Unter falschem Verdacht

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11
25. 2. 2014
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Focus 11
Dienstag, 25. Februar 2014
Unter falschem Verdacht
Was nützt Forschung in einem Schutzgebiet wie im Schweizerischen Nationalpark, der vor 100 Jahren gegründet
worden ist? Viel, sagt Britta Allgöwer. Zum Beispiel beim Abbau von alten Mythen über Geier und Tannenhäher.
BRUNO KNELLWOLF
Seit Jahrtausenden hat sich der
Mensch die Natur untertan gemacht, bekanntlich nicht nur zu
ihrem Besten. Interessant ist
deshalb die Frage, was passiert,
wenn man die Natur sich selber
überlässt. Diese Frage beschäftigte die Gründer des Schweizer
Nationalparks schon vor 100 Jahren, was für die damalige Zeit
ungewöhnlich war, wie Britta
Allgöwer sagt, die im Nationalpark forscht und Direktorin des
Natur-Museums Luzern ist. «Von
Anfang an war das ein revolutionärer Grundgedanke der Gründer: Zu sehen, was geschieht,
wenn sich der Mensch zurückzieht», sagt Allgöwer, die morgen
in St. Gallen referieren wird.
Ein Kommen und Gehen
Den Gründungsvätern, die im
Engadin im August 1914 der ersten und einzigen Nationalpark
eröffnet haben, verdanken wir
somit ein einzigartiges Forschungsgebiet, aus dem entsprechend spannende Resultate herausgearbeitet werden können.
Überlasse man die Natur sich
selbst, setze das Prozesse in
Gang, die in der Kulturlandschaft unterdrückt würden, erklärt Allgöwer. «In der Natur
beginnt dann ein Kommen und Gehen.»
Die Natur ist eine
Summe von vielen
Abhängigkeiten und
Symbiosen. Wenn
der Mensch eingreift, beeinflusst
er diese zu seinem Nutzen. So
dass Getreide und Äpfel wachsen. Hält sich der Mensch zurück, wächst das, was an diesem
Ort das grösste Potenzial hat.
Nicht Mais oder Kartoffeln, nicht
die schnellwachsenden Fichten,
die ein Förster im 19. Jahrhundert gepflanzt hat, sondern ein
Laubmischwald im Mittelland,
und im Berggebiet ein Wald mit
anderen Nadelbaumarten als
nur Fichten. Möglicherweise
entstehen auch Ökosysteme, die
man gar nicht erwarten würde.
Doch ist die Natur im Schweizerischen Nationalpark wirklich
sich selbst überlassen? Drei
Punkte prägen das eidgenössische Nationalpark-Gesetz: Zu-
Polio-ähnliche
Krankheit
In den USA ist eine seltene Polioähnliche Krankheit bei Kindern
entdeckt worden. Betroffen waren fünf Kinder von den Symptomen, die einer Polio-Erkrankung
ähnelten. «Obwohl das Poliovirus praktisch weltweit weitgehend ausgerottet ist, können
andere Viren ebenfalls das
Rückenmark angreifen und
Polio-ähnliche Symptome hervorrufen», sagte der Neurologe
Keith van Haren von der Universität Stanford. So seien im
vergangenen Jahrzehnt neue
Enteroviren entdeckt worden,
die zu Polio-ähnlichen Erkrankungen bei Kindern in Asien und
Australien geführt hätten.
Kinderlähmung gilt seit Mitte
der 1950er-Jahre als weitgehend
besiegt. Vor allem in Pakistan,
Afghanistan und Nigeria kommt
es jedoch immer wieder zu Ausbrüchen der hochansteckenden
Krankheit. Grund zur Sorge
gaben der WHO zuletzt verstärkt
Syrien und Somalia, während
Indien im vergangenen Monat
nach einer massiven Impfkampagne offiziell die Ausrottung
der Kinderlähmung feierte. (sda)
oberst stehen der Schutz der
Natur und deren Prozesse. Zum
zweiten die Begehbarkeit und
Zugänglichkeit des Nationalparks für Interessierte und an
dritter Stelle die Forschung.
«Grundsätzlich sind alle natürlichen Prozesse erlaubt», sagt
Allgöwer. Die Natur soll selber
entscheiden, wie sie sich entwickelt. Es dürfen Lawinen ins
Tal schiessen, Murgänge die Erde
verschieben, Bäume sterben,
und der Borkenkäfer darf wirken.
Eine Einschränkung legt die
Park-Verordnung aber fest: «Es
darf keine Schäden geben für
Dritte», erklärt Britta Allgöwer.
hinaus gefährlich werden. Deshalb wird bei einem Brand eingegriffen und gelöscht. Schutz
hat auch die Ofenpass-Strasse,
die durch den Park führt, und als
Verbindung ins Münstertal garantiert werden muss. Dafür gibt
es «unnatürliche» Steinschlagnetze und Lawinenverbauungen
entlang der Strasse. Ansonsten
lässt man der Natur ihre Freiheit.
Nach einem Brand müssen die
natürlichen Selbstheilungskräfte
wirken. Das geht allerdings langsam vor sich. «Wir überblicken
vielleicht 70 bis 80 Jahre. Ein
Baum wächst aber je nach Art
über Jahrhunderte. Diese Pro-
Waldbrände werden gelöscht
Gibt es zum Beispiel eine
Überpopulation einer Tierart in
einem Nachbargebiet wegen des
Nationalparks, haftet dieser dafür. Auch bei einem Waldbrand,
dem Forschungsgebiet von
Britta Allgöwer. Das Feuer
hält sich nicht an Nationalpark-Grenzen,
ein
Waldbrand
kann deshalb
über
den
Park
zesse haben also ganz andere
Zeitdimensionen», sagt Allgöwer. Diese zu verstehen, sei eine
Herausforderung innerhalb der
vielen Forschungsgebiete, welche die Wissenschaftliche Nationalpark-Kommission
zusammen steuert und managt. Denn
Geologe, Biologe und Botaniker
sollen sich nicht stören bei ihrer
Arbeit im Park.
Ein entscheidender Beitrag
der Nationalpark-Forschung besteht in der Aufklärung, der Auflösung alter Mythen, welche
Wildtieren über Jahrhunderte
geschadet haben und immer
noch schaden. Als 1990 die ausgerotteten Bartgeier im Nationalpark ausgesetzt wurden,
wehrte sich der Bündner Bauernverband. Der Bartgeier habe
es auf die Lämmer abgesehen.
Ein völliger Unsinn, inzwischen
weiss jedes Kind, dass der Geier
keine Lämmer schlägt, sondern
gierig auf Aas ist. Dafür brauchte
es allerdings hieb- und stichfeste
Argumente der Wissenschafter.
«Die Geierfrage beschäftigt uns
heute auch in der Zentralschweiz und trotz aller Aufklärung, und zwanzigjähriger Erfahrung gibt es dort noch Leute,
die skeptisch sind», sagt Allgöwer.
Unschuldiger Tannenhäher
Der Tannenhäher: Einst zu
Unrecht gejagt, heute Logo des
Schweizerischen Nationalparks.
Vortragsreihe Natur pur – gemanagte Natur
Seit 100 Jahren darf sich die
Natur im Schweizerischen
Nationalpark in Zernez frei ausbreiten. Der Weg zur «Urnatur»
ist noch nicht abgeschlossen.
Die St. Gallische Naturwissenschaftliche Gesellschaft zeigt
in einer Vortragsreihe viele
Aspekte aus der ParkForschung.
26. Februar: Forschung und
Management im Schweizeri-
schen Nationalpark – ein starkes
Team. Britta Allgöwer, Direktorin
Natur-Museum Luzern.
12. März: Rückkehr der Grossraubtiere in die Schweiz –
Wissenschaft zwischen Emotionen und Politik. Urs Breitenmoser,
Institut für Veterinär-Virologie
Uni Bern.
26. März: Wozu forschen im
Naturpark: Naturforschungspark
Schwägalp / Säntis und weitere.
Robert Meier, Arnal, Herisau.
9. April: Tektonikarena
Sardona. David Imper.
30. April: Wildnispark Sihlwald
– NON-Management der Natur
in Stadtnähe. Isabelle Roth.
14. Mai: Veränderungsprozesse
erfolgreich managen – das
Modell Unesco Biosphäre
Entlebuch. Theo Schnider.
Vorträge jeweils mittwochs
um 20.15 Uhr im Hauptgebäude
der Universität St. Gallen
Kopfschütteln löst heute ein
weiteres Beispiel auf. Bis in die
späten 1950er-Jahre hinein wurde der Tannenhäher in Graubünden als Feind der Arve betrachtet. «Man glaubte, er fresse der
Arve die Samen weg. Er frisst sie
zwar, aber er versteckt sie auch
und findet nicht alle Samen. So
trägt der Tannenhäher sogar zur
Verbreitung der Arven bei», erzählt die Direktorin des Luzerner
Natur-Museums.
Dank der Forschungserkenntnisse wurde 1961 für den Vogel
ein Abschussverbot erwirkt –
heute ist der Tannenhäher das
sinnbildliche Logo des Nationalparks. Dank der Forschung in
einem Schutzgebiet fand der
Tannenhäher seine Ruhe und
der Bartgeier nach seiner Aussetzung einen geschützten Ort, an
dem er sich ungestört entwickeln konnte. Vielleicht hilft die
Forschung auch mal dem Wolf.
Angst um die
MonarchfalterRiesenschwärme
Riesenschwärme
herrlicher
Schmetterlinge fliegen jedes Jahr
aus den USA und Kanada in ihre
Winterquartiere nach Mexiko.
Damit könnte es bald vorbei
sein, fürchtet der WWF Deutschland. Der Bestand der bunten
Amerikanischen Monarchfalter
ist drastisch geschrumpft.
Im Herbst fliegen gewöhnlich
Abermillionen
Monarchfalter
(Danaus plexippus) aus Kanada
und den USA in ihre warmen
Winterquartiere im bewaldeten
Hochland von Zentralmexiko.
Dabei legen sie in mehreren
Generationen mehr als 4000 Kilometer zurück. Wie genau die
Schmetterlinge ihr Ziel finden,
ist nach wie vor nicht genau geklärt.
Seit Beginn der Zählungen
1993 hätten noch nie so wenige
Falter Mexiko erreicht, sagt Volker Homes, Leiter Artenschutz
beim WWF Deutschland. Die
Zahlen schwankten zwar zwischen einzelnen Jahren – sinken
aber in der Tendenz deutlich.
Früher sei die Zahl der federleichten Falter so gewaltig gewesen, dass sich Äste von Kiefern, Tannen und Zypressen unter ihrem Gewicht bogen.
Im Winter 2010/11 fanden
Umweltschützer in Zentralmexiko nur noch gut vier Hektar mit
Monarchfalter-Kolonien. Im Jahr
danach waren es noch knapp 1,2
Hektar. In diesem Winter waren
es sogar nur noch 0,67 Hektar.
Tödliche Pestizide
Der WWF macht vor allem die
intensive Landwirtschaft für den
Rückgang verantwortlich. In den
USA und Kanada, wo die Falter
im Sommer leben, seien viele
Brachflächen in Ackermonokulturen umgewandelt worden. Seidenpflanzen, die Hauptnahrung
der Raupen, würden durch die
dabei verwendeten Pestizide zurückgedrängt. «Wir brauchen
auch auf den Äckern Rückzugsräume für wildlebende Tiere und
Pflanzen, sonst gehen bei vielen
Arten bald die Lichter aus», sagt
Homes.
Die tierische Massenmigration habe in Mexiko auch eine kulturelle Bedeutung, so der WWF:
Für die Mexikaner symbolisiere
sie die Rückkehr der verstorbenen Seelen und werde ausgiebig
gefeiert. (sda)
STERNENHIMMEL
Arktur, der Bärenhüter und der Frühling
Wettermässig ist’s ja gar nie
richtig Winter gewesen, astronomisch natürlich schon. Nun
naht aber mit der Sommerzeit
auch am Himmel unübersehbar
der Frühling. Mit ihm ein markanter Stern: Arktur im Bootes.
Tageslänge: Vom Sonntag,
30. März an gilt die Sommerzeit.
Das macht die Sache ein wenig
kompliziert. Nur auf dem Papier
nämlich verschiebt sich der
Sonnenaufgang von 7.02 Uhr
am 1. nach 5.58 Uhr am
31. März. Denn Ende März ist
bereits eine Stunde zu addieren.
Dasselbe gilt für Sonnenuntergang. Die Sonne geht am 1. um
18.05 Uhr unter, am 31. um
19.50 Uhr – allerdings gemäss
Sommerzeit.
Mondlauf: Wer sich früh auf den
Weg macht, kann die schmale
Sichel des Mondes im Osten
noch sehen. Der März wird mit
dem Neumond beginnen, dann
geht es aufwärts, über das Erste
Viertel (8. März) zum Vollmond
(16.), bevor die Leuchtkräfte des
Erdtrabanten wieder schwinden: Über das Letzte Viertel (24.)
zum Neumond (30. März).
Planeten: Schaut man zur
sogenannten Standardbeobachtungszeit – 23 Uhr am 1., 22 Uhr
am 15. und 21 Uhr (oder 22 Uhr
Sommerzeit) am 31. März – gen
Himmel, so bekommt man
einiges zu sehen. Im Südwesten
steht der Planet Jupiter im
Sternbild Zwillinge, im Osten ist
gerade Mars mit dem Sternbild
Jungfrau in unser Blickfeld
getreten. Fehlen noch Venus
und Saturn, die aber noch
auftauchen werden. Ein guter
Planetenmonat also. Venus ist
strahlender Morgenstern, sie
wandert vom Sternbild Schütze
in den Steinbock und geht am
1. um 4.53 Uhr auf, zu Monatsende dann um 4.28 Uhr (oder
5.28 Uhr Sommerzeit). Mars
erscheint am 1. um 22.03 Uhr
über dem Horizont, am 31.
dann schon um 19.34 Uhr (oder
20.34 Uhr Sommerzeit). An
Helligkeit legt Mars kräftig zu, er
übertrifft die hellen Sterne
Wega, Arktur und Spica sowie
Antares. Noch deutlich heller
strahlt Jupiter. Wenn die noch
hellere Venus auftaucht, hat er
seinen Platz schon geräumt.
Sternenhimmel: Wenn es auf die
Leuchtkraft ankäme, hätten die
Wintersternbilder weiter das
Sagen. Zum Beispiel der auffällige Orion im Westen. Von Osten
her zeigen sich aber schon die
Boten des Frühlings. Der Löwe
steht zur Standardbeobachtungszeit schon im Süden, weiter östlich rücken Jungfrau und
– im Nordosten – Bootes nach.
Der Bärenhüter…: Der Name
Bootes kommt vom griechischen
Wort für «pflügen», das seinerseits mit «Rind» zu tun hat.
Wörtlich bedeutet Bootes deshalb «Ochsentreiber» – zumindest für die alten Römer, die im
Grossen Wagen sieben Dreschochsen zu erkennen glaubten.
Für die Griechen war dies
indes das Hinterteil der Grossen
Bärin, so nannten sie den
Bootes auch Arktophylax, zu
Deutsch: Bärenhüter.
Das Sternbild Bootes und
sein heller Hauptstern Arktur.
…und sein hellster Stern: Arktur,
des Bärenhüters Hauptstern, hat
eine ruhmreiche Geschichte.
Ihn hat man im Jahr 1635 als
ersten Stern am hellen Tag
mit dem Fernrohr beobachtet.
Angesichts seiner Leuchtkraft
erstaunt dieser Rekord nicht.
Achtzig Jahre später dann stellte
der Astronom Edmund Halley
fest, dass Arktur nicht mehr
dort war, wo ihn im Altertum
Ptolemäus beobachtet hatte.
Noch eine Auffälligkeit also.
Gemeinsam mit 52 anderen
Sternen folgt Arktur einem besonderen Weg um den Mittelpunkt unserer Galaxie – und
von uns weg. In einer halben
Million Jahre werden wir ihn
von blossem Auge nicht mehr
erkennen können. Noch aber
leuchtet Arktur mit enormer
Kraft. Er ist ein sogenannter
roter Riese, zwar nicht besonders heiss, dafür aber gross.
Seine Strahlen gehen von einer
Kugel aus, in die 25 Milliarden
Erden hineinpassen würden.
Weshalb Arktur der zweithellste
Stern in unseren Breiten ist.
Rolf App
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