. Auch wenn die Harmonik im Verlauf des Satzes erweitert und ausgereizt wird, bleibt stets das tonale Zentrum erkennbar, das zwischen EsDur und c-Moll pendelt. Der schwelgerische Klang, der sich bis zum dreifachen Forte und zu höchster Expressivität aufschwingt, bevor das Werk im zarten Pianissimo ausklingt, wird in der Fassung für Streichorchester, die der amerikanische Dirigent Gerard Schwarz eingerichtet hat, ganz bewusst betont. Schwarz hat aus dem Tonsatz eine zusätzliche Kontrabass-­ Stimme destilliert, die das Bassfundament verstärkt, und die chorische Streicher­ besetzung sorgt für einen Breitwandsound, der weniger auf intime Gedanken als auf äußere Wirkung gerichtet ist. DER ANDERE WEG Anton Webern selbst hat neben der Partitur auch einen handschriftlichen Satz der Stimmen eingerichtet: eine Maßnahme, die darauf hindeutet, dass der »Langsame Satz« zumindest im privaten Kreis einmal zur Aufführung gelangt sein könnte. Zur Publikation freigegeben hat er das Werk aber nicht: Die öffentliche Uraufführung erfolgte erst 1962 in Seattle / USA - ein Jahr, nachdem es im Druck erschienen war. Für die Nachwelt offenbart der Satz, über welch erstaunliche Fertigkeiten Webern im Feld des tonalen Komponierens verfügte – und dass sein Werdegang theoretisch auch ganz anders denkbar gewesen wäre. Aber wie sagte schon sein Lehrer Arnold Schönberg: »Kunst kommt nicht vom Können, sondern vom Müssen.« Und Anton Webern musste einen anderen Weg beschreiten, um das zu werden, was ihn letztlich auszeichnete: das große Leitbild und der Prophet der Nachkriegs-Avantgarde, dessen Ökonomie der Mittel und Komplexität der Konstruktion eine ganze Komponistengeneration geprägt hat. Anton Webern: »Langsamer Satz« 7 »Überströmende Wärme des Fühlens« ALEXANDRA MARIA DIELITZ ENTSTEHUNG ALBAN BERG (1885–1935) »Sieben frühe Lieder« für Singstimme und Orchester 1. »Nacht« (Sehr langsam) 2. »Schilflied« (Mäßig bewegt) 3. »Die Nachtigall« (Zart bewegt) 4. »Traumgekrönt« (Langsam) 5. »Im Zimmer« (Leicht bewegt) 6. »Liebesode« (Sehr langsam) 7. »Sommertage« (Schwungvoll) Zunächst als Autodidakt, dann während des Studiums bei Arnold Schönberg komponierte Alban Berg rund 140 Klavierlieder, die an die Kunstliedtradition der deutschen Romantik anknüpfen, aber auch zuweilen Bergs späteren »expressionistischen Ton« vorwegnehmen. Sieben dieser frühen Lieder aus den Jahren 1905 bis 1908 hat Berg 1928 überarbeitet, instrumentiert und zum Zyklus »Sieben frühe Lieder« zusammengefasst. WIDMUNG LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN Geboren am 9. Februar 1885 in Wien; gestorben am 24. Dezember 1935 in Wien – Berichten der Familie zufolge jedoch bereits am 23. Dezember kurz vor Mitternacht. »Meiner Helene«: der Sängerin Helene Karoline Berg, geb. Nahowski (1885–1976), die Alban Berg 1911 trotz erbitterten Wider­ stands seitens ihrer Familie heiratete. URAUFFÜHRUNG Am 18. März 1928 in Wien im Rahmen eines »Wiener Rundfunkkonzerts« (Wiener Sinfonie-Orchester unter Leitung von Paul von Klenau; Solistin: Wanda Achsel-Clemens). Alban Berg: »Sieben frühe Lieder« 8 SCHÜLER BEI ARNOLD SCHÖNBERG Im Herbst 1904 veröffentlichte Arnold Schönberg in der »Neuen musikalischen Presse« eine »Unterrichtsanzeige«. Charly Berg legte dem Meister daraufhin ungefragt einige Lieder seines schüchternen Bruders Alban vor, der gerade erst der Schulbank entwachsen war und seit einiger Zeit Gedichte in der Kunstliedtradition zwischen Schubert und Hugo Wolf vertonte. Schönberg erkannte sofort die außerordentliche Begabung und nahm den mittellosen Alban Berg als Schüler auf. Der pädagogische Eros ließ ihn sogar großzügig auf sein Honorar verzichten, denn »schon aus Bergs frühesten Kompositionen, so ungeschickt sie auch gewesen sein mögen, konnte man zweierlei entnehmen: Erstens, dass Musik ihm eine Sprache war und dass er sich in dieser Sprache tatsächlich ausdrückte. Und zweitens: überströmende Wärme des Fühlens. Es war ein Vergnügen, ihn zu unterrichten...« Schönberg wurde zu Bergs verehrtem Vorbild und väterlichem Mentor, obwohl oder gerade weil er nicht mit schärfster Kritik sparte. So bemängelte er die Ausschließlichkeit, mit der sein literarisch bewanderter Schützling sich der Komposition von Liedern widmete, die überdies selbst im Klavierpart »etwas vom Gesangsstil hatten«. Tatsächlich konnte Berg erst nach vierjährigem Unterricht mit der Klavier­ sonate op. 1 sein erstes Instrumentalwerk vorlegen. nist später als Jugendarbeiten von geringem künstlerischen Wert. Zur Veröffentlichung bestimmte er daher neben der Storm-Vertonung »Schließe mir die Augen beide« nur die sogenannten »Sieben frühen Lieder«, deren Auswahl nicht zuletzt in ihrer autobiographischen Bedeutung begründet liegt. Denn sie entstanden in jenen Jahren (1905–1908), da der junge Schönberg­- Schüler die Sängerin Helene Nahowski kennen lernte, die er 1911 nach langem Widerstand von Seiten ihrer Familie heiratete. Als Ausdruck seiner ersten schwärmerischen Liebe waren diese Lieder 1928, als sie mit der Widmung »Meiner Helene« in der originalen Klavier- sowie in einer neuen Orchesterfassung erschienen, zum klingenden Erinnerungs­album geworden. Tatsächlich ist bei der Anordnung der Lieder eine gewisse »Dramaturgie der Gefühle« zu erkennen: Auf die Einsamkeit in der Natur (»Nacht«) und auf die Ahnung vom »lieblichen Gesang« (!) des Mädchens (»Schilflied«) und deren Liebeserwachen (»Nachtigall«) folgt der erste Kuss (»Traumgekrönt«), der in inniger Zweisamkeit (»Im Zimmer«) und sinnlichem Rausch (»Liebes­ ode«) aufgeht, um schließlich in die »blaue Ewigkeit« des gemeinsamen Lebensglücks (»Sommertage«) zu münden. Nur drei der sieben Lieder waren zur Zeit ihrer Entstehung öffentlich erklungen – am 7. November 1907 im Rahmen eines Konzerts mit Werken von Schönberg-Schülern, das Bergs Debüt als Komponist bedeutet hatte. »MEINER HELENE« »DER KLANG, VIELFÄLTIG ­GEBROCHEN« Die rund 140 Lieder, die vor dieser offiziellen Eröffnung seines Werkkatalogs entstanden waren, betrachtete der Kompo- Seither waren zwei Jahrzehnte vergangen, in denen er an der Seite Schönbergs vom wagnerisch durchleuchteten Kosmos der Alban Berg: »Sieben frühe Lieder« 9 Der junge Alban Berg zur Zeit seiner frühen Liedkompositionen (um 1905) Alban Berg: »Sieben frühe Lieder« 10 »Verklärten Nacht« in die Atonalität aufgebrochen war, dessen »Methode der Komposition mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen« adaptiert und Meisterwerke wie die »Lyrische Suite« oder »Wozzeck« vorgelegt hatte. Dennoch gelang es ihm bei der In­ strumentierung seiner »Frühen Lieder« mühelos, den Bogen zurück zur spätromantischen Welt seiner Jugend zu schlagen. Sensibel variierte er die Orchesterbesetzung von Lied zu Lied, um jeder Stimmung ihr eigenes Klangbild zu verleihen. Behutsam bereicherte er den transparent gehaltenen Satz durch motivisch integrierte Ne­ benstimmen und raffinierte koloristische Effekte. Selbst die Singstimme, die in weiten Melodiebögen diesen üppig schillernden Klangteppich überwölbt, wird ständig neu abgetönt, indem sie von solistischen Blasoder Streichinstrumenten gestützt wird. Auch Theodor W. Adorno empfand die Bearbeitung des jungen Berg durch den reifen Berg als künstlerisch und stilistisch kohärent: »Der Klang gleicht der Musik, die er ausspricht, ist so differenziert, so vielfältig gebrochen wie jene.« »WEITES WUNDERLAND« Das volle Orchester kommt nur im ersten und letzten Lied zum Einsatz: In »Nacht« nach einem Gedicht Carl Hauptmanns, des älteren Bruders von Gerhart Hauptmann, empfinden leise Pizzicati und geheimnisvoll oszillierende Bläserakkorde die dämmrig-­ verhangene Atmosphäre der ersten Verse nach, während zu glitzernden Harfenarpeg­ gien und schmelzendem Streicherklang die Nebel zerreißen und den Blick auf das »weite Wunderland« freigeben. Die Einsamkeit des lyrischen Ich wird offenbar, wenn nur ein zartes Echo der Flöte auf die mahnenden Rufe (»Trinke Seele !«) antwortet, um am Ende wie erstarrend zu verklingen. Den Rahmen schließt das inhaltliche Gegenstück »Sommertage« nach einem Gedicht von Bergs ehemaligem Schulfreund Paul Hohen­ berg: Auch hier geht die Natur in einem »Wunderland« der Empfindung auf, in dem jedoch die schwärmerische Einsamkeit von gelebter Zweisamkeit, das kühle Mondlicht von warmem Sonnenschein abgelöst ist. Entsprechend findet der Orchesterklang vom ahnungsvollen Dämmerton des ersten Lieds im abschließenden letzten zu lichter Serenität und am Ende fast Strauss’schem Überschwang. Für das »Schilflied« Nikolaus Lenaus re­ duzierte Berg das Orchester durch solistische Instrumentalbesetzung auf kammermusikalischen Umfang, was der intimen Sze­ ne am »Schilfgestade« entspricht. Streichertremoli und Flatterzungen in den Blä­­sern lassen das »Rohr« rauschen, während die klagende Oboe die Stimme der Geliebten evoziert. Im dritten Lied »Nachtigall« nach Theodor Storm konzentrierte sich Berg auf die vielfach geteilten, teilweise gedämpften Streicher, um der Stimme ganz den Vortritt zu lassen. Schließlich ist die Sopranpartie mit ihren wundervoll aufblühenden Kantilenen hier der »süße Schall« des Nachtigallgesangs und somit Symbol und Klang­ chiffre für das zarte Aufknospen einer Mädchenseele, was aus den Versen des Mittelteils und den expressiven Seufzern zweier Solocelli klar hervorgeht. »DER HERRLICHSTE DER KÜSSE« In jeder Hinsicht zentral ist das vierte Lied »Traumgekrönt«. Das nach Musik geradezu verlangende Gedicht Rainer Maria Rilkes muss Berg ganz besonders angesprochen haben. Einen emphatischen Brief, den er Helene nach dem ersten Kuss schrieb, ließ Alban Berg: »Sieben frühe Lieder« 11 Alban Berg und Helene Nahowski am Tag ihrer Verlobung (1909) Alban Berg: »Sieben frühe Lieder« 12 er in das Zitat von Rilkes Schlussvers münden: »Fassungslos, wie trunken wankte ich nachhaus, auf den Lippen den herrlichsten der Küsse heimwärts tragend – und leis’ wie eine Märchenweise erklang die Nacht.« Das leise Klingen dieser Nacht vertraute Berg ausgewählten Bläsern, sordinierten Streichern und der Harfe an, die ein feines poly­ phones Geflecht um die Gesangslinie weben. Das eröffnende Viertonmotiv wandert unruhig durchs Orchester, geht beim Eintreffen der Geliebten (»Du kamst...«) in erregte Sechzehntel über und steigert sich in sehnsüchtigen Sequenzierungen zu fast tris­tanesker Intensität. Die Sopran-Melodie wandert nach den ersten Versen ins Orchester und wird dort fortgesponnen, während die Singstimme – unterstützt vom Klang des Horns – zu einer ekstatischen Hymne anhebt. Von seinen Anfängen als kämpferischer Vertreter eines konsequenten Naturalismus hatte sich der Dramatiker und Erzähler Johannes Schlaf offenbar bereits abgewandt, als er das hübsche Stimmungsbild »Im Zimmer« verfasste. Die dort beschriebene traute Häuslichkeit übertrug Berg in den offen-präsenten Klang eines reinen Bläserensembles, ergänzt durch Harfe und Schlagzeug. Mit leichtem Augenzwinkern lässt er das »Feuerlein« im Ofen mit züngelnden Staccati und gleißendem Becken aufglimmen und die Empfindung, »wie leise die Minuten zieh’n«, im nachdenklichen Ticken von Celesta und Harfe ausklingen. »TRÄUME DES RAUSCHES« Otto Erich Hartleben wurde im Kreis der Zweiten Wiener Schule später vor allem als Übersetzer von Albert Girauds visionärem Gedichtzyklus »Pierrot Lunaire« bekannt, den Schönberg 1912 in seiner neuen »singenden Sprechweise« vertonte. Hartlebens eigene »Liebesode« dagegen vereint Ro­ mantik und duftigen Impressionismus, was dem jungen Berg sicher mehr entgegenkam. Das relativ große Orchester mit einem aller­ dings um Oboen, Flöten und Posaunen reduzierten Bläserapparat und somit gleichsam »gerundeten« Klang entwickelt aus der stagnierenden Ruhe des Beginns (»Im Arm der Liebe schliefen wir selig ein«) in einem großangelegten Crescendo die »wundervollen Träume der Sehnsucht«, während in den rauschenden Harfenarpeggi der Som­ ­merwind durchs Fenster streift, und das gleichmäßig an- und abschwellende Motiv der Geigen den ruhigen Atem der schlafenden Liebenden anzudeuten scheint. Die »überströmende Wärme des Fühlens«, die Schönberg bereits den ersten Kompositions­ versuchen Bergs bescheinigte, durchpulst zweifellos jedes einzelne dieser frühen Lieder. Alban Berg: »Sieben frühe Lieder« 13 1. »NACHT« 3. »DIE NACHTIGALL« Dämmern Wolken über Nacht und Tal, Nebel schweben, Wasser rauschen sacht. Nun entschleiert sich ’s mit einem Mal: O gib acht ! Gib acht ! Das macht, es hat die Nachtigall Die ganze Nacht gesungen; Da sind von ihrem süßen Schall, Da sind in Hall und Widerhall Die Rosen aufgesprungen. Weites Wunderland ist aufgetan. Silbern ragen Berge traumhaft groß, Stille Pfade silberlicht talan Aus verborg’nem Schoß; Und die hehre Welt so traumhaft rein. Stummer Buchenbaum am Wege steht Schattenschwarz, ein Hauch vom fernen Hain Einsam leise weht. Und aus tiefen Grundes Düsterheit Blinken Lichter auf in stummer Nacht. Trinke Seele ! Trinke Einsamkeit ! O gib acht ! Gib acht ! Sie war doch sonst ein wildes Blut; Nun geht sie tief in Sinnen, Trägt in der Hand den Sommerhut Und duldet still der Sonne Glut, Und weiß nicht, was beginnen. Das macht, es hat die Nachtigall Die ganze Nacht gesungen; Da sind von ihrem süßen Schall, Da sind in Hall und Widerhall Die Rosen aufgesprungen. Theodor Storm (1817–1888) Carl Hauptmann (1858–1921) 4. »TRAUMGEKRÖNT« Das war der Tag der weißen Chrysanthemen, Mir bangte fast vor seiner Pracht… Und dann, dann kamst du mir die Seele nehmen Tief in der Nacht. 2. »SCHILFLIED« Auf geheimem Waldespfade Schleich’ ich gern im Abendschein An das öde Schilfgestade, Mädchen, und gedenke dein. Wenn sich dann der Busch verdüstert, Rauscht das Rohr geheimnisvoll, Und es klaget, und es flüstert, Dass ich weinen, weinen soll. Und ich mein’, ich höre wehen Leise deiner Stimme Klang, Und im Weiher untergehen Deinen lieblichen Gesang. Mir war so bang, und du kamst lieb und leise, Ich hatte grad im Traum an dich gedacht. Du kamst, und leis’ wie eine Märchenweise Erklang die Nacht. Rainer Maria Rilke (1875–1926) Nikolaus Lenau (1802–1850) Die Gesangstexte 14 5. »IM ZIMMER« 7. »SOMMERTAGE« Herbstsonnenschein. Der liebe Abend blickt so still herein. Ein Feuerlein rot Knistert im Ofenloch und loht. Nun ziehen Tage über die Welt, Gesandt aus blauer Ewigkeit, Im Sommerwind verweht die Zeit. Nun windet nächtens der Herr Sternenkränze mit seliger Hand Über Wander- und Wunderland. So ! Mein Kopf auf deinen Knie’n, So ist mir gut. Wenn mein Auge so in deinem ruht, Wie leise die Minuten zieh’n. O Herz, was kann in diesen Tagen Dein hellstes Wanderlied denn sagen Von deiner tiefen, tiefen Lust: Im Wiesensang verstummt die Brust, Nun schweigt das Wort, wo Bild um Bild Zu dir zieht und dich ganz erfüllt. Johannes Schlaf (1862–1941) 6. »LIEBESODE« Paul Hohenberg (1885–1956) Im Arm der Liebe schliefen wir selig ein. Am off’nen Fenster lauschte der Sommerwind, Und uns’rer Atemzüge Frieden Trug er hinaus in die helle Mondnacht. Und aus dem Garten tastete zagend sich Ein Rosenduft an unserer Liebe Bett Und gab uns wundervolle Träume, Träume des Rausches, so reich an Sehnsucht. Otto Erich Hartleben (1864–1905) Die Gesangstexte 15 Auf der Suche nach einem neuen Weg MARCUS IMBSWEILER LEBENSDATEN DES KOMPONISTEN ANTON BRUCKNER (1824–1896) Geboren am 4. September 1824 in Ansfelden / Oberösterreich unweit von Linz ; gestorben am 11. Oktober 1896 in Wien. Symphonie Nr. 6 A-Dur 1. Majestoso 2. Adagio: Sehr feierlich 3. Scherzo: Nicht schnell – Trio: Langsam 4. Finale: Bewegt, doch nicht zu schnell ENTSTEHUNG Ziemlich bald nach Beendigung seines Streichquintetts im Juli 1879 nahm Bruckner die neue Symphonie in Angriff. Der 1. Satz war Ende September 1880 fertiggestellt, das Adagio Ende November. Im Juni und September 1881 folgten die beiden restlichen Sätze. Zwei Jahre Entstehungszeit lagen bei Bruckner im Rahmen des Üblichen; die »Fünfte« vollendete er innerhalb von 15 Monaten, schloss allerdings eine längere Umarbeitungsphase an, für die »Siebte« brauchte er wieder zwei Jahre, für die »Achte« (1. Fassung) drei. WIDMUNG Bruckner widmete die Symphonie dem Philosophen Dr. Anton Ölzelt Ritter von Nevin (1854–1925) und seiner Frau Amalie (Amy), geb. Edle von Wieser. Ölzelt war Besucher von Bruckners Vorlesungen an der Univer- Anton Bruckner: 6. Symphonie 16 sität und mit ihm befreundet; 18 Jahre lang ließ er den Komponisten unentgeltlich in seinem Haus in der Heßgasse direkt neben dem Ringtheater wohnen, dessen Aussicht Bruckner sehr schätzte. URAUFFÜHRUNG Am 26. Februar 1899, also erst nach Bruckners Tod, in Wien im Großen Musikvereins­ saal (Wiener Philharmoniker unter Leitung von Gustav Mahler, der allerdings instrumentale Retuschen und etliche Kürzungen vorgenommen hatte). Bereits am 11. Februar 1883, ebenfalls in Wien, waren die beiden Mittelsätze erstmals gespielt worden (Wiener Philharmoniker unter Leitung von Wilhelm Jahn). Ungekürzt hingegen erklang die »Sechste« zum ersten Mal am 14. März 1901 in Stuttgart, aufgeführt von der Königlich-Württembergischen Hofkapelle unter Leitung von Karl Pohlig. Bruckners »Sechste«: ein Streitfall. Unter seinen mittleren und späten Symphonien zählt sie zu den Unbekanntesten, rangiert auch in der Publikumsgunst deutlich hinter der beliebten »Vierten« oder »Siebten«. Von Kennern dagegen wird sie gerade für ihre Vielschichtigkeit geschätzt. Und Bruckner selbst ? Er scheint mit dem Ergebnis seiner Arbeit zufrieden gewesen zu sein. Anders als bei den drei vorangegangenen Symphonien nahm er nach Abschluss der Komposition keine wesentlichen Änderungen mehr an dem Stück vor. Dass es die »Sechste« nicht leicht haben würde, schwante allerdings auch ihm: Seine »kühnste« Symphonie nannte er sie oder, mit launigem Zungenschlag, seine »keckste«. WOHIN GEHÖRT DIE »SECHSTE« ? Bruckner und keck ? Eine gewöhnungsbedürftige Assoziation, zumal wenn man an den romantischen Ernst der 4. Symphonie oder das Pathos der »Fünften« denkt. Aber die »Sechste« macht schon in den ersten Takten klar, dass sie gewillt ist, einen anderen Weg als den üblichen einzuschlagen. Statt des Bruckner-typischen Herantastens an den Klang, des allmählichen Erwachsens thematischer Gebilde, ist hier die Musik sofort »da«: Die Violinen geben einen durch Punktierung geschärften Triolenrhythmus vor, der von einem klar umrissenen Thema in tiefer Lage beantwortet wird. Selbst die Tonart A-Dur ist singulär in Bruckners orchestralem Schaffen. Und so herrscht nicht zufällig bis heute Uneinigkeit unter den Experten über die stilistische Einordnung der »Sechsten«. Für die einen gehört sie zu Bruckners mittleren Symphonien, indem sie zwischen dem Melos der »Vierten« und der sakralen Aura der »Fünften« vermittelt. Von anderen Anton Bruckner: 6. Symphonie 17 wird sie, ihrer erwähnten Kühnheit wegen, dem Spätwerk des Komponisten zugeschlagen – oder man begreift sie mit Peter Gülke von vornherein als »Solitär«. lichkeiten (die Dirigenten Josef Schalk und Gustav Mahler, den Verleger Theodor Rättig) zu überzeugten Anhängern Bruckners; der Keim für spätere Erfolge war gelegt. DIE LEGENDE VOM ARMEN ­ORGANISTEN EINE REISE IN DIE SCHWEIZ Wofür man sich letztlich auch entscheiden mag, an der Sonderstellung der »Sechsten« bestehen kaum Zweifel. Ein Blick auf ihre Entstehungsbedingungen – genauer: auf die Lebensumstände Bruckners während der Komposition – zeigt, dass auch diese einige Besonderheiten aufweisen. So hatte sich die soziale Situation des Komponisten im Winter 1877/78 endlich konsolidiert. Er bezog mietfrei eine repräsentative Wohnung am Schottenring und wurde kurz danach ordentliches Mitglied der Hofkapelle, verbunden mit einem Jahresgehalt von 600 Gulden. Damit gehörte Bruckner, ganz im Gegensatz zum (auch durch ihn) tradierten Bild vom unbedarft-ärmlichen Landmusikanten, »zum bemerkenswert kapitalträchtigen Bürgertum Wiens und in der Musikwelt sicher zu den Spitzenverdienern« (Laurenz Lütteken). Man dürfte nicht allzu fehl gehen, wenn man die späten 1870er Jahre zu Bruckners glücklichsten Lebensphasen zählt. Als Organist war er eine Berühmtheit, seine Messen fanden großen Anklang, an der Universität scharte er eine wachsende Zahl von Bewunderern um sich. Was fehlte, war die Anerkennung auf symphonischem Gebiet; hier setzte das Fiasko der »Dritten« im Dezember 1877 einen markanten Kontrapunkt zu den sonstigen Hoffnungssignalen. Allerdings machte gerade die Premiere dieser Symphonie einige wichtige Persön- Zum gestiegenen Sozialstatus und bürgerlichen Lebensstil gehörten nach Auffassung der meisten Wiener auch Reisen. Diese freilich finden sich in Bruckners Biographie nur spärlich und sind fast ausschließlich von äußeren Anlässen bestimmt, wie etwa der Besuch von Wagners »Ring des Nibelungen« in Bayreuth 1876. Vier Jahre später allerdings brach Bruckner zur längsten Reise seines Lebens auf. Sie führte über Bayern in die Schweiz, wo sich Profession und private Zerstreuungen in Form von Orgelspiel, Begegnung mit Musikern sowie Wanderungen, Bahnfahrten und Damen­ bekanntschaften überlagerten. Kaum zurück, beschäftigte er sich mit der ein Jahr zuvor, im Sommer 1879, begonnenen 6. Symphonie, um sie binnen Jahresfrist zum Abschluss zu bringen. Bemerkenswert an diesen Daten ist vor allem die dreijährige Pause zwischen der Vollendung der »Fünften« (1876) und den ersten Skizzen der »Sechsten« – auch dies eine Besonderheit im Schaffen Bruckners. Eine generelle kompositorische Abstinenz ging damit freilich nicht einher. Bis zum Jahr 1879 beschäftigte sich Bruckner mit diversen Umarbeitungen (3. und 4. Symphonie, f-Moll-Messe) und schrieb ein Streichquintett. Diese Tätigkeiten scheinen ihm den nötigen Freiraum geschaffen zu haben, um nach der »Fünften«, seinem »kontrapunktischen Meisterstück« (Bruckner), eine neue Symphonie zu konzipieren. Anton Bruckner: 6. Symphonie 18 DER NEUE WEG Der so untypische Beginn der »Sechsten« kann denn wohl auch als Fanal begriffen werden: Da die »Fünfte« in ihrem Monumentalcharakter nicht überbietbar schien, musste das folgende Werk Alternativen aufzeigen. Zum Markenzeichen der Vorgänger-Symphonie war die kunstvolle Kombination der Hauptgedanken in den Rahmensätzen geworden, im Finale durch eine Doppelfuge noch gesteigert. Solche Artistik fehlt in der »Sechsten«, wird allenfalls im Vorübergehen angedeutet. Überhaupt arbeitet Bruckner jetzt weniger mit kompletten »Themen« als mit ihren Bestandteilen wie Rhythmus, Impuls, Einzelmotivik, Tonhöhe, Gestus, die er neu kombiniert und gegeneinander ausspielt. Um ein Beispiel zu geben: Der gleich zu Beginn ertönende Triolenrhythmus gibt der Entwicklung zwar Stabilität, doch ist er gewissermaßen »falsch« platziert, nämlich in den dünnen Oberstimmen der Geigen. Tonartlich ist alles noch offen. Der erste Takt des Themas mit seiner fallenden Quint e – a scheint diesen Mangel prompt auszugleichen: Zusammen mit dem hohen cis ergibt sich A-Dur, die Grundtonart der Symphonie, der Klang erhält ein Fundament sowie einen fasslichen Anfangsgedanken. Aber schon einen Takt später zerstört Bruckner diese Gewissheit wieder: Vierteltriolen rufen rhythmische Irritation hervor, dazu erklingt ein tonartfremdes b, das dem A-Dur phrygischen, also kirchentonalen Charakter verleiht. Diese Maßnahmen prägen nicht nur das Hauptthema des Satzes selbst, sondern – und das ist das Entscheidende – auch den weiteren Verlauf der Symphonie. So wird das Gegeneinander von Zweier- und Dreierrhythmen zum Marken- zeichen des Seitenthemas sowie des Scherzo-Hauptgedankens, während phrygische Tonleitern zu Beginn von Adagio und Finale angestimmt werden. KOMPOSITORISCHE ARBEIT IM HINTERGRUND Diese spezielle Herangehensweise lässt sich als »analytischen« Umgang mit dem Material bezeichnen: Bruckner zerlegt thematische Gebilde in ihre Bestandteile (Parameter), um aus diesen neue Themen zu entwickeln. Die Tonfolge eines Motivs – also das, was uns als »Melodie« am direktesten anspricht – ist dabei nur ein Parameter unter mehreren. Und natürlich hat die »Sechste« auch in dieser Hinsicht zahlreiche Bezüge zu bieten: thematische Verwandtschaften, die sich allerdings nicht auf­drängen, sondern ihre Wirkung im Hintergrund entfalten. Bruckners Zurückhaltung, was Themenverknüpfungen angeht, sticht vor allem im Vergleich mit der 5. Symphonie ins Auge. Dort hatte er ja, wie erwähnt, in exemplarischer Weise vorgeführt, welche thematischen Kombinationsmöglichkeiten ihm zu Gebote standen. Den Höhepunkt der Entwicklung erreicht er im Finale der »Fünften«, wenn die Hauptgedanken des Satzes gleichzeitig erklingen, ergänzt durch ein Zitat aus dem ersten Satz. Und in der »Sechsten« ? Da wird an dieses Verfahren nur noch dezent erinnert. Am Ende des ersten Satzes erlaubt sich Bruckner einen kleinen kontrapunktischen Trick, indem er die Triolen des Hauptthemas in originaler und umgekehrter Form (also auf und ab gleichzeitig) aneinanderkoppelt. Und eben diese Triolen rufen ganz am Ende der Symphonie noch einmal kurz deren Anfangstakte ins Ge- Anton Bruckner: 6. Symphonie 19 Anton Bruckner im Münchner Photoatelier Hanfstaengl (1885) Anton Bruckner: 6. Symphonie 20 dächtnis. Aber das geschieht in den letzten acht Takten des Werks, in einer bemerkenswerten, fast unerhörten Lakonik. DIE ANFANGSSÄTZE Den Eröffnungssatz, Majestoso, bestreitet Bruckner wie üblich mit drei Themen. Während das zweite von ruhigem Melos geprägt ist (»Gesangsperiode«), hat das dritte mit seinem stampfenden Orchester-Unisono beschließenden Charakter. In der Durchführung kommt hauptsächlich das erste Thema zu Wort – was nicht verwundert, besteht es doch in sich, wie gezeigt, aus widerstreitenden Kräften, die sich hervorragend kombinieren und ausweiten lassen: Triolengänge, pochende Rhythmen, Punktierungen, Quintfälle. Der Höhepunkt der Durchführung fällt mit der Wiederkehr des Hauptthemas zusammen, also mit dem Reprisenbeginn; gleichzeitig bricht Bruckner diesen Effekt durch die »falsche« Tonart (Es-Dur !), um innerhalb von nur 14 Takten zur Grundtonart zurückzukehren. Auch der langsame Satz, Adagio, arbeitet mit drei prägnanten Themen: einem feier­ lichen Streichergesang, einem beseelten Aufschwung sowie einem Trauermarsch. Zusammenhang stiftet anderes, das gleichsam subkutan wirkt: Bei den ersten beiden Themen streiten jeweils zwei gleichberechtigte Stimmen, beide in unterschiedlichen Zeitverläufen, um die Vorherrschaft (Geigen/Oboen bzw. Celli/Geigen), der Trauermarsch erhebt sich wie das erste Thema über einem Tonleitergang abwärts. So kurz die Durchführung dieses Satzes ist, lässt sie doch Bruckners kontrapunktische Meisterschaft aufblitzen: Da wird ein Bassgang zur Oberstimme, das Hauptthema erklingt in Umkehrung sowie im Kanon und schließ- lich in neuer Kombination mit den Oboen-­ Seufzern. Fast schon an Mahler erinnert die Coda, in der die wichtigsten thematischen Bestandteile wie in einer Traumsequenz aufscheinen, um zuletzt behutsam ausgeblendet zu werden. SELTSAMKEITEN IM SCHERZO Das Scherzo erweist sich als durchgehend von Triolen geprägt – auch dann noch, wenn nach zehn Takten das Blech die Führung übernimmt und die Posaunen mit einem »Geradeaus-Thema« Ordnung erzwingen wollen. Geradeaus ist hier so gut wie nichts, sondern von grundlegenden musikalischen Widersprüchen geprägt: Auf gegen Ab, Laut gegen Leise, motivische Bewegung gegen starres Bassfundament, Fanfaren gegen Klarinettenschleifer. Ein Tanz ? Nein, eine irrlichternde Abfolge von Bildern, mal dahinhuschend, mal aggressiv lospolternd. Kein Wunder, dass der Bruckner-Kritiker Hanslick bei der Teilpremiere der Symphonie 1883 ein »ausschließlich durch Seltsamkeit fesselndes Scherzo« vernahm. Dem setzt das bedeutend langsamere Trio die Krone auf: Sonst ein Ort der idyllischen oder wehmütigen Rückblende, in dem Ländler-­ Tonfälle dominieren, stehen hier die Hörnerund Holzbläserrufe isoliert, treten auf der Stelle, fügen sich zu keinem Ablauf. Von österreichischer Heimeligkeit bleibt hier lediglich die Geste. Nicht umsonst konnte Peter Gülke behaupten, »eine stärker zerpflückte und fragmentierte Musik« habe Bruckner »nie geschrieben«. MEHRDEUTIGES FINALE Im Finale wird zunächst die Grundtonart der Symphonie infrage gestellt. Das Tremolo-e der Bratschen signalisiert e-Moll phrygisch, später a-Moll, kurz darauf ist Anton Bruckner: 6. Symphonie 21 A-Dur erreicht, und zwar mit einem Fanfarenmotiv, das sich wie ein Hauptthema gebärdet. Aber ist es das wirklich ? Dass die »suchenden« Anfangstakte in der Reprise nicht mehr aufgenommen werden, spricht dafür; eine umso wichtigere Rolle spielen sie in der Durchführung. Fest stehen dürfte demgegenüber, dass Bruckner dieses Fi­ nale nicht, wie häufig zu lesen, dem Kompo­ sitionsprinzip des »per aspera ad astra« unterworfen hat. Denn der Durchbruch zum »Licht«, also zur Grundtonart A-Dur, kommt viel zu früh und wird im Laufe der weiteren Themenpräsentation wieder zurückgenommen. Vielmehr macht sich auch hier eine analytische Herangehensweise bemerkbar, die ihn thematische Gebilde aus widerstrebenden Einzelaspekten zusammensetzen lässt – bis hin zur Isolierung eines kleinen punktierten Motivs, das zunächst in der Durchführung und dann vor allem in der Coda zum Träger der Entwicklung wird. Ihm gelingt auch die Rückbindung des Finalsatzes an den Beginn der Symphonie, freilich auf sehr unauffällige, beiläufige Weise. während der Trauermarsch im Adagio auf die Oberammergauer Prozessionen anspielen könnte (die erste Station von Bruckners Reise) und das Trio »Gedanken an die Bergwelt« weckt (Manfred Wagner). Vom Komponisten selbst gibt es allerdings keine Hinweise in dieser Richtung. EINDRÜCKE EINER BAHNREISE ? Zu fragen wäre allerdings, ob sich Bruckners Gestaltungswille in diesen eher abstrakten Prinzipien erschöpft und ob bei der »Sechsten« nicht auch konkretere Außenbezüge möglich wären. Manfred Wagner etwa hat in seiner Interpretation der Symphonie versucht, eine Verbindung zwischen der Musik und Bruckners Schweiz-Reise von 1880 zu ziehen. Im ersten Satz vernimmt er »ein durch nahezu keine Unterbrechung gebremstes Bewegungsmodell zu einer damit verknüpften Drehstruktur, die einander abwechseln«, ähnlich den visuellen Eindrücken einer Bahnfahrt. Auch das Finale ist von rastloser Bewegung geprägt, Anton Bruckner: 6. Symphonie 22 Anton Bruckners »Sechste«: Die »Kühnste«, die »Keckste« GABRIELE E. MEYER Merkwürdigerweise hat es die »Kühnste« oder »Keckste« der Bruckner’schen Symphonien nach wie vor nicht leicht, sich zu behaupten. In den Philharmonischen Konzerten erklang sie letztmalig am 23. Mai 2003 unter der Leitung von Lothar Zagrosek. Vier Jahre zuvor, am 23. Juni 1999, dirigierte sie Günter Wand. Selbst Sergiu Celibidache hatte sie nur ein einziges Mal, am 26. November 1991, aufs Programm gesetzt. An dem schwierigen Weg zu den Originalfassungen wie bei den Symphonien Nr. 3, 4, 5, 8 und 9 kann es nicht liegen, gehört doch die »Sechste« (wie auch die 1885 in München so enthusiastisch aufgenommene »Siebte«) quellenmäßig schon deshalb zu den unproblematischen Werken des österreichischen Komponisten, weil er keinerlei Änderungen in den Manuskripten vorgenommen hat. URAUFFÜHRUNGSGESCHICHTE Die mangelnde Beliebtheit der Symphonie mit den im Erstdruck der Partitur enthaltenen Ungenauigkeiten, Fehlern und Verfälschungen zu begründen, scheint zumin- dest heute genauso abwegig wie der Hinweis auf die durchaus verworrene Uraufführungsgeschichte. Über die meisten Symphonien von Anton Bruckner ist schon aufgrund der vielfältigen Bearbeitungen durch wohlmeinende Freunde und Schüler Ähnliches bekannt. Selbst für eine Uraufführung post mortem steht die »Sechste« nicht allein. Aber anders als im Falle der unvollendeten »Neunten« konnte der Komponist seine »Keckste« wenigstens in einer »Novitätenprobe« hören; die beiden Mittelsätze (Adagio und Scherzo) erklangen nochmals am 11. Februar 1883, nun öffentlich. Die von Gustav Mahler in Wien ge­ leitete Wiedergabe am 26. Februar 1899 darf wegen der von Mahler selbst vorgenommenen einschneidenden Kürzungen und erheblichen klanglichen Veränderungen nur sehr bedingt als Uraufführung gelten. In Gänze erklang die »Sechste« gar erst am 14. März 1901 in Stuttgart (Dirigent: Karl Pohlig). Aus alledem lässt sich die vergleichsweise rare Präsenz dieser Symphonie also nicht erklären. Liegt es gar an dem Werk selbst, dass es von Anfang an etwas in den Hintergrund geriet ? Anton Bruckner. 6. Symphonie 23 PHILHARMONISCHE DATEN IM ÜBERBLICK Wie bei den bisherigen Streifzügen durch die Rezeptionsgeschichte der Symphonien Anton Bruckners bei den Münchner Philharmonikern stehen auch in diesem Beitrag historisch wichtige Aufführungen im Mittelpunkt: Erste Aufführung am 21. Februar 1905 unter dem Bruckner-Schüler Ferdinand Löwe, weitere Wiedergaben durch Bruckners zweiten bedeutenden Schüler Franz Schalk (1930) und Adolf Mennerich, Dirigent der Münchner Erstaufführung der Originalfassung am 27. März 1936. Stellvertretend für alle Aufführungen nach 1945 soll noch an zwei besondere, bis heute im Gedächtnis der Musikfreunde aufbewahrte Konzerte mit der »Kecksten« erinnert werden. Das erste fand im Rahmen eines Bruckner-Zyklus knapp zwei Jahre nach Kriegsende statt, das zweite, 1991, unter dem großen Bruckner-Dirigenten Sergiu Celibidache. ERSTE AUFFÜHRUNG IN MÜNCHEN In der Haupt- und Residenzstadt München erklang die 6. Symphonie zum ersten Mal am 21. Februar 1905. Ferdinand Löwe setzte sie anlässlich des ersten Bruckner-­ Festes mit dem »150. Psalm« auf das Programm. Die Initiative zu der Ehrung des Komponisten ging höchstwahrscheinlich vom Kaim-Orchester (den späteren Münchner Philharmonikern) bzw. dessen Gründer Franz Kaim aus. Spiritus rector der zwei Tage dauernden Feier war der gerade in Wien wirkende Ferdinand Löwe, ehemaliger Chefdirigent des Münchner Orchesters, »das er einst groß gemacht und in kurzer Zeit auf eine Höhe gebracht hatte, die keinen Vergleich mit anderen Orchestern zu scheuen braucht« (»Münchner Post«). Es müssen zwei denkwürdige Abende gewesen sein, Konzerte, in denen Löwe seinen verehrten Lehrer ein weiteres Mal als anspruchsvollen Symphoniker vorstellte. Zuhörer und Kritiker reagierten gleichermaßen tief bewegt. So bilanzierte Rudolf Louis von den »Münchner Neuesten Nachrichten« am übernächsten Tag: »Was nach den gewaltigen Eindrücken, die der erste Abend mit den beiden Wunderwerken der 4. und 9. Symphonie gebracht hatte, kaum zu erwarten war, daß der zweite Abend sich auf gleicher Höhe halten, ja noch eine Steigerung bringen werde, trat tatsächlich ein. Die >Sechste<, dieses Stiefkind unter den Bruckner’schen Symphonien, erwies sich als eine sehr im Unrecht zurückgesetzte, den andern Werken durchaus ebenbürtige Schöpfung des Meisters.« BRUCKNERS »SECHSTE«, EIN STIEFKIND ? Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Weitsicht zeitgenössische Rezensenten neue Musik beurteilten, so auch im Fall von Bruckners 6. Symphonie. Hier sprach sich Louis, wie auch sein Kollege von der »Münchner Post«, schon nach dem ersten Hören gegen die Einordnung des Werkes als »Stiefkind unter den Bruckner’schen Symphonien« aus. Diese für ihn unverdiente Herabsetzung suchte Louis mit musikalischen Eindrücken zu entkräften. So sprach er von der packenden Eigenart des Kopfsatzes »strotzend von musikalischem Reichtum«, dem wunderbaren Adagio, der reizvollen Originalität des Scherzos. Einzig das Finale fand im Vergleich zu den übrigen Sätzen nicht ganz seine Zustimmung. Am Ende der Besprechung bedankte sich der Kritiker bei den Musikern und Veranstaltern: »Es waren […] wahrhafte Ruhmestage des vortrefflichen Kaim-Orchesters; die Anton Bruckner. 6. Symphonie 24 ganze Veranstaltung eine Tat, für die allen denen, die zu ihrer Verwirklichung beitrugen, der begeisterte Dank der Freunde echter Kunst gebührt.« DIE »SECHSTE« UNTER FRANZ SCHALK Mit der Gründung der »Internationalen Bruckner-Gesellschaft« als Wegbereiterin der zukünftigen »Kritischen Gesamtausgabe« ging auch der Wunsch einher, die jährlichen Hauptversammlungen mit »Bruckner-­ Festen« zu verbinden. Das erste dieser Feste fand in der von Siegmund von Hausegger so benannten »Bruckner-Stadt« München statt und wartete gleich mit einer Sensation auf. Franz Schalk, neben Ferdinand Löwe der einflussreichste Bruckner-Schüler und nach dessen Tod (1925) unbestrittener Bürge für Authentizität in der Interpretation des Bruckner’schen Werkes trat am 27. Oktober 1930 ans Pult der Münchner Philharmoniker. Auf dem Programm standen die 6. und 5. Symphonie. Obwohl Schalk sich prinzipiell gegen die »Kritische Gesamtausgabe« und damit gegen die Publikation der Originalfassungen ausgesprochen hatte, trat er im Fall der »Sechsten« für eine zumindest in Ansätzen rekonstruierte »Originalfassung« ein. Die Tonhalle konnte die dem Ereignis entgegenfiebernden Münchner Musikfreunde kaum fassen. Die anfängliche Schüchternheit der Musiker und einige Unsicherheiten in den Bläsern an exponierten Stellen waren bald vergessen. Für Oskar von Pander (»Münchner Neueste Nachrichten«) war Franz Schalk das Gegenteil eines Schaudirigenten. Er sah ihn als einen vollkommen sachlichen Musiker, »der durch das Zurückstellen jeglicher individueller Eitelkeiten (z. T. sogar künstlerischer Ausdruckmöglichkeiten) in besonderem Maße geeignet erscheint zur Weiterführung dessen, was man im bejahenden Sinne ›Tradition‹ nennt«. Zumindest eigenartig, wenn nicht gar Unsicherheit verratend, erscheint von Panders Be­ merkung, dass es bei der »Sechsten« nicht immer allein mit dem »natürlichen Spielen« gemacht sei. Seiner Meinung nach müsste diese Symphonie an vielen Stellen klanglich stark retuschiert werden, um ihre letzten Geheimnisse zu enthüllen. ERSTE AUFFÜHRUNG DER ­ORIGINALFASSUNG Auch bei der Münchner Erstaufführung der Originalfassung am 27. März 1936 wurde die Frage nach der mangelnden Präsenz der »Sechsten« im Vergleich zu den anderen Symphonien gestellt. Warum der damalige philharmonische Chef Siegmund von Haus­ egger und Vorstandsmitglied der Bruckner-­ Gesellschaft diese erste Aufführung dem zweiten Dirigenten des Orchesters, Adolf Mennerich überlassen hat, ist nicht überliefert. Immerhin hatte Hausegger mit der Uraufführung der »Neunten« und »Fünften« in deren Originalfassungen einen Meilenstein in der Rezeption der Bruckner’ schen Symphonik gesetzt. Wahrscheinlich war ihm die »Sechste« in diesem Kontext nicht spektakulär genug. Das von Adolf Men­nerich dirigierte »vorbildlich schöne« (»Münchner Neueste Nachrichten«) Programm des Abends war sehr beziehungsreich zusammengestellt. In dem 19. Volkssymphonie-Konzert, also keinem großen Abonnement-Konzert wie sonst bei Uroder Erstaufführungen, erklang zunächst Hans Pfitzners Ouvertüre zu Kleists »Käthchen von Heilbronn«, danach Max Regers Chorwerk »An die Hoffnung« op. 124. Den Schluss bildete Bruckners 6. Symphonie. Die Programmwahl fand einhellige Zustimmung. Eine mit »dkl.« gezeichnete Kritik Anton Bruckner. 6. Symphonie 25 im »Völkischen Beobachter« betonte die »verbindenden Linien«, die wohl erst in einer späteren Zeit als charakteristische Einheit empfunden werden dürften. Sie formulierte sogar die Möglichkeit, dass bei einem tieferen Verständnis für das Werk Bruckners auch die Auseinandersetzung mit Pfitzner und Reger rascher vor sich gehen würde. Beide zitierten Rezensenten hatten sich auf die bisherige Rezeptionsgeschichte der »Sechsten« gut vorbereitet. Anhand der Partituren verwiesen sie auf die Unterschiede, kamen aber zu unterschiedlichen Ergebnissen. Während der Kritiker des »Völkischen Beobachters« die Abweichungen als insgesamt geringfügig erachtete, schloss sich Richard Würz von den »Münchner Neuesten Nachrichten« der Meinung von Robert Haas (Herausgeber der Originalfassung der »Sechsten«) an, dass der fehlerhafte Erstdruck von 1899 maßgeblich für die »Zurücksetzung« des Werkes sei. Großes Lob erhielten die Musiker: »Die Aufführung der 6. Symphonie zeigte wiederum, wie sicher der Bruckner-­ Stil im Philharmonischen Orchester verankert ist. Adolf Mennerich musizierte straff und mit aller formalen Klarheit, die sich nur noch mit größerer Gelöstheit und mehr innerem Glühen paaren sollte« (»Völkischer Beobachter«). DIE »SECHSTE« UNTER HANS ROSBAUD Als ausgesprochener Glücksfall für die Bruckner-Rezeption der Münchner Philharmoniker darf der anlässlich des 50. Todestags des Komponisten gebotene Gesamtzyklus in der Aula der Universität gesehen werden. In der Vorschau auf den Konzertwinter 1946/47 erläuterte Hans Rosbaud, erster Chefdirigent nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, dass er, »die Riesen- quader der 5. und 8. Symphonie« ausgenommen, die anderen Symphonien jeweils mit einem Werk verbinden werde, »das zu der folgenden Bruckner-Symphonie in ­einer stilistischen oder inhaltlichen Beziehung steht«. In Verfolgung dieser Programmidee dirigierte Rosbaud im Februar 1947 vor der »hellen A-dur-Symphonie die festliche D-dur-Suite J. S. Bachs«. In der Besprechung des Konzerts betonte auch Heinz Pringsheim von der »Süddeutschen Zeitung« die allgemein zu beobachtende Zurückhaltung bei der »Sechsten«, obwohl sie doch »infolge ihrer verhältnismäßig knappen und übersichtlichen Gestaltung eine der leichtverständlichsten ist«. Trotz des seiner Meinung nach »in Bezug auf Erfindung merklich abfallenden« Finalsatzes empfand Pringsheim, dass der »musikalische Gehalt der drei ersten Sätze, besonders aber des herrlichen Adagio und des dämonisch-phantastischen Scherzo« keineswegs geringer sei als etwa jener der viel beliebteren »Romantischen«. DIE »SECHSTE« UNTER SERGIU CELIBIDACHE Sergiu Celibidache, der in Anton Bruckner den größten Symphoniker aller Zeiten sah, setzte die »Sechste« in einer Serie, die am 26. November 1991 begann, als einziges Werk des Abends auf das Programm. In seiner Rezension einige Tage später mutmaßte Wolfgang Schreiber von der »Süddeutschen Zeitung«, dass Celibidache die selten gespielte Symphonie offenbar noch nie dirigiert hatte. »Es hieß, daß er sich den ganzen Sommerurlaub über mit der schwierigen Partitur beschäftigt hätte, um ihre Noten auswendig zu kennen.« Nach einer Woche intensivster Probenarbeit stellten Celibidache und seine Philharmoniker ihre Version vor. Die Pressestimmen fielen er- Anton Bruckner. 6. Symphonie 26 staunlich unterschiedlich aus. Während die »Süddeutsche Zeitung« von einer beeindruckenden, im Klangbild präzise durchgeformten Aufführung sprach, empfand Robert Jungwirth vom »Münchner Merkur« Celibidaches »Klangteppiche diesmal als nur bedingt tragfähig«. Seiner Meinung nach schienen selbst »die an sich so Bruckner-festen Philharmoniker von der Eigenart der Symphonie etwas irritiert. Zu aufgeregt agierten die Instrumentengruppen, zu wenig gefestigt scheinen sie in der Tektonik des orchestral manchmal recht ausgedünnten Werks zu sein.« Dennoch, nach einem Moment des Schweigens – Ergriffenheit oder Irritation ? – , langer Jubel für Orchester und Dirigent. mag der tiefere Grund dafür sein, dass Bruckners »Stiefkind« bei den Orchestern und Dirigenten bis heute nicht sonderlich beliebt ist, wie auch der Beifall der Konzert­ besucher nur sehr bedingt enthusiastische Ausmaße erreicht. DIE »KÜHNSTE«, DIE »KECKSTE« Anton Bruckner charakterisierte die »Sechste« einmal als seine »kühnste« und »keckste«. In der Tat weist die umfangmäßig wesentlich knapper bemessene Symphonie – sie dauert »nur« etwa 70 Minuten – in ihren teilweise geradezu avantgardistischen Momenten am weitesten in das 20. Jahrhundert. Die Dialektik zwischen Bekräftigung und Verunsicherung bei der Themenaufstellung schon zu Beginn zeitigt im gesamten Verlauf trotz aller Übersichtlichkeit eine Komplexität in der Kompositionstechnik, die so in den anderen Symphonien nicht auftritt. Hier setzt Bruckner auf rhythmische, tonartliche, harmonische und klangliche Unruhe, kurz: auf ständig überraschende Wendungen. Jedoch bedeutet die oft kammermusikalische Klarheit in der Diktion keineswegs den Verzicht auf eksta­ tische Stei­gerungen. Das andernorts oft schwülstig ausgeführte Pathos ist ihr aller­ dings genauso fremd wie sie weihevolle Andachtshaltung kaum zulässt. Dieses »Andere« der »Kecksten« und »Kühnsten« Anton Bruckner. 6. Symphonie 27 Paavo Järvi DIRIGENT Seit 2004 ist Paavo Järvi Künstlerischer Leiter der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen; mit ihr erarbeitet er nach dem symphonischen OEuvre Ludwig van Beethovens und Robert Schumanns nun in ähnlich exemplarischer Weise die Orchesterwerke von Johannes Brahms. Für seine Einspielungen der neun Beethoven-Symphonien mit der Deutschen Kammerphilharmonie erhielt Paavo Järvi 2010 den ECHO Klassik-Preis als »Dirigent des Jahres«. Mit dem hr-Sinfonieorchester Frankfurt, dem er bis 2013 vorstand und dessen Ehrendirigent er ist, widmete sich Paavo Järvi zuletzt den Symphonien von Gustav Mahler. Seit der Saison 2010/2011 ist Paavo Järvi Music Director des Orchestre de Paris, seit der Saison 2015/16 zudem Chefdirigent beim NHK Symphony Orchestra. Paavo Järvi studierte Schlagzeug und Dirigieren in seiner Heimatstadt Tallinn / Estland, bevor er 1980 in die USA emigrierte. Dort setzte er seine Studien u. a. am Los Angeles Philharmonic Institute bei Leonard Bernstein fort. Nach wie vor setzt er sich weltweit für die Werke estnischer Komponisten wie Arvo Pärt, Erkki-Sven Tüür, Lep Sumera und Eduard Tubin ein. Außerdem dirigiert Paavo Järvi weltweit viele namhafter Orchester, darunter die Münchner, Berliner und Wiener Philharmoniker, die New Yorker Philharmoniker, die Staatskapelle Dresden, das Israel Philharmonic Orchestra, das Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam und das Philharmonia Orchestra London, mit dem er einen Zyklus aller symphonischen Werke von Carl Nielsen begonnen hat. Die Künstler 28 Olga Peretyatko SOPRAN Es folgten Engagements an den Berliner Opernhäusern, an der Bayerischen Staats­ oper München, an der Semperoper Dresden, an der Opéra de Lyon sowie am Théâtre des Champs-Elysées in Paris, am Teatro La Fe­ nice in Venedig sowie beim Rossini-Festival in Pesaro. Internationale Aufmerksamkeit erzielte Olga Peretyatko 2009 als Rossignol in Strawinskijs gleichnamiger Oper, die sie in Toronto, Aix-en-Provence, New York und Amsterdam sang. Olga Peretyatko wurde in St. Petersburg geboren und und begann ihre musikalische Laufbahn im Alter von 15 Jahren im Kinder­ chor des Mariinsky Theaters. Sie studierte an der Hochschule für Musik »Hanns Eisler« in Berlin, gehörte danach dem Opernstudio der Staatsoper Hamburg an und wurde 2007 beim internationalen Gesangswettbewerb »Operalia« ausgezeichnet. 2011 wurde Olga Peretyatko für ihre Debüts in Palermo gefeiert. 2012 folgten erfolgreiche Debüts in Amsterdam, Lyon und Lausanne. In den letzten Jahren war sie u.a. bei den Mozartwochen und den Salzburger Festspielen, an der Wiener Staatsoper, am Opernhaus Zürich, an der Hamburger Staatsoper, am Teatro Real in Madrid, in der Arena von Verona, an der Mailänder Scala, an der Metropolitan Opera in New York, am Teatro San Carlo in Neapel und im Festspielhaus Baden-Baden zu Gast. Olga Peretyatko hat einen Exklusivvertrag mit Sony Classical. Mit Alban Bergs Orchesterliedern gibt die Sopranistin ihr Debüt bei den Münchner Philharmonikern. Die Künstler 29 Dienstag 14_06_2016 19 Uhr KAMMERKONZERT DER ORCHESTERAKADEMIE Allerheiligen-Hofkirche in der Münchner Residenz GEORG PHILIPP TELEMANN Sonata D-Dur für Trompete, Streichquartett und Basso continuo WOLFGANG AMADEUS MOZART Streichquartett C-Dur KV 465 »Dissonanzen-Quartett« HANS FRYBA Suite im alten Stil für Kontrabass solo Sonntag 19_06_2016 11 Uhr m Montag 20_06_2016 20 Uhr f QIGANG CHEN Konzert für Trompete und Orchester »Joie éternelle« (2014) GUSTAV MAHLER »Das Lied von der Erde« LONG YU Dirigent KLAUS FLORIAN VOGT Tenor MICHAEL NAGY Bariton ALISON BALSOM Trompete GIUSEPPE TORELLI Concerto D-Dur für Trompete, Streichquartett und Basso continuo FELIX MENDELSSOHN BARTHOLDY Streichquartett Nr. 1 Es-Dur op. 12 PHILIPP LANG, Trompete ASAMI YAMADA, Violine CLÉMENT COURTIN, Violine KATHARINA SCHMID, Bratsche JOACHIM WOHLGEMUTH, Violoncello JOHANNES TREUTLEIN, Kontrabass MITGLIEDER UND AKADEMISTEN DER MÜNCHNER PHILHARMONIKER Vorschau 30 Die Münchner Philharmoniker 1. VIOLINEN Sreten Krstič, Konzertmeister Lorenz Nasturica-Herschcowici, Konzertmeister Julian Shevlin, Konzertmeister Odette Couch, stv. Konzertmeisterin Lucja Madziar, stv. Konzertmeisterin Claudia Sutil Philip Middleman Nenad Daleore Peter Becher Regina Matthes Wolfram Lohschütz Martin Manz Céline Vaudé Yusi Chen Iason Keramidis Florentine Lenz 2. VIOLINEN Simon Fordham, Stimmführer Alexander Möck, Stimmführer IIona Cudek, stv. Stimmführerin Matthias Löhlein, Vorspieler Katharina Reichstaller Nils Schad Clara Bergius-Bühl Esther Merz Katharina Schmitz Ana Vladanovic-Lebedinski Bernhard Metz Namiko Fuse Qi Zhou Clément Courtin Traudel Reich Asami Yamada BRATSCHEN Jano Lisboa, Solo Burkhard Sigl, stv. Solo Max Spenger Herbert Stoiber Wolfgang Stingl Gunter Pretzel Wolfgang Berg Beate Springorum Konstantin Sellheim Julio López Valentin Eichler VIOLONCELLI Michael Hell, Konzertmeister Floris Mijnders, Solo Stephan Haack, stv. Solo Thomas Ruge, stv. Solo Herbert Heim Veit Wenk-Wolff Sissy Schmidhuber Elke Funk-Hoever Manuel von der Nahmer Isolde Hayer Sven Faulian David Hausdorf Joachim Wohlgemuth Das Orchester 31 KONTRABÄSSE Sławomir Grenda, Solo Fora Baltacigil, Solo Alexander Preuß, stv. Solo Holger Herrmann Stepan Kratochvil Shengni Guo Emilio Yepes Martinez Ulrich Zeller FLÖTEN Michael Martin Kofler, Solo Herman van Kogelenberg, Solo Burkhard Jäckle, stv. Solo Martin Belič Gabriele Krötz, Piccoloflöte OBOEN Alois Schlemer Hubert Pilstl Mia Aselmeyer TROMPETEN Guido Segers, Solo Bernhard Peschl, stv. Solo Franz Unterrainer Markus Rainer Florian Klingler POSAUNEN Dany Bonvin, Solo David Rejano Cantero, Solo Matthias Fischer, stv. Solo Quirin Willert Benjamin Appel, Bassposaune Ulrich Becker, Solo Marie-Luise Modersohn, Solo Lisa Outred Bernhard Berwanger Kai Rapsch, Englischhorn PAUKEN KLARINETTEN Sebastian Förschl, 1. Schlagzeuger Jörg Hannabach Alexandra Gruber, Solo László Kuti, Solo Annette Maucher, stv. Solo Matthias Ambrosius Albert Osterhammer, Bassklarinette FAGOTTE Lyndon Watts, Solo Jürgen Popp Johannes Hofbauer Jörg Urbach, Kontrafagott HÖRNER Jörg Brückner, Solo Matias Piñeira, Solo Ulrich Haider, stv. Solo Maria Teiwes, stv. Solo Robert Ross Stefan Gagelmann, Solo Guido Rückel, Solo Walter Schwarz, stv. Solo SCHLAGZEUG HARFE Teresa Zimmermann, Solo CHEFDIRIGENT Valery Gergiev EHRENDIRIGENT Zubin Mehta INTENDANT Paul Müller ORCHESTERVORSTAND Stephan Haack Matthias Ambrosius Konstantin Sellheim Das Orchester 32 IMPRESSUM Herausgeber: Direktion der Münchner Philharmoniker Paul Müller, Intendant Kellerstraße 4 81667 München Lektorat: Stephan Kohler Corporate Design: HEYE GmbH München Graphik: dm druckmedien gmbh München Druck: Gebr. Geiselberger GmbH Martin-Moser-Straße 23 84503 Altötting TEXTNACHWEISE Susanne Stähr, Alexandra Maria Dielitz, Marcus Imbsweiler und Gabriele E. Meyer schrieben ihre Texte als Originalbeiträge für die Programmhefte der Münchner Philharmoniker. Stephan Kohler stellte seinen Text den Münchner Philharmonikern zum Abdruck in diesem Programmheft zur Verfügung; er verfasste darüber hinaus die lexikalischen Werkangaben und Kurzkommentare zu den aufgeführten Werken. Die Wiedergabe der Gesangstexte der »Sieben frühen Lieder« folgt der Vertonung der Gedichtvorlagen durch Alban Berg und ist textgleich mit der Fassung der Orchesterpartitur (Redaktion: Stephan Kohler). Künstlerbiogra- phien (Järvi; Peretyatko): Nach Agenturvorlagen. Alle Rechte bei den Autorinnen und Autoren; jeder Nachdruck ist seitens der Urheber genehmigungsund kostenpflichtig. BILDNACHWEISE Abbildungen zu Anton Webern: Anton Fuchs, Auf ihren Spuren in Kärnten – Alban Berg, Gustav Mahler, Johannes Brahms, Hugo Wolf, Anton Webern, Klagenfurt 1997; Nuria Nono-Schoenberg (Hrsg.), Arnold Schönberg 1874– 1951 / Lebensgeschichte in Begegnungen, Klagenfurt / Wien 1998. Abbildungen zu Alban Berg: Herwig Knaus / Wilhelm Sinkovicz, Alban Berg, Zeitumstände – Lebenslinien, St. Pölten – Salzburg 2008; Rosemary Hilmar, Alban Berg 1885 – 1935, Ausstellungskatalog der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien 1985. Abbildung zu Anton Bruckner: Hans Conrad Fischer, Anton Bruckner Sein Leben, Salzburg 1974. Künstlerphotographien: Julia Baier (Järvi), scholzshootspeople (Peretyatko). des Liebesglücks und die Erschöpfung danach. Der Zyklus gleicht für mich der Spannung und Energie von zwei menschlichen Zellen, die einander suchen, um sich zu vereinen und neues Lebens zu schaffen. Energie, die ebenso fließt, wenn sich Stecker und Steckdose finden.« (Pavel Sinev, 2016) DER KÜNSTLER Pavel Sinev kam aus Bulgarien nach München um seinen Stil an der Kunstakademie weiterzuentwickeln. Hier haben sich für ihn viele Wege gekreuzt. Der Liebe wegen blieb er. In seiner Kunst thematisiert er seine Wünsche und Träume, die er durch Zeichnungen auf Linien reduziert. Später ersetzt er diese Linien durch handelsübliche Elektrokabel und Kabelbinder. So werden seine Zeichnungen zu greifbaren Skulp­turen. www.flachware.de/pavel­sinev/ TITELGESTALTUNG »Durch die Musik von Alban Berg wird Liebe greifbar. Ich spüre den langen Weg zur erfüllten Zweisamkeit mit seiner späteren Frau, die Explosion Impressum Gedruckt auf holzfreiem und FSC-Mix zertifiziertem Papier der Sorte LuxoArt Samt In freundschaftlicher Zusammenarbeit mit VALERY GERGIEVS DAS FESTIVAL DER MÜNCHNER PHILHARMONIKER — PROKOFJEW-MOZARTMARATHON GASTEIG Freitag 11_11_2016 ERÖFFNUNGSKONZERT VALERY GERGIEV Samstag 12_11_2016 PROKOFJEW–MARATHON ALLE KLAVIERSONATEN PETER UND DER WOLF TANZKONZERTE Sonntag 13_11_2016 PROKOFJEW SYMPHONIEN MOZART VIOLINKONZERTE KARTEN AB JUNI 2016 MPHIL.DE 3 FÜ MU TA R SI GE AL K LE ’15 ’16 DAS ORCHESTER DER STADT