AUS DEM INHALT Ein Besuch bei Charles Messier 25 Jahre Sternfreunde Münster Die Suche nach dem Higgs-Boson 25. Jahrgang - 2/2012 3.- Euro Inhalt Der aktuelle Vorstand 6 25 Jahre Sternfreunde Münster e.V. 7 Jahrhundertereignis mit Hindernissen: Der Venus-transit 18 Die Projektgruppen der Sternfreunde Münster stellen sich vor 1001 Wunder des Weltalls 22 Ein Besuch bei Charles Messier - in zwei Versionen 26 Meine ersten Gehversuche ... als Sternfreund 29 Bildnachweise: 32 Sternfreunde intern 32 Kattenvenne 33 Sumsemann, Enterprise, Sterne oder Venus? 35 Der Weltraum, unendliche Weiten... 36 Das Higgs- Boson 38 Die Perseiden Anno 2012 42 Wie groß ist die Welt? 44 Vom Compton - Effekt zur Planck - Skala? 49 Was? Wann? Wo? 52 IC5146 Kokon-Nebel Andromeda 2/12 Inhalt Editorial ................................................................................................................................ Grußwort Dr. Hendricks ............................................................................................. 25 Jahre Sternfreunde Münster e.V. ............................................................................ Wie groß ist die Welt? .................................................................................................... Jahrhundertereignis mit Hindernissen: Der Venustransit ...................................... 1001 Wunder des Weltalls ............................................................................................ Bildnachweise ................................................................................................................... Ein Besuch bei Charles Messier - in zwei Versionen ............................................... Meine ersten Gehversuche ... als Sternfreund ........................................................... Da kommt was auf uns zu ............................................................................................... Kattenvenne ................................................................................................................... Sternfreunde intern ........................................................................................................... Sumsemann, Enterprise, Sterne oder Venus? .......................................................... Der Weltraum, unendliche Weiten............................................................................ Das Higgs- Boson .......................................................................................................... Die Perseiden Anno 2012 ............................................................................................ Vom Compton - Effekt zur Planck - Skala? .............................................................. Was? Wann? Wo? ............................................................................................................. 4 5 6 16 22 25 28 29 32 35 36 37 38 39 41 45 47 50 Für namentlich gekennzeichnete Artikel sind die Autoren verantwortlich. Impressum Herausgeber: Redaktion: Kontakt: Titelbild: Rückseite: Sternfreunde Münster e. V. Sentruper Straße 285, 48161 Münster Wolfgang Domberger, Michael Dütting, Stephan Plaßmann, Ewald Segna (V.i.S.d.P.), Michael Seifert, Hermann Soester Michael Dütting, Telemannstr. 26, 48147 Münster 02 51 / 98 746 68 Auflage: 400 / Oktober 2012 Rosettennebel - Wolfgang Rosteck, Heinz Niermann, Robert Perdok (Sternfreunde Menden) Sonnenaufgang über Berlin-Spandau - Mirko Wienke 3 2/12 Andromeda Editorial destinierten Zeitschriften vorbehalten. Wir, ich schreibe jetzt bewusst wir, sehen uns als Sprachrohr der Sternfreunde Münster. Eine ...und hallo... Zeitung, die eben durch die Mitglieder des Vereins lebt. Alle Sterne funkeln es vom Himmel: Die Sternfreunde Münster feiern in diesem Nun ist es hier an der Zeit Dank zu sagen. Jahr ihr 25-jähriges Gründungsjubiläum. Siehe Dank an Dr. Hendricks, den Leiter des LWL- hierzu auch den Artikel von Stephan auf Seite Museums für Naturkunde, der uns freundli- 6 und die Ausgabe „Andromeda 1/2012!“ cherweise 25 Jahre die Räumlichkeiten und Medien des Museums zur Verfügung stellte. Was dem einen oder anderen hingegen weni- Dank auch an die Druckerei Stegemöller, ger bekannt sein dürfte, ist die Tatsache, dass die jahrelang unsere „Weihnachtsausgabe“ auch die Zeitung „Andromeda“ das 25- jäh- gesponsert hat. Erst in Schwarz/Weiß und rige Jubiläum feiern kann. Allerdings waren dann in Farbe. Stellvertretend für alle bis- die Anfänge nicht die der DIN A5 Zeitung, herigen Chefredakteure Dank an Klaus, der die ihr heute in den Händen haltet, sondern die Zeitung fast 13 Jahre unter seine Fittiche sie wurde als DIN A4 „Loseblattsammlung“ genommen hatte und zu guter Letzt Dank an herausgegeben und in der Druckerei des die vielen Artikelschreiber, ohne die es diese LWL-Landeshauses fertiggestellt. Zeitung nie gegeben hätte. Erst 1989 hatte die „Andromeda“ dann das Ein Letztes: Mir war es immer ein Anliegen, DIN A5 Format, das bis auf den heutigen den Verein nicht nur als „Hobbyverein für Tag beibehalten wurde. Viele Artikel wurden Astronomie“ darzustellen, sondern auch, von den Sternfreunden seitdem verfasst. den Menschen, die Menschen, die den Verein Praktische Dinge, wie die Handhabung von tragen, hervorzuheben. Das sollte auch die diversen Fernrohren und deren Tests, Buch- Hemmschwelle der Interessierten, die auf besprechungen, auch theoretische Artikel, uns zukommen, zukommen wollen, herab- z. B. über Neutrinos und Strings, ja auch setzen. Die Botschaft, die dahinter steht: der obligatorische Aprilscherz durfte nicht Wir sind auch nur Menschen. Wir helfen ger- fehlen. Eines war aber auch da schon klar: ne, so wir können. Ihr seid willkommen! Das Die ganz große Physik blieb den dafür prä- soll auch die nächsten 25 Jahre so bleiben! Ewald 4 Andromeda 2/12 Beobachtungen des natürlichen Sternenhimmels vorsahen. Die abendlichen Vorträge und Kurse wurden zu einem Treffen von Astronomieinteressierten. Hieraus entstand ein Teilnehmerkreis, dessen Mitglieder sich auch außerhalb der Planetariumsangebote regelmäßig trafen. Grußwort zum 25-jährigen Bestehen der Sternfreunde Münster e. V. Dr. Alfred Hendricks - Museumsdirektor - Im Januar 1985 fanden sich dann 15 Hobbyastronomen zusammen und gründeten einen astronomischen Arbeitskreis. Zunächst trafen sich die Amateurastronomen einmal im Monat im Bürgerzentrum Kinderhaus, in der zweiten Jahreshälfte 1985 bereits im LWL-Museum für Naturkunde. Am 21. Oktober 1987 entwickelte sich aus der astronomischen Arbeitsgemeinschaft der eingetragene Verein „Sternfreunde Münster“. Damit jährt sich in diesem Jahr das Bestehen der Sternfreunde Münster e. V. zum 25. Mal. Schon im Jahr 1992 war aus der ursprünglichen Arbeitsgemeinschaft der mit 60 Mitgliedern größte AstronomieVerein in Westfalen geworden. Heute zählt der Verein über 100 Mitglieder. Das LWL-Museum für Naturkunde unterstützte von Anfang an die „Sternfreunde Münster e. V.“ im Rahmen seiner Möglichkeiten. Die Unterstützung naturwissenschaftlich orientierter Vereinigungen in Westfalen gehört zum Nachdem am 13.11.1981 das Planetarium im LWL-Museum für Naturkunde eröffnet worden war, bestand das Angebot zunächst aus zwei Tonbandprogrammen und abendlichen Vorträgen der Astronomen des Planetariums. Zu den Vorträgen der Monatsthemen gesellten sich astronomische Kurse an acht Abenden, die sich beispielsweise der „Einführung in die Himmelskunde“ widmeten und bei klaren Abenden auch 5 2/12 Andromeda Aufgabenkatalog des Landesmuseums für Naturkunde. Aus der anfänglichen Unterstützung der Sternfreunde e. V. ist aber längst eine echte Kooperation zum Wohle beider geworden. Es gab in der Vergangenheit eine Reihe von an die Öffentlichkeit gerichteten Angeboten, die von Sternfreunden und Museum gemeinsam präsentiert wurden. Beispielhaft mag hier die Kooperation anlässlich des von der UNESCO ausgerufenen “Internationalen Jahres der Astronomie“ im Jahr 2009 stehen. In diesem Jahr boten Sternfreunde und Naturkundemuseum über ein Jahr lang besondere Veranstaltungen rund um die Themen „Himmel und Sterne“ an, einschließlich der öffentlichen Beobachtungen des Sternenhimmels. Seit den Anfängen hat sich die Kooperation stabilisiert und ist aus dem Angebot des Naturkundemuseums nicht mehr wegzudenken. Im Namen aller Angehörigen des LWLMuseums für Naturkunde gratuliere ich den Sternfreunden Münster e. V. herzlich zum 25-jährigen Bestehen. Gleichzeitig möchte ich meinen Wunsch zum Ausdruck bringen, dass die langjährige Kooperation nicht nur weiter bestehen bleibt, sondern sich weiterhin positiv entwickelt. Für die Zukunft wünsche ich den Sternfreunden alles Gute. 25 Jahre Sternfreunde Münster e.V. Stephan Plaßmann Tja, die astronomischen Zahlen! Die berühmt berüchtigten. Sie sind fast immer gigantisch, unanschaulich, jenseits aller Vorstellungskraft, ob ihrer schieren Größe oft schon fast wieder inhaltslos. Astronomische Zeitspannen währen Millionen und Milliarden Jahre. Diese Zahlen gehen zwar leicht über die Lippen, doch wer macht sich wirklich bewusst, dass eine Milliarde eben 1000 Mal eine Million bedeutet? Für uns Menschen einfach unfassbar. Wenn Sie als Millionär Ihre Million Euro zählen wollen, und zwar so, dass Sie in jeder Sekunde einen Euro zählen, dann sind Sie in knapp 12 Tagen bei einer Million angelangt. Wenn Sie als Milliardär das Gleiche tun, so werden Sie erst in fast 32 Jahren mit dem Zählen fertig sein! Wollten Sie alle Sterne unserer Milchstraße zählen (ca. 150 Milliarden), so müssten Sie doppelt so lange zählen wie seit Beginn unserer Zeitrechnung bis zum heutigen Tage, nämlich mehr als 4000 Jahre. 6 Andromeda 2/12 Schaut man in den nächtlichen Himmel, so erscheinen einem die vielen Sterne seit „Menschengedenken“ immer in der gleichen Position, obwohl sie mit für uns Menschen ungeheuren Geschwindigkeiten durchs All rasen. Nur ihre riesigen Entfernungen lassen uns diese Sterne trotzdem an ihren Sternörtern festgenagelt, fixiert, erscheinen. Daher werden sie im Gegensatz zu den Wandelsternen, den Planeten, auch Fixsterne genannt. Zeuge einer galaktischen Kollision, wenn unsere Milchstraße mit dem Andromedanebel zusammenstößt. Nicht einmal eine Veränderung der wohlbekannten Sternbilder werden wir miterleben, obwohl wir diese doch aus den Sternen „unserer Nachbarschaft“ in figürliche Formen zusammensetzen. Alles scheint für uns unveränderlich. Da grenzt es schon fast an eine Sensation, wenn sich am Himmel „kurzfristig“ oder „kurzzeitig“ etwas tut. Vielleicht erscheint einmal ein Komet, der ein paar Wochen mit bloßem Auge sichtbar ist. Aber selbst die sogenannten kurzperiodischen Kometen haben Umlaufzeiten von bis zu 200 Jahren, die man, wenn überhaupt, nur einmal im Leben sieht. Die meisten anderen Kometen haben Umlaufzeiten von Tausenden von Jahren. Sterne werden geboren und sterben wieder. Solch ein Leben dauert bei den größten Sternen mehrere Millionen Jahre, bei den allermeisten normalen Sternen jedoch Milliarden Jahre wie bei unserer Sonne. Sie bewegt sich in 230 Millionen Jahren einmal um das galaktische Zentrum - und hat aber auch schon ca. 20 Umläufe hinter sich. Wir Menschen müssen erkennen, dass wir im astronomischen Schauspiel nicht nur einen kurzen Akt sehen, sondern dass wir eher aus einem Kinofilm mit Überlänge nur ein einziges Standbild einer Situation sehen. Mehr nicht! Wir werden nicht mitbekommen, wie sich unsere Sonne zu einem Riesenstern aufbläht und fast die Hälfte unseres Himmels einnimmt. Wir werden leider nicht Welch eine Rolle spielt hier zeitlich also ein Menschenleben? Und was kann da in nur 25 Jahren, einer winzig kleinen Zeitspanne bis zu einem „Jubiläum“, passieren in astronomischer Hinsicht? Eigentlich gar nichts könnte man meinen. Aber dieser Artikel betrifft ja nicht nur die Astronomie, sondern auch die Menschen, die diese zusammen betreiben. 7 2/12 Andromeda 25 Jahre! Astronomisch ein Nichts - für uns Menschen eine Generation! im Planetarium des Westfälischen Museums für Naturkunde, um weiterhin gemeinsam ihrem Hobby zu frönen. Wenn man so lange zusammen ein gemeinsames Hobby betreibt, sollte doch in 25 Jahren bestimmt irgendetwas Herausragendes passiert sein, oder? In vielen Vereinen sicher - aber auch in der Astronomie? Nun - schauen wir auf die Jahre zurück: Die Sternfreunde Münster, anfangs eine Handvoll Astronomiebegeisterter, haben sich vor eben dieser Zeitspanne zusammengefunden, um im Oktober 1987 offiziell einen astronomischen Verein anzumelden und ihre Gleichgesinnten fortan Mitglieder zu nennen. Am 20.12.1984, dem Ende dieser Vortragsreihe (5 x donnerstags ab dem 22. November 1984), ergriff Michael Große, der spätere Erste Vorsitzende des noch jungen Vereins, das Wort und schlug vor, sich zukünftig in einer lockeren Interessengemeinschaft auszutauschen und sich eventuell regelmäßig zu treffen. Bei den ersten Treffen, sie fanden in der Gaststätte Lohmann in Mecklenbeck und danach im Bürgerhaus Kinderhaus statt, war ich selber leider nicht dabei. Doch bereits vorher, Ende des Jahres 1984, trafen sich ein paar Hobbyastronomen im Anschluss einer Vortragsreihe 8 Andromeda 2/12 Irgendwann kamen dann die ersten gemeinsamen Beobachtungen in der Nähe von Senden und am Hiltruper Friedhof zustande. Und eigentlich wäre uns schon im Jahr 1986 der erste Knaller serviert worden, wenn der langersehnte und auch der breiten Öffentlichkeit bekannte Komet Halley zumindest etwas die Erwartungen erfüllt hätte, die in ihn gesteckt wurden. Nun - zumindest für eine Extra-Ausstellung der Sternfreunde im LWL-Museum hat es gereicht. Alsbald fanden die Zusammenkünfte immer dienstags direkt im Seminarraum des Naturkundemuseums statt. Der Grund hierfür war erstens, dass das Museum dienstags jeweils öffentliche Vorträge im Planetarium anbot und die Räumlichkeiten des Museums deswegen sowieso geöffnet waren und zweitens, dass einer der Sternfreunde, Ewald Segna, praktischerweise Mitarbeiter des Planetariums und des Museums war, den Leiter des Museums, Dr. Hendricks bat, zukünftig die Treffen im Museum zu veranstalten, und so war die Nutzung des Seminarraums überhaupt erst möglich. aufgestelltes Schwein zu stecken, wenn Wortbeiträge doch eher als etwas zu „unqualifiziert“ eingestuft wurden. Dies führte dazu, dass wir Sternfreunde pro Abend von einem Anwesenden jeweils einen kleinen Vortrag zu irgendeinem astronomischen Thema zu hören bekamen. Wir trafen uns nun alle zwei Wochen, am zweiten und am vierten Dienstag des Monats, und an jedem Termin gab es Interessantes aus der Astronomie zu hören. Es kamen immer mehr Wissbegierige zu uns. Und es gab immer mehr Fragen. Fragen, die meist im Anschluss an einen Vortrag gestellt wurden und die den ein oder anderen Abend doch ziemlich in die Länge zogen. So entschlossen wir uns schließlich, den 4. Dienstag ohne Vortrag zu gestalten und als allgemeinen lockeren Treff anzubieten. Zuerst auch im Museum, später in unserer Stammkneipe „Zum Himmelreich“ („ein jeder geht gern in das Himmelreich“ … ein ...) dann für lange Zeit ins „Feldschlösschen“ (hallo Jürgen) an der Sentruper Straße (leider inzwischen abgerissen) und die letzten vier Jahre „ersetzt“ durch das Restaurant „La Vela“ gegenüber am Aasee. Es versammelten sich an diesen Tagen immer mehr Hobbyastronomen, um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Geordnet waren diese ersten „Veranstaltungen“ allerdings nicht. Oft wurde damit gedroht, ein 5.- DM Stück in ein 9 2/12 Andromeda Die zweiten Dienstage im Monat mit ihren Vorträgen sind bis heute hauptsächlicher Bestandteil unserer Vereinsaktivitäten und werden gerne von vielen Interessenten besucht. Die Zahl der Mitglieder wuchs von den ursprünglichen 7 auf 14 im Januar 1988, um Anfang 1992 die Zahl 50 (hallo Johannes) zu erreichen. Zum jetzigen Zeitpunkt halten uns über 110 Mitglieder die Treue. Dann kam der Tag, an dem alles offiziell wurde: Am 21. Oktober 1987 fanden sich die 7 Gründungsmitglieder Michael Große, Karl-Heinz Hummel, Ewald Segna, Andreas Göttker, Sebastian Freff, Christian Pietzner und der Autor beim Rechtsanwalt und Notar Rainer Bonse zusammen, um den Sternfreunden Münster ein „e.V.“ anzuhängen und als astronomischen Verein ins Vereinsregister eintragen zu lassen. Die Gründungsversammlung selbst, als beschlossen wurde, überhaupt einen Verein ins Leben zu rufen, fand am 22. September 1987 im Seminarraum des Naturkundemuseums statt. Das Schöne dabei ist, dass sich die Hobbyastronomen oft nicht nur durch die Himmelskunde verbunden fühlen. Viele Freundschaften haben sich gebildet, die ohne die Sternfreunde wahrscheinlich nicht zustande gekommen wären. Zwei unserer Mitglieder machten ihr Hobby sogar zum Beruf und gründeten eine Firma für den Vertrieb astronomischer Teleskope und Zubehör. Gemeinsame Urlaubsfahrten in Gefilde mit besseren Beobachtungsbedingungen häuften sich. Zuerst wurden Ziele z. B. in Südtirol oder Frankreich angepeilt, später dann auch schon mal Namibia. Die mehr oder weniger regelmäßigen Beobachtungstreffs zu Hause fanden wegen der störenden Lichtverschmutzung des Himmels bevorzugt in ländlicher Umgebung Münsters statt. So standen Treffpunkte früher in Telgte Berdel und Leopoldshöhe auf dem Programm. Heute sind die Ziele eher Alverskirchen und Kattenvenne und seit einiger Zeit wird sogar eine vereinseigene Sternwarte geplant. Das gab uns dann den offiziellen Charakter, mit dem wir uns fortan in der Öffentlichkeit präsentieren konnten. Schon damals boten wir öffentliche Beobachtungen an, bei denen jeder Interessent durch ein paar unserer eigenen Teleskope den Himmel betrachten konnte. Vom Gefühl her fand ich es sehr schön, als Mitglied eines Vereins aufzutreten. 10 Andromeda 2/12 Gemeinsame Beobachtungsnächte brauchten nicht immer teures Equipment. Ziemlich regelmäßig beobachteten wir in Telgte z. B. den Sternschnuppenstrom der Perseiden, deren Maximum um den 12. August eintritt. Wir Sternfreunde benötigten hierfür nur eine Liege und warme Kleidung. eine spezielle Gruppe für Kinder, die hier an die Astronomie herangeführt werden (Astrokids). Der Initiator dieser Gruppe, Jürgen Stockel, hatte einmal pro Jahr sogar ein ganz besonderes Highlight für die Kids im Angebot: Ein ganzes Wochenende, vollgepackt mit Astronomie in einer Jugendherberge. Die Kids konnten sich so spielerisch mit vielen Themen des Himmels vertraut Auch Besuche bei befreundeten Vereinen, z. B. in Geseke, Oldenburg oder Melle standen neben Exkursionen nach Berlin oder Effelsberg auf dem Programm. Durch die stetig steigende Zahl der Mitglieder konnten wir das Angebot unserer Aktivitäten immer mehr erweitern. Neben den regelmäßigen Vorträgen am 2. Dienstag des Monats, wo sowohl Mitglieder des Vereins als auch externe Referenten über alle Teilbereiche der Astronomie berichten, führen wir öffentliche Beobachtungen auf dem Vorplatz des Naturkundemuseums durch. In Zeiten aktiver Sonne gab und gibt es auch Astronomie am Tage, wo wir unseren Besuchern durch spezielle Filter die Sonne mit ihren Flecken oder Fackeln zeigen. Darüber hinaus existiert machen und selbst erstellte Ergebnisse von bearbeiteten Themen ihrer Wahl den anderen präsentieren. Dann gibt es die Anfängergruppe, die Beginner auf dem Weg in die Astronomie begleitet. Seit Ende der 80er Jahre werden hier für den „Neuling in der Astronomie“ einfache und grundlegende Themen angesprochen, wobei aber auch die Praxis nicht zu kurz kommt (wenn das Wetter mitspielt). Wer mehr über den Aufbau der Welt, die Überlegungen zum Anfang des Ur11 2/12 Andromeda knalls oder die weitere Entwicklung des Kosmos wissen möchte, ist bei der Kosmologiegruppe gut aufgehoben. besucht, und wir stehen an den zwei Tagen jedem Besucher mit Rat und Tat zur Seite. Und drei- bis viermal jährlich erscheint unsere vereinseigene Zeitschrift „Andromeda“, die wir seit nunmehr auch schon 24 Jahren mit Herzblut für unsere Mitglieder erstellen. Angefangen hat es allerdings mit einer „Loseblattsammlung“ im DIN A 4 Format zum Selberknicken... In den letzten 25 Jahren gab es vielfach Berichte über uns in den Medien. Mehrfach erschienen Beiträge im WDRFernsehen, im Radio und in diversen Printmedien. Doch auch die Geselligkeit kam, und kommt, in unserem Verein nicht zu kurz. Einmal im Jahr gibt es eine Radtour mit anschließendem Grillen als Ausklang. Aber auch Grünkohlessen standen schon ein paar Mal auf dem Programm. Alles Wissenswerte gibt es natürlich auch auf unserer Homepage zu sehen, die Michael Dütting dankenswerterweise für uns erstellt hat und sie seitdem ständig pflegt und mit ihr für einen professionellen Auftritt unseres Vereins im Internet sorgt. Doch was tat sich im letzten Vierteljahrhundert am Himmel? Gab es Highlights? Seltenes? Unvorhergesehenes? Lange Erwartetes? Für Mitglieder stehen auch Geräte und Literatur zur Ausleihe bereit. Neben Großferngläsern können auch mehrere vereinseigene Teleskope mit bis zu knapp 40cm Durchmesser nebst Zubehör wie hochwertigen Okularen ausgeliehen werden. Die Antwort ist - Ja! Es gab alles. Der scheinbaren Unveränderlichkeit des Himmels zum Trotz können wir Sternfreunde auf einige Highlights zurückblicken. Und das in der superkurzen Zeitspanne von nur 25 Jahren; astronomisch ein Nichts... Einmal im Jahr veranstalten wir unsere Sternfreundeausstellung an einem Wochenende im November (früher Dezember) im Foyer des LWL Museums für Naturkunde. Diese wird sehr gern Natürlich gibt es immer wieder mal Mondfinsternisse, die beobachtet werden können. Wenn diese dann zu „publikumsfreundlichen“ Zeiten stattfanden, 12 Andromeda 2/12 konnten wir den Vorplatz des Museums schon mal in einer öffentlichen Beobachtung mit mehr als 400 Besuchern füllen (9.2.1990), wo wir in vielen Fernrohren den Blick auf den rötlich verfinsterten Mond zeigen konnten. Jupiters in mehr als 20 Bruchstücke. Und alle diese Bruchstücke schlugen nacheinander auf dem Planeten Jupiter ein! Von der Erde aus konnte man sehr gut drei große Einschlagstellen, auch über längere Zeit, im Teleskop beobachten. Das ist meines Wissens nach bisher noch niemals beobachtet worden. Das war schon sehr außergewöhnlich. Jupiter wurde hier dem Ruf des sogenannten „kosmischen Staubsaugers“ mehr als gerecht. Und wir Sternfreunde waren dabei! Wir durften sozusagen live mit unseren Teleskopen zuschauen. Unglaublich. An gleicher Stelle war es eine Freude, bei gutem Wetter den Venustransit 2004 mit vielen Besuchern gemeinsam zu beobachten. Zwei totale Sonnenfinsternisse, im Durchschnitt doch recht selten zu sehende Himmelsereignisse, eine davon sogar von Deutschland aus sichtbar (1999), fielen in „unser en“ Jubiläumsabschnitt. Bei der zweiten Finsternis (2006) machten sich viele Sternfreunde auf den Weg in die Türkei, um locker vom Hocker - äh Strand aus die Totalität beobachten zu können. Doch nur zwei Jahre später, 1996, erschien der sehr helle Komet Hyakutake am Himmel. Es war ein sehr spektakulärer Komet, der seinen Schweif über eine Länge von mehr als 30 Grad am Himmel erstreckte. Lange zuvor war zwar ein anderer Komet namens Hale-Bopp entdeckt worden, der endlich wieder einmal eine hellere Erscheinung werden sollte. Doch Hyakutake stahl ihm erst einmal die Show, indem er sehr schnell heller wurde und größer am Himmel erschien. Wir Sternfreunde führten natürlich wieder öffentliche Beobachtungen durch. Hyakutake war ein Komet, der kam, sah und siegte. Die Öffentlichkeit war beeindruckt. Der Andrang bei der öffentlichen Beobachtung Aber es gab auch noch Spektakuläreres: Im Jahr 1994 erschien der Komet Shoemaker-Levy 9 am Himmel. Kometenerscheinungen sind zwar öfter, aber nicht immer mit bloßem Auge zu sehen und auch sonst meistens nicht besonders spektakulär. Halley war hierfür das beste Beispiel. Aber Shoemaker-Levy 9 war so etwas wie ein Jahrhundertereignis. Dieser Komet zerfiel durch Gravitationskräfte des 13 2/12 Andromeda war riesengroß. Jeder wollte den Kometen sehen und nähere Informationen von uns Sternfreunden bekommen. Und in gesehen werden konnte. Er war lange sichtbar - nur recht weit entfernt und deshalb nicht so groß am Himmel zu sehen wie Hyakutake. O-Ton eines Kometenbeobachters: „Wenn Hale-Bopp so nahe an der Erde vorbeigeflogen wäre wie Hyakutake, dann hätte uns das die Schuhe ausgezogen...“ Und gleich zwei Jahre später ereilten uns die nächsten Highlights: Am 11. August 1999 fand die einzige von Deutschland aus beobachtbare Sonnenfinsternis des Jahrhunderts statt. Viele Sternfreunde fuhren in die Regionen, wo die sogenannte SoFi total zu erleben war. Süddeutschland, Frankreich oder Österreich. der Tat: Hyakutake kam der Erde mit 15 Millionen km Abstand so nahe wie kein anderer seit 1556. Durch seine Nähe konnte man seine Bewegung von mehr als einem Vollmonddurchmesser pro Stunde (!) sehr gut verfolgen. Dann am 18. November 1999, nur drei Monate nach der jahrzehntelang erwarteten totalen Sonnenfinsternis, stand ein Sternschnuppensturm ins Haus. An diesem Tag sollte das spitze Maximum der Leoniden, ein Meteorstrom, stattfinden. Und nicht wie z. B. die Perseiden im August gleichmäßig erscheinend, geben sich die Leoniden nur etwa alle 33 Jahre die Ehre, auffällig zu sein. Sehr auffällig! Und 1999 war dies der Fall. Wir Sternfreunde versammelten uns trotz widriger Wettervorhersagen in Telgte und warteten unter Wolken auf Doch was war mit Hale-Bopp, dem Kometen, der eigentlich schon früher entdeckt wurde und der der eigentliche Star am Astrohimmel werden sollte? Um es kurz zu sagen: Hale-Bopp war 1997 der Star. Er wurde so hell, dass er zeitweise das erste Objekt am Himmel in der Dämmerung war, das überhaupt 14 Andromeda 2/12 das Wunder von Telgte; nämlich dass die Wolken aufreißen würden, und dass wir dann diesen „Sturm“ erleben durften. Dass die Fotografie in den zurückliegenden 25 Jahren fast komplett umgestiegen ist vom Dia zur digitalen Kamera, hat die Freunde der Astrofotografie zu Aufnahmen befähigt, deren Qualität heute denen entsprechen, die damals nur den Profis vorbehalten waren. In unseren Ausstellungen können diese betrachtet werden. Und das Wunder trat ein: Pünktlich zur Maximumszeit klarte der Himmel auf, und wir konnten innerhalb einer halben Stunde bestimmt mehr als 400 Sternschnuppen sehen. Darunter sehr helle. Oft auch mehrere gleichzeitig und teilweise sogar parallel verlaufend. Ein wahrhaft beeindruckendes Himmelsschauspiel. Der WDR war auch wieder dabei und hielt das Ganze für die Sendung in der „Lokalzeit“ fest. Ich glaube, wir Sternfreunde in Telgte waren so ziemlich die einzigen, die überhaupt eine Wolkenlücke im ansonsten total bedeckten Deutschland erwischten. Alles in allem können wir auf ein Vierteljahrhundert zurückblicken, welches angefüllt war mit sehr vielen Aktivitäten sowohl der Mitglieder, die dadurch die Astronomie einem großen Bevölkerungskreis näher bringen konnten, als auch mit astronomischen „Big Points“, die zufällig in diesen verhältnismäßig winzigen Augenblick von 25 Jahren fielen. Zu nennen sind dann noch diverse wunderschöne Polarlichterscheinungen, die wir ebenfalls mehrfach in „unserem“ Zeitraum bewundern konnten (vor allem 1989). Natürlich standen und stehen aktuelle Himmelserscheinungen von besonders guten Planetensichtbarkeiten oder -konstellationen immer auf unserem Programm. Auch so etwas kann durchaus mal als Highlight bezeichnet werden. Hoffen wir, dass die astronomisch nahe Zukunft weitere Überraschungen für uns bereithält. 15 2/12 Andromeda umso größere Auswirkungen haben, je weiter man nach „oben“ kommt. Wie groß ist die Welt? Björn Voss ... um dies herauszufinden, so könnte man meinen, muss man ja eigentlich „nur“ nachmessen. Aber da gibt es ein Problem: Nachmessen, wie man es hier auf der Erde tun würde - „Maß nehmen“, also eine Messlatte anlegen und einfach ablesen - das geht im All natürlich nicht. Dies klingt erst einmal trivial, ist es aber nicht: Jedwede Entfernungsmessung im All ist eine Wissenschaft für sich. Keines der unterschiedlichen Verfahren, mit denen man Entfernungen im All messen kann, funktioniert von hier bis zum „Rand des Universums“. Jede Methode ist nur für einen bestimmten Bereich brauchbar: Manche nur auf der Erde und in der näheren Umgebung im All, andere nur im Bereich der nächstgelegenen Sterne, und wieder andere nur im Bereich der fernsten Galaxien. So muss man unterschiedliche Messungen aneinander stückeln, und sich derart immer weiter hinaus „hangeln“, um die größten Distanzen im All zu messen. Dies wird oft mit dem Erklimmen einer Leiter Sprosse für Sprosse verglichen; man spricht von der „kosmischen Entfernungsleiter“. Ein noch besserer Vergleich ist der Aufbau eines Hauses, bei dem jedes Stockwerk auf den darunter liegenden ruht, und Instabilitäten „unten“ 1. Die Größe der Erde Das Fundament, auf dem die Leiter oder das unterste Stockwerk des Hauses ruht, ist die Messung der Größe unserer Erde. Schon vor über 2000 Jahren war die Erdgröße ziemlich genau bekannt: Der Grieche Eratosthenes fand im Alexandria des Jahres 250 v. Chr. eine geniale Methode, den Erdumfang zu bestimmen. Er ging wie alle seine gelehrten Zeitgenossen bereits davon aus, dass die Erde eine Kugel ist. Eine weitere Annahme, die Eratosthenes mit Recht machte, war, dass die Sonne sehr weit entfernt steht. So weit, dass ihre Lichtstrahlen die Erde als quasi parallele Strahlen erreichen. Dann, so Eratosthenes, werfen gleich hohe Objekte an verschiedenen Orten der Erde unterschiedlich lange Schatten: Wenn die Sonne z. B. senkrecht über einem bestimmten Ort steht - Eratosthenes wusste, dass das an bestimmten Tagen im Jahr am südägyptischen Ort Syene (heute: Assuan) der Fall ist - dann wirft sie dort keinen Schatten. An weit entfernten Orten dagegen gibt es zur selben Zeit sehr wohl einen Schatten: Anderswo steht die Sonne zur selben Zeit nicht senkrecht am Himmel, ihr Licht fällt 16 Andromeda 2/12 also schräg ein, und es gibt je nach Ort mehr oder weniger lange Schatten. Eratosthenes stellte fest, dass die Sonne bei ihm zu Hause in Alexandria im Norden Ägyptens einen kurzen Schatten wirft, während es zur selben Zeit in Syene gar keinen Schatten gibt. Seine Idee war nun (Bild 1): Der Schattenwinkel in Alexandria ist zu diesem Zeitpunkt gleich dem Unterschied der geographischen Breite von Assuan und Alexandria (denn geographische Breiten, oder deren Differenzen, sind Winkel - gemessen am Erdmittelpunkt). Damit konnte Eratosthenes also „ganz einfach“ die Differenz der geographischen Breiten anhand eines beliebigen Schattens in Alexandria abmessen. Der gesamte Umfang der Erdkugel beträgt 360°; der gemessene Schattenwinkel in Alexandria etwas mehr als 7°. Die Distanz Alexandria-Assuan beträgt demnach 360/7 = ca. 1/50 des Erdumfangs. Eratosthenes ließ diese Strecke nun zu Fuß abschreiten, und fand eine Distanz am Erdboden von ca. 5000 griechischen „Stadien“. Dies, mal 50 genommen, muss den Umfang der Erde ergeben, wusste Eratosthenes. Sein Ergebnis - etwa 40.000 km - lag damals schon erstaunlich genau am heute bekannten exakten Wert! Diese genaue Kenntnis von Distanzen verschiedener Orte auf der Erde ist eine entscheidende Grundlage für die folgende Stufe der kosmischen Leiter ins All hinaus. Bild 1: An bestimmten Tagen des Jahres spiegelt sich in Syene die Sonne am Boden eines Brunnens, steht also senkrecht am Himmel. Zur selben Zeit wirft sie in Alexandria einen Schatten. Eratosthenes erkannte: Der Schattenwinkel in Alexandria ist derselbe Winkel, der vom Erdmittelpunkt aus gesehen die beiden Orte trennt - die Differenz der geographischen Breiten. Bild: F. Lühning 2. Die Entfernung der Planeten Dies ist der erste Schritt ins All hinaus! Das Messverfahren ist die „Horizontalparallaxe“; eine Variante der „Daumensprungmethode“. Gemeint ist die leicht 17 2/12 Andromeda unterschiedliche Perspektive, die unsere beiden Augen uns zeigen: Aufgrund ihres Abstands zueinander blicken beide Augen aus unterschiedlichen Winkeln auf nahe Objekte. Hält man den Daumen vors Gesicht und schließt abwechselnd eines der Augen, dann springt der Daumen scheinbar hin und her. Die Größe des Sprungs ist ein Maß für die Distanz des Daumens: Je größer der Sprung, desto näher steht er. Dasselbe gilt z. B. für den Mond: Betrachtet man ihn abwechselnd mit dem linken und rechten Auge, dann würde er vor dem Hintergrund weit entfernter Sterne springen - aber nur so wenig, dass man es nicht messen kann. Bringt man jedoch die beiden Augen weiter auseinander als sie normalerweise sind - sehr viel weiter! - dann sieht man den Mond tatsächlich springen. Praktisch braucht man dazu einen „Augenabstand“ von hunderten oder besser tausenden Kilometern; also zwei Beobachter, die genau zur selben Zeit messen, wie weit der Mond von bestimmten Sternen entfernt steht. Dies erfordert genaue Uhren und genaue Winkelmessungen im Fernrohr, was zuerst Mitte des 17. Jahrhunderts gelang. Heute misst man die Entfernung des Mondes - etwa 380.000 Kilometer - viel genauer durch Laufzeit-Messungen von Radar- oder Laser-Pulsen; dies jedoch erst seit einigen Jahrzehnten. Ähnlich bei den Planeten: Auch deren Distanzen - z. B. die zur Venus - misst man heute per Radar, historisch jedoch vor ca. 250-300 Jahren erstmals mittels der Horizontalparallaxe. Dies ist jedoch viel schwieriger als beim Mond: Da die Planeten ca. 100-1000 mal ferner stehen als der Mond, sind die Winkelsprünge eines Planeten bei der gleichzeitigen Betrachtung z. B. von Europa und Amerika aus 100-1000 mal kleiner als die des Mondes - fast unmessbar klein. Dennoch versuchte man eine solche Messung schon vor über 300 Jahren anhand des Mars. Man konnte zwar feststellen, dass der Mars mehrere 10 Millionen Kilometer entfernt sein muss; eine genaue Zahl ergaben die ungenauen, weil winzigen, Winkelmesswerte aber nicht. Man benötigte eine neue Methode, um die Messung solch winziger Winkel zu verbessern. Die Lösung fand der berühmte Edmund Halley: Er schlug vor, einen Venustransit von verschiedenen Kontinenten aus zu beobachten - das seltene Ereignis, bei dem die Venus von der Erde aus gesehen exakt vor der Sonne steht. Sie erscheint dann als dunkle Silhouette und überquert die Sonnenscheibe im Laufe einiger Stunden. Entscheidend hierbei ist, dass die gedachte Linie, entlang derer die Venus vor der Sonne entlang wandert, von unterschiedlichen Kontinenten aus 18 Andromeda 2/12 gesehen in unterschiedlicher „Höhe“ auf der Sonne liegt (Bild 2). Damit ist die Linie aber auch unterschiedlich lang, und ebenso die Zeit, die die Venus zur Überquerung benötigt. Bild 2: Von unterschiedlichen Orten auf der Erde erscheint ein Planet zur selben Zeit vor anderen Stellen des Hintergrunds - hier, beim Venus-Transit, vor unterschiedlichen Stellen der im Hintergrund stehenden Sonne. Damit ergeben sich unterschiedliche Lagen der Wege der Venus über die Sonne; die Wege sind verschieden lang (übertriebene Darstellung!) Collage: Björn Voss. Misst man nun die genaue Dauer des Durchgangs, dann kann man daraus genau auf die Länge des Weges zurückrechnen, und hieraus wiederum auf den genauen „Höhen“-Unterschied der beiden Wege auf der Sonnenscheibe. Diese „Höhen“-Differenz ist nun aber nichts weiter als der gesuchte „Sprung“ des Planeten bei der Betrachtung von 19 verschiedenen Kontinenten aus. Kurzum: Die sekundengenaue Zeitmessung beim Venustransit ermöglicht eine viel genauere Bestimmung des Parallaxenwinkels als eine direkte Messung der Winkelpositionen. Beobachtungen von VenusTransits, vor allem im 18. Jahrhundert, ermöglichten erstmals eine genaue Bestimmung der sogenannten Venus-Parallaxe, d. h. des „Sprungwinkels“ der Venus. Damit konnten auch andere Distanzen im Sonnensystem genau bestimmt werden und dies ganz ohne weitere Beobachtungen: Nachdem erst einmal die Distanz VenusErde bekannt war, konnte man die Distanzen aller anderen Planeten sofort ausrechnen. Auch die Distanz von der Erde zur Sonne, die sogenannte Astronomische Einheit - etwa 150 Millionen Kilometer - ergab sich rein rechnerisch aus der Venus-Parallaxe: Die berühmten Keplerschen Gesetze der Planetenbahnen - genauer: Keplers drittes Gesetz - sagen uns, dass die Umlaufzeit eines Planeten und seine Entfernung zur Sonne für alle Planeten in einem bestimmten, immer genau gleichen Zusammenhang steht: Das Verhältnis des Quadrats der Umlaufzeit zur dritten Potenz des 2/12 Andromeda Sonnen-Abstands ist für alle Planeten immer gleich groß. Wenn man also die Umlaufzeiten der Planeten kennt (dies war schon vor über 4000 Jahren der Fall), braucht man nur noch von einem der Planeten die Distanz zu messen. Alle anderen Distanzen lassen sich dann ausrechnen. Bei einem Venustransit misst man zwar nicht die Distanz der Venus zur Sonne, sondern die der Venus zur Erde; man benötigt also eine etwas kompliziertere Formulierung des Gesetzes, um aus der Distanz Venus-Erde all die anderen Distanzen zu errechnen. Das Prinzip ist jedoch dasselbe. Zwischen der Messung einer Sternenposition jetzt und einer weiteren Messung ein halbes Jahr später hat die Erde die Sonne einmal halb umrundet und steht auf der anderen Seite der Sonne. Bei einer Distanz von der Erde zur Sonne von ca. 150 Millionen Kilometern ergibt das einen „Augenabstand“ von ca. 300 Millionen Kilometern - gerade genug, um bei nahen Sternen den Sprungwinkel zu messen. Aber auch das nur mit enormen Schwierigkeiten, denn der Winkel ist erneut winzig: Kleiner als ein tausendstel eines Grades, bzw. etwas weniger als eine Bogensekunde. Erst 1838 gelang mit ganz bestimmten ausgefeilten Methoden dem Astronomen Friedrich Wilhelm Bessel eine solche Messung am Stern 61 Cygni. Damit war klar: Die nahen Sterne stehen hunderttausende von Milliarden Kilometern entfernt (100.000 Milliarden Kilometer = ca. 10 Lichtjahre); im Falle von 61 Cygni sind es ca. 108.000 Milliarden km (=11,4 Lichtjahre). Oft wird die Distanz nicht in Lichtjahren angegeben, sondern in parsec - ein Parsec ist die Distanz, in der der Sprungwinkel eine Bogensekunde beträgt, das sind dann 3,26 Lichtjahre. Fortsetzung folgt 3. Die Entfernungen der nahen Sterne Nach einer ähnlichen Methode ergeben sich die Distanzen zu den nah gelegenen Sternen. Hier besteht jedoch absolut keine Chance, einen „Sprungwinkel“ von verschiedenen Kontinenten aus zu messen. Die nächsten Sterne sind ca. 1.000.000 mal ferner als z. B. die Venus; der Winkel wäre also millionenfach kleiner - auch heute ist dies jenseits jeder Messbarkeit. Man muss daher erneut den „Augenabstand“ vergrößern; von den bisherigen tausenden Kilometern auf nun viele Millionen Kilometer. Auf der Erde geht das nicht; man nutzt jetzt die Bewegung der Erde: Sie transportiert uns jedes Jahr einmal um die Sonne herum. „Das Leben auf der Erde mag teuer sein, aber eine jährliche Rundreise um die Sonne ist mit dabei“ Simon Singh 20 2/12 Andromeda 21 2/12 Andromeda in der Vergangenheit für die Region die stabilsten und aussichtsreichsten Jahrhundertereignis mit Hindernissen: Der Venustransit Bei dem Ereignis vom 06.06.2012 handelt es sich um den siebten sichtbaren Venus-Transit, seit Johannes Kepler das Phänomen im 17. Jahrhundert zum ersten Mal voraussagte, und wir (Heinz Niermann und Dieter Petrich) wollten unbedingt dabei sein. Wetterbedingungen. Bei strahlendem Wetter kamen Heinz und ich am 2. Juni nachmittags in Berlevag an. Auch der nächste Tag zeigte sich in hellem Sonnenschein, und erste Sonnenaufnahmen wurden direkt am Haus gemacht. Das mitgenommene Equipment war vollständig und funktionierte einwandfrei. Am 4. Juni sollte ein guter Standort im Hafen und in der Umgebung von Ein Jahr an Vorbereitung war vergangen, als wir am 1. Juni 2012 von Düsseldorf nach Ivalo, Finnland, flogen und dann weiter mit dem Auto nach Berlevag fuhren. Berlevag liegt ca. 400 km östlich vom Nordkap am Eismeer und zeigte Berlevag ausgekundschaftet werden, und zwei Standorte erfüllten unsere Anforderungen. Im Laufe des Tages zogen jedoch Wolken auf, die sich zu einer geschlossenen Wolkendecke verdichteten. Aber das Wetterprogramm sagte für Dieter Petrich 22 Andromeda 2/12 die kommenden Tage eine aufgelockerte Bewölkung voraus. Dieter Salathe vom Touristikbüro, der das Treiben von Heinz und mir aufmerksam verfolgte, war bei den Wettervorhersagen sehr skeptisch, denn der norwegische Wetterdienst sagte eine geschlossene Wolkendecke für die Nacht vom 5. auf den 6. Juni voraus. Ich erinnerte mich: Am Morgen des 5. Juni kam Dieter Salathe in unsere Ferienwohnung, und gemeinsam suchten wir im Internet nach verlässlichen Wettervorhersagen. Als wir nach den vielen widersprüchlichen Informationen keiner Vorhersage mehr trauten, ließ Dieter seine Beziehungen spielen und telefonierte mit dem örtlichen Flughafen. Von dort kam die Aussage: Nur weiter im Inland und zwar in der Region bei Lakselv bietet die Vorhersage ausreichend gute Sichtbedingungen für die kommende Nacht. Kurz entschlossen machten wir uns auf den fast 400 km weiten Weg. Je weiter wir ins Inland kamen, umso besser wurden die Sichtbedingungen. In Lakselv selbst zeigte sich keine Wolke am Himmel, und ein guter Beobachtungsstandort war auf dem Rastplatz des Naturschutzgebietes Roddineset schnell gefunden. Die Nacht erwies sich gegenüber den Temperaturen in Berlevag an der Barentssee als angenehm warm, es ging ein leichtes Lüftchen, und die Mitternachtssonne spiegelte sich im Porsanger f jord. Gegen 2:00 Uhr wurde es windstill und die ersten Plagegeister (Mücken) tauchten auf. Wir ließen uns nicht beirren und machten in regelmä23 2/12 Andromeda Horizont aufgezogen, die die Sicht auf die Sonne erst gering, danach zunehmend beeinträchtigten. Nach 6:00 Uhr morgens wurde die Sonne dann von immer dunkleren Wolkenschichten verhüllt, sodass wir den Austritt der Venus aus der Sonnenscheibe nur noch ab und zu visuell im Fernglas beobachten konnten. Glücklich und zufrieden, denn immerhin hatten wir 6 Stunden den Venustransit bei guten Wetterbedingungen beobachten können, packten wir unsere Ausrüstung zusammen. Die vergangenen Stunden hatten uns so aufgewühlt, dass an Schlaf nicht zu denken war; und so beschlossen wir kurzerhand, noch zum Nordkap zu fahren (ca. 200 km) um erst danach die Heimreise anzutreten. So beeindruckend die Landschaft in Nordnorwegen auch ist, unsere Gespräche kamen immer wieder auf den Venustransit zurück und wie viel Glück und Unterstützung wir dank lieber Menschen dort erfahren hatten. ßigen Abständen unsere Fotos. Morgens gegen 4:00 Uhr wechselten mehr als ein Dutzend Rentiere über die Straße und umringten unseren Beobachtungsstandort, ohne sich von uns stören zu lassen. Auch waren erste Wolken am Anmerkung: Der nächste Venustransit findet nach Angaben des DZLR am 11. Dezember 2117 statt. Dann stehen Sonne, Venus und Erde wieder exakt in einer Linie. In Europa müssen wir jedoch noch etwas länger warten, erst acht Jahre später also am 8. Dezember 2125 ist es soweit. 24 Andromeda 2/12 Astrofotografie und Internet lagen noch in weiter Ferne. „Himmel voller Wunder“ hieß mein erster Astro-Bildband (Rudolf Kühn, 1957, mir lag die 3. Auflage von 1964 vor) mit SchwarzWeiß-Fotografien der vorgenannten Großteleskope, vornehmlich Aufnahmen von Objekten der Milchstraße und der uns benachbarten Andromedagalaxie. Von den wirklichen Tiefen des Kosmos hatten wir in den 60er Jahren allenfalls eine erste vage Ahnung. Dank immer größerer und besserer Beobachtungsinstrumente hat sich das astronomische Wissen seit meiner Jugendzeit enorm erweitert und steht uns teilweise inzwischen sogar via Internet zur Verfügung. 45 Jahre nach meinem astronomischen Schulvortrag, inzwischen pensioniert und noch immer astronomiebegeistert, habe ich soeben die Vorbereitungen eines VolkshochschulAstronomie-Kurses abgeschlossen. Dessen Thema lautet wie damals: „Die Wunder des Weltalls“, heute ergänzt um den Zusatz „eine fantastische Reise durch Raum und Zeit“. Die Kursteilnehmer/ innen erwartet eine Bild- und Videogestützte Expedition bis an die Grenzen des sichtbaren Universums. Piers Bizony unternimmt in seinem Buch „1001 Wonders of the Universe“ eine ähn- Piers Bizony, 1001 Wunder des Weltalls Eine Reise durch das Universum Kosmos Verlag, Stuttgart, 2012, eine Buchempfehlung von Hans-Georg Pellengahr „Wunder des Weltalls“, hieß mein erster Astronomie-Vortrag, in dem ich meinen Mitschülern der Unterprima 1967 das damalige astronomische Weltbild vorgestellt und mir damit zugleich eine gute Physiknote verdient habe. Die bemannte Raumfahrt hatte erst wenige Jahre zuvor begonnen, die Mondlandungen lagen noch in der Zukunft und der 2,5 m Hooker-Spiegel auf dem Mount Wilson sowie sein 5 m -Kollege auf dem Mount Palomar waren noch bis 1975 die größten Teleskope der Welt. Digitale 25 2/12 Andromeda liche Reise. 2011 bei Quercus Publishing Ltd. in England erschienen, ist „1001 Wunder des Weltalls“ seit dem Frühjahr 2012 nun auch in einer dt. Ausgabe verfügbar, herausgebracht vom Kosmos Verlag, Stuttgart. für Vorbehalte: Das Ergebnis ist uneingeschränkt gelungen. Wer dieses Buch aufschlägt, legt es so schnell nicht wieder aus der Hand. Die didaktisch sehr geschickt ausgewählten und zusammengestellten Bilder mit den jeweils unmittelbar zugeordneten Erläuterungstexten ziehen den Leser in ihren Bann. Ein „Fotoalbum des Universums“, denn sein quadratisches Format, handliche 23 cm x 23 cm, entspricht etwa dem eines Fotoalbums. Auch das Layout ist dementsprechend gestaltet: Über 1.000 in guter Qualität reproduzierte Farbaufnahmen unterschiedlicher Größe auf schwarzem Hintergrund. Viele Informationen erschließen sich bereits unmittelbar aus den Abbildungen. Ein Bild sagt eben mehr als tausend Worte. Deshalb ist es nur konsequent, dass sich die Begleittexte auf das Wesentliche konzentrieren. Inhaltliche Überfrachtungen wurden meines Erachtens zu Recht vermieden. Bilder und Texte ergänzen einander ideal, sind wissenschaftlich präzise und topaktuell ausgewählt und erläutert. Neueste Forschungsergebnisse haben bis zum Redaktionsschluss Berücksichtigung gefunden. „Das ganze Universum in einem Buch So haben Sie das All noch nie gesehen: Über 1.000 Bilder mit den besten Aufnahmen von Planeten, Sternen und Galaxien entführen Sie auf eine unvergessliche Kreuzfahrt durch den Kosmos - von der Erde bis zum Rand des Universums ... .“ So beginnt die Inhaltsbeschreibung des Verlages auf dem rückseitigen Buchcover, und diese Beschreibung trifft wirklich uneingeschränkt zu: Eine so schöne und umfangreiche Darstellung des Universums bietet kein anderer derzeit am Markt verfügbarer Bildband. Ausweislich der Verlagsangaben auf der letzten Seite wurde das Buch in China gedruckt und hergestellt. Kein Grund Der Astronom und Wissenschaftsjournalist Hermann-Michael Hahn hat die Erläuterungstexte mit großer Sachkunde ins Deutsche übertragen. Jedem Buchabschnitt hat er eine kurze Einführung vorangestellt. An einigen wenigen Stellen hätte ich mir hier allerdings etwas mehr gewünscht. Ein Beispiel: Wenn die Auto26 Andromeda 2/12 ren auf S. 132 das Hertzsprung-RusselDiagramm zur Sternklassifizierung erwähnen, sollten sie es für astronomische Laien auch kurz erläutern. In einer evtl. Folgeauflage sollte hier - vielleicht auch durch Einfügen einiger erklärender Grafiken - ein klein wenig nachgebessert werden. des Universums vorgegebenen Ordnung. Ausgehend von unserem Sonnensystem geht die Reise durch die Milchstraße, unsere Heimatgalaxis, mit ihren Sternund Planetenentstehungsregionen, ihren großen Nebeln und dem schwarzen Loch in ihrem Zentrum, weiter durch unsere lokale Galaxiengruppe und schließlich hinaus zu den fernsten Galaxien. Die von Piers Bizony aus dem schier unendlichen Angebot der Bild- und Datenarchive der großen Observatorien, der Missionsportale der Raumfahrtorganisationen und vieler wissenschaftlicher Institutionen getroffene Bildauswahl ist exzellent gelungen. Und dies glaube ich wirklich kompetent beurteilen zu können, weil ich eben diese Archive in Vorbereitung meines Astronomiekurses in mühsamer, zugleich aber auch ungemein spannender Kleinarbeit, selbst ebenfalls intensiv durchforstet habe. Es erstaunt mich daher auch nicht, dass ich in Bizonys Bildband eine ganze Reihe von Fotos wiederfinde, die auch ich für meinen Astro-Kurs als besonders aussagekräftig, repräsentativ für eine bestimmte Objektgattung, als wissenschaftlich besonders interessant oder auch einfach aufgrund ihrer besonderen Ästhetik ausgewählt habe. Die „1001 Wunder des Weltalls“ vermitteln - soweit dies überhaupt möglich ist - eine recht umfassende Vorstellung des Universums. Dass kosmologische Fragen dabei nur am Rande gestreift, nicht aber vertieft behandelt werden, finde ich - nicht zuletzt im Hinblick auf die Vielzahl widerstreitender und letztlich noch unbewiesener Hypothesen und Theorien - in Ordnung. Piers Bizony und Hermann-Michael Hahn ist mit diesem Bildband nicht nur ein wunderschönes, sondern auch ein sehr informatives Buch gelungen, das der Astronomie sicher viele neue Freunde bescheren wird. Den Teilnehmern/Innen meiner VHS-Astronomie-Kurse werde ich dieses Werk wärmstens empfehlen, zumal es in gewisser Weise auch eine Zusammenfassung meines Seminarstoffes darstellt, wie sie besser nicht sein könnte. Die Gliederung des Buches orientiert sich sinnvollerweise an der vom Aufbau 27 2/12 Andromeda Ohne die zahllosen Raumsonden, Planetenmissionen, Weltraum- und erdgebundenen Teleskope und ohne deren über das Internet uneingeschränkt zugängliche Bildarchive wäre weder dieses Buch möglich gewesen noch hätte ich meinen Astronomiekurs in solch anschaulicher Weise gestalten können. Schon bei der Erstellung meiner Seminar-Präsentation, aber auch bei der Lektüre der „1001 Wunder des Weltalls“ ist mir sehr bewusst geworden, welche gewaltigen wissenschaftlichen Fortschritte wir in den letzten Jahrzehnten haben erleben dürfen. Wir leben wahrlich in einer spannenden Zeit. Piers Bizony bringt’s in der Einleitung seines Buches auf den Punkt: bis auf die andere Seite der Milchstraße und weiter durch Raum und Zeit zurück zu den Anfängen des Universums. …“ Schauen Sie sich diesen Bildband einmal selbst an. Wetten, dass Sie ihn nur ungern wieder zurücklegen und am liebsten sofort erwerben möchten? Lassen Sie sich nicht vom Preis abschrecken: Das Buch ist jeden Cent wert. Bildnachweise: „… Gegenüber unseren Vorfahren sind wir extrem privilegiert, die wir heute gerade in jenen Jahrzehnten der seit Jahrmillionen andauernden Menschheitsgeschichte leben, in denen Raumsonden zu den Planeten hinfliegen, sie aus der Nähe beobachten und sogar auf ihnen landen können. Und in denen Weltraumteleskope jenseits der störenden Erdatmosphäre viel mehr vom Universum erfassen als jemals zuvor. 1001 Bilder, jedes so faszinierend wie die Märchen aus Tausendundeiner Nacht, tragen uns auf eine virtuelle Reise durch das Sonnensystem hinaus in die Weiten des Kosmos 28 S. 2 S. 5 S. 8 S. 9 S. 11 S. 14 S. 15 S. 22 -24 S. 25 S. 30 S. 31 S. 32 S. 34 IC 5146 „Kokonnebel“ .................. JB Dr. Hendricks ................................ BO Sternfreunde vor dem C14 .......... NN Collage Planetariumsprospekt ... ES/LWL Astrokids ......................................... JS Hyakutake ....................................... MD Polarlicht ........................................ JB Venustransit ................................... DPHN Wunder des Welalls ...................... KV Hotel de Cuny ............................... CW Observatorium von C. Messier ... CW Großer Bär ..................................... NASA Cover MHüdW .............................. BI Sterne ............................................... DeV S. 43 Eichbosonen ................................... WP Elementarteilchen ......................... WP S. 44 Gravitationspotential .................... DK S. 45 Michael und Thomas, Perseiden .. ES S. 46 Jochen, Michael und Thomas ...... ES 2. Umschlagseite IC5146 Kokon-Nebel JB 3. Umschlagseite. Meteore über Schloss Nordkirchen PM JB - Jochen Borgert; MD - Michael Dütting; DeV - DelfinVerlag; BI - Bibliographisches Institut; KV - Kosmos Verlag; PM - Peter Maasewerd; DPHN - Dieter Petrich, Heinz Niermann; BO - Berenika Oblonzcyk; ES - Ewald Segna; JS - Jürgen Stockel; CW - Christian Wermert; MW - Mirko Wienke; WP - Wikipedia, 3. U: Gesamtbelichtungszeit betrug ca. 2,5 Stunden, Einzelaufnahmen mit je 25s, gestackt. Vordergrund des Bildes mit Taschenlampen und externem Blitz ausgeleuchtet. 10 mm-Weitwinkel., Peter Maasewerd Andromeda 2/12 Ein Besuch bei Charles Messier - in zwei Versionen Charles Messier berichtet, dass er sich immer noch gerne nachts auf dem Turm des ehemaligen Observatoriums aufhält (oder sollte ich sagen: spukt), jedoch aufgrund seines schwindenden Augenlichtes kaum noch etwas wahrnimmt - geschweige denn Kometen oder neue Deep Sky-Objekte findet. Ich tröste ihn, dass er auch mit besseren Augen an seinem angestammten Platz nichts mehr entdecken könnte, da der Pariser Himmel so hell geworden ist, dass er mit dem bloßen Auge gerade noch den Blick auf Mond, Planeten und die leuchtkräftigsten Sterne wie z. B. Regulus mit 1,4m zulässt (eigene Beobachtung auf dem Christiane Wermert Welcher Hobby-Astronom kennt ihn nicht, den berühmten Messier-Katalog von 110 Deep -Sk y- Objekten, den Charles Messier - z. T. in Zusammenarbeit mit Pierre Mechain und unter Verwendung älterer Kataloge von Halley, de Lacaille, Maraldi und Le Gentil - von 1771 bis 1782 auflistete? Obwohl es sich bei diesen Objekten um die absoluten Deep Sky - Highlights handelt, wissen Fans der visuellen Beobachtung, wie schwer einige dieser recht schwachen Objekte zu finden sind, vor allem unter den lichtverschmutzten Bedingungen des Münsteraner Stadthimmels. Doch im 18. Jahrhundert, zu Zeiten schummrigen Kerzenlichtes, hatte Charles Messier diese Objekte mitten in Paris gefunden, und zwar im berühmten Hôtel de Cluny im Quartier Latin in unmittelbarer Nähe der Sorbonne. Dem wollte ich anlässlich eines Kurzbesuches der Seine-Metropole auf den Grund gehen und entschloss mich zu einem Besuch. Montmartre, April 2012). Um von der Bedauerlichkeit dieser Entwicklungen abzulenken, bringe ich das Gespräch auf die Jahre ab 1754. Monsieur Messier lernte als 24-jähriger Marine-Schreiber und Kartenzeichner beim Chef-Astronom der Marine Nicolas Delisle die Grundzüge der Astronomie, vor allem die Angabe genauer Positionen der beobachteten Objekte. Ab 1759 startete er die Jagd nach Kometen, die mit der Co-Entdeckung des Halleyschen Kometen begann und der insgesamt 19 weitere Kometenentdeckungen folgen sollten. Die Wiederentdeckung des Halleyschen Kometen gelang übrigens Erste Version: Ich habe Glück: Monsieur Charles Messier ist zu Hause oder ist es sein Geist? Nach langer Überredung gewährt er mir brummelnd ein kleines Interview. 29 2/12 Andromeda Kometen. Kaum vermag er seine Begeisterung in Worte zu kleiden, als er sich an die posthume Zeit erinnert, als durch Edwin Hubbles Entdeckungen klar wurde, was Messier unter anderem gesehen hatte: Fremde Galaxien in Millionen Lichtjahren Entfernung. Noch heute freut er sich an der Bedeutung seines Kataloges nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch an seinem Kultstatus für tausende Hobby-Astronomen in aller Welt. Johann Georg Palitzsch vier Wochen vor Messier, da Delisle sich bzgl. der Bahndaten verrechnet hatte. 1771 machte Messier Karriere: er wurde als Nachfolger Delisles zum Astronomen der französischen Marine ernannt. Das versonnene Lächeln glücklicher Erinnerung breitet sich auf seinem geisterhaften Antlitz aus, als er sich an die folgenden Jahre erinnert. Vor allem die fruchtbare Zusammenarbeit mit dem französischen Astronomen Pierre Méchain hatte ihm viel Freude bereitet. Gemeinsam mit ihm vervollständigte er seinen Katalog von bis dahin 45 nebeligen Himmelsobjekten, die sich aufgrund ihrer Positionsfestigkeit nicht als Kometen erwiesen hatten. Im September 1782 entdeckte Méchain das 107. Objekt. Messier konzentrierte sich wieder auf die Kometensuche. Dabei war sein enger Freund Jean Baptiste de Saron die wertvollste Unterstützung, da er die Kometenbahnen berechnete. Messier benutzte sehr unterschiedliche Teleskope mit Brennweiten bis zu 7m und Reflektoren mit Spiegeln bis zu 8 Zoll. Messier bekennt, dass der Deep Sky-Katalog heute seinen „Geist“ mehr mit Stolz erfüllt als die von ihm entdeckten Zweite Version: Das Hôtel de Cluny beherbergt heute das Mittelalter-Museum „Musée national du Moyen Âge“, eine naheliegende Nutzung, da das Gebäude von 1485, errichtet auf den Ruinen einer römischer Therme des 4. Jahrhunderts, im Kontrast zu den vielen Stadthäusern des 19. Jahrhunderts, die es umgeben, eindeutig Mittelalterflair besitzt. Die Sammlung enthält berühmte 30 Andromeda 2/12 Gobelins, eine Gotenkrone und sonstiges mittelalterliches Zeug. Irgendwelche Hinweise auf Charles Messier sind auf der Webseite des Museums nicht zu finden. Dilisle errichtete und anschließend von Messier benutzte hölzerne Observatorium befand. Ermutigt durch meinen Mann klingelte ich an der Pforte. Ein Mitarbeiter öffnete, und sofort erblickte ich den Turm. Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin kam mit ärgerlicher Miene auf uns zu, um uns zu verscheuchen. Ich fragte sie nach Charles Messier, doch der Name sagte ihr zunächst offenbar nichts! Erst nach dem Hinweis auf das Observatorium erhellte sich ihre Miene: Ja, dort auf dem Turm habe es so etwas gegeben. Freundlicher geworden genehmigte sie ein Foto. Also, liebe Hobby-Astronomen, ich bin nicht im Museum selbst gewesen, aber nach dem Gespräch mit der Mitarbeiterin vermute ich, dass dort kein Hinweis auf Charles Messier zu finden ist. Wer es besser weiß, möge mir berichten, denn das würde mich ein wenig trösten. Und vor Ort? Nachdem ich das eindrucksvolle Gebäude, an das ein kleiner Park grenzt, mehrfach umrundet hatte, musste ich der Tatsache ins Auge sehen: Dienstag Ruhetag! Hinter einem großen Tor vermutete ich den Innenhof mit dem Turm, auf dem sich das von „Ein Mensch der sich mit dem Universum beschäftigt, verhält sich bis in die kleinsten Dinge des Lebens anders, als jemand der dieses Wissen entbehrt.“ Heinz Haber 31 2/12 Andromeda Meine ersten Gehversuche ... als Sternfreund mein Vater schon gezeigt hatte und auch der Kleine Wagen (Kleiner Bär) war gut zu erkennen. Ja, damals war das mit der Lichtverschmutzung noch nicht so fortgeschritten, die Milchstraße tatsächlich eine Wolke, vom Erscheinungsbild her. Da gab es nur ein Problem, mein Alter. Ich durfte nicht so lange aufbleiben, und im Sommer wurde es eh erst sehr spät dunkel. Aber als Kind ist man ja erfinderisch. Nachdem mich meine Mutter ins Bett gebracht hatte, wartete ich immer eine zeitlang, bis ich sicher war, dass meine Eltern vor dem Fernseher saßen und stahl mich dann nach draußen. Langsam schlich ich die Treppe herunter, diese olle, knarrende Treppe, machte die Haustür auf, lehnte sie an und verschwand in die Nacht. Nun ja, meistens hielt ich mich vor dem Haus auf der Straße auf. Was für ein phantastischer Himmel (achtet auf die Schreibweise, ph - eben damals war das so). Ich schaute mir schier die Augen aus dem Leib. Toll. Dieser Sternenhimmel zog mich magisch in den Bann. Die Stille der Nacht und die Erhabenheit des glitzernden Himmels machten mich sprachlos und staunend. Autos waren noch sehr selten in unserem Wohngebiet, Ewald Segna Lang‘ ist es her, sehr lang. Meine ersten Erinnerungen datieren ungefähr vom 5. Lebensjahr. Es gab da ein Buch, Zwieselchen, von Werner Bergengruen, ein dicker Schinken, aus dem mir mein Vater immer abends vorlas. Den Inhalt kann ich nicht mehr wiedergeben, aber ich weiß, dass da eine Grafik vorkam, genauer gesagt vier Grafiken, die den Sternenhimmel der Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter darstellten. Da ich abends schon des Öfteren den Sternenhimmel über unserem Haus bewundern konnte, und bewundern ist hier genau der passende Ausdruck, interessierten mich diese Sternkarten ganz besonders. Ich habe sie sogar mit Butterbrotpapier abgepaust. Einige Konstellationen waren besonders auffällig. Als erstes der Große Wagen (Großer Bär), den mir 32 Andromeda 2/12 sodass das Beobachten auf der Straße kein Problem war. Nach einer gewissen Zeit verschwand ich wieder im Haus und legte mich schlafen. Das ging wirklich eine sehr lange Zeit gut, bis mich schließlich doch einmal die Nachbarn wohl so gegen 21:30 Uhr aufstöberten und es am nächsten Tag meinen Eltern erzählten. Ein kleines Donnerwetter rauschte an mir vorüber, aber was soll ich sagen: Die weiteren Ausflüge wurden geduldet, hatte auch eh keinen Zweck, denn was ich mir einmal in den Kopf setzte, ziehe ich auch durch (Marke westfälischer Dickschädel ;-). Hat sich auch bis heute nicht geändert *bg*)! mir ein Teleskop kaufen. Meine Eltern begleiteten mich nach Münster in eine Filiale von Quelle. Dort standen zwei Fernrohre zur Auswahl. Ein 169.- DM teures auf einer azimutalen Montierung und ein „sündhaft“ teures, 295.- DM, mit parallaktischer Montierung. Klar, welches Teleskop ich haben wollte. Ich bekam aber den 169.- DM Refraktor. Gut verpackt ging es mit dem Bus zurück. So war es auch nur eine Frage der Zeit, dass ich mit den Sternkarten nach draußen ging, um weitere Formationen aufzufinden. Tja, und auf Anhieb fand ich den Orion. Da stand er majestätisch im Südosten, kurz nach dem Aufgang. Ich war sehr stolz: Mein erstes eigenes Sternbild hatte ich gefunden und zwar ganz alleine aufgesucht (ratet mal, welche Jahreszeit herrschte). Den Orionnebel hatte ich damals allerdings noch nicht auf dem Schirm. Später kam dann das Himmels-W, die Cassiopeia dazu, auch ein Sternbild, was nicht schwierig zu finden ist. Erstes Licht (First Light) war am Wochenende. Ich hatte ein paar Freunde eingeladen und wir bauten das Teleskop in meinem Zimmer auf. Das Fenster wurde geöffnet und los ging’s (damals fand das Beobachten noch in geschlossenen Räumen statt, bei mir)! Das erste Objekt sollte ein Stern 1. Größe im Westen, im Sternbild Adler sein, Altair. Sucher justiert, und... nichts im Blickfeld. Ich wollte natürlich gleich mit der stärksten Vergrößerung ans Werk gehen, inklusive Barlowlinse - eben, viel hilft viel. Die nächste Stunde wurde das nichts mit dem Sehen. Meine Freunde verloren einer nach dem anderen die Lust, sich weiter mit mir und dem Teleskop zu Das Paket war schon ziemlich sperrig und zum Glück traf ich einen Schulkameraden, neben den ich mich setzte, und das Teleskop kam quer über unseren Beinen zu liegen. Im 13. Lebensjahr verwirklichte ich dann einen lang gehegten Traum. Ich wollte 33 2/12 Andromeda beschäftigen, und dann war ich allein! Bäh, aber Altair habe ich dann doch noch gesehen. Ein flackerndes, in allen möglichen Farben schillerndes Scheibchen. Der Anfang war gemacht. Ein Fernrohr war da und wartete auf Futter... doch wo war der Unterbau, die Theorie. Ich hatte von nix `ne Ahnung; wo waren die Bücher her zu bekommen, die mein Hobby vertiefen sollten? ver se nke n . Ein weiteres Buch erstand ich in einer kleinen Buchhandlung in Hiltrup. Es stammte aus dem DelfinVerlag, berüchtigt für seine Klebebindung; drei, viermal benutzt und schon hingen die Seiten einzeln am berühmten Faden oder fielen heraus. Nichtsdestotrotz war es für mich ein ausgezeichneter Leitfaden, weitere Sternbilder zu entdecken. Und so wuchs mein Sternbilderfundus immer mehr an. Nun, was soll ich sagen. Mit einer kleinen Auszeit von der Astronomie während meiner Lehre als Radio-Fernsehtechniker bin ich noch immer mit diesem faszinierenden Hobby beschäftigt, und ich hoffe, dass es mich noch sehr lange begleiten wird. Auch heute noch, wie damals, befällt mich ein feierliches Staunen, wenn ich mir die Sterne mit bloßen Augen anschaue. Ihr Funkeln in meinen Augen spiegelt sich dann auch bei der Beobachtung der Sterne wider und mein Mund quillt über, wenn ich über mein Hobby berichten kann, sei es im Gespräch mit Freunden oder auch Nachbarn oder unbekannten Menschen, die Nun, bei der Buchhandlung Regensberg (wer kennt die noch?) erstand ich einen dicken Schmöker, „Meyers Handbuch über das Weltall“, Ausgabe aus dem Jahr 1967. Ein tolles Buch, das immer noch in meinem Besitz ist. Stundenlang konnte ich mich in die Welt der Astronomie 34 Andromeda 2/12 sich nach vorläufigen Berechnungen allerdings mit einer Helligkeit von -16 m mich schon des Öfteren nachts auf der Straße beim Beobachten des Mondes, der Sterne und Planeten, ja ab und zu auch von Kometen angesprochen haben und denen ich nur allzu bereitwillig Auskunft gebe über die „Wunder des Himmels“, die leider immer schlechter aufgrund der nächtlichen Beleuchtung - der rapide zunehmenden Lichtverschmutzung unserer Städte - zu sehen sind. Der Anblick des Sternenhimmels hat sich seit meiner Kindheit tief in mir eingebrannt. zu einem wirklich “Großen Kometen” entwickelt und somit selbst bei Tage gesehen werden kann. Quelle Webseite: h t t p: // w w w. a e r i t h . n e t /c o m e t / catalog/2011L4/2011L4.html h t t p: // w w w. a e r i t h . n e t /c o m e t / catalog/2012S1/2012S1.html Da kommt was auf uns zu Kometenvorschau 2013 Ewald Segna Zur Zeit sind zwei Kometen im Sonnensystem unterwegs, die ein spektakuläres Schauspiel im kommenden Jahr bieten könnten. Zum einen ist das Komet C/2011 L4 PanStarrs, dessen größte Helligkeit im März kommenden Jahres erwartet wird. Seinen sonnennächsten Punkt erreicht er am 10. März 2013. Eine Woche vor dem sogenannten Periheldurchgang ist er abends kurz vor Sonnenuntergang im Westen zu sehen. Beobachteter/hochgerechneter Helligkeitsverlauf Grafik: Comet for Windows. Zum anderen ist das Komet C/2012 S1 Ison, dessen größte Helligkeit Ende November 2013 erwartet wird; und der Beobachteter/hochgerechneter Helligkeitsverlauf Grafik: Comet for Windows. 35 2/12 Andromeda Kattenvenne Ein Ideen-Wettbeweb zur Imagewerbung von Kattenvenne gewann einer der 8 anwesenden Leuchtmittelhersteller mit dem Slogan „ CUT-nvenne“ (CUT the light pullution), der bereits einen Vertrag mit der Gemeinde zum Einsatz abgeschirmter Lampen abschließen konnte. Peter Noch Sonntag, 2. September 2012, 14.00 Uhr: Von weitem sehe ich die Übertragungswagen vom WDR, wo gerade der Vorsitzende der Internationalen Dark Sky Association ein Interview mit dem Bürgermeister von Kattenvenne gibt. Besonders beeindruckt waren die Kinder von dem 1:1 Modell des Mars-Roboters Curiosity, den ortsansässige Firmen aus Schrottteilen herstellten - ein echter Dobson. Er soll das erste Ausstellungsstück des geplanten Freilichtmuseums „Astronomie zum Anfassen“ sein, wobei die zukünftige Sternwarte natürlich mit einbezogen wird. Ich bahne mir einen Weg durch ca. 30 aufgebaute Sonnen-Teleskope mit 50 Sternfreunden, als ein Heißluftballon mit der Aufschrift „50 Jahre VdS“ über dem Ort auftaucht und Präsente abwirft, die an kleinen Fallschirmen auf dem Kirchplatz niedergehen - Marsriegel! In der vollbesetzten Bürgerhalle werden auf eine Großleinwand Astro-Bilder vom Mautweg projiziert, während im Foyer eine Posterausstellung von 5 Landwirten präsentiert wird, die für eine Ansiedlung der zukünftigen Sternwarte (mit Windanlagenverbot) werben - besonders nett fand ich die Übernachtungsmöglichkeit mit „Astronomen-Frühstück“ am späten Vormittag. Einfallsreich waren auch die VenusTransit-Kekse am Kaffeestand und die zu einem Buch gebundenen 700 Exemplare der Sonderausgabe von Andromeda (Guiness-Rekord!). Dies wird ein Präsent für das 700. Mitglied der Sternfreunde Münster und soll zum 750-jährigen Jubiläum von Kattenvenne überreicht werden! Im Festzelt trat Bata Illic mit einem Update seines Klassikers „Ich hab noch Sand in den Schuhen aus Hawaii“ auf, wo er auch vom Himmel über dem Mauna Kea schwärmt - ganz großes Kino! Spaß beiseite: Ich habe maßlos übertrieben - es war eine One-Man-Show, da ich der einzige Sternfreund vor Ort war, aber immerhin hatte ich mein Luntsolar 36 Andromeda 2/12 Teleskop eingepackt und baute dieses direkt auf dem Rasen vor der Kirche auf, was sofort eine Reihe von Interessierten zu mir führte und neben dem Blick auf die Sonne viele Gespräche, besonders über das Thema Lichtverschmutzung ermöglichte. Sternfreunde intern lEintritte: Dorlies Schriever Norbert Bartholomäus Daniel Spitzer Andreas Walter Claus Wolbeck Leider zog um 15.00 Uhr eine Wolkenwand im Süden auf, die sich auch nicht mehr auflöste. lDr. h. c. Klaus Junak Kurz vor Redaktionsschluß dieser Ausgabe erreichte uns eine traurige Trotz der nicht überragenden Beteiligung (ich hatte mich selbst erst spontan dazu entschieden) fand ich die Aktion und die Präsenz einen Erfolg: Ich habe beim Veranstalter noch einen JubiläumsButton (mit Andreas-Kreuz und Ölzweig) erstanden und mich an einigen Ständen gütlich getan: Es war ein gut besuchtes Fest, das von uns sicher noch besser hätte genutzt werden können (das 725-jährige kommt bestimmt), aber immerhin… Nachricht. Unser langjähriges Mitglied Klaus Junack ist am 18. September 2012 im Alter von 85 Jahren gestorben. Bei vielen Veranstaltungen, ob nach Vorträgen oder bei öffentlichen Beobachtungen, war er stets ein freundlicher aber bestimmter Ansprechpartner. In Erinnerung geblieben sind insbesonders auch seine kenntnisreichen Vorträge bei den Sternfreunden im LWL-Museum für Naturkunde über den Astronomen Johannes Kepler, sowie einige Artikel über historische Aspekte der Astro- Die Astronomie ist vielleicht diejenige nomie in der „Andromeda.“ Wissenschaft, worin das wenigste durch Wir werden Dich nicht vergessen! Zufall entdeckt worden ist, wo der lIn eigener Sache: Ein besonders menschliche Verstand in seiner ganzen Größe erscheint und wo der Mensch am dickes Dankeschön geht an Robert besten lernen kann, wie klein er ist. Perdok, der das neue Layout und die Titelseite der Andromeda entwor- Georg Christoph Lichtenberg fen hat! 1742-1799 37 2/12 Andromeda Funke über, als ich das erste Mal durch das Teleskop meines Bruders schaute und den Saturn mit seinen Ringen sah. Einfach atemberaubend. Leider vergingen dann ca. 30 Jahre bis ein heller Stern am Himmel mein Interesse an der Astronomie wiederbelebte. Da meine Tochter zu der Zeit die Anfängergruppe der Sternfreunde besuchte, beschloss ich, einfach mal mitzugehen. Ich wollte doch wissen, was das für ein heller Stern ist. Es war kein Stern, sondern ein Planet: Die Venus. Zwei Jahre besuchten wir mit Begeisterung die Anfängergruppe der Sternfreunde Münster, bis wir dann vor kurzem zur Kosmologiegruppe wechselten. Wir freuen uns jetzt schon immer auf das nächste Treffen. Sumsemann, Enterprise, Sterne oder Venus? Dorlies Schriever Ich weiß es nicht mehr so genau, wie ich den Weg zur Himmelskunde gefunden habe. Vielleicht war der ausschlaggebende Punkt dazu die Geschichte von Peterchens Mondfahrt, als Peterchen und Anneliese mit dem Sumsemann zum Mond flogen, um sein sechstes Beinchen wiederzuholen oder als Neil Armstrong zum ersten Mal den Mond mit den Worten betrat: „Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein riesiger Sprung für die Menschheit.“ Es kann aber auch sein, dass es daran liegt, dass ich schon immer gerne Raumschiff Enterprise geguckt habe.Vielleicht aber sprang der 38 Andromeda 2/12 lwarum sehen die Bewohner(innen) dort so aus wie auf der Erde? lund könnten sie tatsächlich unsere Sonne aufheizen - zumindest theoretisch? Der Weltraum unendliche Weiten... Michael Seifert Bereits sechs Jahre vor Ausstrahlung der ersten Folgen der bis heute bekannten Science-Fiction-Serie „Raumschiff Enterprise“ („Star Trek“) im ZDF gab es im deutschen Fernsehen mit der „Raumpatrouille“, damals noch in schwarzweiß, die Abenteuer von wagemutigen Männern und Frauen zu bestaunen, die weit über das hinausgingen, was das Wettrennen der beiden Großmächte UdSSR und USA um die Eroberung des Weltraums hervorbrachte. Der Vorspann dieser einzigartigen Serie endete mit den Worten „Begleiten wir die ORION und ihre Besatzung bei ihrem Patrouillendienst am Rande der Unendlichkeit“. Dieser Aufforderung bin ich als damals 9-jähriger gerne gefolgt, und auch für viele andere Jungen lösten damals Raumfahrer Cowboys als Identifikationsfiguren ab. Wie die Drehbuchautoren die wissenschaftlichen Erkenntnisse tlw. mit Füßen getreten haben, ist unglaublich, aber es sei ihnen verziehen, da sie in mir das Interesse für Astronomie und Astrophysik geweckt haben, das über all die Jahre bis heute nicht verloschen ist. Ich kann nicht mehr abschätzen, wie viele Bücher ich in dieser Zeit gelesen habe, über die Entwicklung von Sternen, Galaxien und das Universum als Ganzes. Besonders in den letzten 20 Jahren explodierten die Erkenntnisse durch neue Instrumente wie das Hubble-Space-Telescope und neue Techniken wie adaptive und aktive Optiken und bescheren uns allen wunderschöne Bilder von unseren kosmischen Nachbarn bis zu Phänomenen am Rand des sichtbaren Universums. Doch über die spannenden Geschichten hinaus blieben viele Fragen offen: lwas war eine Supernova und warum zum Teufel hieß die entsprechende Folge „Planet außer Kurs“? lwie weit ist es zum nächsten bewohnten Sonnensystem? 39 Da ich in jungen Jahren selbst den Einstieg in die beobachtende Astronomie irgendwie nicht geschafft habe, bin ich dafür wohl mittlerweile durch die fantastischen Aufnahmen, die für jeden in Buchform oder im Internet zugänglich sind, verloren. Dennoch blicke ich fasziniert und mit unbewaffnetem Auge 2/12 Andromeda gern in den nächtlichen Sternenhimmel, so er denn trotz Lichtverschmutzung noch erlebbar ist. Schmankerln, so z. B. im letzten August den Tag der offenen Tür am MPI für Astronomie in Heidelberg. Zu den Sternfreunden kam ich, als diese 2006 eine Reise in die Türkei zur Sonnenfinsternis organisierten und an der meine Familie und ich teilnahmen. Das Erlebnis der Beobachtung einer SOFI mit eigenen Augen war uns 1999 trotz Fahrt in den Süden Deutschlands wegen einer dichten Wolkendecke nicht vergönnt gewesen, das mussten wir nachholen. Dadurch auf die Sternfreunde aufmerksam geworden, besuchte ich anschließend einige Vorträge. Das überaus freundliche „Willkommen heißen“ von Gleichgesinnten hat dann konsequenterweise zum Vereinseintritt geführt. So sind der Dienstag regelmäßig zum All-Tag und sowohl die Vortragsreihen als auch die Diskussionen der Kosmologiegruppe zu einem festen Bestandteil meines Kalenders geworden. Absolutes Highlight auf meinem „kosmischen Weg der Erkenntnis“ war bisher das STARMUS-Festival auf Teneriffa 2011. An diesem nahmen u. a. Astronauten wie der gerade verstorbene Neil Armstrong, Edwin Aldrin und Alexei Leonow (der erste Weltraumspaziergänger) teil und Wissenschaftler wie die Astrophysiker Michel Mayor (Entdecker des ersten extrasolaren Planeten um einen sonnenähnlichen Stern), Jill Tarter (Direktorin von SETI), Kip S. Thorne (Autor von „Gekrümmter Raum und verbogene Zeit“) und George F. Smoot (Nobelpreisträger für die Erforschung der Hintergrundstrahlung). Gerade die letzteren sind für mich die wahren Helden. Ihnen und ihren Forscherkollegen werde ich auf ihrem Weg zum Verständnis des Universums auch in Zukunft weiterhin mit Begeisterung folgen und weiß mich dabei bei den Sternfreunden in guter Gesellschaft. Doch mein Wissenshunger ist damit noch nicht gestillt. Leider hat die Westfälische Wilhelms-Universität seit Ende der neunziger Jahre kein astronomisches Institut mehr. Aber als Ergänzung zu den o.g. Vorträgen freue ich mich jedes Jahr auf das dort angebotene Astroseminar (in diesem Jahr am 26.-27.10.2012). Auch auf Städtereisen fand ich hin und wieder „Die Welt ist alles, was der Fall ist.“ (Ludwig Wittgenstein) „Die Welt ist alles, was der Fall ist, und auch alles, was der Fall sein kann.“ (Anton Zeilinger, Uni Wien) 40 Andromeda 2/12 Suche endlich gefunden worden, das...? Ja, was eigentlich? Ein Teilchen mit einer Masse von ungefähr 125 GeV/c², also etwas schwerer als ein Cäsium-Atom. Das Higgs- Boson The missing Link? Philipp Stratmann Es war eine gänzlich unbedeutend wirkende Meldung, welche in den Wochen nach dem 4. Juli dieses Jahres die wissenschaftliche Fachwelt in Aufregung versetzte und selbst in den fachfremden Medien ihre Würdigung fand. Obgleich einige Verschwörungstheoretiker die Hauptintention der Erbauer des größten Teilchenbeschleunigers der Welt, des LHCs, noch immer mit alles verschlingenden schwarzen Löchern assoziieren mögen, so verkündete Joe Incandela vom CERN an diesem Tag vermutlich die Erfüllung des eigentlich wichtigsten Zieles dieses Instrumentes mit denkbar nichtssagenden Worten: Noch im letzten Jahr hatte diese Institution erst eine gänzlich andere Sensation verkündet, als Neutrinos mit Überlichtgeschwindigkeit scheinbar der Einsteinschen Relativitätstheorie die Zunge herausgestreckt hatten. Ein Monat war nun vergangen, seit in Kyoto der CERNForschungsdirektor Sergio Bertolucci höchst persönlich die Ergebnisse neuer Experimente vorstellte, welche den Neutrinos jede Überlichtgeschwindigkeit wieder absprachen. Anstatt für neue Physik hatte die gesamte Geschichte lediglich Hohn, Spott und schlechte Witze als Ergebnis mit sich gebracht. Und noch gefangen in dieser Erinnerung war Incandela wohl besonders der Vorsicht verschrieben, als er inmitten seiner Fachsprache genau jenen Satz auszulassen wusste, auf welchen alle gewartet hatten: Wir haben das HiggsBoson entdeckt! Oder zumindest ein Partikel, welches sich verdammt ähnlich wie eines verhält. „Wir beobachten in unseren Daten deutliche Signale eines neuen Teilchens im Bereich von 125 Gigaelektronvolt (GeV) mit einer Signifikanz von knapp 5 Sigma. Diese Ergebnisse sind zwar noch vorläufig, aber es handelt sich tatsächlich um ein neues Teilchen. Wir wissen, dass es ein Boson sein muss, und es ist das schwerste Boson, das wir je entdeckt haben. “ Und da war es endlich, man hatte es aufgestöbert, war es nach jahrzehntelanger Die absurde Jagd nach der Weltformel 332 Seiten,als Hardcover Springer-Verlag, Berlin-HeiMehr vier Jahrzehnte nach seinem delberg, 2010 ISBN: 978-3-642-04836-4 von theoretischen Postulat würde dieses „bild der wissenschaft“ als Wissenschaftsbuch Objekt damit einen Schlussbaustein in 2010 ausgezeichnet 41 2/12 Andromeda das Standardmodell der Teilchenphysik setzen, also jener Theorie, welche die Elementarteilchen und ihre Wechselwirkungen miteinander beschreibt. Es war von mehreren Autoren beinahe gleichzeitig postuliert worden. Doch erst Steven Weinberg verband es in seinem Aufsatz „A model of leptons“ durch ein kleines Missgeschick beim Zitieren auf ewig mit dem Namen des Briten Peter Higgs. Aber was ist schon in einem Namen...? Doch schon bald tauchten erste Lösungsansätze auf, die zunächst insbesondere die elektromagnetische und schwache Kraft zu dem Konstrukt der elektroschwachen Kraft zusammenführten. Abdus Salam, Sheldon Glashow und Steven Weinberg fanden sie im Rahmen der sogenannten Eichtheorie. Diese basiert auf der Idee, dass wir jedes Feld ebenso durch Potentiale beschreiben können. Dass wir sicheren Fußes auf der Erde stehen, verdanken wir im Endeffekt der Schwerkraft, welche uns beständig zum Massezentrum unseres Mutterplaneten zieht. Genauso gut jedoch können wir auch die Erde in ein dreidimensionales Koordinatensystem sperren und weiterhin sagen, dass hier jeder Punkt ein Potential besitzt. In diesem Potential befinden wir uns, können es erhöhen, wenn wir Treppenstufen steigen oder wieder verringern, wenn wir versehentlich auf einer Stufe abgleiten. Und da alles danach strebt, sein Potential zu verringern, werden wir immer nach unten gezogen werden. Ebenso hantieren wir tagtäglich mit dem elektrischen Feld, welches zwischen den beiden Elektroden einer Steckdose besteht. Gerne attestieren wir ihr eine Potentialdifferenz von 230V. Der Grund dafür, dass diese Ergänzung zur Theorie überhaupt notwendig war, stammte ironischer Weise aus dem bahnbrechenden Erfolg einer ganz anderen Hypothese - und deren Widerspruch zur Natur. Denn obgleich in den 1950er Jahren die vier fundamentalen Kräfte unseres Universums bekannt waren, konnte einzig die elektromagnetische Kraft zufriedenstellend beschrieben werden. Gerade an der schwachen Wechselwirkung (jene, die z. B. ,die zentrale Rolle in der Radioaktivität spielt) zeigten sich Schwächen in der Beschreibung. Um es grob darzustellen, fehlte eine Möglichkeit, eine geeignete Energieskala zu ihrer Beschreibung zu finden, von Physikern auch Renormierung genannt . Man versucht herauszufinden, in welchem Energiespektrum die Theorie, welche wir betrachten, gültig ist. 42 Andromeda 2/12 Kräfte bestimmen. Aber im Gegensatz zum ersteren kann man Felder auch direkt messen, und genau dies wird getan, wenn wir z. B. die Spannung (= die Potentialdifferenz) einer Steckdose bestimmen wollen. Wir messen das Feld. Erstaunlich ist es allerdings, was für eine Rolle diesen Potentialen dafür in der Physik zukommt. Denn sowohl in die fundamentalen Gleichungen der Mechanik (Lagrange-Formalismus), als auch der Quantenphysik (SchrödingerGleichung) behandeln Physiker wiederum Potentiale. Denn Felder sind im Zuge der Physik ziemlich realitätsnah beschrieben. Sie werden erzeugt durch Teilchen, welche die Kräfte übertragen, die mit dem Feld verbunden sind. Physiker nennen sie Bosonen, in Abgrenzung zu den Partikeln, welche Materie bilden, Fermionen. Photonen sind z. B. Bosonen und schlussendlich die Überträger der elektromagnetischen Wechselwirkung. Zwei Elektronen, welche sich zu nah kommen, tauschen Photonen aus und interagieren damit, in diesem Falle stoßen sie sich gegenseitig ab. Kennen wir nun ein beliebiges Potential, so können wir hieraus die resultierenden Felder und damit Ein Überblick über die Elementarteilchen. Sowohl Fermionen (blau und grün) als auch Bosonen (rot und gelb) sind dargestellt. 43 2/12 Andromeda Nun, wo ist der Unterschied? Potentiale sind nicht eindeutig definiert. Wir können ein Potential auf bestimmte Art und Weise ändern, ohne dass die Physik davon beeinflusst wird. Im Falle des Elektromagnetismus wird dies dadurch klar, dass der gesamte Raum um uns herum von einer gleichmäßig verteilten negativen Ladung gefüllt sein könnte, und niemand würde es merken. Das Potential wäre überall um einen konstanten Fak- Ein schönes, weiteres Beispiel liefert Hans Günther Dosch in seinem lesenswerten Buch „Beyond The Nanoworld“. Denn schlussendlich haben wir alle eine Eichtransformation hinter uns. Als 2002 der Euro eingeführt wurde, versprach die Politik jedem Deutschen, dass er für 1,9558 DM einen Euro erhielt, welcher die gleiche Kaufkraft hätte. Auf deutscher Ebene gesehen führten wir eine Eichtransformation durch, denn die Währung (das „Potential“) änderte sich, aber wirklich messbar in der realen Welt war natürlich nur unsere Kaufkraft. Und diese sollte gleich bleiben. Genau diese Invarianz oder Symmetrie wird in der Physik benötigt um auszuschließen, dass die Formeln der Standardtheorie mathematisch „beliebig hässlich“ werden können. Die Felder, welche die Eichtheorie beschreibt, müssen deshalb invariant unter Eichtransformationen sein. Und da die Eichtheorie alle vier physikalischen Kräfte zu beschreiben sucht, muss dies für ein jedes gegeben sein. Fortsetzung folgt Ein Gravitationspotential, verursacht durch eine Punktmasse.“ tor verschieden, aber keine Auswirkung auf die reale Welt wäre feststellbar. Dieser Tatsache wird auch im Formalismus Tribut gezollt. Die Ergebnisse einer Theorie ändern sich nicht, wenn wir die Gleichung in einer gewissen Art und Weise verändern, z. B. einen Term hinzu addieren. Sie sind eichinvariant, d. h. invariant gegenüber einer Eichtransformation. „Es ist falsch zu denken, es wäre Aufgabe der Physik herauszufinden, wie die Natur beschaffen ist. Aufgabe ist vielmehr, herauszufinden, was wir über die Natur sagen können.“ (Niels Bohr; Nobelpreis 1922) 44 Andromeda 2/12 Die Perseiden Anno 2012 Alljährlich um den 12. August herum kreuzt die Erde die Bahn des Kometen 109P/Swift-Tuttle. Das ist die Zeit verstärkten Sternschnuppenfalls. Und so verabredeten wir, Jochen, Thomas, Michael und ich uns in der Alverskirchener Bauernschaft zwecks Beobachtung dieses immer wiederkehrenden Schauspiels. Hinzu kam, dass der Mond erst später aufging, also erst einmal nicht störte. Aus der einschlägigen Literatur Minuten kamen die Meteore bevorzugt aus der Gegend des Sternbildes Schwan. Da waren auch ein paar sehr helle dabei, heller als Jupiter, manche kamen in die Nähe der Venushelligkeit, aber nicht heller. Schweife waren zwei ca. 8 Sekunden lang zu sehen, mehrere kürzer. In ca. 2 Stunden habe ich 60 Meteore gesehen, was auf ein Stundenmittel von 30/Stunde schließen lässt (das ist aber nicht korrekt, denn bei der Rechnung der Sternschnuppenhäufigkeit gehen noch ein paar andere Parameter ein, wie Horizontsicht, Grenzgröße der Sterne, Lage des Radianten - der Punkt, aus dem die Sternschnuppen zu kommen scheinen - gerechnetes Verhältnis der schwachen Sternschnuppen zu den hellen etc. Ausführliche Rechnungen hatte ich in der Andromeda 4/2002 und 3/4 2004 veröffentlicht). bekannt waren Fallraten von 60 - 100 Meteore pro Stunde. Um 23:00 Uhr hatten wir unsere Beobachtungsstühle aufgebaut und konnten mit der Beobachtung beginnen. Hier die Protokolle zusammengefasst in Kurzform: Jochen In der Nacht vom 11. auf den 12.08. in der Zeit von 23.30 bis 04.00 Uhr (mit kleinen Pausen) habe ich insgesamt 125 Sternschnuppen gesehen. Es wurde aber am Samstagmorgen nicht mehr, ich glaube wir hatten gegen Mitternacht tatsächlich ein Maximum. Jochen Borgert, Hans-Georg Pellengahr, Ewald Segna Ewald Mir ist vor allem aufgefallen, dass nicht nur „Perseiden“ in dieser Nacht zu sehen waren, im Gegenteil, die ersten ca. 40 In der Nacht vom 12. auf den 13.08. habe ich von 22.50 Uhr bis 23.50 Uhr beobachtet und insgesamt 22 Stern45 2/12 Andromeda schnuppen gesehen, darunter eine sehr beeindruckende Sternschnuppe, die eine Im Detail: Ich habe direkt oder nah aus dem Perseus heraus auf dem Schöppinger Berg (nur von dort konnte ich das Sternbild einsehen) nur 2 kleine blitzartige, ich meine damit, sehr kurz sichtbare Sternschnuppen gesehen, die restlichen liefen zenitnah, kamen allerdings, wenn auch erst im Zenit aufleuchtend, auch aus Richtung Perseus (NO). Bei zweien handelte es sich um leuchtstarke für etwa 2 -3 Sek. sichtbare Meteore. lange, nachleuchtende Bahn zog und rötlich verglühte. Hans-Georg Beobachtungsort Schöppinger Berg Ich war vorher im Kino zur Live-Übertragung einer Oper aus Bayreuth, habe danach von 22:35 h bis 23:00 h auf dem Schöppinger Berg beobachtet und dort in der Zeit 5 - 6 Perseiden gesehen. Ab 23:20 h bis 0:30 h dann von der häuslichen Terrasse aus beobachtet; um 23:44 h kam die ISS vorbei. Bis 0:30 h habe ich dort noch mal etwa 6 gesehen, war aber weder eine Feuerkugel noch ein Bolide dabei, nach den Angaben im Internet (60 - 100 / h) hatte ich deutlich mehr erwartet. Aber es war insgesamt ein schöner Sternhimmel, hab’ nebenbei mit dem Feldstecher zwischendurch auch ein bisschen in der Milchstraße geschaut, kann sein, dass mir dabei ein paar Perseiden entgangen sind. Von der häuslichen Terrasse konnte ich nur zenitnah beobachten, bei den von dort gesichteten waren 3 recht helle (bis 3 Sek. sichtbar), tauchten auch erst zenitnah auf, verliefen aber alle aus Richtung NO, also Sternbild Perseus. Da die Verlaufsrichtung bei allen aus NO kam, sie allerdings nicht bereits direkt in Perseus sichtbar wurden, gehe ich dennoch davon aus, dass es sich letztendlich bei allen gesichteten Meteoren um Perseiden handelte. Fand’s aber insgesamt enttäuschend, hätte vielleicht doch noch länger beobachten sollen. Hatte mit mehr gerechnet. Alle: Aber schön war’s doch! 46 Andromeda 2/12 Vom Compton - Effekt zur Planck - Skala? dann doch nicht ausformuliert wird. Es wird betont, dass es sich hier nicht um eine absolut strenge Herleitung handelt, sondern eher um einen Beitrag, sich das Zustandekommen der Planck-Skala plausibel zu machen. Startpunkt ist ein im Jahr 1922 von dem amerikanischen Physiker Arthur Holly Compton (1892 - 1962) entdeckter und nach ihm benannter Effekt, der die Teilchennatur des Lichtes besonders deutlich hervorhebt: Ein hochenergetisches Photon (z. B. ein Röntgen- oder ein Gammaquant) wird an einem (quasi)freien Elektron gestreut; diesem überträgt es gemäß den Stoßgesetzen einen Teil seiner Energie und erfährt dadurch eine Vergrößerung seiner Wellenlänge und eine Änderung seiner ursprünglichen Richtung. Das Elektron gewinnt durch diesen Stoß kinetische Energie. Dieser elementare Stoßprozess wird in Abb. 2 dargestellt, allerdings nicht an Elektronen, sondern an beliebigen Teilchen - insbesondere aber wird hier an Nukleonen, also Protonen und Neutronen, gedacht. Im Ergebnis erhält man die zentrale Größe des streuenden Teilchens, die Compton-Wellenlänge. Diese wird dann mit Hilfe extremer, aber konkreter Gedankenexperimente mit dem Schwarzschild-Radius des Teilchens in Verbindung gebracht mit dem Ziel, die Wolfgang Domberger Die sogenannte Planck-Skala geht zurück auf Max Planck (1858 - 1947), den Entdecker und Begründer der Quantentheorie. Er hatte sie bereits im Jahr 1899 gefunden, in dem er die Gravitationskonstante G, die Vakuumlichtgeschwindigkeit c und das Plancksche Wirkungsquantum h auf mathematisch eindeutige Weise derart miteinander kombinierte, dass sich Größen ergaben, die die Dimension einer Masse, einer Zeit und einer Länge aufwiesen. Die Planck-Skala spielt in der heutigen Kosmologie eine ganz bedeutende Rolle. Insbesondere kommt sie dann ins Spiel, wenn es darum geht, die Gravitationstheorie, die sich auf die Allgemeine Relativitätstheorie (ART) Albert Einsteins gründet, und die Quantentheorie miteinander zu verknüpfen, um eine Quantengravitationstheorie zu entwickeln. Auch in der Kosmologiegruppe der Sternfreunde Münster e. V. wird sie immer wieder thematisiert. Deswegen soll hier der Versuch unternommen werden, sich der Planck-Skala aus physikalischen Prinzipien her zu nähern. Dazu wird ein Weg eingeschlagen, der in der Literatur zwar hin und wieder angedeutet, aber 47 2/12 Andromeda drei maßgeblichen Größen der PlanckSkala zu erhalten: die Planck-Masse, die Planck-Zeit und die Planck-Länge. Zusätzlich wird dieser Weg motiviert durch die Vorstellung, dass es besonders in der frühen Entwicklungsphase des Universums Compton-Effekte und inverse Compton-Effekte zuhauf gegeben haben muss, wobei die inversen Compton-Effekte die Streuung hochenergetischer Teilchen an Photonen, die dadurch ihrerseits Energie aufnehmen, bedeuten. Die Undurchsichtigkeit des frühen Universums war ja gerade verursacht worden durch die Stöße von Lichtquanten an Teilchen, aus denen sich später die Bausteine der Materie entwickelten. Nach etwa 380.000 Jahren hat sich das rasant expandierende Universum auf etwa 4000K abgekühlt, sodass die bis dahin freien Elektronen und die Nukleonen zu ersten Atomen kombinieren konnten, und zwar zu Wasserstoff, Deuterium, Helium und auch zu etwas Lithium. Die Anzahl der freien Elektronen, die Stoßpartner der Photonen, ging somit zurück. Das Universum wurde nun durchsichtig. Einsteins benötigt, insbesondere die Abhängigkeit der Teilchenmasse m von seiner Geschwindigkeit v. Beim Stoß wird ein gewisser Teil der Energie und des Impulses des Photons auf das vor dem Stoß ruhend gedachte Teilchen übertragen, das dadurch in Bewegung gerät und sich mit der Geschwindigkeit v und dem Impuls p = m v unter einem Winkel j vom Stoßort entfernt. Laut SRT besitzt dieses Teilchen nach dem Stoß die Masse m = m(v) = m 0 / (1 − v2 / c 2 ) (1) und die Energie E = m(v) c2 , (2) während es vor dem Stoß als ruhendes Teilchen die Ruheenergie E 0 = m 0 c 2 besaß. Kleinere Umformungen von Gl. (1) führen auf m2 ( 1 - v 2 / c 2 ) = m 02 m2 = m 02 + m2 v 2 / c 2 m 2 c4 = m 0 2 c4 + m 2 v 2 c 2 ; aus der letzten Zeile erhält mit dem Impuls p = m v des Teilchens und der Gl. (2) die interessante quadratische Form E 2 = m 0 2 c4 + p2 c 2 Etwas Relativitätstheorie Bevor der Compton-Effekt beschrieben wird, werden noch einige Resultate aus der Speziellen Relativitätstheorie (SRT) (3) für die relativistische Energie E des freien Teilchens nach dem Stoß. Diese Gleichung suggeriert die geometrische 48 Andromeda 2/12 haftete Teilchen wie Elektronen oder Protonen etc. gilt, hat Louis Victor de Broglie (1892 - 1982) im Jahr 1924 erkannt. Er begründete die Hypothese der Materiewellen. Danach hat eine Welle, die einem Teilchen zugeordnet ist, die de Broglie-Wellenlänge l= h / p. Diese Beziehung verknüpft eine typische Teilcheneigenschaft, den Impuls, mit einer typischen Welleneigenschaft, der Wellenlänge, und spiegelt somit den Welle-TeilchenDualismus wieder. Die Theorie von de Broglie ist Grundlage und Bestandteil der Wellen- bzw. Quantenmechanik. Der Compton-Effekt Zunächst zeigt Abb. 2 eine schematische Darstellung der Compton-Streuung eines Photons an einem Teilchen. Darstellung in Abb. 1 mit Hilfe des Satzes von Pythagoras, die mit Gl. (3) die Aufteilung in einen Ruhe- und einen Bewegungsenergieanteil verdeutlicht. Hat man es mit Teilchen zu Abb. 1: relativistische Energie-Impuls-Beziehung eines freien Teilchens (z. B. Proton, Neutron etc.) als Satz des Pythagoras;Aufteilung in einen Ruhe- und einen Bewegungsenergieanteil - W. Domberger tun, die keine Ruhemasse (m0 = 0) haben, erkennt man sofort, dass ein ruhemasseloses Teilchen, z. B. ein Photon, den Impuls p=E/c (4) aufweist. Für Photonen gilt E = h n und der Zusammenhang n l = c zwischen Frequenz n, Wellenlänge l und Lichtgeschwindigkeit c. Dieses eingesetzt in Gl. (4) ergibt die wichtige Beziehung Abb. 2: Compton-Streuung (schematisch); einlaufendes Photon mit Wellenlänge l ; ruhendes p=h/l (5) Teilchen (z. B. Proton, Neutron etc.) mit Ruhemasse m0 ; gestreutes Photon mit Wellenlänge l‘ ; Streuwinkel q ; Teilchen nach dem Stoß mit Geschwindigkeit v in Bewegungsrichtung j Fortsetzung folgt zwischen Impuls und Wellenlänge. Dass dieser Zusammenhang aber nicht nur für Photonen, sondern auch für massebe49 2/12 Andromeda Was? Wann? Wo? Astronomie - Unser Hobby: Gemeinsame Beobachtung • Astrofotografie • Startergruppe • Mond & Sonnenbeobachtung • Beratung beim Fernrohrkauf • öffentliche Vorträge über astronomische Themen • Vereinszeitung Wer sich mit dem faszinierenden Gebiet der Astronomie näher beschäftigen möchte, ist herzlich eingeladen, zu einem unserer öffentlichen Treffen zu kommen. Unsere Mitglieder beantworten gerne Ihre Fragen. Öffentliche Veranstaltungen Wir veranstalten Vorträge über aktuelle astronomische Themen an jedem 2. Dienstag des Monats. Öffentliche Beobachtung vor dem LWLMuseum für Naturkunde. Aktuelle Infos über unsere „Homepage“. www.sternfreunde-muenster.de. Alle Veranstaltungen sind kostenlos! Vortragsthemen: (A) Anfänger 11. Sept.: Zeichnen am Teleskop (A) Daniel Spitzer Viele Amateurastronomen, die regelmäßig die zahlreichen interessanten Objekte am Sternenhimmel mit dem Teleskop beobachten, haben den Wunsch, das Gesehene auch im Bild fest zuhalten. Neben der technisch auf wändigen Astrofotografie bietet sich das Zeichnen an, das mit Bleistift, Klemmbrett und Rotlichtlampe auskommt. Eine künstlerische Begabung ist dabei weniger gefragt, als die Fähigkeit, den Anblick im Okular möglichst objektiv wieder zugeben. Der Vortrag gibt einen Überblick auf ver schie dene Zeichen techniken und Hilfsmittel. Präsentiert werden neben Ergebnissen aus der Beobachtung von Objekten unseres Sonnen systems auch solche aus dem Bereich Deep-Sky - Galaxien, Sternhaufen und vieles mehr. 9. Okt.: Astrofotografie mit der DSLR (A) Jochen Borgert Digitale Spiegelreflexkameras sind ein aus gutem Grund weit verbreitetes und beliebtes Werkzeug von Astrofotografen. Sie erlauben schon nach (F) Fortgeschrittene kurzer Zeit erfolgreiche Astrofotos, dennoch wollen auch hierbei Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt werden. Der Vortrag behandelt die wichtigsten Hürden auf dem Weg zu erfolgreicher Astrofotografie und wie man ihnen begegnen kann. 13. Nov.: Spektroskopie für Anfänger (A) Ernst Pollmann Woher kommt unser Wissen über die Sterne, über die Galaxien? Einziger Datenträger ist das Licht, das wir mir unseren Augen sehen, und das mit einem Spektrografen aufbereitet werden kann. Absorptions- und Emissionslinien werden am Ende des Vortrages für Sie keine unbekannten Größen mehr sein. 11. Dez.: Vorschau auf das astronomische Jahr 2013 (A) In diesem Vortrag bieten die Sternfreunde eine Vorschau auf die interessanten Ereignisse am Sternenhimmel des kommenden Jahres, Lauf der Planeten, des Mondes und der Sonne. Die Veranstaltung findet im Planetariums statt, der Eintritt ist frei. Ort und Zeit: Multifunktionsraum des LWL-Museum für Naturkunde / 19.30 Uhr 50