Das von Willebrand-Syndrom und gynäkologische Blutungen Etwa 60 Prozent der Frauen mit von Willebrand-Syndrom leiden an starken und/oder verlängerten Periodenblutungen. Daneben kann es auch zu Blutungen während des Eisprungs und zu Schmerzen während der Periodenblutung sowie des Eisprungs kommen. Eine Anämie (Blutarmut, Blässe) ist häufig die Folge eines unerkannten von Willebrand-Syndroms und langjähriger Schleimhautblutungen. An Schwangerschaftskomplikationen können Fehlgeburten, Frühgeburten und Totgeburten auftreten. Am häufigsten sind jedoch die Nachblutungen nach einer Geburt. In der Regel nimmt in der Schwangerschaft die Blutungsneigung ab, da schon im ersten Drittel der Schwangerschaft der Faktor VIII/von Willebrand Faktor-Komplex ansteigt und die Blutungszeit verkürzt wird. Bei einem Typ 3 von Willebrand fehlt in der Regel dieser Anstieg. Die Fehlgeburten treten am häufigsten im ersten Drittel der Schwangerschaft auf. Da bei der Geburt der von Willebrand-Faktor absinkt, ist die Blutungsmanifestation während oder nach der Geburt am stärksten ausgeprägt. Auch bei gynäkologischen Operationen können Blutungen auftreten, wenn keine Substitutionstherapie erfolgt. Gynäkologische Blutungen können in Abhängigkeit von dem Typ des von Willebrand-Syndroms und dem Schweregrad durch Gabe von Hormonen, Minirin (DDAVP) oder einem von Willebrand-Faktor-haltigen Konzentrat behandelt werden. Die Hormonbehandlung erfolgt nach einem Stufenplan: 1. Ovulationshemmer (hormonale Kontrazeption, Antibabypille) in normaler Dosierung. 2. Antibabypille in höherer Dosierung (zum Beispiel Neogynon®) 3. Gestagene in der 2. Zyklushälfte (allein oder zusätzlich) 4. Gestagene in zyklischer Einnahme 5. Gestagene höher dosiert (z.B. Oragmetril®) 6. Ausschaltung der Eierstöcke (Amenorrhoe) durch Gabe von GnRh-Analoga (z.B. Zoladex®) Führt die Hormonbehandlung nicht zum Erfolg oder treten Nebenwirkungen auf, so kann auch Minirin in Form des Octostim® als Nasenspray verwandt werden. Dabei wird je ein Sprühstoß in jedes Nasenloch am Tag der Periodenblutung angewandt. Bei der Anwendung sollte darauf geachtet werden, dass die Patientin sehr wenig Flüssigkeit zu sich nimmt, damit es nicht zu einer Wasserretention (Wassereinlagerung) kommt. Bei Erkrankung der Nasenschleimhaut kann die Aufnahme des Sprays vermindert sein. Bei schweren gynäkologischen Blutungen bei Patientinnen mit schwerer Ausprägung der Erkrankung ist die Substitution mit einem von Willebrand-Faktor-haltigen Konzentrat (Haemate HS®, Immunate®) indiziert. Meist erfolgt die Gabe in der Dosierung von 40 E/kg KG. Diese Dosierung ist abhängig vom Typ und vom Schweregrad der von Willebrand'schen Erkrankung. Mängel des Prothrombin-Komplexes (Faktor II, Faktor V, FaktorVII, Faktor X) Quantitative und qualitative hereditäre Defekte dieser Faktoren sind sehr selten (ca. 1:250.000). Sie werden autosomal rezessiv, selten dominant, vererbt, das heißt geschlechtsunabhängig und können also sowohl Frauen als auch Männer betreffen. Die meisten betroffenen Patienten sind heterozygot für den entsprechenden Faktoren-Mangel (Restaktivität des betroffenen Faktors >10%) und daher im normalen Alltagsleben meist asymptomatisch, bei Frauen kommen verlängerte bzw. verstärkte Menstrualblutungen vor. Im Rahmen von operativen Eingriffen, Traumata, Zahnextraktionen und Geburten kann es aber zu schweren Blutungskomplikationen kommen. Therapiert werden müssen diese Hämophilieformen daher meist nur bei geplanten operativen Eingriffen. In erster Linie kommen hier PPSB-Komplex-Präparate (bitte wg. Thrombosegefahr nur mit Antithrombin kombiniert verabreichen) und FFP in Frage. Für den Faktor-VII-Mangel gibt es mittlerweile spezielle Präparate (FVII-S-TIM, Novoseven), wobei Novoseven nur für die Aktutherapie und nicht für die Prophylaxe geeignet ist. Differentialdiagnostisch muss bei Mangelzuständen der Faktoren II, VII und X immer auch an einen Vitamin-KMangel gedacht werden, natürlich sind die Aktivitäten dieser Faktoren auch unter Marcumar-Therapie erniedrigt. Gerinnungsuntersuchungen als orientierende Untersuchungen Blutungszeit Die Blutungszeit ist ein orientierender Test zur Überprüfung der primären Blutstillung. Charakteristisch und bereits in den ersten Berichten von Patienten mit vWS beschrieben ist eine verlängerte Blutungszeit. Die Blutungszeitverlängerung ist jedoch bei milden Formen des vWS sehr variabel und oftmals werden vWillebrandSyn.doc22.10.2007 Normalwerte gefunden. Ob durch die Blutungszeitmessung auch eine Abschätzung der Schwere einer Blutungsneigung möglich ist, wird zurzeit kontrovers diskutiert. Es gibt verschiedene Meßweisen der Blutungszeit, prinzipiell wird eine definierte Hautverletzung gesetzt mittels Lanzette oder automatischen Messerchen und die Zeit bis zum Stoppen der Blutung gemessen. Insbesondere bei kleinen Kindern ist dieses Verfahren häufig schwierig, da die Kinder mitarbeiten bzw. dieses Verfahren tolerieren müssen. Des Weiteren gibt es Verfahren der Blutungszeitbestimmung aus Venenblut. Diese Methode ist bei Patienten mit mildem vWS deutlich empfindlicher als die zuerst beschriebene Methode. Ob sie jedoch zwischen Normalpersonen und Patienten mit mildem vWS im sog. Graubereich zwischen 35 und 60% vWF differenzieren kann, ist bisher fraglich. Aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) Bei den orientierenden Gerinnungstesten, die z.B. vor Operationen üblicherweise veranlasst werden, fallen Patienten mit vWS nur mit einer Verlängerung der aPTT (Gerinnungszeit) auf, wenn eine schwere Ausprägung vorliegt, bei der auch der Faktor VIII mitvermindert ist, da der Faktor VIII diese Gerinnungszeit mitbeeinflußt, nicht jedoch der vWF selbst. Eine Verlängerung der aPTT kann verschiedene Ursachen haben (z.B. Faktor VIII-, Faktor IX-Verminderung bei der Bluterkrankheit, andere seltene Mängel an Gerinnungsfaktoren oder Einfluss von Hemmstoffen bzw. Antikörpern gegen Gerinnungsfaktoren). Vergleichsstudien haben gezeigt, dass die aPTT aufgrund vielfältigster Einflüsse nicht geeignet ist, eine milde Hämophilie und das vWS zu erfassen. Thrombozytenzahl Die Messung der Blutplättchenzahl ist notwendig, um eine Verminderung als Ursache einer Blutungsneigung zu erkennen. Erst in zweiter Linie ist sie wichtig zum Erkennen einer seltenen Form des vWS Typ 2B oder PseudovWS. Bei diesen Erkrankungen findet sich eine konstante oder wechselnde ausgeprägte Verminderung der Blutplättchen. Bestimmung des Faktor VIII/vWF-Komplexes über die Faktor VIII-Aktivität Der Faktor VIII (F VIII) ist beim vWS nur mittelbar betroffen. Solange genügend vWF (mehr als 30%) im Blut vorhanden ist, um den F VIII im Plasma zu stabilisieren, haben Patienten mit vWS eine normale F VIII-Aktivität. Daher ist auch die aPTT kein empfindlicher Test.Da jedoch F XII-Verminderungen beim von WillebrandSyndrom nicht selten sind, kann ein von Willebrand-Syndrom durch eine verlängerte aPTT in der RoutineTestung auffallen, auch wenn die F VIII-Aktivität normal ist. Dieser Typ trägt den Beinamen San Diego, nach der Stadt, in der der erste Patient beschrieben wurde. Der F XII wie auch F IX beeinflussen die aPTT. Um die Variante 2N des vWS zu erkennen, ist die Bestimmung der F VIII-Aktivität ein unerlässlicher diagnostischer Test. von Willebrand Faktor Antigen (vWF: Ag) Die Bestimmung des vWF: Ag ist zur Diagnose unerlässlich, da nur so eine Differenzierung zwischen vermindertem oder vorhandenem, aber nicht funktionierendem vWF möglich ist. In mehr als 80% der Patienten mit vWS ist das vWF: Ag erniedrigt. Bei milden Formen des vWS kann vor allem bei Stress-Situationen der untere Normbereich erreicht werden. Auch bereitet die Blutgruppenabhängigkeit des F VIII/vWF-Komplexes im sog. Graubereich zwischen 40 und 60% Schwierigkeiten, da Personen mit der Blutgruppe 0 von Natur aus niedrigere Werte für den vWF haben, ohne dass eine Blutungsgefährdung vorliegt. Ristocetin-Cofaktor Aktivität (vWF:RiCof) Blutplättchen haften im Reagenzglas aneinander, wenn man ihnen den Stoff Ristocetin und vWF zusetzt. Mit diesem Test kann eine Eigenschaft des vWF, die Ristocetin-Cofaktor Aktivität, bestimmt werden. Sie wird in Prozent angegeben, normal sind Werte zwischen 50 und 150%. Der Ristocetin-Cofaktor verhält sich wie das vWF: Ag (s.o.). Patienten mit Typ 2 fallen häufig durch ein Missverhältnis zwischen vWF: Ag und vWF:RiCof auf, d.h. die Ristocetin-Cofaktor Aktivität fällt deutlich niedriger aus. Dieses Verhältnis hat bereits eine klinische Bedeutung, auch wenn beide Konzentrationen im Normbereich liegen. Die Ristocetin-Cofaktor Aktivität ist wesentlich weniger empfindlich zur Erfassung eines funktionell abnormalen vWF als die Bestimmung der Collagenbindungsaktivtät (CBA). Die Messung der Ristocetin-Cofaktor Aktivität kann jedoch als einziger spezifischer Parameter akut ohne großen Laboraufwand bestimmt werden und ist daher für die Akutdiagnostik und die Therapiekontrolle weiterhin wertvoll. vWillebrandSyn.doc22.10.2007