ERNÄHRUNG // 2 1 // ERNÄHRUNG WISSEN T K C E M H C S SO T F N U K U Z DIE rot Milch, die sich . n e h c a m k ic ach die nicht d Pizza, die je n e in e r Süßigkeiten, e d O t. rtin ie schlecht is rt. LOOX-Expe e d n ä k c färbt, wenn s a m h lärt, welche ihren Gesc rk r e tu d ra n e u p .0 m 2 te n ne Back t. t die Foodvisio n n e k r e ue Welt“ birg ll e ü n e M n ö h c s „ Isabell die und Gefahren Verlockungen ter lM // Text Isabel cksdorff // St Yves Su üller // Fotos DIE ZUKUNFT ist längst Realität. Die Nanotechnologie, Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts, hat Einzug gehalten. Häufig begegnet sie einem in Farben und Lacken, wo die Nanopartikel für eine bessere Haltbarkeit und höhere Abriebfestigkeit sorgen. Sie verhindern ein Verkratzen von Brillen- und Uhrgläsern. Und auch in Hautcremes werden Nanokapseln eingesetzt, um Wirkstoffe in tiefere Hautschichten zu eskortieren. Wer sich eine Jacke kauft, an der Schmutz, Wasser und sogar Kaffee oder Rotwein nur so abperlen, kann davon ausgehen, dass sie mit Nanopartikeln beschichtet ist. Noch neu hingegen sind Nanoteilchen in unserem Essen. Sie sollen den Lebensmitteln neue Eigenschaften geben. Diese Manipulation kann den Geschmack, die Farbe, die Konsistenz und den Geruch von Nahrungsmitteln betreffen. Sie kann sogar deren Haltbarkeit verändern oder ihre Wirkung auf die Gesundheit. Schokolade, die in der Hand nicht schmilzt, ist ebenso denkbar wie eine Pizza, die je nach Backtemperatur nach Pilzen oder Salami schmeckt. Nanotechnologie könnte aber auch dazu verwendet werLOOX.COM alkreu yling Iris K den, Fruchtdrinks mit zusätzlichen Vitaminen oder Milchgetränke mit Kalzium anzureichern, ohne dass die Vitamine zerfallen oder das Kalzium Klumpen bildet. Auch im LebensmittelVerpackungsbereich eröffnet Nanotech eine Wunderwelt an Möglichkeiten. SO GELANGT DIE BOTSCHAFT IN DIE LEBENSMITTEL Damit die Milch ihre Farbe verändert oder die Pizza ihren Geschmack, müssen die Nanopartikel mit der Nanopartikel bestehen neuen „Botschaft“ in das Lebensmitaus höchstens ein paar Tausend Molekülen tel hinein transportiert werden. Dazu eines Stoffs. Bereits vor mehr als einem Jahrtaunutzt die Wissenschaft sogenannte send benutzen KunstNanocontainer. Die Mini-Kapseln handwerker Nanopartikel, um etwa Gefäße mit sind zwischen 20 und 100 Nanomeeiner glitzernden Schicht zu überziehen. ter klein und bestehen in der Regel aus Fettmolekülen. Darin können die Forscher die nanoskalig hergestellten Vitamine, Farbstoffe oder Aromen einschleusen. Die Nanocontainer setzen nach einem bestimmten Signal – Verderb der Milch, Ofentemperatur bei der Pizza – ihre Inhaltsstoffe frei. Aber warum Isabell Müller Diplom-Ökotrophologin LOOX-EXPERTE Für diesen Artiekl beschäftigte sich die selbstständige Redakteurin mit dem Essen der Zukunft. Ihre eigenen Ernährungspläne sind dagegen felsenfest im Hier und Jetzt verankert und finden sich auf LOOX.com/imueller LOOX.COM 3 // ERNÄHRUNG WISSEN ERNÄHRUNG // 4 WISSEN haben gerade diese Winzlinge solch phänomenale Eigenschaften? Dr. Ralf Greiner, Leiter des Instituts für Lebensmittel- und Bioverfahrenstechnik am MaxRubner-Institut: „Die Reaktivität von Nanopartikeln ist aufgrund der sehr großen Oberfläche im Allgemeinen größer als von makroskaligen Partikeln.“ Die Atome an der Oberfläche haben eine starke Neigung, ihre Bindungsmöglichkeiten zu nutzen, sie wollen mit anderen Stoffen reagieren. „Es gibt jedoch Möglichkeiten, Nanopartikel zu stabilisieren und ihre Reaktionsfreudigkeit herabzusetzen“, erläutert Dr. Greiner. Manche Nanopartikel müssen zum Beispiel unter Schutzgas aufbewahrt werden, sie würden an der Luft sonst sofort verbrennen. FUNCTIONAL FOOD VERSUS NANOFOOD DEFINITION FUNCTIONAL FOOD Functional Food oder funktionelle Lebensmittel versprechen einen Zusatznutzen – sie sollen das körperliche und seelische Wohlbefinden fördern. DEFINITION NANOFOOD Unter Nanofood werden Lebensmittel zusammengefasst, die mithilfe von Nanopartikeln in ihrem Geschmack, ihrem Geruch, ihrer Farbigkeit oder ihrer Konsistenz verändert wurden. Auch eine Auswirkung auf Haltbarkeit und gesundheitliche Wirkung ist möglich. AUS UNGESUND MACH GESUND Mithilfe dieser Anreicherung wird es möglich sein, den Design-Lebensmitteln eine ganz neue Charakteristik zu geben. Waren Pommes frites und Schokokekse bislang gesundheitsschädliche Dickmacher, könnten ihnen in Zukunft Nanokapseln mit positiver medizinischer Wirkung eingesetzt werden. Gleichzeitig könnten Zucker und Fett im Junkfood durch andere Inhaltsstoffe ersetzt so verändert werden, dass sie vom Körper nicht aufgenommen werden. Diesen Ef- ESSEN WIRNDE BALD GESURITES? POMMES F fekt machen sich heute zum Teil schon Diät-Produkte zunutze. Dr. Greiner glaubt vor allem an einen gezielten Einsatz der neuen Technik: „Die Nanotechnologie könnte als eine Art Werkzeugkiste angesehen werden, mit deren Hilfe Lebensmittel qualitativ und sensorisch verbessert werden können.“ LOOX.COM Fotos: Fotos: LEBENSMITTEL MIT EXTRA-BENEFIT Während Nanotechnologie vor allem im Lebensmittelbereich noch in den Kinderschuhen steckt, ist sogenanntes Functional Food in den Supermärkten bereits seit einigen Jahren erhältlich. Diesen funktionellen Lebensmitteln sind bestimmte Zusatzstoffe wie Vitamine, Spurenelemente oder ungesättigte Fettsäuren zugefügt, die sie gesünder machen sollen. Joghurts mit dem Zusatz „probiotisch“, Fruchtsäfte, die mit den Vitaminen A, C und E angereichert sind. Functional Food spricht gezielt eine Gesellschaft an, die fitness-, wellness- und gesundheitsaffin ist und dazu noch im- mer älter wird. Nanofood ist die Weiterentwicklung dieses Trends. Wo Functional Food aufhört, fängt Nanofood an. Die großen Lebensmittelkonzerne wie Kraft Foods, Unilever oder Nestlé versprechen sich von den neuen Technologien satte Gewinne. Der weltweite Umsatz beträgt allein im Functional-Food-Segment laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI 60 Milliarden Euro, davon entfallen circa 20 Milliarden Euro allein auf Europa. Und die Prognosen gehen davon aus, dass der Markt ein großes Wachstumspotenzial hat. Der gesundheitliche Mehrwert ist bei vielen Functional-Food-Produkten zwar wissenschaftlich nicht belegt, sicher ist jedoch, dass solche Lebensmittel sich mit einer geschickten Gesundheits-Werbebotschaft teuer verkaufen lassen. Viele Lebensmittelproduzenten geben allerdings an, im Bereich Nanotechnologie nicht zu forschen. „Nestlé verfolgt die Diskussion um Nanotechnologie aufmerksam, ist jedoch aktuell nicht in diesem Bereich aktiv“, sagt Alexander Antonoff, stellvertretender Unternehmenssprecher von Nestlé auf LOOX-Anfrage. Doch Nanofood-Expertin Patricia Cameron vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland weiß: „Lebensmittel mit Nanomaterialien sind in Deutschland schon erhältlich. So etwa in Fertig­suppen, Puderzucker, Kaffeeweißer oder bei Salz, wo sie als Rieselhilfe eingesetzt werden. Weltweit gibt es schätzungsweise über 600 Nano-Lebensmittel auf dem Markt.“ Vermutlich möchten die Hersteller ihre Forschungen noch im Verborgenen halten. Doch lassen manche Aktivitäten durchaus darauf schließen, dass sehr wohl daran gearbeitet wird. So hat sich der US-Konzern Mars Inc. das Patent auf „essbare RADIKALE FOOD-TRENDS Ultra Convenience Food Depot-Lebensmittel, die für eine ganze Woche satt machen Taste, Mood & Mind Food Lebensmittel werden im Labor so manipuliert, dass sie gezielt Einflüsse auf unsere Sinne haben (zum Beispiel die semireale Erfahrung eines Tauchgangs beim Verzehr einer „Mind Dive Suppe“) Health Food Das Medikament unter den Nahrungsmitteln kann chronische Erkrankungen lindern Enhancement Food Nahrungsmittel die der Verbesserung der Schönheit und Leistungsfähigkeit dienen sollen (zum Beispiel „BotoxGurke“ oder „Anti-Aging-Steak“) Immortal Food Lebensmittel mit unbegrenzter Haltbarkeit LOOX.COM 5 // ERNÄHRUNG WISSEN Produkte mit anorganischen Beschichtungen“ gesichert. Das in den Beschichtungen enthaltene NanoTitandioxid verhindert, dass Schokolade einen mattgrauen Schleier bekommt, wenn sie lange offen liegen bleibt oder warm wird. Nano-Lebensmittel gibt es schätzungsweise weltweit. Tendenz steigend, denn der Markt entwickelt sich rasant schnell und in anderen Ländern kommt die Nanotechnologie noch stärker zum Einsatz als in Deutschland. LOOX.COM KLEIN UND GEMEIN? Der Einsatz von nanoskaligen Partikeln in Lebensmitteln ist jedoch nicht unumstritten. Das erwähnte Titandioxid löste nach einer zweijährigen Verabreichung bei Ratten Lungenkrebs aus. Schwangere Mäuse, denen Titandioxid in Nanogröße verabreicht wurde, gebaren männliche Nachkommen mit Schädigungen am Nervensystem und an den Geschlechtsorganen. Ob auch Gefahren für den Menschen bestehen, ist bisher nicht ausreichend erforscht. Wissenschaftlich erwiesen ist aber, dass Stoffe in Nanoform andere Eigenschaften haben als in ihrer herkömmlichen Größe. So könnte ein Stoff, der eigentlich harmlos ist, in der Kleinstgröße giftig wirken. Das Bundesinstitut für Risikobewertung und das Umweltbundesamt „sind der Ansicht, dass trotz der noch bestehenden Unsicherheiten die Befunde zum krebsauslösenden Potenzial einiger Nanomaterialien ernst zu nehmen sind.“ Auch stellt sich die Frage nach dem Verbleib der Nanoteilchen im Körper. Patricia Cameron weiß: „ Nanomaterialien gelangen über die Nahrung in den Magen-Darm-Trakt und hierüber weiter in den Blutkreislauf. Von dort können sie in Organe vordringen. Auch körpereigene Barrieren wie die Blut-Hirn- oder die Plazenta-Schranke bieten keinen Schutz vor den Kleinststoffen. Dass die Teilchen im ganzen Körper bewegen, ist schon nachgewiesen.“ Noch ist für den Verbraucher nicht zu erkennen, ob die Produkte im Supermarkt Nanopartikel enthalten. Doch dies wird sich ändern. Ab Herbst 2014 müssen entsprechende Lebensmittel gekennzeichnet werden. Das EU-Parlament beschloss dies Mitte letzten Jahres. „Wenn ab Herbst 2014 auf Verpackungen die Bezeichnung ,nano’ steht, können Verbraucher endlich selbst entscheiden, ob sie Lebensmittel, die Nanoteilchen enthalten, kaufen wollen oder nicht“, sagt Patricia Cameron. „Das EU-Parlament hat erneut einen wichtigen Schritt zu mehr Transparenz und Verbraucherschutz im Lebensmittelbereich getan“, so Cameron weiter. Auch Dr. Greiner bewertet die Verordnung als guten Anfang: „Es sind aber noch viele weitere Fragen, unter anderem zur Definition von Nanopartikeln und deren Nachweis in Lebensmitteln, zu klären.“ Vielleicht hat die Wissenschaft bis dahin auch herausgefunden, ob Nanofood Fluch oder Segen ist.