18.11.2012 Die Verkündigung vom Reich Gottes und die Ethik Jesu S. 74 - 93 WS 2012/13 STh Dogmatik 2 / Doris Strahm Vorlesung 5 / 1 Die Tora: Grundlage der Ethik Jesu (S. 74-77) Tora: hebr. Weisung → Wegweisung, "Gesetz" Gottes, das ein gelingendes Leben ermöglicht Trad. Jesusbild → Jesus = Überwinder jüdischer Gesetzlichkeit Neue Forschungen: ethische Verkündigung Jesu = Auslegung, Vertiefung und Weiterentwicklung der Tora Tora zur Zeit Jesu keine feste Grösse: - verschiedene Tora-Deutungen - Debatten um die richtigen Auslegungen (z.B. Sabbat) WS 2012/13 STh Dogmatik 2 / Doris Strahm Vorlesung 5 / 2 Liebesgebot: Zentrum der Ethik Jesu (S. 77f.) Mk 12,29-31: Höchstes Gebot für Jesus = Gebot der Gottes- und der Nächstenliebe Nicht Proprium des Christentums → Jesus fasst mit Doppelgebot jüdische Traditionen zusammen: Dtn 6,4 und Lev 19,18 Neu: Ausweitung im Horizont der anbrechenden Gottesherrschaft auf Fremde (Lk 10,25-32), "Sünder" (Lk 7,31-35; Mt 11,16-19) und Feinde (Mt 5,38-48) WS 2012/13 STh Dogmatik 2 / Doris Strahm Vorlesung 5 / 3 1 18.11.2012 Jesu Auslegung der Tora (S. 78-84) Rahmen seiner Tora-Auslegung: Überzeugung von der bereits angebrochenen Königsherrschaft Gottes Jesus hat Tora nicht aufgehoben, sondern in einigen Fällen neu interpretiert In halachische Diskussionen über die richtige Auslegung der Tora eingegriffen, wie sie damals von den Pharisäern geführt wurden WS 2012/13 STh Dogmatik 2 / Doris Strahm Vorlesung 5 / 4 Jesu Auslegung der Tora (S. 78-84) Verbindung von Normverschärfungen und Normentschärfung: Jesus entschärft einige Tora-Normen, andere verschärft er → aber keine Ablehnung der Tora Entschärfung von Normen: - Sabbatgebot (Mk 2,23-28; 3,1-6 u.a.) - Zehntgebot (Mt 23,23) - Opfergebot (Mt 5,23f.) - Reinheitsgebot (Mk 7,15; Mt 23,25f.) - Elterngebot (Mt 8,21f. / Lk 9,59f.) WS 2012/13 STh Dogmatik 2 / Doris Strahm Vorlesung 5 / 5 Jesu Auslegung der Tora (S. 78-84) Verschärfung von Normen: - erstes Gebot (Mt 6,24/Lk 16,13) - Verbot des Tötens (Mt 5,21f.) - Verbot des Ehebruchs (Mt 5,27f.) - Verbot der Scheidung/Wiederheitrat (Mk 10,11f.) 10 11f ) - Gebot der Nächstenliebe (Mk 12,28-34 u.a.) Nebeneinander von verschärfenden und entschärfenden Auslegungen → Massstab der Tora-Auslegung Jesu ist beginnende Gottesherrschaft und Gottes radikale Barmherzigkeit WS 2012/13 STh Dogmatik 2 / Doris Strahm Vorlesung 5 / 6 2 18.11.2012 Bergpredigt: Das ethische Programm des christlichen Glaubens (S. 84-93) Zusammenfassung der ethischen Verkündigung Jesu Jesus-Worte von Matthäus zu einer grossen Redekomposition zusammengestellt → Lehre der rechten Lebenspraxis für seine Gemeinde Verschiedene Auslegungen in der Kirchengeschichte WS 2012/13 STh Dogmatik 2 / Doris Strahm Vorlesung 5 / 7 Bergpredigt: Das ethische Programm des christlichen Glaubens (S. 84-93) Text der Bergpredigt: Matthäus 5,1–7,29 Bezeichnung "Bergpredigt" stammt von Augustinus: "die Predigt des Herrn auf dem Berg" B Begriff iff "Gerechtigkeit" "G hti k it" zentral t l → "Rede "R d von d der Gerechtigkeit des Himmelreichs" (Ulrich Luz) Komposition von einzelnen Aphorismen und Sprüchen; kleine unabhängige Einheiten WS 2012/13 STh Dogmatik 2 / Doris Strahm Vorlesung 5 / 8 Bergpredigt: Das ethische Programm des christlichen Glaubens (S. 84-93) Mt 5,17‐20 Absichtserklärung des Matthäus Mt 5,3‐12 Mt 5,21‐48 Mt 6,2‐16 Schatz Mt 6,25‐34 Antithesen Almosen Beten Fasten Auge Sorgen Salz Seligprei‐ sungen Licht WS 2012/13 STh Dogmatik 2 / Doris Strahm Zwei Herren Vorlesung 5 / 9 3 18.11.2012 Bergpredigt: Das ethische Programm des christlichen Glaubens (S. 84-93) Mt 7,1‐5: Nicht richten Mt 7,7‐11: Die Güte des Vaters Mt 7,12: Die goldene Regel Mt7,15‐20: Baum und Früchte Mt 7,13‐14: Die enge Pforte Mt 7,21‐23: Bekenntnis und Tun Mt 7,23: Die Parusie Mt 7,24‐27: Die beiden Häuser WS 2012/13 STh Dogmatik 2 / Doris Strahm Vorlesung 5 / 10 Bergpredigt: Das ethische Programm des christlichen Glaubens (S. 84-93) Theologische Botschaft der Bergpredigt 1 Seligpreisungen (Mt 5,3-16): Einladung und Verheissung an die Armen, Hungernden und Weinenden; ihnen wird das Glück/Heil verheissen 2 Programmatische Erklärung (Mt 5,17–20): Nicht gekommen, die Tora und prophetischen Schriften ausser Kraft zu setzen, sondern gekommen sie zu erfüllen" → Antithesen (Mt 5,21–48): Tora wird von Jesus neu ausgelegt 3 Abschluss der Rede (Mt 7,13-27): ZuhörerInnen sollen sich der Rede entsprechend verhalten WS 2012/13 STh Dogmatik 2 / Doris Strahm Vorlesung 5 / 11 Bergpredigt: Das ethische Programm des christlichen Glaubens (S. 84-93) Theologische und kirchliche Auslegungstypen der Bergpredigt Umstritten: Wie ist die Bergpredigt zu verstehen: ethisch, politisch oder spirituell? Radikale Auslegung der Bergpredigt: Gebote sind erfüllbar (frühe Kirche vor Konstantin und frühes Mönchtum, mittelalterliche Armutsbewegungen; Gruppen wie die Waldenser, Franziskaner und Katharer, Täufer und die frühen Methodisten) WS 2012/13 STh Dogmatik 2 / Doris Strahm Vorlesung 5 / 12 4 18.11.2012 Bergpredigt: Das ethische Programm des christlichen Glaubens (S. 84-93) Mittelalterliche (kath.) Zwei-Stufen-Ethik: Unterscheidung von "praecepta" (Geboten) für alle, und "consilia evangelica" (Räten) nur für das Mönchtum Unerfüllbarkeit der Bergpredigt und Spiritualisierung: "Zwei-Reiche-Lehre" (Luther) und Rückzug auf rechte "Gesinnung" Politisch-soziale Auslegung der Bergpredigt: Forderungen für das soziale und politische Handeln (z.B. religiöse Sozialisten; Friedensbewegungen etc.) WS 2012/13 STh Dogmatik 2 / Doris Strahm Vorlesung 5 / 13 Die Bergpredigt – ein Herrschaftsinstrument? (Exkurs S. 92-93) Für wen gelten die Gebote: für die Mächtigen oder die Machtlosen? Bergpredigt häufig als Gehorsamsethik für die Machtlosen missbraucht Texte androzentrisch formuliert: im damaligen Kontext an Männer gerichtet (vgl. Männer- und Frauenrollen) Bergpredigt mit Genderblick gelesen: Vision vom Ende patriarchaler Macht WS 2012/13 STh Dogmatik 2 / Doris Strahm Vorlesung 5 / 14 5