E r nä h r un g im A lt e r Gesund und genussvoll essen! Essen ist auch für Senioren ein Erlebnis und Quell der Lebensfreude. Und wenn, wie im dahlia Lenggen in Langnau, auch beim Rüsten mitgearbeitet werden kann, heisst Ernährung auch Wertschätzung. Der Sommer steht vor der Tür, die Pflanzenwelt verwöhnt uns nicht nur mit blühender Farbenpracht, sondern auch mit gesundem Gemüse, mit süssen Beeren und geschmackvollen Kräutern. Den Garten als gesunden Warenkorb schätzt auch die Pflegeeinrichtung dahlia Lenggen in Langnau. Dank dem betriebseigenen Garten kann während der Sommermonate ein Grossteil an Gemüse, Salat, Kräutern und Früchten in Selbstversorgung produziert und weiterEssen und Trinken berei- verarbeitet werden. Das ist tet Freude, ist ein sozia- nicht nur wirtschaftlich und ökologisch interessant, sonles Ereignis, strukturiert dern aufgrund der täglich frischen Vitamine auch äusserst den Alltag und bietet gesund. Zudem trägt der Abwechslung. «dahlia-Garten» viel zu einer natürlichen und in die Jahreszeiten eingebetteten Aktivierung der Bewohnerinnen und Bewohner bei. Gilt doch beispielsweise das Bohnenrüsten als sehr willkommene und gut besuchte Aktivität. Das gemeinsame Rüsten ist eine sinnstiftende und vielen betagten Menschen aus ihrer eigenen Gartenaktivzeit auch noch bekannte Arbeit. Genuss für aktivierte Gaumenzellen Wenn es auf den Abteilungen nach Suppe und Apfelkuchen riecht, zieht es manchen der Nase nach zum Geschehen: zuschauen und dabei sein oder aktiv mithelfen? Das sinnliche Erlebnis aktiviert die Gaumenzellen, und das soziale Geschehen in familiärem Ambiente verleitet sogar sogenannte «Schlechtesser» dazu, sich auf das Abenteuer Essen und Geniessen neu einzulassen. In der Kochgruppe – eine von vielen verschiedenen Angeboten der Aktivierung – entscheiden sich die Teilnehmenden gemeinsam für ein Menü und definieren selber die Zubereitungsart. Sie bringen ihre eigenen Erfahrungen ein und beteiligen sich nach ihren Fähigkeiten am gemeinsamen Projekt. Die Männer und Frauen der Kochgruppe erleben das Kochen einerseits als sinnliche Tätigkeit, andererseits – über das vor Kraft strotzende Gemüse aus dem eigenen Garten – auch als visuelle Anregung. So weckt ein frisch geernteter Kopfsalat aus dem Hochbeet des Bewohnergartens Erinnerungen an die eigene aktive Gärtnerzeit im Privat- oder Bauerngarten und führt zu Gesprächsstoff, Tipps werden 20 m e d i z i n a k t u e l l ausgetauscht, Geschichten aufgetischt. Auch die wöchentliche Rüstgruppe der Aktivierung ist ein Ort des Austausches und erlebter Wertschätzung, wo die eigene Herkunft, die eigenen Erfahrungen und Beobachtungen in Natur, Garten, Küche oder Vorratsraum mit wahrem Interesse entgegengenommen und weitergegeben werden können. Frisches Gemüse und vieles mehr Der grosse Garten rund ums dahlia Lenggen liefert in den Sommermonaten 70 bis 80 Prozent des Gemüses (auch für die dahlia-Häuser Oberfeld und Zollbrück). So zum Beispiel Fenchel, Blumenkohl, Krautstiele, Tomaten, Kohlrabi, Sellerie oder Randen. Und der ums Haus angelegte Kräutergarten lockt nicht nur Bienen an, sondern auch Mitarbeitende, die fürs Abschmecken oder den Nachmittagstee das geeignete Kraut suchen. Sommers lassen sich die Bewohnerinnen und Bewohner auf den Abteilungen gerne vom hereinströmenden Minzenduft zu einem prickelnden Drink verführen. Auch der Beerengarten lädt zum Naschen ein – eigens vermerkt mit «Schnouse erloubt.» Der Salat stammt in den Monaten April bis Oktober ebenso aus Eigenanbau wie der Grossteil der Früchte wie Äpfel, Birnen und Zwetschgen. Auch hier ist die Rüstgruppe der Aktivierung aktiv: Das «Zwätschgerüste» ist erneut eine beliebte spätsommerliche Tradition und geschieht mit tatkräftiger Unterstützung von freiwilligen Helfern aus der Umgebung von Langnau, denn die reifen Früchte aus der heute rund 50 Fruchtbäume zählenden Hofstatt verlangen viele aktive Hände für die Weiterverarbeitung. Der Garten, der auch drei Lehrlingen Arbeitsumfeld ist, stellt ein verbindendes Element zwischen Aktivierung, Küche und Pflege dar und sorgt gleichzeitig für frische, gesunde und natürliche Ernährung. Essen hat hohen Stellenwert Im Gegensatz zu rasch eingeworfenem Fast Food hat das Essen und Trinken für manch betagte Person der Kriegs- oder Nachkriegsgeneration auch eine existenzielle Bedeutung und ist mit Wertvorstellungen verbunden, wie Bewohnerinnen und Bewohner sagen: «Es bruucht nid geng Nidle u jede Tag Fleisch. Aber ling muess es sy.» «Mi chochet das, wo me het u wo me kennt.» «Eifach isch o guet.» «Mit em Ässe sparsam umgah, d Räschte werme oder de Tier fuetere, mir hei o kener Wunschmenu zum Geburtstag einer Bewohnerin Website dahlia Verein ansehen Läbesmittu furtgschosse.» Ernährung ist weit mehr als die Versorgung des Körpers mit wichtigen Nährstoffen: Essen und Trinken bereitet Freude, ist ein soziales Ereignis, strukturiert den Alltag und ist besonders auch für den alten Menschen in einer Pflegeeinrichtung eine willkommene Abwechslung vom Heimalltag. Zur Freude am Essen trägt nicht nur eine kulinarisch einwandfreie, vollwertige, «gluschtige» Mahlzeit, sondern auch ein ruhiges und entspanntes Umfeld während des Essens bei. Und da selbstständiges Essen auch für Lebensqualität steht, ist das Pflegefachpersonal darum bemüht, den Bewohnern zum Essen genügend Zeit einzuräumen. Weil sich eine ausreichende, schmackhafte und abwechslungsreiche Mahlzeit auch sonst auf vieles positiv auswirkt und das Auge bekanntlich mitisst, legt auch die Gastronomie des dahlia Lenggen grossen Wert auf schön angerichtete und garnierte Teller und Desserts. Denn auch wenn die Ernährung gesund und frisch ist und unter der Prämisse der Ausgewogenheit steht, soll sie in erster Line munden und die betagten Menschen erfreuen. Ergänzend dazu werden Nahrungsmittel auch kurativ eingesetzt: So stehen zum Beispiel bei schlecht heilenden Wunden oder in palliativen Phasen nährstoffreiche Drinks im Angebot, und für eine gute Verdauung sorgen Früchte und Vollkornprodukte. Getränke oder Tees werden mehrmals täglich angeboten. Nahrungsaufnahme oder zeitweilige Appetitlosigkeit sind aber auch Ausdrücke des Willens zu leben oder zu sterben. Mit beiden Polen – Leben und Tod – sind die Teams täglich beim Servieren von Essen konfrontiert. Mit Empathie begleiten sie dahlia-Bewohner bei ihren Nahrungsbedürfnissen, respektieren ihren Willen nach folgendem Grundsatz: Der betagte Mensch soll in erster Linie nach seinen Gewohnheiten und Wünschen essen und geniessen können. Berner Platte oder asiatische Nudeln Die Bewohner des dahlia Lenggen stammen aus einem ländlichen Umfeld und essen am liebsten auch so. Unbekanntes oder «Undefinierbares» wie Eintopf oder asiatische Nudelgerichte gehören nicht zu den Favo- riten. Wohl aber Zunge und Kartoffelstock, Berner Platte oder «Suure Mocke». Und natürlich «Öpfuchüechli». Aber auch Suppen und Cremes kommen gut an – alles halt, was sich gut kauen und schlucken lässt. Und viele, oft auch demente Menschen, lieben Süsses. Um die jeweils 138 Teller im dahlia Lenggen möglichst individuell und angepasst anzurichten, arbeitet das Küchen- und Pflegepersonal mit einem Kartensystem. Dabei werden Portionen (ganz, halb, ein Viertel), Kostformen, Unverträglichkeiten und Diäten oder unbeliebte Speisen festgehalten. Neue Bedürfnisse werden stets angepasst. Dabei wünschen sich die Männer in der Regel eher etwas Salziges, während die Frauen eher ein Birchermüesli oder einen süssen Griessbrei verlangen. Die Küche geht möglichst auf alle Wünsche ein. Zudem verfügt die Pflege auf jeder Abteilung über einen Kühlschrank, wo Joghurt, Früchte oder Desserts für Zwischenmahlzeiten aufbewahrt und nach Bedarf auch später am Abend noch angeboten werden können. Ist ein Bewohner, eine Bewohnerin nicht zufrieden mit dem Essen, sucht der Koch den Kontakt und bespricht das Anliegen persönlich. Dabei sind aktives Zuhören und respektvoller Umgang wichtige Grundlagen für ein beratendes Gespräch, in dem es nicht selten nur um die Klärung der Situation geht. Äusserst selten müssen die Grenzen einer Heimküche aufgezeigt werden, in der ein tägliches Spezialmenu für jeden und jede die Dimension des Machbaren übersteigen würde. Denn meistens reicht als Überzeugungsakt ein Besuch in der Grossküche: Das Ernstnehmen des Problems, der Respekt gegenüber der Bewohnerin, des Bewohners gekoppelt mit dem Sich-dafür-Zeit-Nehmen tut oft Wunder. Die Auskunftspersonen Christian Hertig Leiter Küche Heidi Jakob Leiterin Aktivierung Thomas Wüthrich Leiter Garten Kontakt: dahlia Lenggen Asylstrasse 35,3550 Langnau Tel. 034 408 31 11 [email protected] [email protected] [email protected] med izin aktue l l 21