Die deutsche Nordseeküste und der Klimawandel

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Die deutsche Nordseeküste und der Klimawandel
Die deutsche Nordseeküste und der Klimawandel
Hans von Storch, Julika Doerffer, Insa Meinke
erschienen in: Hamburger Symposium Geographie, Band 1, Hamburg 2009: 9-22
Küstenregionen sind von Natur aus dyna-
Seit Beginn der Industrialisierung wirkt sich die
mische Systeme, in denen Veränderungen ein
Freisetzung von Treibhausgasen durch den Men-
stetiger, natürlicher Prozess sind. Sie zählen zu
schen zusätzlich auf das Klima aus. Der Klima-
den wichtigsten Lebensräumen der Menschheit
wandel prägt sich regional unterschiedlich aus.
und schon immer hat sich der Mensch hier den
Auf die regionale Ausprägung von vergangenen
Veränderungen angepasst. Zu diesen Verände-
und möglichen zukünftigen Klimaänderungen
rungen zählt auch der Klimawandel und daraus
in Norddeutschland soll im Folgenden einge-
resultierende Folgen für Ozeane und Küsten. Der
gangen werden. Dabei liegen die Schwerpunkte
Klimawandel ist jedoch kein neues Phänomen,
auf der Methodik zur Beschreibung des ver-
denn das Klima verändert sich stetig auf Grund
gangenen Klimas und zur Projektion eines sich
natürlicher Ursachen. Analysiert man das Wetter
in Zukunft ändernden Klimas und den aktuellen
über längere Zeiträume (Jahrzehnte), erhält man
wissenschaftlichen Erkenntnissen zum regio-
Auskunft über das Klima und seine Änderungen.
nalen Klimawandel in Norddeutschland.
1. Bisherige Klimaänderungen
1.1 Methoden zur Bestimmung bisheriger
forderungen gestellt, wie die Homogenität der
Messreihen oder die Repräsentanz der Station
Klimaänderungen
Wetterdaten sind seit den letzten 150 Jahren
für die weitere Umgebung.
systematisch mit Wetter- und Messstationen an
Aus den über einen relativ langen Zeitraum
vielen Orten auf der Erde aufgezeichnet worden.
erfassten Messgrößen wie der Lufttemperatur,
Aus den Anfangszeiten dieser instrumentellen
der Luftfeuchte, dem Niederschlag, der Wind-
Messungen gibt es jedoch nur in Ausnahmefäl-
richtung und -geschwindigkeit, dem Luftdruck
len homogene Daten. Sie sind meistens stark
etc. wird die Statistik des Wetters abgeleitet –
von der direkten veränderlichen Umwelt beein-
das Klima. Der „relativ lange Zeitraum“ ist von
flusst, so dass unterschiedliche Messungen zu
der Weltorganisation für Meteorologie als Refe-
zwei verschiedenen Zeitpunkten nicht zwingend
renzzeitraum von 30 Jahren festgelegt. Die fest-
eine Veränderung beschreiben, sondern auf Än-
gelegten Intervalle sind die schon abgeschlos-
derungen im Umfeld oder auf eine Änderung in
senen Zeiträume von 1931 bis 1960 und 1961
der Messmethode zurückzuführen sein können.
bis 1990, sowie die derzeitige Periode von 1991
An Messstationen werden deshalb hohe An-
bis 2020. Sie dienen vor allem der Vergleichbar-
9
Hamburger Symposium Geographie – Küste und Klima
keit der klimatischen Größen untereinander.
fossile Pollen. Durch Pollenanalysen lassen sich
Neben den instrumentellen Messungen bie-
Vegetationstypen bestimmen die Rückschlüsse
ten sich zusätzlich andere Aufzeichnungen als
auf das Klima der Vergangenheit zulassen. Die
nützliche Klimaindikatoren an, wie z.B. histo-
Aussagekraft von Pollenanalysen reicht jedoch
rische Aufzeichnungen oder Tagebücher mit
nur bis zu einem Zeitraum von etwa 10.000 Jah-
Ernteerträgen, Reparaturkosten für Deiche oder
ren zurück.
die Anzahl eisfreier Tage von Seen und Flüssen.
Insgesamt sind jedoch die Aussagen, die sich
Solche indirekten Klimaindikatoren werden als
mit Hilfe der Proxydaten treffen lassen, mit groß-
Proxydaten bezeichnet. Klimaproxys können zur
en Unsicherheiten behaftet und erst das Zusam-
Rekonstruktion des Klimas der Vergangenheit
mentragen aller verfügbaren instrumentellen
herangezogen werden und dienen als Informati-
und historischen Aufzeichnungen erlaubt eini-
onsgrundlage für Zeiträume in denen noch kei-
germaßen gesicherte Aussagen. Im Allgemeinen
ne oder nur eingeschränkte instrumentelle Mes-
steigen die Unsicherheiten für weiter zurücklie-
sungen existierten. Schätzungen über weiter
gende Zeiten an.
zurückliegende Änderungen des Klimas können
auch über Proxydaten aus natürlichen „Klimaarchiven“ gemacht werden. Trends über mehrere
Jahrhunderte können beispielsweise aus dem
Rückzug von Gletschern oder aus Bohrkernen
abgeleitet werden. Aus Baumringen, marinen,
limnischen und terrestrischen Sedimenten oder
Korallen können zudem saisonale Klimaschwankungen gewonnen werden und somit sind sie
auch für einzelne Jahreszeiten repräsentativ.
Ein wichtiges Instrument der Vergangenheitsanalyse sind Eisbohrkerne, die vor allem aus
Landeisschilden in Grönland oder der Antarktis
gewonnen werden. Seit Jahrmillionen lagern
sich hier Schneeschichten übereinander die an-
Abb. 1: Rekonstruierte Zeitreihen für Temperatur,
hand verschiedener Parameter Informationen
Kohlendioxid- und Methankonzentration über die
über das vergangene Klima bereitstellen. Eine
letzten 160.000 Jahre aus dem Vostok-Eisbohrkern
aufschlussreiche Quelle sind Isotopenanalysen.
(Antarktis) (aus von Storch et al. 1999).
Aus dem Verhältnis der Sauerstoff-Isotope 16
und 18 lässt sich näherungsweise die Tempera-
1.2 Globaler Klimawandel der Vergangenheit
tur zum Zeitpunkt des Schneefalls bestimmen.
Das Klimasystem ist ständigen Änderungen un-
Der Staubgehalt und die Gaszusammensetzung
terworfen. Im zyklischen Wechsel von Kalt- und
in den winzigen Luftbläschen geben Auskunft
Warmzeiten verändert sich das Eis-Wasser-Ver-
über die damalige Atmosphäre. Die Ergebnisse
hältnis der Erde. Die in den Kaltzeiten anwach-
solcher Analysen zeigen einen deutlichen Zu-
sende Eismassen und Eisschilde führten welt-
sammenhang: Tiefe Temperaturen korrespon-
weit zu ei-nem Absinken des Meeresspiegels
dieren mit einem niedrigeren Anteil an den
(Regression). Umgekehrt schmolz das Inlandeis
Treibhausgasen Kohlendioxid und Methan (Abb.
in den Warmzeiten, was einen Anstieg des Mee-
1). Ein weiteres sehr nützliches Klimaarchiv sind
resspiegels (Transgression) bzw. der Meeres-
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Die deutsche Nordseeküste und der Klimawandel
Abb. 2: Die beiden oberen Kurven der Abbildung zeigen die Änderung der geschätzten Temperatur an
zwei Stellen in der Antarktis während der Glaziale/Interglaziale des Quartärs und als Vergleich in der unteren Kurve das geschätzte Anwachsen und Abschmelzen der globalen Eismassen. An den Kurven lässt
sich eindeutig die hohe Korrelation von Temperaturänderungen in der Antarktis und dem Volumen der
globalen Eismassen und damit dem Meeresspiegel ablesen (Abbildung erstellt von Robert A. Rohde /
www.globalwarmingart.com).
spiegel-Hochstände zur Folge hatte (Streif 2002)
Regel mit großen Meeresspiegelschwankungen
(Abb. 2).
einhergingen.
Auf dem Höhepunkt der letzten Warmzeit
Änderungen des Meeresspiegels zeigen sich
(vor etwa 125.000 Jahren) lag der mittlere globa-
in ihrer räumlichen Verteilung jedoch sehr un-
le Meeresspiegel wahrscheinlich 4-6 Meter hö-
terschiedlich, weil regional unterschiedliche Er-
her als heute. Eisbohrkerndaten deuten darauf
wärmung, eng verknüpft mit Veränderungen
hin, dass die durchschnittlichen polaren Tem-
der Meeresströmungen die Neigung der Meeres-
peraturen zu dieser Zeit aufgrund von Abwei-
oberfläche beeinflusst. Zudem hebt und senkt
chungen der Erdbahnparameter um 3 bis 5 °C
sich das Land an manchen Küsten (Landerer et
höher lagen als heute. Ein Anstieg des Meeres-
al. 2007, IPCC 2007).
spiegels war die physikalische Folge einer sol-
Seit etwa 11.000 Jahren befinden wir uns im
chen Erwärmung. Zum einen nimmt das Volu-
Holozän, der jüngsten Warmphase des seit 2 bis
men des Meerwassers durch seine Erwärmung
3 Millionen Jahren andauernden quartären Eis-
zu, da Wasser sich durch Erwärmung ausdehnt
zeitalters. Auch in dieser Warmphase änderte
und zum anderen nimmt die Wassermenge in
sich das Klima und aus zahlreichen Aufzeich-
den Weltmeeren insgesamt zu, vor allem durch
nungen und Untersuchungen von Eisbohrker-
das Abschmelzen der Eismassen auf Land. Auf
nen lassen sich kältere und wärmere Epochen
dem Höhepunkt der letzten Kaltzeit hingegen,
ablesen. So war es vor rund 1. 000 Jahren ver-
vor etwa 20.000 Jahren, lag die mittlere globa-
mutlich ähnlich warm wie heute (mittelalter-
le Temperatur 4 bis 7 °C tiefer als heute und der
liches Optimum), gefolgt von der „Kleinen Eis-
Meeresspiegel lag 120 m unter dem heutigen.
zeit“, die um 1600 bis 1700 mit Werten um 0,6 °C
Diese Beispiele machen deutlich, dass Tempe-
unter dem heutigen Niveau ihren Tiefpunkt er-
raturänderungen in der Erdgeschichte in der
reichte (Schönwiese 2008). Die Verursachung
11
Hamburger Symposium Geographie – Küste und Klima
Abb. 3: Jahresmitteltemperatur in Deutschland 1901-2008. Es gab zwar schon immer Schwankungen, es
lässt sich jedoch erkennen, dass die letzen 15 Jahre überdurchschnittlich warm waren. Vor allem aber ist
der jüngste Anstieg seit etwa 1970 stärker als jemals vorher in der Datenreihe / nach Deutscher Wetterdienst, 2009).
der Klimaschwankungen jener Zeit ist noch un-
Erwärmung bis 1911 folgte eine wechselhafte
genügend geklärt, obwohl der Sonnenaktivität
Periode. Die 1940er Jahre waren außergewöhn-
und dem Vulkanismus dabei vermutlich hervor-
lich warm. Nach einer erneuten Abkühlung ist
gehobene Bedeutung zukommt (IPCC 2007).
seit Ende der 1970er Jahre ein kontinuierlicher
Trotz des Wechsels zwischen kälteren und
und rapider Anstieg zu beobachten. Insgesamt
wärmeren Phasen gilt das Klima des Holozäns
hat die Jahresmitteltemperatur in den letzten
insgesamt als recht stabil. Mit der Erwärmung
100 Jahren je nach Region zwischen 0 und 2,3 °C
gegen Ende der vorhergehenden Eiszeit setzten
zugenommen, wobei sich vor allem die winter-
das endgültige Abschmelzen der großen Eis-
liche Erwärmung verstärkt hat, gefolgt von Früh-
schilde und ein Meeresspiegelanstieg ein, der
ling und Sommer. Der durchschnittliche Wert für
mit kurzen Unterbrechungen bis heute andau-
Deutschland von etwa 1,2 °C liegt damit deut-
ert. Dadurch wurde auch die Küstenlinie der
lich über der durchschnittlichen globalen Erwär-
Nordsee verändert und etwa 600 km landwärts
mung von 0,8 °C (Zebisch et al. 2005, Gersten-
und höher geschoben, bis vor 7.500 Jahren erste
garbe und Werner 2007, Schönwiese 2007).
Brackwasserüberflutungen das Vorfeld der heu-
Die Temperaturen sind im letzten Jahrhundert
tigen Inseln und Halligen erreichten. Mit dem
auch in Norddeutschland gestiegen. Dabei liegt
weiteren Anstieg des Meeresspiegels versanken
Hamburg mit einer Zunahme von etwa 1,1 °C
weite Teile der Geestlandschaft, gleichzeitig ent-
über dem globalen Mittel. Hier ist sicherlich ein
standen neue Landschaftselemente – die heu-
städtischer Wärmeinseleffekt mit zu berücksich-
tigen Inseln, Watten und Marschen (Streif 2002).
tigen. Doch auch das ländlich geprägte Niedersachsen liegt mit 1 °C über dem globalen
1.3 Bisherige Klimaänderungen in Mittel (Abb. 4)
Norddeutschland
Langjährige Reihen der Wetteraufzeichnungen
zeigen, dass sich das Klima in Deutschland
Änderung des Sturm-, Sturmflut- und
Seegangsklimas
ändert. Wie im weltweiten Durchschnitt wa-
Die Analyse vergangener Änderungen des
ren auch in Deutschland die 1990er Jahre das
Sturm-, Sturmflut- und Seegangsklimas liefert
wärmste Jahrzehnt im 20. Jahrhundert. Aller-
sowohl Kenntnisse über die Größenordnung der
dings verlief die Erwärmung während des 20.
natürlichen Variabilität, als auch ein Maß zur Be-
Jahrhunderts nicht linear (Abb. 3). Einer starken
wertung der Auswirkungen möglicher zukünf-
12
Die deutsche Nordseeküste und der Klimawandel
nahme der Sturmtätigkeit zu erkennen ist. Die
Änderungen in den letzten Jahren liegen im normalen Schwankungsbereich. In der Deutschen
Bucht bringt eine Sturmsaison heute aufgrund
des vom Menschen verursachten Klimawandels
weder heftigere noch häufigere Stürme hervor
als zu Beginn des letzten Jahrhunderts. Dementsprechend laufen Sturmfluten heute windbedingt nicht höher auf als noch vor 100 Jahren.
Methodisch sind Analysen der längerfristigen
Abb. 4: Änderungen der Temperatur in Nord-
Veränderung des Sturmklimas jedoch mit eini-
deutschland berechnet aus Temperaturmessungen
gen Problemen behaftet. Zum einen fehlen hin-
des letzten Jahrhunderts. Es wurden die Messwerte
reichend lange Datensätze, um die volle Band-
aller verfügbaren Messstationen gemittelt (nach I.
breite natürlicher Klimaschwankungen wirklich
Meinke 2008, pers. Komm.).
sicher abzudecken, zum anderen können Änderungen in der Messmethodik (Gerät, Exposition,
tiger Änderungen infolge des erwarteten glo-
Zeiten; man spricht von Inhomogenitäten) im
balen Klimawandels. Die Informationen zu den
Laufe der Zeit zu Fehlinterpretationen langfri-
Windverhältnissen über der Nordsee zeigen,
stiger Änderungen führen. Dies betrifft insbe-
dass sich diese mit dem bisherigen Klimawan-
sondere Windmessungen, die ja am besten zur
del nicht systematisch verändert haben. Sowohl
Charakterisierung der Stärke von Stürmen die-
Wind- als auch Luftdruckmessungen zeigen
nen könnten. Um dennoch zu belastbaren Aus-
vielmehr, dass Stärke und Häufigkeit der Nord-
sagen über langfristige Änderungen zu kom-
seestürme im letzten Jahrhundert starken deka-
men, wurden in den letzten Jahren verschiedene
dischen Schwankungen unterlagen. So gab es
Methoden entwickelt und angewandt. Diese al-
beispielsweise eine Zunahme der Sturmtätigkeit
ternativen Zugänge operieren zumeist mit Luft-
zwischen 1960 und 1995 sowohl über der Nord-
druckmessungen an einem oder an mehreren
see als auch über der Ostsee, aber eine Analyse
Orten. Ein Vorteil von Luftdruckmessungen ist
von Luftdruckdaten zeigt auch, dass seit 1800
ihre Robustheit gegenüber Änderungen in der
kein langfristiger Trend hin zu einer Zu- oder Ab-
Umwelt sowie deren oftmals längere Verfügbar-
Abb. 5: Sturmindices für Lund (blau) und Stockholm (rot) in Schweden. Die Indices repräsentieren die jährliche Anzahl täglicher Barometermessungen von 980 hPa und weniger. Die durchgezogene Linie ist eine
Ausgleichslinie (Quelle: Bärring und von Storch 2004).
13
Hamburger Symposium Geographie – Küste und Klima
keit. So sind Luftdruckmessungen beispielswei-
landen und Deutschland erreicht.
se für ein relativ dichtes Stationsnetz verfügbar
sich eine Barriere aus Inseln hinter der sich das
und reichen teilweise über mehr als 200 Jahre
heutige Wattenmeer entwickeln konnte (Behre
zurück. Es wurden zum Beispiel in Lund und
2007).
Es formte
Stockholm seit Beginn des 19. Jahrhunderts lo-
Um die jüngste Entwicklung des Meeresspie-
kale Luftdruckmessungen aufgezeichnet. Aus
gels in der Nordsee zu untersuchen, wurden
diesen Daten leitet man jährliche Verteilungen
aus Messwerten unterschiedlicher Pegel in vier
von räumlichen Luftdruckdifferenzen, von kurz-
Regionen der Nordseeküste in den Niederlan-
fristigen Druckfällen oder die Häufigkeit sehr
den und Deutschland Mittelwerte errechnet.
niedriger Luftdrücke ab. Abbildung 5 zeigt die
Der Trend für den Zeitraum von 1900 bis heute
jährliche Häufigkeit von Luftdruckmessungen
schwankt zwischen 0,13 cm/Jahr für die schles-
unter 980 hPa für Lund und Stockholm – die de-
wig-holsteinische Nordseeküste und 0,22 cm/
kadischen Schwankungen der Häufigkeit und
Jahr für die holländische Küste (Hofstede 2007).
die Abwesenheit eines langfristigen Trends sind
Der Pegel Norderney zeigt mit 0,18 cm/Jahr ei-
gut zu erkennen (Bärring und von Storch 2004).
nen ähnlichen Trend. Die meisten Messstellen
der deutschen Nordseeküste liefern keine ho-
Änderungen des Meeresspiegels
mogenen Daten, häufig aufgrund wasserbau-
In flachen Schelfmeeren haben Schwankungen
licher Maßnahmen – eine Ausnahme ist die re-
des Meeresspiegels eine große Auswirkung und
lativ störungsarme Forschungsstelle Norderney.
hinterlassen eine Fülle von Spuren. An der of-
Abbildung 7 zeigt den kontinuierlichen Anstieg
fenen Küste der südlichen Nordsee hatten ver-
des Tideniedrig- und Tidehochwassers und den
gangene Schwankungen des Meeresspiegels
Anstieg des Tidehubs. Der Anstieg des mittleren
einen großen Einfluss auf die Umwelt, die Sedi-
Wasserstandes beträgt hier etwa 2 dm in 100 Jah-
mente und die Besiedlung und können somit re-
ren. Dieser Anstieg setzt sich aus einer Erhöhung
lativ exakt datiert werden (Abb. 6) (Behre 2007).
des Wasserspiegels und einer Landsenkung zu-
Vor etwa 5.500 Jahren v. Chr. hat das Wasser
sammen und unterlag dabei gewissen Schwan-
die heutigen Küstengebiete von den Nieder-
kungen. An den Küsten Schleswig-Holsteins
Abb. 6: Anstieg des Wasserspiegels in der südlichen
Abb. 7: Änderungen der regionalen Wasserstände
Nordsee in den letzten 7.000 Jahren (nach Behre,
und des Tidehubs am Pegel Norderney (nach H.-D.
aus von Storch 2006).
Niemeyer, Norderney, pers. Komm.).
14
Die deutsche Nordseeküste und der Klimawandel
muss mit einer regional unterschiedlichen tek-
vor kein beschleunigter Anstieg des Meeres-
tonischen Landsenkung zwischen 0 und 10 cm
spiegels nachgewiesen werden (H.-D. Niemeyer,
je Jahrhundert gerechnet werden (MLUR 2009).
Norderney, pers. Komm, Abb. 7).
Mit dem Norderneyer Pegel kann aber nach wie
2. Zukünftige Klimaänderungen
2.1 Methodik der Klimamodellierung
deckung abhängen. Dieser Prozess des Regio-
Für Aussagen über die zukünftige Entwicklung
nalisierens wird als „Downscaling“ bezeichnet,
des Klimas wurden Klimamodelle entwickelt, die
bei dem globale Klimaszenarien mit Hilfe von
zusammen mit verschiedenen Annahmen über
dynamischen und/oder empirisch-statistischen
die zukünftige Freisetzung von Treibhausgasen
Methoden verfeinert werden. Statistische Me-
in die Atmosphäre (Emissionsszenarien ) und
thoden beziehen sich auf gemessene Daten, mit
anderen Randbedingungen (wie etwa der Son-
der dynamischen Methode hingegen werden re-
nenleistung) mögliche Temperaturerhöhungen
gionale numerische Modelle in globale Modelle
ermitteln und die dadurch angestoßenen Klima-
eingebettet. Das heißt, die Randbedingungen
änderungen bis zum Ende dieses Jahrhunderts
für die regionale Berechnung liefert das globa-
abschätzen. Dabei wurden für einen hundert-
le Modell. Das regionale Klima wird also unter
jährigen Zeitraum Klimaelemente wie Tempera-
Berücksichtigung der globalen Informationen
tur, Niederschlag, Luftdruck und Wasserdampf
und der regionalen und lokalen Gegebenheiten
simuliert unter der Annahme einer für möglich
begerechnet.
1
gehaltenen Konzentration von Treibhausgasen
Wie oft angenommen, liefern Klimaszenarien
(Szenario). Die Modelle beschreiben die physika-
nicht eindeutige Ergebnisse für die zukünftige
lischen Prozesse des Erdsystems und berechnen
Entwicklung. Die von den Modellen errechne-
sie so real wie möglich. Um die Güte dieser Mo-
ten Beschreibungen für die Zukunft sind keine
delle einzuschätzen, werden sie zunächst für die
Vorhersagen, sondern alternative zukünftige
Berechnung des vergangenen Klimas eingesetzt
Beschreibungen, deren Wahrscheinlichkeit nicht
und mit Messungen validiert. Für diese Validie-
angegeben werden kann. Sie hängen davon ab,
rungsläufe wird bevorzugt eine Zeitperiode ge-
wie sich der Ausstoß von Treibhausgasen in Zu-
wählt, für die weltweit zahlreiche klimarelevante
kunft entwickeln wird und wie die natürlichen
Aufzeichnungen vorliegen (IPCC 2007).
Schwankungen des Klimas verlaufen. Viele der
Globale Modelle haben eine grobe räumliche
eingehenden Rahmenbedingungen wie Bevöl-
Auflösung mit der sich nur sehr eingeschränkt
kerungswachstum, ökonomische und soziale
Aussagen zu regionalen Details treffen lassen.
Entwicklung oder Ressourcenverbrauch lassen
Um regionale Aussagen zu machen, wird ein
sich nicht exakt vorhersagen. Aber selbst wenn
Ausschnitt aus der Atmosphäre gewählt für
alle Randbedingungen im Detail bekannt wä-
den die Auflösung verfeinert wird, da regionale
ren, ebenso wie Parameter die durch den Klima-
Klimacharakteristika stark von kleinskaligen
wandel direkt beeinflusst werden (Atmosphäre,
Einflüssen wie komplexem Gelände, Landnut-
Wasserkreislauf, Biosphäre), wäre eine exakte
zung, Wasser/Land-Verteilung oder Schneebe-
Prognose wegen der internen, natürlichen Va-
1
Eine Reihe von Emissionsszenarien wurden im „IPCC Special Report on Emission Scenarios“ (SRES) veröffentlicht. Neben Veränderungen der Emissionen beschreiben sie auch mögliche Entwicklungen zukünftiger Landnutzung. Weitere Informationen zu den
SRES Szenarien sind unter www.ipcc.ch zu finden.
15
Hamburger Symposium Geographie – Küste und Klima
riabilität des Klimasystems nicht machbar. Es
system werden als „Kipp-Elemente“ bezeich-
können deshalb immer nur Spannbreiten ange-
net. Der Begriff steht für ein Systemverhalten,
geben werden, in denen sich die möglichen Än-
bei dem nach Überschreiten eines bestimmten
derungen für Gebiete bewegen, die von mehre-
Schwellenwertes eine Eigendynamik einsetzt,
ren Modellgitterpunkten abgedeckt werden. Alle
die nur selten steuerbar oder umkehrbar ist.
Modelle stimmen jedoch darin überein, dass die
Noch bestehen große Unsicherheiten über die
Temperaturen und der globale mittlere Wasser-
Existenz und der Bestimmung dieser Tempe-
stand steigen. Es lassen sich außerdem Trends
raturschwellen. Es gibt Wissenschaftler die be-
zu mehr Extremereignissen wie Sturmfluten und
haupten, dass die Wahrscheinlichkeit für das
nächtlichen Tropen- aber weniger Frosttagen er-
Überschreiten von Kipp-Punkten jenseits eines
kennen (Woth und von Storch 2008, Harmeling
Temperaturanstiegs von 2 bis 3 °C über vorindu-
et al. 2008).
striellem Niveau deutlich zunimmt. Daher ist es
Angesichts der möglichen Temperaturerhö-
notwendig, neben den Klimaprojektionen auch
hung stellt sich allerdings die Frage, ob es in Zu-
solche Risiken im Blick zu haben (Harmeling et
kunft zu abrupten Klimaänderungen kommen
al. 2008).
kann. Solche nicht-linearen Prozesse im Klima-
Abb. 8: Regionale Klimaszenarien für die Nordseeküste. Gezeigt werden mögliche Änderungen der Temperatur für die Emissionsszenarien A2 und B2 (Mittel, Minimum, Maximum), der maximalen Windgeschwindigkeiten und der monatlichen Summe der Niederschläge in Norddeutschland (Mittelwerte des
Gebietes Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen). Oben: Zeithorizont 2040; Unten Zeithorizont
2100. Rechts: Sommermonate (Juni, Juli, August); Links: Wintermonate (Dezember, Januar, Februar).
(Norddeutscher Klimaatlas, www.norddeutscher-klimaatlas.de).
16
Die deutsche Nordseeküste und der Klimawandel
2.2 Regionale Klimaänderungen in Mögliche Änderung der Wasserstände und im
Auftreten von Sturmflutereignissen
Norddeutschland
Im Folgenden wird beschrieben, welche Kon-
An der Nordseeküste tritt etwa alle 12 Stun-
sequenzen sich für Norddeutschland aus den
den und 25 Minuten eine Erhöhung des mittle-
beiden Emissionsszenarien A2 und B2 ergeben.
ren Wasserspiegels ein: die Flut. Um von einer
Die Simulationen ergaben Abschätzungen zur
Sturmflut zu sprechen, muss ein bestimmter
möglichen Änderung der Temperaturen, Nieder-
Wasserstand überschritten werden. Ursachen
schläge und Winde. Eine Auflösung, in der etwa
dafür können meteorologische Bedingungen
zwischen Kiel und Bremen differenziert werden
sein. Bei Wetterlagen mit über einige Stunden
könnte, ist nicht sinnvoll, da die Gitterauflösung
andauernden hohen Windgeschwindigkeiten
der regionalen Klimarechnungen 50 km beträgt.
aus westlichen und nördlichen Richtungen kön-
Es ist auch wichtig, zu bedenken, dass es sich um
nen infolge des Windeinflusses zusätzliche Was-
Szenarien handelt – also mögliche plausible Zu-
sermassen an der deutschen Nordseeküste auf-
künfte und nicht um Vorhersagen.
gestaut werden und eine Sturmflut erzeugen.
Abbildung 8 gibt die möglichen Verände-
Der Windstau verhält sich umgekehrt proporti-
rungen der Temperatur, Niederschlag und Stark-
onal zur Wassertiefe. Somit laufen insbesondere
winde für Winter und Sommer und für die Zeit-
an flachen Küstenabschnitten und bei Winden
horizonte 2040 und 2100 in Norddeutschland
aus nordwestlicher Richtung die Wassermassen
für den Bereich der deutschen Nordseeküste an.
hoch auf. Die eigentliche Sturmfluthöhe ergibt
Demnach dürfen wir erwarten, dass die durch-
sich aus dem Zusammentreffen von Windstau,
schnittlichen Temperaturen bis 2040 im Ver-
der Tidephase und dem Einfluss von Fernwellen.
gleich zum Ende des 20. Jahrhunderts um etwa
So sind hohe Sturmfluten zu erwarten, wenn ho-
0,7 °C bis 0,9 °C im Sommer und 0,6 °C bis 1,5 °C
her Windstau über einige Stunden anhält und
im Winter ansteigen könnten. Ein Temperaturan-
damit auch zum Zeitpunkt des astronomischen
stieg zwischen 1,8 °C und 5,0 °C im Winter bzw.
Tidehochwassers die Wassersäule zusätzlich
1,8 °C und 5,1 °C im Sommer scheint bis zum
erhöht.
Ende des 21. Jahrhunderts möglich.
Der Wasserstand an einem Ort hängt also von
Verglichen zu heute ist diesen Szenarien zu-
folgenden Komponenten ab: 1. dem mittleren
folge im Winter mit einem Zuwachs der monat-
Meeresspiegel, 2. von den regionalen Windver-
lichen Niederschläge zwischen +1 % bis +17 %
hältnissen, die die Windstauereignisse hervor-
bis 2040 und zwischen +11 % bis +46 % bis 2100
rufen, 3. den astronomischen Gezeiten sowie
zu rechnen. Für den Sommer deutet sich eine
4. der regionalen Küstenmorphologie. Die Ent-
Änderung der Niederschläge zwischen -4 % bis
wicklung zukünftiger Sturmfluten hängt damit
+9 % bis 2040 und zwischen -10 % bis -42 % und
im Wesentlichen von dem a) Ausmaß des An-
bis 2100 an.
stiegs des mittleren Meeresspiegels sowie der b)
In einigen Szenarien weisen die mittleren
Windgeschwindigkeiten
an
der
Charakteristik möglicher Änderungen der regio-
Deutschen
nalen Windverhältnisse ab. Aber auch mögliche
Nordseeküste im Sommer auf eine geringfügige
Änderungen der Gezeiten, der Morphologie und
Abnahme hin. Im Winter ist bis zum Ende des 21.
von Fernwellen können Auswirkungen haben,
Jahrhunderts verglichen zu heute eine Zunah-
die wir noch nicht kennen. Abbildung 9 zeigt
me bis 14% plausibel (Norddeutscher Klimaat-
die möglichen Änderungen des globalen Mee-
las, www.norddeutscher-klimaatlas.de).
resspiegels für verschiedene IPCC Szenarien bis
zum Ende dieses Jahrhunderts (IPCC 2007).
17
Hamburger Symposium Geographie – Küste und Klima
mittleren Meeresspiegels von etwa 2 bis 8 dm
bis zum Ende des Jahrhunderts möglich. Randmeere wie die Nordsee, können infolge von Änderungen in der Dichte sowie Änderungen in
der Zirkulation einen abweichenden, d.h. im Vergleich zum globalen Mittel, unterschiedlichen
Anstieg zeigen.
Das Abschmelzen von Teilen des Grönländischen Eisschildes ist die größte Quelle von Unsicherheiten was die Abschätzung des Anstiegs
Abb. 9: Verschiedene Szenarien für einen globalen
des mittleren globalen Wasserstandes betrifft.
Meeresspiegelanstieg bis zum Ende dieses Jahr-
Bei einem vollständigen Abschmelzen des Eis-
hunderts (IPCC 2007).
schildes ist mit einem zusätzlichen Betrag von 6
bis 7 m im globalen Mittel zu rechnen, im Regi-
Daneben spielen an der Küste und den Ästu-
onalen aber ergeben sich massive Unterschiede
aren auch wasserbauliche Maßnahmen eine Rol-
wegen der damit verbundenen Änderung der
le, die die morphologischen Gegebenheiten ver-
Massenverteilung. Diese Größenordnung ist
ändern wie z.B. das Ausbaggern der Fahrrinne.
aber nicht auf der Zeitskala von einigen Deka-
An den Pegeln ist also nicht nur die Schwankung
den sondern auf der einiger Jahrhunderte zu er-
der Wasserstände aufgrund von natürlichen und
warten und setzt voraus, dass es keine nennens-
anthropogenen Klimaänderungen abzulesen,
werte Reduktion der Treibhausgasemissionen
sondern es erfolgt meistens eine Überlagerung
geben und kein Kipppunkt überschritten wird
des Signals durch diese direkten Eingriffe. Nur
(Woth und von Storch 2008).
selten gibt es homogene, also ungestörte Pege-
Sturmflutstatistiken gibt es für viele Orte ent-
laufzeichnungen (Woth und von Storch 2008).
lang der Nordseeküste schon für lange Zeiten.
Tektonische Hebungen und Senkungen der
Üblicherweise liegen diese als Abweichungen
Landmassen sind weitere Prozesse die unabhän-
von astronomischen Tidehochwässern vor. Die-
gig vom anthropogenen Klimawandel die Höhe
se Zeitreihen reflektieren meteorologische und
des Meeresspiegels beeinflussen können. Im Be-
ozeanographische Faktoren – also die Zirkula-
reich der Deutschen Bucht sind die Verhältnisse
tion in der Nordsee, den Windschub und den
jedoch relativ stabil und die Landmassen senken
Luftdruck.
sich weniger als 1 cm pro Jahrhundert ab (Behre
2007).
Für mögliche Änderungen des Windstaus sind
hauptsächlich die bodennahen Windcharakteri-
Erhöht sich der mittlere Meeresspiegel durch
stika entscheidend. Die Klimaprojektionen zu-
die thermische Ausdehnung und das Abschmel-
künftiger Emissionsszenarien weisen auf einen
zen von kontinentalen Eismassen, werden sich
Anstieg in den hohen Windgeschwindigkeiten
auch die Scheitel zukünftiger Sturmflutwasser-
regional über dem Gebiet der Nordsee hin. Für
stände erhöhen. Heutige Schätzungen gehen
die Nordsee und weite Teile Europas erscheint
von einem mittleren Meeresspiegelanstieg von
eine Steigerung der bodennahen Starkwinde
2 bis 6 dm bis zum Ende des Jahrhunderts ver-
zum Ende des Jahrhunderts um 7,5 % in den
glichen zu heute aus (IPCC 2007). Berücksichtigt​
Wintermonaten plausibel. In m/s ausgedrückt
man eine sich möglicherweise verstärkende
entspricht das einer Zunahme zwischen 0,3
Eisdynamik, erscheint ein Anstieg des globalen
und 1,0 m/s-1, verglichen zu heute. Dieses sehr
18
Die deutsche Nordseeküste und der Klimawandel
Abb. 10: Erwarteter Effekt veränderter Sturmtätigkeit über der Nordsee auf die Windstauhöhen. Atmosphärischer Antrieb: zwei unterschiedliche Emissionsszenarien. A2 in der linken Spalte und B2 in der
rechten Spalte. Die Zeilen zeigen die jeweiligen regionalen Klimarechnungen mit Antrieben von zwei verschiedenen globalen Klimamodellen. Regionalisiert wurde mit dem regionalen Atmosphärenmodell des
SMHI (Schwedisches Institut für Hydrologie und Meteorologie). Das Sturmflutmodell der GKSS berechnet
aus der regionalen Atmosphäre schließlich die Wasserstände. Dargestellt ist die Änderung der Erwartung
hoher Wasserstände (99,5 Perzentiel) (Farbskala) im Vergleich zur heutigen Sturmflutklima Situation (Isolinien). Einheit: Meter (aus Woth und von Storch 2008).
schwache Anstiegssignal von Starkwindge-
Simulationen ein ähnliches Muster aufweisen.
schwindigkeiten liegt in kürzeren Zeitabschnit-
Demnach sind an der deutschen Nordseeküste
ten wie Jahrzehnten unterhalb der Nachweis-
bis zum Ende des 21. Jahrhunderts verglichen zu
grenze. Deshalb ist es stimmig, wenn wir derzeit
heute ein Anstieg des Windstaus von 2 ± 1 dm
kein nachweisbares, dem anthropogenen Klima-
zu erwarten. Da Sturmfluten durch den zu er-
wandel zuzuordnendes, Signal im Starkwind fin-
wartenden Meeresspiegelanstieg verglichen
den können.
zu heute auf einem 5 ± 3 dm höheren Niveau
Abbildung 10 stellt vier Beschreibungen
entstehen, können sie insgesamt bis zum Ende
möglicher Änderungen hoher Windstauhö-
des Jahrhunderts 7 ± 4 dm höher auflaufen als
hen (Farbskala) bis zum Ende des Jahrhunderts
heute. Wie in Abbildung 10 zu erkennen, erlau-
(2070 bis 2100) im Vergleich zu heute (1961 bis
ben die vier Projektionen statistisch keine Unter-
1990) (Isolinien) dar. Es zeigt sich, dass alle vier
scheidung der Emissionsszenarien. Das heißt für
19
Hamburger Symposium Geographie – Küste und Klima
die Entwicklung der Sturmfluthöhen macht es
nicht im Mittel 7 bis 8 Stunden am Deich ste-
keinen erkennbaren Unterschied, ob die Treib-
hen sondern 2 bis 3 Stunden länger. Dies erhöht
hausgaskonzentrationen auf ein A2 oder B2 Ni-
zum einen die Chance des Zusammentreffens
veau steigen.
eines hohen Windstauereignisses mit dem Ge-
Neben einem Anstieg der absoluten Höhen
zeitenmaximum und somit einer tatsächlichen
ist aber auch mit einer Zunahme der Andauer
Sturmflut und zum anderen erhöht sich die Be-
der Sturmfluten im Bereich der Deutschen Bucht
lastungsdauer auf die Deiche (Woth und von
zu rechnen. Hoher Windstau würde dann dort
Storch 2008).
3. Zusammenfassung
Mit vielfältigen Methoden lassen sich Rück-
gründet auf einer Erwärmung zu allen Jahres-
schlüsse auf das vergangene Klima ziehen. Die-
zeiten und abnehmenden Niederschlägen im
se Rückschlüsse zeigen, dass sich das Klima zwar
Sommer sowie zunehmenden Niederschlägen in
schon immer geändert hat und Klimawandel so-
den übrigen Jahreszeiten. Außerdem ist mit ei-
mit kein grundsätzlich neues Phänomen unserer
ner Beschleunigung des Meeresspiegelanstiegs
Zeit ist. Außergewöhnlich ist allerdings die starke
zu rechnen und etwas höhere Windgeschwin-
Geschwindigkeit dieser Änderungen in den letz-
digkeiten gelten auch als wahrscheinlich.
ten Jahren, die am besten durch den starken
Die Szenarien sind mit einer gehörigen Por-
Anstieg von Treibhausgasen in der Atmosphäre
tion Vorbehalt zu verwenden – es handelt sich
seit Beginn der Industrialisierung erklärt wird.
eben um Szenarien, also um mögliche Zukünfte
Um diese Klimaänderungen in die Zukunft zu
und nicht um Vorhersagen. Es werden auch Un-
projizieren, werden Klimamodelle erstellt, die es
schärfen angegeben, die die Bandbreite darstel-
erlauben, Aussagen über mögliche zukünftige
len, die durch die Verwendung verschiedener
Änderungen des Klimas unter Berücksichtigung
sozio-ökonomischer Szenarien (also: entspre-
verschiedener Treibhausgasszenarien zu ma-
chende Freisetzung von Treibhausgasen) und
chen. Dabei lassen sich sowohl Aussagen zu glo-
die Verwendung verschiedener Klimamodelle
balen als auch zu regionalen Änderungen tref-
entsteht.
fen. Es hat sich gezeigt, dass die Modelle viele
Die Nützlichkeit der Szenarien besteht im
Aspekte einer zukünftigen Entwicklung ähnlich
wesentlichen darin, schon jetzt die Fragen von
beschreiben. So ist allen Simulationen gemein,
morgen zu formulieren – dies werden im we-
dass es deutlich wärmer wird.
sentlichen Fragen der Anpassung an jenen Kli-
Die Mehrzahl der heute verfügbaren Klima-
mawandel sein. Insbesondere geht es darum,
modelle lassen für Norddeutschland zum Ende
die der Gesellschaft verfügbaren Optionen aus-
dieses Jahrhunderts eine Verschiebung von
zuloten und dies muss im Zusammenspiel von
einem gemäßigten Küstenklima hin zu einem
Praktikern in Behörden, Politik und Wirtschaft
mehr südeuropäischen Klimatyp erwarten. Dies
und von Klimaforschern geschehen.
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Die deutsche Nordseeküste und der Klimawandel
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Norddeutsches Klimabüro - Institut für Küstenforschung
GKSS Forschungszentrum
Max-Planck-Straße 1, 21502 Geesthacht
[email protected]
http://www.norddeutsches-klimabuero.de
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