101 4.5 Beugung am Gitter (Versuch 76) (Fassung 09/2014) 4.5 Beugung am Gitter (Versuch 76) Dieser Versuch soll die physikalischen Grundlagen der Beugung, speziell am Gitter, d.h. die Interferenz sehr vieler Strahlen näherbringen. Außerdem soll die Anwendung als Gitterspektralapparat zum Messen von Wellenlängen demonstriert werden. Aufgaben 1. Aus einer Lichtquelle (Quecksilberdampflampe), einem Spalt, drei Linsen, einem Gitter und einem Schirm ist der Strahlengang eines Gitterspektrometers aufzubauen. 2. Aus der Lage der Beugungsbilder der Linien bekannter Wellenlänge einer Quecksilberdampflampe sind die Gitterkonstanten g1 und g2 zweier optischer Gitter G1 und G2 zu bestimmen. 3. Für das Gitter G2 (mit der größeren Gitterkonstanten) ist die Lage der Beugungsbilder einer bekannten Linie für möglichst viele Ordnungen zu messen. sin αk ist dann grafisch als Funktion der Ordnung k darzustellen. Die daraus gewonnene Gitterkonstante ist mit der unter 2. gewonnenen zu vergleichen. In einer maßstäblichen Skizze ist zu zeigen, wie sich die Spektren höherer Ordnungen überschneiden. 4. Mit dem Gitter G1 (kleinere Gitterkonstante) sind die Wellenlängen der Linien der Hg-Lampe, die hier nicht angegeben sind, zu bestimmen. Ebenso können Sie u.U. einige weitere Spektrallinien (nicht von Hg) beobachten, deren Wellenlänge Sie ebenfalls bestimmen können. Vorausgesetzter Kenntnisstand Fundierte Kenntnis über alle folgenden Themen ist Voraussetzung für die Versuchsdurchführung: Themen aus vorhergehenden Versuchen: • Abbildung mit Linsen, Charakteristische Fälle, Linsenfehler (sphärische und chromatische Aberration) Allgemeine Grundlagen zur Lichtausbreitung und Interferenz: • Lichtquellen: Charakteristika der Lichtemission von Festkörpern und Gasen, kontinuierliche und Linienspektren • Lichtausbreitung und Interferenz: ebene Welle, Polarisation, Kugelwelle, Huygenssches Prinzip, Fraunhofersche Beugung, Kohärenz, Gangunterschied, Beugung und Interferenz am Doppelspalt, Unterschied zwischen Brechung und Beugung Versuchsspezifische Themen: • Beugung und Interferenz am Gitter (Vielstrahlinterferenz), Intensitätsverlauf hinter dem Gitter (qualitativ), Zustandekommen von Beugungsmaxima und -minima, Beugungsordnungen, Überlappung von Beuguungsordnungen • Auflösungsvermögen eines Gitters, Verwendung von Spalten, Einfluss der Spaltbreiten auf die Auflösung Im Rahmen der Vorbereitung zu beantwortende Fragen: • Die Fraunhofersche Beugung am Gitter wird durch paralleles Licht beschrieben. Wozu wird hinter dem Gitter eine Linse benötigt? Wie sollte ihre Brennweite von der Wellenlänge abhängen? • Wie erzeuge ich möglichst paralleles Licht? Warum ist es zweckmäßiger, anstelle einer Punktlichtquelle einen Spalt zu benutzen? • Beschreiben Sie die Funktion der ersten beiden Linsen des Versuchsaufbaus. Welche Linse (Brennweite) benutzen Sie an welcher Stelle? • Wie sollte man den Abstand zwischen Gitter und dritter Linse wählen? Warum? • Warum verändert sich der Abstand zwischen Bildebene und Linse L3 für ein scharfes Bild der Linien für größere Winkel α? • Machen Sie sich klar, dass die Überlappung von Spektren höherer Ordnung nicht von der Gitterkonstanten abhängt, wohl aber von der Länge des Spektrums! 102 Gefahren Sehen Sie nicht längere Zeit mit ungeschützten Augen in die Quecksilberdampflampe! Benutzen Sie eine Schutzbrille! Aufbau des Strahlengangs (Aufgabe 1) In diesem Versuch bauen Sie den Strahlengang selbst auf. Wesentliches Merkmal auch dieses optischen Aufbaus ist eine wohldefinierte und geradlinige optische Achse, die parallel zur optischen Bank verlaufen soll. Stellen Sie daher von Anfang an sicher, dass die verwendeten optischen Elemente einzeln mit ihrer Symmetrieachse sowohl vertikal wie horizontal sauber justiert sind. Am Ende sollte das Spektrum sauber und symmetrisch zu sehen, die Linien gerade und gleichmäßig ausgeleuchtet sein. Mit dem hier eingesetzten modernen Bausystem wird Ihnen diese Aufgabe sehr leicht gemacht: Mit Ausnahme der Lichtquelle und der zweiten Linse sind alle optischen Elemente bautechnisch bedingt bereits auf die optische Achse justiert. Sie müssen lediglich die Lichtquelle und die Linse einmal zu Beginn justieren. Alle Halterungen für die optischen Bauelemente (mit Ausnahme der Spektallampe) sind auf einer flachen optischen Bank montiert, die ein präzises Verschieben der Bauelemente gestattet. Zum Verschieben lösen Sie die Feststellschraube des Reiters etwa 1/4 Umdrehung. Durch gleichzeitges Drücken gegen den Reiter von beiden Seiten her können die Elemente sehr feinfühlig verschoben werden. – Um eine Halterung ganz zu entfernen, lösen Sie die Feststellschraube etwa eine ganze Umdrehung. Gegen einen leichten Federdruck können Sie das Element jetzt nach hinten wegkippen oder umgekehrt wieder einsetzen. Bitte ziehen Sie die Feststellschrauben nur leicht an! Grundjustage Bauen Sie das optische System wie in Abb. 4.1 skizziert schrittweise auf. Die Lichtquelle ist fest am vorderen Ende der optischen Bank montiert, der Schirm sollte auf der Schiene stehen. Die übrigen optischen Elemente finden Sie in einer separaten Box. Ausrichtung Lichtquelle: Schalten Sie die Lampe ein. Justieren Sie die Lampe zunächst horizontal grob auf die Mitte der optischen Bank. Stellen Sie sicher, dass die Austrittsöffnung des Lampengehäuses in Richtung der Symmetriebene der optischen Bank ausgerichtet ist. Setzen Sie dann die Kollektorlinse L1 (einfache Linse, f1 = 50 mm) ein und stellen Sie ihre Position so ein, dass Sie auf dem Schirm ein Bild der leuchtenden Gassäule in der Lampe erhalten. Justieren Sie die Lampe jetzt weiter, so dass dieses Bild mittig auf der Mattscheibe liegt und möglichst gleichmäßig hell erscheint. Seitliche, weniger helle.“Schatten” sollten Sie minimieren. Kontrollieren Sie auch noch einmal die Ausrichtigung der Austrittsöffnung des Lampengehäuses. VORSICHT: Das Gehäuse wird nach einigen Minuten sehr heiß, daher ist es wichtig, diese Grundjustage zu Beginn zu erledigen. Bauen Sie anschließend den Spalt ein. Optimieren Sie durch Variation der Positionen von Spalt und erster Linse L1 auf der optischen Bank die durch den Spalt fallende Lichtintensität. Optimal erweist sich i.d.R. eine 1:1- oder leicht verkleinernde Abbildung der leuchtenden Gassäule. Dieses Bild sollte zentriert auf der Spaltöffnung liegen. Ggf. muss die Lampe an dieser Stelle ganz leicht nachjustiert werden. Ausrichtung Parallelstrahlengang: Als nächstes wird die zweite Linse L2 (Kollimator, ein Achromat, f2 = 100 mm, in Justierfassung) eingesetzt. Diese Linse sollte mit ihrer stärker gewölbten Seite in Richtung Schirm weisen (warum?). Stellen Sie sie zunächst eine Spur weiter als die einfache Brennweie hinter den Spalt und bilden Sie den Spalt auf den Schirm ab. Das Bild sollte exakt auf die Mitte der Mattscheibe (beim Skalenwert Null) zentriert sein, hierzu ist die laterale Position dieser Linse u.U. nachzujustieren. Dann verringern Sie den Abstand zum Spalt soweit, dass hinter der Linse L2 ein horizontal kollimiertes Strahlenbündel entsteht. Der Verlauf der seitlichen Begrenzungen des Strahlenbündels sollte über die gesamte Länge des Aufbaus praktisch parallel sein. Überprüfen Sie dies, indem Sie mit einem Blatt Papier den Strahlquerschnitt über eine größere Entfernung hin verfolgen. 103 4.5 Beugung am Gitter (Versuch 76) Schirm Linse 3 Linse 2 Linse 1 d α Hg-DampfLampe Spalt Gitter f2 x nominell = f 3 Abbildung 4.1: Versuchsaufbau zur Beugung am Gitter. Der Abstand x zwischen L3 und Schirm ist nominell (d.h. für das Bild nullter Ordnung) gleich der Brennweite f3 der Linse L3 . Für die höheren Ordnungen nimmt der korrekte Abstand mit wachsendem Winkel ab. Feinjustage Stellen Sie jetzt die Gitterhalterung mit der Linse L3 (ebenfalls ein Achromat, f3 = 800 mm) in den parallelen Strahlengang direkt hinter L2 . Auch diese Linse ist asymmetrisch, sie sollte mit der stärker gewölbten Seite zum Gitter weisend eingebaut sein (warum?). Setzen Sie anschließend das Gitter G1 ein. Überprüfen Sie, ob das Gitter gleichmäßig ausgeleuchtet wird. Auf dem Schirm sehen Sie nun die Beugungsbilder des Spaltes. Durch Verschieben des Schirms stellen Sie zunächst die Linie der nullten Ordnung scharf ein. Diese Linie sollte möglichst genau auf der optischen Achse liegen. Falls nicht, können Sie dies mit der Justierung der Linse L2 korrigieren. Je weiter außen liegende Linien Sie beobachten, desto näher müssen Sie den Schirm an die Linse rücken (d.h. der Abstand x zur Linse wird kleiner als f3 ), um ein scharfes Bild zu erhalten (warum?). Das oben beschriebene Verfahren zur Erzeugung parallelen Lichts ist einfach, aber noch nicht genau genug. Nachdem Sie die nullte Ordnung scharf auf dem Schirm abgebildet haben, werden Sie i.d.R. mit dem Schirm noch nicht genau in der Entfernung der Brennweite f3 = 800 mm der Linse L3 von dieser Linse entfernt sein. Verschieben Sie daher zunächst den Schrim so, dass der Abstand zu L3 800 mm beträgt. Verschieben Sie anschließend vorsichtig das gesamte aus L2 , Gitter und L3 bestehende System so lange, bis Sie das scharfe Spaltbild nullter Ordnung etwa in der korrekten Entfernung der Brennweite der Linse L3 erhalten. Achtung: Die dazu notwendige Verschiebung ist nicht sehr groß! Evtl. müssen Sie beide Verschiebungen ein- oder zweimal wiederholen. Bitte beachten Sie auch die am Versuch ausliegenden präzisen Daten zur Brennweite und zur Lage der Hauptebenen für L3 . Stellen Sie die Spaltbreite so ein, dass Sie möglichst schmale Spektrallinien erhalten, dabei jedoch noch alle Linien, die Sie benötigen, erkennen können. ACHTUNG: Die Spaltmechanik ist sehr empfindlich! Drehen Sie den Spalt niemals ganz zu! Auch jetzt müssen Sie den Schirm wieder näher an die Linse rücken, je weiter außen liegende Linien Sie beobachten, um ein scharfes Bild zu erhalten. Durch Anpassung der Spaltbreite lassen sich mit dem Gitter G1 (kleinere Gitterkonstante) die beiden orangenen Linien sauber trennen. 104 Messungen und Auswertung Hinweis: Die Aufgaben 2 und 3 können (bei optimaler Planung) für das Gitter G2 , die Aufgaben 2 und 4 für das Gitter G1 jeweils in einer einzigen Messreihe erledigt werden. Aufgabe 2, Gitterkonstanten: Zur Bestimmung der beiden Gitterkonstanten sind alle auf dem Schirm sichtbaren Beugungsbilder der drei oder vier intensivsten Hg-Linien der ersten Ordnung (k = 1) zu benutzen. Zur Scharfstellung der Intensitätsmaxima für größere Winkel muss der Abstand x zwischen Schirm und Linse L3 verringert werden (s.o.). Messen Sie jeweils die beiden Positionen d1 und d2 der beiden Beugungsbilder derselben Beugungsordnung links und rechts der optischen Achse und berechnen daraus ihren Abstand 2d. Aus d und dem Abstand x (≤ f3 =Brennweite der Linse L3 ) berechnen Sie die Winkel α(λ) und tragen sin α(λ) gegen λ auf. Tragen Sie, wenn möglich, auch realistisch abgeschätzte Fehlerbalken ein. Für die Abschätzung der Unsicherheiten (über die Fehlerfortpflanzung aus x und d) kann die Näherung sin α ≈ α ≈ tan α verwendet werden, auch wenn die Winkel nicht besonders klein sind. Für die notwendige Genauigkeit der Unsicherheitsangabe ist das völlig ausreichend. Bitte beachten Sie: Die Unsicherheit für die Einstellung von x für ein scharfes Bild ist relativ hoch, besonders bei Linien, die nur schwach zu erkennen sind. Dennoch geht in die Fehlerrechnung für sin α nur die deutlich geringere Unsicherheit der Messung dieses Abstands und des Abstands der Linien auf dem Schirm ein. Warum? Berechnen Sie analytisch die Ausgleichskurve (Was für eine Funktion ist das?) und bestimmen Sie daraus die Gitterkonstante des ersten Gitters (das Verfahren sollte Ihnen u.a. vom Versuch 1 her bekannt sein). Wiederholen Sie dieses Verfahren für das zweite Gitter. Geben Sie die daraus bestimmten Unsicherheiten Ihrer Ergebnisse an. Aufgabe 3, Beugungsordnungen: Für das Gitter G2 (das mit der größeren Gitterkonstanten g2 ) bestimmen Sie für eine der intensivsten Linien auf die gleiche Weise wie in Aufgabe 2 jeweils den Abstand 2d, den die beiden Beugungsbilder derselben Ordnung links und rechts der optischen Achse haben, für möglichst viele Ordnungen k (etwa k = 1, ..., 4). Tragen Sie sin αk als Funktion der Beugungsordnung k auf und verifizieren Sie den linearen Zusammenhang. Auch hier sind nach Möglichkeit die Fehlerbalken einzutragen. Vergleichen Sie die daraus gewonnene Gitterkonstante mit der in Aufgabe 2 für dieses Gitter bestimmten. Skizzieren Sie zusätzlich in einer maßstäblichen Darstellung, wie sich die Spektren höherer Ordnungen überlappen, ähnlich wie am Beispiel in den Physikalischen Grundlagen dargestellt. Nehmen Sie hierzu ein Spektrum des sichtbaren Lichts von etwa 400 bis etwa 750 nm an. Aufgabe 4, Messung unbekannter Linien: In gleicher Weise wie in Aufgabe 2 messen Sie mit dem Gitter G1 (das mit der kleineren Gitterkonstanten g1 ) die Winkel für die nicht angegebenen Hg- Linien und evtl. anderer im Spektrum erkennbarer Linien (ggf. im Detail mit dem Assistenten abzusprechen) und bestimmen mit Hilfe der grundlegenden Gleichung (s. Physikalische Grundlagen) und der vorher bestimmten Gitterkonstanten ihre Wellenlängen. Berechnen Sie auch jeweils die Unsicherheiten. Dabei können sich sowohl die statistischen Unsicherheiten der Messung von d und x als auch (in Form eines erst ins Endergebnis einfließenden systematischen Fehlers) die der zuvor bestimmten Gitterkonstanten g1 auswirken. Anmerkung zur Auswertung: Eine lineare Kurvenanpassung an drei oder bestenfalls vier Messpunkte ist sicher keine ideale Voraussetzung für eine genaue Berechnung der Gitterkonstanten. Bei sorgfältiger Messung ist die Streuung der Punkte jedoch gering und die analytische Berechnung einer rein grafischen Auswertung überlegen. Nur so erhält man auch eine, wenn auch nicht unbedingt hochpräzise Angabe über die Kalibriergenauigkeit des aufgebauten Spektrometers, wie man sie in der Praxis immer benötigt. Vorgegebene Daten Die Wellenlängen der vier intensivsten Hg-Linien sind: gelb/orange = 579, 1 nm und 577, 0 nm, grün = 546, 1 nm, blau = 435, 8 nm (Alle Wellenlängen sind auf 4.5 Beugung am Gitter (Versuch 76) 105 1/10 nm gerundet. Die Unsicherheiten sind als nicht-beitragend anzusehen.) Die beiden verwendeten Gitter besitzen nominell die Liniendichten 830 und 140 Linien/mm. Zubehör Eine optische Bank, Quecksilberdampflampe mit Justiereinrichtung, Netzgerät für die Lampe, Spalt, zwei Gitter G1 und G2 mit unterschiedlichen Gitterkonstanten, einfache Linse (f1 = 50 mm), Achromate (f2 = 100 mm, in einer Justierfassung, und f3 = 800 mm, zusammen mit der Gitterhalterung auf einem Reiter montiert), ein Schirm mit Skala, Bandmaß, Hilfsspalt zur Herstellung einer punktförmigen Lichtquelle