Asher Fisch - Münchner Philharmoniker

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Asher Fisch
Donnerstag, 25. September 2014, 20 Uhr
Freitag, 26. September 2014, 20 Uhr
Sonntag, 28. September 2014, 19 Uhr
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Franz Schubert
Symphonie Nr. 5 B-Dur D 4 85
1. Allegro
2. Andante con moto
3. Menuetto: Allegro molto
4. Allegro vivace
Anton Bruckner
Symphonie Nr. 7 E-Dur WAB 107
1. Allegro moderato
2. Adagio: Sehr feierlich und langsam
3. Scherzo: Sehr schnell – Trio: Etwas langsamer
4. Finale: Bewegt, doch nicht zu schnell
Originalfassung (1883)
Asher Fisch, Dirigent
Donnerstag, 25. September 2014, 20 Uhr
1. Abonnementkonzert d
Freitag, 26. September 2014, 20 Uhr
1. Abonnementkonzert f
Sonntag, 28. September 2014, 19 Uhr
1. Abonnementkonzert g5
Spielzeit 2014/2015
117. Spielzeit seit der Gründung 1893
Valery Gergiev, Chefdirigent (ab 2015/2016)
Paul Müller, Intendant
Franz
Schubert:
5. Symphonie
Franz
Schubert:
5. Symphonie
B-Dur
22
Auf den Spuren von Haydn und Mozart
Martin Demmler
Franz Schubert
Entstehung
(1797–1828)
Franz Schubert komponierte die fünfte seiner
insgesamt acht Symphonien im September 1816
in Wien, ein halbes Jahr etwa nach Vollendung
seiner 4. Symphonie, der sogenannten „Tragischen“. Die Reinschrift der Partitur beendete er
am 3. Oktober 1816. Schubert war damals 19 Jahre alt.
Symphonie Nr. 5 B-Dur D 485
1. Allegro
2. Andante con moto
3. Menuetto: Allegro molto
4. Allegro vivace
Lebensdaten des Komponisten
Geboren am 31. Januar 1797 im Himmelpfortgrund bei Wien (heute: 9. Wiener Gemeindebezirk / Alsergrund); gestorben am 19. November 1828 in Wien.
Uraufführung
Die (private) Uraufführung fand noch im Herbst
1816 im Hause Otto Hatwigs in Wien statt, das genaue Datum ist nicht bekannt. Bei Hatwig, einem
pensionierten Geiger des K. und K. KärntnertorTheaters, versammelte sich regelmäßig ein 36köpfiges Liebhaberorchester, das vermutlich auch
die 4. und 6. Symphonie Schuberts zur Uraufführung brachte. Die erste öffentliche Aufführung erfolgte knapp 13 Jahre nach Schuberts Tod: Am
17. Oktober 1841 in Wien im Theater in der Josefstadt (Orchester des Josefstädter Theaters unter
Leitung von Michael Leitermayer); am Stimmensatz dieser Aufführung ist zu beobachten, wie
Schuberts Bruder Ferdinand das aus damaliger
Sicht nachteilige Fehlen von Blechbläsern und
Pauken durch Hinzufügung von Trompeten-, Posaunen- und Paukenstimmen auszugleichen versuchte.
3
Moritz von Schwind: Franz Schubert im 17. Lebensjahr (1814)
4
Franz
Schubert:
5. Symphonie
Franz
Schubert:
5. Symphonie
B-Dur
Schubert, der Symphoniker
Das gesamte symphonische Œuvre Franz Schuberts entstand zwischen 1813 und 1825, also in
der Zeit zwischen der Komposition von Beethovens 8. und 9. Symphonie. Dass innerhalb dieser
vergleichsweise kurzen Zeitspanne bei Schubert
dennoch deutlich unterscheidbare Schaffensphasen erkennbar sind, zeigt die Werkchronologie:
Entstanden zunächst in fast regelmäßigen Abständen von 1813 bis 1818 die sechs „Jugendsymphonien“, so folgten zwischen 1818 und 1822
vier abgebrochene Versuche symphonischer Arbeiten, darunter als letztes dieser Fragmente die
sogenannte „Unvollendete“.
Erst 1825 gelang Schubert mit der „großen“
C-Dur-Symphonie der Befreiungsschlag – nach
Meinung des Komponisten sein einzig gültiger
Beitrag zur Gattung Symphonie. Nimmt man jedoch die Orchesterwerke Beethovens und Schuberts späte C-Dur-Symphonie zum rigorosen
Wertungsmaßstab für seine früher entstandenen Arbeiten, reduziert diese also zu bloßen
Vorstufen des „eigentlichen“ Schubert, so übersieht man, mit welcher Konsequenz der junge
Komponist sich Traditionen der großen Form
erarbeitet, sie dabei in ganz eigener Weise umformuliert und für sich nutzbar gemacht hat.
Vom Schul- zum LiebhaberOrcheste r
Erste Erfahrungen mit Orchestermusik hatte
Schubert im Wiener Stadtkonvikt gesammelt,
wo er seit 1808 als Sängerknabe wirkte. Dort
erhielt er ab 1812 von dem hoch angesehenen
Antonio Salieri nicht nur Unterricht im Kontra-
punkt, sondern konnte auch im Konviktorchester
mitspielen und erste Erfahrungen als Dirigent
des schulischen Ensembles sammeln. Für diesen
Klangkörper entstanden auch seine ersten symphonischen Arbeiten, während er die 4., 5. und
6. Symphonie für das Liebhaberorchester schrieb,
das sich regelmäßig im Haus des pensionierten
Geigers und Kirchenmusikers Otto Hatwig traf.
Was Schuberts 5. Symphonie gegenüber den vier
früheren symphonischen Arbeiten auszeichnet,
ist der Umstand, dass sich der Komponist hier
ganz bewusst rückwärts orientiert. Am deutlichsten ist der Rückbezug auf die klassische und frühklassische Tradition in der Instrumentation erkennbar. In der kurz zuvor entstandenen „Vierten“,
seiner sogenannten „Tragischen“, hatte Schubert
die Zahl der Hörner ganz unklassisch auf vier verdoppelt. In der „Fünften“ dagegen gibt es nur
zwei, und auf Klarinetten, Trompeten und Pauken verzichtet Schubert hier ganz. Die bewusste
Zurücknahme der Orchesterbesetzung auf den
Stand einer früheren Musikepoche war zur Entstehungszeit des Werkes etwas völlig Neues. Das
Ergebnis ist die erste „klassizistische“ Symphonie der Musikgeschichte.
1. Satz: Allegro
Doch Schuberts Rückgriff auf die Ideale einer vergangenen musikgeschichtlichen Epoche bringt
auch Stilbrüche mit sich. Bereits die kurze Einleitung zum ersten Satz nimmt sich mit nur vier
Takten höchst unkonventionell aus. Der Kopfsatz
ist in Sonatenhauptsatzform gehalten. Dem heiterbeschwingten Hauptthema folgt eine kraftvolle
Überleitung, die immer wieder von Neuem in die
Höhe drängt. Der liedhaft-verspielte Seitensatz
5
Schuberts Geburtshaus im Wiener Vorort Himmelpfortgrund
Blick über den Himmelpfortgrund mit der Lichtentaler Pfarrkirche
6
Franz
Schubert:
5. Symphonie
Franz
Schubert:
5. Symphonie
B-Dur
moduliert kurz nach Moll, und auch in der Schlussgruppe arbeitet Schubert, ebenso wie in der knappen Durchführung, immer wieder mit dem DurMoll-Kontrast. Der Durchführung folgt eine klassische Reprise, die lediglich in der Überleitung
mit neuen musikalischen Gedanken aufwartet,
ansonsten jedoch fast schulbuchmäßig verläuft.
höfischen Tanz und weicht erst im zart kolorierten,
ländlerartigen Trio einer Art pastoralen Stimmung.
Doch anders als bei Mozart steht hier nicht die
kontrapunktische Dichte im Vordergrund, sondern
die in sich geschlossene Melodielinie – auch dies
ein typisches Wesensmerkmal des Schubert’schen
Personalstils.
2. Satz: Andante con moto
4. Satz: Allegro vivace
Der zweite Satz setzt mit einem gesanglichen
Hauptthema ein, das sogleich abgewandelt wird.
Dieser Gesang bestimmt den gesamten ersten
thematischen Abschnitt, der im weiteren Verlauf des Satzes noch zweimal wiederkehrt, unterbrochen von zwei kontrastierenden Episoden.
Auch wenn das Hauptthema im weiteren Verlauf von Moll-Episoden durchsetzt erscheint,
bleibt der Klang doch den ganzen Satz über sehr
einheitlich. Der lichte Orchestersatz und die
sparsame Instrumentation erinnern immer wieder an die klassischen Vorbilder Haydn und Mozart, die Schubert zutiefst verehrte: „Wie von
ferne leise hallen mir noch die Zauberklänge von
Mozarts Musik. O Mozart, unsterblicher Mozart,
wie viele, o wie unendlich viele wohltätige Abdrücke eines lichten bessern Lebens hast du in
unsere Seelen geprägt“, schwärmte Schubert
noch wenige Monate vor Arbeitsbeginn an der
5. Symphonie in einer Tagebuchnotiz.
Der schnelle Finalsatz ist wie der Kopfsatz in
Sonatenhauptsatzform gehalten. Hier findet
Schubert zu ähnlicher Stimmung und Energie
zurück, zu einer gleichsam lässigen, aber klangvollen Eleganz, wie sie auch den ersten Satz
prägt. Dabei ist es bezeichnend für die Herangehensweise dieses Komponisten, dass er die
Themen kaum verarbeitet, wie in der klassischen
Durchführung üblich, sondern zumeist unverändert übernimmt. Es ist deshalb kein Zufall, dass
Schubert das Material der Durchführung häufig
aus überleitenden, also eigentlich sekundären
Bestandteilen entwickelt. Hier ist es vor allem
eine chromatische Umdeutung des Kopfmotivs,
die für den weiteren Verlauf von zentraler Bedeutung wird.
3. Satz: Allegro molto
An Mozart, genauer gesagt an dessen g-MollSymphonie KV 550, gemahnt in der „Fünften“
vor allem das kraftvolle Menuett, das ebenfalls
in g-Moll gehalten ist. Sein dramatischer Charakter erinnert kaum noch an den ursprünglich
Musik ohne Lied-Schatten
Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein galt Schubert vor allem als genialer Liederkomponist;
seine Instrumentalmusik hingegen fand lange
Zeit nur wenig oder kaum Beachtung. Dennoch
verfügte Schubert bereits in seinen frühen Symphonien über eine melodische Erfindungskraft,
eine harmonische Ori ginalität und eine instrumentale Klangphantasie, wie sie für seinen späteren Personalstil bestimmend sein sollten.
Anton Bruckner:
Bruckner: 7.
7. Symphonie
Symphonie E-Dur
E-Dur
Anton
7
„Zum Andenken an den hochseligen Meister“
Thomas Leibnitz
Anton Bruckner
Entstehung
(1824-1896)
Nur 20 Tage nach Beendigung seiner 6. Symphonie begann Bruckner am 23. September 1881
mit der Komposition eines weiteren Werks dieser
Gattung. Scherzo und Trio der „Siebten“ entstanden sodann im Laufe des Jahres 1882; das Adagio wurde im Januar 1883 in Angriff genommen
und am 21. März desselben Jahres vollendet.
Im Sommer 1883 schließlich arbeitete Bruckner
am Finale, das er am 5. September 1883 abschloss.
Symphonie Nr. 7 E-Dur WAB 107
1. Allegro moderato
2. Adagio: Sehr feierlich und langsam
3. Scherzo: Sehr schnell - Trio: Etwas langsamer
4. Finale: Bewegt, doch nicht zu schnell
Originalfassung (1883)
Widmung
„Seiner Majestät, dem Könige Ludwig II. von
Bayern, in tiefster Ehrfurcht gewidmet“: Die
Widmung an den exzentrischen Monarchen
(1845-1886) kam durch die Vermittlung des
bayerischen Hofkapellmeisters Hermann Levi
(1839-1900) zustande, der am 10. März 1885
im Kgl. Odeon die erfolgreiche Münchner Erstaufführung dirigiert hatte.
Uraufführung
Lebensdaten des Komponisten
Geboren am 4. September 1824 in Ansfelden
(Oberösterreich); gestorben am 11. Oktober 1896
in Wien.
Am 30. Dezember 1884 in Leipzig im Neuen
(Stadt-) Theater (Gewandhausorchester Leipzig
unter Leitung von Arthur Nikisch). In einer Fassung für zwei Klaviere war die Symphonie bereits
am 27. Februar 1884 in Wien aufgeführt worden
(Solisten: Josef Schalk und Ferdinand Löwe).
8
Anton
Anton Bruckner:
Bruckner: 7.7. Symphonie
Symphonie E-Dur
E-Dur
Inspiration im Traum
Das Hauptthema des 1. Satzes, so erzählte Bruckner später, stamme gar nicht von ihm. Eines Nachts
sei ihm im Traum Heinrich Dorn, einer seiner Lehrer der Linzer Zeit, erschienen und habe ihm das
Thema diktiert, um die Prophezeihung anzufügen:
„Pass auf, mit dem wirst du dein Glück machen !“
Tatsächlich unterscheidet sich dieses Thema strukturell von den Kopfthemen der anderen Symphonien: Statt einer prägnanten thematischen Keimzelle präsentiert es sich als weit ausgreifender
Gesang, als „unendliche Melodie“, unterbaut vom
Klangteppich eines Streichertremolo. Vermutlich
trug Bruckner diese Klangimagination bereits in
sich, als er noch an der 6. Symphonie arbeitete,
denn innerhalb des Monats September 1881, unmittelbar nach Beendigung der „Sechsten“, begann er bereits mit der Niederschrift des neuen
Werks. Mit den Symphoniethemen der Klassik hat
dieses thematische Gebilde nur noch wenig zu
tun. Zunächst wird im pianissimo-Tremolo der Violinen der für Bruckner charakteristische „Klangraum“ eröffnet; im dritten Takt setzen dann Celli
und Hörner mit dem Thema ein, das im E-DurDreiklang aufsteigt, in einem neuen Ansatz unvermittelt in den „terz verwandten“ C-Dur-Akkord
übergeht und in H-Dur einen ersten Ruhepunkt
erreicht. In ähnlich weitgespannter Harmonik
und Melodik entwickelt sich der Gesang weiter
und mündet in die Wiederholung der Thematik
im Glanz des vollen Orchesters. Deutlich abgesetzt von diesem ersten Gedanken folgt das stufenweise aufsteigende Seitenthema in den Holzbläsern über pulsierenden Achteln der Hörner.
Auch dieses Thema ist keineswegs nach einigen
Takten „zu Ende“, sondern geht in eine filigrane
und instrumental vielfarbige Fortspinnung über,
deren stetes Crescendo und deren drängende
punktierte Figuren eine machtvolle Schlussgruppe erwarten lassen. Aber hier hält Bruckner eine
Überraschung bereit, denn die Schlussgruppe,
das dritte thematische Element der Exposition,
erweist sich – völlig „zurückgenommen“ – als
leise und geradezu gemütlich hüpfende Figuration in den Streichern und Holzbläsern. Nun ist
das thematische Material vorgestellt, aus dem
der Komponist den ganzen komplexen, der Sonatenform entsprechenden Kopfsatz baut. Es gehört zum Wesen des großen Kunstwerks, dass
man es auf mehreren rezeptiven „Ebenen“ verstehen kann. Der Ersthörer wird sich der gesanglich strömenden Entwicklung und den monumentalen Klangballungen hingeben, der Experte kann
auf Schritt und Tritt feststellen, dass alle scheinbar neuen motivischen Elemente auf Abspaltungen, Umkehrungen und andere Verarbeitungen
der Eingangsthematik zurückgehen.
Trauer und Apotheose
Drei Wochen vor Wagners Tod entwarf Bruckner
das Thema des Adagio – wie er später seinem
Schüler Felix Mottl berichtete, in Vorahnung der
kommenden Ereignisse: „Einmal kam ich nach Hause und war sehr traurig; ich dachte mir, lange kann
der Meister unmöglich mehr leben ! Da fiel mir
das cis-Moll-Adagio ein...“ „Wagnerisch“ ist das
Klangbild zu Beginn des Satzes: Das Eröffnungsmotiv im Ausdruckscharakter einer Totenklage
liegt in den Tenortuben, den „Wagner tuben“, die
Wagner hatte konstruieren lassen, weil ihm für
seine „Walhall“-Thematik im „Ring“ die Klangfarbe
zwischen Horn und Tuba fehlte. Das Bruckner’sche
Adagio setzt sich nach der bläserdominierten Ein-
9
Hermann Kaulbach: Anton Bruckner in München (1885)
10
Anton
Anton Bruckner:
Bruckner: 7.7. Symphonie
Symphonie E-Dur
E-Dur
leitung mit einem feierlich getragenen Thema der
Streicher fort, das – ähnlich der Thematik des
Kopfsatzes – im Sinne einer „unendlichen Melodie“ fortentwickelt wird und nach einem Fortissimo-Höhepunkt verebbt. Hier, wie noch mehrmals
in diesem Satz, haben wir es mit großangelegten
„Wellenbewegungen“ zu tun, die Bruckners symphonischem Spätstil ihr Gepräge geben.
Auf reinen Streicherklang gestellt ist das Seitenthema, das dem grandiosen Trauerthema des
Beginns zierlich geschwungene Melodik entgegensetzt. Auf der Polarität dieser beiden thematischen Aussagen beruht die weitere Disposition des Satzes, der bei aller Breite und Konzentration eine stete Steigerung, eine immer
wieder „verzögerte“, doch in ihrer Zielstrebigkeit unablässige Dynamik aufweist. Der Höhepunkt der Entwicklung ist schließlich mit dem
triumphalen Eintritt des C-Dur-Quartsextakkords
im Fortissimo des vollen Orchesters mit Beckenschlag erreicht. Totenklage und Apotheose –
dieses inhaltliche Motto könnte über dem Adagio stehen. Am C-Dur-Höhepunkt war Bruckner
angelangt, als ihn am 14. Februar 1883 die Nachricht vom Tod Richard Wagners erreichte, der
am Vortag in Venedig gestorben war: „Und da
habe ich geweint, oh wie geweint – und dann
erst schrieb ich dem Meister die eigentliche
Trauermusik.“ Diese „Trauermusik“ ist die Coda
des Satzes, die die vorangegangenen Themen
gleichsam fragmentarisch und zerrissen nochmals aufgreift; in ihrer musikalisch inszenierten
Resignation zählt sie zweifellos zu den ergreifendsten Abschnitten der Symphonie.
Motorik und verträumte Poesie
Von drängender Motorik erfüllt ist der 3. Satz;
die Streicher geben mit einem Eintakt-Motiv
den Klanghintergrund, die Solotrompete setzt
darüber ein markantes Signal. Dieses Signal
wird von den übrigen Bläsern sukzessive aufgegriffen und gesteigert, wobei die fröhlichspielerische Stimmung des Satzbeginns ins Be drohlich-Dämonische kippt. Haben die schrittweise absteigenden Viertel der Streicherbegleitung zunächst fast tänzerischen Charakter, so erscheint diese Abwärtsbewegung im Fortis simo
der tiefen Blechbläser – Posaunen und Kontrabasstuba – wie ein dröhnender chroma tischer
Sturm. Immer neue Überraschungen be reitet
Bruckners Vorliebe, großangelegte instrumentale
Entwicklungen unvermittelt abzureißen und markante Kontraste zu setzen: Der punktierte Rhythmus, eben noch im Fortissimo des vollen Orchesters, erscheint in äußerster Zurücknahme im
Pianissimo eines Paukensolos.
Auf die gleiche Art leitet Bruckner das Trio ein –
wie immer in seinen Scherzo-Sätzen ein klar abgesetzter Mittelsatz von fast ausschließlich lyrischem Charakter. Hier ist es eine verträumte
Tanzweise, in der nur die punktierten Rhyth men der Pauke die ideelle Verbindung zu den
Rahmenteilen herstellen.
Dynamik und Kontraste
Mit dem Finalsatz hatten zunächst auch Bruckners Freunde Verständnisschwierigkeiten. Als
Hermann Levi 1885 die „Siebte“ für die Münchner Erstaufführung einstudierte, hielt er mit seinen Zweifeln dem Komponisten gegenüber nicht
Anton
Anton Bruckner:
Bruckner: 7.7. Symphonie
Symphonie E-Dur
E-Dur
hinter dem Berg: „Mit dem letzten Satze weiß
ich bis jetzt noch gar nichts anzufangen. Aber
das wird hoffentlich noch kommen.“ Levi behielt
mit seinem Optimismus Recht. In den Orchesterproben erschloss sich ihm der zunächst so rätselhafte Satz immer mehr, und er erklärte ihn
schließlich für den schönsten des ganzen Werks.
„Bewegt, doch nicht zu schnell“, lautet Bruckners
Tempovorgabe. Ein von punktierten Rhythmen
beherrschtes, gleichsam immer wieder neu ansetzendes Thema der Violinen steht am Beginn;
bereits in seiner Exposition wird es von Umkehrungsfiguren der Holzbläser beantwortet.
Markant abgesetzt und unterbaut vom Pizzicato
der tiefen Streicher folgt das Seitenthema, eine
schlichte, choralartige Melodie. Die Kontraste
des Satzes beschränken sich jedoch keineswegs
auf die Polarität von erstem und zweitem Thema; es ist erstaunlich, welch unterschiedliche
Wirkung Bruckner allein dem Eingangsthema
Durch Instrumentation und Artikulation abzugewinnen vermag.
Erscheint dieses Thema zu Beginn als leichtfüßiges,
anmutiges Gebilde, so wird es nach Exposition der
lyrischen Seitenthemengruppe machtvoll, im Glanz
des vollen Orchesters, präsentiert – so, als hätte
der Organist Bruckner unvermittelt alle Register
gezogen. Und ebenso abrupt ändert der Komponist wiederum die Artikulation, wenn auf diese
blockartigen Klangeruptionen ohne Überleitung
das Hauptthema erneut in der instrumentalen Beleuchtung des Satzbeginns auftritt und gleichsam
zu „enteilen“ scheint. Formal liegt auch diesem
Satz die Sonatensatzform zugrunde, wobei die
Coda – bei den Klassikern meist nur eine kurze
„Schlussformulierung“ - geradezu riesenhafte
Dimensionen annimmt. Immer wieder erscheint
11
der Beginn des Hauptthemas, das im Verlauf der
triumphalen Steigerung vom motivisch verwandten Kopfmotiv des 1. Satzes abgelöst wird: Im
Jubel der Schlussentwicklung vereinen sich Beginn und Ende der Symphonie.
Durchbruch zu internationaler
Geltung
Bruckners Schüler Josef Schalk gelang es im
Frühjahr 1884, Arthur Nikisch, den jungen Chefdirigenten des Leipziger Stadttheaters, für Bruckners noch unaufgeführtes Werk zu begeistern.
Die Vorbereitung der Uraufführung zog sich in
die Länge, und erst am 30. Dezember fand das
vom Komponisten und seinen Freunden mit Spannung erwartete Ereignis statt. Über die Wirkung
dieser Uraufführung liegen höchst unterschiedliche Berichte vor; Josef Schalks Bruder Franz,
der Bruckner nach Leipzig begleitete, war tief
enttäuscht: „Ich werde die Stunde nie vergessen. Als ob die Symphonie den bloßen Mauern
vorgespielt worden wäre, so war es, und einige
Fachleute schnitten höhnische Gesichter dazu.“
Dem steht die Feststellung Bruckners gegenüber,
in Leipzig habe man zum Schluss eine Viertelstunde lang applaudiert, und auch die „Kölnische
Zeitung“ resümierte: „Anfangs Befremden, dann
Fesselung, dann Bewunderung, schließlich Begeisterung, das war die Stufenleiter.“
Unzweifelhaft ist hingegen der Erfolg, den die
„Siebte“ einige Monate später bei ihrer Münchner Erstaufführung unter Hermann Levi erlebte.
Es war Bruckners erster großer Triumph außerhalb Österreichs, und noch deutlich unter dem
unmittelbaren Eindruck der Ovationen stehend
schrieb der Komponist an seinen oberösterrei-
12
Anton
Anton Bruckner:
Bruckner: 7.7. Symphonie
Symphonie E-Dur
E-Dur
chischen Gönner Moritz von Mayfeld: „Der Erfolg in München war der höchste meines Lebens.
Ein solcher Enthusiasmus war in München nie,
wie man mir sagte. Kritiken ausgezeichnet.“ Levi,
den erst die Orchesterproben vollends von Bruckners Werk überzeugt hatten, brachte einen Toast
auf „das bedeutendste symphonische Werk seit
1827“ aus und war fortan Bruckners engagierter
Förderer - was ihn allerdings nicht daran hinderte, über die 8. Symphonie, die er abermals „nicht
verstand“, später ein niederschmetterndes Urteil
zu fällen. Am Tag nach der Münchner Erstaufführung besuchte Bruckner eine Vorstellung von
Wagners „Walküre“ im Kgl. Hof- und Nationaltheater: „Nachdem das Publikum sich entfernt
hatte,“ so berichtete er später in einem Brief an
Hans von Wolzogen, „ließ Hermann Levi auf meine
Bitte zum Andenken an den hochseligen, heiß ge liebten, unsterblichen Meister dreimal den
Trauer-Gesang aus dem 2ten Satze der 7. Symphonie mit den Tuben und Hörnern executiren,
wobei wohl der Thränen unzählige flossen. Ich
kann die Situation in dem dunklen Hoftheater
nicht beschreiben.“
„Aufgeblasen, krankhaft und
verderblich“
Zu den prominenten Zeitgenossen, die sich
weder für Bruckner als Person noch für seine
Symphonik erwärmen konnten, zählte Johannes
Brahms. Als ihm Elisabet von Herzogenberg, die
die Leipziger Uraufführung der „Siebten“ gehört
hatte, im Januar 1885 brieflich ihr Missfallen
über Bruckner kundtat, „der einem mit Gewalt
aufgenötigt werden sollte“, hielt er in der Antwort mit seiner Ablehnung nicht zurück: „Ich begreife: Sie haben die Symphonie von Bruckner
einmal an sich vorübertosen lassen, und wenn
Ihnen nun davon vorgeredet wird, so trauen Sie
Ihrem Gedächtnis und Ihrer Auffassung nicht.
– Sie dürfen dies jedoch; in Ihrem wunderbar hübschen Brief steht alles klar und deutlich, was
sich sagen lässt – oder was man selbst gesagt
hat und so schön gesagt haben möchte.“ Brahms
stand mit dieser Haltung in Wien keineswegs
allein. Die Kritiker der führenden Wiener Tageszeitungen, die dem „Brahms-Lager“ zuzurechnen
waren, hatten bereits in der Vergangenheit ihre
Ablehnung von Bruckners Symphonik in scharfe
Wor te gefasst und nützten die Gelegenheit der
vom Publikum bejubelten Wiener Erstaufführung
der „Siebten“ vom 21. März 1886 erneut zu wortgewaltigen Hasstiraden. Eduard Hanslick bekannte in der „Neuen Freien Presse“, er könne über
Bruckners Symphonien „kaum ganz gerecht urtheilen“; diese Musik erscheine ihm „unnatürlich,
aufgeblasen, krankhaft und verderblich“.
Max Kalbeck stand ihm nicht nach und fasste in
der „Presse“ seine Meinung in der Aussage zusammen: „Wir glauben so wenig an die Zukunft
der Bruckner’schen Symphonie, wie wir an den
Sieg des Chaos über den Kosmos glauben.“ Bruckner sei unfähig, nach den Gesetzen der musikalischen Logik zu denken und neige überdies zu Anleihen bei anderen Komponisten; denn selbst
das Adagio, laut Kalbeck immerhin der gelungen ste Teil, sei lediglich „eine Kopie des Adagio aus
Beethovens 9. Symphonie mit freier Benützung
Beethoven’scher und Wagner’scher Melodien“.
In der „Wiener All gemeinen Zeitung“ formulierte Gustav Dömpke noch härter: „Bruckner komponiert wie ein Betrunkener.“ Die „starke äußere
Wirkung“ des Adagio halte näherer Überprüfung
nicht stand und sei mit ästhetisch illegitimen Mit-
13
Otto Böhler: Anton Bruckner gefolgt von den Wiener Kritikern Eduard Hanslick, Max Kalbeck und Richard
Heuberger (um 1895)
14
Anton
Anton Bruckner:
Bruckner: 7.7. Symphonie
Symphonie E-Dur
E-Dur
teln erkauft: „Wir schaudern vor dem Modergeruch,
der aus den Missklängen dieses verwesungssüchtigen Kontrapunkts in unsere Nasen dringt.“
Aussagen dieser Art müssen allerdings im Kontext des zeitüblichen Kritiken-Stils gesehen werden, und bei vergleichender Analyse wird deutlich,
dass etwa Hugo Wolf als Kritiker Johannes Brahms
kaum zarter behandelte. Brahms freilich ging mit
Polemiken gegen seine Person recht souverän um;
er sammelte sie und las sie gelegentlich seinen
Freunden zur Unterhaltung vor. Auf Bruckner hingegen übte negative öffentliche Kritik eine zutiefst demoralisierende, geradezu vernichtende
Wirkung aus. Dies hatte viel mit seiner ländlichen
Primär sozialisation zu tun, seinem Aufwachsen
in einer Welt festgefügter und unumstößlicher
Autoritäten. Kritiker, die ihn hart beurteilten, sah
er schlichtweg als seine „Feinde“ an. Vielleicht
war es ihm ein Trost, dass ihm unmittelbar nach
der Wiener Erstaufführung der „Siebten“ Johann
Strauß, ein prominenter Brahms-Freund, das Telegramm schickte: „Bin ganz erschüttert – es war
einer der größten Eindrücke meines Lebens.“
Umstrittener Beckenschlag
Wenn der „Siebten“ auch das Schicksal der Bearbeitung und Neufassung erspart blieb – die
meisten anderen Symphonien liegen in mehrfachen Versionen vor – , so stellt sich doch auch
hier die Frage nach dem Einfluss der Schüler
und Freunde Bruckners auf die endgültige Werkgestalt: Die Beteiligung des „Bruckner-Kreises“
an der Entstehung und Umarbeitung der Partituren
reichte von Ratschlägen bis zu selbstständigen und
unautorisierten Bearbeitungen. Während letztere
heute einhellig abgelehnt werden, herrscht in der
Bruckner-Literatur nach wie vor Uneinigkeit über
die Legitimität von Änderungen, die „dialogisch“
zustande kamen: auf Vorschlag anderer, aber
mit Zustimmung Bruckners.
Eine der umstrittensten Stellen in der „Siebten“
ist der Höhepunkt des Adagio, der Eintritt des
C-Dur-Quartsextakkords mit Beckenschlag und
Triangel. Von „Klassizisten“ wurde dieses Instrumentarium prinzipiell abgelehnt; auch Bruckner
hatte auf den Klangeffekt ursprünglich verzichtet.
Arthur Nikisch allerdings, der als Operndirigent
erfahrene Leiter der Leipziger Uraufführung,
wünschte an dieser Stelle einen Beckenschlag
und riet dem Komponisten mit Erfolg, ihn einzufügen. Josef Schalk berichtete im Januar 1885
seinem Bruder Franz: „Du weißt vielleicht nicht,
dass Nikisch den von uns ersehnten Beckenschlag
im Adagio (C-Dur und Quartsextakkord) sowie
Triangel und Becken durchgesetzt hat, was uns
unbändig freut.“ Im Autograph findet sich die Ergänzung als zusätzlicher Papierstreifen; von unbekannter Hand wurde dazu notiert „Gilt nicht !“
Die Diskussion um Bruckners „eigentliche Aussage“ wurde, wie man sieht, sogar in seiner Originalhandschrift geführt.
Münchner
Aufführungsgeschichte
Aufführungsgeschichte
15
„Das Werk fordert die höchste
Bewunderung heraus“
Gabriele E. Meyer
Die „Siebte“ in München:
Eine Erfolgsgeschichte
Nach jedem Satz seiner „Siebten“ hatte sich der
Komponist erheben müssen, so groß war die Zustimmung gewesen. „Es war, als wenn ein magnetischer Strom der Begeisterung vom Dirigenten zu den Spielern, von diesen zu den Hörern
sich fortgeleitet hätte, um Alle zu einer gemeinsamen einheitlich empfindenden Gesammtheit
zu verbinden“, berichteten die „Münchner Neuesten Nachrichten“ nach der Erstaufführung in
der bayerischen Residenzstadt durch das Hofopernorchester und Hermann Levi am 10. März
1885. Bruckner selbst beschrieb den Erfolg als
den größten seines Lebens: „Ein solcher Enthusiasmus war in München nie, wie man mir sagte.“
Umso mehr erstaunt es, dass diese Symphonie
nach zwei zeitnahen Wiederholungen wohl über
ein Jahrzehnt nicht mehr gespielt worden ist. Erst
am 10. Februar 1899 erklang sie wieder, nun unter
Leitung von Siegmund von Hausegger in einem
„Concert des Kaim-Orchesters“, der späteren
Münchner Philharmoniker.
Anders als bei den Symphonien Nr. 3, 4, 5, 8
und 9, deren schwieriger Weg zu den Originalfassungen sich in der Historie der Philharmoniker spiegelt, gehört die zwischen 1881 und 1883
quasi wie aus einem Guss entstandene, auch
„Wagner-Symphonie“ genannte „Siebte“ zu Anton Bruckners quellenmäßig unproblematischen
Werken. Allemal bemerkenswert ist es, dass sich
nicht wenige der späteren Chefdirigenten des
Orchesters zunächst mit dieser Symphonie vorstellten, selbst wenn sie dann, wie Kabasta, Celibidache und Thielemann, für ihren sozusagen
offiziellen Einstand ein anderes Werk des österreichischen Symphonikers wählten. Fritz Rieger und
Rudolf Kempe begannen ihre Bruckner-Karriere
ebenfalls mit der 7. Symphonie. Rieger dirigierte
sie noch im Dezember 1948, also kurz nach seinem Amtsantritt. Kempe, der Artist unter den Taktstockvirtuosen, hingegen ließ sich vier Jahre Zeit,
um seine 7. Bruckner vorzustellen: klar und übersichtlich ausgeleuchtet, klanglich befreit von allen
metaphysischen und sons tigen weltanschaulichen
Ansprüchen.
Erste philharmonische Aufführung
„Es ist ein kühnes Unternehmen mit Bruckner’s
Siebter Symphonie sich seine Dirigentensporen
verdienen zu wollen“, begann ein Rezensent der
„Münchener Post“ seine Besprechung von Hauseggers Debüt als Konzertdirigent und Komponist
vom 10. Februar 1899. Schon diese Bemerkung
zeigt deutlich, dass Bruckner noch Jahre nach
seinem Tod (1896) als umstrittener „moderner“
Komponist verstanden wurde. Trotz der damals
ausschließlich aufgeführten „geglätteten“ SchalkLöwe-Fassungen, maßgeblich für den größten
Teil des symphonischen Werks, galt Bruckners
Musik als schwer zugänglich, als immense Her-
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Münchner
Aufführungsgeschichte
Aufführungsgeschichte
ausforderung für Musiker und Zuhörer. Der aus
Graz stammende Siegmund von Hausegger hat
seine Entscheidung, sich mit der 1885 so frenetisch gefeierten „Siebten“ vorzustellen, sicherlich wohl überlegt getroffen. Aufs Programm setzte er außerdem Beethovens „Coriolan“-Ouvertüre
und, als Uraufführung, ein eigenes Werk, seine
„Dionysische Phantasie“. - Das Programm und
die Umstände erinnern unwillkürlich an Wilhelm
Furtwänglers München-Debüt im Februar 1906.
Auch hier reüssierte ein junger Dirigent mit Beethoven, einer eigenen „Symphonischen Tondichtung“ und einer Bruckner-Symphonie. Auch ihm
wurde sogleich eine starke musikalische Begabung attestiert.
Die „Münchner Neuesten Nachrichten“ rühmten
ganz besonders Hauseggers souveräne Beherrschung aller Einzelheiten und seinen „schwungvollen, großen Zug“, mit dem er die Symphonie
des „merkwürdigen Komponisten“ dirigierte. Darüber hinaus berichteten die Zeitungen, dass das
Publikum „sowohl den kühnen Weisen Hauseggers
wie der unzeitgemäßen Kunst Bruckners sympathisches Verständniß entgegenbrachte“. Dennoch
kamen die auf Bruckners Musik bezogenen kritischen Einwände ein weiteres Mal mit der wohlmeinenden Forderung zur Sprache, dass nur häufi ge Aufführungen Aufklärung brächten. „Seit Löwe
und Zumpe fort sind, ist aber kein Ton Bruckners
erklungen. Der jugendliche Feuerkopf Hausegger
mußte die Münchner Musikfeldherrn Weingartner, Fischer und Stavenhagen beschämen.“ Einhelliges Lob gab es hingegen für die Orchestermusiker, die die außerordentlichen technischen
und rhythmischen Schwierigkeiten in tadelloser
Weise überwunden und eine oft bestrickende
Klangschönheit entfaltet hätten. „Nach jedem
Satze dankten die Zuhörer durch reiche Kundgebungen des Beifalls.“ - Der Bitte nach mehr
Aufführungen auch der „Siebten“ entsprach Hausegger am 18. April 1900 - nun in einem Volkssymphoniekonzert, einer besonders preisgünstig
gestalteten Konzertreihe des Orchesters.
Engagiert: Ferdinand Löwe
Den Beinamen „Bruckner-Orchester“ verdanken
die Münchner Philharmoniker insbesondere Ferdinand Löwe, Bruckner-Schüler und nimmermüder
Sachwalter der Musik seines Lehrers. Er war es,
der immerhin unter dem Protektorat „S.K.H. des
Prinzen Ludwig Ferdinand von Bayern“ 1909 und
1910 als erster Dirigent begann, Bruckners anspruchsvolle Symphonik in „Beethoven-BrahmsBruckner-Zyklen“ quasi gleichberechtigt neben
die beiden anderen großen Symphoniker zu stellen. Ging es zunächst darum, diese allenthalben
kontrovers diskutierten Symphonien so oft wie
möglich aufzuführen, „und zwar im Geiste jener
Tradition, die sich auf den Umgang mit dem Komponisten berufen konnte“ (Dietmar Holland), sollte
nun mit ihrer Aufnahme in die Zyklen unbestrittener Meisterwerke auch deren Rang für alle Zeiten festgeschrieben werden.
Doch damit nicht genug. Eine Pressenotiz für die
Spielzeit 1910/11 würdigte Löwes unbeirrten Einsatz für das Werk seines Lehrers auch vor heimischem Publikum. „Er wird in den ausschließlich unter seiner Leitung stehenden zwölf Abonnementskonzerten neben anderen klassischen und modernen Werken die neun Symphonien Anton Bruckners
zur Aufführung bringen. Außerdem sind vorgesehen
des gleichen Meisters 150. Psalm und das Te Deum.
Mit diesem Unternehmen, das unseres Wissens
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Anton Bruckner im Münchner Photoatelier Hanfstaengl (1885)
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Münchner
Aufführungsgeschichte
Aufführungsgeschichte
bis jetzt noch kein Konzertinstitut gewagt hat,
soll in möglichst gedrängter Form ein Bild von
der Entwicklung des gesamten Schaffens dieses bedeutenden Symphonikers gegeben werden“ („Theater- und Vergnügungsanzeiger München“). Im Jahr 1924 stand gar die ganze Saison
im Zeichen Anton Bruckners, galt es doch, seines 100. Geburtstag zu gedenken. Ein „besonderes musikalisches Fest“ zu feiern, war, wie
die „Münchner Neuesten Nachrichten“ darlegten, schon fast eine Selbstverständlichkeit in
einer Stadt, die neben Wien „Bruckners Werk
am eifrigsten gepflegt und es auch am lebendigsten in sich aufgenommen hat“. Spätestens
zu diesem Zeitpunkt war Bruckner nicht mehr
auf die Unterstützung der klassischen Symphoniker angewiesen. Mit dieser Wertschätzung
begann sich auch der Tonfall der Besprechungen
zu ändern. Nicht mehr die Durchsetzung ist das
Thema; vielmehr geht es ab jetzt um den Charakter der Aufführung, um die musikalische Gestaltung von Bruckners Werken.
Authentisch: Siegmund von Hausegger
Im Herbst 1920, in einer Zeit voller Wirrnisse, übernahm Siegmund von Hausegger die Chefposition
der Münchner Philharmoniker als Nachfolger von
Hans Pfitzner. Und wiederum wählte er, neben
Richard Wagners „Meistersinger“-Vorspiel die
7. Symphonie. Für den tief beeindruckten Rezensenten der „Münchener Zeitung“ war es der „Anfang einer neuen Aera des Münchener Musiklebens. Denn es ist wirklich wahr: was sich am vergangenen Mittwoch in der Tonhalle abgespielt
hat, war mehr als ein sehr gutes Musizieren.“ Bemerkenswert genau beschreibt der unbekannte
Kritiker sodann die Interaktionen zwischen Werk
und Interpretation:
„Die Wiedergabe der Brucknerschen Symphonie
hat gerade eine Seite dieses Werkes ins Licht
gestellt, die den meisten Dirigenten verborgen
bleibt: die strenge immanente Logik seiner formalen Entwicklung. Es bedurfte dazu eines instinktmäßigen Gefühles für die Funktion jener
scheinbar anakoluthischen Anknüpfungen, die
das Verständnis der Brucknerschen Form so lange erschwert haben, und eines sicheren Taktes
für alle Schwebungen und Uebergänge des Zeitmaßes. Zu dieser höchsten künstlerischen Deutlichkeit kam noch eine äußerst bestimmte und
leidenschaftlich gefühlte Eindringlichkeit im Ausdruck des Einzelnen, ein Espressivo des Orchestervortrages, wie wir es lange nicht mehr gehört
haben, und dieser Enthusiasmus der Hauseggerschen Ausdrucksgestaltung ließ ihn dynamische
Extreme erreichen, die die wenigsten wagen können. Daß er diese scheinbar schrankenlosen Entladungen als sinnvolle Notwendigkeiten eines
natürlichen Vortrages unmittelbar verständlich
machen konnte, ist ebenso bewundernswert wie
seine Kunst, dabei jede klangliche Brutalität aus
dem Spiele unseres Konzertvereinsorchesters zu
verbannen.“
Bruckner-Debüt: Eugen Jochum
Das wohl größte Ereignis in der Bruckner-Rezeption
des Orchesters vor der „offiziellen“ Verabschiedung der Schalk-Löwe-Fassungen, bildete die vom
Münchner Musikkritiker Paul Ehlers angeregte Veranstaltungsreihe der „Theatergemeinde München“,
während der Konzertsaison 1931/32 sämtliche
Symphonien (also auch die „Nullte“) zur Aufführung zu bringen. „Es war das erste Mal in der Welt,
daß das gesamte symphonische Werk Bruckners
[die Ouvertüre in g-moll und die „Vier Orchesterstücke“ ausgenommen] ohne Beimischung von
Münchner
Aufführungsgeschichte
Aufführungsgeschichte
Werken anderer Meister und von besonders berufenen Dirigenten dargeboten wurde.“ Am fünften
Abend des Zyklus’ trat Eugen Jochum, Generalmusik direktor in Duisburg und nach 1945 einer
der bedeutends ten Bruckner-Dirigenten seiner
Zeit, ans Pult der Münchner Philharmoniker. Auf
dem Programm standen die 6. und 7. Symphonie.
Geradezu hellsichtig erkannte Oscar von Pander
das künstlerische Potential des 30-jährigen: „Die
grenzenlose Hingabe seines Musizierens und das
Feuer seiner Interpretation erinnern in mancher
Hinsicht an den jugendlichen Furtwängler vor etwa
15 Jahren, mit dessen Bewegungen er auch vieles gemein hat. Sicher wird er noch verschiedene
Wandlungen durchmachen - ein Fertiger ist er in
keinem Fall. Gott sei Dank ! Gerade in dem Uebermaß seines Wollens, die Wiedergabe zu letztem
Ausdruck zu steigern, liegt das Leben der entwicklungsfähigsten Keime seines prachtvollen Musikantentums beschlossen. Zum mindesten will er
viel und – das Richtige ! Was soll man darnach
noch über die Aufführung der 6. und 7. Symphonie
des Meisters sagen, die zum schönsten gehören,
was es in der Musik überhaupt gibt ?“
Erste Schallplattenaufnahme:
Oswald Kabasta
Zu den herausragenden Interpreten der Bruckner’
schen Symphonik gehört auch der Österreicher
Oswald Kabasta. Ungeachtet seiner ganz eigenen
Affinität zu Bruckners „Achter“ – Kabastas, fast
möchte man sagen, „Schicksalssymphonie“ – setzte er auch die „Siebte“ alljährlich aufs Programm.
Noch vor seinem offi ziellen Amtsantritt als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker hatte er
sie für das zweite seiner Vorstellungskonzerte
gewählt. Spätestens nach diesem Abend war sich
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die Musikstadt München einig: Kabasta musste
der Nachfolger Hauseggers werden – er oder
keiner !
Die nur wenige Jahre später, am 24. und 25. September 1942 im Konzerthaus Wien produzierte
Schellackaufnahme genießt noch heute Referenzstatus. Wenngleich bei der Bewertung einer 72
Jahre zurückliegenden Einspielung Tempofragen
im Vordergrund stehen, weil andere Momente,
insbesondere klangliche, nur bis zu einem gewissen Grad angemessen beurteilt werden können,
so überzeugend fällt die Gesamtanalyse aus. Bei
Kabastas Tempo-Gestaltung ist die Imagination,
die der Realisierung weit voraus ist, fast mit Händen zu greifen. Das bedeutet aber keineswegs,
dass er Übergänge außer Acht ließ oder mit Crescendo-Stauungen nichts anzufangen wusste.
Geradezu paradigmatisch Phrasierung und formbewusste Geschlossenheit. Nichts zu spüren von
weihevollem Zelebrieren oder ideologisierendem
Pathos. Aufgrund umfassender Instrumentalkenntnisse und der Verwendung eigenen Orchestermaterials mit entsprechenden Eintragungen war
der Probenfanatiker Kabasta stets in der Lage,
seine Begeisterung jedem einzelnen Orchestermusiker gleichsam während der Arbeit, also ohne
intellektuelle Umwege, zu vermitteln. Angesichts
der damaligen Aufnahmebedingungen – die meist
auf ein oder zwei Tage beschränkten Produktionstermine galten oft nur als „eingeschoben“ auf
Konzertreisen – waren bessere Voraussetzungen
kaum denkbar. „Die ganze Symphonie ereignet
sich als vierteilige Gesangsszene für großes Orchester“, resümiert Karl Schumann später einmal, „kantabel, von weitem Atem getragen, ohne
ruckartige Modifikationen, in raschen Zeitmaßen
(Scherzo, Finale) und melodischem Wohllaut“.
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Münchner
Aufführungsgeschichte
Aufführungsgeschichte
Neubeginn: Hans Rosbaud
Als ausgesprochener Glücksfall für die BrucknerRezeption der Münchner Philharmoniker darf der
anlässlich des 50. Todestages Bruckners gebotene Gesamtzyklus in der Aula der Universität
gesehen werden, wobei mit Ausnahme der noch
nicht erschienenen „Dritten“ alle Symphonien in
ihren Originalfassungen erklangen. In der Ankündigung zu der Spielzeit 1946/47 stellte Hans Rosbaud, erster Chefdirigent nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, seine Programmidee mit folgenden Worten vor: „Den Mittelpunkt unserer Kon zerte wird der Bruckner-Zyklus bilden. […] In der
Programmgestaltung dieser Reihe stehen die Riesenquader der fünften und achten Symphonie für
sich allein; die anderen Symphonien hingegen werden jedes Mal mit einem Werk verbunden, das zu
der folgenden Bruckner-Symphonie in einer stilistischen oder inhaltlichen Beziehung steht.“
Leider gab es damals kaum Konzertkritiken. Die
„Süddeutsche Zeitung“ erschien mangels Papier
noch längst nicht jeden Tag, und der „Münchner
Merkur“ startete erst 1948. Doch existiert eine
Kurzkritik für die Aufführung der „Achten“, in der
Hans Rosbaud als „hervorragender Brucknerinterpret“ gerühmt wird. Der Abend mit der „Siebten“
begann, sicherlich zum Erstaunen vieler Zuhörer,
mit Händels Concerto grosso e-Moll op. 6 Nr. 3.
Ekstatisch: Georg Solti
Unter Rosbauds Nachfolger Fritz Rieger – auch
er wählte für sein Bruckner-Entrée die „Siebte“ –
kam es geradezu zu einem Aufführungsboom. Kaum
ein Jahr, in dem sie nicht mehrfach erklang, kombiniert mit Mozart, Beethoven, Bach oder Hinde-
mith. – Von einem offensichtlich in jeder Hinsicht
extremen Interpretationsansatz wurden Publikum
und Kritik am 7./8. Februar 1968 mitgerissen. „Georg Solti“, so fasste Karl Schumann seine Eindrücke
zwei Tage danach zusammen, „Georg Solti rückt
Bruckner auf eine imaginäre Bühne, die bei seinem
hitzigen, hinreißend antiphiliströsen Temperament
gewiß keine Mysterienbühne ist. Feuer vom Walkürenfelsen und selbstzerstörerische Ekstase im
Sinne Mahlers bestimmen den dramatischen Verlauf, der im mehr dämonisch-bizarren als ‚sehr feierlichen und langsamen‘ Trauermarsch dem fulminanten Beckenschlag entgegenstrebt, im Scherzo
einer schier bösartig pointierten, scharfen Rhythmik
huldigt und das Finale durch ein heftig drängendes
Rubato zusammenhält, wobei die Koppelung von
Crescendo und Accelerando manchem Orthodoxen
als Todsünde erscheinen mochte. Doch waren es
nicht die herrlichen Verstöße, gerechtfertigt durch
eine luxuriöse Leuchtkraft des Klanges und durch
die stets erkennbare Absicht, Bruckner dem schwerfälligen Misterioso zu entreißen ?“ Der Beifall für
Dirigent und Orchester nahm fast beängstigende
Ausmaße an. Die Zuhörer feierten „ein aufregendes, bravouröses Konzert von Weltstadtformat“,
mit anderen Worten: eine Bruckner-Interpretation
wider die gängige Aufführungstradition, aber
vielleicht gerade deshalb so überzeugend.
„Privileg meines Lebens“:
Sergiu Celibidache
In ganz anderer Weise überwältigt reagierten die
Konzertbesucher in der barocken Stiftskirche St.
Florian. Die besondere Atmosphäre des Raums,
in dem Bruckner Orgel gespielt, in dessen Krypta
unterhalb der Orgel er auch beigesetzt werden
wollte, diese unnachahmliche Gestimmtheit hatte
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Anton Bruckners erster Lorbeerkranz (Linz, 20. November 1854)
22
Münchner
Aufführungsgeschichte
Aufführungsgeschichte
auch Sergiu Celibidache in ihren Bann gezogen.
Fasziniert vom genius loci, empfand er es als ein
Privileg seines Lebens, in St. Florian Bruckner spielen zu dürfen. Wie schon bei den vorangegangenen
Konzerten wurde erkennbar, dass die Neigung Celibidaches und seines Orchesters zu Bruckner einer
inneren Affinität entsprach. Wolfgang Schreiber
schwärmte von der melodischen Weite der Entwürfe, den monumentalen Zeitverhältnissen, der
ruhigen Atemführung riesiger Steigerungswellen.
„So dürfte es sein, wenn Bruckners Symphonien
oder das Te Deum in der Stiftskirche von St. Florian
erklingen“, war der Architekturkritiker Gottfried
Knapp überzeugt. „Die Musik kehrt heim; sie wird
eins mit dem Gebauten, auch wenn die Stilformen
sich schrill widersprechen. Die Töne gehen auf in
einer Atmosphäre, in der sie ganz natürlich atmen
können, in der auch die Überakustik nicht stört.“
Welch ein Kontrast zu Soltis diesseitigem Furor,
welch Gegensatz auch hinsichtlich der Publikumsreaktion. In St. Florian erwartete das stehende
Orchester seinen Chef. Der wiederum verneigte
sich vor den still verharrenden Besuchern „Nach
der Aufführung dasselbe Bild: kein Applaus, Verabschiedung und Dank des Dirigenten an das Orchester, das Publikum verharrt ehrerbietig und erhebt sich schweigend. Dazwischen die Wiedergabe von Bruckners beliebtester Symphonie in
einer Weise, die ausschließlich auf Transzendenz
gerichtet ist und irdisch-musikalische Gesetze
aufhebt. „Ein Gottesdienst hatte stattgefunden“,
so Gerhard Ritschel in den „Oberösterreichischen
Nachrichten“, „mit Anton Bruckner als Liturgie...“
Die „Siebte“ unter
Christian Thielemann
Selten war man sich über die Bedeutung eines
Konzerts so einig wie am 5. April 2002, galt es
doch, die inzwischen vakante Chefposition neu
zu besetzen. Nach seinem Debüt mit einem französischen Programm Ende März stellte sich Christian
Thielemann ein weiteres Mal, nun quasi offiziell
vor. Und, wen wundert’s, an jenem Abend entschied auch er sich für Bruckners sicherlich geschlossenste Symphonie mit ihrem überwältigend
sich verströmenden Kopfthema. Die Erwartungshaltung war immens. Wurde Thielemanns erste
Wiedergabe noch leidenschaftlich mit dem Fazit
diskutiert, dass ihm, „dem bei Wagner so grandios musizierenden Maestro, bei Bruckner noch
die Kaltblütigkeit fehle, dessen unabänderliche
Katastrophen ganz einfach geschehen zu lassen“,
so einhellig war die Zustimmung dreieinhalb Jahre
später.
Wahrscheinlich lag es an der Einstimmung durch
die wunderbar ausgeleuchteten drei Vorspiele
zu Hans Pfitzners „Palestrina“, an ihrer frappierenden Mischung aus Chromatik und archaisierendem Tonfall, dass Thielemann bei Bruckner
weniger die Klangwelt Wagners als das „Palestrina“-Ethos beschwor. Zentral gestaltet der gro ße Adagio-Satz bis hin zum enthusiastischen
C-Dur-Höhepunkt, tief berührend dargeboten die
verschattete Coda, von Bruckner als Trauermusik
auf Wagners Tod komponiert. „Nach dem kontrastierenden Scherzo“, so Klaus Peter Richter
in der „Süddeutschen Zeitung“, „geraffte Konzentration und lapidares Brio, die Thielemann als
selbstsicheren Meister von hitziger Glut wie von
sensibelstem Piano zeigte. Tosender Applaus.“
Der Künstler
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Asher Fisch
Dirigent
Beethoven-Zyklus in die Saison, welcher von
der australischen Presse als Highlight der letzten Jahre bezeichnet wurde.
Sein breites Opernrepertoire von der Klassik
bis in die Moderne erarbeitete sich der Dirigent
an Opernhäusern wie der Metropolitan Opera,
der Lyric Opera Chicago, der Wiener Staatsoper,
der Mailänder Scala, Covent Garden und der
Semperoper.
Asher Fisch ist neben seiner Operntätigkeit
ebenso häufiger Gast der wichtigsten Orchester in Amerika wie dem Chicago und dem Boston Symphony Orchestra sowie dem New York
und dem Cleveland Philharmonic. In Europa
dirigierte er die Berliner und Münchner Philharmoniker, die Staatskapelle Dresden, das
London Symphony Orchestra u.a.
Der israelische Dirigent und Pianist Asher Fisch
begann seine internationale Karriere an der
Staatsoper Berlin unter seinem Mentor Daniel Barenboim. Bald darauf übernahm er die
Chefposition an der Volksoper Wien, sowie die
Leitung der Israeli Opera in Tel Aviv. Letzte
Saison verabschiedete sich Fisch mit einer
Wagner Ringproduktion von der Seattle Opera,
an der er über viele Jahre als erster Gastdirigent tätig war.
Im März 2014 übernahm er die musikalische
Leitung des West Australian Symphony Orchestra und startete mit einem aufsehenerregenden
Eine lange und intensive Beziehung pflegt er
zur Bayerischen Staatsoper und dirigiert dort
in dieser Saison sechs Produktionen einschließlich Verdis „La forza del destino“ und die Wiederaufnahme von Strauss‘ „Elektra“.
Eine Reihe von Aufnahmen belegen Fischs enge Verbindung zu Wagner. Seiner preisgekrönten Ringaufnahme beim Label Melba folgt nun
eine zweite Ringaufnahme mit der Seattle Opera. Die Piano-Solo-CD mit Liszt-Wagner-Transkriptionen wurde von dem Magazin Classique
News zu einer der besten CDs des Jahres 2012
gekürt.
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Auftakt
Dirigenten
Die Kolumne von Elke Heidenreich
Meine erste Kolumne für diese Programmhefte schrieb ich vor genau zwei
Jahren über den Antritt von Lorin Maazel als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker, und ich hörte sein grandioses Antrittskonzert mit Mahlers Symphonie Nr. 9. Was für ein Meister stand
da am Pult, und wie leuchtete das Orchester!
Nun ist Lorin Maazel im Juli gestorben und hinterlässt eine Lücke, die andere Dirigenten natürlich
füllen können, aber seinen ganz speziellen Stil,
seine immense Erfahrung kann so schnell keiner
ersetzen, denn jeder Dirigent ist einzigartig – darum haben wir ja alle unsere Vorlieben und Abneigungen bei diesem Thema. Das zeigt letztlich nur,
wie lebendig die Musikszene ist, was alles möglich
ist. „Um einem Missverständnis vorzubeugen: aus
der Spitze des Taktstockes ist noch nie ein Ton herausgekommen.“
Mit diesem Satz leitet der Musikkritiker Wolfgang
Schreiber sein Buch über Große Dirigenten ein.
Wenn aber aus dem Taktstock nichts herauskommt
– wie machen die das dann, fragt er. Hypnotisieren
sie das Orchester? Haben sie alles im Kopf und in
den Händen? Wozu das magische Stöckchen? Und
was genau ist das Geheimnis eines großen Dirigenten?
Dasselbe, was auch das Geheimnis aller großer
Komponisten, Maler, Schriftsteller ist: die Mischung aus Talent und Kraft, Charisma, Zielstrebigkeit, Fleiß, Disziplin. Zuallererst aber: Talent.
Und dann gibt es die Klangmagier, die Perfektionisten, die Genießer, es gibt die Exzentriker, die
Schweigsamen, die Kommunikationsgenies, die kleinen Diktatoren.
Der italienische Filmregisseur Federico Fellini, der Musik so liebte,
setzte dem Maestro in seinem Film
„Orchesterprobe“ von 1979 ein Denkmal und sagte augenzwinkernd:
„Hochgewachsen soll er sein, der
ideale Dirigent, bleich, schön, gebieterisch, geheimnisvoll, magnetisch, das Antlitz geprägt von
edlem Leid.“
Ein Dirigent wie Lorin Maazel, der dirigierte, seit
er 11 Jahre alt war, kannte alle Musik, und er kannte sie in allen denkbaren Variationen. Dazwischen
noch den eigenen Stil, das eigene Tempo, die eigene Handschrift zu finden, ist etwas, das ich
immer wieder zutiefst bewundere und auch an
ihm bewundert habe. Auch Toscanini, Sanderling,
Karajan standen oder saßen noch mit über 80
Jahren am Pult und leisteten Grandioses. Und
man kann den Stil einzelner Dirigenten noch so
sehr analysieren, ein Orchester noch so sehr unter die Lupe nehmen – letztlich ist das Zusammenwirken von Dirigent und Orchester ein Mysterium,
ein Rest unbegreiflicher Rätselhaftigkeit, die das
Glück der Zuhörer ausmacht.
Wir werden dieses großartige Orchester in dieser Saison unter fast dreißig verschiedenen Dirigenten erleben, von denen der älteste 1935 und der jüngste 1984
geboren wurde – und wir werden hören, wie bekannte Klänge sich verändern und verwandeln.
Auch Maazel hätte es so gewollt: dass wir der
Musik treu bleiben und auch offen gegenüber allen möglichen Interpretationen.
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Eine Broschüre mit den neuen Konzertprogrammen für die Spielzeit 2014/15 ist ab sofort in den
Auslagen im Foyer des Gasteigs erhältlich. Allen
Abonnenten wurde im Vorfeld der Saison eine
Broschüre mit den Programmen nach Abo-Reihen
zugeschickt. Sollten Sie kein Exemplar erhalten
haben, bedienen Sie sich bitte an den Auslagen
oder wenden Sie sich bitte an unser Abo-Büro.
Abschied (I)
Unsere Hornistin Maria Teiwes wechselt zu den
Bamberger Symphonikern und tritt dort die
Stelle als Solo-Hornistin an.
Abschied (II)
Barbara Kehrig hat die Stelle als Kontrafagottistin beim Konzerthausorchester Berlin gewonnen,
die sie zum Start der Saison 2014/15 antreten wird.
Herzlich willkommen (I)
Wir begrüßen bei den Philharmonikern Floris
Mijnders (Solo-Cello), Fora Baltacigil (Solo-Kontrabass), Teresa Zimmermann (Solo-Harfe) und
Mia Aselmeyer (Horn). Sie treten zum Beginn
der neuen Spielzeit ihre Stellen und das damit
verbundene Probejahr an. Ein Kurzportrait finden Sie auf den folgenden Seiten.
Herzlich willkommen (II)
Ebenso herzlich heißen wir Sigrid Berwanger,
Jiweon Moon und Laura Mead (2. Violinen),
Christa Jardine und Julie Risbet (Bratschen),
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Johannes Hofbauer (Fagott) sowie Thiemo Besch
(Horn) willkommen. Sie haben einen Zeitvertrag
für die Saison 2014/15 erhalten.
Kampala, Uganda
Zu Gast in der Kampala Music School in Uganda.
Im August reisten zum ersten Mal Mitglieder des
Orchesters in die ugandische Hauptstadt Kampala, um dort mit Kindern und Musikern der Musikschule in Workshops gemeinsam zu musizieren und Konzerte zu geben. Die Eindrücke in
diesem tollen ostafrikanischen Land mit unglaublichen Menschen, die Shengni Guo, Traudl
Reich und Maria Teiwes dort erlebten, können
Sie in unserem Blog nachlesen bei facebook.
com/spielfeldklassik.
Fußball
Eine höchst unglückliche Niederlage beim Fußballspiel gegen das Team des Bayerischen Staatsorchesters musste der FC Philharmoniker verzeichnen. Stark ersatzgeschwächt – sechs
Stammkräfte mussten verletzungsbedingt kurzfristig absagen – und trotz drückender spielerischer Überlegenheit mit ansehnlichen Ballstaffetten nutzten selbst klarste Elfmeterchancen
nichts: das Spiel ging mit 0:1 verloren. Wir gratulieren dem Staatsorchester und freuen uns
auf das nächste Match. Wie es noch besser
geht, erlebten dann beide Mannschaften beim
WM-Viertelfinale Deutschland gegen Frankreich – das Spiel schauten sich alle in kollegialer Eintracht beim gemeinsamen Grillen an.
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Konzertübersicht 2014/15
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Philharmonische Notizen
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Wir begrüßen...
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Mia Aselmeyer
Teresa Zimmermann
Instrument: Horn
Instrument: Harfe
Mia Aselmeyer wuchs
in ihrem Geburtsort
Bonn auf und war
Jungstudentin an der
Kölner Musikhochschule bei Paul van Zelm.
Während des Studiums
an der Hochschule für
Musik und Theater in Hamburg bei Ab Koster
war sie Mitglied der Jungen Deutschen Philharmonie und Stipendiatin der Orchesterakademien des Schleswig-Holstein Musikfestivals und
der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Für die
vergangene Saison erhielt sie bereits einen Zeitvertrag bei den Münchner Philharmonikern, nach
ihrem erfolgreichem Probespiel tritt sie nun ihr
Probejahr zur festen Stelle an.
„Mit der Stelle bei den Münchner Philharmonikern erfüllt sich mir ein Lebenstraum. Ich bin gespannt darauf mit dem Orchester an die unterschiedlichsten Orte zu reisen und der Welt somit
die Stadt München ein Stück näher zu bringen“,
bekennt Mia Aselmeyer, die in ihrer Freizeit gerne München und das Umland entdeckt und ihre
Häkel- und Backtechniken verfeinert.
Teresa Zimmermann
erhielt ihren ersten
Harfenunterricht in
ihrer Heimatstadt Hannover mit sechs Jahren. 2008 schloss sie
ihr Studium bei Maria
Graf an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin mit Auszeichnung in der Solistenklasse ab. Sie erhielt
zahlreiche Preise und Auszeichnungen bei allen
bedeutenden internationalen Wettbewerben
für Harfe.
Seit Jahren konzertiert sie als Gast bei renommierten europäischen Orchestern und war seit
2013 Solo-Harfenistin des Philharmonia Orchestra London. Solokonzerte gab sie unter anderem
mit den Duisburger Philharmonikern, dem Warschauer Sinfonieorchester und dem Konzerthausorchester Berlin. 2011 wurde sie von ARTE
unter der Moderation von Rolando Villàzon für
die Sendung „Stars von morgen“ aufgenommen.
Seit Dezember 2011 unterrichtet sie als Dozentin
für Harfe eine Hauptfachklasse an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover.
„Ich habe noch nie in Süddeutschland gelebt
und bin gespannt, was mich erwartet“, erzählt
sie. „Als begeisterte Sportlerin freue ich mich
sehr auf die viele Natur und die gute Luft!“
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Fora Baltacigil
Floris Mijnders
Instrument: Bass
Instrument: Cello
Fora Baltacigil, geboren in Istanbul, erhielt
ab dem Alter von neun
Jahren Bass-Unterricht
von seinem Vater, dem
Solo-Kontrabassisten
des Istanbul State
Symphony Orchestra.
Später studierte er bis zum Jahr 2002 am Istanbul University Conservatory und erhielt 2006
sein künstlerisches Diplom am Curtis Institute
of Music in Philadelphia, wo er Schüler Hal Robinsons und Edgar Meyers war.
Fora Baltacigil war Mitglied der Berliner Philharmoniker und Solo-Bassist des Minnesota
Orchestra und des New York Philharmonic Orchestras. Als Solist spielte er mit dem Minnesota Orchestra John Harbisons „Concerto for Bass
Viol“ und trat zusammen mit seinem Bruder Efe,
dem Solo-Cellisten des Seattle Symphony Orchestras, mit den Berliner Philharmonikern unter
der Leitung von Sir Simon Rattle auf (Programm:
Giovanni Bottesinis „Grand Duo Concertante“).
Seine Freizeit verbringt Fora Baltacigil – wenn
er nicht gerade als Hobby-Koch am Herd steht
und neue Rezepte ausprobiert – gerne als begeisterter Segler und Taucher in bzw. auf dem
Wasser.
Floris Mijnders, geboren in Den Haag,
bekam als Achtjähriger den ersten Cellounterricht von seinem
Vater. Ab 1984 studierte er bei Jean Decroos am Royal Conservatory Den Haag. Während seines Studiums
spielte er im European Youth Orchestra und besuchte Meisterklassen bei Heinrich Schiff und
Mstislav Rostropovich.
Mijnders wurde 1990, kurz nach Studienende,
1. Solo-Cellist im Gelders Orkest in Arnhem.
Nicht viel später wechselte er in gleicher Position zum Radio Filharmonisch Orkest. Seit 2001
war er 1. Solo-Cellist des Rotterdam Philharmonic Orchestra und wurde als Solo-Cellist von
zahlreichen renommierten europäischen Orchestern eingeladen.
Als Solist trat er mit vielen europäischen Orchestern auf, unter anderem mehrmals mit dem Concertgebouw Orchestra Amsterdam und dem Radio Filharmonisch Orkest. Floris Mijnders ist
Professor für Violoncello am Sweelinck Concervatorium Amsterdam.
Neben der Musik ist Kochen Floris Mijnders Leidenschaft. Er freut sich auf die Zeit in München und
darauf, die schöne Natur Bayerns genießen und im
Winter Schlittschuhlaufen gehen zu können.
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Wir begrüßen...
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Über die Schulter geschaut
Im Dienste der Musik – die Notenarchivare
der Münchner Philharmoniker
Christian Beuke
Gefragt nach einem typigerne arbeiten die beiden
schen Arbeitstag, fällt ihre
Archivare für den EhrenAntwort kurz, prägnant und
dirigenten, Zubin Mehta.
mit einem Schmunzeln aus:
Denn pünktlicher als er ist
„Den gibt es nicht.“ Thomas
niemand. „Von ihm kommt
Lang und Georg Haider ardie Quinte mindestens drei
beiten seit zehn bzw. fünf
Monate vor der ersten ProJahren als Notenarchivare
be. Mehr als ausreichend
Zeit, damit wir die fertigen
bei den Münchner Philharmonikern. Vor allem sind sie
Stimmen pünktlich an die
dafür verantwortlich, dass Thomas Lang und Georg Haider (von links auf dem Foto) Orchestermusiker überdie Striche – die Auf- und arbeiten seit zehn bzw. fünf Jahren als Notenarchivare geben und sie die ProAbstriche der Streicher –
gramme vorbereiten könkorrekt in jede Stimme und nach den Wünschen des
nen. Unser Anspruch ist es, immer zwei bis drei
Dirigenten eingetragen sind. „Manche Maestri
Projekte voraus zu sein“, erläutert Georg Haider.
schicken uns eine sogenannte „Quinte“ – die ein„Treten Programmänderungen auf, hat die Aktualigerichteten Striche von je einer 1. und 2. Geige,
tät natürlich immer Vorrang.“
Bratsche, Cello und Bass“, erklärt Georg Haider.
Was sich auf den ersten Blick simpel anhört, ist
Durch ihre Hände wandern mitunter wahre Schätbei genauerem Hinsehen wesentlich komplexer.
ze. Gustavo Dudamel war sofort Feuer und Flamme
Jeder Maestro hat unterschiedliche Erwartungen:
als er hörte, dass es bei den Münchner Philharmoder eine bevorzugt das Notenmaterial eines benikern noch alte Noten gebe, die von Celibidache
stimmten Verlags, weil er mit diesen Noten schon
eingerichtet wurden und aus denen er dirigiert hat.
seit Jahren arbeitet. „Lorin Maazel hat dank seines
„Er fragte, ob er nach einer Probe kurz bei uns vorfotografischen Gedächtnisses sofort erkannt, ob es
bei kommen dürfe, um sich Partituren genauer an„sein“ Material war“, erinnert sich Thomas Lang.
zusehen“, berichtet Thomas Lang. „Fast eine Stun„Diese Stelle war doch bisher immer oben links auf
de war er da“ – eine Ausnahme, wie er gerne offen zugibt. „Mit offenem Mund hat er zugehört als
dieser Seite. Es ist ein wenig ungewohnt, wenn sie
auf einmal woanders auftaucht“, so der Kommentar
ich ihm sagte, dass die Münchner Philharmoniker
des Maestros. Andere Dirigenten sind dagegen
fast alle Orchesterwerke Richard Strauss’ vom
sehr an den neuesten Ausgaben interessiert, die
Komponisten selbst geschenkt bekommen haben.“
erst ganz frisch herausgekommen sind. Besonders
In der Tat eine absolute Besonderheit.
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Auch ein guter Draht zu den Musikern des Orchesters ist für Thomas Lang und Georg Haider selbstverständlich. Wünsche einzelner Kollegen werden
sofort erfüllt, sei es die Vergrößerung von Stimmen, das Übertragen kurzer Passagen in einen
anderen Notenschlüssel oder die Bereitstellung
von Stimmen auch mal früher als normalerweise
üblich. Wolfgang Berg, Bratscher und Erfinder des
29
Odeonjugendorchesters, fragt regelmäßig für das
Patenorchester nach einer Quinte, damit die jungen Musiker die Striche in ihr gekauftes Material
übertragen können. Gleiches gilt für das Abonnentenorchester. Und unlesbare Stimmen, im letzten
Falle waren das zwei Soloviolinen, die in einem
Notensystem – „für das menschliche Auge kaum
mehr wahrnehmbar“ – zusammengefasst waren,
werden fein säuberlich getrennt neu notiert. Für
das beste künstlerische Ergebnis.
Georg Haider hat u.a. Komposition studiert. Bevor
er bei den Münchner Philharmonikern anfing, war
er als freischaffender Komponist tätig. Erst kürzlich
hat er mit einem außergewöhnlichen
Projekt von sich Reden gemacht: dem
Klangbuch „Der Dritte Mann“, nach
dem Roman von Orson Welles. Die
Musik für vier Zithern, Posaune und
Schlagzeug hat er ursprünglich für
ein Zitherfestival komponiert. Gemeinsam mit dem Sprecher Norbert
Gastell, mit verstellter Stimme als
Synchronstimme von Homer Simpson bekannt, ist ein Melodram entstanden, das der Mandelbaumverlag
herausgebracht hat. Deutschlandradio Kultur rezensiert: „Dieser „Dritte Mann“ ist kein
Futter für das Autoradio, kein Unterhaltungskrimi,
kein Auffrischen einer bereits bekannten Erzählung.
Georg Haiders „Der Dritte Mann – Orson Welles’
Schatten“ ist uneasy listening, faszinierend-verstörende Hörkunst, die bewusstes Hören erfordert.
Und nachdem man diesen Stoff mit anderen Ohren
gehört hat, wird man vermutlich auch den Film mit
anderen Augen sehen.“
Stets im Dienste der Musik eben.
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In der Regel aber wird das Notenmaterial eingekauft. Bedingung für den Erwerb ist, dass die Rechte der Komponisten an den Werken freigeworden
sind. In Deutschland ist das 70 Jahre nach dem Tod
des Komponisten der Fall. Richard Strauss zum
Beispiel ist also noch bis zum 1.1.2020 geschützt.
In Asien oder auch in Amerika gelten hingegen andere Regeln. So war in den USA bis vor kurzem
jedes Werk 50 Jahre nach dem Erscheinen des
jeweiligen Erstdrucks geschützt. Wann werden
welche Werke frei? Welche neuen Urtexte gibt es?
Fragen, die die beiden Archivare aus dem Stand beantworten können. Ein guter Draht zu den Musikverlagen ist dabei mehr als hilfreich, ja geradezu
Voraussetzung. Thomas Lang hat viele
Jahre in einem großen Notenverlag
gearbeitet, er kennt auch die andere
Seite bestens und hat schon die eine
oder andere kritische Situation still und
einvernehmlich gelöst. Vorher war er
als Dramaturg an verschiedenen Theatern in Deutschland tätig. Kein Wunder, dass seine große Liebe der Oper
gilt, genauer gesagt der unentdeckten
Oper. Mehr als 600 verschiedene Opern
hat er bereits gesehen, dafür reist er
durch ganz Deutschland, wann immer
es die Zeit zulässt. Besonders angetan ist er von
den zahlreichen Raritäten, die das Stadttheater Gießen schon seit Jahren ausgräbt.
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Über die Schulter geschaut
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Orchestergeschichte
Ein außergewöhnliches Konzert mit
Gustav Mahlers nachgelassenem Adagiosatz
Gabriele E. Meyer
Am 17. Dezember 1931 stellte der Konzertverein
in Verbindung mit der 1927 von Fritz Büchtger gegründeten „Vereinigung für zeitgenössische Musik“ vier für München ganz neue und „gegensätzliche“ Werke vor. Am Pult der Münchner Philharmoniker stand Hermann Scherchen, zeit seines
Lebens unbeirrbarer Förderer der neuen Musik und
Freund vieler Komponisten. Mit Feuereifer erarbeiteten die Musiker Gustav Mahlers Adagio aus dessen unvollendet gebliebener zehnten Symphonie
sowie Paul Hindemiths 1930 für das Bostoner Symphonieorchester komponierte „Konzertmusik für
Streichorchester und Bläser“ op. 50, Arthur Honeggers Symphonie Nr. 1 (1930) und Wladimir
Vogels „Zwei Orchester-Etüden“, ebenfalls aus
dem Jahre 1930.
Schon in der Ankündigung zu dem Konzert machten die „Münchner Neuesten Nachrichten“ auf die
schwierige musikgeschichtliche Stellung des damals noch kontrovers diskutierten österreichischen
Komponisten aufmerksam. „Mahler ist oft als einer
der Väter der sogenannten neuen Musik bezeichnet worden, wenn auch diese Beziehung sehr problematisch ist und man eher ihn als den Ausklang
der Romantik bezeichnen kann.“ Das Echo auf diesen Konzertabend aber war enorm, wobei gerade
Mahlers Adagiosatz den größten Eindruck hinterließ. So wurden die „innere Konzentration“ und
die „ergreifende Ausdruckskraft des breit in
schmerzlicher Schönheit hinströmenden Gesanges“ ebenso vermerkt wie die „Spannung weiter
Intervalle“. Ein anderer Rezensent sah den Satz
als „erschütternden Ausklang einer um die letzten Dinge wissenden Seele“. Interessant, notabene, ist hier auch der Hinweis auf Brucknersche
Gedankengänge. Es scheint, als ob die Logik des
Zerfalls, das musikalische Bild des Todes, das
Mahler hier komponiert hat, geradezu hervorragend getroffen wurde.
Wie nun Hermann Scherchen die Werke des ganzen Abends „musikalisch und geistig, aber auch
dirigiertechnisch vermittelt hat, war“, nach übereinstimmender Meinung, „wieder im höchsten
Grade bewunderungswürdig. Aber auch die Münchner Philharmoniker zeigten sich an diesem Abend
auf der vollen Höhe ihrer Leistungsfähigkeit. Sie
spielten glänzend.“ Ein besonderes Lob erhielten
die Blechbläser, die wahrlich keinen leichten
Abend hatten. Der schönste Dank aber kam von
Scherchen selbst. In einem offenen Brief an die
Philharmoniker würdigte er deren großartigen
Einsatz. „Nicht nur, daß Sie ein exzeptionell
schwieriges Programm virtuos bewältigten, haben Sie auch vermocht, vier ganz gegensätzliche
Stile scharf profiliert darzustellen und dies auf
Grund von relativ knappster Probenarbeit. Ich habe bewundert, mit welch persönlichem Interesse
Sie sich schnell zu den Ihnen ganz fremden Werken in Beziehung zu bringen vermocht haben und
ich war glücklich und Ihnen restlos dankbar, daß
Ihr künstlerisches Verantwortungsgefühl es mir
ermöglicht hat, noch am Abend unmittelbar vorm
Konzert zu probieren und so in hohem Maße der
Kunst dienen zu können.“
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Ehrenamt in Kampala
Jutta Sistemich, über 10 Jahre tätig im „Spielfeld Klassik“-Team
und Gründerin des Mädchenheims SUNRISE HOME OF KAMPALA in Uganda
Uganda zählt zu den kinderreichsten,
ärmsten Ländern Afrikas. 2 Millionen
Waisen sind dort registriert, ca. die
Hälfte der Bevölkerung ist jünger als
16 Jahre. Für viele Kinder dort bedeutet dies keine vielversprechenden Zukunftsaussichten, wenig Hoffnung auf
eine gute Schulausbildung und ausreichende medizinische Versorgung.
Gleich bei meinem ersten Aufenthalt in Kampala im
April 2011 entstand die Idee, ein Heim für Mädchen
einzurichten, die dort ein neues zu Hause bekommen
und die Chance auf eine gute Ausbildung erhalten.
Im September 2012 gründete ich gemeinsam mit
meiner Tochter Viola und meiner Freundin Leilah
Nassozi (siehe Foto), das SUNRISE HOME OF KAMPALA, das heute 20 Kinder beherbergt. Unsere Projekte sollen vielen Kindern helfen – z.B. durch unsere Tanzgruppe, in der auch viele Kinder der Nachbarschaft mittanzen und einige Schulgelder von uns
erhalten. Oder die geplante Nähschule, um Bewohnern der Dorfgemeinschaft eine Ausbildungsmöglichkeit zu geben.
Da auch die klassische musikalische Förderung einen
Schwerpunkt bildet, lag es nahe, den Kontakt zur
Kampala Music School (KMS), dem Zentrum für klassische Musik und Jazz in Uganda, zu suchen und die
Idee der Kooperation anzuregen. Fred Kiggundu Musoke, Leiter der KMS, war direkt begeistert und so
entwickelten wir verschiedene Szenarien, von denen
wir den ersten Schritt im Juli diesen
Jahres realisierten.
Die Musikerinnen Traudel Reich, Maria
Teiwes und Shengni Guo reisten zusammen mit Simone Siwek, der Leiterin von
„Spielfeld Klassik“, nach Kampala.
Workshops mit Lehrern und Schülern
standen auf dem Programm, gemeinsames Musizieren und ein Konzert. Der gegenseitige
Austausch stand im Vordergrund, wobei Schüler und
Lehrer der Musikschule mit großer Begeisterung dabei waren. Natürlich sind die Gegebenheiten vor Ort
nicht mit denen in Deutschland zu vergleichen. Kurzfristige Änderungen von Plänen sind üblich und lange Wartezeiten keine Seltenheit. Dennoch: Dank
gutem Willen, Improvisationstalent und viel Enthusiasmus aller Beteiligten wurde der erste Besuch der
MPhil-Delegation ein voller Erfolg.
Wenn auch Sie unsere Arbeit unterstützen möchten
– Ihre Hilfe erreicht unsere Kinder direkt.
Alle wichtigen Informationen erhalten Sie unter
www.empologoma.org.
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Das letzte Wort hat...
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Vorschau
Fr. 03.10.2014, 19:00 1. Abo h5
So. 05.10.2014, 11:00 1. KaKo
Franz Schubert
Ouvertüre zu „Rosamunde, Fürstin
von Zypern“ D 797
„Kritiker und Meister“
Symphonie Nr. 7 h-Moll D 759
„Die Unvollendete“
Symphonie Nr. 8 C-Dur D 944
„Die Große“
Zubin Mehta, Dirigent
Joseph Haydn
Streichquartett g-Moll op. 74
Nr. 3 Hob. III:74 „ReiterQuartett“
Hugo Wolf
„Italienische Serenade“ G-Dur
für zwei Violinen, Viola und
Violoncello
Johannes Brahms
Streichquartett Nr. 1 c-Moll
op. 51 Nr. 1
Sa. 01.11.2014, 19:00 2. Abo d
So. 02.11.2014, 11:00 1. Abo m
Mo. 03.11.2014, 20:00 1. Abo e5
Joseph Haydn
Symphonie Nr. 88 G-Dur Hob. I:88
Ludwig van Beethoven
Konzert für Klavier und Orchester
Nr. 3 c-Moll op. 37
Konzert für Klavier und Orchester
Nr. 5 Es-Dur op. 73
Thomas Dausgaard, Dirigent
Leif Ove Andsnes, Klavier
Philippe Mesin, Violine
Traudel Reich, Violine
Julio López, Viola
Sven Faulian, Violoncello
Impressum
Herausgeber
Direktion der Münchner
­P hilharmoniker
Paul Müller, Intendant
Kellerstraße 4,
81667 München
Lektorat: Stephan Kohler
Corporate Design:
Graphik: dm druckmedien
gmbh, München
Druck: Color Offset GmbH,
Geretsrieder Str. 10,
81379 München
Gedruckt auf holzfreiem und FSC-Mix
zertifiziertem Papier der Sorte
LuxoArt Samt.
Textnachweise
Martin Demmler, Thomas
Leibnitz, Elke Heidenreich,
Christian Beuke, Gabriele E.
Meyer und Jutta Sistemich
schrieben ihre Texte als Originalbeiträge für die Programmhefte der Münchner
Philharmoniker. Die lexikalischen Angaben und Kurzkommentare zu den aufgeführten Werken verfasste
Stephan Kohler. Künstlerbiographie Fisch: Agentur­text. Alle Rechte bei den
Autorinnen und Autoren;
jeder Nachdruck ist seitens
der Urheber genehmigungsund kostenpflichtig.
Bildnachweise
Abbildungen zu Franz Schubert: Joseph Wechsberg,
Schubert – Sein Leben, sein
Werk, seine Zeit, München
1978; Cedric Dumont, Franz
Schubert – Wanderer zwischen den Zeiten, Braunschweig 1978; Ernst Hilmar,
Schubert, Akademische
Druck- und Verlagsanstalt,
Graz 1989. Abbildungen zu
Anton Bruckner: Leopold
Nowak, Anton Bruckner –
Musik und Leben, Linz 1995;
Uwe Harten (Hrsg.), Anton
Bruckner – Ein Handbuch,
Salzburg / Wien 1996.
Künstlerphotographien: Chris
Gonz (Fisch); Leonie von Kleist
(Heidenreich); Simone Siwek
(Sistemich); privat (Aselmeyer,
Zimmermann, Baltacigil,
Mijnders)
Zubin Mehta
Dirigent
Franz Schubert
Ouvertüre zu „Rosamunde“
C-Dur D 644
Symphonie Nr. 7 h-Moll D 759
„Unvollendete“
Symphonie Nr. 8 C-Dur D 944
„Große“
Freitag, 03.10.2014, 19 Uhr
Philharmonie im Gasteig
Karten € 85,50 / 71,50 / 62,70 / 51,50 / 45,10 / 26,20 / 17,40
Informationen und Karten über München Ticket
KlassikLine 089 / 54 81 81 400 und unter mphil.de
117. Spielzeit seit der Gründung 1893
Valery Gergiev, Chefdirigent (ab 2015/2016)
Paul Müller, Intendant
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