Diskrete Strukturen Sebastian Thomas RWTH Aachen https://www2.math.rwth-aachen.de/DS16/ 24. und 25. Oktober 2016 Vorlesung 3 Potentielle Wahrheitstafeln Definition n nicht-negative ganze Zahl potentielle Wahrheitstafel für A1 ,. . . , An : eine eindeutige ” Zuordnung“ von entweder 0 oder 1 zu jeder Interpretation von A1 , . . . ,An Beispiel potentielle Wahrheitstafel für A, B, C : A B C 1 1 1 1 1 1 0 0 1 0 1 1 1 0 0 0 0 1 1 0 0 1 0 0 0 0 1 1 0 0 0 1 Disjunktive Normalform Definition n nicht-negative ganze Zahl, F AF in A1 , . . . , An F ist in (kanonischer ) disjunktiver Normalform (DNF): F = F1 ∨ . . . ∨ Fk , für eine nicht-negative ganze Zahl k und verschiedene AFen F1 , . . . ,Fk derart, dass für 1 ≤ i ≤ n stets Fi = Xi,1 ∧ . . . ∧ Xi,n gilt, wobei Xi,j = Aj oder Xi,j = ¬Aj für 1 ≤ j ≤ n Beispiel A ∧ B ∨ A ∧ ¬B ist in DNF Konjunktive Normalform Definition n nicht-negative ganze Zahl, F AF in A1 , . . . , An F ist in (kanonischer ) konjunktiver Normalform (KNF): F = F1 ∧ . . . ∧ Fk , für eine nicht-negative ganze Zahl k und verschiedene AFen F1 , . . . ,Fk derart, dass für 1 ≤ i ≤ n stets Fi = Xi,1 ∨ . . . ∨ Xi,n gilt, wobei Xi,j = Aj oder Xi,j = ¬Aj für 1 ≤ j ≤ n Beispiel (A ∨ B ∨ ¬C ) ∧ (A ∨ ¬B ∨ C ) ∧ (¬A ∨ B ∨ C ) ∧ (¬A ∨ ¬B ∨ ¬C ) ist in KNF DNF zu potentieller Wahrheitstafel Ziel Finde zu gegebener potentieller Wahrheitstafel eine aussagenlogische Formel in DNF (bzw. KNF) mit dieser Wahrheitstafel Methode I arbeite zeilenweise I bei DNF: zu jeder Zeile (d.h. zu jeder Interpretation) gehört ein Disjunkt, dieses taucht in der AF entweder auf oder nicht I bei KNF: zu jeder Zeile (d.h. zu jeder Interpretation) gehört ein Konjunkt, dieses taucht in der AF entweder auf oder nicht DNF zu potentieller Wahrheitstafel (Forts.) Definition n nicht-negative ganze Zahl, v1 . . . vn Interpretation für 1 ≤ j ≤ n: ( Aj , falls vj = 1, Xj := ¬Aj , falls vj = 0 Dis(v1 . . . vn ) := X1 ∧ . . . ∧ Xn : zu v1 . . . vn gehöriges Disjunkt Beispiel zu 1011 gehöriges Disjunkt: Dis(1011) = A ∧ ¬B ∧ C ∧ D DNF zu potentieller Wahrheitstafel (Forts.) Bemerkung n nicht-negative ganze Zahl, v1 . . . vn , w1 . . . wn Interpretationen. Äquivalent: (a) Dis(w1 . . . wn ) hat unter v1 . . . vn den Wahrheitswert 1 (c) w1 . . . wn = v1 . . . vn Proposition n nicht-negative ganze Zahl; potentielle Wahrheitstafel sei gegeben F sei Disjunktion über alle Disjunkte, welche zu Interpretationen gehören, die in der potentiellen Wahrheitstafel den Wahrheitswert 1 zugewiesen bekommen Dann: F ist eindeutige AF in DNF, welche die Wahrheitswerte der gegebenen potentiellen Wahrheitstafel annimmt DNF zu potentieller Wahrheitstafel (Forts.) Beispiel potentielle Wahrheitstafel für A, B, C : A B C 1 1 1 1 1 1 0 0 1 0 1 1 1 0 0 0 0 1 1 0 0 1 0 0 0 0 1 1 0 0 0 1 DNF als Normalform Satz Jede aussagenlogische Formel ist bis auf Reihenfolge der Disjunkte zu genau einer aussagenlogischen Formel in disjunktiver Normalform logisch äquivalent. Beispiel A ∨ B ⇒ A ∧ C ist logisch äquivalent zu folgender AF in DNF: Prädikate Begriff I I Prädikat über Individuenbereich: Eigenschaft“ oder ” Beziehung“, welche für Individuen entweder gilt oder nicht ” ein Prädikat von konkreten Individuen ergibt eine Aussage Beispiel Aussage Anne speist mit Christian.“ entsteht aus: ” I zweistelliges Prädikat . . . speist mit . . .“ ” I Individuen Anne“ und Christian“ aus Individuenbereich ” ” Freundeskreis“ ” Prädikatenlogische Formeln Formalisierung I I Aussagenlogik: Aussagen Prädikatenlogik: I I Prädikate Individuen Aussagenvariablen Prädikatvariablen Individuenvariablen Beispiel I I I I . . . speist mit . . .“ entspreche P ” Anne“ entspreche x ” Christian“ entspreche y ” Anne speist mit Christian.“ entspricht dann P(x, y ) ” Prädikatenlogische Formeln (Forts.) Alphabet der Prädikatenlogik I P1 , P2 , P3 , . . . I x1 , x2 , x3 , . . . I 0, 1, ¬, ∧, ∨, ⇒, ⇔ I ∃, ∀ I (, ) Notation I schreibe ∃x : P(x) statt (∃x)(P(x)) I schreibe ∀x : P(x) statt (∀x)(P(x)) Prädikatenlogische Formeln (Forts.) Beispiel I ∃x : ∃y : P(x, y ) I ∃x : ∀y : P(x, y ) I ∀x : ∃y : P(x, y ) I ∀x : ∀y : P(x, y ) Wahrheitswerte I Interpretation: I I I I Festlegung eines Individuenbereichs Zuordnung eines Prädikats für jede Prädikatvariable Zuordnung eines Individuums für jede Individuenvariable Wahrheitswert einer prädikatenlogischen Formel: rekursiv als Wahrheitswert der erhaltenen Aussage Wahrheitswerte (Forts.) Beispiel I prädikatenlogische Formel: F (x) = P(x) = (x > 0) I I I Individuenbereich: natürliche Zahlen P bzw. > 0 werde wie üblich“ interpretiert ” x werde beliebige natürliche Zahl zugeordnet Wahrheitswert: Wahrheitswerte (Forts.) Beispiel I prädikatenlogische Formel: F (x) = P(x) = (x > 0) I I I I Individuenbereich: reelle Zahlen P bzw. > 0 werde wie üblich“ interpretiert ” Fall: x werde 12 zugeordnet Wahrheitswert: prädikatenlogische Formel: F (x) = P(x) = (x > 0) I I I Individuenbereich: reelle Zahlen P bzw. > 0 werde √ ”wie üblich“ interpretiert Fall: x werde − 2 zugeordnet Wahrheitswert: Wahrheitswerte (Forts.) I prädikatenlogische Formel: G = (∀x : x > 0) I I I Individuenbereich: natürliche Zahlen P bzw. > 0 werde wie üblich“ interpretiert ” Wahrheitswert: prädikatenlogische Formel: H = (∃x : x > 0) I I Individuenbereich: natürliche Zahlen P bzw. > 0 werde wie üblich“ interpretiert ” Wahrheitswert: Wahrheitswerte (Forts.) I prädikatenlogische Formel: G = (∀x : x > 0) I I I Individuenbereich: reelle Zahlen P bzw. > 0 werde wie üblich“ interpretiert ” Wahrheitswert: prädikatenlogische Formel: H = (∃x : x > 0) I I Individuenbereich: reelle Zahlen P bzw. > 0 werde wie üblich“ interpretiert ” Wahrheitswert: Wahrheitswerte (Forts.) Beispiele I prädikatenlogische Formeln: I I I I I G = (∀y : ∃x : y = x 2 ) H = (∃x : ∀y : y = x 2 ) K = (∀x : ∃y : y = x 2 ) L = (∃y : ∀x : y = x 2 ) Individuenbereich: reelle Zahlen I 2 werde wie üblich“ interpretiert ” Wahrheitswerte: Logische Äquivalenz definieren Begriff der logischen Äquivalenz für präd.log. Formeln Beispiele I ¬(∀x : P(x)) ≡ ∃x : ¬P(x) I ¬(∃x : P(x)) ≡ ∀x : ¬P(x) Verwendung von logischen Symbolen I in mathematischen Texten: keine logische Symbole, ausschließlich Umgangssprache I Ausnahme: zur Präzisierung vglw. komplexer logische Situationen I in Vorträgen: Symbole zur Abkürzung Sprachliche Konventionen I eine erste Aussage oder eine zweite Aussage gilt“: ” beide Aussagen können gelten I Existenz eines Objekts“: Existenz mindestens eines Objekts ” Eigenschaft gilt für gewisse Objekte“: ” Eigenschaft gilt für alle diese Objekte I I Eigenschaft gilt für eines der Objekte“: ” es gibt ein Objekt mit der Eigenschaft I Objekt sei gegeben“: ” das danach Dargestellte gilt für jedes solche Objekt I Objekt sei gewählt“: ein solches Objekt existiert ” Mengen Vorstellung (a) Menge: Zusammenfassung von bestimmten, ” wohlunterschiedenen Objekten unserer Anschauung oder unseres Denkens zu einem Ganzen“. (b) X Menge I I Elemente von X : diejenigen Objekte, welche durch X zusammengefasst werden schreibe x ∈ X , wenn x Element von X , sonst x ∈ /X (c) X , Y Mengen X = Y ⇔ (für jedes x: x ∈ X ⇔ x ∈ Y ) Mengen (Forts.) Notation (a) X Menge, ϕ Eigenschaft, X bestehe aus genau den Objekten, welche ϕ erfüllen Schreibweise: {x | x erfüllt ϕ} := X (b) X Menge, ϕ Eigenschaft {x ∈ X | x erfüllt ϕ} := {x | x ∈ X und x erfüllt ϕ} (c) a1 , . . . , an Objekte {a1 , . . . , an } := {x | x = a1 oder . . . oder x = an } (d) a1 , a2 , a3 , . . . Objekte {a1 , a2 , a3 , . . . } := {x | es gibt natürliche Zahl i mit x = ai } Mengen (Forts.) Beispiel N = {x | x = 1 oder es gibt natürliche Zahl y mit x = y + 1} = {1, 2, 3, . . . } N0 = {x | x ∈ N oder x = 0} Z = {x | x ∈ N oder x = 0 oder −x ∈ N} p Q = {x | x = für p, q ∈ Z mit q 6= 0} q R = {x | x ist reelle Zahl} Mengen (Forts.) Beispiel I {x | x ist eine Primzahl} I {x ∈ Z | x ist gerade} I {−3, 1, 19} I I I I Mengen (Forts.) Anwendungsbeispiel I {A, B, . . . , Z} Modell für lateinisches Alphabet I Element von {1, 2, . . . , 18}: Modell für Platzierung in der Tabelle der Fußball-Bundesliga I Element von {gold, silber, bronze}: Modell für Medaille bei den Olympischen Spielen I Element von {♥, ♦, ♠, ♣}: Modell für Kartenfarbe I Element von N: Modell für Position in einer Reihe I Element von N: Modell für Anzahl von Objekten in einer Ansammlung Mengen (Forts.) Definition leere Menge: Menge, welche keine Elemente enthält Notation: ∅ Notation a, b ∈ Z mit a ≤ b + 1 [a, b] := {x ∈ Z | a ≤ x ≤ b} Beispiel [1, 3] = {1, 2, 3}, [−2, 1] = {−2, −1, 0, 1}, [−1, −1] = {−1}, [2, 1] = ∅