Pflegepraxis ■ Systemische Ganzkörperhyperthermie in der Onkologie: Tödliche Hitze für Tumorzellen Jana Gaworek und Cvetka Theresa Mayer Die heilende Wirkung des Fiebers bei verschiedenen Erkrankungen ist schon seit der Antike bekannt. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebt die Fieberbehandlung vor allem in der Onkologie eine Renaissance und hält in immer größerem Umfang Einzug in onkologische Therapiekonzepte. Prinzipiell können drei Gruppen der systemischen Ganzkörperhyperthermie unterschieden werden: ◆ moderate SGHT bis etwa 40 °C ◆ intermediäre SGHT zwischen 40 °C und 41,5 °C ◆ extreme SGHT zwischen 41,6 °C und 42 °C. Während das erste Verfahren überwiegend zur Stimulie- Ein Gerät zur systemischen Ganzkörperhyperthermie (SGHT): Aufgrund biologischer Besonderheiten reagiert Tumorgewebe empfindlicher auf rung des Immunsystems angewandt wird, verursachen die intermediäre und extreme SGHT in Verbindung mit Hitze als andere Körperzellen. einer Chemotherapie die direkte Schädigung des Tumors. krowellen oder heißen Wachsbädern zu erzielen, wird in der Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich ausschließGegenwart vorwiegend Infrarotstrahlung genutzt. Bekannteste lich auf die extreme SGHT. Vertreter im europäischen Raum sind Martin Heckel mit dem Gerät „Heckel HT 2000“ und Manfred von Ardenne mit „IraMethodisches Prinzip therm 2000“. Durch die Erwärmung der Körperperipherie und damit des Kern des Gerätes „Heckel HT 2000“ sind vier Rohrstrahler, Blutes der oberflächlichen Gefäße wird die Wärme durch den die kurzwelliges Infrarot-Licht aussenden. Eine Total-RefleBlutkreislauf ins Körperinnere, den Körperkern, transportiert xionsstreuung der Strahlung durch innenverspiegelte, aluminiumbeschichtete Folienwände führt zu einer gleichmäßigen und zum Wärmeausgleich an das umliegende Gewebe wieder abgegeben, dadurch wird Fieber erzeugt. oberflächlichen Bestrahlung. Die Folie und die in der Kabine Die ersten Veröffentlichungen, die sich aus pflegerischer Sicht stehende heiße Luft hindern den Körper daran, die Wärme mit diesem Thema beschäftigen, gehen auf das Jahr 1937 zuwieder abzugeben. Die Temperatur steigt in circa 150 Minurück (Lehmann 1937). Nach unzähligen Versuchen, die pasten auf etwa 41,8 °C an und kann ohne weitere Wärmezufuhr sive Temperaturerhöhung mittels Überwärmungsbädern, Miüber 90 Minuten auf diesem Niveau gehalten werden. Zusammenfassung Todesfälle bei Krebs sind häufig auf Metastasen der Primärtumore zurückzuführen. Dies zeigt, wie notwendig eine systemische Behandlung ist. Umfangreiche Studien der letzten 20 Jahren ergaben, dass länger anhaltende Körpertemperaturen zwischen 41,5 °C und 42 °C verschiedene Prozesse aktivieren, die zur Zerstörung von Krebszellen führen (Apoptose) und die Wirksamkeit einiger Zytostatika um ein Mehrfaches verstärken. Daher ist die systemische Ganzkörperhyperthermie (SGHT) besonders zur Therapie von Krebserkrankungen mit multipler Metastasierung geeignet, sie wird aber auch zunehmend zur Metastasenprophylaxe und Zerstörung von Mikrometastasen eingesetzt. In diesem Beitrag wird ein Überblick über die Wirkungsweise und Durchführung der Ganzkörperhyperthermie (SGHT) gegeben. Schlüsselwörter: Ganzkörperhyperthermie, Krebs, Chemotherapie Pflegezeitschrift 1/2003 Biologische Grundlagen Zellen mit niedrigem ph-Wert und geringer O2-Sättigung, wie zum Beispiel die Tumorzelle, reagieren sensibler auf erhöhte Temperaturen (Dziambor/Hager 1998). Die Schädigung der Krebszelle ist zurückzuführen auf die erhöhte Stoffwechsellage und die starren Wände der Tumorgefäße. Während eine Temperaturerhöhung im gesunden Gewebe die Gefäße erweitert, wodurch die Wärme schneller abgegeben wird, ist dieser Mechanismus im Tumorgewebe nur sehr eingeschränkt möglich, weil sich die dortigen Gefäße kaum dilatieren. Eine anfängliche Zunahme der Perfusion im Tumor um etwa 50 Prozent führt bei andauernder und zunehmender Hitze durch die fehlende Vasodilatation zu einem verminderten Abtransport des Blutes und damit zum Wärmestau. Entstehende Mikrothromben und Endothelschwellungen verstärken diesen Prozess, der aerobe 15 Pflegepraxis Prostata-Karzinom oder Plasmozytom. Bei den meisten von ihnen wurde eine multiple Metastasierung mit progredientem Verlauf diagnostiziert. Wünschenswert ist ein frühestmöglicher Behandlungsbeginn, da durch die systemische Erwärmung des gesamten Körpers auch noch nicht nachweisbare Mikrometastasen zerstört werden können. Über die Indikation zur Hyperthermiebehandlung (Kasten) entscheidet prinzipiell der Chefarzt bzw. die sogenannte Tumorkonferenz. Nach Abschluss der Voruntersuchungen findet zwischen dem Arzt der Hyperthermieabteilung und dem Patienten ein Aufklärungsgespräch statt. Neben dem Behandlungsablauf werden auch individuelle Probleme der Betroffenen, wie zum Beispiel Klaustrophobie oder, wie bei Patienten mit Pleuraergüssen oder Aszitesbildung notwendig, das eventuelle Legen von Pleura- oder Voruntersuchungen: intraabdominellen Kathetern besprochen. Die ◆ Blutbild nicht älter als 24 Stunden Patienten erhalten einen Ablaufbogen, der vom ◆ Gerinnungs-, Nieren-, Leber- und Pflegepersonal entworfen wurde, um den BetrofElektrolytparameter fenen die Möglichkeit zu geben, sich in Ruhe über ◆ Lungenfunktionstest alle relevanten Dinge zu informieren. Denn er◆ Herzechographie fahrungsgemäß ist die Informationsflut so groß, ◆ Abdomensonographie dass viele Details überhört oder vergessen wer◆ EKG, bei Bedarf Belastungs-EKG den. Ziel ist, dass der Patient mit größtmöglicher ◆ Vergleichsbilder von bildgebenden Sicherheit die Behandlung beginnt. Untersuchungen (CT, Röntgen und Stoffwechsel bricht zusammen. Der anaerobe Stoffwechsel und der reduzierte Abtransport von Stoffwechselendprodukten führen zur Laktatanreicherung und damit zum Abfall des pH-Wertes. Die Folge ist eine Azidose. Hitze und Übersäuerung verursachen eine Denaturierung von Eiweißen und schädigen Reparaturenzyme. Die Protein-, RNA- und DNA-Synthese wird gestört und der Zelltod wird eingeleitet (Bogovic/Douwes/ Douwes 1999). Werden bestimmte Zytostatika in der fortgeschrittenen Erwärmungsphase appliziert, so verstärkt sich deren Wirkung. Zum Beispiel steigt die Wirksamkeit von Carboplatin bei Temperaturen von etwa 42 °C um ein Sechsfaches an (Wiedemannn/ Kasten 1 Kontraindikationen: ◆ ausgeprägte Knochenmarkdepression, Thrombozyten (PLT) unter 90.000, Leukozyten (WBC) unter 2000 ◆ ausgeprägte kardiale/pulmonale Insuffizienz > 2. Grades ◆ Thrombosen, Marcumarisierung ◆ Epilepsie, zerebrale Mangeldurchblutung ◆ drohendes Hirnödem, symptomatische Hirnmetastasen ◆ tumorbedingte Einengung des Spinalkanals ◆ schwere Lymphödeme ◆ Niereninsuffizienz ◆ Gravidität ◆ akute Infektionen, Körpertemperatur > 38,5 °C (außer Tumorfieber) ◆ stark reduzierter Allgemeinzustand (< 60 % Karnowski-Index) ◆ progrediente destruktive Erkrankungen, zum Beispiel Leberzirrhose ◆ nicht medikamentös eingestellte Hyperthyreose ◆ akute psychiatrische Erkrankungen andere) ◆ Urinstatus Vorbereitung Die Ganzkörperhyperthermie ist eine intensivmedizinische Behandlung. Pro Patient ist eine PflegeMaßnahmen am Vortag kraft zuständig. Die Therapie dauert mit Vor- und ◆ Vorbereitungs- und AufklärungsNachbereitung etwa sieben Stunden. gespräch Für ein gutes Gelingen der Therapie ist neben der ◆ Festlegung der Chemotherapie exakten Voruntersuchung eine vertrauensvolle ◆ Hydrocolon-Therapie Beziehung zwischen Patient und Pflegekraft not◆ mittags und abends Suppe, Wasser wendig. So haben ruhiges und sicheres Auftreten, bis 6 Uhr morgens, danach nücheine entspannte Atmosphäre und genügend Zeit tern für offene Fragen äußerste Priorität und verringern Nervosität und Angst. Die Messung der Kerntemperatur erfolgt rektal und vesikal mittels Temperatursonde. Blutbild- und Elektrolytbestimmungen am Anfang und Ende der Behandlung sowie während der Anstiegs- und der Hochfieberphase geben Aufschluss über notwendige SubRobins et al. 1996). Ursache für die Wirkungsverstärkung ist stituierungen. Das Monitoring von Blutdruck, Puls, EKG und zum einen die erhöhte Membrandurchlässigkeit, die zu einer Sauerstoffsättigung gehört zu den Routinemaßnahmen. besseren Aufnahme der Chemotherapeutika führt, zum andeBei der Sedierung der Patienten ist die „total intravenöse Analren bewirken allein die gesteigerte Durchblutung und der ergesie“ (TIVA) das am meisten favorisierte Narkoseverfahren. höhte Metabolismus in der Krebszelle eine KonzentrationssteiDer Patient ist so sediert, dass er tief schläft, aber trotzdem gerung im Tumor um das 7- bis 1000-Fache im Vergleich zum noch spontan atmet. Verwendet wird hierzu eine KombinaPlasma (Dziambor/Hager 1998). Es gibt jedoch auch einzelne tion aus Propofol und Fentanyl. Zur Einleitung hat sich die Zytostatika, bei denen die Wirkung nicht durch die Temperaeinmalige Bolusinjektion von Dormicum® bewährt. turhöhe beeinflusst wird. Im Interesse des Patienten werden alle Interventionen, bei deEinen guten Überblick über die Wirkung verschiedener Zynen dies möglich ist, auf die Zeit nach dem Narkosebeginn tostatika unter Hitze bietet Hager (1997, S. 171). Durch die verschoben. Dazu gehören zum Beispiel das obligate Legen eiverbesserte Wirkung der Chemotherapeutika kann die Dosis nes Blasendauerkatheters, die subkutane Injektion von Fragmin® erheblich reduziert werden. Nebenwirkungen wie Knochenzur Thromboseprophylaxe und das Legen eines venösen Zumarkdepression, Übelkeit und Erbrechen treten seltener auf, gangs, wenn ein Portsystem zur Narkoseeinleitung vorhanden was eine enorme Steigerung der Lebensqualität für die Betrofist, sowie die bereits erwähnten eventuellen Punktionen von fenen bedeutet. Pleuraerguss oder Aszites. Danach wird der Patient mit drei großen Frotteetüchern zugedeckt, die Kabine wird geschlossen. Die SGHT in der Klinik St. Georg In der Klinik St. Georg werden wöchentlich bis zu 25 Ganzkörperhyperthermien durchgeführt. Die betroffenen Patienten sind an den verschiedensten Arten von Karzinomen erkrankt wie zum Beispiel an Colon-, Mamma-, Ovarial-, Bronchial-, 16 Durchführung Zur Flüssigkeitssubstitution wird Sterofundin® verwendet. Bis zum Erreichen der Zieltemperatur wird 20-prozentige Glukoselösung zur Erhöhung des Blutzuckerspiegels auf etwa Pflegezeitschrift 1/2003 Narkose. Bis zum vollständigen Erwachen wird er weiterhin 400 mg/dl ± 50 mg/dl appliziert. Damit wird zum einen auf in der SGHT-Abteilung betreut, ehe er am Nachmittag in die den erhöhten Energiebedarf des Körpers während der BehandStation zurückverlegt wird. Probleme in dieser Phase können lung reagiert, zum anderen sollen durch die Hyperglykämie eventuell Übelkeit mit Erbrechen oder Hypotonie als Folge eine höchstmögliche Stoffwechselaktivität im Tumor und eine der Sedierung sein, die in der Regel gut beherrschbar sind. Laktatsteigerung erreicht werden. Der Verbrauch von etwa Der Dauerkatheter wird je nach Mobilität am Abend oder am 1000 ml 20-prozentiger Glukose während der gesamten Hynächsten Morgen entfernt. Während der folgenden Tage werperthermie zeigt die enorme Belastung des Körpers. Insgesamt den Blutbild und Elektrolyte sowie Nierenparameter engmasteht der Einfuhr von etwa 5000 ml Flüssigkeit eine Urinausschig kontrolliert. fuhr von etwa 2000 bis 3000 ml gegenüber. Das Defizit erklärt sich zum einen durch das starke Schwitzen unter der Therapie Vorbeugung von Hautläsionen und der hitzebedingten interstitiellen Ödembildung, zum anEinen besonderen Stellenwert nimmt die Lagerung der Patideren durch die relative Exsikkose vom Vortag, da erfahrungsenten ein, da infolge der veränderten Stoffwechsellage die gemäß bei Nahrungskarenz auch die Flüssigkeitsaufnahme Gefahr besteht, dass sich während der Hyperthermie Hautreduziert wird. läsionen unterschiedlichen Ausmaßes entwickeln. Die Überwachung der Patienten erfordert viel Erfahrung und eiAls Grund für das gehäufte Auftreten von Hautläsionen wird ne ausgeprägte Beobachtungsgabe. Neben den Kreislaufparaein Hitzestau in der Subkutis angenommen, es können sich metern stehen die Temperaturentwicklung und die individuelle Blasen oder gar Nekrosen bilden. Ursache ist meist eine geSedierung im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Nach anfänglinerelle Minderdurchblutung, wie sie zum Beispiel im Fettcher Stagnation erhöht sich die Temperatur um 1,2 bis 1,5 °C gewebe bei adipösen Patienten oder im Bereich des Beckenpro 30 Minuten. Jedes Öffnen der Kabine bewirkt einen Luftkamms bei kachektischen Menschen sowie im Narbengewebe austausch in der Wärmekammer und somit eine Verzögerung besteht. Hier genügt oftmals ein zusätzliches Zudecken, um des Anstieges. Daher ist konzentriertes und strukturiertes Arbeidie gefährdeten Körperpartien der extremen Hitzeeinwirkung ten erforderlich, denn jede Zeitverzögerung bedeutet für den zu entziehen, die die Temperatur der Hautoberfläche auf 43 °C Patienten zusätzlichen Stress und zusätzliche Medikation. ansteigen lassen kann (Abb.). An anderen Stellen ist Druck für Bei 41 °C können die Lampen ausgeschaltet werden, die Kördie Minderdurchblutung verantwortlich, wobei davon auspertemperatur steigt dann trotzdem noch um etwa 1 °C an. gegangen wird, dass zusätzliche weitere Faktoren das Risiko Die genauen Ursachen für die weitere Erhöhung sind noch für Hautläsionen erhöhen. Hierzu gehören der erhöhte Enernicht bis ins Detail geklärt. Heckel (1990, S. 23) nennt als gie- und Sauerstoffbedarf der Zellen, die Vasodilatation mit Gründe hierfür unter anderem die Freigabe von Wärme durch nachfolgender Verminderung des Blutflusses, die Entstehung den erhöhten Stoffwechsel sowie die Auslösung fieberähnlivon interstitiellen Ödemen, der ohnehin reduzierte Allgemeincher Mechanismen. zustand, eine periphere arterielle Verschlusskrankheit und Die Körpertemperatur des Patienten muss 90 Minuten bei etVarizen. So wurden an bestimmten Stellen mit Druckeinwirwa 41,8 °C gehalten werden. Hierfür muss die Umgebung kung gehäuft Blasenbildungen festgestellt. Dazu gehören der gegebenenfalls angepasst werden: durch Öffnen der Kabine Auflagepunkt am Hinterkopf, die Fersen, die Fingerkuppen, oder notfalls Aufdecken des ganzen Körpers oder, bei einer an denen der Sensor des Pulsoximeters befestigt ist, sowie die notwendigen Temperaturerhöhung, durch Zuschaltung von Kuppen der längsten Zehe. zwei bis vier Lampen. Bei jeder Intervention sind jedoch etwa fünf Minuten Zeitverzögerung bis zur Wirkung der Maßnahme am Körperkern Abb.: Temperaturverlauf an verschiedenen Messpunkten zu berücksichtigen. Dies erfordert eine exakte kontinuierliche Überwachung der Patienten und viel Erfahrung auf diesem Gebiet. Temperaturen über 42 °C sollten wegen der Gefahr eines Hirnödems vermieden werden. Zur Prophylaxe eines Hirnödems kann auch der Kopf des Patienten außerhalb der Kabine gelagert werden, ebenso können prophylaktisch die Carotiden gekühlt und/oder hochdosiert Cortison verabreicht werden. Das Chemotherapeutikum wird bei etwa 40,5 °C verabreicht, so dass es in der 90minütigen Hochfieberphase mit beginnender Thrombosierung der tumoreigenen Gefäße bereits im Tumor selbst wirken kann. Die Zytostatika werden in der Regel über einen Portkatheter oder andere Therapie der Wahl ist folglich konsequentes Entlasten des bevenöse Zugänge appliziert. Bei Pleuraergüssen oder Aszianspruchten Gewebes. Bis zum Ende der Hochfieberphase ist tes besteht zusätzlich die Möglichkeit, die Flüssigkeit abkein Lagewechsel möglich. Kachektische Patienten werden zupunktieren und die Chemotherapeutika direkt zu applidaher generell in der Region des Steißbeins hohl gelagert. Das zieren. Hinterhaupt kann durch stündliches Drehen des Kopfes entNach 90 Minuten wird die Kabine geöffnet und durch Abkühlastet werden, ebenso schützen das stündliche Wechseln der lung der Haut senkt sich bald die Körpertemperatur. Im letzFingerkuppe, an welcher der Sensor des Pulsoximeters angeten Drittel der Abkühlphase erwacht der Patient meist aus der Pflegezeitschrift 1/2003 17 Pflegepraxis bracht wird, sowie die Hochlagerung der Fersen vor Hautläsionen. Im Klinikum St. Georg werden die Zehen der Patienten so mit einer Zellstoffkompresse (Zetuvit®) eingebunden, dass zwischen Zehenkuppe und Kompresse eine Luftschicht besteht, die verhindert, dass die Abdeckung einen unmittelbaren Auflagedruck bewirkt. Zur Zeit evaluiert das Pflegepersonal, wie sich die Häufigkeit von Hautläsionen durch diese Maßnahmen verändert hat. Die ersten Ergebnisse sind erfolgversprechend. Leider gibt es bislang keine aktuellen Veröffentlichungen, in denen dieses Phänomen aus pflegerischer Sicht behandelt wird. In der Regel beschränken sich Studien zur SGHT auf die Wirksamkeit der Behandlung. Hygiene Die Arbeit in der Hyperthermieabteilung erfordert den hochsterilen Umgang mit Wunden, da die Wärme und die durch Transpiration entstehende Luftfeuchtigkeit einen optimalen Nährboden für die Vermehrung von Bakterien bieten. Vor Beginn und am Ende der Behandlung werden alle Wunden und Punktionsstellen sorgfältig auf Infektionszeichen hin inspiziert und gegebenenfalls bestehende Auffälligkeiten dokumentiert. Ein Erfassungsbogen wird dazu mit auf die nachbetreuenden Stationen geleitet und danach in der SGHT-Abteilung archiviert. Aufgrund der starken Schweißbildung werden nach Therapieende alle Verbände erneuert. Mit einem erhöhten Zu den Autoren Jana Gaworek ist Krankenschwester. Seit zwei Jahren arbeitet sie als stellvertretende Stationsleitung in der Abteilung für systemische Ganzkörperhyperthermie (SGHT) der Klinik St. Georg in Bad Aibling. Parallel dazu studiert sie seit 2001 Pflege an der Fachhochschule in Jena. Cvetka Theresa Mayer ist Krankenschwester und arbeitet seit elf Jahren in der Klinik St. Georg. Sie war am Aufbau der SGHT-Abteilung beteiligt und ist dort Stationsleitung. Infektionsrisiko sind auch das Legen des transurethralen Dauerkatheters sowie die endotracheale Absaugung verbunden. Risiken und Nebenwirkungen Bei sorgfältiger Planung und Durchführung der Hyperthermie lassen sich die Nebenwirkungen auf ein Minimum reduzieren. Eine Sinustachykardie entspricht einer natürlichen physiologischen Anpassung an die Hyperthermiebedingungen und sollte erst bei einer Herzfrequenz von 130 bis 140 Schlägen pro Minute behandelt werden. Die Gefäßweitstellungen in der Erwärmungsphase führen oft zu einer Hypotonie, der aber mit einer erhöhten Flüs- Tabelle Anzahl der Behandlungen 2001 bis 31.10. 2002 n % n % Mamma-Karzinom 237 29,4 293 37,8 Kolon-/Rektum-Karzinom 114 14,1 123 15,9 Ovarial-Karzinom 100 12,4 107 13,8 Prostata-Karzinom 72 8,9 65 8,4 Osteo- und Weichteil-Sarkome 43 5,3 12 1,5 Bronchial-Karzinom 34 4,2 56 7,2 Karzinom mit unbekanntem Primärtumor 22 2,7 16 2,1 andere 23 103 13,3 183 Anzahl der Gesamtbehandlungen 805 775 männlich 315 264 weiblich 490 511 48,4 % 57,3 % davon Mamma-Ca Statistische Angaben über die Durchführung von systemischen Ganzkörperhyperthermien an der Klinik St. Georg in Bad Aibling vom 01.01.2001 bis 31.10.2002 18 sigkeitssubstitution begegnet werden kann. Vor allem der diastolische Wert ist meist während der gesamten Therapie infolge des verminderten peripheren Gefäßwiderstandes erniedrigt, was sich aber meist in der Abkühlungsphase wieder normalisiert. Zerebrale Krämpfe sind sehr selten und werden mit intravenöser Diazepamgabe behandelt. Übelkeit und Erbrechen als Folge der Chemotherapie an den darauf folgenden Tagen gehören zu den häufigsten Beschwerden und werden mit geeigneten Antiemetika therapiert. Wenig beeinflussbar ist der Ausbruch einer Herpesinfektion im Mund- und Nasenraum meist am dritten Tag. Hautläsionen können wie oben beschrieben auftreten. Allgemeine Schwäche und Müdigkeit halten etwa drei bis sieben Tage an. Ein Brennen beim Wasserlassen innerhalb der ersten 36 Stunden nach der Therapie ist normal, bei länger anhaltenden Beschwerden sind Urinkontrollen erforderlich. Zur Vermeidung einer Infektion sind weitere Wundkontrollen obligat. Erneut auftretende Temperaturen bis 39 °C an den folgenden Tagen sind möglich und wünschenswert, da sie als immunologische Antwort zu werten sind, und sollten somit nicht medikamentös behandelt werden. Fazit und Ausblick Die Ganzkörperhyperthermie stellt ein sinnvolles Verfahren dar, um die Wirksamkeit von Zytostatika zu erhöhen und gleichzeitig ausgeprägte Nebenwirkungen wie Mundschleimhautentzündung, Hämato- und Neurotoxizität zu verringern. Sie grenzt sich deutlich von der sogenannten Alternativmedizin ab. Einheitliche Qualitätsrichtlinien müssen sowohl auf der medizinischen wie auch auf der pflegerischen Seite noch erarbeitet werden, um Ergebnisse effektiver miteinander vergleichen zu können. Ansätze dafür sind bei der Internationalen und bei der Europäischen Gesellschaft für Hyperthermie (http://www.hyperthermia-ichs.org und http://www.esmo. org) zu finden. Jana Gaworek, Klinik St. Georg, Bad Aibling, Onkologische Fachklinik, Rosenheimer Straße 6–8, 83043 Bad Aibling, E-Mail: [email protected] Die Literaturliste zu diesem Beitrag kann in der Redaktion unter der Telefonnummmer (07 11) 78 63-74 72 angefordert oder unter www.pflegezeitschrift.de heruntergeladen werden. ◆ Pflegezeitschrift 1/2003