Utz MAAS Grammatikbegriffe (Vorlesung "Von der

Werbung
1
Utz MAAS
Grammatikbegriffe
(Vorlesung "Von der Schulgrammatik zur Lexical Functional Grammar
(LFG)" - Osnabrück, SS 2005)
Vorbemerkung
Das Folgende sind die nur geringfügig überarbeiteten bzw. ergänzten Folien aus meiner
Vorlesung im SS 2005, die das Ziel hatte, so etwas wie einen begrifflichen Sockel zu
definieren, auf dem speziellere Argumentationen stehen können. Damit ist der Rahmen für
das definiert, was in den Veranstaltungen des Hauptstudiums weiter bearbeitet wird; zugleich
werden aber die hier entwickelten begrifflichen Abklärungen dort vorausgesetzt.
Die Vorlesung reagiert auf die verbreitete Unsicherheit gegenüber einer terminologischen
Vielfalt, bei der es mit reinen Glossar-Gleichungen für die entsprechenden "Fremdwörter"
nicht getan ist. Bewußt wird hier einerseits die historische Entwicklung der
Grammatikreflexion seit der Antike, also das, was man die Schulgrammatik nennt, zum
Ausgangspunkt genommen, andererseits von den neueren Entwicklungen die Lexikalischfunktionale Grammatik (LFG) als Fluchtpunkt gewählt, die bei den
Hauptstudiumsveranstaltungen im Vordergrund stehen soll. Da im Grundstudium für alle ein
Strukturkurs Latein verpflichtend ist, werden hier darauf aufbauend vor allem auch Strukturen
des Lateinischen (neben dem Deutschen) für die Explikation / Illustration der Argumentation
verwendet. Es wird sich zeigen, daß diese schulgrammatische Terminologie (und die vom
Lateinischen geprägten Modellvorstellungen) gerade auch da noch bestimmend sind, wo (wie
verbreitet in neuerer Zeit) gar keine Lateinkenntnisse mehr vorausgesetzt werden.
Durchsichtig soll werden, daß der Unterschied der neueren Sprachwissenschaft gegenüber der
älteren Tradition weniger in der Begrifflichkeit liegt, als vielmehr
• in der Operationalisierung der Kategorien: Analyseverfahren (Strukturalismus)
• in der Modellierung durch formale Repräsentationsformen (algebraische / "logische"
Notationen; graphische Modellierungen: Bäume und "Konfigurationen")
• in den Erklärungsformen: Anschluß an kognitive Modellierungen (wie z.B. beim
"parsing" ...)
Gegenstand der Veranstaltung ist also die grammatiktheoretische Metasprache, die
definitionsgemäß allgemein ist, aber greifbar wird in der grammatischen Beschreibung einer
Einzelsprache. Daran schließt sich die typologische Frage an, nach der Verbreitung von
Erscheinungen / Strukturen. Diese wiederum kann als Grundlage für Erklärungen dienen,
insbesondere bei der in jüngster Zeit (bei den Generativisten) dominierenden Frage nach einer
"Universalgrammatik". Derartige sprachtheoretische Fragen gehen aber über den Horizont
dieser Veranstaltung hinaus.
Programm:
Auswahl an Problemen
• schulgrammatische Ausgangsdefinition
• Umsetzen in exemplarische Analysen / formalere Repräsentationen
• Abklären mit Begrifflichkeit in neueren Ansätzen: im Fokus LFG (Lexical
Sprachtypologie
Functional Grammar)
Systematischer: Terminologiefragen
2
deutsche vs. englische Terminologie
Rückgang auf lat.-griech. Basis
kursorisch: andere Sprachen (Französisch, Russisch, Arabisch ...)
Die verbreitete Übernahme englischer Termini ist für sich genommen kein Problem (sie ist
nichts anderes als das früher die Übernahme lateinisch-griechischer Fachtermini war): Sie
fixiert symbolisch eine bestimmte (technische) Anlyseweise. Gefährlich ist sie allerdings,
wenn (gerade bei meist nicht sehr weit gehenden Englischkenntnissen) die Termini als
"sprechend" angesehen werden – mit der Gefahr von falschen Freunden. Eine Nominalphrase
ist aber z.B. keine Phrase (vgl. dt. Phrasen dreschen). Insofern behalte ich hier zwar die
üblichen Etikettierungen wie NP bei – benutze aber in informeller Redeweise Ausdrücke wie
nominale Konstituenten, Nominalgruppe u.dgl. Der syntaktische Terminus der Phrasierung
ist demgegenüber weniger problematisch, da er keine falschen Assoziationen wecken kann.
Dieses Vorgehen soll ein Bewußtsein für den technischen Charakter der Terminologie
schärfen, dem ja gerde im Deutschen z.T. auch sprachliche Markierungen entsprechen (vgl.
etwa SUBjekt als gramtischer Terminus vs. SubJEKT sonst).
PROGRAMM der Vorlesung:
Block I: Einleitendes zur Grammatikreflexion / Grammatiktheorie (ca. 5 V)
V-1. Zum Begriff von Grammatik
V-2. Grammatikbegriffe
V-3 Äußerung ⊃ Satz ⊃ Proposition
V-4 Grammatisierung
V-5 Satzmodalität
Block II: Satzbasis / propositionale Struktur (engl. clause) (ca. 6+ V)
V-6 : Satzbasis / propositionale Struktur
V-7 Prädikat und Argumentstruktur (Szenario / Aktanten / semantische Rollen)
V- 8 Grammatische Relationen: Subjekt, Objekt u.a.
V- 9 Peripherie der Proposition: Adverbiale (Adverbien ...) / Adjunkte
V- 10 Kasus
V- 11 Nominale Kategorien (Struktur der NP)
Konstituentenstellung
V- 12 Wortstellung
Block III: Komplexe Sätze
V-13: Ausbau einer Proposition: Hypotaxe vs. Parataxe
V-14 Syntaktische Funktionen von Teilsätzen: Komplemente vs. Adverbiale
V-15 Komplexe Sätze 3: Propositionaler Ausbau von Attributen
V-16 Finitheitsskala: Form des Prädikats in Nebenprädikationen (Subjunktive,
Partizipien, Infinitive ...)
V-17 Prädikative ("Depiktive")
Block IV Wort
V-18 Was ist ein Wort ?
V-19 Wortarten
3
V-20 Wortbildung
V-21 Komplexe Prädikate
V-22 Inkongruenzen bei der Wortbestimmung: Komplexe Prädikate II
V-23 Lexi(kali)sierung von Szenario-Momenten
V-24 Lexikalistische Grammatikkonzeption (LFG) –grammatische Relationen zum
zweiten.
(25) Anhang: Literaturhinweise
4
V 1. Zum Begriff von Grammatik
Terminus < griech. graph- "schreiben" (vgl. Graphik)
Partizip PF {-ma}: graph-ma > gram-ma (vgl. Gramm – Strich auf der Waage)
Adjektiv –tik- (vgl. im Dt. –lich): gram-ma-tik (-os ...) "zum Schreiben gehörig")
Sprachreflexion I: Was man lernen muß, um (richtig) schreiben zu können
Grammatik
NB: im europäischen Mittelalter (Scholastik – schola "Schule" !)
grammatica positiva ~ was man im Lateinunterricht lernte
grammatica speculativa ~ philosophische Sprachreflexion (Logik, "Dialektik")
Sprachreflexion II, jetzt "Sprachtheorie"
In diesen beiden Horizonten wurden die gleichen Erscheinungen diskutiert – traditionell aber
auch terminologisch unterschiedlich gefaßt. Das Bewußtsein davon ist leider in neuerer Zeit
verloren gegangen, mit der Folge nicht unerheblicher Konfusionen. Ein Beispiel dafür ist der
Begriff des Subjekts, der uns ausführlich in Block II (und auch später noch) beschäftigen
wird.
Subjekt
in der älteren Tradition: war Subjekt eine Kategorie der Logik (Satz / Proposition
+ Prädikat) und NICHT der Grammatik (grammatica positiva: Kasuslehre ...)
Mehrdeutigkeit des Terminus Grammatik:
SPREÄUSSERUNG
CHER
Sprachliches Wissen
GRAMMATIK II
(Sprecher hat
Grammatik)
HÖRER
Analyse:
GRAMMATIK I
Fixierung / Kodifizierung
der Strukturen
GRAMMATIK III
(Buch ...)
Sprachliches Wissen: "gewußt wie" (prozedural)
vs. Analyse: "gewußt daß (was)" (deklarativ)
Analyse: Regularitäten
n. Mal: Repräsentationsformate ("Regeln")
Tradition der Grammatik ( Sprachreflexion I: Schulgrammatik)
Regeln ~ Vorschriften, richtig zu schreiben: normative (präskriptive) Grammatik
DUDEN-Grammatik 51995, §1234-6
"...heben sich in der Gegenwartssprache zwei Verneinungen im selben Satz auf"
*Kein einziger ist nicht gekommen
Interpretation nur: "Alle sind gekommen"
5
...
"Als nicht mehr korrekt gelten heute doppelte Verneinungen nach Verben des Verhinderns
oder Unterlassens ..."
*Was hindert mich, daß ich nicht eine der grünen Schnüre ergreife (Goethe)
...
Wir können heute nur noch sagen:
Was hindert mich, eine der grünen Schnüre zu ergreifen"
Regelverstöße werden festgestellt, weil Sprecher / Schreiber sie machen
daher kasuistische (normative) Grammatiken
Im "klassischen" Griechenland: Sammlung von barbaroi "barbarischen Ausdrucksweisen"
Spätlatein: de barbarismis ...
vs. Grammatik II > III
Regularitäten, die habitualisiert sind
sprachliche Form produziert (und rezipiert), ohne darüber nachzudenken ...
grammatiktheoretisch geklärte Grundlagen der Analyse und der Darstellung
n. Mal: Regel (regelhaft) in der Grammatik
6
V-2. Grammatikbegriffe
1. Regel
2. Symbolisierung: Variablen
3. Abbildung (Zuordnung) vs. Prozeß (Veränderung)
Zwei Bedeutungen von Regel
A. das Übliche: etwas ist erwartbar, wiederholt sich ...
dabei Grade der Robustheit: immer ... fast immer (in der Regel)
B. das durch eine Vorschrift Festgelegte: etwas soll immer sein ...
StVO und ihr Befolgen ...
etymologisch:
lat. reg-oo "grade ausrichten, lenken"
rectus "grade" vs. obliquus "schräg"
damit verwandt: reeks (<rex>) " König (Führer)", rector "Leiter", rectio, regimen "Leitung"
(deskriptive) Sprachwissenschaft operiert mit A
Beispiel: Schlicht-Norddeutsch I
Hans sah den Mann
Hans gibt den Mann das Buch
der Mann lacht
Hans sah das Auto von den Mann (Hans sah den Mann sein Auto)
Kasusformen:
der Mann
den Mann
casus rectus
casus obliquus
Normative Grammatik: Abweichung von Vorschrift ("Norm")
SCHLICHT-NORDDEUTSCH
Rektus
der Mann
Obliquus
den Mann
Synkretismus
HOCHDEUTSCH
der Mann
Nominativ
den Mann
Akkusativ
des Mannes
Genitiv
dem Mann(e)
Dativ
etymologisch:
Synkretismus: etwas zusammenwerfen (=nicht differenzieren) wie die Kreter (NB: für die
griech. Witz-Folklore waren die Kreter das, was heute für die Deutschen die Ostfriesen sind
...)
In der Schule
Fehler, Reaktion bei Schülern
hyperkorrekte Formen:
Hans sah dem Mann
Beispiel: Schlicht-Norddeutsch II
Hans sah den Mann
Hans gibt den Mann das Buch
der Mann lacht
Fehlervermeidung
Hans sah ihn
Hans gibt ihm das Buch
er lacht
7
Hans sah das Auto von den Mann
Kasusformen:
NOMINATIV
AKKUSATIV
DATIV
Hans sah das Auto von ihm
PRONOMINAL
er
ihn
ihm
SUBSTANTIVISCH
der Mann
den Mann
Synkretismus
zu 2. Symbolisierungen (Variablen)
paradigmatische Darstellung in der traditionellen Grammatik:
griech. paradigma (was (für etwas) gezeigt wird >) "Beispiel"
Operieren mit Wortformen, von denen bestimmte als beispielhaft (paradigmatisch)
genommen wurden:
1) Zitierform: Mann repräsentiert alle Wortformen (Kasus ...) mit dem gleichen lexikalischen
Element (Lemma):
{Mann, Manne, Mannes, Männer, Männern}
2) Repräsentant für morphologische Wortgruppe: Mann repräsentiert alle Wörter, die genauso
flektieren:
{Mann, Hund, Baum, Kind ...}
NICHT Frau, Vogel ...
(der) Mann
(den) Mann
(des) Mannes
(dem) Mann(e)
(die) Frau
(der) Frau
(der) Vogel
(den) Vogel
(des) Vogels
(dem) Vogel
Schematisierung: Abstraktion von Klassen, Variablen ...
NOMINATIV (Mannλ) = Mann
GENITIV (Mannλ) = Mannes
usw.
f
(x)
= y
(Schreibweise als Funktion)
LFG u.a. "Matrixschreibweise" (Funktion: "Attribut")
Mannes
KAS(us)
GEN(itiv)
NUM(erus)
SG (Singular)
GEN(us)
MASKulin
PERS(on)
3.
"Attribut"
"Wert"
Nominativ
Akkusativ
Genitiv
Dativ
8
Variablen in der syntaktischen Analyse: Konstituenten
der
Mann
singt
ein
sang
Erna
läuft
trinkt
Egon
strickt
Bier
einen
Pullover
Konstituente als Variable:
- jede Konstituente ist (kann sein) Konstituente einer größeren
- jede Konstituente hat (kann haben) kleinere Konstituenten
syntaktische Äquivalenzklassen (in Hinblick auf syntaktische Funktionen)
Repräsentation von Konstituenten
- paradigmatisch nur bei Wörtern (Konstituenten wie Erna ...)
- was wird mit strickt einen Pullover repräsentiert ? (Konstituenten wie strickt einen Pullover
)
Definition von Kategorien: N, V, NP, VP ...
so nicht in griech.-lat. Grammatiktradition,
Etikettierung jetzt anglobasiert:
Syntagma: Phrase (dt. Wortgruppe) NP : Nominalgruppe …
3. Abbildung (Zuordnung) vs. Prozeß (Veränderung)
Extensionale Definition der syntaktischen Kategorien:
NP ist eine Konstituente, die aus einem DET und einem NOMinal besteht
NOM ist eine Konstituente, die aus einem ATTR und einem SUBST besteht usw.
Notationsweise konventionell:
NP → DET + NOM
NOM → ATTR + SUBST
Fakultative Strukturen:
NOM → (ATTR +) SUBST
NICHT: "NP wird zu ..." !
Suggestion des Pfeils: Keine Bewegung, Veränderung ( Zeit !)
Grammatik im formalen Sinne (GRAMMATIK II) ≠ das, was sich im zentralen
Nervensystem abspielt (GRAMMATIK I = Hirnströme ...)
So suggestiv "Ableitung" (das Schema wird in V-6 ausführlicher erläutert):
9
S
S
→
NP
NP
→
NOM
NOM →
VP
→
NP
→
+
VP
V
+
NP
DET
+
SUBST
NOM →
NOM
SUBST
(lexikalische
Ersetzung)
Egon
strickt
einen
Pullover
Übung: Aufschreiben einer vollständigen Grammatik ("Phrasenstrukturgrammatik") für
diese Beispielsätze!
satzübergreifende Äquivalenzklassen:
"Bei der Umwandlung des transitiven Aktivs mit einem Objekte in das Passiv wird das Objekt
des transitiven Verbs zum Subjekte und tritt in den Nominativ, das frühere Subjekt des Aktivs
aber wird durch den Ablativ mit der Präposition ab, a ausgedrückt. So wird aus pater filium
amat : filius a patre amatur."
(Kühner / Stegmann, Ausführliche Grammatik d. lateinischen Sprache, 1. Aufl. 1878/79 (4.
Aufl. Darmstadt 1962), Bd. I, 100 – 101)
Die Argumentation ist in der schulgrammatischen Tradition paradigmatisch: sie operiert mit
Wortformen, syntaktische Beziehungen sind über formale Eigenschaften dieser Wortformen
definiert (hier: Kasusendungen), nicht direkt über syntaktischen Relationen (bzw.
syntaktischen Variablen).
Dem steht ein operieren mit Paraphrasebeziehung gegenüber:
verschiedene Ausdrucksformen werden als bedeutungsäquivalent angesehen:
pater
a
patre
filium
amat
filius
amatur
B
C
A
Solidarische Formenvariation:
Wenn bei C, dann auch bei A und B …
10
Woher kommt die Gerichtetheit der Passiv"transformation"?
Wieso "wird nicht" aus filius a patre amatur : pater filium amat wenn das Verb statt in der
passivischen in der aktivischen Form steht ?
In welchem Sinne ist die aktivische Form "grundlegender" ?
11
V-3 Äußerung ⊃ Satz ⊃ Proposition
1. Satz – Äußerung (Grammatik vs. [Analyse von ..] sprachliches Handeln)
Äußerung: physikalisches Ereignis
beobachtbar
Wort: äußern:
außerhalb der "mentalen" Welt (Kognition)
nicht auf Sprache eingeschränkt
diese Krankheit äußert sich in der Form, daß ... (Symptome ...)
Satz:
theoretischer Begriff: in der Theorie konstruiert
Gegenstandsbezug: Idealisierung
Wort: setzen (festsetzen), Gesetz, Satzung ...
gesetzt durch eine bestimmte Vorgabe ( theorieintern)
Physik: ideale Gase vs. "Luft": Gemisch in einem Raum ...
Chomsky: Kompetenz ( Idealisierung) vs. Performanz (beobachtbares "Gemisch" in einer
sprachlichen Handlung ...)
[
]
als Äußerung interpretiert
Bußgeldkatalog
WB d. dt. Gegenwartssprache, Berlin 21973. Bd. III: 1931a
du Idiot! - Schimpfwort
Hans (hat ein aufwendiges Abendessen vorbereitet, mit dem er Erna überrascht)
Hans: Tut mir leid wegen gestern.
Erna: [
] (gibt Hans einen Kuß)
keine Beleidigung ~ Liebkosung ...
Interpretation einer situierten Äußerung:
symbolische Form [
] (Äußerung i.e.S. – phonetisch repräsentierbar)
× weitere expressive Momente ("Tonfall" – Intonation), Mimik, Gestik ...
× nicht-sprachliche Situationsmomente ...
Äußerung i.w.S.
Interpretation (Äußerung i.e.S., Situation)
Die symbolische Form (Äußerung i.e.S.) ist nur ein Moment der sprachlichen Handlung,
deren Bedeutung durch sie nicht allein definiert wird, aber sie ist nicht beliebig:
vgl. Erna: [
], [
]…
Linguistische Pragmatik: Bedeutungserschließung (einer Sprechhandlung)
Sprechhandlung
sprachliche Form
("Satztyp")
es zieht
Aussage
Aussagesatz
Aufforderung
kannst du mir das Salz geben
Frage
Fragesatz
Aufforderung
12
Ohne Klarheit hier Konfusion
[
] (Feuer!) – Äußerung, Interpretation eindeutig – Satz ?
Erna: Wir könnten mal wieder die Schmitz einladen.
Hans: [
]
[
] – Äußerung, Interpretation eindeutig (?) – kein Satz (?)
2. Satz
Theorieabhängige Definition (Konstruktion einer Definition):
(1) festgelegt: Satz bezeichnet die Form einer Äußerung
- es gibt Äußerungen, die nicht die Form eines Satzes haben
- es gibt Äußerungen, deren Form mehr als einen Satz aufweist ...
Erna (wartet ungeduldig an der Hautür, ruft ins Haus): Kommst du endlich?
Hans: Komme.
Ist komme ein Satz ?
äquivalent zu Ich komme.
Ähnlich russisch: [
] – aber wie hier im Dialog: [
ja "ich" id-u "geh:-1S.PR"
]
ABER polnisch: [
] NICHT *[
]
[
] "ich bin es, der kommt (nicht Paul)"
Im Deutschen und Russischen komme / idu elliptisch
möglich, weil im Kontext eindeutig
impliziert: ich
gr. elli'pees "unvollständig, wo etwas fehlt"
Ellipse: als grammatischer Terminus enger als griech. Bedeutung:
nur, wo das "Fehlende" eindeutig (durch den Kontext ...) ergänzt werden kann
Hans: [
] (wird unterbrochen) – keine Ellipse (> morgen)
Die polnische Äußerung [
] ist nicht elliptisch, sondern hat die reguläre (grammatische)
Form ( Satz) einer Äußerung
So auch im Latein:
Plautus, Miles gloriosos, II,2
Palestrino: introo ut ab.e-aas
hinein daß weg.geh:-2S.KONJ.PR
Periplectomenus: ab.e-oo
weg.geh:-1S.IND.PR
Satzform beim Aussagesatz:
Dt., Russ. mindestens zweigliedrig
Lat., Poln. eingliedrig oder mehr
dt. Übersetzung (P.Rau)
Daß du fortkommst!
Gehe schon
13
latein.
poln.
deutsch
russ.
Äußerung (D = dictum)
abeo
id
komme
idu
Satz (S – sententia)
*
*
(> ich komme)
(> ja idu)
NB: lat. sententia "Gedanke, Spruch"
begrifflich-terminologisch Differenzierung in der Syntax ist jung!
Grammatische Form: n. Vorlesung ("Grammatisierung")
(2) Definition von Satz ist theorieabhängig
(3) Definition von Satz ist sprachabhängig
Satzdefinition in der generativistischen Tradition:
extensionale Definition:
S → NP + VP
Grammatik:
Äußerung Di → Satz ??
→ ja (1)
↓
nein (0)
G (Feuer) = 0
G (Hans singt) = 1
G (ich und Bier trinken?) = 0
G (Feuer!) = 0
G (trinkt Emma Bier?) = 1
ABER AUCH
G (abeo) = 0
G (id ) = 0
Also sprachspezifisch einschränken:
Gdt (gehe) = 0
Glat (abeo) = 1
Also auch
Sengl → NP + VP ( Sdt → NP + VP )
Konfusion in Grammatikschreibung Satz / Äußerung, z.B. DUDEN 51995,
"Das Satzäquivalent. Zwischen Satzschlußzeichen stehen oft Ausdrücke, die von ihrer
Struktur her nicht als Sätze angesehen werden, vor allem weil sie kein Verb enthalten oder
weil sie aus irgendeinem Grund unvollständig sind. Sie leisten aber das gleiche wie
ausgebaute Sätze ... Man spricht hier von Satzäquivalenten ...(z.B.) Ja! Nein! Bitte! Danke!
Vorsicht!" (S. 600)
Äußerungen, die interpretierbar sind (nicht elliptisch), aber die nicht die Form von
Sätzen haben. Allerdings ist die Form konventionell fest.
weiter in Block II
Damit aber auch das mißliche Problem einer Satzdefinition aufgelöst:
14
??Def: kleinste selbständig interpretierbare Äußerungseinheit
trifft auch auf Konstruktionen zu, die oben = 0
Satz definiert durch die (Satz)Form, wobei die Form so ist, daß sie ihre (selbständige)
Interpretation sicherstellt ( funktionale Definition)
3. Proposition – Satz
Begriffliche Differenzierung:
das was (mit einer Äußerung) gesagt wird: Inhalt
– wie es gesagt wird: Form
Form (wie) definiert Paraphraseklassen von Äußerungen (Sätzen):
Hans kam gestern auf Besuch
gestern kam Hans auf Besuch
kam Hans gestern auf Besuch?
(Erna erzählte, daß) Hans gestern auf Besuch kam
traditionelle Analyse solcher Sätze in der Logik ("Aussagenlogik")
Invariante in diesen Sätzen: Proposition
Wort: lat. propositio "Vorschlag, Darstellung – was vorgeschlagen / vorgestellt wird"
Erst in jüngerer Logik komplexere Probleme behandelt:
Gottlob Frege (1848 – 1925)
symbolische Logik
Hans kommt
Proposition kommen (Hans) × Behauptung dieser Proposition
Der waagerechte Strich symbolisiert bei Frege die Proposition (daß Hans kommt). der
senkrechte Strich vorne (bei Frege: "Urteilsstrich") die Affirmation. Mit einem vorne
angesetzten senkrechten Strich wird eine Proposition als Aussagesatz (indikativisch)
abgeschlossen.
Mit der gleichen Symbolisierung stellt Frege auch komplexere Satz- bzw. propositionale
Strukturen dar. Z.B. eine konditionale Struktur, bei der die Aussage, daß Hans kommt, an die
Bedingung geknüpft ist, daß die Sonne scheint, also
Hans kommt, wenn die Sonne scheint
als
Der tiefer angehängte waagerechte Strich symbolisiert die Proposition daß die Sonne scheint.
Die Frage der Wahrheit stellt sich nur für die Behauptung, nicht für eine Proposition ..
ABER: Behauptung ist nur eine "Modalität", vgl. Frage, Aufforderung ...
SATZ
PROPOSITION
(SATZ-)MODALITÄT
15
In der grammatischen Analyse relativ jung
aus Logik übernommen:
frz. proposition, engl. clause (lat. clausa / clausula: Formel, die Textstück "abschließt"
…), dt. ?? (manchmal: Satzbasis)
Proposition weiter terminologisch so verwendet
Satzmodalität i.w. S.
alles, was die Äußerung einer Proposition interpretierbar macht (die Interpretation fundiert: in
der Sprechsituation verankert):
Hans kam gestern auf Besuch
Aussage / Behauptung (grammatisch: indikativ)
Proposition stellt einen Sachverhalt als Ereignis VOR der Äußerung dar (vergangen:
grammatisch: Präteritum, Adverb [lexikalisch]: gestern)
weiter: 5. Vorlesung: satzmodale Kategorien
Verankerung der Satzmodalität in der Form
Grammatisierung (n. = 4. Vlsg.)
Anhang zu V-3: Zur Unterscheidung der Begrifflichkeit auf den verschiedenen Ebenen
BEISPIEL
SPRECHHAND- SATZTYP
LUNGSTYP
es zieht
a) Aussage
Aussagesatz
b) Aufforderung
Aussagesatz
GRAMMAT.
PROPOSITIONALE
MARKIERUNG UMFORMUG
(P: PARAPHRASE)
V2
daß es zieht
komm her !
du kommst
her
Aufforderung
a) Aussage
b) Aufforderung
kommst du
her ?
hier ist
geschlossen
gleich wird
geschlossen
Könnten Sie
das
weitergeben
Ruhe
dahinten !
Wenn du jetzt
nicht den
Mund hältst
...
jetzt loslaufen
!
jung gefreit,
früh gereut
Frage
V2
(Prosodie !)
Aufforderungssatz V1 ohne Subjekt
Aussagesatz
V2
Aussagesatz
V2
(Prosodie !)
Fragesatz
V1 + Subjekt
P: daß du die Tür
schließt
daß du herkommst
daß du herkommst
daß du herkommst
Aussage
Aussagesatz
V2
Aussage
Aussagesatz
V2
Frage
Fragesatz
V1 + Subjekt
Aufforderung
kein Satz
(finites V fehlt)
Drohung
abhängiger Satz
(Nebensatz)
Vletzt
Aufforderung
kein Satz
(finites V fehlt)
P: daß sie Ruhe
geben
daß du den Mund
nicht hältst
P: daß du den Mund
hältst
daß ihr jetzt loslauft
(Sprichwort)
kein Satz
(finite V fehlen)
Parallelismus
daß es früh bereut,
wer jung freit
daß du herkommst
daß hier geschlossen
ist
daß hier gleich
geschlossen wird
daß Sie das
weitergeben
16
V-4 Grammatisierung
1. Grammatisierung
2. Grammatisierung vs. Grammatikalisierung
Sprache ist dazu da, mit ihr etwas zu sagen:
Sprachlicher Ausdruck
3. Vlsg.: Satz
FORM
INHALT
sprachliche Form
Axiomatisch: In jeder Sprache kann man alles sagen (ausdrücken)
Unterschiede im WIE
LEXIKON:
{Suppe mit roten Rüben, Kohl und Fleisch} (paraphrasiert)
Borschtsch (< russ.
) ∈ DUDEN-Universalwörterbuch
Solche Ausdrücke in sprachliche Form eines Satzes einzufügen:
Feder / Nut (engl. filler / slot)
Bei uns gab es gestern abend
Meine Mutter kocht immer
, wenn Gäste kommen
Grammatik bezeichnet ( sprachspezifisch !) diese Form
vgl. Textverarbeitung: Formatierung vs. Eingabe in einer bestimmten Form
Eine Äußerung ist grammatisch (in einer bestimmten Sprache), wenn sie die für diese
definierten Formkriterien (Wohlgeformtheitsbedingungen) erfüllt:
V-3: Satzform beim Aussagesatz:
Dt., Russ. mindestens zweigliedrig ("Subjekt + Prädikat")
Lat., Poln. eingliedrig oder mehr ("Prädikatsausdruck (+ Ergänzungen)")
Hier: rein formale Bedingungen:
Witterungsausdrücke:
dt. es regnet, es blitzt, es wird hell
Wer oder was ist es ?
Problem entfällt im Lateinischen:
plu-it, fulg-it, lucesc-it
im Russischen Zwischenstellung:
] wörtl. "(es) geht Regen", [
[
Blitz)", [
] "es wird hell (Tag)"
] ([
]) wörtl. "(es) blitzt (ein
17
Probleme in der Grammatik-Diskussion: wenn solche Bedingungen semantisch interpretierbar
sind
Aussage-Satz im Dt. braucht ein finites Verb
finit: markiert für Tempus, Modus und Person
dt. Hans froh
russ. Ivan rat <
dt. Hans ist alt
>
ungrammatisch
grammatisch
was bedeutet ist ?
Tempusformen: finites Verb ∈{Präsens, Präteritum, (Futur) ...}
Aussage über Sonnensystem Erde als Planet der Sonne:
die Erde dreht sich um die Sonne, die Erde ist rund ....
Präsens interpretiert als "Gegenwart":
*Wann dreht die Erde sich? *wann ist sie rund? (
sie nicht rund ?)
*wann drehte sie sich nicht, *wann war
VORLÄUFIG:
(1) Sätze im Deutschen sind so formatiert, daß mit dem finiten Verb im Prädikat eine
Tempusform markiert werden muß
(2) Tempusformen werden im Deutschen zeitlich (zeitreferenziell) interpretiert, wenn das
für die Interpretation der Proposition erforderlich ist
FAZIT 1:
Trennen:
• grammatische Formkategorien (z.B. Tempusformen
Paradigma: Präsens,
Präteritum, Futur ...)
• vs. Interpretation dieser Formen (z.B. zeitreferenzielle Bezüge: Gegenwart,
Vergangenheit, Zukunft ...)
Sprachtypologie
Zum Sprachbau des Deutschen (Lateinischen, Russischen ...) gehört es, daß zeitreferenzielle
Bezüge grammatisiert sind
nicht in allen Sprachen so, z.B. Burmesisch (s. B.Comrie, Tense, Cambridge:
Cambridge univ. press 1985)
Grammatisierung erfolgt in Strukturen eines Paradigmas, z.B. im Dt. (Russ)
Präteritum
"vergangen"
vs. Nicht-Präteritum (Präsens, periphrast. Futur)
"nicht-vergangen"
So auch das Präsens zu interpretieren in:
die Erde dreht sich um die Sonne, die Erde ist rund
dieser Sachverhalt besteht auch zum Sprechzeitpunkt
18
(weiter zu Tempus in Block II / III)
Interpretation der grammatischen Struktur eines Satzes trennen von zeitreferenzieller
Interpretation einer Äußerung:
lexikalische Spezifizierung durch
diese ist in allen Sprachen möglich
Zeitwörter: heute, gestern, vorhin, letztes Jahr ...
Für die Interpretation gibt es Defaults:
Default auf dem Computer: Einstellung bis auf weiteres, z.B. Tastatur
russ. Ivan rat < >
da nichts Gegenteiliges artikuliert ist: der Sachverhalt besteht zum
Sprechzeitpunkt: "Ivan ist froh"
sonst: Ivan byl rat "Ivan war froh"
Grammatisierung:
1. formale Bedingungen für die Form von Äußerungen ( Sätze) in einer Sprache
2. mit diesen Formelementen können kognitive Strukturen symbolisch gebunden sein
( Interpretation)
Welche kognitive Strukturen so grammatisiert sind, ist sprach- (> kultur-) abhängig:
Ostasien (Korea, Japan) grammatisiert komplexes System von Artikulation sozialer
Beziehungen ("Höflichkeit"), aber nicht (absolutes) Tempus ...
Typologie
2. Grammatikalisierung
etymologische Frage: Herkunft grammatischer Markierungen:
Grammatisierung
(Form, Konzept)
vs.
Grammatikalisierung ( [Form/Konzept]t , [Form/Konzept]t' )
i.d.R. dabei t < t'
Grammatisierung: Frage der Struktur ("synchron")
Grammatikalisierung: Frage des Sprachwandels ("diachron")
ich leg-e
du leg-st
er leg-t
2.Ps.S. {-st}
ahd.
(ih) leg-e
(du) leg-es
(er) leg-et
2.Ps.S. {-(e)s} : nhd. {-st} < ahd. {-(i)s + d(u)}
]
vgl. kommst du > [
19
Wort (Lexikon: lexikalische Bedeutung ...) > grammatische Markierung (grammatische
Bedeutung)
HIER: Pronomen "du" > Markierung der 2.Ps.S.
Perfekt: haben-Periphrase
ich pflanzte
ich habe gepflanzt
ich hatte gepflanzt
ahd. haban wie nhd. ich habe einen Baum (im Garten) ...
ahd. phigboum habeta sum giflanzotan (habeta sum phigboum giflanzotan ) "einen
gepflanzten Feigenbaum hatte ich"
Grammatikalisierung(swege): Fluchtlinie
1. als Funktionselement mit allen Elementen des Lexikons (entsprechenden Typs)
kombinierbar (ich habe getanzt ~ *haben)
2. Semantik abstrakter (unspezifischer): PERFEKT vs. haben (< halten)
3. meist: phonologische Form reduziert: 2Sg. –st < -es (-is) + du
in dieser Vorlesung: Grammatisierung
Grammatikalisierung: Gegenstand von Seminaren zum Sprachwandel
20
V-5 Satzmodalität
Abschluß Block I:
• Argumentative Basis
• Satzmodalität
Grammatik als Modellierung von SATZstrukturen
(marginal: > Satz: Text)
Grammatisierung: Wohlgeformtheitsbedingungen, ggf. in Verbindung mit
Beschränkungen der Interpretation (Symbolisierung konzeptueller Strukturen)
SATZ
Satzmodalität × Proposition
(Satzmodalität: Verankerung der Interpretation der Proposition)
Grammatisierung als Formatierung der Proposition: kulturelle "Salienz" der
grammatisierten Strukturen × formale "Gestaltschließung"
Satzmodalität im weiteren Sinne:
kategoriale Strukturen der Äußerung und ihre Grammatisierung:
Kategorie < gr. kata "nach, auf" + agora "Markt(platz) > Gerichtsversammlung"
Aristoteles: Fragen, die man grundsätzlich stellen kann (< bei einer Anklage
beantworten können muß)
SATZ-MODALITÄT
PROPOSITION
Satzmodalität nimmt im Modell eine andere Dimension ein als die Proposition, vgl. oben bei
der Fregeschen Symbolisierung den "Urteilsstrich" gegenüber dem Propositionsstrich
Zur Satzmodalität gehören:
- PERSON (> soziale Struktur der Kommunikation)
- THEMATISCHE STRUKTUR (> "Informationsstruktur")
- POLARITÄT (in der Äußerungsstruktur)
- SPRECHHANDLUNGSTYPEN
- AUSBAU DER PROPOSITION (> Subjunktion)
1. PERSON: personales Feld der Sprechsituation
SPRECHER
(1. Person)
HÖRER
(2. Person)
NICHT-BETEILIGTER
(3. Person)
PERSON als deiktische Kategorie
gr. deixis "Vorzeigen, Verweis" (verbal deik-s- "zeigen")
Verankerung der Interpretation der Proposition:
21
PRÄDIKAT (Arg1 , Arg2 , Arg3 ... Argi )
{ 1, 2, 3}
schenken (x1, x2, x3) :
er schenkt mir ein Buch
ich schenke mich dir
....
deskriptive Kategorien ( Lexikon):
PRÄDIKAT (x1, x2, x3) & PRÄD* (xi) & PRÄD** (xj) ....
er schenkt mir ein Buch
PRÄDIKAT = 'schenken",
x1 = 3
x2 = 1
x3 = 3 & 'Buch' (x3)
Mit einem * markiert sind die deskritptiven Prädikate der Argumente wie z.B. 'Buch' bei x3
Faktorisierung der deskriptiven Prädikate:
Zählbarkeit ([- zählbar], z.B. Milch, Wein ... )
Numerus: einzeln (Singular), dual, Plural (> 2 bzw. < 1 ...)
ich: Singular, wir (ich und andere: *Plural {ich, ich, ich ...})
weitere Klassen:
Grammatisierung von Sexus: der Stein, das Mädchen ...
Genus
eingeschränkte Grammatisierung: arab. nti 2SF, nta 2SM ...
grammatische Nutzung: Bindung in Proposition
Emma
gefallen die Blumen nicht
3S
3P
3P
Kongruenzmarkierung
Sonderfall deskriptiver Markierungen:
Strukturen des sozialen Feldes:
DISTANZ/ RESPEKT / AUTORITÄT ....
kommst du morgen?
kommen Sie morgen?
würden Sie morgen kommen? ...
das Auto / der Wagen / der Personenkraftwagen / die Kiste / der Scheißkarren
.... fährt nicht
Grammatisierung vs. Lexikon ....
2. THEMATISCHE STRUKTUR (> "Informationsstruktur")
FIGUR
GRUND
22
Wie hat Emma reagiert? (Emma ⊂ GRUND)
Was ist mit den Blumen? (Blumen ⊂ GRUND)
Emma gefallen die BLUMEN nichtdie Blumen gefallen EMMA nicht .....
Vordergrund: Fokus
Grund: Topik
Markierungen: Prosodisch, Wortstellung, eigene Konstruktionen
es sind die Blumen, die Emma nicht gefallen ..
Partikel (Emma gefallen sogar die BLUMEN nicht)
Nutzen grammatischer Markierungen:
Aspektsyteme:
dt. ich war am schreiben , als Hans kam
DURATIV > (Hinter-)Grund
Russ. (freie Erzählung eines Jungen)
on
zaprygnyl na
kam'en'
Stein
er
sprang.PF auf
szadi kamnja
byl
olen'
hinter Stein
war.IPF Hirsch
on
skinyl
v
vodu
er
warf.PF
in
Wasser
v
vodje
ležalo
d'er'evo
in
Wasser
lag.IPF Baum
VORDERGRUND
HINTERGRUND
VORDERGRUND
HINTERGRUND
3. POLARITÄT
Es ist kein Bier im Kühlschrank !
was sehe ich im Kühlschrank? – Käse, Yoghurt, Gemüse ...
Was macht einen Satz wahr?
Es ist Bier im Kühlschrank
%Bier ist im Kühlschrank%
Es ist kein Bier im Kühlschrank
%???%
Erwartungen des Sprechers : Perspektivierung des Sachverhalts
lexikalische Felder (Antinomien ...)
Hans schläft nicht – Hans ist wach (was sind die vorausgesetzten Erwartungen?)
Grammatisierung der Negation:
- Negationsverben:
finn. söi-n
omenaa
aß.PRÄT-1S
Apfel
e-n
syönyt
NEG-1S
essen.PZP
- Prädikatsmorphologie
türk. geli-yorum
komm:- IPF.1S
vs.
"ich aß einen Apfel"
omenaa
Apfel
"ich aß keinen Apfel"
gel-mi-yorum
komm:-NEG- IPF.1S
"ich komme (nicht)"
23
Partikel:
dt. nicht, lat. non, russ. n'e
Skopus der Negation:
weit:
ich fahre nicht mit dem Zug nach Bonn
eng:
ich fahre mit keinem Zug nach Bonn (.. nicht mit dem ZUG nach B)
4. SPRECHHANDLUNGSTYPEN
AUSSAGE: verpflichtet den Sprecher auf Wahrheit: der propositional artikulierte Sachverhalt
ist der Fall:
Grammatisierung: V-2: Indikativ am Verb ...
ABER: fiktive Erzählung ....
Grammatisierung von Evidenzialität vs. lexikalische Formen:
vielleicht regnet es jetzt schon ...
es ist möglich, daß es regnet ...
Evidenzialität und Tempus:
Indikativ ~ Präterital
Futur: Potential ...
Suspendierung der Aussage: FRAGE
weit: kommt Hans heute (V-1) vs. Hans kommt heute ↑ (V-2 - Aussagesatz)
eng: Wann kommt Hans (Präsupponiert: Hans kommt)
Wer kommt heute? (Präsupponiert: jemand kommt)
eng: Fokussierung eines Elements (
Voranstellung des W-Worts im Dt.)
AUFFORDERUNG –
eingeschränkte Artikulation der Proposition:
Hauptaktant (-argument)
Hörer (2. Person)
zeitreferenziell: (unmittelbare Zukunft ...)
Interpretation durch Default: komm ! (< Stamm: komm- -e / -st / -t ...)
markierter Fall: nicht nur DU: komm-t ! (DU und andere ...)
Paradigmatische Differenzierung:
komm-t ! "2P"
komm ! ~ komm-∅ ! "2S"
explizite Markierung aller Formen, z.B. russ.
2S id-i
vgl. id-u 1S
2P id-it'e
Weitere Aufforderungsmodalitäten: Hortativ
1P laßt uns gehen !,
3.Person: im Dt. nur paraphrasierbar: er soll gehen
5. AUSBAU DER PROPOSITION
Block III: Ausbauformen des Satzes
24
satzmodale Markierungen spezifizieren den propositionalen Inhalt
SATZMODALITÄT
PROPOSITION
SATZMODALITÄT
PROPOSITION
PROPOSITION
Hans las das Buch
Hans versuchte, das Buch zu lesen
Hans tat so, als ob er versuchte, das Buch zu lesen ...
Abgestufte Markierungen am Prädikat als Formen der Partizipation an der satzmodalen
Spezifizierung:
> Subjunktion: Subjunktiv ("Konjunktiv"). infinite Formen (Infinitiv ...)
kein paradigmatischer Kontrast mit satzmodalen Markierungen
6. Zur Sprechakttypologie
Eine systematische Herleitung der Sprechaktkategorien nimmt ihren Ausgangspunkt bei den
Bedingungen der Kommunkation, also dem polarisierten Feld:
SPRECHER
HÖRER
Monologische Äußerungen (also die Beschränkung auf das innere Feld) maximieren in
gewisser Weise die symbolischen Potentiale: Das ist der Fall bei der AUSSAGE, die
insonfern einen Grenzwert für alle Äußerungen bildet (und in der philosophischen
Sprachreflexion i.d.R. auch als Modell genommen wird). Noch weiter geht die monologische
Maximierung der symbolischen Potentiale in der Schrift.
Das kommunikative (äußere) Feld impliziert für darauf abgestellte Äußerungsformen eine
dialogische Bindung. Das ist insbesondere bei der FRAGE der Fall. In grammatischer
Hinsicht sind Fragesätze aber formatiert durch die Struktur von Aussagesätzen, s.u.
Eine noch weitergehende interaktive Bindung besteht bei der AUFFORDERUNG, die auch
nicht auf eine sprachliche Reaktion des kommunkativen Gegenübers festgelegt ist
(sprachliche Reaktionen sind hier nur eine Sonderfall von Reaktionen: vgl. Tu was ! vs. Sag
was ! , Antworte !)
25
In dieser Typologie steckt also eine Hierarchie der "Entäußerung" – deren Grenzwert die
Dezentrierung des (sprachlichen) Handelns in der Schrift ist (das wird in sprachtheoretischen
Arbeiten zur Schriftsprache wieder aufgenommen).
FRAGE und AUFFORDERUNG sind in anderer Blickrichtung als markierte
Äußerungstypen, die durch ihre Differenz zum maximal ausgereizten Äußerungstyp
AUSSAGE definiert sind. Symbolsich kann das bei der Frage durch eine sie markierendes
Element Q (wie lat. quaestio "Frage") repräsentiert werden. Dieses findet einen expliziten
Ausdruck in entsprechenden Q-Wörtern (im Deutschen auch W-Wörtern), die nach der
Spezifizierung entsprechender Ergänzungen im Satz fragen:
Antwortsatz [ ......]S
Fragesatz [Q ......]S
Q = W-(-er / -as / -ie /-o / -ann ...)....
......... XP .....
Beim Satzfokus wird die Position von Q durch das finite Verb eingenommen:
Fragesatz [Q ......]S
Antwortsatz [ ......]S
Q = V1
......... (SM) .....
Was hier mit Q infrage steht, ist ein Faktor der Satzmodalität: die voll spezifizierte
Proposition wird dagegen vorausgesetzt
Der reduzierte symbolische Ausbau des Aufforderungssatzes spiegelt sich auch in der nur
rudimentär grammatisch spezifizierten Form des Imperativs:
als reiner Stamm des Verbs (geh !), der nur sekundär für die Person im Plural markiert wird
(geht !).
Allerdings sind diese imperativischen Prädikate doch syntaktisch in die Konstruktionen
einbezogen. Erweiterte Formen der Aufforderung zeigen die Kongruenz mit der zweiten
Person:
appositiv wie in:
Komm du mal her ! (vergleichbar: Hans, komm mal her !)
aber als indirekter Sprechakt (verpackt in eine Frageform) mit kongruierender Verbform:
Kommen Sie mal her !
Bei reflexiven Konstruktionen zeigt sich die Steuerung auch in grammatischen Markierungen
der Ergänzungen zum Prädikat. Das ist in Sprachen besonders deutlich, die reflexive
Pronomina aufweisen, vgl. im Englischen:
indikativisch
you wash *you / yourself
imperativisch
wash *you / yourself !
vgl. auch im Deutschen
indikativisch
du wäschst dich
imperativisch
wasch dich !
26
Block II:
V-6 : Satzbasis / propositionale Struktur
Vorbemerkung zu Block II
Block II entwickelt die Grundlagen der syntaktischen Strukturung einer Äußerung / eines
Satzes. Die im jüngeren Syntaxverständnis dominierende Konzeption behandelt diese
Strukturen als grundlegend, in die lexikalische Elemente eingefügt werden. In den meisten
neueren Ansätzen wie insbesondere der LFG ist diese Konzeption infrage gestellt; hier bildet
die lexi(kali)sierte konzeptuelle Struktur der syntaktischen Köpfe den Ausgangspunkt, von
dem aus syntaktische Strukturen "projiziert" werden. Insofern wird die syntaktische
Argumentation, insbesondere in Hinblick auf die LFG, am Schluß von Block IV, nach der
Behandlung von wortbezogenen Fragen, fortgeführt (V-22 – V-24).
Gegenstände in Block II
• Prädikation
• Argumente (semantische Rollen ...)
• Subjekt / Objekt
• Peripherie (Adjunkte: Adverbiale, oblique Funktionen ...)
• Kasus
• Referenz (Definitheit, Deixis, Anaphern ...)
Ausgangspunkt:
Sprachlicher Ausdruck
FORM
INHALT
Formanalyse: Syntax =: Strukturen des Satzes
Block IV: Morphologie =: Strukturen des Wortes
gr. syn-tak-s-is "Zusammensetzung, Aufstellung" (verbal syn-tak-j- "zusammensetzen")
Satz
Zusammensetzung von Wörtern (Worten)
antike Grammatik: reich flektierende Sprachen (Alt-Griechisch, Latein)
Wortformen definieren Vorkommen(smöglichkeiten) im Satz
puell.a
puer-um
Mädchen.N.S
Knabe-A.S
"das Mädchen küßt den Jungen"
basi.a-t
küß:-3.S.PRÄS.IND.AKT
Satzstruktur ist bestimmt (regiert) durch das finite Verb basiat
basiare ist ein transitives Verb
lat. trans-i-re (PZP trans-i-t-us) "hinüber- / hindurchgehen",
d.h. es geht vom casus rectus zum casus obliquus (bzw. den so markierten Ergänzungen)
casus rectus (Nominativ): puell.a
casus obliquus (Akkusativ): puer-um
Heute Analyse mit syntaktischen Variablen:
27
gladi-a-tr-ik-s
puer-um
Schwert-V/N-N.AG-FEM-N.S
Knabe-A.S
"die Gladiatorin ("Schwertkämpferin") küßt den Jungen"
Nuten:
Subjekt
-s
-um
Objekt
basi.a-t
küß:-3.S.PRÄS.IND.AKT
-t
Prädikat
Federn: Lexikalische Elemente + Wortbildung (= Stamm)
Festlegung auf Wortarten nach den syntaktischen Potentialen:
Verben
Prädikatsfunktion
Nomina
Komplemente zum Prädikat
In der schulgrammatischen Tradition:
Konfusion: Prädikat (syntaktische Funktion) ~ Verb (Potential für eine syntaktische
Funktion)
russ.
dt.
Ivan
Hans
SUBJEKT
ist
KOPULA
rat < >
froh
PRÄDIKAT
NOMINALSATZ
VERBALSATZ
PRÄDIKAT*
! Mehrdeutigkeit: PRÄDIKAT in Semantik:
5. Vlsg. "deskriptive Spezifizierung"
(a) das ist ein Baum
Baum (x)
(b) ich sah etwas, das ein Baum war sehen (x,y) ... & Baum (y)
(c) ich sah einen Baum
sehen (x,y) ... & Baum (y)
(a) Prädikation Baum (x) ist im Gegenstand der satzmodalen Aussage
(b) Prädikation Baum (x) ist eine Nebenprädikation ( komplexer Satz)
(b) Prädikation Baum (x) ist in ein Wort "inkorporiert" (lexikalisiert)
Es ist zu unterscheiden in die Prädikation als Achse der Proposition (mit einem nuklearen
Prädikat) und der Prädikation als deskriptivem Inhalt einer Konstituente der Proposisiton.
LFG f-Struktur: puella puerum basiat
PRÄD
TEMP
SUBJ
OBJ
'basiare <SUBJ, OBJ>
PRÄS
PRÄD 'puella'
PERS 3
NUM
SG
KAS
NOM
PRÄD
PERS
NUM
KAS
'puer'
3
SG
AKK
28
"funktionale" Grammatiktheorien trennen Ebenen:
semantisch interpretierte Struktur: LFG "f-Struktur"
formale (syntaktische) Struktur heißt in der LFG "c-Struktur" (
eine auch sonst übliche Phrasenstruktur-Analyse.
engl. constituents), es ist
Phrasenstrukturgrammatik
Die c-Struktur ist eine Phrasenstruktur (zum Terminus Phrase, s. die Vorbemerkung), wie sie
schon im Strukturalismus üblich war, soweit dieser seine syntaktischen Kategorien durch das
Vorkommen der Formen (ihre Distribution – daher auch der Terminus "Distributionalismus")
kontollierte. Die entsprechenden Strukturen habe ich schon in V-2 benutzt. Mit den
Beispielen von dort sollen sie hier jetzt nochmals im Zusammenhang entwickelt werden.
Eine Phrasenstrukturgrammatik operiert mit syntaktischen Variablen, die durch das
Ersetzungsschema (durch "Regeln") definiert sind, die jeweils eine Menge von gleich
kategorisierten Ausdrücken repräsentieren. Es handelt sich also um Äquivalenzklassen, wie
oben in V-2 entwickelt. Ich wiederhole ddas Schema von V-2, wobei ich aber jedes Wort
durch seine Wortart etikettiere: Jedes Wort ist hier eine minimale syntaktische Konstituente
der entsprechenden Kategorie.
derART
MannN
singtV
sangV
einART
ErnaN
läuftV
trinktV
EgonN
stricktV
BierN
einenART
PulloverN
Das Schema zeigt an diesen Beispielen, daß einwortige Konstituenten äquivalent zu
mehrwortigen sein können. Außer den Kategorien der einzelnen Worte (= Wortarten) gibt es
also noch umfassendere Kategorien, die hier in den größeren Kästen symbolisiert sind, die im
engl. phrases (dt. Wortgruppen) heißen und die nach ihren Typen unterschieden als XPs
(wobei X den Kopf der jeweiligen XP bezeichnet). Vereinfacht gesprochen sind die Köpfe
einer XP die ihrer Konstitutenten, die auch alleine eine solche XP bilden können, die aber
auch in einer erweiterten XP mit einem Satelliten vorkommen können.
In diesen Beispielen kommen vor:
- als umfasendste Konstituente (= Konstruktion): S (Satz),
- die beiden Makrokonstituenten ( gau unterlegte Felder) eines Satzes:
- die NP (Nominalgruppe),
- und die VP (Verbalgruppe),
- schließlich können innerhlab von diesen Makrokonstituenten noch weitere Konstituenten
vorkommen, insbesondere ist die NP wiederholt möglich, so insbesondere auch als
Binnenkonstituente einer VP.
29
Diese Äquivalenzverhlältnisse, insbesondere die Äquivalenz der umfassenderen Kategorien
mit Konstruktionen aus elementareren Kategorien, wird in Ersetzungsregeln ausgedrückt, die
entpsrechend Alternativen erlauben:
S
NP
VP
NP + VP
ART + SUBST
SUBST
V + NP
V
Die einfachen Konstituenten können mit lexikalischen Ersetzungsregeln definiert werden, hier
nur für die angegebenen Beispielsätze:
ART
{der, ein, einen}
SUBST
{Mann, Erna, Egon, Bier, Pullover}
{singt, sang, läuft, trinkt, strikt}
V
Nun sind diese Konstituteten nicht frei kombinierbar. Offensichtlich gibt es Subklassen, die
Beschränkungen über der Kombinatorik entsprechen:
eine einfache NP, ohne einen Artikel liegt bei Eigenanmen vor (Erna, Egon) und auch
bei generischen Bezeichnungen wie Bier, die anderen Ns (Substantive: Mann,
Pullover) bilden nur mit einem ART eine NP,
eine einfache VP, ohne eine interne NP (ein Objekt) liegt bei intransitiven Verben vor
(singt, sang, läuft), transitive Verben (trinkt, strickt) brauchen eine solche NP.
(von weiteren Beschränkungen, die in einer formalen Darstellungen ebenfalls repräsentiert
werden müssen): Kasusformen (ein vs. einen), Kongruenzmarkierungen (trinkt vs. trinken) u.
dgl. sehe ich an dieser Stelle ab, s. die späteren Vorlesungen.
Mit solchen Regeln wird eine generative Grammatik aufgebaut, bei der die abstrakteste
Kategorie (= die umfassendste Konstituente) als Anfangssymbol fungiert, hier also S. Aus
diesem können durch einen Katarakt von Ersetzungen (entsprechend) den Ersetzungsregeln,
konkrete Satzstrukturen abgeleitet werden. Außer den beiden Ersetzungsregeln für NP und
VP, hatte ich im Text noch eine weitere Ebene bei der NP eingeführt:
NOM
ATTR + SUBST
Eine solche Kette von Ersetzungen heißt eine Ableitung. In diesem Sinne kann z.B. der Satz
Egon strickt einen Pullover abgeleitet werden, wie es schon in V-2 dargestellt war:
30
S
S
→
NP
NP
→
NOM
NOM →
VP
→
NP
→
+
VP
V
+
NP
DET
+
SUBST
NOM →
(lexikalische
Ersetzung)
NOM
SUBST
Egon
strickt
einen
Pullover
Die Ersetzungsregeln sind hier, wie im Text erläutert, strikt binär beschränkt. Die Zerlegung
eines Satzes in Subjekt (d.h. die unmittelbar dem Satz untergeordnete NP: [NP, S]) und
Prädikat(sverband) ist in diesen Phasenstrukturen axiomatisch. Für den mehrfach ambigen
Terminus Prädikat steht hier die rein durch diese Ersetzungsregeln definierteKategorie VP.
Wenn ein VP expandiert ist, weist es ein Objekt auf, hier definiert als eine der VP
untergeordnete NP ([NP, VP]). Da hier die Kategorien Subjekt, Objekt und Prädikatsveband
(VP) direkt an den graphischen Baumdarstellungen abgelesen werden können, spricht man
auch von konfigurationellen Definitionen.
Abhängigkeitsgrammatik
Eine Phrasenstrukturgrammatik zeigt die Konstituenten in ihrem (potentiellen)
Substitutionsverhältniss, nicht aber die syntaktischen Rektionsbeziehungen. Diese waren nun
das, was in der traditionellen Grammatik im Vordergrund stand, die nun umgekehrt ohne ein
Konzept von syntaktischen Variablen operierte.
Eine formale Darstellung, die dem traditionellen Grammatikkonzept entspricht, findet sich in
der Dependenzgrammatik (L. Tesnière [1893-1954] u.a.), in deren Diagrammen (dort meist
Stemmata genannt) die Abhängigkeiten der Formen als graphische Unterordung (auf der
graphischen Achse oben – unten) dargestellt werden.
puella puerum flavum amat "das Mädchen liebt den blonden Jüngling"
amat
puella
puerum
flavum
Dargestellt sind die Abhängigkeiten:
Kasus) vs. Satellit spezifiziert Kopf
Kopf regiert Satelliten (Verb
31
Ein solches Schema ist in gewisser Weise äquivalent zu einer Konstituentenstruktur:
S
NP
VP
puella
V
amat
NP
puerum
Die Äquivalenzen, die oben in den Ersetzungsregeln der Phrasenstrukturgrammatik zum
Ausdruck kamen, werden hier unmittelbar in den Stemmata anschaulich.
Eine Satzstruktur ist mit intransitivem Verb vollständig (gesättigt),
bei transitivem Verb ist eine Ergänzung nötig (ohne sie ist das Prädikat nicht gesättigt)
Komplemente (lat. complere "auffüllen, ergänzen")
puella
puella
currit
puerum amat
"das Mädchen rennt"
"das Mädchen liebt den Jüngling"
So in kategorialgrammatischen Darstellungen (
Unifizierungen):
puella amat puerum (S)
puella (N)
amat puerum (VP) ~ currit
amat (V)
puerum (N)
Syntax =: Netz von differenzierten Beziehungen
Satz =: gerichtetes Netz
Dabei zeigt sich, entgegen der engen Bindung in der Kongreunz von Subjekt und Verbform
im Prädikat, daß der Subjektsausdruck und das Verb keine syntaktische Einheit bilden,
sondern daß das Subjek dem (intern u.U. sehr komplexen) "Prädikatsverband" (~ VP)
gegenübersteht. Für die Syntax bestimmend ist die Äquivalenzbeziehung eines einfachen
(intransitiven) und komplexen Prädikatsausdrucks ("gesättigten" transitiven Prädikats: Verb +
Objekt)
puella puerum amat puer equum suum amat "das Mädchen liebt den Jüngling der Jüngling
liebt sein Pferd"
zwei (parallele) Köpfe mit ihren abhängigen Strukturen
zwei Sätze
amat
puella
amat
puerum
puer
equum
suum
Funktion des (syntaktischen) Prädikats ist ambig ( Janus)
- als Kopf der syntaktischen Struktur ( Rektion der Ergänzungen)
- als "Landeplatz" für satzsemantische Spezifizierungen
32
SM
(
INDIK, PRÄS ...)
ama - t
puella
SATZ
puerum
flavum
(so bei Tesnière: Valenz des Verbs, lexikalisch kodiert
PROPOSITION
Stamm der Verbform im Prädikat)
Ausgangspunkt für Diskussion um die Struktur des Satzes
distributionelle Regularitäten: Äquivalenzklassen (V-2)
(Aussage-)Satz im Dt. (Engl., Russ. ...) zweigliedrig
SATZ ?
√
NEIN
NEIN
Lola rennt
Lola
rennt
traditionelles Verständnis:
Subjekt + Prädikat EXOZENTRISCHE Konstruktion
Satz
gr. exo "außen", Gegensatz endo "innen"
Wortbildung (
Gartentür
Dickkopf
4. Block)
Struktur
endozentrisch
exozentrisch
Kopf
äquivalent zu
Tür ( besondere Art von Tür)
[Person] ( keine besondere Art von Kopf)
In der Tradition von Tesnière:
die finite Markierung am Prädikat ist der funktionale Kopf des Satzes
neuere Entwicklungen in der generativen Grammatik (GB und LFG)
In der jüngeren generativen Grammatiktradition ist mit der Rektionstheorie (daher: GB) viel
von den Einsichten der Dependenzgrammatik aufgenommen worden:
S
NP
Hans
VP*
AUX
hat
Aber es sind äquivalent:
Hans hat Emma geliebt
VP
V
geliebt
NP
Emma
33
Hans liebt Emma
IP*
NP
IP
Hans
INFL
-t
hat ge-..-t
VP
V
lieb-
NP
Emma
Problem so: funktionale Kategorien ohne syntaktischen (
syntaktische Kategorien
Wort-) Status sind in der GB
Der syntaktischen Darstellung in der generativen Gramamtik jüngerer Spielart (GB) liegt das
sogenannte X-quer-Schema zugrunde (engl. x-bar):
X''
X'
SPEZIFIKATOR
X
KOMPLEMENT
Nach diesem Schema wird insbesondere die propostionale ("Satz-") Struktur aufgedröselt, mit
dem finiten Prädikat als Kopf, bei einem periphrastischen Präikat mit dem Auxiliar als
funktionalem Kopf. Diese X-quer Schematisierung liefert zugleich die Grundlage für die
"konfigurationelle" (d.h. durch die Geometrie der Darstellung motivierte) Definition der
beiden propositonalen Grundkategorien: Subjekt und Objekt, die hier relational verstanden
werden, definiert durch unterschiedliche syntaktische Dominanzverhältnisse.
Zugrunde liegt eine Zerlegung der "Argumentstruktur"
lieben (Hans, Emma)
in eine interne Struktur (VP), mit Emma als dem "internen Argument", definiert als
Komplement von V (d.h. dem Objekt), sowie einer externen Struktur (IP) mit Hans als dem
"externen Argument" (also dem Subjekt). In der generativistisch üblichen Notationsweise
steht dafür auch
Objekt [NP, VP]
Subjekt [NP, S]
S ~ IP' (I'')
SPEZIFIKATOR
"externes Argument"
( Subjekt)
V~I
Hans liebt Emma / Hans hat Emma geliebt
VP ~ IP (I')
KOMPLEMENT
"innere Argumente"
34
IP*
NP
IP
Hans
INFL
-t
hat ge-..-t
VP
V
lieb-
NP
Emma
Davon unterscheidet sich nun die mehrebige Analyse in der LFG, die insbesondere auch die
Grundkategorien Subjekt und Objekt als nicht weiter analysierbare Terme der f-Struktur
ansetzt.
In der LFG wird die syntaktische c-Struktur (Konstituentenstruktur) in Prinzip nicht anders
als in den anderen generativistischen Spielarten auch entwickelt, ggf. mit der Annotation von
Rektionsverhältnissen (Auszeichnung des Kopfes einer Konstruktion):
S
↑=↓
VP
NP
↑=↓
V
liebt
Hans
(= IP)
NP
Emma
↑=↓ "was oben steht, hat seine syntaktischen Eigenschaften von dem, was unten steht" ist die
in der LFG übliche Auszeichnung eines Kopfes
S
↑=↓
IP
NP
Hans
↑=↓
AUX
hat
VP
↑=↓
V
geliebt
jede (komplexe) Konstituente wird durch eine Bindung von ihrem Kopf
zusammengehalten
Präferenz für binäre Strukturen: maximal strukturiert
"flache Strukturen" nur, wo hierarchische Gliederung nicht begründbar
NP
Emma
35
Für die funktionalistichen Ansätzen, hier insbesondere die LFG, ist konstitutiv, daß sie die
grammatische Analyse auf verschiedenen, grundsätzlich unabhängigen Ebenen durchführen,
die jeweils die infrage stehende Struktur vollständig repräsentieren. Bei der LFG werden so
insbesondere die Konstituentenstruktur strikt von ihrer semantischen Intepretation getrennt
("s-Struktur" mit der "f-Struktur" als ihrer Grundlage).
Die orthodoxe generative Grammatik (insbesondere die GB) syntaktisieren demgegenüber
alle Strukturen auf einer einheitlichen Ebene (die eine lineare Ableitung repräsentiert). Die
Konsequenz davon ist, daß diese syntaktischen Strukturen immer tiefer gestaffelt werden
müssen, um Konstruktionsambiguitäten aufzulösen. Die maximal explizite Paraphrase dient
dabei gewissermaßen als heuristisches Modell für die "tiefenstrukturelle" Normalform, so wie
oben bei der Form des finiten Prädikats schon die periphrastische Konstruktion mit einem
Auxiliar als Modell diente. Dabei wird die Staffelung formal durch eine zyklische
Wiederholung des X-quer-Schemas erreicht. Zwangsläufig können dabei nicht alle Knoten
aller Strukturen jeweils lexikalischen Elementen (bzw. überhaupt Wortformen) entsprechen;
vielmehr haben sie in Hinblick auf ihre "Ausbuchstabierung" meist nur ein ∅-Äquivalent. Die
lexikalischen Konstanten der Interpreation werden zunächst an der Basis einer solchen
Struktur eingebettet. Das ergibt dann partiale Strukturen der folgenden Art (mit Variablen für
die Kategorien, beim Komplement jeweils B, beim Spezifikator A).
X''
A
∅
X'
X
∅
B
X''
A
∅
X'
X
B
Für die Ableitung gilt aber umgekehrt, daß die "höheren" Strukturen dominant sind, die
insofern nicht "leer" bleiben können, wenn die so aufgebaute Struktur denn interpretiert
werden soll. "Gefüllt" werden diese dadurch, daß die weiter "unten" angesiedelten Konstanten
angezogen werden, also nach "oben" bewegt werden, wobei sie eine (strukturell durch diese
Bewegung in der entsprechenden Konfiguration kontrollierte) Spur hinterlassen (meist mit e
markiert):
X''
A
∅
X'
X
∅
B
X''
A>e
X'
X
B>e
36
Das führt zu eine ganzen Batterie solcher Bewegungen, was hier nicht vorgeführt werden soll
(s. dazu Borsley, Haegeman u.a.). Dazu gehört auch, daß inzwischen so etwas wie eine
Modellierung der Satzmodalität im oben entwickelten Sinne geschieht, hier allerdings in einer
strikten Syntaktisierung als einer "tieferen" Konstituentenstruktur. Dazu wird eine dem Satz
(~ Proposition, hier S bzw. IP) übergeordnete Kategorie CP eingeführt, die die satzmodalen
Bestimmungen durch ihren Kopf spezifiziert.
CP
C (OMP)
S (ATZ)
C(OMP) hat seine Bezeichnung von dem her, was auch in der sprachphilosophischen
Tradition immer schon als der markierte syntaktische Fall angesehen wurde: ein abhängiger
Satz (bzw. Proposition), also ein "Komplement-Satz" (s. Block III). Bei der syndetischen
Subordination (zum Terminus: s. V-19) ist ist C auch offen artikuliert: durch einen
Subordinator (engl. complementizer) wie bei daß Hans Emma liebt (vgl. Paul glaubt, daß
Hans Emma liebt). In dieser Tradition, die auch die der Schulgrammatik ist, wird der
Aussagesatz als der unmarkierte Fall angesehen – als der Defaultfall, der keine offene
Markierung erhält wie in: Hans liebt Emma. Benötigt wird die CP-Struktur allerdings nicht
nur bei der Subjunktion, sondern auch bei den markierten Fällen von selbstständigen Sätzen,
wie Frage- und Aufforderungssätze, deren offene Markierungen (sog. W-Wörter bei Fragen)
und insbesondere die Wortstellung auf diese Weise abgeleitet werden (s. V-12).
Um eine Idee von den so aufgespannten Strukturen zu geben, soll ein Beispiel skizziert
werden: Der Satz Hans liebt Emma erhält seine Struktur in dem oben angeführten Schema
auf die folgende Weise:
CP
SPEZ
∅
C'
COMP
∅
IP
NP
Hans
I'
INFL
-t
VP
V'
V
lieb>e
NP
Emma
Komplexere Strukturen haben weitere Staffelungen (z.B. einen Spezifikator bei der VP); sie
belegen u.U. auch die Konstitueten einer CP, z.B. bei Fragesätzen wie Wer liebt Emma ? , bei
denen das externe Argument (die NP unter IP) leer bleibt, u.dgl. S. dazu weiter in Block III
bei den komplexen Satzkonstruktionen.
37
V-7 Prädikat und Argumentstruktur (Szenario / Aktanten / semantische
Rollen)
Ausgangspunkt:
Sprachlicher Ausdruck
FORM
INHALT
(semantische) Interpretation ambig:
"Inhalt"
± gebunden durch die sprachliche Form:
freie Interpretation: konzeptuelle Struktur
Abgrenzung sprachlicher ( sprachwissenschaftlicher) Analyse
vs. konzeptueller ( logischer) Analyse
Rhetorik: Quintillian inventio
konzeptuelle Struktur
Was ? Wer? Wieviel? Wo? Wann? ....
Schulgrammatik: TextSatzstrukturierung durch solche sinnstrukturierenden
Fragen
Logische Analyse der Alltagssprache, seit
H.Reichenbach (1891-1953), Elements of symbolic logic, 1947
Asmundsen flog im Mai 1926 zum Nordpol
38
SACHVERHALT
logische Analyse: PropositionL
(∃v) [f (x1)]* (v, y1, t1)
f: fliegen {Prädikat / Argument}
x1, y1, t1 {individualisierte
Variablen}
x1 : Asmundsen
y1 : Nordpol
t1 : Mai 1929
v : existenziell (∃v) gebundene
Variable ("Ereignisvariable")
INSZENIERUNG:
Szenario
Paraphrasen:
• Asmundsen flog im Mai 1926 zum Nordpol
• Im Mai 1926 flog Asmundsen zum Nordpol
• Asmundsen Flug zum Nordpol fand im Mai
1929 statt
• Der Nordpol wurde im Mai 1929 von
Asmundsen angeflogen
• .....
grammatische Analyse:
PropositionG
KERN
PERIPHERIE
Verb
(Kernprädikat)
[[Im Mai 1926 ]PERIPHERIE [flog Asmundsen zum Nordpol]KERN ]PROP = SATZ
Szenario des Verbs fliegen:
Flieger (Agens) & Bewegungspfad (Lage, Ziel) im Raum
Peripherie (hier): zeitliche Situierung der Proposition
Szenario: Theater-Metapher
Tesnière actants ("Aktanten" : "Mitspieler")
"Aktanten" durch Semantik des Verbs gebunden
Mehrstufige Rekonstruktion des Baus einer PropositionG
Formales syntaktisches Muster: Prädikat mit seinen Ergänzungen
LFG u.a. Argumentstruktur
Tesnière: Bindung der Ergänzungen durch die Valenz des Verbs
vs. Interpretation dieses Musters durch die Semantik des Verbs (
"Szenario")
39
GRAMMATIK1
(Valenz)
Prädikat (Erg1 + Erg2 + Erg3)
LEXIKON
Verb: geben
GRAMMATIK1
(Szenario: Rollen)
Rollen HA: [Geb]er
NA1 : Ge[geben]es
NA2 : Be[geben]er (Empfänger)
Szenario-Strukturen durch die Semantik des Verbs definiert:
Schematisierung der Rollen I
Abbildung auf Makrorollen (Agens, Patiens ...): "Tiefenkasus", "thematische" Rollen
Schematisierung der Rollen II
Rangfolge im Szenario:
Kontrolle über Geschehen: MAX
Hauptaktant HA (sonst: Nebenaktant NAi)
Gegenpol: engste Bindung an Prädikat
NA1
Verb
regnen
laufen
schlagen
schenken
Valenz
0
1
2
3
Beispiel
es regnet
Hans läuft
Hans schlägt den Hund
Hans schenkt Emma ein Buch
NB zu Valenz 0:
regnen: es gibt keinen Regner
Hier gibt es nun begrifflich-terminologisch unterschiedliche Optionen, insbes. so auch in der
Typologiediskussion (VORSICHT: Z:B. bei Whaley andere Begrifflichkeit von Valenz)
In dieser Vorlesung benutze ich Valenz als rein formalen Begriff für syntaktische Realtionen,
korrespondierend mit Begriffen wie (in-)transitiv.
Einge Beispiele, um die argumentativen Ebenen klarer zu trennen:
er
wohnt
in Osnabrück
SUBJ
(präpos.) Adjunkt
+
+
valenzgefordert ( Valenz: 2)
+
grammatische Funktion (nur SUBJ)
kein Objekt: intransitives Verb
er
SUBJ
+
ißt
(Kuchen)
OBJ
+
valenzgefordert aber OBJ ist fakultativ (
Valenz: 2/1),
40
+
+
grammatische Funktion (SUBJ, OBJ)
Objekt: transitives Verb, das intansitiv
benutzt werden kann
Intransitiv nutzbare transitive Verben sind von intransitiven zu unterscheiden, die keine
Objektsergänzung nehmen können (*LAUFEN (X; Y)). Das Objekt bei transitiven Verben
kann durch die Szenariovorgaben des Verbs mehr oder weniger semantisch restringiert sein –
und dadurch auch elliptisch eingespart werden (wie beim intransitiven Gebrauch).
es
SUBJ
-
regnet
in Osnabrück
(präpos.) Adjunkt
-
+
-
keine valenzgeforderte Ergänzung
( Valenz: 0)
epenthetisches Subjekts"dummy"
atransitives Verb
Auf diese Weise kann auch das in den Gramamtikdarstellungen oft mystifizierende Problem
der Reflexivität geklärt werden. Diese gehört in den Bereich der referenziellen Interpretation
von Argumenten. Dort faßt sie die Grammatisierung von Referenzidentität, die auch als
Kontrolle eines Arumentausdrucks durch einen anderen zu verstehen ist, wobei hier
sprachidiosynkratische Beschränkungen gegeben sind. Dazu gehört die Bindung an die
syntaktische Hierarchie, wobei z.B. das Subjekt die Referenz von Objektausdrücken
kontrollieren kann, nicht aber umgekehrt, vgl.
SUBJ
OBJ
Hans
wäscht
sich
*sich
wäscht
Hans
Voraussetzung für Reflexivität ist insofern eine referenzielle Interpretation des
entsprechenden Ausdrucks:
Hans wäscht sich ~ Hans wäscht sein Auto
Wo das nicht gegeben ist, liegt keine Referenzialität vor – obwohl für diese Fälle bei der
entsprechenden formalen Markierung die Grammatiken (etwa in der deutschen
Schulgrammatik) gerade von "reflexiven Verben" sprechen
Hans freut sich ~ *Hans freut seine Verlobte
"Reflexiv" ist hier nur die pronominale Form (wenn sie denn so etikettiert wird). In solchen
Fällen steht ein reflexives Pronomen als dummy :
er
SUBJ
+
+
freut
sich
OBJ
+
valenzgefordert aber OBJ ist fakultativ (
Valenz: 2/1),
epenthetisches Objekts"dummy"
intransitives Verb
In diesem Sinne sollten wohl auch Valenzabstufung behandelt werden, die formal einen
"expletiven" Objektsausdruck verlangen (also ein Reflexivpronomen):
41
er
SUBJ
+
verschluckt
sich
OBJ
+
+
valenzgefordert aber OBJ ist fakultativ (
Valenz: 2/1),
epenthetisches Objekts"dummy"
intransitives Verb
Die Konstruktion ist nur scheinbar einer transitiven Konstruktion ähnlich wie in:
er verschluckt eine Gräte
NB: Solche Konstruktionen sind vor allem in den slavischen und romanischen Sprachen
regulär, wo sie auch als Augmentierungen von intransitiven Verben üblich sind:
russ. zvo'nit' bedeutet "(an der Tür ...) klingeln", kann aber auch (mehr oder weniger
gleichbedeutend) mit dem "reflexiven" Affix –sja benutzt werden: zvo'nit'sja.
Formal unterscheidet sich eine solche Bildung nicht von einer reflexiven Bindung: brit'
"rasieren" – transitiv, also "jemanden rasieren", brit'sja "sich selbst rasieren". In dieser Form
werden auch die intransitiven Verben markiert, bei denen die Grundform transitiv ist, also
varit' transitiv: "(etwas) kochen", varit'sja intransitiv: "kochen".
Szenario
Hans schläft
Emma träumt
Hans tanzt
Hans tanzt mit Emma
Hans trinkt Bier
Schlafen
Träumen
Tanzen I
Tanzen II
Trinken
Emma flirtet mit Hans
Hans verprügelt den Dackel
Flirten
Prügeln
Emma schreibt einen Brief
Schreiben
Hans schenkt Emma einen Kaktus
Schenken
Abbildung der Rollen auf das syntaktische Muster (
LFG: lexical mapping theory
Aktanten / „Rollen“
vs. Makrorollen (Agens ...)
NB: Generische Form !
Schläfer (*Agens)
Träumer (*Agens)
Tänzer (Agens)
Tänzer (Agens) + Begleiter
Trinker (Agens) + Getrunkenes
(Gegenstand)
Flirter (Agens) + Beflirteter
Prügler (Agens) + Geprügelter
(Patiens)
Schreiber (Agens) +
Geschriebenes (Gegenstand)
Schenker (Agens) + Geschenktes
(Gegenstand) + Beschenkter
(Adressat)
Valenz)
1) Semantische Hierarchie der Rollen:
kulturelle Salienz: Grad der Kontrolle, Belebtheit ....
Agens >> Patiens / Adressat >> Gegenstand (engl. theme) >> Pfad / Ort ...
2) Syntaktische Filter:
syntaktische Relationen / Funktionen
Subjekt / direktes Objekt / indirektes Objekt / präpositionales Objekt / Adverbial
Subjekt (NP) + Prädikat (VP)
Satzfilter im Dt.: Satz
Folge davon: es muß ein Subjekt geben:
42
es regnet: Valenz 0, keine semantische Rolle im Sznario ...
expletives es (< lat. ex-plere "auffüllen")
"Expletive" Subjekte wie bei es regnet erfüllen eine rein formale, semantisch nicht
interpretierte Funktion. Das unterscheidet sie von expletiven Dummy-Füllungen des verbalen
Vorfelds, vgl.
es
wird getanzt
hier
wird getanzt (~ es wird hier getanzt)
heute wird getanzt (~ es wird heute getanzt)
In die Reihe der Komplikationen gehören hier auch einwertige Verben, deren obligatorische
Ergänzung keine kanonische Subjektsform hat (und auch auch nicht mit der Verbform
kongruiert):
mir ist kalt
ihnen wird geholfen
Defaultfall: das höchstrangigste Argument ist das Subjekt:
Szenario: °Trinken° Der Mann trinkt (ein) Bier
Mann
[belebt, bewußtes Handeln]
V-er im Szenario
Bier
[unbelebt]
Ge-V-tes im Szenario
Szenario: °Schwemmen° Das Bier schwemmte den Mann weg
z.B. Unfall in Bierbrauerei: Kessel geplatzt : ..... Mann starb
Markierter Fall: der belebte Aktant hatte keine Kontrolle über das Geschehen
Zur formalen Artikulation:
Differenzierung der Ergänzungen ("Satzglieder") durch Kasusformen
Rektion durch das Prädikat ("Verb" in der Schulgrammatik)
adverbale Kasus
Subjekt
indirektes Objekt
direktes Objekt
Adverbial
praefect-us
soci-o
pabul-um
pont-ibus
Präfekt-NOM Genosse-DAT
Verpflegung-AKK
Brücke-ABL.P
"der Präfekt schickte dem Bundesgenossen Verpflegung über die Brücken"
mittebat
schickte
Ohne morphologische Mittel:
syntaktische Ressourcen: Adpositionen, Wortstellung (> Englisch!)
grammatische Kasus ohne semantische Festlegung
im Gegensatz zu semantischen ("adverbialen") Kasus
10. Vlsg.
adverbale Kasus artikulieren nur eine syntaktiche Relation, z.B. eine Komplementstruktur,
deren Kopf das Prädikat (das Verb) ist. Hier können im Deutschen auch präpositional
markierte Ergänzungen ("Präpositionalobjekte") auftreten:
Hans dankt
seiner Verlobten
"Dativobjekt"
hans sieht
seine Velobte
"Akkusativobjekt"
Hans denkt
an seine Verlobte
Präpositionalobjekt
Das ist zu unterscheiden von Konstruktionen, in denen eine Präposition als Kopf fungiert
(mit einer NP als ihrem Objekt): Hier kontrastieren verschiedene Präpositionen (die ihre
43
Bedeutung als "Prädiakte" haben), und die jeweils einen vom Verb unabhängigen Kasus
regieren.
Der Apfel hängt
lokale Ergänzung (valenzgefordert)
präpositionaler Kopf
Objekt der Präposition
an
dem Ast
auf
dem Baum
vor
der Tür
in
dem Schrank
Dieser formale Unterschied deckt sich also nicht mit dem für die Intepretation grundlegenden
in Kern und Peripherie einer Proposition:
PERIPHERIE
nukleares
Prädikat
Argumente des Prädikats
(grammatisch direkte und oblique)
KERN
Adjunkte
Oblique Konstituenten können sowohl im Kern (valenzgebunden) wie als freie Ergänzungen
(in der Peripherie) auftreten.
Valenz- und Szenarioänderungen, wobei die Reduktionen mit dem oben zu elliptischem
Gebrauch Gesagten zusammen zu nehmen sind.
Valenzreduktion:
3 > 2 Der Vater schenkt der Mutter Blumen (Subjekt: [Schenk]er)
Der Vater schenkt Blumen
(Subjekt: [Schenk]er)
Der Vater beschenkt die Mutter
(Subjekt: [Schenk]er)
2 > 1 Der Vater kocht die Suppe (Subjekt: [Koch]er)
Der Vater kocht
(Subjekt: [Koch]er)
Die Suppe kocht
(Subjekt: Ge[kocht]es)
Diathesen überschreiben die Defaultzuordnung:
PASSIV: Die Suppe wird vom Vater gekocht
Herbstufung des prominentesten Aktanten: Vlsg. 8
APPLIKATIV: Heraufstufung eines peripheren Arguments
Der Bauer lädt Mist [auf den Wagen]PERIPHER: Pfad
Der Bauer belädt den Wagen [mit Mist]PERIPHER: Umstand
Applikative operieren also über der gesamten Struktur der Proposition und justieren das
Verhältnis von Kern zu Peripherie.
KAUSATIVE:
Das Baby saugt an der Flasche
Die Mutter säugt das Baby mit der Flasche
( Die Mutter läßt das Baby an der Flasche saugen )
44
Typologische Besonderheiten:
"flachere" Struktur, wenn Syntax direkt semantisch artikuliert wird (durch semantische Rollen
/ "Tiefenkasus")
Acehnesisch
Kasussysteme in V. 10
Anders bei einem Bau mit einem festen grammatischen Raster, das keine direkte semantiche
Intepretation erfährt (s. weiter in V-24 zu den LFG-Attributen restriktiv und objektartig)
Eine Kategorie wie Subjekt ist Exponent einer solchen grammatischen Struktur, die auf
verscheidenen gramatischen Ebenen zu interpretieren ist: wobei die Zuordnung zu einer
Argumentfunktion (verbunden mit einer thematischen Rolle) von einer Diskursfunktion (z.B.
Topik in der Informationsstruktur) zu unterscheiden ist.
Solche Zuordnungen (die Auswahl eines Arguments als Subjekt) können unabhängig variiert
werden. Hier gibt es Unterscheide in den verschiedenen Grammatiktheorien: für die
gernerativistische Tradition (und in dieser auch für die LFG) ist Subjekt ein definierender
Grundbegriff, der zum axiomatisch gesetzten Satzbegriff gehört (s. V-6). Andere Ansätze
operieren mit einem engeren Subjektsbegriff , der eine solche Wahlmöglichkeit unter den
Argumenten zur Voraussetzung hat (so z.B. in der RRG). Deren Vorliegen ist dann die
notwendige Vorassetzung dafür, um in einer Sprache eine solche Kategorie Sprache
anzusetzen ( nicht alle Sprachen haben in diesem Sinne eine Kategorie Subjekt). Darauf
komme ich wiederholt zurück.
Diathese ~ Subjekt weiter in V-8
45
V- 8 Grammatische Relationen: Subjekt, Objekt u.a.
Analyse der Proposition
Konfusion ohne Trennung der analytischen Ebenen:
• Semantik: Szenario der Proposition ( semantische Rollen)
• syntaktische Form:
- Wörter und ihre Gruppierung in Konstituenten (hierarchische Struktur)
- Wörter und ihre sequenzielle Abfolge
• morphologische Form ( Kasus ...)
• syntaktische Funktionen (Subjekt ...)
traditionelle Schulgrammatik:
trennt logische und grammatische Analyse
suppositum est illud de quo loquimur, et dicitur in dialectica subiectum
"Suppositum ist das, wovon wir (in der Grammatik) handeln, in der Dialektik wird es Subjekt
genannt" Catholicon, 1286
(Maas, Die humanistische Grammatik … , in: S.Kanngießer / H. Langer (Hgg.), Theorie des
Artikulators. FS W. Thümmel, Osnabrück: Rasch 2002: 95 – 117)
suppositum (< sub – positum "das darunter [= davor] Gestellte) in der syntaktischen Form:
Anfangsstellung
#
VERB (finit)
#
sup-positum
ad-positum
Informationsstruktur
THEMA
RHEMA
pimäre grammatische Analyse aber:
Verb + Rektion: Kasus ...
Informationsstruktur in Schulgrammatik:
SATZGEGENSTAND
SATZAUSSAGE
SATZGEGENSTAND / THEMA = Subjekt ?
Was war gestern
los? –
Gestern war ich hundemüde.
THEMA (engl. topic)
Unabhängigkeit der Analyseebenen: Keine Reduktion aller Strukturen auf eine Ebene
Ausgangspunkt der Analyse:
konzeptuelle Struktur: Sachverhalt
Inszenierung
Proposition
46
Der Zauberer zieht ein Kaninchen aus dem Hut
Das Kaninchen wird (von dem Zauberer)FAKULATIV aus dem Hut gezogen
Aus dem Hut zieht der Zauberer ein Kaninchen ...
Inszenierung: Verb mit "Argumentstruktur" (Kern der Proposition)
Abbildung auf die formale syntaktische Struktur
ziehen: {Zieher (Agens), Gezogenes (Patiens), Zieh-Pfad}
Inventar der typisierten Rollen:
Kontrolle über Geschehen)
Agens – Patiens (Handlungsszenario
verallgemeinert: Ursache – Patiens im Vorgangsszenario)
Psych (lat. experiens – engl. experiencer) – Reiz (seelische Vorgänge!)
Psych: Hans haßt Emma. Hans schläft
Agens / Ursache – Pfad (Bewegungen: Ausgang / Ziel / Lage ...)
Spezifizierung des Prädikats: Gegenstand (entl. theme)
u.a.
Verfeinerung der Rollen: "arbeitsteilige" Differenzierung in einem Szenario:
Hans trägt das Kaninchen auf einem Brett aus der Küche ins Wohnzimmer
Wechsel der Inszenierung: Hans gähnt
Hans gähnt demonstrativ (Patiens > Agens)
generativistische Tradition: Subkategorisierung
1. Valenz (quantitativ)
2. (Makro-)Rollen: Differenzierung der "Argumente"
3. Zuordnung der Argumente zu syntaktischen Funktionen
LFG-Notation: nukleares Prädikat der Proposition ("Satz")
aufgeführt (1) + (3) – (2) bleibt lexikonintern
Der Zauberer zieht ein Kaninchen aus dem Hut
PRÄDIKATS [PRÄD 'ziehen <SUBJ, OBJ, OBL>]
* zieht ein Kaninchen aus dem Hut
* Der Zauberer zieht aus dem Hut
* Der Zauberer zieht ein Kaninchen
Das Kaninchen wird (von dem Zauberer)FAKULATIV aus dem Hut gezogen
PRÄDIKATS [PRÄD 'gezogen.werden <SUBJ, OBL>]
* Das Kaninchen wird gezogen
* Aus dem Hut wird gezogen
von dem Zauberer ist eine fakultative Ergänzung zum Kern
Adjunkt (V-9)
47
PRÄDIKAT
SUBJ
OBL
ADJ
[PRÄD
[
[
PRÄD
OBJ
'gezogen.werden <SUBJ, OBL>]
]
]
'von <OBJ>
PRÄD 'Zauberer'
DEF +
Keine Passivtransformation:
sondern im Lexikon Zuordnung von 'ziehen' ~ 'gezogen.werden'
semantische Rollen im Szenario von
ziehen : {Zieher (Agens), Gezogenes (Patiens), Zieh-Pfad}
gezogen.werden: { Gezogenes (Patiens), Zieh-Pfad}
Kontroll-/Belebtheitshierarchie: Patiens >> Pfad
Patiens: SUBJ
Elegante, vor allem effiziente Lösung: LFG wird implementiert
Unterschied zu Ansätzen, die Sprachbaudifferenzen zwischen Sprachen fokussieren, z.B. Role
and Reference Grammar (RRG: Foley, van Valin u.a.)
Bei LFG axiomatisch:
• jede Proposition hat ein Subjekt
• Definition eines Auswahlverfahrens unter den Argumenten:
("thematische Rollen" θ - maximal prominente Rolle ~ Subjekt: θ^)
Subjekt in Funktion der Inszenierung: Diathese
Topikalisierung (Thema-Artikulation)
russ. kol'dun1 'vytašit2 'krolik3 iz4 'šljapy5(1: Zauberer, 2: zieht, 3: Kaninchen,
4: aus, 5: Hut)
3
2
1 4
5
'krolik 'vytašit kol'dun iz 'šljapy
dt. das Kaninchen zieht der Zauberer aus dem Hut
ABER engl. SVO (Wortstellung ist fest: grammatikalisiert)
the magician pulls the rabbit out of the hat
the rabbit is pulled out of the hat (by the magician)
FOLGE:
im Englischen ist Passiv nötig – häufig
im Deutschen nicht nötig – selten
im Russischen nicht nötig – gesprochen eher ungebräuchlich
RRG: Subjekt nur, wo als Funktion einer Diathese-Funktion als grammatische Option
wählbar
× grammatische Ausdrucksform:
im Dt., Russ., Engl. ... Kongruenz mit finiter Form des Prädikats
Sprachtypologie: Sprachen ohne Diathese
ggf. wohl: Topik ( Chinesisch / Mandarin)
kein Subjekt (Acehnesisch ...)
LFG-Annahme hat Konsequenzen
generativistische Tradition
SATZ (= Proposition) im X-quer-Schema analysiert (s. V-4 und V-6)
48
X''
SPEZIFIKATOR
X'
X
V ~ I, VP ~ IP (I'), S ~ IP' (I'')
SPEZIFIKATOR
"externes Argument"
( Subjekt)
KOMPLEMENT
S ~ IP' (I'')
VP ~ IP (I')
V~I
KOMPLEMENT
"innere Argumente"
So definitionsgemäß Strukturen aufgebaut:
regnen:
7. Vlsg. Valenz 0 – da kein "Argument" im Szenario – keine Ergänzung, die als NG
artikulierbar ist (sie kann kein "PRÄD" aufweisen)
Das expletive Pronomen ist im Dt. aber obligatorisch, vgl.
heute regnet es
≠ dymmy im Vorfeld
es kommen drei Weise aus dem Morgenland
* drei Weise aus dem Morgenland kommen es
ERGO es ist Subjekt in es regnet
( V-4 gerade auch in typologischen Arbeiten, z.B. Whaley, oft anders: dort auch expletive
Subjekte in der Valenz registriert [Valenz = 1] – das sind Definitionsfragen)
Differenz zu Formen wie er läuft muß repräsentiert werden:
PRÄD
SUBJ
'laufen <SUBJ>'
PRÄD 'PRO'
PERS 3
GEN MASK
NUM SG
PRÄD
SUBJ
'regnen (SUBJ)'
FORM es
es regnet
(SUBJ) ist nicht im Subkategorisierungs- (=Valenz-) Rahmen < >
Pro-drop-Problem: lat. currit, pluit
pronominale Artikulation des Subjekts blockiert
(Pronomen im Prädikat inkorporiert)
PRÄD
SUBJ
'currere <SUBJ>'
PERS 3
NUM SG
[
]
49
Noch problematischer: mir ist kalt, mich friert ...
S ~ IP' (I'')
NP : mich
Subjekt ?
VP ~ IP (I')
V ~ I : friert
frieren: Valenz 1: Frierer ~ PSYCH
SUBJ
ABER: keine Kongruenz !
vgl. Koordinatenreduktion:
ich laufe und (ich
∅) höre Musik
mich friert und ich *( ∅) decke mich zu
ANDERS: ISLÄNDISCH u.a.
Komplementäre grammatische Funktionen zu Subjekt (im Valenzrahmen!):
Objekt, ggf. OBJ1 (~ OBJ) und OBJ2:
Abbildung aus Argumentstruktur: Rollen im Szenario:
OBJ1
MAX Nähe zum Prädikat (~ Distanz zu SUBJ !)
Hans (SUBJ) schenkt Emma (OBJ2) einen Blumenstrauß (OBJ1)
im Passiv daher Gegenstand
Subjekt, nicht Adressat (obwohl belebt!)
die Blumen werden Emma geschenkt
*Emma wird die Blumen geschenkt (Sub-Standard)
ABER engl. John was given the book
Weitere Argumente oblique: im Dt. i.d.R. mit Präposition markiert
Der Zauberer zieht ein Kaninchen aus dem Hut
PRÄD
TEMPUS
PRÄD 'ziehen <SUBJ, OBJ, OBL>'
Präsens
SUBJ
PRÄD 'Zauberer'
NUM SG
DEF +
OBJ
PRÄD 'Kaninchen'
NUM SG
DEF -
OBL
PRÄD 'aus <OBJ>'
OBJ PRÄD 'Hut'
NUM SG
DEF +
50
die Darstellung des OBL ist hier nicht ganz LFG-orthodox; sie soll nur der Verdeutlichung
dienen; genauer dazu V-9
Ergänzungen im Valenzrahmen oft semantisch gebunden:
Wohnort (*Richtung ...)
wohnen
LFG: thematisch gebunden (θ)
PRÄD 'wohnen <SUBJ, OBLθ>' oder PRÄD 'wohnen <SUBJ, OBLLOK>'
Semantische Bindungen:
trinken
OBJ [flüssig], essen
OBJ [fest],
essen SUBJ [Mensch], fressen
SUBJ [Tier] ...
dadurch "elliptische" Propositionen:
Emma ißt den Kuchen ~ Emma ißt (≠ Emma singt !)
PRÄD 'essen <SUBJ, (OBJ)>'
kein intransitives Verb wie singen (aber: Definition!)
Prodrop er ißt (ihn
∅)
Solche semantischen Bindungen zeigen sich in syntaktische Differenzen bei in anderer
Hinsicht synonymen Ausdrücken. So sind essen und verschlingen vom Szenario her
weitgehend synonym, allerdings lexisiert verschlingen (s. V-23) weitere Spezifizierungen des
PFADes (~ gierig, hastig essen ...). Bei solchen spezifischeren Lexisierungen ist meist ein
elliptischer (intransitiver) Gebrach nicht möglich:
Emma ißt ABER *Emma verschlingt
51
V- 9 Peripherie der Proposition: Adverbiale (Adverbien ...) / Adjunkte
1.
2.
3.
4.
Terminologie (Fachgeschichte)
Syntaktische Analyse
Formale Repräsentation (LFG)
Problemfälle: Satz- vs. VP-Adverbiale; (Verb-) Partikel
1. Terminologie (Fachgeschichte)
Terminologische Ambiguitität:
Satzglieder (Konstituenten ...)
Satz- (Proposition-) Analyse
vs. Lexikon
Wortarten
Griechische Tradition: Philosophie / Logik (Aristoteles, Stoa)
Logische Analyse (Proposition)
Informationsstruktur
vs. grammatische Analyse: Wortformen
Flexion
Dionysios Thrax (- 1. Jhd.)
SATZGEGENSTAND
SATZAUSSAGE
casus rectus
gr. onoma, lat. nomen
ohne casus ( Verbalflexion: gr. rheema, lat. verbum
Aktiv / Passiv, Tempus ...)
Ambige Terminologie:
Onoma / Nomen "Name"
"Nennwort"
Nominativ
"Nennfall"
nicht nur syntaktisch als Subjekt: Zitierform, Vokativ, Prädikativ (Hans ist ein Idiot ....)
Griech. / Latein: Zerlegung der Wortformen nach Flexionsmöglichkeiten:
Substantive (Eigennamen, Appellative ...)
Flexion
+ Kasus
Nomen
Adjektive (< gr. epi-theton "das Dazugesetzte")
- Kasus
Verbum
invariant
Partikel ("Kleinwörter"): Präpositionen, Konjunktionen ...
grammatisch: Nomina = Klasse aller durch Kasus flektierbaren Formen, nicht nur in der
syntaktischen Funktion des Subjekts – auch als Komplemente im Prädikatsausdruck
Rhema: Prädikat vs. Wort in Funktion des Prädikats: Verb
lat. verbum: Wort & grammat.: Verb "Aussagewort"
vgl. auch univerbieren ...(achtstündiger Tag > Achtstundentag ...)
Im Prädikatsausdruck noch weitere Elemente (nicht nur Komplemente: Objekte)
griech. epi-rreema "das Dazu-Gesagte", lat. adverbium
Herkunft der Terminologie: Theatermetaphorik
gr. Epirreema: die "Nachbemerkung", der Kommentar in der Komödie ..
Überlagerung mit der morphologieorientierten Klassifikation:
Epirreema / Adverbien haben keine Kausmarkierung & sind keine Verben
eigene Wortart
auch wenn formal markiert: gr. autothi "ebenda", lat. citoo "schnell" – aber keine produktiv
nutzbare Markierung (> Flexion)
52
So als Wortart im Deutschen: bald, oben ... nicht ....
verallgemeinert auch über Modifikation des Prädikats hinaus: sehr ...
Problem: adverbial nutzbar auch Wörter anderer Wortarten, insbes. Adjektive (∈ Nomina
keine Adverbien!):
das schnelle Auto, ein schneller Wagen ... vs. er fährt schnell_
Im Dt. ∅-Markierung, aber
gr. –oos: sopho-s "klug" (N.S.M.) – adv. sopho-os
lat. –iter: audak-s "kühn (N.S.M/F.) – adv. audak-(i)ter
engl. –ly: loud (attributiv) – adv. loudly
Synkretismen: alt-ie.: Verwendung von Neutrumsformen
lat. im Komparativ: audak-ior (M./F.) – audak-ius (N) & adverbial
russ. krasyv-o "schön" (N) & adverbial vs. krasyv (krasyv-yj, M), krasyv-a (krasyv-aja, F)
Daher trennen:
Adverbiale: syntaktische Konstituente vs. Adverbien: Wortart (
eine syntaktische Konstitutente)
Wortbildung: Basis vs. morphologische Modifikation
ATTRIBUT
ADVERBIAL
schnell-er / -e / -es ...
> schnell-∅
ob-ig-er / - e/ -es
<
oben
lexikalisches Potential für
Adverbiale ("Umstandbestimmung", Tesnière: circonstants [≠ actants])
syntaktisch komplexe Konstituenten,
z.B. mit Präposition als Kopf
Emma übt
oben
in der ersten Etage
Emma übt
2. syntaktische Analyse
Epirreema "Kommentar / Nachbemerkung"
freie Angabe, nicht im Szenario i.e.S.
vorgesehen (nicht valenzgebunden)
in neueren syntakt. Arbeiten: Adjunkt (lat. ad-jungere "anbinden, hinzufügen")
Szenario üben: Über (Agens), Geübtes (Gegenstand)
Emma übt Trompete, Emma übt Trampolinspringen ...
Da der Gegenstand bei solchen Verben festliegt (OBJθ), sind auch elliptische
Ausdrucksweisen möglich: Emma übt ( intransitive Form)
Hier ist das OBJ also fakultativ: [PRÄD 'üben <SUBJ, (OBJθ)>]
alternativ: homonyme Verben ?
transitiv (Valenz : 2): [PRÄD 'üben <SUBJ, OBJθ>]
intransitiv (Valenz: 1): [PRÄD 'üben <SUBJ>]
So im Dt. je nach Kontext ( Ergänzung ist impliziert) meist möglich
Emma kauft und kauft und kauft ...
(Künstlersprache): Bei der Ausstellung hängt Emma (> E. hängt {die Bilder} auf)
Das trennen von adverbialer Spezifizierung der Proposition:
53
Emma übt Trompete
Emma übt
Emma malträtiert ein Instrument
Emma versucht sich an der Trompete
Emma trötet
auf dem Speicher
Formale Ambiguität:
Emma übt den Walzer
der Walzer wurde von Emma geübt
Emma übt den ganzen Tag * der ganze Tag wurde von Emma geübt
3. Formale Repräsentation (LFG)
f-Struktur von Emma übt den ganzen Tag den Walzer
PRÄD
TEMP
SUBJ
OBJ
PRÄD 'üben <SUBJ, OBJ>'
Präsens
PRÄD 'Emma'
PRÄD 'Walzer'
DEF +
ADJ
PRÄD 'Tag'
DEF +
ADJ [PRÄD 'ganz']
Emma wohnt seit einer Woche in Osnabrück
nicht orthodoxe Version:
PRÄD
TEMP
SUBJ
OBL
ADJ
PRÄD 'wohnen <SUBJ, OBL>'
Präsens
PRÄD 'Emma'
PRÄD 'in <OBJ>'
OBJ PRÄD 'Osnabrück'
PRÄD 'seit <OBJ>'
OBJ PRÄD 'Woche'
DEF -
Während OBL zur Argumentstruktur gehört (d.h. daß dem obliquen Argument auch eine
thematische Rolle im Szenario zugewiesen wird), sind Adjunkte frei mit dem Kern der
Proposition verknüpft. Die Verknüpfung ist definiert durch ein höheres Prädikat, was in
diesem Fall informell auch so dargestellt werden kann:
seit (eine Woche, [Emma wohnt in Osnabrück] PROPOSITION )
Insofern haben Adjunkte ein eigenes Prädikat, z.B. eine Präposition, die eine NP als Objekt
nimmt wie hier in der LFG-Struktur dargestellt. Bei den obliquen Ergänzungen ist
demgegenüber eine sie eventuell markierende Präposition kein eigenes Prädikat sondern nur
ein formaler Ausdruck, der mit dem nuklearen Prädikat festliegt – ähnlich wie auch bei
präpositionalen Objekten (s. V-6). In der LFG werden solche Formen als Kasusmerkierugnen
behandelt bzw. kodiert, ggf. auch mit einem entsprechenden Subskript (hier also OBLin als
Makierung der valenzgeforderten lokalisierenden Ergänzung). Orthodoxer wird die f-Struktur
also wie folgt dargestellt:
54
Emma wohnt seit einer Woche in Osnabrück
PRÄD
TEMP
SUBJ
OBLin
ADJ
PRÄD 'wohnen <SUBJ, OBLin>'
Präsens
PRÄD 'Emma'
KASUS OBLin
OBJ
PRÄD 'Osnabrück'
PRÄD 'seit <OBJ>'
OBJ
PRÄD 'Woche'
DEF
-
Hier zeigen sich typologische Unterschiede: In Sprachen wie Deutsch (und Englisch) sehen
oblique Argumente formal meist wie Adjunkte aus – während in Sprachen mit einem reichen
morphologischen Kasussystem wie im Finnischen (s. V-10) Adjunkte meist wie oblique
Argumente aussehen!
Adjunkte können kumuliert werden LFG Menge !
das schließt interne Relationen unter den Adjunkten nicht aus (unterschiedlicher Skopus ...)
In Osnabrück wohnt Emma seit einer Woche in einer Wohngemeinschaft
PRÄD
TEMP
SUBJ
OBLin
ADJ
PRÄD 'wohnen <SUBJ, OBLin>'
Präsens
PRÄD 'Emma'
KASUS OBLin'
OBJ
PRÄD 'Wohngemeinschaft'
DEF PRÄD 'seit <OBJ>'
OBJ
PRÄD 'Woche'
DEF PRÄD 'in <OBJ>'
OBJ
'Osnabrück'
4. Problemfälle:
4.1.
Satz- vs. VP-Adverbiale;
Emma singt laut vs. Emma singt heute
in LFG beide ∈ Adjunkte, differenziert in der semantischen Intepretation
heute spezifiziert die Situierung der Proposition: ∈ Satzmodalität (Tempus) laut
spezifiziert die Semantik des Prädikats ~ Emma röhrt, gröhlt ...
?? f-Struktur zu Emma singt laut
PRÄD
PRÄD 'singen <SUBJ>'
ADJ
[PRÄD 'laut']
TEMP
Präsens
SUBJ
PRÄD 'Emma'
55
4.2.
(Verb-) Partikel
Partikel bilden eine "Papierkorb-Kategorie": Präpositionen, Adverbien ..
Ambiguitäten in der Form:
Der Bach läuft unterhalb des Hauses > Präposition (mit Genitiv)
Die Grenze verläuft unterhalb > Adverb
Probleme durch die Inkorporation solcher Elemente ins Verb:
transitiv:
er stellt die Vase auf den Tisch
er stellt die Vase auf ~ er will die Vase aufstellen
bei V-Zweit-Stellung Tmesis (gr. Abtrennung)
ABER:
Hans fuhr das Verkehrsschild um vs. Hans umfuhr das Verkehrsschild
Lexikalisierung:
Emma hängt das Bild auf – Emma hängt das Bild an (*auf) die Wand
Diese "Verbpartikel" behalten je nach Konstruktion ihre syntaktische Selbständigkeit
/ Konstituente
Wort
S
VP*
VP
NP
Emma
V
hängte
"flachere Struktur"
f-Struktur Emma hängte das Bild auf
PRÄD
PRÄD 'auf+hängen <SUBJ, OBJ>'
TEMP
Präteritum
PART
FORM auf
SUBJ
PRÄD 'Emma'
OBJ
PRÄD 'Bild'
DEF
+
NP
das Bild
X (ADV, PART)
auf
56
V- 10 Kasus
1. Terminologie / Historisches
2. Paradigmenstruktur vs. Markierung syntaktischer Funktionen
3. Kasussysteme: akkusativisch / ergativisch
lat. casus (pl. casuus) übers. aus gr. ptoosis "Fall"
Ebene / gerade: gr. orthee, lat. rectus
Hang / schräg: gr. plagios, lat. obliquus
Ebene / gerade: Grundform
Hang / schräge: abgewandelte Form
lat. Hang clivus < clin-oo "neigen" : > declinatio
Alte Terminologie: Formenfamilie:
casus (gr. ptooseis) bei allen Wortarten, erst seit Stoa (- 3.Jhd.) Nomen- / Verbdifferenzierung
grundlegend. Seitdem Deklination nur bei nominalen Formen
Ältere grammatische Tradition: paradigmatisch – formenorientiert
>> Kategorien als Äquivalenzklassen (grammatische Funktionen)
nominale (substantivische Paradigmen) im Lateinischen: Singular
turr.i-s
amic.a
amic.u-s
labor (-∅)
amic.a-e
amic.i-i
labor-i.s
amic.o-o
labor-i.i
turr.i-i
amic.a-m
amic.u-m
labor-e.m
turr.i-m
amic.a-a
labor-e
4
4
5
3
Nominativ
Genetiv
Dativ
Akkusativ
Ablativ
(1) Abstraktion von Formelementen > morphologische Analyse (Auflösung der
Flexionsklassen: fusionierte Formen)
(2) Identifizierung von Konstanten (z.B. {-m})
(3) Transparadigmatischer Abgleich:
(3a) Synkretismen: unterschiedlich differenzierte Paradigmen
(3b) Äquivalenz von formalen Markierungen: {-∅} : {-m} = {-s} : {-m}
(4) Abstraktion von Äquivalenzklassen: casus (Nominativ, Genetiv ..)
Abbildung der Äquivalenzklassen (casus ) auf syntaktische Funktionen:
Nominativ
Subjekt, Prädikativ, Vokativ, ...
Akkusativ
direktes Objekt, ...
Dativ
indirektes Objekt, ...
usw.
problematische Gleichsetzung:
in Schulgrammatik: "Dativobjekt", "Akkusativobjekt" ...
sprachvergleichende Äquivalenzklassen (Fremdsprachunterricht/Übersetzungen)
morphologische Kasusmarkierung
~ Präpositionen
~ Wort- (Konstituenten-) Stellung
57
Dativ: ich gebe ihm das Buch
~ engl. I gave him the book / I gave the book to him
neuere syntaktische Arbeiten ("Kasusgrammatik"): "Tiefenkasus" > semantische Rollen
Hier ist es nötig, strikt zwischen Kasus als syntaktischer Relation und Kasus als syntaktischer
Interpretation einer morphologishen Markierung zu unterscheiden. Üblich ist dabei eine
Differenzierung in drei Kasustypen, also mit der Darstellung der Markierungstypen durch
griechische Buchstaben (α, β, γ) und ihrer Interpretation duch Sternchen (*α, ∗β, ∗γ) :
Kasusmarkierung
syntaktische Interpretation
grammatisch
α∗ (Ν, V)
Ν−α
adverbial
höheres Prädikat
β∗
(Ν, Proposition)
Ν−β
adnominal
γ∗ (Ν, N)
Ν−γ
Mit den meist gehandelten Kasusmodellen verbindet sich die Vorstellung eines universalen
Modells > Modellsprachen sind morphologisch maximal differenziert wie z.B. Finnisch (≥ 15
Kasus)
Nominativ kirja “Buch”
Genetiv kirja-n “Buches“
Akkusativ (= Nominativ oder Genetiv)
grammatische Kasus (α)
Genetiv auch (γ)
Essiv (zeitweiser Zustand) kirja-na “als Buch”
Partitiv (Teil von) kirja-ta “von einem Buch”
halbgrammatisch
Translativ (Übergang in) kirja-kse “(wird) zu einem Buch”
Inessiv (innerhalb von) kirja-ssa „in einem Buch“
Elativ (heraus von) kirja-sta „aus einem Buch“
Illativ (hinein in) suu-hun „in den Mund“
Adessiv (in der Nähe von) kirja-lla „bei dem Buch“
Ablativ (von ... weg) kirja-lta „von dem Buch weg“
Allativ (in die Nähe von) kirja-lle „zu dem Buch“
Abessiv (ohne) sy-ttä „ohne Schuld“
Instruktiv jal-an „zu Fuß“ (jalka „Fuß“)
Komitativ (zusammen mit) kaikk-ine „mit dem Gepäck“
(α und β)
adverbial (fest)
(β)
„marginal“: (β)
gebrauchsbeschränkt
2. Paradigmenstruktur vs. Markierung syntaktischer Funktionen
Formenvielfalt (z.B. Finnisch) verdeckt Typen syntaktischer Funktionen
Kasusmarkierung (nominal): α, β, γ
58
SATZ
PROP*
SM
PROP
E1
E2
Präd
Nα
Nα
V
N
Peripherie
Nβ
Nγ
adverbal: verbregiert
α = grammatische Kasus
β = adverbiale Kasus
γ = adnominaler Kasus (Genetiv)
LFG:
α = (primäre) grammatische Funktionen: SUBJ, OBJ
α' = sekundäre grammatische Funktionen: OBL (i.d.R. präpositional markiert)
β = Adjunkte im Satz (zum nuklearen Prädikat)
γ = Adjunkte in einer Satzkonstituenten
Probleme der Synkretismen in "kasusarmen" Sprachen:
α = grammatische Kasus
1) flektiert : Nominativ, Genetiv, Dativ, Akkusativ
Der Junge gedachte seiner Großmutter
Hans schenkte ihr einen Blumenstrauß
2) Partikel (präpositional)
Hans dachte an seine Großmutter
β = adverbiale Kasus
1) flektiert
er spielt den ganzen Tag Klavier
2) Partikel (Präpositional)
er spielt vor der Tür
γ = adnominaler Kasus (Genetiv)
1) flektiert
das Auto des Vaters
2) Partikel (präpositional)
das Auto von dem Vater
59
ABBAU von Kasussystemen in i.e. Sprachen
z.B. Englisch
grammatisch nur pronominal: (Rektus vs. Obliquus)
I
he / she
you
the man
saw
me
him / her
you
the man
präpositionale Option (“Dativ”)
I gave him the book
I gave the book to him
vgl. Kasusneutralisierung in norddt. Umgangssprache
(„Akkudativ“ = Obliquus)
Er hat den Mann das Buch gegeben
adnominal
Peter’s car - the car of my neighbour
“Sächsischer Genetiv” als Possessiv
vgl. Dt. Mutters neuer Hut, Emmas neuer Freund ...
Possessiv "dativisch" markiert: dem Vater sein Auto ist kaputt
NB: Unterscheidet man die Analyseebenen, ist es auch kein Problem, damit umzugehen, daß
u.U. auch Dative adnominal gebraucht werden können
Beispiel (Kolesov: Rußland-Deutsche. Kostroma Dez. 2004)
und bei mir die Schwestern den ihre Tochter ihre Kinder die kann (= können) net russisch
sprechen
> die Kinder der Töchter meiner Schwester(n)
Stabilisierung der Dativmarkierung für "belebte" Aktanten:
(1) Erweiterung des Szenarios
Hans trägt Emma die Blumen
Emma wäscht Hans den Wagen
(2) Einstellungsmarkierungen ( SM)
Du bist mir schöner Freund
Kommt dir Hans in die Kneipe und ...
3. Kasussysteme: akkusativisch / ergativisch
Detaillierter in der Typologie
aber "(un)ergativ" vs. "(un)akkusativ" seit 20 Jahren
auch in Grammatik d. Dt., Engl. verwendet
bei „Ergativsystemen“ gibt es eine terminologische Unsicherheit: "Subjekt“ ?
60
1. semantisch
Markierter
Kasus
intransitiv
„Subjekt“
Akkusativ
Ergativ
Nominativ
Absolutiv
2. formal
Markierter
Kasus
intransitiv
„Subjekt“
Akkusativ
Ergativ
Nominativ
Absolutiv
semantischer
Hauptaktant
(Agens ....)
Nominativ
Ergativ
transitiv
semantischer
Nebenaktant
(Patiens ...)
Akkusativ
Absolutiv
transitiv
formaler Hauptaktant formaler
(„Subjekt“)
Nebenaktant
(Obliquus)
Nominativ
Akkusativ
Absolutiv
Ergativ
Beispiel Dyirbal (Australien, Pama-Nyunga)
(
)
!"
KLASS Mann.ABS (KLASS Frau.ABS ) komm:PRÄT
„Der Mann (die Frau) kam hierhin“
#
!#
!
KLASS Frau.ABS KLASS Mann-ERG schlag:-PRÄT
„Der Mann schlug die Frau“ („die Frau wurde von dem Mann geschlagen“)
Offene / verdeckte Markierung der syntaktischen Funktionen / semantischen Rollen
Äquivalenzklassen maximaler Differenziertheit: Desambiguierung):
AGENS
PATIENS
SZENARIO
intransitiv
transitiv
intransitiv
transitiv
AKKUSAT.-SYST
offen
verdeckt
NOM
NOM
"unergativ"
ERGAT.-SYST
offen
verdeckt
ABS
ERG
AKK
ABS
"unakkusativ"
Hier ist es offensichtlich nötig, differenzierter zu operieren. Ergativ- und Akkusativsysteme
zeigen eine unterschiedliche Profilierung semantischer Rollen, abzulesen an den markierten
Fällen Agens /Ergativ und Patiens/ Akkusativ:
SEMANTISCHE
ROLLE
AGENS
Kontrolle
im Handungsszenario
PATIENS
SZENARIOTYP
transitiv
intransitiv
transitiv
intransitiv
KASUSSYSTEM
ERGATIV
Ergativ
Absolutiv
AKKUSATIV
Nominativ
Akkusativ
Nominativ
Probleme ergeben sich beim Kasusynkretismus quer zu der semantischen Zuordnung:
Absolutiv / Agens (so jedenfalls in einigen Ergativ-Sprachen) und Nominativ / Patiens jeweils
61
im intransitiven Szenario. Diese könnten in Hinblick auf die erwarteten eindeutigen
Markierungen als un-X bezeichnet werden:
unergativ =: Absolutiv / Agens im Ergativ-System
unakkusativ =: Nominativ / Patiens im Akkusativ-System
Das ist nun allerdings so nicht üblich. Vielmehr ist die un-X Terminologie nur in
akkusativischen Sprachen üblich, wo sie Verben in Hinblick die verschiedenen semantischen
Rollen ihrer Subjekte differenziert:
"unakkusativ" =: intransitive Verben, die kein Objekt nehmen, weil das Subjekt selbst
"tiefenstrukturell" die Funktion eines Objektes hat (mit einem nicht-spezifizierten Agens /
kausalen Agenten) ~ Subjekt in Passivkonstruktionen
"unakkusativ" =: man könnte eine Akkusativmarkierung erwarten, die nicht vorhanden ist
Der Vortrag gelingt ~ der Vortrag wird gehalten (
X hält den Vortrag)
Weitere syntaktische Merkmale:
Perfekt mit HV sein, nicht haben
akkusativisch: PF > haben
Hans hat den Vortrag gehalten
Hans hat den Hund geprügelt
Hans hat die Wäsche gebleicht ...
"aktive" (intransitive) Verben
Emma hat getanzt
unakkusativisch: PF > sein
Der Vortrag ist gelungen
Hans ist angekommen
Emma ist erbleicht ...
akkusativisch: "passives" Partizip von
Verben ohne partizipiales Attribut
transitiven Verben > Attribut
(intransitiven Verben I)
der geprügelte Hund
*der geschlafene Mann
die gebleichte Wäsche
*der gearbeitete Mann
attributives Partizip von intransitiven Verben: unakkusativ
der gelungene Vortrag
der angekommene Brief
die erbleichte Emma
Mit dieser Unterscheidung werden also Strukturen, die zu transitiven Verben gehören, auf
intransitive projiziert. Dabei terminologisch dubios:
"unakkusativische" Verben werden auch als "ergative" Verben bezeichnet !
Das Grundproblem ist hier die Subjektkategorie, die als rein grammatische unabhängig von
damit artikulierten thematischen Rollen ist. Semantisch orientierte Darstellungen operieren
dementsprechend auch mit unterschiedlichen Subjekttypen, die durch ihre Abbildung auf
Sprachen mit differenzierten Strukturen gewonnen werden:
SUBJA =: "agentives" Subjekt
SUBJP =: "patientives" Subjekt
SUBJD =: "dativisches" Subjekt (bei einem "unpersönlichen" Verb)
Diese Fragen werden in der Typologie genauer behandelt.
62
V- 11 Nominale Kategorien (Struktur der NP)
1. Semantik (Funktion in der Proposition)
2. Wortarten (nominale Kategorien) - historisch
3. Definitheit (Deixis)
1. Semantik (Funktion in der Proposition)
Proposition =: Szenario mit seinen Aktanten
formal: Prädikat
(Argumente)
referenzielle Verankerung
philosophische Tadition:
Kopf: referierendes Element
("Satzgegenstand")
abhängiges Element: Prädikation
("Satzaussage")
onoma "Name"
Peter
Rhema
läuft
verprügelt Paul
2. Wortarten (nominale Kategorien) – historisch
Form des sprachlichen Zeichens (Morpho-Syntax):
Argumente (und auch Adjunkte) haben die Form einer NP (syntaktische Variable)
NP
Prädikat
Peter
er
der Mann
läuft
ein alter Mann
ein Mann, der einen Bierkasten trägt,
Namenwort : Peter, Emma ...
onoma "Namen"
fungiert als Index ("zeigt"): "ich taufe dich auf den Namen 'Peter'" ...
fusioniert mit einem Prädikat (deskriptives Element des Lexikons"):
das ist ein
Peter ist ein ........
Mann
lat. (Schul-)Grammatik: nomen appellativum (ad+pellare "benennen")
der
junge
Mann
Junge
nominal
läuft
nomen substantivum
nomen adjectivum (< ad+jacio "dazu-werfen")
Attribut
63
im späten Mittelalter: Substantive vs. Adjektive
Adjektive als Wortart: haben kein lexikalisches Genus (≠ Substantive)
flektiert (kongruieren mit dem nominalen Kopf der NP)
ein junger Mann, eine junge Frau, ein junges Kind ...
werden für Genus
sekundär: Adjektive sind graduierbar (ein jüng-er-es Kind ..)
wenn Adjektive ein Prädikat modifizieren bzw. prädikativ fungieren:
- adverbial (er läuft schnell__)
- prädikativ (er ist schnell__)
Russ. "Langform" der Adjektive: attributiv / prädikativ, "Kurzform"prädikativ:
novo-je iskusstvo "(die) neue Kunst"- iskusstvo novo "die Kunst ist neu"
r'eka burna-ja "der Fluß ist wild" – sevodnja r'eka burna "heute ist der Fluß wild"
NP: kein Namenwort (nomen proprium), ohne deskriptiven Inhalt (kein appellativum) : pronomen "Für-Wort" (für : anstelle von)
er läuft (aber nominale Kategorien: Genus, Numerus, Kasus ...)
Problematische Kategorie: Artikel (fehlt lateinisch – ABER so griechisch)
der
junge
Artikel
Mann
läuft
Junge
nominal
gr. 'arthron "Glied, Gelenk"
("Gelenkwort" ?)
verknüpft die NP mit ihrer syntaktischen Umgebung
dt. Grammatiktradition seit Barock: Geschlechtswort
intrinsisches (lexikalisches) Genus bei Appellativen – am Artikel explizit markiert:
der
Vater, Mann ...
die
Mutter, Frau ...
das
Kind, Mädchen ...
Gruppenflexion der NP
Nominativ / Akkus. SG.
die
lila Kuh
Genitiv / Dativ SG.
der
Nominativ / Akkus. PL
Genitiv PL
Dativ PL
die
der
den
alten Männer
NP-Analyse des DUDEN bis zur 4. Aufl. 1984:
Attribut ist alles, was zum substantivischen Kopf der NP hinzukommt
ATTRIBUT
(Präp)
(Art)
NP
(Adj)
KOPF
Substantiv
64
NEUERE generative Arbeiten: DP-Analyse ↑ = ↓
DP
NP
DETermintator
↑=↓
(Attribut)
Substantiv
↑=↓
Determinierendes Element: referenzielle Funktion
der
alte Mann
läuft
er
läuft
im LFG –Format:
c-Struktur vs. f-Struktur
PRED
TEMP
SUBJ
'laufen <SUBJ>'
Präs
PRED 'Mann'
DEF
+
PERS 3
NUM
SG
ADJ
[PRED 'alt']
Propositionaler Ausbau eines Attributs ("Relativsatz") im Block III
3. Definitheit (Deixis)
Semantik der Definitheit: Identifizierung der Argumente
A Ich habe heute morgen einen Papagei im Park gesehen
B Ich habe heute morgen den Papagei im Park gesehen
A
B
identifiziert für S, aber nicht für H : [ + SPEZIFISCH]
identifiziert für S und nicht für H : [ - SPEZIFISCH]
z.B. B: unser Papagei, der gestern weggeflogen ist ...
Identifizierung im (sprachlichen) Kontext: anaphorisch
(< gr. ana "hinauf" – pher- / phor- "tragen")
# es war einmal ein Mann. Der (dieser Mann) hatte ein Vermögen geerbt.
Damit wollte er sich zur Ruhe setzen #
Inszenierung der Identifizierung, NICHT: Abbildung von Außersprachlichem
(definit ≠ bekannt)
Hol mir mal den Hammer !
65
A: der Hammer liegt da (H sieht ihn, kennt ihn ....)
B: H muß in Nebenraum gehen, war noch nie da, kennt den Hammer nicht:
Wenn du nach dem Hammer suchst, findest du ihn (NICHT: einen Hammer ...)
Mittel literarischer Inszenierung, Beispiel Camus, Die Pest (dt. 1966)
[Anfang Kap. 1]
Die seltsamen Ereignisse, denen diese Chronik gewidmet ist, haben sich 194.. in Oran
abgespielt. ... Zugegeben, die Stadt selber ist häßlich. Sie sieht so gesetzt aus, daß ..... Unsere
Mitbürger arbeiten viel, aber nur, um reich zu werden. Sie befassen sich hauptsächlich mit
Handel und mit dem, was .... Die Wünsche und Begehren der Jüngeren sind heftig und kurz,
während die Laster der Älteren sich auf die Zusammenkünfte der fanatischen Kugelspieler
beschränken ....
[Anfang Kap. 2]
Am Morgen des 16. April trat der Arzt Bernard Rieux aus seiner Wohnung und stolperte
mitten auf dem Flur über eine tote Ratte. Im Augenblick schob er das Tier beseite, ohne es zu
beachten, und stieg die Treppe hinunter. Aber auf der Straße fiel ihm ein, die Ratte sei dort
oben nicht recht am Platz ...
Semantische Bindungen der Interpretation, nicht formal (
Weltwissen):
A. Am Bahnhof habe ich ein Taxi genommen. Der Fahrer war Türke ...
B. Ich war gerade auf einer Hochzeit. Die Braut war ein Mann.
C. Ich bin gerade in New York angekommen. Der Flieger hatte drei Stunden Verspätung ...
Identifizierende Prädikationen
vgl. mit B: Ich war gerade auf einer Hochzeit. Die Braut war der Mann.
der Mann, den du identifizieren kannst
Fehlen eines Identifizierungsproblems:
- singuläre Referenz:
der Mond war heute nacht sehr hell
*der Hans war heute nacht nicht zuhause (NORM: Hans war nicht zuhause)
- generische Referenz:
der Löwe ist ein Säugetier (Löwen sind Säugetiere)
Grammat. Markierungssystem im Dt.
dt. [+def] : best. Artikel [ ]/[ ] der ≠ Demonstrativ [
dt. [-def] : unbest. Artikel [ ]/[ ] ein ≠ Zahlwort [ $
Hans fährt mit dem Auto seines Vaters
Hans fährt mit einem alten Auto
Hans fährt *auto
Differenz:
Der Apfel hängt am Baum
Der Apfel hängt an dem Baum (an welchem?)
Grenzfall: formale Markierungen:
er kann ihm nicht *das geringste vorwerfen
wie wir *im folgenden sehen werden
] der
] ein , Grenzfall "Null-Artikel"
66
Markierung der NG durch Artikelwörter:
Hans fährt mit keinem alten Auto
Hans fährt mit meinem (*dem meinen) alten Auto
Typologie:
Alle Sprachen haben Mittel, referenzielle Beziehungen deutlich zu machen, aber nur einige
Sprachen haben ein grammatikalisiertes System:
Russisch:
Dt. # die Vase ist auf dem Tisch #
Russ. # vasa na stol’e #
Engl. # the vase is on the table #
ABER
Dt. # auf dem Tisch ist eine Vase #
Russ. # na stol’e vasa #
Engl. # there is a vase on the table #
Markierungsysteme:
- nur definite Form markiert,
- nur indefinite Form markiert
- definite und indefinite Form markiert
nur definit, z.B. Altgriechisch ho anthropos "der Mensch" / anthropos "ein Mensch"
nur indefinit, z.B. Berber ilis "das Fell" / %! ! "ein Fell"
Markierung oft gebunden an grammatische Funktionen, z.B.
Türkisch, Persisch .... : Indefinit markiert (türk- bir), definit nur am Objekt markiert:
Kasussystem:Bespiel el- "Hand" (Endungen mit Vokalharmonie zum Stamm)
Absolutiv -∅: el
Akkusativ –I: el-i
Genetiv –In: el-in
Dativ –E:
el-e
Lokativ –dE: el-de
Ablativ – dEn: el-den
Akkusativ nur bei definitem Objekt markiert:
bilet
sat-ıyor-lar
FahrkarteABS verkauf:-PRÄS-3.PL "sie verkaufen Fahrkarten"
bir
mavi kuma __ ist-iyor
INDEF blau Stoff.ABS woll:-PRÄS.3.S "sie will einen blauen Stoff"
mavi kuma -ı
seç-ti
blau Stoff-AKK.DEF wähl:-PRÄT.3.S "sie wählte den blauen Stoff"
Ausdifferenzierung der Bestimmtheitsmarkierung
semantische Funktion vs. syntaktische Struktur (Wort vs. Affix):
dän. mand-en "der Mann" / en mand "ein Mann"
S.Arabisch definit: °l-° vs. indefinit °-n°
$ !
! !
! "das große Buch (NOM)"
67
! !
! ! "ein großes Buch (NOM)"
Fusionierung von grammatischen Markierungen:
Deutsch Artikelwörter:
- Possessive (s.o.): ital. la mia macchina - (*der) mein Wagen
- Demonstrative: mar. arab. had-l- dieses (*das) Buch
Starke / schwache Flexion der Adjektive im Deutschen:
d-er gute Wein
∅ gut-er Wein (will lagern)
ein gut-er Wein
≠ flexionslose Form: prädikativ, adverbial: der Wein schmeckt gut-∅
s.o. Lang- und Kurzformen der russ. Adjektive ...
68
V-12 Wortstellung
Konstituentenstellung
1. Fachgeschichtliches
2. grammatisch genutzte (Wahrnehmungs-) Strukturen
3. grammatikalisierte Konstituentenfolge
1. Fachgeschichtliches
Lateinisch und Griechisch relativ "freie" Wortfolge
sondern der Stilistik (Rhetorik)
dort kein Thema der Grammatik,
Lat. (Ovid)
grandi-a1
per2
mult-os3
tenu-ant-ur4
großdurch / in
viel-A.P.M verringer:PRÄSN/A.P.N
3P-PASS
"große1 Flüsse5 werden4* zu2 vielen3 Bächen6 reduziert4*"
flumin-a5
Fluß-N/A.P
riv-os6
Bach-A.P
Aber auch im Lateinischen "unmarkierte" (= Default-) Wortstellung:
(1) # SUB – X – Y PRÄD – (Verb) #
(2) Kontaktstellung in Konstituenten
SATZ
SUB
grandia flumina
OBL
per multos rivos
PRÄD
tenuantur
"scrambling" ("verrühren"): grandia per multos tenuantur flumina rivos
HIER: Artifizielle Abfolge – virtuoses Spiel, metrische Zwänge …
Rhetorik:
Abbildung konzeptueller Strukturen auf Konstitutentenfolge: ordo naturalis:
Mann << Frau, Kaiser << Bauer ...
Agens << Patiens ...
Die Konsequenz davon zeigt sich in frühkindliche Deutungsmuster: In einem experimentellen
Kontext interpretieren kleine Kinder Äußerungen wie die folgenden nach dem semantisch
interpretierten Abfolgeschema:
Der Wolf wird von dem Löwen gefressen
Agens << Patiens ...
trennen kognitive und grammatische (grammatisierte) Strukturen
2. grammatisch genutzte (Wahrnehmungs-) Strukturen
69
Feldstrukturen der Wahrnehmung
Äußerung in der Zeit (inhomogene Abfolge ...) × Schranken des Kurzzeitgedächtnisses
#
t
[
#
]
Folge: Planungsbrüche .... (Anakoluthe ...), wenn mündlich zu komplexe (literate!) Strukturen
Trennen: Gesprochene und geschriebene Sprache (orate / literate Struktur):
Orat: Default: Physikalisch-physiologisch und kognitiv bestimmt:
Reihung von propositionalen Strukturen, die explizit (Partikel ...) oder implizit (kalte
Strukturen!) aufeinander bezogen werden.
Literat: „ zeitlose“ , homogene Kette von Zeichen (im Raum!), grammatisch integriert (
Satz)
#
#
(Lesen =) synoptischer Blick
Rhetorische Übung: Periodenbau („ Aufsatzerziehung“ : Nebensätze ...., keine „ Füllwörter“ ...)
grammatische Reflexion darauf bezogen
Informationsstruktur (fundiert in oraten Bedingungen):
#
Altes: Thema
(Satzgegenstand)
Strukturierendes
Funktionselemente
t#
Neues: Rhema (Satzaussage)
Informationshaltiges
Lexikalisch Volles /
Propositional Ausgebautes
Grammatik (Schriftsprache) ist nicht natürlich: nutzt UND überwindet "natürliche
Zwänge"
Weitere Gliederung (mündlich!): Prosodische Markierung (Akzentkontur)
FOKUS
#
# LAUF! #
# Emma LÄUFT #
#Emma kauft OBST #
#Emma kauft BLUmen #
#Emma will BLUmen einkaufen #
t
#
70
Im Defaultfall: Fokus im Rhema-Feld
Sie hat ihm eine Ohrfeige gegeben
Sie hat ihm eine OHRfeige gegeben
thematisch (Feder)
vorausgesetzt (Nut)
Ohrfeige
Sie hat ihm eine
gegeben
syntaktische Struktur:
• Prädikat: geben mit den grammatischen Markierungen {Perfekt, 3Sg. ...}
• Objektnute: Nominalgruppe eine ____
Default: syntaktische und prosodische Gliederung kumulieren
markierter Fall: Diskrepanz – Prosodie "überschreibt" syntakt. Gleiderung:
Kontrastive Informationsstruktur
Sie hat ihm eine OHRfeige gegeben
Sie hat
IHM
eine Ohrfeige gegeben
Sie hat
mir
eine Ohrfeige gegeben
solche Strukturierungen in der Wahrnehmung verankert:
Figur / Grund ...
insofern bilden sie in allen Sprachen ein Fundament, das aber abhängig von dem spezifischen
(grammatischen) Sprachbau unterschiedlich grammatisch genutzt wird
3. grammatikalisierte Konstituentenfolge
In den westeuropäischen Sprachen (bes. germanische Sprachen / Deutsch) Grammatisierung
von satzmodalen Differenzierungen durch die Grammatikalisierung von Konstituentenfolgen:
Im Lateinischen macht die Rede von Wortstellung Sinn, da dort das Wort (als morpholigsche
Einheit) die Schranke für Stellungsvariationen im Satz bildet – anders als z.B. im Deutschen,
wo die Kohäsion von syntaktischen Konstituenten (> Wort) groß ist. Ausgenommen davon
sind nur komplexe Prädikate wie laufen-wollen, vgl.
Hans wird schon nicht laufen wollen
Hans wollte nicht laufen
Laufen wollte Hans nicht
Die Analyse solcher Strukturen verlangt die Trennung von zwei Dimensionen:
- die hierarchischen Beziehungen
- die lineare Abfolge
In Hinblick auf die üblichen graphischen Darstellungen grammatischer Verhältnisse spricht
man auch von unmittelbarer Dominanz vs. Abfolge bei den Konstituenten. In der LFG werden
71
die beiden Dimensionen auf verschiedenen Ebenen betrachtet: die lineare Abfolge in der cStruktur:
unmittelbare
Dominanz
S
ihr
gefällt
der grüne Mantel
lineare Abfolge
vgl. die entsprechende f-Struktur (vereinfacht):
PRÄD
'
gefallen < SUJ, OBJ >
SUBJ
PRÄD
'
Mantel'
DEF
+
ADJ
PRÄD '
grün'
OBJ
PRÄD
'
PRO'
FORM '
ihr'
In der GB-Linie werden dagegen die linearen Abfolgen unmittelbar als Artikulation von
grammatischen Beziehungen verstanden.
Die lineare Abfolge bildet dagegen (jenseits gramamtischer Beschränkungen, wie z.B. der
Kohäsion in syntatkischen Konstituenten) eine eigene grammtische Analyseebene, auf der vor
allem die Informationsstruktur artikuliert wird:
THEMA
RHEMA
FINITER
Prädikatsteil
"topic"
grammatisches Thema
(präsupponiert)
Was war gestern ?
Mein Onkel war zu Besuch
Mein Onkel war zu Besuch
"topic" / Thema
Gestern
Ihn
Er
waren wir in der Kneipe
sehe ich nur einmal im Jahr
kommt einmal im Jahr
NB: Engl., Frz. (≠ Dt.) haben diese Abfolge formal fixiert: SVO
Im Deutschen aber auch Aussagesätze ohne thematische Ausrichtung:
Kommt ein Kamel in eine Apotheke. Es verlangt ...
narrative Einleitung: noch nichts (Spezifisches) präsupponiert:
72
Kein Szenario, kein Thema definiert (Was ist passiert?):
# das AUto ist kaPUTT #
thetischer Satz mit (weitem) Satzfokus
Anders mit Thema – Rhema – Struktur („ Was ist mit dem Auto los?“ ):
# das Auto ist kaPUTT #
Sonderproblem interaktiv eingebundener Äußerungstypen
satzinitialer Fokus:
FOKUS
(propositionaler) Hintergrund
Kommt
Hans heute ?
Fragesatz
Wann
kommt Hans ?
doch heute zum Essen !
Aufforderungssatz Komm
Suspendierung der selbständigen Satzstruktur (abhängige Proposition
final (je "finiter" desto weiter ..)
Wenn Hans zu Besuch kommt
n. Block): Prädikat
machen wir ein großes Fest
V2
SATZ
Komplikation: Rahmenstellung im Deutschen (im Aussagesatz)
gram. Thema
gestern
Oma
gestern
finiter
Prädikatsteil
wollte
wird
wird
(Mittelfeld)
Hans mit Oma zu Besuch
nicht mehr zu Besuch
Oma
infiniter
Prädikatsteil
kommen
kommen wollen
gekommen sein wollen
Im Deutschen sind so Wortstellungstypen relativ zur ausgezeichneten indikativischen Verbzweit-Stellung definiert:
dabei ist Verb-erst-Stellung negativ definiert, mit einer ganzen Schar (auf andere Weise zu
desambiguierender) Intepretationen:
komm nachhaus !
Imperativ
kommst du nachhause ?
Frage
Kommt Hans nachhause, gehen wir ins Kino
Konditional
Kommt Hans neulich in die Kneipe, bestellt sich ein Bier ...
thetisch
Zudem gibt bei der satzinitialen Positon eine Überlagerung mit der Artikulation der
interrogativen Markierung (Q, s. V-6)
Q-PRO
Ergänzungsfrage
Q-V (~ Verb-erst)
sonst (Satzfokus ...)
Im Feld der Wortstellung bestehen große typologische Unterschiede:
Russisch: Wortstellung grammatikalisiert, aber keine feste Verbstellung:
Thema
(diskursiv definit)
Rhema
(diskursiv indefinit)
Anders in Sprachen mit fester Wortstellung, z.B. engl. SVO
73
Vgl.
Dt. # die Vase ist auf dem Tisch #
Russ. # vasa na stoL’ E #
Engl. # the vase is on the table #
ABER
Dt. # auf dem Tisch ist eine Vase #
Russ. # na stol’e VAsa #
Engl. # there is a vase on the table #
Im Dt. ( ≠ Engl.) „ Spaltsätze“ literat:
„ Was die Vase anbetrifft, die stand auf dem Tisch ....“
Kopfmarkierung der thematischen Orientierung: Diathese (Passiv)
(a) Thema: Peter
Dt. # Peter kaufte einen Wagen“
Russ. # P’ otr ku pil ma inu #
Engl. # Peter bought a car #
b) Thema: der Wagen
Dt. # den Wagen hat Peter gekauft“
Russ. # ma inu ku pil P’ otr #
Engl. # the car was bought by Peter # (# it is the car that Peter bought #)
Im Dt. (mehr noch im Russ.) Passiv literat ≠ Engl.
74
Block III: Komplexe Sätze
V-13: Ausbau einer Proposition: Hypotaxe vs. Parataxe
Grundfrage bei der Analyse komplexer Sätze:
Ausbau eines Satzes mit mehreren Propositionen oder Integration mehrerer Propositionen in
einen Satz
Satz als Domäne grammatischer Strukturierung < Text (Diskurs-) Struktur
Heute hat mich Papa um 6.30 geweckt. Ich bin sofort wieder eingeschlafen. Ich war so
müde.....
3 Sätze, gereiht
Integration in Text durch Verweiselemente (ana- / kataphorisch):
Heute hat mich Papa um 6.30 geweckt. Darauf bin ich sofort wieder
eingeschlafen. Ich war nämlich so müde.....
Aufsatzerziehung: Integration in eine syntaktisch kompaktere Struktur:
Schülertext (4. Schj.)
Heute hat mich Papa um 6.30 Uhr gefeckt. Ich bin sofort wieder eingeschlafen weil ich so
2 Sätze, gereiht
müde war ...
Weitere Integration:
Als Papa mich heute um 6.30 geweckt hat, bin ich sofort wieder eingeschlafen, weil ich so
müde war. ...
1 Satz
In dieser schulischen (ontogenetischen?) Perspektive:
Einbettung von Propositionen in einen Satz:
heute morgen
bin ich wieder eingeschlafen
Als Papa mich heute um
6.30 geweckt hat
wegen meiner Müdigkeit
weil ich so müde war
Spiegelverkehrte Perspektive: (propositionaler) Ausbau von Satzkonstituenten
heute morgen
bin ich wieder eingeschlafen
wegen meiner Müdigkeit
Als Papa mich heute um
weil ich so müde war
6.30 geweckt hat
funktionale Äquivalenz intern unterschiedlich strukturierter Satzkonstituenten (Skala von
Propositionalität: "Satzwertigkeit")
Hauptsatz / Nebensatz ??
≠ Hauptsache / Nebensache (Skala der Wichtigkeit / Informationswert)
THEMA
heute morgen
Als Papa mich heute um
6.30 geweckt hat
RHEMA
bin ich wieder eingeschlafen
Syntaktische Kriterien: Wortstellung
FOKUS
wegen meiner Müdigkeit
weil ich so müde war
Konstituentenstellung, V-12
75
Suspendierung der selbständigen Satzstruktur (abhängige Proposition): Prädikat in finaler
Position:
Wenn Hans zu Besuch kommt
machen wir ein großes Fest
V2
SATZ
Stufen der Integration:
ich bin wieder eingeschlafen;
V-2
parataktisch (beiordnend)
denn ich war so müde
V-2
ich bin wieder eingeschlafen,
V-2
hypotaktisch (unterordnend)
weil ich so müde war
V-letzt
Weitere Verknüpfungsmittel (gr. syndesmoi)
dt. Konjunktionen
BESSER: (koordinierende) Konjunktionen (engl. coordinator) Parataxe
(subordinierende) Subjunktionen (engl. complementizer) Hypotaxe
Auf das griech. syndesmoi,) geht die unterscheidung zurück:
- syndetische Verknüpfung: mit solchen Verknüpfungsmitteln,
- asyndetische Verknüpfung: ohne solche Verknüpfungsmittel.
Verknüpfungsmittel
koordin.
denn
Proposition
ich war so müde
V-2
subordin.
weil
ich so müde war
vgl. Verknüpfungsmittel vs. Adverbial
ich bin wieder eingeschlafen,
denn
ich bin wieder eingeschlafen,
ich
dabei
war so müde
war ich so müde
V-2
Asyndetische Verknüpfungen (gr. a- NEGATION)
Kommt Hans früh nachhause,
V-1
Hans hat gesagt,
Hans hat gesagt,
Keine Parataxe:
Hans hat gesagt,
*Hans hat gesagt
gehen wir ins Kino
V-2
er kommt früh nachhause
V-2
daß er früh nachhause kommt
V-letzt
er kommt früh nachhause
(∅)
Verknüpfungselemente sind Prädikate über der Verknüpfung
sie artikulieren lexikalisch deren Interpretation:
koordinierend (und/ oder)
adversativ (aber)
nur
parataktisch
Parallelismus
76
kausal (denn / weil)
temporal (als / wann / nachdem ..)
para- und hypotaktisch
nur hypotaktisch
Weitere Subjunktionsmarkierung:
abhängige Form des Prädikats:
finit: Subjunktiv ("Konjunktiv")
infinit: Partizip, Infinitiv ...
V-16
Subjunktivmarkierung
im Dt. rückläufig (schriftsprachlich) ≠ normative Grammatik
er hat gesagt, daß er zu spät kommt, weil er krank ist
syndet.
er hat gesagt, er komme zu spät, weil er krank sei
asyndet.
Indikativ
Subjunktiv
Subjunktiv ("Konjunktiv") beim Hauptprädikat
elliptische Konstruktion ??
"Optativ" usw.
Käme Hans doch bald nachhause, wir könnten ...
(ich wünschte, ) Hans käme bald nachhause ...
auf der Grundlage des X-quer-Schemas (s. V-4): (Egon glaubt,) daß Hans Emma liebt
CP
C
daß
IP*
NP
Hans
IP
INFL
-t
hat ge-..-t
VP
V
lieb-
NP
Emma
Verallgemeinerung dieser Struktur von CP:
C
+
IP*
transformationell
daß
Hans Emma liebt
... daß Hans Emma liebt
ob
Hans Emma liebt
... ob Hans Emma liebt
denn
Hans Emma liebt
... denn Hans liebt Emma
Hans Emma liebt
Hans liebt Emma
∅
X-quer bei CP:
CP* → SPEZ + CP
SPEZCP
C
IP*
transformationell
warum
'
?'
Hans Emma liebt
Warum liebt Hans Emma ?
'
?'
Hans Emma liebt
Liebt Hans Emma ?
∅
Die "Einbettung" einer propositionalen Struktur erfolgt als Artikulation einer NP
V-14
Anders bei Parataxe / Koordination:
77
hier werden gleichrangige Konstituenten adjungiert
gleichen Typ
die komplexe Konstituente ist vom
X
X
&
X
& ist keine Konstituente:
klar so für Koordination: X+ & X
Hans und Emma
Hans, Emma und Egon
Hans, Emma, Egon und Franz
Hans, Emma, Egon, Franz .... und Erna
ebenso wenn X
CP (IP)
[Hans liebt Emma] und [Egon liebt Erna]
Semantik von und, aber, oder anders darzustellen ...
Ebenso bei LFG:
f-Struktur:
PRÄD '
lieben <SUBJ, OBJ>'
SUBJ [PRÄD '
Hans'
]
OBJ [PRÄD '
Emma'
]
PRÄD '
lieben <SUBJ, OBJ>'
SUBJ [PRÄD '
Egon'
]
OBJ [PRÄD '
Erna'
]
'
und, aber, ...'werden so überlesen (ggf. nur als KOORD.FORM repräsentiert ?)
Eine nicht orthodoxe Möglichkeit, sie auch mit eigenem semantischen Gehalt zu
repräsentieren, müßte sie als höheres Prädikat repräsentieren, das Propositionen als
Argumente nimmt, etwa:
PRÄD 'und < Propi+ , Propn > '
Propi [
Propn [
]
]
NB: die Notation mit einem hochgestellten '+ '(eingeschränkter "Kleene-Stern") gibt an, daß
der so markierte Ausdruck vorhanden sein muß und unbegrenzt wiederholt werden kann: die
Notierung hier spiegelt die Tatsache, daß der Junktor (und, oder, aber ....) in der Regel nur
vor der letzten so verknüpften Proposition steht, während die evtl. vorausgehenden
asyndetisch gereiht werden.
Ich kenne bisher keine Arbeiten im LFG-Format, die sich mit diesen Fragen spezieller
auseinandersetzen.
78
V-14 Syntaktische Funktionen von Teilsätzen: Komplemente vs. Adverbiale
1. Grundstruktur: dt. und latein.
2. formale Repräsentation (LFG)
1. Grundstruktur: dt. und latein.
Syntaktische Integration: "arbeitsteiliger" Aufbau einer Konstruktion
traditionelle Vorstellung von der Hypotaxe als "organischer" Struktur (vs. "unorganische"
Parataxe)
propositionaler Ausbau von ±valenzgebundenen Ergänzungen,
u.U. propositionale Ergänzungen obligatorisch:
Hans sagt, daß Emma kommt
*Hans sagt Unsinn
Hans redet Unsinn
Möglich nur anaphorischer Bezug auf die Komplement-Proposition:
Wer sagt das ? – Hans sagt das
propositionale Komplemente in allen syntaktischen Rollen:
1. valenzgebunden
SUBJEKT
mihi
opus
est
mir
notwendig
sei:3S.PR.IND
"ich muß mich waschen"
ut lavem
daß wasch:1S.PR.SUBJ
"klassisch" i.d.R. Infinitiv(konstruktionen), s. V-16
homini
necesse
est
Mensch.DAT.S
notwendig
sei:3S.PR.IND
"der Mensch muß sterben"
mori
sterb:INF
OBJEKT
Telebois
iubet
sententiam
Teleber.DAT.P
befehl:3S.PR.IND
Meinung.AK.S
"er befahl den Telebern, ihre Meinung zu sagen"
ut dicant
daß sag:3P.PR.SUBJ
"unpersönliche" Konstruktion
Problem bei propositionalem Subjekt
LFG Argumentlinking
1. Jeder Satz hat ein Subjekt
2. das semantisch höchstbewertete Argument fungiert als Subjekt
3. Ausnahme nur bei Diathesen (mit Modifikation des Prädikats)
mihi, homini als SubjekteLFG
Dagegen: Morphosyntaktische Strukturen:
Verbform im Prädikat kongruiert nur mit nominativisch markiertem Substantiv
vobis
euch.D
necesse
notwendig
est
sei:3S.PR.IND
fortibus
stark.D.P
viribus
Mann.D.P
esse
sei:INF
suam
sein:AK.S.F
79
"ihr müßt mit starken Männern zusammen sein"
*vobis necesse estis ...
Adjunkte (adverbiale Ergänzungen): trennen: semantische vs. syntaktische Funktion
me
ut
scribam
aliquid
hortaris
mich.A
daß
schreib:1S.PR.SUBJ
etwas
auforder:2S.PR.IND (Deponens!)
"du forderst mich auf, etwas zu schreiben" (...daß ich etwas schreibe)
adduxerunt
Cincinatum ut
herbeiführ:3P.PERF.IND
C.
daß
"sie führten C. herbei, damit er Diktator sei"
dictator
Diktator.N.S
esset
sei:3S.PRÄT.SUBJ
hortari fordert ein Komplement
pacem
hortari
non
desino
Friede.A.S
aufforder:INF
NEG
ablass:1S.PR.IND
"ich höre nicht auf, zum Frieden aufzufordern"
*me hortaris
dagegen: √ adduxerunt Cincinatum
finale Ergänzung hier adverbial (adjungiert)
(Vor allem) bei Komplementsätzen möglich:
kataphorische Artikulation des Komplements
Korrelat
Emma hat es gesagt, daß Hans kommt
anaphorisch: Emma hat es gesagt
NB: Anders bei Pronomen als Kopf eines propositionalen Attributs (Relativsatz)
Emma hat das gekauft, was sie Hans schenken will ( V-15)
terminologische Unsicherheit:
Wenn Hans zu Besuch kommt
"eingebetteter Satz"
machen wir ein großes Fest
V2
"Hauptsatz"
SATZ
Matrix
Subjunktion i.d.R. syndetisch (Default: dt. daß – lat. ut):
zusätzliche Markierungen (s. lat. Beispiele):
lat. Subjunktiv am Verb, dt. Wortstellung
In der Subjunktion: Einschränkung der Optionen für die Prädikation:
- keine unabhängige satzmodale Artikulation (Indikativ, Frage, Imperativ ...)
- keine unabhängige Tempusverankerung, sondern Taxis
consecutio temporum im Lateinischen:
relative chronoligsche Verhältnisse im komplexen Satz:
Gleich- / Vor- / Nachzeitigkeit der abhängigen Proposition:
80
Matrix
Präs. / Fut.
Präterit. (Ipf., Perf. ...)
GLEICHZ.
Konj.Präs.
Konj.Ipf.
abhängige Proposition
VORZ.
NACHZ.
Konj.Perf.
Pzp.Fut.+ Konj.Präs.
Konj.PlqPF. Pzp.Fut.+ Konj.Ipf.
dicas sag:2S.Präs.Konj
dixeris sag:2S.Perf.Konj
dicturus sis (sei:2S.Präs.Konj)
"ich weiß nicht, was du sagst / gesagt hast / sagen wirst"
ignoravi
quid diceres sag:2S.IPF.Konj
nicht.wiss:1S.PF.IND
was
dixisses sag:2S.PlPF.Konj
dicturus esses (sei:2S.Ipf.Kj)
"ich gewußte nicht, was du sagtest / gesagt hattest / sagen würdest"
ignoro
nicht.wiss:1S.Pr.IND
quid
was
GLEICHZ
VORZ
NACHZ
GLEICHZ
VORZ
NACHZ
Fazit:
der propositionale Ausbau ist bei jeder Konstituenten möglich, die als Ergänzung zum
Prädikat fungiert. Die übliche Etikettierung solcher Konstituenten in der generativistischen
Tradition ist nominal. Das ist auch durchaus sinnvoll, da ein solcher Ausbau im Deutschen
auch bei nominalen Prädikatsausdrücken möglich ist, die mit einem finiten verbalen
(kopulativen) Element zu einem Prädikat verbunden werden, vgl.
Mein Problem ist
nominales Element im Prädikatsausdruck
der Hans
schwer
daß ich morgen arbeiten muß
formale Repräsentation (LFG)
Formale Repräsentation der Integration (f-Struktur):
Egon glaubt, daß Hans Emma liebt
PRÄD
SUBJ
COMP
'
glauben < SUBJ, COMP >'
[PRÄD '
Egon'
]
PRÄD '
lieben < SUBJ, OBJ>'
SUBJ [PRÄD '
Hans'
]
OBJ [PRÄD '
Emma'
]
COMPFORM '
daß'
Egon glaubt an Gespenster
PRÄD
SUBJ
'
glauben < SUBJ, OBLan >'
[PRÄD '
Egon'
]
OBLan
OBL '
an'
OBJ [PRÄD '
Gespenster'
]
Anders bei Adjunkten:
81
Hans rennt, weil Oma ruft
PRÄD
SUBJ
'
rennen < SUBJ >'
[PRÄD '
Hans'
]
ADJ
PRÄD '
rufen <SUBJ>
SUBJ [PRÄD '
Oma'
]
ADJFORM '
weil'
Vgl. Hans rennt schnell
PRÄD
SUBJ
ADJ
'
rennen < SUBJ >'
[PRÄD '
Hans'
]
[PRÄD '
schnell']
82
V-15 Komplexe Sätze 3: Propositionaler Ausbau von Attributen
Propositionaler Ausbau
nominale Konstituente (NP)
{abhängig vom Prädikat; Attribut in NP}
nominale Konstituente
DP-Analyse (
V-11)
DP
NP
DET
funktionaler
Kopf
ATTR
Attribute:
lexikalisch spezialisiert:
Substantiv adjungiert
propositional ausgebaut
"Relativsatz"
N
lexikalischer
Kopf
Adjektive
adnominaler Kasus
"Relativsatz"
der alte Mann
das Alter des Mannes
ein Mann, der alt war,
abhängige Proposition: im Dt. V-letzt
Anders bei parataktisch angeschlossenem propositionalen Attribut:
Egon und Emma gingen gestern in einen Film. Den wollten sie schon immer sehen.
Egon und Emma gingen gestern in einen Film; den wollten sie schon immer sehen.
Egon und Emma gingen gestern in einen Film, den sie schon immer sehen wollten.
Integration
syntaktische Klammer (Relativpronomen RelPro)
Kongruenz
...............
KOPF
RelPro .......................
PRÄD .................
Rektion
der Mann
die Frau
die Kinder
den ich gestern
der Hans das Buch
die vor dem Haus
gesehen habe
gegeben hat
spielen
Anders:
• Relativpartikel
schweizerdt. der Mann, wo gestern auf Besuch kam
der Mann, wo ich ihn gestern gesehen habe
• Lücken-Anschluß (engl. gapping)
engl.
the man ∅ I saw
Folgen für die Informationsstruktur:
thematischer Anschluß (Kopf ist Thema / "Topik" der attributiven Proposition)
83
Anders wenn fokussiert: Voranstellung
Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben
vgl. das Leben bestraft den, der zu spät kommt
thematischer Anschluß: d-, vgl. Definitheitsmarkierung (d-Artikel)
fokussierender Anschluß: w-, vgl. Fragewörter (w-Wörter)
NB: w-Pronomen auch bei anaphorishem Bezug auf eine Proposition als Kopf:
Hans sammelt Bierdeckel, was (*das) ihm nicht viel einbringt
Der propositionale Ausbau eines Attributs hat in vielen Sprachen (so auch im Deutschen)
einen Sonderstatus gegenüber sonstigen Konstruktionen von komplexen Sätzen: Hier ist im
Gegensatz zu einer Subjunktion i.e.S. eine unabhängige (indikativische) Prädikation möglich,
was den Terminus eines Relativsatzes rechtfertigt. Insofern hat das propositionale Attribut
auch im Sinne der Informationsstruktur einen eigenen thematischen Horizont, wobei
allerdings das Topik durch die Anknüpfung an den Kopf festgelegt ist:
[ ........
Kopf
[ attributive Proposition ]RELATIVSATZ ] SATZ
↑TOPIK
Eine unabhängige Topikalisierung ist (zumindest im Deutschen) ausgeschlossen:
[ ........
Kopf
[ attributive Proposition ]RELATIVSATZ ] SATZ
↑TOPIK
Diese informationsstrukturelle Bindung der attributiven Konstruktionen kann insbesondere zu
kontrastiven Zwecken genutzt werden, indem so die informationsstrukturelle Defaultabfolge
Thema (θ) << Rhema (ρ) überschrieben werden kann:
θ
ρ
Wer zuletzt kommt,
den
bestraft das Leben
↑FOKUS
anaphorisch
Die Fokussierung erfolgt hier mit einem w-Pronomen, das so ja auch in (Ergänzungs-) Fragen
genutzt wird. Das d-Proponen im rhematischen Feld ist hier definitionsgemäß kein Topik
(vergl. auch bei einem Frage-Antwort-Paar:
Wer war das ? - Der war das.
2. syntaktische Modellierung (LFG)
Nachtrag: Informationsstruktur in LFG
Überlagerung (engl. overlay)
Satz: Informationsstruktur
Proposition: Argumentstruktur,
Grammatische Relationen ...
DF (discourse functions)
TOPIC, FOCUS ...
SUBJ, OBJ ...
84
Topik: Default SUBJ
sonst: Spezifiziert
Default: Hans hat Emma einen Blumenstrauß geschenkt
(Topik od. Fokus): Einen Blumenstrauß hat Hans Emma geschenkt
TOPIK
PRÄD '
Blumenstrauß'
DEF -
PRÄD
SUBJ
OBJ
OBJ2
'
schenken <SUBJ, OBJ, OBJ2>'
PRÄD '
Hans'
PRÄD '
Emma'
Im gleichen Schema Relativsätze:
der Mann, den ich gestern gesehen habe, ging spazieren
PRÄD '
spazieren.gehen <SUBJ> '
PRÄD
DEF
SUBJ ADJ
'
Mann'
+
TOPIK PRÄD '
PRO'
PRON '
d- '
PRÄD '
sehen <SUBJ; OBJ > '
SUBJ
OBJ
ADJ
3. semantische Fragen (
PRÄD '
pro'
PERS '
1'
NUM '
SG'
PRÄD '
gestern'
Definitheit in V-11)
appositive Attribute
Hans, mein bester Freund, kam gestern auf Besuch
Hans kam gestern auf Besuch
Mein bester Freund kam gestern auf Besuch
Die Apposition:
- ist syntaktisch adjungiert ("frei"),
- leistet keine referenzielle Spezifizierung
85
propositionaler Ausbau eines Attributs: [± adjungiert]
[± restriktive] "Relativsätze"
[- restriktiv] Hans, der Taxifahrer ist, schläft schlecht
Hans schläft schlecht
[- restriktiv] ein Mensch, der Taxifahrer ist, schläft schlecht
?? ein Mensch schläft schlecht
Typologie: im Deutschen [± restriktive] "Relativsätze" homonym (aber u.U. prosodisch
differenziert):
Kinder, die noch nicht erwachsen sind, haben wenig Sorgen
86
V-16 Finitheitsskala: Form des Prädikats in Nebenprädikationen (Subjunktive,
Partizipien, Infinitive ...)
1.
2.
3.
4.
5.
finit – infinit morphologisch
finit – infinit syntaktisch
syntaktische Struktur von Nebenprädikationen
Integration infiniter Formen in komplexe Prädikate
formale Darstellung von Nebenprädikationen (LFG)
1. finit – infinit morphologisch
finit < lat. finis "Grenze", fini-re "begrenzen"
vgl. Definition: Abgrenzung eines Begriffs
in antiker Sprachreflexion: semantisch verstanden: definit = was einen Ausdruck begrenzt
vollständig interpretierbar macht
jüngere Terminologie, differenziert nach Wortarten:
definit
nominale Konstituente (DP)
verbale Konstituente
finit
traditionelle schulgrammatische Begrifflichkeit morphologisch:
Tichy, Idg. Grundwissen (S. 81 [82])
finite Verbalform = Personalform (d. Verbs)
griech. Tradition komplexer:
par-em-pha-tik-os "daneben bezeichnend (d.h. neben der lexikalischen
Verbbedeutung) ": Person, Numerus, Modus, Tempus
a-par-em-phatik-os "nicht daneben bezeichnend"
So in lat. Schulgrammatik (z.B. Rubenbauer / Hofmann, Lat.Grammatik, 121995, S. 64 – 65)
• vollbestimmte Verbalformen (verbum finitum) im Latein:
vollbestimmt durch die Bezeichnung 1. der Person, 2. der Zahl (Numerus), 3. der
Aussageweise (Modus), 4. der Zeit (Tempus), 5. der Zustandsform (Genus [ Diathese])
• (nicht-vollbestimmte Formen:) Nominalformen (verbum infinitum):
nicht bestimmt hinsichtlich der Person.
- substantivisch (deverbale Substantive: Verbalnomina): Infinitiv, Gerundium, Supinum
-adjektivisch (deverbale Adjektive): Partizip, Gerundivum
Block V (Wortbildung)
morphologische Finitheit (m-finit, z.B. p-finit: morphologisch für die Person markierte
Form)
2. finit – infinit syntaktisch
Basis: (semantische) Interpretierbarkeit
(voll) finit
syntaktisch finit (s-finit): Satz
Finitheitsmarkierung am (Haupt-) Prädikat des Satzes (
Komplexer Satz hat mehrere Propositionen:
Kopf abhängiger Propositionen: sekundäre Prädikate
sekundäre Prädikate: [- s-finit], [± m-finit]
m-finit)
87
vgl. V-14:
sekundäres Prädikat: [- s-finit], [+ m-finit] "Subjunktiv":
adduxerunt
Cincinatum ut
dictator
herbeiführ:3P.PERF.IND
C.
daß Diktator.N.S
"sie führten C. herbei, damit er Diktator sei"
Subjunktiv: p-finit, aber Einschränkung der weiteren Markierungen (
V-14)
sekundäres Prädikat: [- s-finit], [- m-finit] "Infinitiv" :
vobis
necesse
est
fortibus
euch.D notwendig sei:3S.PR.IND
stark.D.P
"ihr müßt mit starken Männern zusammen sein"
viribus
Mann.D.P
esset
sei:3S.PRÄT.SUBJ
consecutio temporum,
esse
sei:INF
sekundäre Prädikate: [- s-finit], [± m-finit] in allen syntaktischen Positionen, in denen
propositionaler Ausbau möglich ist (nominale Konstituenten), z.B.:
• valenzgebundenes Satzglied, z.B. Subjekt ([- s-finit], [- m-finit])
vobis
necesse
est
fortibus
viribus
esse
euch.D notwendig sei:3S.PR.IND
stark.D.P
Mann.D.P
sei:INF
"ihr müßt mit starken Männern zusammen sein"
• Adjunkt ([- s-finit], [+ m-finit])
adduxerunt
Cincinatum ut
herbeiführ:3P.PERF.IND
C.
daß
"sie führten C. herbei, damit er Diktator sei"
dictator
Diktator.N.S
esset
sei:3S.PRÄT.SUBJ
• Attribut ([- s-finit], [- m-finit])
Graecis
Macedoniam
accole-nt-ibus
metus
minuitur
Grieche.D.P Makedonien.A
wohn:PZ.Pr-D.P Furcht.N.S wenig.werd:3S.Pr.Ind
? "Bei den bei Makedonien wohnenden Griechen wurde die Furcht weniger"
Bei den Griechen, die bei Makedonien wohnten, wurde die Furcht weniger"
Finitheitsskala:
[+ s-finit] ( [+ m-finit]) : Hauptprädikat
[- s-finit] [+ m-finit] : Nebenprädikat I
[- s-finit] [- m-finit] : Nebenprädikat II
Typologisch variabel: sekundäre Prädikationen [± m-finit]:
-Türkisch hat keine Subjunktive: sekundäre Prädikationen [- m-finit]
aber Kontakteinfluß alt:
Attributsätze mit ki + Verb [+ m-finit] aus dem Persischen, in Türkei stilistisch
eingeschränkte (literatursprachliche) Option, im Deutsch-Türkischen generalisiert
- im Marokk. Arab. sekundäre Prädikation immer [+ m-finit] , ähnlich Berber, außer
attributiv: immer [- m-finit] …
Vor allem auch in typologischer Hinsicht ist [s-finit] die grundlegende Dimension der
Finitheit: Sie faßt die (± selbständige) Fundierung der Interpretation der propositionalen
Struktur – unabhängig von dem, was in den jeweiligen Sprachen als fundierungsmarkierung
grammatisiert ist (Tempus wie im Deutschen, Respekt wie im Koreanischen ...). [-s-finite]
konstruktionen können nur an diesen Bestimmungen (der Matrix) partizipieren, was durchaus
in einem breiten Spektrum von [± m-finiten] Formen der Fall sein kann, wie die komplexen
88
Verhältnisse der Taxis in den klassischen Schulsprachen zeigt. In dieser Hinsicht sind die
Übergänge in den morphologisch reichen Sprachen u.U. fließend, wie die Taxis bei [- mfiniten] Formen im Lateinischen und Griechischen zeigt (Partizipien, Infinitive). [p-finit] ist
ein typologisch sehr eingeschränkter Fall von [+ m-finiten] Formen, der in den klassischen
Schulsprachen dieses Spektrum abhängiger Prädikate ([- s-finit]) erweitert, wie die
Subjunktive zeigen.
Terminologisch ist festzuhalten: geht man von der taditionelen Grundutnescheidung in
"nominale" und "verbale" Formen aus, so bleiben "nominale" "verbale" Formen solange
"verbal", wie sie syntaktisch eine prädikative Funktion übernehmen:
bewahrte verbale Rektion: als Kopf einer Proposition
(1) substantivisch
- invariabel (etymologisch: meist zu Partikeln "erstarrte" Kasusformen … )
-Infinitive (s.o.)
- Supinum (SUP)
iste
domu-m
venit
fura-tum
jener.NS
Haus-A.S
komm:PERF.3S
stehl:-SUP
"jener kam ins Haus um zu stehlen"
-variabel (Kasusmarkierung)
- Gerundium
viv-end-i
cupiditas
beat-e
Verlangen.N.S
glücklich-ADV
leb-GER-G.S
? "das Verlangen des glücklich Lebens"
"das Verlangen, glücklich zu leben"
Sprachspezifisch sind hier bei gerundialen Formen unteschiedliche Grade der Verbalität
auszumachen, wie sich bei der weiteren Modifikation zeigt:
Modifikation:
er läuft schnell
adverbial
beides
deutsch
sein schnelles Laufen
attributiv (adjektivisch)
adverbial
möglich ??
?? sein schnell Laufen
lateinisch
beate vivendi ..
adverbial
(2) adjektivisch (variabel)
- Partizip (s.o.
± aktivisch)
Dabei ist der Diathese-Unterschied mit einem der Taxis verküpft:
-ans : aktiv und simultan
-atus : passiv und resultativ
- Gerundivum (GDV
passivisch / deontisch: "zu tun")
re-i
ger-end-ae
diem
dicere
Ding-D.S
mach:-GDV-D.S
Tag.A.S
Sagen.INF
"den Tag für die auszuführende Sache sagen" (den Tag für die Ausführung ...)
In der Typologie üblicher Terminus:
Konverben: adverbiale Nebenprädikate. Der häufig auch hierfür zu findende Terminus der
"Gerundien" ist irreführend, ausgehend von einer Marotte der englischen Schulgrammatik:
deutsche Schulgrammatik: Partizip (laufend, gelaufen) als Formbestimmung
englische Schulgrammatik: Gerund (singing) als Formbestimmung gekoppelt an Funktion
(substantivisch ∪ adverbial).
89
Vgl. den unterschiedlichen formalen Synkretismus im Dt. und Englischen:
deutsch
englisch
substantivisch
Verbalnomen
∅
he likes singing
attributiv
Verbaladjektiv
ein singender Vogel
a singing bird
konverbal
Verbaladverb
er kam singend an
he arrived singing
3. syntaktische Struktur von Nebenprädikationen
voll ausgebaute Proposition: Prädikat [+ m-finit]
kongruierendes Subjekt
unabhängiges Szenario
Hans versprach Emma, daß Egon Kartoffeln einkaufen würde
Wenn sekundäres Prädikat [- m-finit]
kein Subjekt,
Hauptaktant der sekundären Proposition interpretiert durch Kontrollbeziehung zur Matrix:
Hans versprach Emma, Kartoffeln einzukaufen Kontrolle durch Subjekt
Emma sah Hans Kartoffeln einkaufen Kontrolle durch Objekt
Die unterschiedliche Perspektivierung der Struktur komplexer Sätze ( V-14) bestimmt auch
die Art, wie die syntaktische Binnenstruktur gesehen wird:
- geht man vom Prädikat als Kopf einer Proposition aus, lizensiert ein Prädikat, das [- m-finit]
ist, kein Subjekt: Hier ist Subjekt eine abhängige Variable, die mit der Übernahme weiterer
Funktionen korreliert, die den Satz (und nicht die Proposition) als Domäne haben: TopikFunktion u.dgl.
- geht man von der Vorstellung einer grundlegenden Subjekt-Prädikats-Struktur aus, bei der
das Subjekt i.S. der antiken, an der Logik ausgerichteten Vorstellung grundlegend ist, mit dem
das Prädikat kongruiert, kann bei fehlendem Subjekt kein m-finites Prädikat stehen (da die
Kongruenz-Bedingung entfällt).
Terminologisch / begrifflich entspricht dem die unterschiedliche Redeweise:
• bei der Ausbauperspektive von Konstituenten:
Infinitivkonstruktion (nicht voll ausgebaute Proposition ...)
• bei der Einbettungsperspektive von "Sätzen" (generative Grammatik):
Infinitiv"sätze"
reduzierte Sätze
4. Integration infiniter Formen in komplexe Prädikate
Ausbau von Prädikaten mit infiniten Formen ("Verbalperiphrasen")
Hans hat Emma geliebt ~ ... weil Hans Emma geliebt hat
[geliebt
V-infinit (< Partizip)
(Hauptverb:
Valenzträger)
hat
]Prädikat
V-finit
Hilfsverb
90
LFG: funktionale Kategorien können syntaktischen (
Struktur durch ein Prädikat repräsentiert zu sein:
Wort-) Status haben, ohne in der f-
S
↑=↓
VP
NP
↑=↓
V
liebt
Hans
(= IP)
NP
Emma
↑=↓ "was oben steht, hat seine syntaktischen Eigenschaften von dem, was unten steht"
S
↑=↓
IP
NP
Hans
↑=↓
AUX
hat
VP
↑=↓
V
geliebt
5. formale Darstellung von Nebenprädikationen (LFG)
generativistische Tradition: reduzierte Satzstruktur:
- abhängige Proposition COMP
- offene Konstituente (Variable: hier Subjekt) XCOMP
Hans versprach Emma
PRÄD
SUBJ
OBJ
,
einen Blumenstrauß
Kartoffeln einzukaufen
'
versprechen < SUBJ, OBJ, XCOMP >'
[PRÄD '
Hans']
[PRÄD '
Emma']
PRÄD '
einkaufen <SUBJ, OBJ> '
XCOMP SUBJ
OBJ [PRÄD '
Kartoffeln']
NP
Emma
91
V-17 Prädikative und "marginale Syntax"
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Prädikative 1: nicht-verbale Prädikate
Prädikative 2: nicht-propositional ausgebaute Nebenprädikationen
Prädikative 3: Grundlagen einer formalen Analyse
formale Darstellung 1: GB
formale Darstellung 2: LFG
marginale Syntax: "small clauses" / "minor clauses"
Fazit zur Prädikation
8. Prädikative 1: nicht-verbale Prädikate
grammatische Tradition:
Prädikative sind Prädikate oder Prädikatskonstituenten, die nicht verbal sind:
Hans ist alt
Adjektiv
Hans ist ein Idiot
Substantiv (NP)
Hans ist in Bonn
Präpostionalgruppe
Mein Problem ist, daß Hans ein Idiot ist
Proposition
Im Deutschen Kopula erforderlich:
Kopula regiert keine Ergänzung: keine (oblique) Kasusmakierung:
Prädikativ (Prädikatsnomen ...) im Nominativ
Verallgemeinerung 1: kopulative Verben paradigmatisch zur Kopula:
Hans bleibt ein Idiot
Hans wird ein Idiot
Verallgemeinerung 2: transitive Verben mit einem Prädikativ:
- als zweite "oblique" Ergänzung bei aktivischer Form
Emma nennt ihren Mann einen Idioten
- als zweite Nominativ- Ergänzung bei passivischer Form:
Ihr Mann wird von Emma ein Idiot genannt
Prädikative-1 sind obligatorische Konstituenten (als Prädikatskopf oder valenzgebunden)
9. Prädikative 2: nicht-propositional ausgebaute Nebenprädikationen
Hans rennt vergnügt nachhause
≠ Der vergnügte Hans rennt nachhause
≠ Hans rennt schnell nachhause
Attribut (in NP)
Adverb(ial)
rennen (Hans, nachhause) & vergnügt (Hans)
sekundäre Prädikation über einem Argument, aber eingebunden in die Hauptprädikation
Depiktive
formale Markierungen der Depiktive:
Dt. ~ Adverbiale: Adjektive ohne flexivische Markierung (≠ Attribute)
DUDEN "Satzadjektive"
92
Latein = Attribute: kongruieren
Gall-i
laet-i
in castr-a
perg-unt
Gallier-NP
froh-NPM
in Lager-AP
zieh:-3P.PRÄS.IND
attributiv
"Die vergnügten Gallier ziehen ins Lager ein"
"Die Gallier ziehen vergnügt ins Lager ein"
prädikativ / depiktiv
≠ Adverbiale
Gall-i
laet-e (celer-iter)
in castr-a
perg-unt
"Die Gallier ziehen auf vergnügte Weise (schnell) ins Lager ein"
ebenso Englisch : morphologisch Prädikativ = Attribut ≠ Adverbiale, aber differenziert
durch Konstituentenfolge:
attributiv
The cheerful Gauls enter the camp
The Gauls enter the camp cheerful
prädikativ / depiktiv
The Gauls cheerfuly enter the camp
adverbial
?? Russisch: Lang- vs. Kurzform der Adjektive
on
o en' '
bodr-yj
er
sehr
vergnügt-NSM
"er ist sehr vergnügt"
er ist ein vergnügter Mensch (sein Naturell ist so)
ra
on byl
v e'
gestern
er war.3SM
"gestern war er sehr vergnügt"
o en' '
bodr-∅
sehr
vergnügt
er ist es sonst nicht
russ. "freies Attribut" (obo'
soblennoje oprede'
lenije)
depiktiv
??
pri'
jexal
on
tu'
da
'
bodr-yj
ankommen.PRÄT.SM
er
dort
vergnügt-NSM
"er kam dort vergnügt an"
Depiktiv: Sekundäre Prädikation über einem Argument: auch oblique Ergänzungen
er trinkt den Kaffee schwarz (≠ er trinkt den schwarzen Kaffee)
bei substantivischem Depiktiv: Partikelmarkierung
Hans trug als netterNOM SchwiegersohnNOM Mama die Einkaufstasche
3. Prädikative 3: Grundlagen einer formalen Analyse
Eine depiktive Nebenprädikation fokussiert einen Akteur im Szenario, der dabei in das
Seznario durch die Hauptprädikation eingebunden bleibt. Um die semantischen
Verhältnisse einer depiktiv ausgebauten Proposition deutlicher zu machen, kann man eine
an prädikatenlogische Darstellungen angelehnte Repräsentation verwenden, die mit einer
Ereignis-Variablen e operiert. Ein komplexe Aussage wie
Hans rennt vergnügt nachhause
verknüpft zwei Aussagen über ein Ereignis ei :
Hauptprädikation: [rennen (Hans, nachhause)] (ei)
Nebenprädikation: vergnügt (Hans, ei)
Paraphrasiert: Bei dem Ereignis ei (=Hans rennt nachhause) war Hans vergnügt
93
Eine nicht ganz befriedigende Notation wäre etwa:
(∃ ei) [rennen (Hans, nachhause)] (ei) & vergnügt (Hans, ei)
Abgesehen davon, daß noch weitere Spezifizierungen der Ereignismodellierung
dargestellt werden müssen, befriedigt diese Analyse nicht, weil der Junktor '
&'die
Verhältnisse nur unzureichend faßt. Aber als erste Intuition mag das als Folie für die
folgenden Bemerkungen zu den vorliegenden syntaktischen Analysen durchgehen.
Für die syntaktische Analyse ist der zentrale Aspekt, daß Depiktive nicht nur nicht [mfinit] sind, sondern kein verbales Prädikat (Prädikatselement) aufweisen. Eine explizite
Paraphrase muß ein solches finites Element einführen, im Regelfall eine Kopula, also
Hans rennt vergnügt nachhause
Hans rennt nachhause und Hans ist (dabei) vergnügt
Ebenso bei "Objektsprädikativen", vgl.
Hans glaubte seinen Vater schon dem Sterben nahe
Hans glaubte, daß sein Vater schon dem Sterben nahe war.
Als besondere Markierung solcher depiktiver Konstruktionen können auch Partikel wie
als dienen:
Hans trug [als netter Schwiegersohn] DEPIKTIV Mama die Einkaufstüten
vgl. damit die Integration einer Infinitivkonstruktion durch den obliquen Kasus beim
Hauptaktanten:
Hans sah [den netten Schwiegersohn Mama die Einkaufstüten tragen]
NB: Diese Depiktiv-Partikel sind keine Präpositionen: Sie regieren kein Objekt (weisen
keinen Kasus zu).
4. formale Darstellung 1: GB
Da Prädikation < Satz (transformationell: Reduktion) "small clause"
Hans trinkt den Kaffee, der schwarz ist
S
Hans
VP
trinkt
DP
den
NP
Kaffee
CP
C = d-
IP'
er
IP
INFL
ist
PRÄD
(ADJ)
schwarz
94
Hans tinkt den Kaffee schwarz
S
Hans
VP
trinkt
DP
den
NP
Kaffee
AGRP' (~ IP'
)
t
(Kaffee)
AGRP
AGR
e
(als)
(~IP)
PRÄD
(ADJ)
schwarz
In solchen GB-Analysen erhält die Depiktiv-Konstruktion einen "tiefenstrukturellen"
prädikativen Kopf, für den auch ("oberflächen-nah") eine Depiktivpartikel wie als
eingesetzt wird (ähnlich wie bei Infinitivkonstruktionen in der GB zu als Äquivalent zum
finiten Prädikat angesetzt wird).
s. Haegeman, GB-Theory, 2. A (2001): 172
5. formale Darstellung 2: LFG
- generativistische Tradition: < propositionale Struktur adjungiert
- "offene" Konstruktion XADJ
PRÄD
SUBJ
OBJ
XADJ
'
trinken < SUBJ, OBJ > '
[ PRÄD '
Hans']
[ PRÄD '
Kaffee']
DEF +
PRÄD '
schwarz <SUBJ>
SUBJ
6. marginale Syntax: "small clauses" ≠ "minor sentences"
marginale Satzstrukturen sind semantisch finit:
ich und ein Lügner ?
ich und Bier trinken?
vgl. Paraphrasen
ich soll ein Lügner sein?
ich soll Bier trinken?
95
1. "expressiv" markierte Ausdrucksweise ( Prosodie)
2. situativ gebundene Form (häufiger nur mit 1. und 2. Person)
ABER
konventionelle Form:
1. binäres Schema X + Y ~ Subjekt + Prädikat
2. formales Element markiert Prädikat (Äquivalent zu INFL ...)
3. hinzu kommt (gesprochen) eine besondere Intonationskontur
SUBJ PRÄDIKAT
ich
und ein Lügner
soll ...
Eine explizite Paraphrase kann hier sein: "Es ist nicht wahr, wenn man sagt, daß ich ein
Lügner sei" – diese Konstruktion ist also nicht indikativisch.
7. Fazit zur Prädikation
Die verschiedenen Ausbauformen eines (komplexen) Satzes zeigen eine Skala der
Prädikation, von denen der (z.B. in der LFG übliche) Gebrauch des Terminus Prädikat für ein
deskriptives Inhaltselement gewissermaßen einen Grenzwert bildet. In einer nominalen Form
zeigt diese Skala die folgenden Stufen:
- als Feder in einer Komplementnute zum
syntaktischen Prädikat:
er sieht einen Baum
- als depiktives sekundäres Prädikat:
er steht da wie ein Baum
- als Prädikatsnomen in einer (Haupt-)Prädikation:
das ist ein Baum
Weitere Differenzierungen auf dieser Prädikationsskala setzen in Sprachen wie dem
Deutschen einen verbalen Charakter des nuklearen Prädikats voraus.
96
Block IV Wort
V-18 Was ist ein Wort ?
1. Vorverständnis
2. Das Erbe: (klassische) Schulsprachen
3. Ebenen der Betrachtung
3.1.
Konzepte (Weltwissen): lexikalisches Wort
3.2.
syntaktische Einheiten (atomare Federn in syntaktischen Nuten): syntaktisches
Wort
3.3.
morphologische Konstrukte: morphologisches Wort
3.4.
phonologische (prosodische) Einheit: phonologisches Wort
1. Vorverständnis
Selbstverständlicher Begriff: Sprache
Wörter
in strukturaler Sprachwissenschaft bleibt Wort eher ein vorwissenschaftliches Konzept (im
Bereich der Gegenstandsbestimmung) gegenüber den theoretisch begründeten
Modellierungen: {Morpheme, Satz}
Alltagsverständnis heute (literate Gesellschaft!) durch Schule (Schreibunterricht) bestimmt:
Wort graphisches Wort (Ausgrenzung im Text durch Spatien)
Sprache
Σ Wörter (Wörterbuch)
Johannes-Evangelium, 1.1.
Luther: Am Anfang war das Wort / und das Wort war bey Gott / und Gott war das Wort
Vorlagen: Evangelien, griech. überliefert:
logos
Vulgata: in principio erat verbum
moderne kathol. Übersetzung: Am Anfang war der Logos (das Wort) ...
Problem: Luther hat Randglosse zu Genesis I, die zeigt, daß er hier ein weites Verständnis
von Wort voraussetzt:
Genesis I,3 Und Gott sprach / Es werde Liecht ...
Wort: "Redeteil" – vgl. Pl. Wörter vs. Worte (viele Worte machen ...)
Für die Modellierung besteht also die AUFGABE:
dem konventionellen (schulisch) habitualisierten graphischen Wort eine analytische
Explikation gegenüberzustellen
2. Das Erbe: (klassische) Schulsprachen
bei dt. – griech. Übersetzung:
'
epos "Wort, Äußerung, Sprichwort, Vortrag (Gesang ...)"
zu eipon "reden, sprechen"
'
logos "Wort, Satz, Rede, Debatte, Erklärung, Rechnung, Sprichwort, Erzählung ..."
zu legoo "sagen, reden, sprechen ..."
'
lexis "Wort, Wortform, Redeweise, Text ..."
97
zu legoo "sagen, reden, sprechen ..."
'
rheema "Wort, Gesagtes, Redeinhalt ..."
zu e'
roo "sagen, verkünden"
bei spezifischer Verwendung eines referierenden Terms: onoma "Wort, Name .."
bei dt. – lat. Übersetzung:
verbum "Wort, Gesagtes, Sinn, Sprichwort, Text(teil) .."
vgl. verboo "mündlich" (im Ggs. zu scripturaa "schriftlich"),
verbatim "wortlich" ...
vocabulum "Wort, Bennennung, Name, ..."
zu vocoo "rufen", vox "Stimme", vocalis "laut" ...
bei spezifischer Verwendung eines referierenden Terms: nomen "Wort, Name .."
FAZIT: Isolierung eines Konzepts "Wort" ist jung, sekundär
Grammatikreflexion des Schreibunterrichts
antikes Schreiben: scriptio continua ...
Reflexionsbegriff beim Schreiben in Wörtern
NB: Parallel so auch im Arabischen ...
kalima "Wort, Rede, Äußerung, Ansprache, Sentenz, kurze Mitteilung, Abhandlung, Geltung,
Machtstellung ..."
zu °k-l-m° "reden, sprechen, anreden, äußern, aussprechen ..."
In modernen Sprachen: Lehnbildungen zu latein-griechischer (später!) Schultradition:
gebunden an die konventionelle graphische Isolierung von Textsegmenten
==> graphisches Wort
3. Ebenen der Betrachtung
3.1 . Konzepte (Weltwissen): lexikalisches Wort
Wortschatz (Thesaurus, gr. thesau'
ros)
symbolische Verdichtungen von Wissenselementen, die im (Langzeit-) Gedächtnis fest
gespeichert sind
==> enzyklopädische Wörterbücher
Löwe, Giraffe .... Mann, Kind ... England, Irland ... Luft, Eisen ... Verstand ...
Konzepte: [± konkret] [± belebt] [± menschlich] ...
Klassifikationen: Tuwörter, Dingwörter ...
der1 Apfel2 ist3 vom4 Baum5 gefallen6
6 graphische Wörter, wieviel Konzepte?
Autosemantika: Apfel, Baum, fallen
Synsemantika: der, ist, vom
LFG: Prädikate – deskriptiver "Inhalt":
∃x Apfel (x), ∃x fallen (x) ...
ABER NICHT * ∃x der (x), * ∃x ist (x) ...
•
Wörter können Konzepte ausdrücken, müssen es aber nicht (Synsemantika)
98
• Konzepte können mit einem Wort ausgedrückt werden, müssen es aber nicht: der Müll,
der nach einem Umzug auf der Straße herumliegt, ...
• in einem Wort kann mehr als ein Konzept ausgedrückt werden: Straßenmüll,
Straßenumzüge, Straßenumzugsmüll ...
FAZIT: zwar konventionell üblich, lexikalische Wörter in den Blick zu nehmen, aber diese
sind für die Sprachanalyse ==> als analytische Explikation des graphischen Wortes wenig
brauchbar
3.2 . syntaktische Einheiten (atomare Federn in syntaktischen Nuten): syntaktisches
Wort
Korrespondierend zur graphischen Ausgrenzung: syntaktische Feder
Nuten definiert durch syntaktische Muster (Konstruktionen)
Der ___ ist vom Baum gefallen
{Apfel, Baum, Mann, Knabe, Kater, Gedanke ...}
Der Apfel___ vom Baum gefallen
{war, wäre, kommt ....}
Nuten definieren Anforderungen an die Federn (Wortformen):
Der ___ ist vom Baum gefallen
N.S.M {Apfel, Baum, *Äpfel, *Apfels ...}
Binnenstruktur der Feder (außer soweit kompatible Eigenschaften in ihr zu verankern sind)
für die Nute irrelevant (syntaktisch nicht sichtbar):
Die Schalen des
[-s] gammeln vor sich hin
G.S.M {Apfels, Baums, Apfelgeschenks, Birnenobstsalats ...}
*Birnen P.F. !!
vgl. ein Vergißmeinnicht, zwei Vergißmeinnichte
Grenzfall: univerbierte Ausdrücke
NB: verb- = Wort !
Semantische Interpretation erfolgt über die Feder als ganze, nicht über Konstituenten der
Feder, vgl. bei anaphorischem Bezug:
Die Schalen des Birnenobstsalats, den Emma zubereitet hat, vergammeln
*Die Schalen des Birnenobstsalats, die Emma eingekauft hat, vergammeln
Bei nur syntagmatischer Verbindung bleiben dagegen die Konstituenten einzeln erreichbar,
vgl.
Die Birnen für den Obstsalat, den Emma zubereiten will, vergammeln
Die Birnen für den Obstsalat, die Emma eingekauft hat, vergammeln
Wort bildet eine Barriere für syntaktische Operationen:
der saure Birnenobstsalat
der Birnensaureobstsalat
syntaktisches Wort
LFG: Lexikalische Integrität syntaktischer (Elementar-) Einheiten
Problemfälle: syntaktische Federn mit syntaktischer Binnenstruktur
Idiome / Phraseologismen
99
Hans bockt
Hans geht mit dem Kopf durch die Wand
keine kompositionelle (syntaktisch konstruierte) Bedeutung
≠ Hans steckt den Kopf durch die Wand
Hans setzt seinen Kopf durch
Emma setzt ihren Kopf durch
syntaktische Einheit: Konstruktion mit (partieller) Transparenz
marginale (Grenz-) Fälle
für syntaktische Beziehungen
WEITER V-20 Wortbildung
3.3 . morphologische Konstrukte: morphologisches Wort
Ein Wort hat in (morphologisch reichen) Sprachen eine komplexe Wortform (außer: Partikel)
die traurigen Worte eines Donaudampfschiffahrtskapitänchens ...
≠ Syntagma (syntaktische Konstruktion): Für das Wort gilt:
• starke Kohäsion der morphologischen Elemente
• festliegende Abfolge der morphologischen Elemente
Im Regelfall:
syntaktisch "wirksame" morphologische Markierungen an der Wortperipherie
eines Donau-damp-fschiff-fahrt-s-kapitän
-chenGenus / Kongruenz:
..., das gestern ...
≠ ..., der gestern ...
-s
Kasus:
adnominal
≠ eines ...-∅
grammatisches Wort
Wortform mit den nutenspezifischen Markierungen (irreführende Redeweise: funktionale
Köpfe des Worts ==> Syntax!)
Konventionelle Frage der Zitierformen im Wörterbuch: Abstraktion von den
nutenspezifischen Wortformdifferenzen:
Lemmatisierung eines Paradigmas (Lemma < gr. leg-ma, so.)
Problemfälle:
Inkongruenz von grammatischem und syntaktischem Wort
• idiomatische Ausdrücke (mehrere grammatische Wörter im syntaktischen)
• grammatische Markierungen ohne Wortkohäsion: mehrere syntaktische Wörter
Hans singt heute
Hans hat gestern gesungen
LFG: c-Struktur vs. f-Struktur
syntaktische Wörter in c-Struktur isoliert (flexivische Elemente ggf. als funktionale Köpfe
(Auxiliare, Determinatoren ...)
100
grammatische Einheiten (Wörter ?) dagegen in f-Struktur:
hat gesungen ~ singen mit Attribut [TEMP Perfekt]
der Apfel ~ Apfel mit Attribut [DEF +]
Weiter V-21: Komplexe Prädikate u. dgl.
3.4 . phonologische (prosodische) Einheit: phonologisches Wort
phonologisches Wort als prosodische Domäne:
- Akzentkontur
Akzenthierarchie bei Komposition:
DAmpf – SchIff – FAhrt ==> '
DAmpf°schiff&fAhrt
- in anderen Sprachen Vokalharmonie etc. (Typologie)
Problemfälle:
Inkongruenz von grammatischem / syntaktischem und phonologischem Wort
• mehrere grammatische Wörter im phonologischen Wort: Klitisierungen
• Sprachen mit nur satzprosodischer / syntagmatischer Ausgrenzung von phonologischen
Einheiten (kein Wortakzent ...): Französisch, mar. Arabisch ...
Klitisierungen:
] Wie geht'
s
[
drei grammatische Wörter: | wie | geht | es ?
prosodische Wörter werden artikuliert in Funktion der prosodischen (intonatorischen)
Gliederung des Satzes
ggf. inkongruent zu syntaktischer Gliederung ??
der Vogel sitzt [ ' ] Baum
PP
DP
NP
Präp
auf
Det
dem
N
Baum
aufm ==> ???
Fazit: Keine Reduktion des habitualisierten graphischen Wortes auf eine der Analyseebenen:
graphisches Wort
Konzept
Syntax
Morphologie
Phonologie
Die Selbstverständlichkeit des vortheoretischen Konzepts Wort vedankt sich einer
metasprachlichen Reflexion: Ein Wort ist in der Regel (selbständig) interpretierbar und
insofern auch zitierbar; daher wird es in der Regel auch mit seiner Zitierform assoziiert. In
den älteren Sprachen steht der Terminus (logos, verbum) entsprechend auch für alle
101
sprachlichen Einheiten, die diese Eigenschaften auch haben – und eben i.d.R. auch
umfangreicher als (nur) ein Wort sind.
Eigenschaften, die Wörtern zugeschrieben werden, haben denn auch in der Regel diesen
metasprachlichen Charakter (Strukturen in Wortfeldern, semantische Beziehungen wie
Synonymie, Antinomie ...). Am wenigsten "sichtbar" sind die syntaktisch definierten Attribute
(Wort als Feder in einer syntaktischen Nute), die sich aber bei einer systematischen
Betrachtung als grundlegend erweisen.
102
V-19 Wortarten
1. Tradition der Schulgrammatik
2. Wortarten differenziert nach den Ebenen der Wortbetrachtung (18.Vlsg)
3. Formale Ansätze (GB, LFG)
1. Tradition der Schulgrammatik
Kanonisierung in der griechischen Schulgrammatik
Dionysios Thrax (- 1.Jhd.) Tekhnee grammatikee ("grammatische Kunst / Handwerk"):
"Es gibt acht Teile des Satzes (tou '
logou '
meree): Nomen ('
onoma), Verb ('
rheema), Partizip
(meto'
khee), Artikel ('
arthron), Pronomen (antoony'
mia), Präposition ('
Prothesis), Adverb
(epi'
rheema), Konjunktion ('
syndesmos)."
Basis syntaktischer Klassifikation (Satzfunktionen)
Grundlage der Schulgrammatik bis heute, z.T. nur weiter differenziert (8 – 12 "Wortarten"):
Griechisch
Latein
"Euro-Latein"
Deutsch (z.T.
z.B. DUDEN
veraltet !)
'
onoma
nomen substantivum (Nomen)
Nennwort
Substantiv
Hauptwort
Dingwort
Namenwort
***
nomen adjectivum
Adjektiv
Beiwort
Eigenschaftswort
'
rheema
verbum
Verb
Zeitwort
Tätigkeitswort
Tuwort
meto'
khee
participium
Partizip
Mittelwort
'
arthron
(articulus)
Artikel
Geschlechtswort
(? Gelenkwort)
antoony'
mia
pronomen
Pronomen
Vornennwort
Fürwort
'
Prothesis
praepositio
Präposition
Vorwort
Verhältniswort
epi'
rheema
adverbium
Adverb
Zuwort
Nebenwort
Umstandwort
'
syndesmos
conjunctio
Konjunktion
Bindewort
***
***
Partikel
(Füllwort … )
Heterogenes Sammelsurium, sprachliche Idiosynkrasien (z.B. Artikel)
W.Kürschner, Questions of Terminology in … Dionysius Thrax, in: P.Swiggers /
A.Wouters (Hgg.), Ancient Grammar, Löwen: Peeters 1996, 163 ff.
"Eindeutschung" mit Bezug auf "philosophische Grammatik": Grammatikunterricht als
"Denklehre"
Aristoteles (- 3. Jhd.), Peri hermeneias:
onoma ... phoo'
nee seemanti'
kee … '
aneu '
khronou
"das Nennwort ist ein bedeutender Laut ... ohne Zeit(bestimmung)"
'
rheema ...to prossee'
mainon '
khronon
"das Zeitwort ist das die Zeit Bedeutende"
103
Aristotelische Ontologie – aber A. konstruierte seine Philosophie ausgehend von einer
logischen Analyse der (griechischen!) Sprache:
'
rheema (to prossee'
mainon '
khronon) toon kath'he'
terou legomenoon see'
meion
"das Rhema hat seine Bedeutung für etwas, das von anderem (aus)gesagt wird"
das Rhema ist ein Prädikat (syntaktische Analyse)
"Verfeinerung" der Analyse, vor allem durch morphologische Gesichtspunkte
Duden:
Substantive
Flexion
Deklination
+ Graduierung
Adjektive
Artikel
Konjugation
Verben
Adverb
NICHT
Partikel
FLEKTIERBAR
Präposition
Konjunktion
Partizipien nicht mehr als Wortart behandelt ...
Daneben lexikalische Klassifikationen (z.T. syntaktische Kriterien):
Autosemantika: Nennwörter – aber synaktisch abhängig: Verben, Adjektive, Adverbien...
sonst Synsemantika
offene lexikalische Klassen (max.: Substantive < Verben < Adjektive < [Adverbien ?])
geschlossene Klassen (Funktionswörter): Artikel, Präpositionen, Konjunktion [Partikel ?]
NB: Trennung von syntaktischen Funktionen und Wortart (lexikalische Klasse):
Adverb als Wortart (oben, sehr ... / eine *obene Wohung)
vs. Adjektive in adverbialer Funktion (er läuft schnell vs. ein schneller Hund ...)
2. Wortarten differenziert nach den Ebenen der Wortbetrachtung
Ebenen der Betrachtung (18. Vlsg.)
1. Konzepte (Weltwissen): lexikalisches Wort
2. syntaktische Einheiten (atomare Federn in syntaktischen Nuten): syntaktisches Wort
3. morphologische Konstrukte: morphologisches Wort
4. phonologische (prosodische) Einheit: phonologisches Wort
1. Konzepte (Weltwissen): lexikalisches Wort
schulgrammatische Tradition: Dingwörter / Tuwörter ..., s. auch oben Aristoteles:
Zeitwörter ...
NICHT brauchbar für eine Wortartenzerlegung (die vollständig sein muß!)
Konzeptuelle Strukturen werden sprachlich artikuliert
präferierte Artikulationsformen
So sind Konzepte wie {Hund, Stein ...} in Sprachen, die eine Wortartenzerlegung im
Lexikon kennen, präferiert nominal (als Subtantive) artikuliert
Aber es gilt eben nicht die Umkehrung dieser (präferierten) Zuordnung: Formale
Strukturen einer bestimmten Art (z.B. nominale Formen) sind nicht sortal konstant auf die
gleiche Weise konzeptuell interpretierbar ( grammatische Strukturen)
104
Mit anderen Worten: Präferierte Zuordnung lassen sich definieren für:
{Konzepte} Wortarten
ABER nicht in der Richtung
Wortarten * {Konzepte}
Die präferierten Zuordnungen haben durchaus eine beträchtliche Robustheit. Sie
entsprechen offensichtlich auch ontogenetisch in der Sprachentwickung einer
heuristischen Stufe bei dem Bemühen der Kinder, sich eine Sprache mit ihren
grammatisierten Strukturen anzueignen. Deren Strukuren können aber eben nicht durch
eine regressive Projektion auf (undifferenzierte) Vorstufen erklärt werden.
2. syntaktische Einheiten (atomare Federn in syntaktischen Nuten): syntaktisches
Wort
Grundlage der grammatischen Definition der Wortarten seit griechischer Grammatik:
Dionysios "Teile des Satzes" (tou '
logou '
meree):
Zerlegung des Wortschatzes / Lexikons in Hinblick auf seine Potentiale für syntaktische
Funktionen:
Typisierung / Beschränkung über die Nutzbarkeit als Federn
A
A*
Die Markierung A* der Feder A gehört zur Nute:
nominale / substantivische Nute:
den alten ___(-n) gefällt die Wohnanlage
verbale Nute:
der Vogel ___(-t) auf dem Baum
Mann[er]-, Frau- ,*sing-, *sehr
sitz-. sing- *Mann-, *Frau-, *sehr ..
Wortarten definiert als Sorten syntaktischer Wörter: "lemmatisierte" Klassen von
Wortformen
3. morphologische Konstrukte: morphologisches Wort
In morphologisch reichen Sprachen:
syntaktische Wortform
Stamm + Affix
Bei isolierenden Sprachen: Wortarten als Zerlegung des Lexikons Spezialisierung der
Lexeme für syntaktische Funktionen
Chinesisch
d.h. man sieht den Wörtern (aufgrund ihrer Form) nicht an, zu welcher Wortart sie
gehören
Schließlich gibt es auch Sprachen, die auch keine verdeckten Wortartenklassifikation
kennen wie z.B. die Munda-Sprchen: Hier kann jedes lexikalische Grundelement als Feder
in allen syntaktischen Nuten genutzt werden (dort allerdings, in diesen morphologisch
reichen [agglutinierenden] Sprachen, in Verbindung mit den entsprechenden syntaktisch
geforderten Markierungen).
105
Wortklassen: lexikalisch / semantische Interpretation an Stamm gebunden:
Frage der morphologischen Charakterisierung des Stammes:
.. aufgrund einer Reihe von glücklichen Fügungen
Füg"Wurzel"
verbal ???
-ung- substantiv.
Stammbildung
A
substant.
...
-en
Deklinationsendung
A*
Problem der Wortarten in Sprachen mit flexiblen Stammbildungsoptionen:
sie fügen es zusammen ~ die Fügung
das Haus ~ sie behausen den Wald ~ die Behausung ...
20. Vlsg. "Wortbildung"
4. phonologische (prosodische) Einheit: phonologisches Wort
Wortartenzerlegung mit phonologischer Charakterisierung:
sprachspezifisch
engl. nominal (Substantiv) '
σ σ vs. verbal σ '
σ
a CONtrast vs. to conTRAST
an ADdress vs. to adDRESS u.a.
5. Formale Ansätze (GB, LFG)
GB (Chomsky 1981: "Pisa Vorlesungen")
"lexikalische Kategorien" durch Reduktion auf syntaktische Potentiale
[± nominal] vs. [± verbal]
-Schema),
"lexikalische Kategorien" definieren die Köpfe (X0) syntaktischer Konstruktion (X'
verstanden als "Projektionen" (X'
'maximale Projektion):
N ([+ N]) → N'(N + Komplement) → N'
'(N'+ Spezifikator)
V ([+ V]) → V'(V + Komplement) → V'
'(V'+ Spezifikator)
Syntax gebaut über Filter, die auf diese Eigenschaften reagieren:
z.B. verlangt eine NP (= N'
) eine Kasusfunktion [in einer VP (= V'
)]
Semantische Interpretationen laufen über diese primären lexikalischen Sorten: N und seine
Projektionen erhalten eine referierende Interpretation ...
Komplexere Kategorien definiert durch das Schema [± α, ± β]:
Substantive [+ nominal, - verbal]
Verben
[+ verbal, - nominal]
Adjektive
[+ nominal, + verbal]
Präpositionen [- nominal, - verbal]
nominal [+ N]
verbal
[+ V]
Adjektive
[- V]
Substantive
[- N]
Verben
Präpositionen
106
LFG in dieser Tradition, aber strikter: die lexikalischen Kategorien gehören zur Syntax:
Bresnan (ausführlich 2001: 120 ff.) nimmt Chomsky 1981 auf, interpretiert ihn strikter
syntaktisch um
c-Struktur:
Grundlegend: Argumente (s.o. Aristoteles: "Nennwörter") vs. [syntaktische] Prädikate
prädikativ]
sekundär: Konstruktionsbildung als Kopf mit einem Komplement (Objekt)
[± transitiv]
[±
Substantive [- prädikativ, - transitiv ]
Verben
[+ prädikativ, + transitiv]
Adjektive
[+ prädikativ, - transitiv ]
Präpositionen [- prädikativ, + transitiv ]
transitiv
[+ tr]
[- tr]
prädikativ [+ pr]
Verben
Adjektive
[- pr]
Präpositionen
Substantive
Prädikative Elemente verlangen in einer syntaktischen Konstruktion ein (externes) Subjekt,
von dem sie prädiziert werden. Das gilt nicht nur für das nukleare Prädikat einer Proposition,
in dessen Subkategorisierung ein <SUBJ> obligatorisch ist, unabhängig von der Wortart: bei
Verben genauso wie bei Adjektiven; es gilt z.B. auch für adjektivische Attribute als prädiktive
Köpfe eines Adjunkts in einer nominalen Gruppe.
Die syntaktische Klassifikation durch [± prädikativ] ist zu trennen von semantischer
Interpretation, die auf der f-Struktur operiert:
dort wird eine wortartunspezifische Kategorie PRÄDIKAT genutzt, die syntaktisch
deskriptive Inhalte einführt, zugleich mit der Subkategorisierung (syntaktische
Bildungspotentiale)
107
V-20 Wortbildung
Bildung von Wortformen (> "Formenlehre") als typologisches Charakteristikum
morphologisch reicher Sprachen:
Aω +
Aσ
Aω = lexikalisches Basis-Element: Wurzel
Aσ = syntaxabhängige Markierung (Flexionselement)
Wortbildung ist eine Komplikation der Formenbildung: Stammbildung
Aω + Aλ + Aσ
Aλ = (lexikalisches) Stammbildungselement
Im Deutschen Wortformen ohne Morphologie (Partikel) peripher: und, ob, auf, in …
In Hinblick auf die verschiedenen Ebenen der Wortbetrachtung steht bei der komplexen
Stammbildung die Grenze zwischen Wort und Syntax infrage: Komplexe Stämme
amalgamieren nicht nur komplexe konzeptuelle Strukturen, sondern diese bewahren dabei
auch noch eine gewisse Transparenz, die sie einem Syntagma ähnlich macht. Im Grenzfall
ergibt sich Kohäsion nur negativ durch die syntaktische Nute: Wortintern handelt es sich dann
um sogenannte Zusammenrückungen, die (ggf. außerhalb der Prosodie) keine weiteren
formalen Strukturierungselemente aufweisen, die auf eine Integration in ein Wort verweisen:
Springinsfeld
Gottseibeiuns
Taugenichts
Tunichtgut
Kaufmich
Solche Formen kommen in der Regel nur in nominalen (substantivischen) Nuten vor. Als
"erstarrte" Bildungen bewahren sie z.T. obsolete Bildungen, die insofern indirekt ihren
Wortcharakter ausweisen wie bei
Vergißmeinnicht
das sich als Wort auch durch die obsolete Form des Genetiv-Pronomens (mein ~ meiner)
erweist. Der syntagmatische Kontext liefert in solchen Fällen meist aber eindeutige
Indikatoren für den Wortcharakter, vgl. die Flexionsmarkierungen, die mit einer Auflösung
als Syntagma unverträglich sind:
zwei Vergißmeinnichte
In der gesprochenen Sprache ist die prosdische Integration ohnehin deutlich, vgl.
WORT
SYNTAGMA
SPRINGinsfeld
spring ins FELD
VerGISSmeinnicht
vergiß mich NICHT
108
Außer in solchen Grenzfällen von Zusammenrückungen werden die Elemente in einem
Komplex mit größerer syntagmatischer Kohäsion verbunden, die sich in einer
morphologischen Unterordnung spiegelt: Ein Element dient als Basis (als modificandum bzw.
Operand), das andere als spezifizierendes Element ( als modificans bzw. Operator:
Operand
-
Operator
WORT
Die analytische Formbildung sichert eine (relative) morphologische Transparenz:
Motiviertheit in einem semantischen Feld, symbolisch gebunden in der Form:
Bindungen, Vernetzungen im System von Feldstrukturen (kognitive Entlastung!):
Gebäck
FELD I: Wurzel / Stamm als Invariante (Ableitung, Flexion … )
→ gebacken, backen, … Backofen, … Bäcker …
FELD II: Wortbildungsmuster als Invariante (+ "Füllung" mit Stämmen … )
→ Gehänge, Geburt, Gestalt, Gehölz, Geselle …
Wortarten liegen im Lexikon fest: Wurzeln werden einer Wortart zugewiesen,
aber möglich: Wortartenwechsel
Hans [verkauf-] V –t Egon ein Auto
Die Worte des [[Verkäuf-] V –er-] S –s überzeugten Hans
Der Verkäufer wollte ihn nicht [berat-] V –en
Seine [Berat-] V –ung-] S überzeugte ihn
agglutiniernde
Morphologie
Morphologische Elemente, die keine Wurzeln sind und auch keine Flexionselemente:
Ableitungsaffixe
"Normalisierung" der "Wortbildung" als Agglutinierung (Ableitung):
wir [lauf-] V –en jeden Morgen
der [Lauf-] S war anstrengend
die Wiese ist [grün-] A
die Wiese [grün-] V -t
Konversion
statt Konversion [grün-]A ~ [grün-] V Ableitung (Derivation):
Wurzel [grün-] A
[[grün-] A + ∅ -] V
Definition der Federn über Aλ : λ = S[ubstantiv], A [djektiv], V[erb]
Stammbildung mit / ohne Kategorienwechsel
Im Deutschen sind hier prinzipiell alle kategorialen Möglichkeiten der Wortbildung gegeben:
Modifikation mit bewahrter Kategorie genauso wie mit einem Kategorienwechsel,
schematisch also:
109
S
A
V
kategoriale Schreibweise X / Y für ein Wortbildungselement:
"(das Bildungselement X / Y) nimmt ein Y und macht ein X"
in der Symbolisierung wie Bruchrechnen (Bruchschreibweise: 1 / 2 … ):
X × Y
= Y
X
in der gleichen Weise mit Variabeln für Wortarten:
V × S
= S
V
D.h. also: ein Bildungselement von dem Typ S/V wird "gesättigt", wenn es mit einem
Element vom Typ V (im Zähler) verbunden wird, das gegen das V im Nenner
"gekürzt" werden kann, so das eine Form vom Typ S entsteht, wie z.B. bei
-ung: S/V
[schieb-]V × [-ung-]S/V = [Schieb-ung]S
In diesem Sinne lassen sich die Wortbildugnselemente im Deutschen klassifizieren. Deutsch
ist in dieser Hinsicht extrem variabel. Im folgenden nur einige Beispiele, die zugleich zeigen
sollen, daß ohne Berücksichtigung weiterer Kriterien die Klassifikation oft nicht eindeutig ist
(die Klassifikation des Typs bezieht sich jeweils auf das Suffix der angeführten Beispiele):
S/S
Kind-lein
Linguist-in
Bematen-tum
Sport-ler
S/V
Grab-ung
Rauf-erei
Lackier-er
Öffn-er
Schmied-e
In vielen Fällen gibt es widersprüchliche Klassifikationen, die von bestimmten theoretischen
Grundannahmen gesteuert werden. {fall-} kann als verbaler ( sie fallen) und auch als
nominaler Stamm (ein Fall) vorkommen. Nimmt man nun an, das alle Lexeme eine primäre
110
eindeutige Wortartenzuordnung haben, muß man auch hier mit einer verdeckten
Wortbildungsmarkierung desambiguieren, in der Literatur Konversion genannt. Operiert man
mit einem agglutinierenden Darstellungsformat, wird man solche Fälle von Konversion mit
einem ∅-Suffix repräsentieren, indem man z.B. {fall-} als primär verbal klassifiziert mit einer
entsprechenden nominalisierenden Wortbildung S / V:
Fall-∅ (?)
S/A
Schlau-heit
Apath-ie
Bigott-erie
(das) Schön-e (Konversion ?!)
V/V
fall-en
lieb-el-n
V/A
wach-en (Konversion ?!)
A/A
dort-ig
A/S
polizei-lich
haar-ig
blei-ern
instinkt-iv
A/V
rege-∅ (Konversion ?!)
brauch-bar
find-ig
nasch-haft
Das Konversionsproblem erlaubt prinzipiell auch inverse Analysen, also etwa
V/S
fall-en (Konversion ?!)
bündel-n
Die Festlegung einer Konversionsrichtung kann nur durch andere als formale Gesichtspunkte
erfolgen, etwa durch die Annahme bestimmter konzeptueller Primärkonstellationen (z.B.
fallen als "Tuwort", s. V-19).
Komplexe Bildungen:
z.B. verbal [[[streb-]V -er-]S -n]V
Wortbildung durch interne Modifikation ("symbolische" Modifikation, Sapir)
vgl. Ablaut im Deutschen: lauf-en vs. lief ...
Maximal: Arabisch
111
2. Wortartenmarkierung
Masdarbildung (Verbalnomen) durch Syllabierung
mar. Arab. Wurzel (Radikale) ° (° "krank-" (als semantisches Merkmal)
-
verbal {KK K} )( "er war krank"
)
( "Krankheit"
nominal {K KK}
Sprachbau: Isolierend ↔ synthetisch ↔ polysynthetisch
polysynthetisch: mehrere Wurzeln in ein Wort integriert ("Inkorporation")
... X
...Y
...Z …
Komposition
WORTFORM
Wurzeln
Viele Sprachen ohne Komposition (z.B. Arabisch, alt + neu)
Problem: Wurzeln sind (Kerne von) Wortkandidaten
Vgl. ohne morphologische Markierung:
Zusammenrückungen:
Vergißmeinnicht < vergiß mein[er] nicht!
Handvoll, Tunichtgut, Dreikäsehoch ...
Integrationsmechanismen
(1) durch die syntaktische Nute ein Vergißmeinnicht , eine Handvoll ...
(2) Prosodie
WORT
S - °S ( S = prominente Silbe; °S = Reduktionssilbe)
eine [
] vs. er hatte eine [
] mit Kirschen ...
Komplexe Wörter hierarchisch: X ( S - °S ) - °X ( S - °S )
W
°X
X
S
°S
X
°S
Kompositionstypen ( indische Grammatik - 500, im 19. Jhd. "entdeckt"), daher findet sich
vor allem in der älteren Literatur oft auch die indische (Sanskrit-) Terminologie, die zumeist
(wie auch die antike Metasprache der Gramamtik in Europa) paradigmatisch mit der Angabe
eines Modell-Beispiels operierte:
- kopulative Komposita
ind. dvandva "(gegensätzliches) Paar" (ind. dva etymologisch
verwandt mit dt. zwei)
ind. putra-pantraah "Nachkommen, wörtl. Söhne <und> Enkel"
- determinative Komposita
ind. tatpurusa, wörtlich: "dessen Diener [tad- Stamm des
Demonstrativpronomens]"
z.B. ind. svarga-gati, wörtlich "Himmel-Fahrt" (d.h. Fahrt zum Himmel)
112
- possessive Komposita
ind. bahuvriihi, wörtlich "viel Reis", Bedeutung: "viel Reis
habend"
"reich"
z.B. divya-ruupa "göttliche Gestalt [besitzend]"
So im Deutschen:
Determinativ-Komposita
Schweine-Schitzel
Kalbsschnitzel
vgl. mit gleichem Interpretationsmuster (!) Jägerschnitzel
Possessiv-Kompositum ("bahuvrihi")
Dick-kopf
Rot-kehlchen
Kopulativ-Kompositum
Hemd-bluse
Strumpf-hose
auch die Zahlwörter wie
drei-zehn (= drei und zehn)
Markierung der Komposition, ggf. besonderer Status einer Wortform:
Stamm: Münzautomat (*Münz : Münze)
Probleme der Fuge bei der Komposition:
Fugenelemente
Weihnachtsbaum (keine Zusammenrückung mit Genetiv: *der (Weih)nachts)
Komposition oder Ableitung?
(Halb-) Präfixe : Augment (< lat. aug-ee-oo "ich vermehre")
hinfallen, hinlaufen, hinschwimmen...
megagut, megaschlecht, megadoof, megaout ...
Komplexer beim Verb
Tmesis (Trennbarkeit [griech. tem-n-oo "ich schneide"]):
er fällt hin, er läuft hin, er schwimmt hin ... (Feld der Bewegungsverben)
"Reguläre" Komposition sonst bei Verben marginal (ggf. unterscheiden von einer
Konstruktion mit einem regulären Objekt [O]):
trennschleifen – er trennschleift (*er schleift trenn)
eislaufen – ?er läuft eis
autofahren – er fährt auto (O: Auto fahren – er fährt Auto)
staubsaugen - ? er saugt staub (O: er saugt Staub)
kegelschieben - ? er schiebt kegel (O: er schiebt Kegel)
fotokopieren – *er kopiert foto (er fotokopiert)
Rückbildungen: das Laufen > das Eislaufen, das Saugen > das Staubsaugen
Verbalnomen > Infinitiv: er will eislaufen, er will staubsaugen ...
Potentiell inkongruent: Wort formal / konzeptuell
Idiom: mehrwortiges ( formal) Wort ( konzeptuell)
sterben
113
konzeptuell
ins
formal
ins
konzeptuell
formal
einen Streit
Gras
*Blumen
Brot
beißen
*kauen
beißen
anfangen
vom Zaun brechen
*vom Tisch *nehmen
Invers: Lexikalisierung : mehrkonzeptuelles Wort
weißes Pferd:
Schimmel
schwarzes Pferd: Rappe
Komplexität zeigt sich nur in syntaktischen Konsequenzen, nicht an der Form selbst:
Schimmel : *schwarzer Schimmel, der Schimmel stand *schwarz am Horizont
114
V-21 Komplexe Prädikate
1. syntaktisch komplexe "Wörter"
2. Grammatisierung / Grammatikalisierung
3. syntaktische Analyse ?
4. Paradigma des komplexen Prädikats
5. Wortkohäsion
1. syntaktisch komplexe "Wörter"
Ausgangspunkt: Bildung von Wortformen (> "Formenlehre") bei morphologisch reichen
Sprachen:
Aω + Aλ + Aσ
Aω = lexikalisches Basis-Element: Wurzel
Aλ = (lexikalisches) Stammbildungselement
Aσ = syntaxabhängige Markierung (Flexionselement)
Bei Wortartendiskussion:
Lemmatisierung: Zusammenfassung aller Wortformen, die sich nur in Aσ unterscheiden
dominantes Strukturkriterium: die syntaktische Nute
∪ Aσ : Paradigma mit grammatischen Kategorien als Achse:
grammatische Kategorie
Diathese
Modus
Tempus
Numerus
Person
Sin1
gu2
Aktiv
Indikativ
Präsens
lar
3
Plu1
ral
2
3
vgl.
Diathese
Aktiv
Aktiv
grammatische Kategorie
Modus
Tempus
Numerus
Indikativ
Präteritum Sg.
Konjunktiv Präsens
Sg.
Person
2
3
Aω/λ
leg-
Aω/λ
leg-
V-4: Grammatisierung der semantischen "Merkmale" in den Kategorien
Wortform
Aσ
-e
-st
-t
-en
-t
-en
Wortform
Aσ
t-est
-e
115
Erweiterung des Verbparadigmas im Deutschen:
Tempus / Aspekt:
ich habe gelegt
er wird legen
wir werden gelegt haben
Modus:
ich würde legen ....
Diathese
er wird gelegt
er ist gelegt worden ...
Integration in ein Paradigma über eine syntaktische Wortnute hinaus
Diathese
Aktiv
Aktiv
Passiv
grammatische Kategorie
Modus
Tempus
Numerus
Indikativ
Perfekt
Sg.
Konjunktiv Präsens
Sg.
Indikativ
Präsens
Sg.
Person
1
1
3
Wortform
???
Aω/λ+ Aσ
hab-e
ge-leg-t
würd-e
leg-en
wird
ge-leg-t
Ohne syntaktische Kohäsion ( Rahmenbildung des Prädikats):
ich habe das Buch auf den Tisch gelegt
ich würde das Buch auf den Tisch legen
das Buch wird auf den Tisch gelegt
Kriterium: Integration in das (verbale / Prädikats-) Paradigma
2. Grammatisierung / Grammatikalisierung
Traditionelle Grammatik: Modell des Lateinischen
Kategorien
LATEIN
synthetisch
DEUTSCH
analytisch
(morphologisch)
(periphrastisch)
Futur (Ind.Aktiv)
pon-am
werde legen
Perfekt (Ind.Aktiv)
po-su-i
habe gelegt
Passiv (Präs.Ind.)
pon-itur
wird gelegt
Peri-phrase (< griech. peri- "um, herum) "Umschreibung"
Periphrastische Bildungen: jung
Grammatikalisierung (V-4)
z.B. Perfekt: haben-Periphrase
ahd. haban wie nhd. ich habe einen Baum (im Garten) ...
ahd. phigboum habeta sum giflanzotan (habeta sum phigboum giflanzotan ) "einen
gepflanzten Feigenbaum hatte ich"
Periphrase mit Auxiliaren (< lat. auxilium "Hilfe"): "Hilfsverben"
"helfen" infiniten Formen, ein (finites) Prädikat zu bilden
Periphrasen im Deutschen (Engl. Russischen ...)
Modificans
Modificatum
grammatisches Funktionselement
syntaktisches Regens ("Vollverb")
finit: werde / wird / würde ...
infinit: legen / gelegt ...
ANDERS
Periphrasen im Arabischen (mar. Arabisch): kun-t kteb-t "ich hatte geschrieben"
116
Modificans
grammatisches Funktionselement
finit: kun-t "sei:PF.1S"
keine "Hilfsverben"
Modificatum
syntaktisches Regens ("Vollverb")
finit: kun-t "schreib:PF.1S"
Grammatikalisierungsweg:
1. als Funktionselement mit allen Elementen des Lexikons (entsprechenden Typs)
kombinierbar (ich habe getanzt) ≠ eingeschränktes Vorkommen von haben (als
"Vollverb")
2. Semantik ist abstrakter (unspezifischer): PERFEKT vs. haben (< halten)
3. syntaktische Analyse ?
Schulgrammatik operiert mit Übersetzungsäquivalenten des Lateinischen:
periphrastische Konstruktionen wurden als Einheiten klassifiziert, weil sie als
Übersetzungsäquivalente zu synthetischen Flexionsformen in den klassischen Schulsprachen
dienten.
Die neuere Grammatikbetrachtung, insbesondere die generative Grammatik kehrt diese
Betrachtungsrichtung um: Hier dient (wie in der Syntax generell, s. Block II und III) die
(maximal) explizite, also analytisch transparente, Form als Normalform, auf die die
synthetischen Formen abgebildet werden (bzw. aus denen sie sogar abgeleitet werden). In der
generativen Grammatiktradition (Rektionstheorie: GB) werden als syntaktisch äquivalent
postuliert:
Hans hat Emma geliebt ~ Hans liebt Emma
IP*
NP
IP
Hans
INFL
-t
hat ge-..-t
VP
V
lieb-
NP
Emma
In der Tradition von Tesnière:
die finite Markierung am Prädikat ist der funktionale Kopf des Satzes
funktionale Kategorien ohne syntaktischen ( Wort-) Status sind in der GB syntaktische
Kategorien
Anders in LFG
S
↑=↓
VP
NP
Hans
↑=↓
V
liebt
(= IP)
NP
Emma
↑=↓ "was oben steht, hat seine syntaktischen Eigenschaften von dem, was unten steht"
117
Die entsprechende f-Struktur:
PRÄD
TEMP/ASP
SUBJ
OBJ
'
lieben < SUBJ, OBJ > '
PRÄS
'
Hans'
'
Emma'
Die c-Struktur sieht bei einem anderen Tempus ganz anders aus, z.B. im Perfekt:
S
↑=↓
IP
NP
Hans
↑=↓
AUX
hat
VP
↑=↓
V
geliebt
NP
Emma
während die f-Struktur die (paradigmatische) Äquivalenz zeigt:
PRÄD
TEMP/ASP
SUBJ
OBJ
'
lieben < SUBJ, OBJ > '
PERF
'
Hans'
'
Emma'
Hinzu kommt ein Bündel subsidiärer Kriterien, die die Einheit eines komplexen Prädikats
begründen:
- syntaktische Kriterien:
- wie die Nicht-Dissoziierbarkeit bei der Modifikation,
- und die einheitlichen Kongruenz- / Rektionsbeziehungen zu den Ergänzungen des
Prädikats,
- semantische Kriterien wie die einheitliche Spezifizierung einer Ereignis- (Situations-)
Variablen durch das komplexe Prädikat.
4. Paradigma des komplexen Prädikats
Woraus besteht das verbale Paradigma:
Modalverben
sie dürfen spielen
sie können spielen
sie möchten spielen
sie müssen spielen
sie sollen spielen
sie wollen spielen
semantisch: Dispositive (deontisch ...), Einstellungen ...
So aber auch:
sie fürchten zu spielen
sie wünschen zu spielen
118
vgl. auch aspektuelle Modifikationen
sie fingen an zu spielen (INCHOATIV)
sie fuhren fort zu spielen (KONTINUATIV)
sie hörten auf zu spielen (TERMINATIV)
sie pflegten zu spielen (HABITUAL)
u.a.
in vielen Sprachen grammatisiert (u.a. auch synthetisch markiert ...)
In der deutschen Grammatik: keine "Modalverben" (
Infinitivs mit zu
Hilfsverben) bei Erweiterung des
Aber so auch
KAUSATIVE er läßt ihn spielen
bei Bewegungsverben er geht einkaufen
u.a.
Systematische Arbeit: G.Bech, Studien über das deutsche Verbum infinitum, Kopenhagen:
Munksgaard 1955
Stufe → 1 ("Supinum")
verbal
↓ Status
1 (atomar)
lieb-en
2 partikelerweitert
zu lieb-en
3 präfixerweitert
ge-lieb-t
2 ("Partizip")
nominal
lieb-end (-er)
zu lieb-end (-er)
ge-lieb-t (-er)
keine völlige Kongruenz von morphologischer / syntaktischer / semantischer Struktur (vgl.
Jackendoff, Foundations 2002)
5. Wortkohäsion
Grammatikalisierung mit Fluchtpunkt der Inkorporation
Futur in den romanischen Sprachen:
spätlateinisch / frühromanisch Synkretismen im Paradigma
periphrasitische Neubildungen
(parallel), s. Lausberg, Roman. Sprachwiss. III/2 (§§ 837 – 846)
omnes homines resurgere habent "alle Menschen werden auferstehen .."
Altroman. *CANTAR + (H)ABEO "ich werde singen"
it. canterò, frz. chanterai, sp. cantaré, pg. cantaréi usw.
"Übergangsformen"
schwache Kohäsion
*CANTAR + ILLUM + (H)ABEO "ich werde es singen"
> pg. canta-lo-éi (andere Bildung: hei-de cantá-lo)
typologisch: "trennbare" Prädikate
Paez, Dargi …
119
V-22 Inkongruenzen bei der Wortbestimmung: Komplexe Prädikate II
In der letzten Runde der Vorlesung nehme ich nochmals die Argumentation zur syntaktischen
Grundstruktur der Proposition auf, die in jüngeren "lexikalistisch" angelegten Arbeiten auf
Wortstrukturen zugreift.
In der 22 Vorlesung geht es um:
1. Wortprobleme ( V-18)
2. Das Prädikat als Wort
3. LFG-Darstellungen
1. Wortprobleme
Ebenen der Wort-Betrachtung ( V-18)
Konzepte (Weltwissen): lexikalisches Wort
syntaktische Einheiten (atomare Federn in syntaktischen Nuten): syntaktisches
Wort
morphologische Konstrukte: morphologisches Wort
phonologische (prosodische) Einheit: phonologisches Wort
Unabhängige Ebenen / Repräsentationen des Wortes (
Jackendoff, 2002)
parallele Architektur:
konzeptuell
WORT
syntaktisch
morphologisch
phonologisch
Daher inkongruente Repräsentationen möglich:
primäre Definition syntaktisch
Bloomfield (1933: 178): "a minimum free form"
Probleme auf der konzeptuellen Ebene: Synsemantika
Sprachbaudifferenzen:
synthetische Wortartikulation: grammatische Markierungen am lexikalischen (
konzeptuell definierten) Wort agglutiniert (fusioniert)
analytische Wortartikulation: grammatische Markierungen gegenüber dem lexikalischen
( konzeptuell definierten) Wort isoliert
synthetisch
lat. vir-o "Mann-DAT.SG"
analytisch
dt. dem Mann
Wortform in einer morphologisch reichen Sprache:
Aω = lexikalisches Basis-Element: Wurzel
Aλ = (lexikalisches) Stammbildungselement
Aσ = syntaxabhängige Markierung (Flexionselement)
120
Aω + Aλ + Aσ
in Hinblick auf die Syntax:
lexikalischer Kopf
funktionaler Kopf
lexikalischer Kopf: konzeptuelle Struktur, die syntaktisch artikuliert wird (Valenzstruktur
...):
Qualia bei nominalen Formen ...
Vater <Vater eines Kindes> ....
Werkzeug <Werkzeug, um etwas damit zu machen> ...
NB: Qualia ist in den jüngeren syntaktischen Arbeiten für die "Subkategorisierung"
nominaler Ausdrücke üblich geworden (so bei Jackendoff nicht anders als in der RRG)
Idealtyp: Wort hat eine abgeschlossene Interpretation, typisiert nach Wortarten:
Referenz:
nominal
verbal
konzeptueller
Inhalt
Individuen
Sachverhalt
im Satz (~ Interpretation der
Proposition)
Konzeptuelles ist das Material für die Referenz:
dieser Mann
ist
ein Lügner
Konzept MANN
Konzept LÜGNER
Referenz DIESER-DA
Referenz ∅
dieser Mann
Konzept MANN
Referenz DIESER-DA
lügt
Konzept LÜGEN
Referenz DIESES-EREIGNIS
(was Hans am liebsten tut, ist)
...........
lügen
Konzept LÜGEN
Referenz ∅
Die konzeptuelle Struktur kann ausgebaut werden:
adnominale Attribute:
der Mann > der alte Mann ...
adverbale Adjunkte (Adverbiale)
er singt > er singt laut ...
vgl. auch die Lexikalisierung solcher spezifischerer Konzepte:
der alte Mann ~ der Greis
er singt laut ~ er grölt ...
WORT: konzeptuelle Bündelung: Abbildung auf eine syntaktische Nute (markiert durch
die sprachspezifisch erforderlichen Markierungen)
121
PROBLEM: polysynthetischer Bau: Mehr als ein konzeptuelles Bündel in einem Wort
(Inkorporation: Komposition ....)
nominal im Deutschen relativ frei:
synthetisch: Gartentür, Hemdhose ...
analytisch: Tür eines Gartens, (zugleich) Hemd und Hose ...
verbal im Deutschen nicht vollständig integriert (marginal: trennschleifen ...)
analytisch im Muster eines Komplements (>Tmesis):
*klavier-spielen (er spielt *klavier)
*einkaufen-gehen (er geht einkaufen)
Auf dieser Ebene spielt auch die Typisierung der Wortarten ein Rolle. Ausgehend von der
syntaktischen Grundstruktur, daß mit den Ergänzungen zum Prädikat die referenziellen
Interpretationen des Szenarios artikuliert werden, gibt es für ein Wort in analytisch
gebauten Sprchen einen Schwellenwert von höchstens einem (individuierten)
referenziellen Gegenstück pro Wort
NB: Das kann durchaus mit quantifizierenden Differenzierungen verbunden sein:
Numerusdifferenzierungen, Kollektiausdrücke u.dgl. differenzieren nur einen solchen
referenziell individuierenden Bezug.
Vor diesem Hintergrund erklärt sich das offensichtlich auch nur selten auftretende
Problem komplexerer Strukturen:
- grundsätzlich das schon quer zu der syntatkischen Arbeitsteilung liegende Problem eines
referenziellen Prädikats, das mit besonderen Markierungen verbunden ist (Hans ist der
Lehrer),
- bei der Inkorporation nominaler Konstituenten in ein Prädikat (wie in polysynthetischen
Sprachen) wird dieses in der Regel nicht referenziell gebraucht (Ausnahmen kommen aber
vor, sind aber wohl immer mit besonderen Markierungen verbunden),
- relativ häufig sind polyreferenzielle Wortformen nur bei Possessivmarkierungen, z.B.
mar. arab. oxt-i "Schwester-meine", während im Deutschen Possessive mit einer
unabhängigen Referenz vom Possessum eigene Wörter bilden (meine Schwester ~ Omas
Schwester). Interessanterweise können sich aus solchen morphologisch possessiv
markierten nominalen Formen oft (personal) flektierte Verben entwickeln (wie in einigen
semitischen Sprachen).
2. Das Prädikat als Wort
Prädikat definiert auf verschiedenen syntaktischen Ebenen:
• als Kopf einer Proposition (konzeptuelle Struktur des Szenarios)
• als Landeplatz für die fundierenden Bestimmungen des Satzes
Wortartenproblematik: Verb als Typ der Federn für Prädikate
propositionale Typen (Sachverhaltstypen):
+ dynamisch
+
Ereignis
Szenario
Situation (statisch)
Zuschreibung eines Attributs
Szenario ist definiert durch:
Szenariotyp (konzeptueller Inhalt des Prädikats): LAUFEN, KAUFEN, SCHENKEN ....
Partizipanteninventar (Argumente des Prädikats): LAUFEN (x),
122
KAUFEN (x,y), SCHENKEN (x,y,z) ....
das zu unterscheiden von den semantischen "Rollen", die die Argumente im Szenario
spielen (LFG: Abbildung des lexikalischen Inhalts auf die Argumente ("linking")):
LAUFEN: LÄUFER (x),
KAUFEN: KÄUFER (x), GEKAUFTES (y),
Isolierung von Szenariofaktoren
Wort- (Stamm-) Bildung:
Aspektuelles ("Aktionsarten") der Dynamik: fahren > anfahren (INCHOATIV), essen >
aufessen (PERFEKTIV) ...
Partizipanteninventar: KAUSATIV trinken > tränken, sinken > senken ...
NB: Hier gibt es eine verwirrende Fülle von terminologischen Vorschlägen. Das gilt
besonders für das Feld von Aspekt (einer grammatischen Kategorie) und Aktionsarten
(einer lexikalischen Kategorie). I.S. einer solchen Unterscheidung sollte PERFEKTIV
(anders z.B. als in den slavistsichen Gramamtiken üblich) für den gramamtischen Aspekt
(wie in den semitischen Sprachen) reserviert werden, während für die Aktionsart (wie z.B.
bei aufessen z.B. TELISCH benutzt werden kann).
ANDERS: "verbale Kategorien" in Sprachen wie Deutsch
Grammatisierung fundierender Bestimmungen des Satzes
Ausbau als Paradigma:
synthetisch (Flexion): er kauft vs. er kaufte ...
analytisch (Periphrase): er kauft vs. er wird kaufen ...
Auxiliare: artikulieren grammatische Bestimmungen – ohne eigenen lexikalischen
(konzeptuellen) Inhalt
synsemantisch
ABER
komplexe Prädikate mit mehreren lexikalischen Köpfen
Modalverben: er kann laufen
Kausative: er läßt laufen
aspektuelle Modifikationen: er fängt an zu laufen ...
typologisch problematisch:
Übersetzungsäquivalente in einigen Sprachen: morphologische Markierungen am
Wort (synthetisch im Türkischen ...)
auch bei analytischem Bau in vielen Sprachen ohne formale Differenz gegenüber
Hypotaxe ( kein Infinitiv mit / ohne zu)
3. LFG-Darstellungen
Komplexe Prädikate nicht in c-Struktur sondern in f-Struktur definiert – in c-Struktur
modifizierende Elemente als Konstituenten definiert.
Fall 1 Auxiliare als Artikulation einer paradigmatischen Option, s. V-21
Fall 2 Komplexe Prädikate mit mehreren Köpfen:
Emma läßt Hans den Abwasch machen
Hans geht einen Karpfen kaufen
123
Keine komplexen Sätze, s. V-16
Hans versprach Emma
PRÄD
SUBJ
OBJ
,
einen Blumenstrauß
Kartoffeln einzukaufen
'
versprechen < SUBJ, OBJ, XCOMP >'
[PRÄD '
Hans']
[PRÄD '
Emma']
PRÄD '
einkaufen <SUBJ, OBJ> '
XCOMP SUBJ
OBJ [PRÄD '
Kartoffeln']
Auf der semantischen Ebene: zwei Ereignisse, die unabhängig spezifizierbar sind:
TEMPORAL:
Hans versprach gestern, morgen einen Karpfen zu kaufen
POLARITÄT (Perspektivierung):
Hans versprach nicht,einen Karpfen zu kaufen ( du kannst es also nicht von ihm erwarten)
Hans versprach, keinen Karpfen zu kaufen ( sondern endlich mal Forellen ...)
Hans versprach nicht, keinen Karpfen zu kaufen ( also müssen wir damit rechen, daß er
wieder Karpfen mitbringt ...)
Vielmehr zwei Prädikatsausdrücke, die in einer Prädikatsnute unifiziert werden:
semantisch: von einem Ereignis prädiziert werden
NB: Unifizierung (< lat. uni-fak- "eins-machen")
Operation bei unterspezifizierten Ausdrücken
z.B. Spezifizierung der Bedeutung eines Lexems mit den Attributen:
BELEBT (Werte: 1 / 0), FARBE (Werte: Skala W[EISS], S[CHWARZ], R[OT]...), GROSS
(Werte: 1 / 0) ... : Vektor < B , F, G >
Pferd
< B 1, F - , G 1 >
weiß
< B -, F W, G - >
Rappe
< B 1, F S, G 1 >
weißes Pferd
weißer Rappe
<B-∪ B1
<B-∪ B1
B 1,
B 1,
FW∪ FFW∪ FS
F W,
***
G-∪ G1
G-∪ G1
G1>
G1>
analytische Kausative: etwas machen lassen
PRÄD '
lassen < SUBJ, OBJ, PRÄD* < [ ], OBJ >>
PRÄD* ist ein "ungesättigtes" Prädikat, dessen SUBJ-Variable durch ein äußeres Argument
gebunden wird:
Unifizierung: Hauptpartizipant bei PRÄD* ist unterspezifiziert
lassen ist ein Modifikator im komplexen Prädikat (ein "höheres" Prädikat), der alleine (ohne
inneres Prädikat) kein Prädikat bilden kann
synsemantisch
vgl.
*Emma ließ gestern Hans heute den Abwasch machen
*Emma ließ nicht Hans den Abwasch nicht machen
124
c-Struktur XCOMP ~ komplexes Prädikat
S
↑=↓
VP
NP
Emma
↑=↓
VP
↑=↓
V
läßt
versprach
NP
Hans
↑=↓
VP
↑=↓
V
(zu) machen
Aber nukleares komplexes Prädikat in f-Struktur meist:
PRÄD '
machen-lassen < SUBJ, OBJ, OBJθ >'???
Komplexe Prädikate typologischer Schwerpunkt
NP
den Abwasch
125
V-23 Lexi(kali)sierung von Szenario-Momenten
1. Lexi(kali)sierung
2. typologische Fragen
3. formale Darstellung (lexikalische Dekomposition)
5. Leichte Verben und Grammatikalisierung
1. Lexi(kali)sierung
synthetische Wortartikulation: grammatische Markierungen am lexikalischen (
konzeptuell definierten) Wort agglutiniert (fusioniert)
analytische Wortartikulation: grammatische Markierungen gegenüber dem lexikalischen
( konzeptuell definierten) Wort isoliert
Wortform in einer morphologisch reichen Sprache:
Aω = lexikalisches Basis-Element: Wurzel
Aλ = (lexikalisches) Stammbildungselement
Aσ = syntaxabhängige Markierung (Flexionselement)
Aω + Aλ + Aσ
in Hinblick auf die Syntax:
lexikalischer Kopf
funktionaler Kopf
Lexem : lexikalische Grundeinheit, ohne die syntaktisch definierte Variation der (Wort-)
Form
konzeptuelle Strukturen lexikalisch symbolisiert ("lexisiert") vs. syntaktisch
(syntagmatisch)
Lexem (< gr. lexis): schreien vs. Syntagma: laut reden
zu jedem Lexem ist eine syntagmatische (synonyme) Paraphrase möglich
Definitionen:
Apfel =: Frucht des Apfelbaums (DUDEN, Universalwörterbuch)
≠ kontextuelle Äquivalenz ( Konnotationen einer Ausdrucksform)
auf dem Markt: Offensichtlich nicht (konnotativ) äquivalent
Käufer: Fünf Pfund Äpfel, bitte
Käufer: *Fünf Pfund von den Früchten des Apfelbaums, bitte
(NB: ANDERS, wenn der Käufer japanisch aussieht ...)
sprachlicher Aufwand (syntagmatisch > lexikalisch) fokussiert Bedeutungsaspekte/
Aufwand gibt ein spezifisches Bedeutungsprofil:
er läuft – er läuft los (ANFANGSPHASE) ~ er fängt an (los)zulaufen
vgl. Aufwand ~ Höflichkeit:
raus ! ~ gehen Sie bitte raus!
Lexisierung und syntaktische Struktur:
V-22: Wenn ein Lexem als lexikalischer Kopf einer syntaktischen Struktur fungiert,
spannt die mit ihm symbolisierte konzeptuelle Struktur eine (potentielle) syntaktische
Valenzstrukturen
Struktur auf
126
bei Verben als nuklearen Prädikaten (Kopf einer Proposition):
semantisch (LFG: "thematische Struktur")
singen <SINGER, GESUNGENES>
syntaktisch (valenzgebundene syntaktische Relationen)
singen < SUBJ, (OBJ) >
Objektposition ist thematisch gebunden:
*Hans singt ein Mittagessen
daher auch elliptisch einzusparen:
Hans singt
bei Adjektiven als Kopf einer attributiven Gruppe: ("Nebenprädikation"):
semantisch, z.B. groß <MAßANGABE [x], VERGLEICHSTERM>
syntaktisch, groß <SUBJ,(PARTIKELGRUPPE)>
Ellipse des Vergleichsterms im Defaultfall
Hans ist groß wie ein Baum
Hans ist groß ∅ ( relativ zu dem bei Männern zu Erwartenden)
bei Substantiven als Kopf einer attributiven Gruppe, bzw. Term im Szenario:
semantisch ( Qualia ):
Vater <MÄNNLICH, ERWACHSEN, (Vater eines) KIND ...>
* der Vater ist schwanger
* der kinderlose Vater
* mein Vater ist gestern geboren
diachron: Lexikalisierung
symbolisch gebunden:
syntagmatisch Ausdrückbares wird in einem Lexem
morphologisch transparent:
- Inkorporation: (X singt Balladen > ) Balladensänger, (X ist groß wie ein Baum >)
baumgroß
- Ableitung (Derivation) : (X kann gesungen werden >) singbar
morphologisch intransparent:
mhd. faren (<varen>) <SELBSTBEWEGUNG, AUSGANG, ZIEL>
z.B. in ein closter varen "in ein Kloster gehen" ...
heute fahren <BEWEGUNG, FAHRZEUG, AUSGANG, ZIEL>
* Hans fährt zufuß
2. typologische Fragen
Lexisierungen und damit verbundene syntaktische Konstruktionsmuster sind (sprach-)
idiosynkratisch:
dt. ich fahre mit dem Rad, mit dem Auto, mit dem Bus ...
engl. I ride a bike (go by bike), * I ride a car (go by car)
engl. go <FORTBEWEGUNG, (IN-FAHRZEUG) >
engl. ride <SITZEN, (FORTBEWEGUNG) >
I ride a horse / a bike (Zimmermannssprache: a beam … )
Konzeptualisierung von Bewegungsverben: (BEWEGUNGS-)ART, PFAD
im Deutschen produktive Bildung von "Partikelverben":
127
Satellit
Augment (morphologisch)
Weg/Pfad: Richtung, Ort ...
hin
weg
vor(an)
Kern
Stamm (lexikalisch)
Fortbewegungsart
laufen
schwimmen
gehen
fahren
kommen
laufen
schwimmen
gehen
fahren
kommen
laufen
schwimmen
fahren
gehen
kommen
ANDERS: Spanisch ( L.Talmy, 1985, 2001)
verbal artikuliert: Pfad, Art artikuliert evtl. durch syntaktische Satelliten
die Flasche schwamm in die Höhle / der Mann ging ins Haus
la botella entró a la cueva (flotando) / el hombre entró a la casa
die Flasche schwamm aus der Höhle / der Mann ging aus dem Haus
la botella salió de la cueva (flotando) / el hombre salió de la casa
die Flasche schwamm an der Höhle vorbei / der Mann ging an dem Haus vorbei
la botella pasó por la cueva (flotando) / el hombre pasó por la casa
die Flasche schwamm weg von der Höhle / der Mann ging weg von dem Haus
la botella se fué de la cueva (flotando) / el hombre se fué de la casa
die Flasche schwamm zur Höhle zurück / der Mann ging zu dem Haus zurück
la botella volvió a la cueva (flotando) / el hombre volvió a la casa
die Flasche schwamm durch die Höhle / der Mann ging durch das Haus
la botella cruzó la cueva (flotando) / el hombre cruzó la casa
Bewegungsverben: konzeptuelle Struktur (L. Talmy):
spanisch
Bewegung
Weg
Figur
Verb
entrar
Satellit
deutsch
Verb
Satellit
Figur
Weg
hinein
Grund Art
Bewegung Art
schwimmen
Verursachung
(flotando)
Grund
Verursachung
128
andere Lexikalisierungsmuster
Figur
Weg
Verb
Satellit
hinein
Bewegung Art
Verursachung Grund
werfen
Lexikalisierung der Figur (vgl. engl. to go)
der Mann geht in das Haus
der Hund *geht in das Haus
das Auto *geht in die Garage
Figur
Bewegung
Weg
Verb
gehen
Satellit
hinein
Art
Grund
Verursachung
Isolierende Sprachen haben nur syntaktische Ressourcen: Satellit = Präposition
Chines. píng-zi pi o
guò shí-tóu páng-bi n
Flasche schwimm: vorbei Fels
Seite
Lexematisch vs. syntagmatisch als Ressource:
leichte Verben: Grammatikalisierung < Ent-Lexisierung
lexikalischer Inhalt ~ nominales Komplement zu Funktionsverb (funktionaler Kopf im
Prädikat)
vgl. dt. Essen machen (~ kochen) , Musik machen (~ musizieren) ...
*Tanzen machen (~ tanzen) ... ("Pidginisierung" des Deutschen)
vgl. türk. yapmak "machen"
Funktionsverbgefüge im Deutschen
zur Aufführung (Diskussion ...) kommen / bringen / stehen
Modifikation: Valenzstruktur (Diathese ..), aspektuelle Differenzierungen ...
> als einfache Verben (aufführen, diskutieren ...)
"Exkorporationen" aus dem Verb:
ein (gutes) Leben leben, einen (schönen) Tod sterben ...
innere Objekte: im Grenzfall "nominale" Kopien des Verbstamms (Paronomasien)
in vielen Sprachen grammatisches Mittel zur adverbalen Modifikation:
Maas, Syntact. reduplication, in B.Hurch (Hg.). Studies on Reduplikation, Berlin:
Mouton 2005
4. Leichte Verben und Grammatikalisierung
Die Herausbildung einer Klasse von leichten Verben ist gewissermaßen ein Modellfall für das
Problem der Grammatiklaisierung (s. V-3). Die Verbsemantik, wie sie hier entwickelt ist,
bündelt symbolisch im Wort eine komplexe kognitive Struktur, die nicht nur die lokale
Intepretation (als Feder in einer Wortnute) bestimmt, sondern ein Potential für eine
propositionale Struktur vorgibt. Das ist es, was mit der Subkategorisierung (der
Valenzstruktur) formal gefaßt wird, verbunden mit der Festlegung der so artikulierten
semantischen Rollen der Argumente:
singen <Singer, Gesungenes>
laufen <Läufer>
129
Diese Strukurfestlegungen wirken zugleich als Filter: Sie beschränken den syntaktischen
Ausbau: nicht nur kann laufen kein Objekt nehmen, singen kann auch im Objekt keine
Patiensrolle artikulieren u. dgl.
Dem stehen die freien Ergänzungen (Adjunkte) in der Peripherie einer Proposition gegenüber,
die in diesem Sinne invariant in Hinblick auf die Verbbedeutung sind.
Leichte Verben lockern diese Beschränkungen – tendenziell bis zu dem Punkt, an dem sie frei
kombinierbar mit allen Lexemen als Federn in einem komplexen Prädikat werden: ist diese
universelle Kombinierbarkeit erreicht, werden sie definitionsgemäß zu einem grammatischen
Element. Was dabei bewahrt bleibt (und als Grundlage für die Artikulation einer
grammatisierten Bedeutungsstruktur dient), ist so etwas wie eine Vektorbedeutung des
entsprechenden Verbs:
haben |RESULTAT|PERFEKT
Funktionsverbgefüge erschließen so wie gesagt aspektuelle Bedeutungen, die in vielen
Sprachen durch ein entsprechendes System von koverbalen Modifikatoren differenziert
werden, also mit
anfangen |INCHOATIV|
5. formale Darstellung (lexikalische Dekomposition)
bei LFG: syntagmatische Strukturen auf c-Struktur unabhängig von ihrer semantichen
V-9 (Verb-) Partikel
Funktion (± grammatisiert): f-Struktur
S
VP*
VP
NP
Emma
V
hängte
"flachere Struktur"
NP
das Bild
X (ADV, PART)
auf
f-Struktur Emma hängte das Bild auf
PRÄD
TEMP
PART
SUBJ
OBJ
PRÄD '
auf+hängen <SUBJ, OBJ>'
Präteritum
FORM auf
PRÄD '
Emma'
PRÄD '
Bild'
DEF +
Weitergehendes Problem: semantische Dekomposition als steuernde Struktur der Syntax auch
bei morphologisch intransparenten Lexisierungen
die Tür ist offen
offen (Tür)
Zustand
die Tür öffnet sich
INCHO°WERDEN (offen (Tür))
Vorgang
der Wind öffnet die Tür
KAUS (Wind, INCHO°WERDEN (offen (Tür)))
Vorgang
Hans singt
TUN (Hans, singen (Hans))
Handlung
Hans öffnet die Tür
TUN (Hans, INCHO°WERDEN (offen (Tür))
Handlung
Role and Reference Grammar (van Valin / LaPolla 1997)
130
Abbildung aus der lexikalischen Struktur ("thematische Struktur") in die Syntax:
semantische Rollen
grammatische Relationen
ABER keine Reduktion: unabhängige Ebenen der Analyse !
SUBJLFG =: das Argument, das in solchen semantischen Dekompositionen mit dem höchsten
Prädikat verbunden ist
V-24 genauer
Grenzvorstellung semantischer Dekomposition:
konzeptuelle Strukturen mit semantischen Atomen zu bauen ( onomasiologische
Kartierung der Elementar"seme" wie in Chemie ...)
Philosophie: Schaffung einer Universalsprache ... (Llullus, 13.Jhd.)
Problem der Einstellung (Zoom – Kontinuum der Skalierung ...)
Einstellung des Fokus praktisch geregelt (im Alltag geht die Sonne auf ...)
vgl. Quarks in der Physik
metasprachliche Hypostasierungen ≠ reale Steuerungen:
inverser Zoom zu motivierenden Horizonten:
X muß getan werden
A muß X tun
B zwingt A, X zu tun,
B muß A zwingen, X zu tun ...
gleicher Sachverhalt X-tun
sprachspezifische Lexikaliserungsmuster:
z.B. dt. müssen:
deontisch (Dispositionsprädikat) X muß getan werden, A muß X tun
epistemisch (Evidenzialprädikat) es muß (müßte) morgen regnen
Grammatisierung epistemischer Markierungen
Grammatikalisierung (alter) Dispositionsprädikate
131
V-24 Lexikalistische Grammatikkonzeption (LFG) –grammatische Relationen zum
zweiten.
Ausgangspunkt: Block II: V-7/8
Mehrstufige Rekonstruktion des Baus einer PropositionG
In dieser abschließenden Vorlesung nochmals vor dem Hintegrund des bisher Dargestellten
die Grundstruktur der LFG entwickelt. Zwar dabi auch technische Details vorgestellt (z.B. die
Abbildung lexikalischer Strukturen auf die Syntax, die sog. LMT – "lexical mapping theory"),
z.T. aber nicht ganz orthodox (auch sind mir selbst einige Dinge nicht ganz klar), sondern
vielemehr mit der Zielsetzung die Architektur der LFG durchsichtig zu machen. Die
technischen Fragen werden in Veranstaltungen zur LFG behandelt.
Formales syntaktisches Muster: Prädikat mit seinen Ergänzungen
V-23: konzeptuelle Struktur eines Wortes projiziert einen syntaktischen Rahmen, in dem das
Wort vorkommen kann
Grundbegriff ist die syntaktische Integration einer Äußerung:
syntaktisch integrierte Struktur ≠ Wortsalat:
mit der Setzung eines PRÄDIKATSLFG als nuklearem PRÄDIKATLFG einer Proposition wird
für diese ein Szenario definiert, das durch die Ergänzungen dieses Prädikats artikuliert wird.
Hans gibt Emma die Hausschlüssel
die Hausschlüssel gibt Hans Emma
die Hausschlüssel werden Emma von Hans gegeben ...
vs. Interpretation dieses Musters durch die Semantik des Verbs (
GRAMMATIK1 (Valenz)
Argumentstruktur
LEXIKON
"Szenario")
Prädikat (Erg1 + Erg2 + Erg3)
Verb: geben
GRAMMATIK1 (Szenario)
thematische Rollen
HA: [Geb]er
NA1 : [Gab]e
NA2 : Be[gabt]er (Empfänger)
Weitere Ebene der syntaktischen Artikulation: grammatische Relationen (Subkategorisierung)
SUBJEKT
Hans
NUKLEARES
PRÄDIKAT
gibt
die Hausschlüssel
werden gegeben
PRÄDIKAT(SVERBAND)
KOMPLEMENT 1
KOMPLEMENT 2
Emma
"indirekt. Objekt"
Emma
"indirekt. Objekt"
die Hausschlüssel
"direkt. Objekt"
von Hans
"obliques
Kompl."
132
"Ebenen" (konzeptuell, semantisch, morphologisch, phonologisch ...): parallele Darstellungen
jeweils der (ganzen) Proposition bzw. ihrer Äußerung – nicht Teile davon!
× Definition einer Abbildung zwischen diesen Ebenen
auf jeder Ebene eine vollständige Struktur der Proposition dargestellt:
kein Element, das nicht durch die Struktur definiert (integriert) ist (mit der Folge:
jedes Element ist in Bezug auf jedes andere (different) kategorisiert)
kein Strukturelement, das nicht durch ein Element artikuliert wird.
NB: In der Architektur der LFG werden entsprechende Bedingungen für die f-Struktur
definiert. Das ist eine spezielle Forderung, die mit der parallelen Architektur des Systems
zusammenhängt, die aber auf den internen Aufbau der f-Struktur zielt. Diese muß
vollständig sein =: jedes Element, das in der nuklearen Prädikatsstruktur vorgesehen ist, muß
definiert (= artikuliert) sein,
kohärent sein =: jedes Element, das in einer solchen Struktur figuriert, muß durch die
nukleare Prädikatsstruktur vorgesehen sein.
lexikalistische Architektur (LFG):
• konzeptuelle Struktur lexisiert (im Kopf): "thematische" Struktur
o formale syntaktische Struktur des Prädikats ("Subkategorisierung"):
Argumentstruktur
• grammatische Relationen in der Proposition (SUBJ, OBJ, OBL)
• grammatische Relationen im Satz (Topik, Fokus)
Die Aufgabe besteht nun darin, die Strukturen auf diesen verschiedenen Ebenen einander
zuzuordnen (sie aufeinander abzubilden). Das schwierigste Problem (auch in dem Sinne, daß
hier die größte Konfusion besteht – begrifflich, aber auch in Hinblick auf den typologischen
[ ggf. sprachspezifischen] Status der Kategorien) besteht bei den beiden grammatischen
Ebenen, die sich offensichtlich überlagern. Im Zentrum steht hier die Kategorie Subjekt.
NB zu typologischen Fragen: Die morphosyntaktische Artikulation der grammatischen
Funktionen ist sprachidiosynkratisch: verbale Kongruenz beim Subjekt wie im Deutschen,
Kasusmarkierungen (in Sprachen wie Finnisch auch bei den obliquen Funktionen),
präpositionale Markierungen bei den obliquen Funktionen im Englischen ... Auf diese
Probleme gehe ich im folgenden nicht ein.
Die grammatischen Strukturen sind offensichtlich in einem polar ausgerichteten Feld
definiert:
Topik, Fokus ...
KERN
PERIPHERIE
Prädikat: Argumente
Adjunkte
PROPOSITION
SATZ
Die Proposition bildet offensichtlich ein gerichtetes Feld, mit dem Prädikat als Kopf und
zentripetal angeordneten Argumenten in ihrem Kern. Diese propositionale Struktur wird
überlagert von der Informationsstruktur des Satzes, die keine neuen Argumente einführt,
sondern auf den Argumenten der Proposition operiert. Im folgenden beschränke ich mich auf
die Frage des Topiks und auf die Auswahl-Operation über dem Kern der Proposition (zur
133
Opertion ggf. auch über den Adjunkten, s. V-8/9). Diese Ausrichtung der Proposition erfolgt
auf das Prädikat – zu unterscheiden von der konzeptuellen Struktur des Verbs, das dieses
Prädikat lexikalisch artikuliert: je enger die lexikalische Bindung eines Arguments an die
(idiosynkratische) Verbsemantik ist, desto schwächer ist die Bindung an das Prädikat.
NB: Ich behalte im folgenden die in der LFG übliche Redeweise von "thematisch" für die
lexikalische Bindung eines Arguments bei ( semantische Rollen ....).
Was die Probleme verkompliziert ist, daß die Satzstruktur notwendig mit jeder
(propositionalen) Äußerung verbunden ist, die notwendig insofern auch ein Topik aufweist
(zum Problem der thetischen Sätze, s. V-12), während die propositionale Struktur abhängig
vom Szenario ist, das lexikalisch vom Prädikat projiziert wird. Das Subjekt markiert den Ort
der Überlagerung der beiden Strukturen: Es ist einerseits ein bestimmtes Argument (zum
Problem der semantisch leeren, also expletiven Subjekte, s. V-8), andererseits eine
Diskursfunktion.
Die Feldstruktur der Artikulation einer Proposition in einer Äußerung läßt sich insofern aber
noch weiter homogenisieren: als eine Skala der grammatischen Artikulation, die so etwas wie
einen Grad an obligatorischer Artikulation im Satz ausdrückt. Diese Skala verlängert die
propositionale Skala von oben:
SUBJ
GRAMMATISCH InformationsStr.: Topik
LEXIKALISCH
OBJ
engste Bindung
ans Prädikat
unabhängig von der spezifischen
Verbsematik
OBL
ADJ
schwache
freie Angaben
Bindung an das
Prädikat
Artikulation von
Spezifika der
Verbsemantik
Auf dieser Folie ist nun der spezifische Apparat der LFG definiert. Als Basis dient dabei die
Definition der syntaktischen Relationen auf der Grundlage einer abstrakten Schematisierung
der Argumentstruktur, die schrittweise entwickelt werden kann:
1. Proposition
Kern (nukleares Prädikat als Kopf) + Peripherie (Adjunkte)
2. Argumente im Kern werden bewertet für ihre thematische Festlegung (s.o. lexikalisch) und
die syntagmatische Bindung (s.o. grammatisch):
2a. Argumente sind thematisch durch die nukleare Semantik (die lexikalische Semantik des
nuklearen Prädikats) festgelegt oder thematisch frei (Xθ = X ist thematisch festgelegt) :
[±
± restriktiv] ([±
± r])
Ein Argument ist [-r], wenn es rein formal aufgrund eines syntaktischen Typs gefordert ist,
wie z.B. ein Objekt bei einer transitiven Prädikation. Eine lokale Ergänzung ist bei einem
intransitiven Verb wie wohnen zwar semantisch gefordert, aber gehört nicht zu dem
Valenzrahmen, ist also [+r] (OBLLOK). Subjekte gehören in der LFG per definition zu jeder
Prädikation, sind daher immer [-r].
2b. Argumente sind syntaktisch eng an das nukleare Prädikat gebunden oder frei (enge
syntaktische Bindung ~ Objekt) :
[±
± Objekt] ([±
± o])
134
Das entspricht in den anderen generativen Grammatikspielarten dem "internen" Komplement
(also in der GB einer [NP,VP]). Alle anderen Ergänzungen sind [-o], nicht nur das Subjekt (in
der GB das "externe" Argument [NP, S]), sondern alle obliquen Argumente, aber z.B. auch
alle Adjunkte.
3. Subjekt ist nur indirekt über die Argumentstruktur definiert: als Auszeichnung des
"grammatischsten" Arguments (â) in der Proposition (eine Diskursfunktion
Informationsstruktur).
Alle Argumente in einer Proposition lassen sich nun mit diesen Merkmale bewerten (bzw. auf
sie abbilden), wobei [±r] und [±o] unabhängig voneinander definiert sind, sodaß jedem
Argument eine Bewertung [±r , ±o] zugeordnet wird. Dabei entspricht jeder solcher
Bewertung eine grammatische (syntaktische) Funktion:
[-r, -o] SUBJ
[-r, +o] OBJ
[+r, -o] OBLθ
[+r, +o] OBJθ
Das entspricht der Abbildung dieser grammatischen Funktionen auf die oben dargestellte
Grammatikskala: die Merkmale [±r] und [±o] sind durch ihre Nähe zum Pol "maximal
grammatisch" charakterisiert. Das ist offensichtlich bei [-r] >> [+r]. Das Merkmal [±o] ist
dem untergeordnet; obwohl [+o] für sich genommen im propostionalen Kern eine zentralere
Funktion markiert, fungiert es in Kombination mit [±r] als relativ schwächer Indikator (also
[-o] >> [+o]). Insofern korrelieren die Merkmalsbewertungen mit den syntaktischen
Funktionen:
[-r, -o] > [-r, +o] > [+r, -o] > [+r, +o]
SUBJ > OBJ > OBLθ > OBJθ
Das Subjekt ist das grammatischste Argument (unmarkiert: notwendig in jeder Proposition),
das OBJθ ist das am wenigsten grammatische Argument (das markierteste: am
eingeschränktesten in seinem Vorkommen).
NB: Adjunkte sind keine Kandidaten für die Auswahl der grammatischen Prominenzfunktion
sie spezifizieren die Proposition als ganze
Heute gibt Hans Emma die Hausschlüssel
Der kritische Punkt bei diesem Unternehmen ist die Bewertung der Argumente, die ja im
Sinne des lexikalistischen Ansatzes auf der Grundlage ihrer semantischen Rolle im Szenario
des Prädikats erfolgen muß. Ausgangspunkt ist dafür eine semantische Hierarchie, die über
den verschiedenen Rollen im Szenario definiert ist. In den LFG-Arbeiten wird diese wie folgt
angenommen:
Agens >>[ Adressat >> Patiens >> Gegenstand (engl. theme)] >> Pfad / Ort ...
kulturelle Salienz: Grad der Kontrolle, Belebtheit ....
Makrorollen, abgeleitet aus der semantischen Dekomposition (V-23): Akteur (TUN),
Dulder (engl. undergoer
zweites Argument bei KAUS): Mit Dulder sind hier also
zusammengefaßt {Adressat, Patiens, Gegenstand}, ...
Die "lexikalisch gesteuerte Abbildung" (lexical mapping theory ) der LFG soll als
Algorthmus funktionieren:
(1) thematische (Szenario-) Rollen werden auf die Argumentstruktur abgebildet
(2) die Argumentstruktur wird per default voll spezifiziert: jedes Argument [± r, ± o],
(3) die spezifizierte Argumentstruktur wird auf die grammatische Struktur
(grammatische Relationen) abgebildet
135
Die Funktionsweise dieses Algorithmus werde ich w.u. skiziieren, nachdem wir uns zunächst
einmal die Problemkonstellation an dem Beispiel deutlich gemacht haben, dessen
konzeptuelle Struktur schon eingangs vorgestellt wurde:
Hans gibt Emma die Hausschlüssel
Als ditransitive Konstruktion (mit der Valenzstruktur von geben) illustriert es zugleich auch
die kritischen Fragen, die sich mit diesem Ansatz verbinden:
Hier handelt es sich um eine einfache Kernstruktur eienr Proposition, d.h. alle Argumente
sind gramatische Ergänzungen des Prädikats, also [-r]. Eines davon (Hans) ist Subjekt, die
anderen sind Objekte. Die Grundstruktur ist demnach:
SUBJEKT
Hans
KERN: [-r, -o]
NUKLEARES
PRÄDIKAT
gibt
PRÄDIKAT(SVERBAND)
KOMPLEMENT 1
KOMPLEMENT 2
Emma
KERN: [-r, +o]
die Hausschlüssel
KERN: [-r, +o]
Hier gibt es nun eine Problem in Hinblick auf die Kohärenzforderung: Diese ist bei den
Komplementen nicht erfüllt, da zwei Argumente nicht differenziert sind. Daß diese
Strukturzuordnung allerdings nicht falsch ist, zeigt die passivische Diathese, die gleiche
Szenario-Konstellation aufweist, allerdings mit einem obliquen Element ([+r], markiert):
SUBJEKT
Hans
KERN: [-r, -o]
die Hausschlüssel
KERN: [-r, -o]
NUKLEARES
PRÄDIKAT
gibt
werden gegeben
PRÄDIKAT(SVERBAND)
KOMPLEMENT 1
KOMPLEMENT 2
Emma
KERN: [-r, +o]
Emma
KERN: [-r, +o]
die Hausschlüssel
KERN: [-r, +o]
von Hans
KERN: [+r, -o]
Eine denkbare Lösung für das Kohärenzproblem (das in der passivischen Diathese nicht
auftritt!) wäre es, in dem Komplement der ditransitiven Konstruktion, das das Argument mit
der semantischen Rolle des Begabten artikuliert, eine engere thematische Bindung zu sehen,
die die Grundstruktur desambiguierend überschreibt, es also dort seinerseits als [+r] zu
bewerten (die beiden restriktiven Argumente sind im Schema markiert):
SUBJEKT
Hans
KERN: [-r, -o]
die Hausschlüssel
KERN: [-r, -o]
NUKLEARES
PRÄDIKAT
gibt
werden gegeben
PRÄDIKAT(SVERBAND)
KOMPLEMENT 1
KOMPLEMENT 2
Emma
KERN: [+r, +o]
Emma
KERN: [-r, +o]
die Hausschlüssel
KERN: [-r, +o]
von Hans
KERN: [+r, -o]
In der ditransitiven Konstruktion ist das zweite Objekt ("indirektes Objekt") gegenüber dem
engen ("direkten") Objekt thematisch festgelegter, also ein OBJ2 ~ OBJθ .
136
NB: Oblique Komplemente sind definitionsgemäß thematisch festgelegt, insofern OBL ~
OBLθ. Die Angabe einer spezifischen thematischen Spezifizierung ist nur erforderlich, wenn
mehrere obliquen Komplemente vorhanden sind (zu deren Desambiguierung)
Hans
[-r, -o] ~ SUBJ
stellt
PREDN
die Vase
[-r, +o] ~ OBJ
für Emma
[+r, -o] ~ OBLBENEF
auf den Tisch
[+r, -o] ~ OBLLOK
Ausgehend vom Seznario des nuklearen Prädikats ist das Subjekt ist eine indirekt definierte
syntaktische Funktion, die (relativ) unabhängig von der semantischen Rolle des jeweiligen
Arguments ist:
PRÄDIKAT(SVERBAND)
SUBJEKT
NUKLEARES
KOMPLEMENT 1
KOMPLEMENT 2
PRÄDIKAT
Hans [Agens]
gibt
Emma
die Hausschlüssel
KERN: [-r, -o]
KERN: [+r, +o]
KERN: [-r, +o]
die Hausschlüssel
werden gegeben
Emma
von Hans [Agens]
KERN: [-r, -o]
KERN: [+r, +o]
KERN: [+r, -o]
Das ist der Ausgangspunkt für die Analyse der Diathesen: Wo solsche bestehen, gibt die
konzeptuelle Strukturen im Szenario ( projiziert von der Verbsemantik) eine
Defaultzuordnung zur Artikulation durch grammatische Funktionen vor, die aber durch
markierte Strukturen (auch morphologisch markiert am nuklearen Prädikat!) überschrieben
werden kann.
Diese Verhältnisse werden in der LFG nun durch die "lexikalisch gesteuerte Abbildung" (die
lexical mapping theory) i.S. eines Algorithmus angegangen, der mit den lexikalischen
Informationen des nuklearen Prädikats gefüttert wird. Dessen prozessualer Ablauf kann wie
folgt beschrieben werden:
1. In einem ersten Schritt wird auf die Proposition eine bestimmte Valenzstruktur
projiziert, z.B. bei geben also eine dreipolige Argumentstruktur (geben (x, y, z)),
2. auf diese Argumentstruktur werden die thematischen (Szenario-) Rollen abgebildet,
3. entsprechend der Schemaitiserung in Makrorollen und deren hierarchisacher Ordnung
werden den Argumenten Werte für [± r] oder [± o] zugeordnet,
4. die Argumentstruktur wird per default voll spezifiziert: jedes Argument [± r, ± o],
5. relativ zum gesamten Feld der Werte-Spezifizierung können noch Umpolungen bei
den Bewertungen der Argumente vorgenommen werden,
6. die spezifizierte Argumentstruktur wird auf die grammatische Struktur (die
grammatischen Relationen) abgebildet.
Die Schritte (3) und (4) sind durch Defaults definiert. Bei (3) werden:
(a) Dulder-Argumente werden auf [-r] abgebildet,
(b) Nicht-Dulder-Argumente, die keine Akteur-Argumente sind, werden auf [+r]
abgebildet,
(c) Alle Nicht-Dulder-Argumente werden auf [-o] abgebildet (d.h. alle, die in der
Hierarchie niedriger oder höher sind).
Bei (4) erfolgt ein "Auffüllen" der Spezifizierung:
Wo die Werte bei [± r, ± o] nicht durch (1) festgelegt sind, werden sie per Default
gesetzt: Default [- r], [+ o],
NB: Dieser Default operiert (in Sprachen wie dem Deutschen!) vor allem in der Proposition
mit einem intransitiven Prädikat.
137
Bei Schritt (5) können die so produzierten Default-Strukturen u.U. noch überschrieben
werden:
(a) ein Dulder-Argument kann [+o] durch [-o] überschreiben, wenn sonst kein
anderes [- r, - o] - Argument vorhanden ist,
(b) zwei Dulder-Argumente mit [-r] können desambiguiert werden, indem eines
mit [+r] überschrieben wird,
Bei Schritt (6) werden die Wertespezifikationen in grammatische Funktionen "übersetzt".
Dabei gilt für die problematische Definition des Subjekts:
(a) für jede Proposition muß ein Subjekt spezifiziert werden:
(b) das semantisch prominenteste Argument mit [-o] wird auf das Subjekt
abgebildet
(c) ein Argument mit [-r] kann auf das Subjekt abgebildet werden
Die entsprechende Ableitung der oben angeführten Probleme bei ditransitiven Konstruktion
und ihres passivischen Gegenstücks sieht dann wie folgt aus:
geben
(Geber,
(x
[-o]
[- r, -o]
[- r, -o]
Begabter,
y,
[-r]
[-r]
[- r, +o]
[+ r, +o]
Gabe)
z)
[-r]
[-r]
[- r, +o]
[- r, +o]
Thematische Struktur
Argumentstruktur
Default (3a)
Default (3c)
Default (4)
Default (2a)
Akteur [x] hat den höchsten Rang ([- r, -o]) und wird SUBJEKT,
Begabter [y] >> Gabe [z], wird also OBJ2 (OBJθ )
Passiv: Die Hausschlüssel werden Emma (von Hans) geben
In lexikalistischer Sicht handelt es sich bei gegeben_werden um ein anderes Verb mit einer
anderen Subkategorisierung. Der Algorithmus läuft hier wie folgt:
gegeben_werden
(Gabe,
(x
[-r]
[-r]
[-r]
[- r, +o]
[- r, -o]
Begabter,
y,
[-r]
[-r]
[-r]
[- r, +o]
[- r, +o]
Ausgabe)
z)
[+r]
[+ r, -o]
[+ r, -o]
[+ r, -o]
Thematische Struktur
Argumentstruktur
Default (3a)
Default (3b)
Default (3c)
Default (4)
(5a)
Gabe [x] hat den höchsten Rang ([- r, -o]) und wird SUBJEKT,
Begabter [y] wird OBJ (OBJθ )
Ausgabe [z] wird OBL (OBLQUELLE ), markiert durch die Präposition von.
Da in diesem Fall keine ditransitive Struktur vorliegt, müssen auch nicht zwei Objekte
desambiguiert werden.
138
25. Literaturhinweise:
Die primäre Ebene der Abklärung der grammatischen Grundbegriffe ist hier die Grammatik
der deutschen (Gegenwarts-) Sprache – unabhängig vom grammatiktheoretischen
Modellierungsansatz. Als systematisches Repetitorium, das auch die einschlägige Diskussion
recht gut abdeckt, sei verwiesen auf:
Peter Eisenberg, Grundriß der deutschen Grammatik, Neuauflage in 2 Bänden, Stuttgart:
Metzler 1998 – 1999
außerdem
Gisela Zifonun u.a. [Institut für deutsche Sprache, Mannheim], Grammatik der deutschen
Sprache, 3 Bände, Berllin: de Gruyter 1997
Ausgangspunkt für die Rekonstruktion der grammatiktheoretischen Begrifflichkeit ist hier die
traditionelle Schulgrammatik, wobei entsprechend der im Studiengang vorausgesetzten
Grundkenntisse des Lateinischen dessen Grammatik im Vordergrund steht. Ausführlich dazu
etwa
Hermann Menge, Lehrburch der lateinischen Syntax und Semantik, Neubearbeitung von
Th.Burkard / M.Schauer, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2000
außerdem (mit einer an der neuren [Transformations-] Grammatik orientierten
Begrifflichkeit):
Harm Pinkster, Lateinische Syntax und Semantik, dt. Ausgabe Tübingen: Francke 1988
zur traditionellen Begrifflichkeit im Vergleich der Schulgrammatiken noch:
F. Sommer, Vergleichende Syntax der Schulsprachen (1931), Repr. Darmstadt: Wiss.
Buchgesellschaft 1971
H. Glinz, Grammatiken im Vergleich, Tübingen: Niemeyer 1994
Eine ausführliche, zwar i.S. der neueren Grammatikdiskussion etwas überholte, ansonsten
aber immer noch grundlegende Drstellung findet sich in:
J. Lyons, Semantik, 2 Bde. (engl. 1977), dt. München: Beck 1980
Die gegenwärtige Diskussion ist bestimmt von der Generativen Grammatik, die hier nicht
bibliographiert werden kann. Ein nützliche Einführung, die insbesondere auch die meist
einfach vorausgesetzte englische Grammatik mit der des Deutschen konfrontiert, ist:
R. Borsley, Syntax-Theorie (engl. 1991), dt. Bearbeitung von P.Suchsland Tübingen:
Niemeyer 1997
Zur "orthodoxen" Version der Rektions- und Bindungstheorie s.
L. Haegeman, Government and binding theory, Oxford: Blackwell Neubarbeitung 1994
Die Argumentation hier ist auf das ausgerichtet, was in der gegenwärtigen Diskussion als
"funktionale Grammatik" bezeichnet wird, dabei insbesondere auf die Lexikalisch-funktionale
Grammatik (LFG). Als elementare Einführung (im Text bis Kap. 5):
Yehuda F. Falk, Lexical functional grammar, Stanford: CSLI 1999
Systematische Darstellungen bieten
Joan Bresnan, Lexical-functional syntax, Oxford: Blackwell 2001
Mary Dalrymple, Lexical functional grammar, San Diego: Academic Press 2001
In Hinblick auf das Transparentmachen methodischer Probleme ist nach wie vor nützlich:
M.Dalrymple u.a. (Hgg.), Formal issues in lexical-functional grammar, Stanford: CSLI 1995
Informell, aber auf diese Grammatiktheorie ausgerichtet, zugleich systematisch
sprachtypologisch argumentierend ist
Paul R.Kroeger, Analyzing syntax, Cambridge: Cambridge univ. pr. 2004
139
Zur Familie der formal modellierten funktionalen Grammatiken s. auch
I.Sag / Th. Wasow, Syntactic Theory, Stanford: CSLI 1999
Es gibt auch einige nützliche einführende Drstellungen, die die neueren
grammatiktheoretischen Ansätze (also einschließlich der LFG) sytematischer darstellen,
insbesondere
Peter Sells, Lectures on contemporary syntactic theories, Stanford: CSLI 1999
R.D. van Valin, An introduction to syntax, Cambridge: Cambridge univ. pr. 2001
sowie zum Nachschlagen:
K.Brown / J.Miller, Concise encyclopedia of syntactic theories, Oxford: Pergamon 1996
Zu den nicht formalisierten Versionen funktionalistischer Grammatiken s.
Talmy Givón, Syntax, 2 Bde., Amsterdam: Benjamins 2001
Als Hilfestellung empfiehlt sich ein ordentliches Wörterbuch sprachwissenschaftlicher
Terminologie. Bei den deutschsprachigen bietet sich an:
H. Bußmann, Lexikon der Sprachwissenschaft, Stuttgart: Kröner Neuauflage 2002
Nützlich ist (u.U. auch daneben) ein englischsprachiges, wofür zwei infrage kommen:
P.H.Matthews, Concise dictionary of linguistics, Oxford: Oxford UP 1997
R.L.Trask, A dictionary of grammatical terms in linguistics, London: Routledge 1992
Herunterladen