SERIE PÄDIATRIE Ursachenfindung geht vor Fiebersenkung FIEBER BEI KINDERN: Besonders bei Säuglingen unter 3 Monaten muss der Fiebersenkung eine genaue Abklärung der Ursache Redaktion: Dr. Claudia Uhlir vorangehen. WENIGE SÄUGLINGE kommen ohne Fieber durch ihre ersten Monate. In der Regel ist Fieber ein Zeichen für eine Infektion und Ausdruck einer Abwehrreaktion des Immunsystems, damit ein positives Zeichen und nicht per se dringend behandlungsbedürftig. Ausnahmen sind Kinder zwischen 6 Monaten und 6 Jahren, die zu Fieberkrämpfen neigen. Auslöser für einen Fieberkrampf ist ein Anstieg der Körpertemperatur über mehrer Grade in kurzer Zeit (1 Stunde) oder über 40 °C. Der Fieberkrampf tritt in der Regel während der ersten Stunden nach Fieberbeginn auf und dauert ca. 3–4 Minuten an. Er ist meist harmlos, bedarf aber immer einer Abklärung. Auch Kinder mit einer ernsten Primärerkrankung wie einer schweren Herz-, Lungen- oder Nierenerkrankung sollten frühzeitig antipyretisch behandelt werden, da Fieber bei ihnen schädliche Auswirkungen haben kann. Generell ist Fieber ein für die meisten Kinder belastender Zustand und geht oft mit Muskel- und Kopfschmerzen oder diffusen Schmerzen, Übelkeit und starker Abgeschlagenheit einher. Fieber erhöht den Flüssigkeitsbedarf und beschleunigt Puls und Atmung. Eine fiebersenkende Therapie ist daher durchaus sinnvoll, allerdings nicht vor einer diagnostischen Abklärung. RICHTIG MESSEN (LASSEN) Eltern sollten dazu aufgefordert werden, bei Fieberverdacht (v.a. bei Schüttelfrost) die Körpertemperatur zu messen und sie nicht nur zu fühlen. Es ist sinnvoll, Eltern zu zeigen, wie sie die Körpertemperatur ihres Babys korrekt bestimmen. Am zuverlässigsten ist die rektale Temperaturmessung mit einem elektronischen Thermometer. Das Baby wird in Bauchlage mit der Hand auf der Unterlage festgehalten, damit es sich so wenig wie möglich bewegt. Das vorher eingecremte Fieberthermometer wird 2 cm tief in den After geschoben und dort 2 Minuten belassen. Eine gute Alternative zur rektalen Messung ist die Temperaturbestimmung mit dem Ohrthermometer. Es ist sinnvoll, die Messung nach 30 Minuten zu wiederholen, um ein falsches Ergebnis, z.B. durch einen Wärmestau, zu vermeiden. Ab einem Alter von 4–5 Jahren ist auch die axilläre oder die sublinguale Messung möglich. ÄRZTE KRONE 4/08 59 © Xxxx – istockphoto SERIE PÄDIATRIE Die häufigsten Ursachen von Fieber bei Säuglingen und Kindern sind ● pulmonale Infekte wie Krupp oder Pneumonie ● Otitis ● Influenza ● schwere Erkältungen und Pharyngitis/Lanryngitis ● Magen-Darm-Infektionen ● Harnweginfekte und ● andere virale Infekte Seltene Fieberursachen sind entzündliche Darm- und Gelenkerkrankungen, Kollagenosen, allergische Reaktionen, maligne Tumoren und hämatologische Erkrankungen. SCHWERE VERLÄUFE VERHINDERN Zur Vermeidung schwerer Verläufe fieberhafter Zustände bei Kindern bedürfen einige Situationen spezieller Aufmerksamkeit (s. Kasten). Neben der Beurteilung des Allgemeinzustandes ist besonders auf neurologische Symptome und die Ansprechbarkeit zu achten. Entsprechende Auffälligkeiten machen eine unverzügliche stationäre Aufnahme an einem pädiatrischen Zentrum notwendig. Ein besonderes Alarmsignal ist Fieber in Verbindung mit einem Hautausschlag. Dabei sollte an eine Meningokokkenseptikämie oder ein Kawasaki-Syndrom gedacht werden. Bei Fieber, JE JÜNGER DAS KIND, DESTO GENAUER DIE DIAGNOSTIK Physiologischerweise variiert die Temperatur über den Tagesverlauf. Am höchsten ist sie vom späten Nachmittag bis zum Abend, am niedrigsten zwischen Mitternacht und dem frühen Morgen. Fieber ist definiert als eine Körpertemperatur ● bei Säuglingen > 38 °C (Normaltemperatur rektal < 37,8 °C, oral < 37,2 °C) und ● bei Kindern und Jugendlichen > 38,5–39 °C Die Suche nach der Ursache ist in jedem Fall wichtiger als die sofortige Fiebersenkung. Das gilt umso mehr, je jünger das Kind ist. Babys unter 3 Monaten sollten ohne genaue Abklärung keinesfalls fiebersenkend behandelt werden, da immer die Möglichkeit einer ernsten fulminanten Erkrankung besteht. Fieber bei Kindern – Faktoren, die erhöhte Aufmerksamkeit erfordern ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● ● Alter unter 3 Monaten Fieber über 38,5 °C in den ersten 12 Lebensmonaten unabhängig vom Alter: ungewöhnlich müde, starke Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit, schaut krank aus Delirium, Halluzinationen zugrunde liegende Immunstörung Auslandsreise in den vergangenen 8 Wochen Schlafstörungen Unruhe, Verwirrtheit, Benommenheit Trinkschwäche, ausbleibende Harnausscheidung, trockene Windel unklarer Hautausschlag jeder Fieberverlauf über mehr als 3 Tage anhaltender Krankheitszustand auch nach Fiebersenkung 60 ÄRZTE KRONE 4/08 Fiebersenkung bei Kindern Allgemeinmaßnahmen ● Zimmertemperatur < 20 °C ● leichte Kleidung ● extra Flüssigkeit (Tees, Wasser, ungezuckerte Fruchtsäfte) ● kein fettes Essen (Verdauung bei Fieber beeinträchtigt) ● gute Zimmerbelüftung (Ventilator) ● keine Bettruhe nötig; aktives Kind darf sich in Innenräumen bewegen, soll sich aber nicht verausgaben ● bei Fieber infektiöser Genese Kind von anderen fernhalten (Ansteckungsgefahr) Medikamentöse Fiebersenkung bei Kindern ® ● Ibuprofen: Nureflex Suspension ® ● Paracetamol: Mexalen Zäpfchen, Tabletten ® ● Mefenaminsäure: Parkemed Zäpfchen, Suspension, Tabletten ® ● Metamizol: Novalgin Zäpfchen, Tropfen; Achtung wegen Blutbildschädigung (Agranulozytose) ® ● Aspirin : Achtung bei Kindern wegen Reye-Syndrom (schwere Erkrankung des Gehirns und der Leber); bei Jugendlichen unbedenklich Hausmittel ● Brustwickel: ab 6. Monat geeignet, Handtuch mit lauwarmem Wasser, nach 20–30 Minuten entfernen, soll nicht trocknen, nicht über Nacht liegen lassen ● Wadenwickel: Tuch mit zimmerwarmem Wasser (22 °C), eventuell auch mit verdünntem Essig, alle 7–12 Minuten erneuern, bis Temperatur um 2 °C gesunken ist, Kind darf nicht frieren ● Lauwarmes Abkühlungsbad: auch bei Husten und Schnupfen möglich Bauchschmerzen und Erbrechen sind Appendizitis und Harnweginfekte auszuschließen. Fieber in Verbindung mit Nackenschmerzen kann eine ZNS-Infektion zugrunde liegen, bei Gelenkschmerzen sollte eine septische Arthritis ausgeschlossen werden. ANTIPYRETISCHE THERAPIE Ziel der antipyretischen Therapie ist es, die Körpertemperatur so weit zu senken, dass sich das Kind wohlzufühlen beginnt, der positive Effekt des Fiebers aber weiter bestehen bleibt. Im Allgemeinen sinkt die Körpertemperatur 1–2 Stunden nach der Medikamentengabe um 1–1,5 °C. Im Kasten sind neben Allgemeinmaßnahmen und Hausmitteln zur Fiebersenkung bei Kindern auch die medikamentösen Möglichkeiten zusammengefasst. Mit Ausnahme von Kindern mit Fieberkrampfneigung und Kindern mit schweren Grunderkrankungen sollten Antipyretika nicht routinemäßig eingesetzt werden. Eine bewährte Substanz zur Fiebersenkung bei Kindern ist Ibubrofen. Ibuprofen hat neben einem guten antipyretischen Effekt auch eine gute antiphlogistische Wirkung auf Muskelschmerzen und bewährt sich auch sehr bei Infektionskrankheiten mit entzündlicher Komponente. Acetylsalicylsäure ist für Kinder aufgrund seines Nebenwirkungsspektrums (Magenreizung, Übelkeit, Blutungsrisiko, allergische Reaktionen, Reye-Syndrom) kein Mittel erster Wahl. Paracetamol wirkt gut fiebersenkend, ist gut verträglich, beeinflusst die Blutungsneigung nicht und auch allergische Reaktionen sind selten. VERWECHSLUNGSMÖGLICHKEIT MIT HITZSCHLAG Melden sich Eltern im Sommer telefonisch mit dem Verdacht, ihr Baby hätte Fieber, sollte unbedingt nachgefragt werden, ob hier nicht eine Verwechslung mit Hitzschlag vorliegen könnte. Denn zum pathologischen Anstieg der Körpertemperatur von Babys kann es nicht nur durch Hitzestau, z.B. am Strand oder im geschlossenen Auto, kommen, sondern auch durch zu warme Kleidung bei heißem, stickigem Wetter. Die Temperatur kann in diesen Fällen auf über 40,5 °C steigen. Dies bedeutet bereits nach wenigen Minuten Todesgefahr. Die Eltern sind anzuweisen, ihr Baby sofort mit kühlen, feuchten Umschlägen zu kühlen und sofort ins Krankenhaus zu bringen. Prim. Univ.-Prof. Dr. WILHELM KAULFERSCH, Zentrum für Kinder, Jugendliche und Frauen, LKH Klagenfurt, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ) [email protected]