25 Mag. Ewald Cerwenka Sprachtheorie: Morphologie 1. Begriffsbestimmung Wir unterscheiden zwischen Wort-, Satz- und Textgrammatik. Wortgrammatik: Sie beschäftigt sich mit den Besonderheiten der Wortarten, ihren Wortformen, Flexion, den bedeutungstragenden und bedeutungsbestimmenden Wortbausteinen, auch mit der Wortbildung: Daher auch die Bezeichnung Morphologie! Ein Morphem ist die kleinste bedeutungs- oder funktionstragende Einheit der Sprache. Es kann als der kleinste semantisch interpretierbare Bestandteil eines Wortes. Es handelt sich um abstrakte Einheiten, die Segmentation (konstanten Sprachstrom in einzelne Wörter unterteilt) gewonnen werden. Morpheme werden lautlich als Phonemfolgen, schriftlich als Graphemfolgen realisiert. Man unterscheidet die Morpheme nach ihrer Stellung im Satz in freie und gebundene Morpheme, und nach ihrer Funktion in lexikalische und grammatische Morpheme. Ein freies Morphem kann als eigenes Wort selbständig in einem Satz stehen, ein gebundenes Morphem ist immer an ein freies gebunden und kann nicht als Wort fungieren. lexikalisch (mit Bedeutung) grammatisch (ohne eigene Bedeutung) grammatisch: I. unikal (Him-, Lor-) II. derivativ (-keit, ung, -erei,…) III. flexiv (-t, -n,…) frei Schrank, Mensch, Liebe der, in, aber gebunden Himbeere, Lorbeer Heiterkeit, Senkung spaziert I. spez. Kombination II. ändern die Wortklasse III. dienen der Flexion Satzgrammatik: Beschäftigt sich mit den Satzarten, dem Bau und der Gestaltung von Sätzen (Syntax). Textgrammatik: Textsortenadäquate Gestaltung eines Ganztextes, Herstellen eines Sinnzusammenhanges, Verknüpfung von Sätzen. 2. Grammatik im Daf-Unterricht Grammatikdrill? Man beherrscht wohl die Grammatik, aber konkrete Sprachverwendung in bestimmten Kommunikationssituationen fällt schwer. Die Angst (das Wissen!) um Grammatikfehler hemmt die Sprechlust. Schneller kommunikativer Erfolg im DaZ, wenn der Grammatikunterricht zurücktritt. Der Lerner kann seine Inhalte transportieren, macht aber viele Fehler: Gefahr der Fossilisierung, d. h. sich die Fehler einzuprägen und sie schwer loszuwerden. 3. Exkurs in die Sprachentypologie Nach Wilhelm von Humboldt gibt es vier Typen von Sprachen: Mag. Ewald Cerwenka 26 Sprachtheorie: Morphologie • den isolierenden Typus: Die Wörter sind kaum veränderbar, die Bezeichnung der Wörter wird durch die Wortstellung festgelegt, z. B. beim Chinesischen. • den agglutinierenden Typus: den unveränderlichen Wörtern werden Nachsilben „angeklebt“ (lat. agglutinare), die die Beziehung der Wörter zu einander im Satz ausdrücken, z. B. das Türkische • den flektierenden Typus: Die Beziehung der Wörter zu einander wird durch die Nachsilben zum Ausdruck gebracht, z. B. das Griechische, das Lateinische, Französische oder Deutsche • den inkorporierenden Typus: Hier nimmt ein Wort eine ganze Reihe von anderen Gliedern nach festem Plan in sich auf, so dass kompliziert zusammen gesetzte Satzteile oder sogar Sätze aus nur einem Wort entstehen, z. B. Indianersprachen, Eskimosprachen. Diese Typologie beruht auf starker Vereinfachung! 4. Sprachenfamilien (weltweit 7000 sprachen in weniger als 200 Staaten!) Die beiden größten Sprachenfamilien sind das Tibeto-Chinesische und das Indoeuropäische. Sie werden jeweils von einem Viertel der Weltbevölkerung gesprochen. Weitere Sprachgruppierungen sind uralische Sprachen (Finnisch, Magyarisch, Estnisch, Lappisch, Ugrisch, Samojedisch) altaische Sprachen (Turksprachen, Mongolisch) hamitisch-semitische Sprachen (Arabisch, Hebräisch) Sudan – Guinea – Sprachen (Haussa, Pulah, Wule, Mantu) Bantu-Sprachen Inuit-Sprachen (Sprachen der Eskimo) Indianer-Sprachen Australische Sprachen Zu den indoeuropäischen Sprachen gehören: Indoiranische Sprachen: Indien: Hindi, Bengali, Urdu; Iran: Farsi; Afghanistan: Paschtu; Kurdisch; Roma und Sinti; ausgestorben: Sanskrit) Griechisch: Altgriechisch, Neugriechisch aus koinè Mag. Ewald Cerwenka 27 Sprachtheorie: Morphologie Italische Sprachen: Latein; aus Vulgärlatein/ der lateinischen Volkssprache entwickeln sich die roman.Sprachen: Italienisch, Spanisch (Kastilisch, Katalanisch, Galizisch), Portugiesisch, Französisch, Okzidanisch, Rumänisch, Rätoromanisch, Ladinisch u. a. Keltische Sprachen: Gallisch war zur Zeit der Völkerwanderung über einen Großteil Europas verbreitet, bis es von germanischen und romanischen Sprachen verdrängt wurde. In Irland, Wales, Bretagne gibt es noch etwa 2-3 Mill. Keltischsprechende Baltische Sprachen: Lettisch, Litauisch. ausgestorben: Preußisch Slawische Sprachen: Russisch (=Ostslawisch), Polnisch, Slowakisch, Tschechisch (=Westslawisch), Serbokroatisch, Slowenisch, Bulgarisch (=Südslawisch) Germanische Sprachen: Englisch, Deutsch, Niederländisch, Afrikaans, Friesisch, Dänisch, Schwedisch, Norwegisch, Färöisch, Isländisch Weitere indoeuropäische Sprachen: Albanisch, Armenisch und einige ausgestorbene Sprachen wie Hethitisch, Ilyrisch, Tocharisch, Thrakisch, Phrygisch. Die nicht indoeuropäischen Sprachen in Europa (ausgenommen die Migrationssprachen) Finnisch, Ungarisch, Estnisch, Sami (Sprache derLappen), Türkisch, Baskisch 5. Das Morphem als Wortbaustein Deutsch ist schwer Deutsch ist schwer. Das kann ich beweisen, bitte sehr! Herr Maus heißt zum Beispiel Mäuserich. Herr Laus aber keineswegs Läuserich. Herr Ziege heißt Bock, aber Herr Fliege nicht Flock. Frau Hahn heißt Henne, aber Frau Schwan nicht Schwenne. Frau Pferd heißt Stute, Frau Truthahn Pute, und vom Schwein die Frau heißt Sau. Und die Kleinen sind Ferkel. Ob ich mir das merkel? Und Herr Kuh ist gar ein doppelt Tier, heißt Ochs oder Stier, und alle zusammen sind Rinder. Aber die Kinder sind Kälber! Na, bitte sehr, sagt doch selber: Ist Deutsch nicht schwer? (Mira Lobe, AUS. Sprachbastelbuch, Wien 22005) Manches lässt sich durch die Nachsilbe ableiten und manches nicht! Morpheme sind die einer Sprache fest verankerten Wortbestandteile, die – wie gesagt – 28 Mag. Ewald Cerwenka Sprachtheorie: Morphologie bedeutungstragend bzw. bedeutungsbestimmend sind. Die meisten Wörter im Deutschen sind keine einfachen Wörter (wie groß, klein), sondern Wortbildungen: • Zusammenensetzungen (Mittag-essen) • Ableitungen mittels Präfixen und Suffixen (Ge-fahr, be-stimmen, End-ung, end-lich, ge-fähr-lich) Abkürzungs- und Kurzwörter (PADL, PH, z. B.) • Morpheme erbringen neben der semantischen Morpheme bestimmen die auch eine Morpheme bestimmen die Wortart Bedeutung (=Stammmorphem/ Wortstamm) grammatische Leistung und die Flexionsformen (= wortbildendes u. grammatisches Morphem) an deut en deut en (Infinitiv, 1./3. Pers. Pl. Präsens) ver deut lich en deut end (Part. I) An deut ung ge deut et (Part. II) Be deut ung deut est (2. Pers. Sg. Präsens) Deut er deut lich (Adjektiv) ein deut ig Deut ung en (Nomen; 1.-4.Fall Plural) Folgende Wortbildungselemente (Sprachsilben/ Morpheme) stehen zur Verfügung: Stammsilbe Bedeutung (Wortstämme als Einheiten des Lexikons = Lexeme) Präfix (Vorsilbe) Bedeutung, gedeutet, verdeutlichen Suffix (Nachsilbe) Bedeutung, deuten, deutlich, sechsfach, 6fach Grundwort andeuten, sechsjährig, 6-jährig, der 6-Jährige Bestimmungswort andeuten, Buchstabe, steinreich Umlaut er fährt, die Bäume, die Mütter, die Böden (=innere Flexion) Ablaut er fuhr, sie ging, wir blieben, ich kam, sie flogen (=innere Flexion) a) Zusammensetzungen Aus zwei oder mehreren selbstständig vorkommenden Wörtern entsteht ein neues Wort: 29 Mag. Ewald Cerwenka Sprachtheorie: Morphologie Straße + Bahn Straßenbahn aus + gehen ausgehen vor + laut vorlaut Teil + nehmen teilnehmen blau + Säure Blausäure Bus + halten + Stelle Bushaltestelle Gras + grün grasgrün Telefon + neben + Stelle Telefonnebenstelle Der erste Bestandteil ist das Bestimmungswort, der zweite das Grundwort. Nur das das zweite Wort wird abgewandelt. Es bestimmt auch die Wortart der Komposition, meist ist es ein Substantiv (Schiff-fahrt). Fugenelemente wie das Fugenzeichen –s- haben keine syntaktische Beziehungsfunktion (=erstarrte Flexionsendungen, z. B. auch Storchennest, Sonnenschein). Sie zeigen nur die Grenze zwischen den Kompositionsteilen an (Wohnbauförderungsgesetz). Außerdem können sie die Aussprache erleichtern: Volk + Schule Volksschule Land + Kunde Landeskunde Halle + Bad Hallenbad Tanne + Baum Tannenbaum Hier werden regionale Konventionen geltend: Adventkranz (österr.) vs. Adventskranz (bundesdeutsch); Rinderbraten-Rindsbraten, Schweinebraten-Schweinsbraten, Pappedeckel-Pappendeckel (In Österreich ist das –sdurchaus beliebt. Gelenksschmerzen, Gepäcksaufbewahrung, Gesangsstunden, Spitalsaufenthalt, Zugsunglück) Ein Gedicht mit verschiedenen Fugenelementen: Der kleine Unterschied Das Bett der gebärenden Mutter ist ein Kindsbett Die Taufe des Kindes ist ein Kindstaufe Aber: Der Kopf des Kindes ist ein Kinderkopf. Hans Manz Das Verb als Grundwort Beim Gebrauch von Verbzusammensetzungen können sich einige Schwierigkeiten ergeben, da es trennbare und untrennbare Zusammensetzungen gibt, wenn das Verb das Grundwort darstellt: überbringen: Ich überbringe eine Botschaft. durchlesen: Ich lese den Text durch. vollenden: Er vollendete sein Werk. Ich gebe mein Geheimnis preis. 30 Mag. Ewald Cerwenka Sprachtheorie: Morphologie Ü Stellen Sie folgenden Text richtig! Bevor ich eine Wort spreche aus, ………………………………………….. nachdenke ich gründlich darüber. ………………………………………….. Mir soll laufen unter kein Fehler, ………………………………………….. damit ich nicht falle auf ………………………………………….. vor einem so erlesenen Publikum ………………………………………….. als unkundiger Trottel, ………………………………………….. der sich benimmt immer daneben. ………………………………………….. Ivan Tapia Bravo Ü Tragen Sie in die Tabelle die trennbaren Verben ein. Beachten Sie: Die unterstrichenen Wortbestandteile werden betont: bereithalten, fehlgehen, heimgehen, langweilen, durchbrechen, überfallen, feilbieten, frohlocken, schwarzarbeiten, abändern, teilhaben, wiederholen, umfahren, unterstellen, totschlagen, fehlschlagen, umfallen, umfahren, liebkosen, brandschatzen, vollbringen, gutschreiben, kundtun, wetteifern, angeben, übersetzen, anschauen, freisprechen, vollenden, preisgeben, stattfinden, bloßstellen, widersprechen, zuvorkommen, standhalten, ausgehen Zusammensetzung mit Nomen Zusammensetzung mit Adjektiv Zusammensetzung mit Partikel Welche untrennbaren Verben sind in der Liste enthalten? ………………………………………………………………………………………………….. ………………………………………………………………………………………………….. Neue Rechtschreibung: Wann gibt es Zusammensetzungen? Hier wird wieder durch die Reform wieder manches geändert ( Orthografie) Ü Bilden Sie zu aussprechen den Infinitiv mit „zu“ ………………………………………………….. 31 Mag. Ewald Cerwenka das zweite Partizip Sprachtheorie: Morphologie ………………………………………………….. Bilden Sie zu unterlaufen den Infinitiv mit „zu“ ………………………………………………….. das zweite Partizip ………………………………………………….. Welche Regel lässt sich für den Infinitiv mit zu und das Part. II ableiten? Bei trennbaren Verbzusammensetzungen werden sowohl die Partikel zu als auch das Präfix ge- zu festen Wortbestandteilen zwischen Grundwort und Bestimmungswort. Bei untrennbaren Verbzusammensetzungen .. …………………………………………… ……..…………………………………………………………………………….……….. Die Personalform trennbarer Verben im Kernsatz: Er spricht das Wort richtig aus. Trennbare Verbzusammensetzungen bilden im Kernsatz eine Satzklammer zwischen Personalform und Verbzusatz. Man spricht von einem zweiteiligen Prädikat. b) Kurzformen Abkürzungen (Bd., u. Ä., z. B.): werden geschrieben (Schreiberleichterung), oft aber als ganzes Wort/ ganze Wörter gesprochen. Es gibt einige Abkürzungen in der Schrift: z. B. für zum Beispiel, d. h. für das heißt, usw. für und so weiter. usw., bzw., u.a., u. Ä., o. Ä., Nr., S., sog. = so gen. mit Punkt! m, km, kg, k, g, cm, … (internationale Maßangaben) kein Punkt! Es gibt vier Muster für die Bildung von Abkürzungen/Abkürzungswörtern: 1. Schreibsymbole/ Abk.: Die Verkürzung eines Wortes auf einen Wortteil oder wichtige Buchstaben:, Adv. (Adverb), lat. (lateinisch), trans. (transitiv), röm.-kath. (römisch-katholisch),… 2. Initialwörter/Buchstabenwörter: Wörter aus Anfangsbuchstaben: die SPÖ, die ÖVP, der ÖAMTC (Österreichischer Automobil und Touring Club), das ABGB (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch), die KAB (Katholische Arbeitnehmer Bewegung), die UNO… (mit Buchstabennamen gesprochen: LKW oder mit Lautwert: Ufo), EKG. ÖRK, 3. Silbenwörter: = Wörter aus Silben: Kripo (für Kriminalpolizei), Persil (für Perborat + Silikat), Stasi (Staatssicherheitsdienst), Lavamat (=lavare + Automat), Mo(tor)fa(hrrad), 4. Kurzformen aus Wortteilen: Auto(mobil), Lok(omotive), Foto(grafie), Kino(matograph), Klo(sett), (Omni)Bus; z. B. erster 1.Teil auf Anfangssilbe (Ökosystem); E(ltern)KI(nd)Z(entrum) Aküsprache!! Nur die Wörter von 1) werden im Kopf und beim lauten Vorlesen in der vollen Form des betreffenden Wortes wiederhergestellt – 2), 3) und 4) nicht! Mag. Ewald Cerwenka 32 Sprachtheorie: Morphologie c) Ableitungen ver – richt –en bedeutungsbestimmendes bedeutungstragendes Morphem bedeutungsbestimmendes unselbstständiges Element Wortstamm Flexionsmorphem Bei einer Ableitung verbindet sich ein bedeutungstragendes Morphem mit einem bedeutungsbestimmenden, d.h. an ein Stammmorphem wird ein unselbstständiges Element hinzugefügt, das für die Bedeutung ausschlaggebend ist. 1. mit Präfixen Verben mit Präfixen Präfix Beispiele Gegensatz möglich durch erer-leben, er-fassen, er-arbeiten… ververver-leben, ver-trauen, ver-stehen… er-, miss-, ent-, aufzerzer-reden, zer-reißen, zer-teilen… entent-stellen, ent-setzen, ent-lüften, enthüllen… ver-, bemissmiss-achten, miss-fallen, miss-handeln… bebe-achten, be-fallen, be-handeln, be-kleiden… ent-, ausgege-fallen, ge-lingen, ge-hören… Durch die Präfigierung ändert sich die lexikalische Bedeutung eines Verbs1, aber oft auch die syntaktische und semantische Kombinierbarkeit, z. B. mit jemanden über etwas sprechen – etwas besprechen – sich/jemandem etwas versprechen… Nomen mit Präfixen Präfix Beispiele (Ur-, Miss-, Ge-) UnUn-ruhe, Un-glück, Un-ordnung... 2. mit Suffixen von Nomen abgeleitete Nomen (=denominale Nomen) Suffix -chen Beispiele (-in, -er, -lein…) Kleid-chen, Löffel-chen, Bild-chen… von Verben abgeleitete Nomen Suffix -ung Beispiele (-er,…) Stell-ung, Rechn-ung, Verbesser-ung… von Adjektiven abgeleitete Nomen Suffix -heit Beispiele (-keit, -igkeit, -e…) Sicher-heit, Schön-heit, Dunkel-heit... von Adjektiven abgeleitete Adjektive Suffix -lich 1 Beispiele kränk-lich, bläu-lich, zärt-lich, klein-lich, ärm-lich Die semantische Modifikation kann eine zeitliche Differenzierung bringen (Aktionsart des Verbs), eine räumliche (mit Präpositionen = Halbpräfixen) oder andere (reversible/rückgängige Handlungen z.B.: sicherentsichern… Mag. Ewald Cerwenka 33 Sprachtheorie: Morphologie von Verben abgeleitete Adjektive Suffix -bar Beispiele (-lich,…) brauch-bar, ersetz-bar, dehn-bar von Nomen abgeleitete Adjektive Suffix -lich Beispiele (-isch, -ig, -los…) jähr-lich, zeit-lich, mütter-lich, freund-lich... von Verben abgeleitete Verben Suffix -eln Beispiele läch-eln, hüst-eln, stich-eln (z. B. wiederholtes Tun ausdrückend) von Nomen abgeleitete Verben Suffix -ieren Beispiele lack-ieren, kontakt-ieren, prozess-ieren, telefon-ieren von Adjektiven abgeleitete Verben – Siehe c) Veränderung im Wortinneren Durch die Suffigierung entstehen vor allem Substantive und Adjektive und nur zu einem vielleicht zehnmal geringeren Anteil Verben. Demgegenüber kann sich kaum ein Verb völlig der Präfigierung entziehen. c) Veränderung im Wortinneren (innere Abwandlung) • Veränderung durch ABLAUT typisch ist für alle indoeuropäischen Sprachen, speziell bei den unregelmäßigen Verben: singen – sang – gesungen; laufen – lief – gelaufen, schreiben – schrieb –geschrieben… • Veränderung durch UMLAUT Hier werden a, o, u, au durch die Umlaute ä, ö, ü, äu ersetzt. Sprachgeschichtlich gesehen sind auch die Veränderungen von e zu i Umlaute (ich lese – du liest, ich gebe – du gibst…) Häufig sind die Umlaute mit Suffixen und/oder Präfixen kombiniert: mit Suffix Häus-chen, kränk-lich, läch-eln, Güt-e, stürm-isch… mit Präfix Ge-mäuer, Ge-büsch, Ge-wächs, Ge-spött mit beiden Ge-bir-ge, Ge-tös-e (Präfix + Umlaut + Ablaut: Gespräch) d) durch Konversion der Wortart (=grammatische Umsetzung) Wörter werden in einer anderen Rolle im Satz gebraucht. Die Wortbildung ist dabei (abgesehen von allenfalls vorhandenen Flexionsendungen, zum Beispiel Infinitivendung –en) formal nicht sichtbar. beweisen – der Beweis, blau – das Blau, rufen – der Ruf, welk – welken, Test – testen, locker – lockern, Hobel - hobeln Unter einer Wortfamilie2 versteht man die Gesamtheit der von einem Wortstamm abgeleiteten Wörter inklusive Zusammensetzungen (z.B.: Vorsicht, absichtlich, sichten…). Allen Wörtern liegt derselbe Wortstamm zugrunde (RS: Stammprinzip)n 2 Ein Wortfeld hingegen entsteht, wenn man Wörter einer Wortart sammelt, die alle etwas mehr oder weniger Ähnliches bedeuten: sehen, gucken, glotzen, starren,… 34 Mag. Ewald Cerwenka Sprachtheorie: Morphologie 6. Wortarten Mögliche Einteilungskriterien nach der Wortbildung: morphologische Gesichtspunkte Veränderbarkeit durch Flexion: formale Gesichtspunkte (veränderbar = Konjugation, Deklination, Steigerung/ Graduierung; unveränderbar = keine Flexion). Meist kommt man hier auf zehn Wortarten3: Wortarten veränderbar konjugierbar deklinierbar Verb Nomen unveränderbar graduierbar Pronomen Adjektiv Artikel Adverb Numeralia tlw. graduierbar tlw. deklinierbar Interjektion Präposition Konjunktion nach ihrer Herkunft: etymologische Gesichtspunkte (Lehnwörter, Fremdwort, Lehnübersetzung ) so etwa besonders nach ihrer Bedeutung: semantische Gesichtspunkte (Ausdrucksseite Bedeutungsseite) nach der Funktion im Satz: syntaktische (funktionale) Gesichtspunkte (bezeichnen, verweisen, verbinden, kommentieren) VERBEN Wörter, die konjugiert werden, nennt man Verben: Es gibt Verbformen, die nach Person und Zahl veränderlich sind, die Personalformen oder finiten Verbformen: ich lese du liest er/ sie/ es liest wir lesen ihr lest sie lesen NOMEN PRONOMEN Wörter, die dekliniert werden können und die ein festes Geschlecht haben, nennen wir Nomen. Wörter, die dekliniert werden können und die die Funktion von Begleitern oder Stellvertretern des Nomens haben, nennen wir Pronomen. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Nomen: Personal-, Possessiv-, Demonstrativ-, Relativ-, Interrogativ-, Indefinit-, Reziprok- Es gibt drei grammatische Geschlechter oder Genera (Einzahl: das Genus): Maskulinum: der Rand Femininum: die Wand Neutrum: das Land Indefinite Verbformen sind nicht in Person und Zahl veränderbar: Nomen stehen entweder im Singular oder im Plural: Infinitiv: lesen Singular: die Wand 3 ADJEKTIVE Wörter, die dekliniert werden können und in allen drei Geschlechtern vorkommen (Kongruenz mit Nomen in Zahl, Fall und Geschlecht), nennen wir Adjektive. ein neuer Tag eine neue Seite ein neues Buch Adjektive haben bei den Endungen zwei Formenreihen, die man als starke und schwache Deklinationsendungen bezeichnet, daneben PARTIKELN Wörter, die weder konjugiert noch dekliniert werden können, werden gerne unter Partikeln zusammengefasst: Oft werden sie aber auch nach ihrer Aufgabe im Satz in Untergruppen unterteilt. Daraus ergeben sich dann als eigene Wortarten: Präpositionen bestimmen den Fall der Wörter, bei denen sie stehen: ohne deine Hilfe mit einem Vorteil wegen eines Vorteils Konjunktionen verbinden Wörter, Wortgruppen und Teilsätze: Da die Kategorisierung der Wortarten schon die alten Griechen beschäftigte, liegen mehrere Bezeichnungen vor. Die wichtigsten deutschen Bezeichnungen sind: Tätigkeitswort, Hauptwort, Geschlechtswort, Eigenschaftswort, Umstandswort, Zahlwort, Ausrufewort, Verhältniswort, Bindewort 35 Mag. Ewald Cerwenka Partizip I: lesend Paritizip II: gelesen Personalformen sind nach der grammatischen Zeit, dem Tempus, veränderbar: ich lese ich las ich werde lesen ich habe gelesen ich hatte gelesen ich werde gelesen haben Kategorie: „PROZESS“ Plural: die Wände ARTIKEL Artikel gehören Nomen stehen immer in zum Nomen und einem der vier Kasus: gehen ihm Nominativ: der Rand voran. Oft ist Genitiv: des Randes Genus, Kasus Dativ: dem Rand und Numerus Akkusativ: den Rand eines Nomens besser an seinem (Nomen oder Artikel zu Substantive werden im erkennen als an Allgemeinen groß seiner Form geschrieben.) selbst. Artikel bereiten das Substantiv für die konkrete Verwendung vor: definiter/ bestimmter Artikel: das Buch indefiniter/ unbestimmter Artikel: ein Buch Die Funktion von Artikeln kann auch von bestimmten Pronomen übernommen werden. Kategorie: „GEGENSTAND“ Sprachtheorie: Morphologie gibt es auch die nicht deklinierte Form des Adjektivs: stark: ein neuer Tag schwach: der neue Tag nicht dekliniert: Das Buch ist neu. Viele Adjektive können Vergleichsformen bilden; diese Formenänderung nennt man Komparation: das neue Buch das neuere Buch das neueste Buch und, oder, aber, denn, dass, weil… Interjektionen stehen außerhalb von Sätzen: ja, nein, danke, bitte, hallo, ach, pfui … Alle übrigen Partikeln sind der Restgruppe der Adverbien zuzuordnen: oben, vorwärts, gratis, nicht, trotzdem, fast, deshalb, anders, dort, herunter, sehr, allzu… Das Buch ist neu. Das Buch ist neuer. Das Buch ist am neuesten. Kategorie: „MERKMAL“ Kategorie: „RELATION“ Es gibt innerhalb einer Wortartgruppe auch Elemente, für die nicht die vollständige Merkmalstruktur zutrifft, z. B. ist nicht jedes Adjektiv komparierbar (fertig, ledig, schwanger, beheimatet), nicht jedes Substantiv pluralfähig (Stoffnamen, Abstrakta, Eigennamen), nicht jedes Verb in allen drei Personen verwendbar. Es ist auch nicht jedes Adjektiv deklinierbar (rosa, futsch, quitt). Wenige Pronomen können etwa auch artikelfähig sein (der eine – der andere, die übrigen) oder sich eben nicht deklinieren lassen (man, nichts, etwas). Mag auch die Einteilung der Wörter die gewünschte allgemein gültige Einheitlichkeit vermissen lassen, so ist die Behandlung der Wortarten im Unterricht unentbehrlich im Hinblick auf die Untersuchung der Satzmuster und der grammatisch korrekten Formulierung von Aussagen überhaupt. Aber auch für die Vermittlung der orthografischen Regeln (G-/K-Schreibung) ist dies von Bedeutung. Unterstreichen Sie in folgendem Text die veränderbaren Wörter! Zu welcher Wortart gehören sie? Drei Maler erzählen von ihrer Arbeit. „Neulich“, sagt der eine, „habe ich ein kleines Holzbrett so täuschend ähnlich marmoriert, dass es später, als ich es in den Fluss warf, sofort unterging wie ein Stein. „Pah“, sagt der zweite, „gestern hängte ich ein Thermometer an meine Staffelei mit der Polarlandschaft. Das Quecksilber fiel sogleich auf vierzig Grad unter Null. „Das ist alles nichts“, bemerkt der dritte Maler, „mein ländliches Stillleben mit Kuh ist so wahr, dass ich es täglich melken muss.“ 6.1 Partikeln Unter dem Begriff Partikel (die Partikel: kleine Teilchen) werden (in einem weiten Begriffsfeld) alle jene Wörter zusammengefasst, die nicht gebeugt (dekliniert) werden. Mag. Ewald Cerwenka 36 Sprachtheorie: Morphologie Wir zählen dazu Präpositionen, Konjunktionen, Interjektionen, Adverbia. Die Numeralia oder Zahlwörter sind vielfach deklinierbar und werden daher gesondert bei den Adjektiven erläutert. Ü Unterstreichen Sie in folgendem Text die Partikeln: Am nächsten Tag, in der Schule, war Gretchen unausgeschlafen und kämpfte unentwegt gegen Gähnanfälle. In der großen Pause blieb Gretchen auf ihrem Platz. Sie hoffte auf eine Blick oder ein Zeichen von Florian. So geheim, dass er sie nicht einmal anschaute, fand Gretchen, musste die „geheime Liebe“ nun auch wieder nicht sein. Doch der Florian ging in der Pause mit dem Oti Horneck und ein paar anderen in den Hof hinunter. Als sie nach dem Läuten in die Klasse zurückkamen, grinsten sie alle unheimlich blöd. Der Vormittag ging zu Ende, ohne dass Florian das geringste Zeichen, den winzigsten Blick an Gretchen verschwendet hatte… „Ja, wer weint denn da?“, sagte der Herr Swoboda. „Wer wird denn weinen! So hör doch auf, bis du heiratest, ist alles wieder gut!“ Herr Swoboda schenkte Gretchen eine Papiertaschentuch und Gretchen schnäuzte Rotz und Tränen. 1. Unterteilung der Partikeln Die Partikeln lassen sich nach ihrer Funktion im Satz (syntaktische/ funktionale Gesichtspunkte) und ihrer Bedeutung (semantische Gesichtspunkte) näher bestimmen a) Nach syntaktischen Gesichtspunkten ergeben sich folgende Wortarten: *Konjunktionen (Bindewörter): verbinden Wörter, Sätze, Wortgruppen und Teilsätze *Präpositionen (Vorwörter): bestimmen den Fall eines Wortes, geben Verhältnisse an *Interjektionen (Ausrufewörter): stehen außerhalb von Sätzen, signalisieren Emotionalität Bsp.: Er bleibt abends gern sicherheitshalber daheim. das Haus rechts, oben links; ein stets hilfsbereiter Freund. b) Nach semantischen Kriterien lassen sich die Adverbien näher bestimmen, die in einem Satz inhaltliche Bezüge herstellen (Adverbien stellen oft eine Beziehung zum Verb her, stehen aber auch bei Substantiven, Adjektiven, Pronomen und auch bei anderen Adverbien. Gemeinsam ist ihnen allen, dass sie im Aussagesatz auch allein vor der finiten Verbform stehen können und mit einer Ergänzungsfrage erfragt werden können: *temporale: jetzt, zeitlebens, nun, oft, mittags, neulich, heute, samstags,… *lokale: hinten, nirgends, unten, hier, dort, links, rechts, vorne, hinten,… *modale: vergebens, umsonst, ebenfalls, blindlings, kurzerhand *kausale: deshalb, folglich, anstandshalber, trotzdem,… 2) Die Pronominaladverbien Diese Gruppe von Wörtern hat eindeutig einen Prowort-Charakter (Pronomen) und bezieht sich auf Vorhergenanntes bzw. Nachfolgendes. Da sie bestimmte Präpositionalgruppen und Sätze ersetzen bzw. auf sie verweisen, spielen sie eine besondere Rolle bei der Kohärenz (Satz- und Textverflechtung). 37 Mag. Ewald Cerwenka Sprachtheorie: Morphologie „Der Mensch hat Teil an der Idee des Menschen, nicht dadurch, dass der Erzieher den Zögling zu einem Abbild der Idee macht, sondern er ist dieser Teil immer schon.“ 3) Die Konjunktionen Nach ihrer Funktion und ihrer syntaktischen Wirkung unterscheidet man: - solche, die nebenordnen, die gleichrangige Teile verbinden, z.B. und: Franz mäht den Rasen (,) und Hans repariert das Radio. (Verbindung von Sätzen; RS: Beistrich hier optional!) Hans repariert das Radio und den Plattenspieler. (Verbindung von Satzgliedern) Hans, Franz, Christian und Uli spielen Fußball. (Verbindung von Wörtern, die hier zugleich Satzglieder sind) - solche, die unterordnen, die einen Gliedsatz (Nebensatz) in einen Hauptsatz einfügen, z.B. weil: Hans repariert den Plattenspieler, weil er ihn zu einer Geburtstagsparty mitnehmen will. (Verbindung von Satz mit Gliedsatz) A) Nebenordnende Konjunktionen adversativ (Gegenteil) alternativ (mehrere Möglichkeiten) kausal (Grund, Ursache) kopulativ (verbindend, an/reihend) modal (Begleitumstände) aber, doch... entweder … oder... denn, nämlich... auch, und ... aber, also, ja, nur.. Herauszuheben sind hier die Satzteilkonjunktionen: wie, als Er benimmt sich wie ein Flegel. Er ist größer als sein Bruder. Und die Infinitivkonjunktionen:: anstatt zu, ohne zu, um zu, zu Ich komme um mich zu verabschieden. B) Unterordnende Konjunktionen Die unterordnenden (subordinierenden) Konjunktionen schließen Gliedsätze an den Hauptsatz an. Man nennt diese Gliedsätze deshalb konjunktionale Gliedsätze. Ihrer Funktion nach sind sie Adverbialsätze (Sätze für Umstandsbestimmungen). Vgl. auch die unterschiedlichen Bedeutungen: adversativ final kausal konditional konsekutiv modal temporal (Gegensatz) (Ziel, (Grund) (Bedingung) (Folge) (Begleitumstände, (Zeit) Zweck) Art und Weise) während… damit... da, weil... falls, wenn... so dass... als, als ob, indem..., als, nachdem... 6.2 Die veränderbaren Wörter Das Pronomen Das Pronomen ist eine Wortart mit vielen Untergruppen. Wie ihr Name schon sagt, stehen Pronomen (Fürwörter) für das Nomen. Mag. Ewald Cerwenka 38 Sprachtheorie: Morphologie Die meisten Pronomen können auch ein Nomen näher bestimmen, ohne es dabei zu ersetzen (Irgendein Auto fährt um die Kurve. Seine Reifen quietschen) 1. Pronomen können also zwei Funktionen haben: Der Weg ist lang Thomas besucht Eva. Er besucht sie. (Ein Weg kann lang sein.) Thomas entschuldigt sich. Dieser Tag... Wer hat die Tante besucht? Welcher Tag... Jemand wird die Tante schon besuchen. Unser Tag... Thomas, der die Tante besucht. Jeder Tag... Da wird sich mancher freuen. Mancher Tag... Begleiter Stellvertreter Demonstrativpronomen, Interrogativpronomen, Possessivpronomen, Indefinitpronomen … Artikel Personalpronomen, Reflexivpronomen, Interrogativpronomen (Wer, Was), Indefinitpronomen, Relativpronomen Am Begleiter werden Numerus, Genus und Kasus des Nomens sichtbar. Der Begleiter muss nicht unmittelbar vor dem Nomen stehen: unsere hoch verehrte Frau Professor… 2. Bemerkungen zu den wichtigsten Pronomen a) Personalpronomen Die 1.Person steht für den Sprechenden: ich, wir Die 2. Person steht für den Angesprochenen: du, ihr Die 3. Person steht für alles, worüber man spricht: er, sie, es; sie Die dritte Person Plural dient zudem als Höflichkeitsform: Sie, Ihnen… Es nimmt eine Sonderstellung ein. Es kann neben Stellvertretung eines neutralen Substantivs auch ganze Sätze zusammenfassen, auch Prädikativ auch maskuline und feminine Substantive aufgreifen und vertreten (Paul ist der Chef hier und wird es auch bleiben). Es kann als Platzhalter (Vorläufer) eines Satzgliedes fungieren (Es herrscht eisige Kälte hier). Es kann auch rein formales, inhaltsleeres Subjekt bzw. Objekt sein (Er hat es nicht leicht. Es schneit) b) Reflexivpronomen (inkl. Reziprokpronomen) Es bildet nur in der 3. Person Sg./ Pl. eine eigene Form. Ansonst folgt es der Flexion der Personalpronomen. Reflexivpronomen treten nur im Dativ und Akkusativ auf: Die Mutter kämmt sich. c) Possessivpronomen historisch abgeleitet vom Genitiv des Personalpronomens. Es kann substantivisch und adjektivisch verwendet werden (Gib mir bitte deinen Stift! Meiner ist abhanden gekommen.) d) Demonstrativpronomen Demonstrativpronomen können entweder zurück oder voraus verweisen: Die Betroffenen alarmierten sofort die Rettung. Als diese wenig später eintraf… 39 Mag. Ewald Cerwenka Sprachtheorie: Morphologie e) Relativpronomen Hier sind zu nennen: der, die, das; welcher, welche, welches (seltener); wer, was f) Interrogativpronomen4 Wer fragt nach Personen, was nach Sachen. Das Flexionsparadigma bleibt unvollständig: Nom. wer was Gen. wessen wessen Dat. wem -Akk. wen was Die fehlende Dativform wird ugs. meist mit dem Akkusativ ersetzt: mit was, aus was, zu was. In der Standardsprache sind dafür die Pronominaladverbien vorgesehen: womit, woraus, wozu. g) Indefinitpronomen Darunter sind zu zählen: man, jeder, jemand, niemand, jedermann, ein jeglicher, mancher, etliche, alle, mehrere, keine, nichts, etwas, wenig, viel, genug, (irgend)ein Der Charakter der Unbestimmtheit kann bei manchen Vertretern dieser Untergruppe noch durch irgend verstärkt werden. Der Artikel Der Artikel gehört zur Gruppe der Begleiter oder Stellvertreter des Nomens, die sich in Numerus, Kasus und Genus ihrem Bezugswort anpassen (unser, dieses, kein, manch, solch, welcher…)5. Zwar machen sie nur einen kleinen Teil des Wortschatzes aus, sie werden aber sehr häufig verwendet (der, die, das sind die häufigsten Wörter überhaupt). Ein Wanderer kam einmal in einem großen Wald in den Bergen vom Weg ab und verirrte sich dermaßen, dass er schon dachte, er werde die Nacht im Freien verbringen müssen. Als es dunkelte, sah er aber glücklicherweise ein Licht. Er ging näher und kam zu einem Felsen, an dem ein Haus gebaut war, und zwar so, dass der Fels die Rückwand des Hauses bildete. Der Wanderer klopfte an, und ein alter Mann machte die Tür auf. Als ihm der Wanderer seine Lage erklärte, sagte der alte Mann... Der Artikel dient im Text zur Kennzeichnung von Bekanntheit und Unbekanntheit, darüber hinaus wird zum Ausdruck gebracht, ob das Nomen ein bestimmtes Exemplar der Gattung oder die Gattung überhaupt meint (individualisierend oder generalisierend). Alle drei Formen des Artikels können generalisierend verwendet werden (kontextabhängig). Es gibt den bestimmten Artikel: der, die, das und den unbestimmten Artikel: ein, eine, ein sowie den Nullartikel Der Artikel dient als Beziehungsmittel im Satz. Er ist entscheidend für die Beugung des Substantivs. Mit seiner Hilfe kann jede andere Wortart substantiviert werden (das Rot der Wangen, das Lesen, das Ich, das Wenn und da Aber) unbestimmter Artikel *Zeigt an, dass es sich um ein Nomen handelt, das auf etwas Unbestimmtes, bisher nicht Genanntes 4 bestimmter Artikel *Zeigt an, dass vor dem Nomen schon einmal die Rede war. Es ist bereits in diesem Zusammenhang Wo? Wann? Weshalb, ‚Warum? sind zwar auch Fragewörter, aber Interrogativadverbien. Aufgrund dieser funktionalen Gemeinsamkeit wird er in manchen Grammatiken gemeinsam mit den Pronomen zur Familie der Artikelwörter zusammengefasst. 5 40 Mag. Ewald Cerwenka verweist. *Das Substantiv meint eine Gattung (ein Haus, ein Skandal, eine Schande) - GENERALISIERUNG Sprachtheorie: Morphologie verwendet worden, es ist bekannt. *Er wird auch verwendet, wenn anzunehmen ist, dass sich das Nomen aus dem Zusammenhang erschließt und deshalb als bekannt angenommen werden kann. *Das Substantiv meint ein bestimmtes Exemplar der Gattung - meist BESTIMMTHEIT Kein Artikel (Ø) wird verwendet: 1. unbestimmten Artikel im Plural: Vor der Tür wartet ein Student / warten Studenten. 2. wenn es sich um Stoffbezeichnungen (nicht Zählbares) handelt: Glas ist zerbrechlich… Eisen kann man… 3. wenn etwas Ungegenständliches (=Abstraktum) bezeichnet wird: Glück und Glas, Freud und Leid…er hat Geduld, ihr fehlt es an Zuneigung… 4. bei Personennamen und einem Teil der geografischen Namen: Peter ist ein toller Schwimmer. Wo ist Thomas? Wir studieren in Linz (aber: die Schweiz, die Niederlande, die USA)6 5. bei Verwandtschaftsbezeichnungen: Tante Anna meint, Vater hat gesagt,… 6. in festen Wendungen: Abstand nehmen von etwas, in Vergessenheit geraten, Verdacht schöpfen, von Bedeutung sein… 7. in Schlagzeilen, Anzeigen, Sms…: Nach Dammbruch Altstadt unter Wasser 8. bei einer Berufsbezeichnung als Gleichsetzungsglied: Sie ist/ wird Lehrerin. Die Fragewörter Exkurs: Die Fragewörter im Überblick Fragepronomen (Interrogativpronomen) wer, was; welcher, welches, welches; was für eine/e/r Frageadverbien wo, wohin, woher, wann, wie, warum, weshalb… womit, wodurch, wofür, worüber, worauf, worin, wozu, woraus… Pronominaladverbien Fragen nach Personen, Sachen, Einzelnen aus Gesamtheit (inkl. BEUGUNG!) Fragen nach Art, Richtung, Zeit, Art, Grund (UNVERÄNDERBAR!) wo-/ da-/ hier + Präposition: Funktionieren ähnlich wie Pronomen (Bezug auf Dinge/ Sachverhalte), bleiben aber ohne BEUGUNG. WPronominaladverbien werden interrogativ und relativ gebraucht. Das Adjektiv 1. Merkmale des Adjektivs *Das Adjektiv ist eine Wortart, die Eigenschaften von Dingen, Lebewesen, Zuständen und Vorgängen angibt. Es heißt deshalb auch Eigenschaftswort oder Wiewort. Nach Substantiv und Verb ist es die drittgrößte Wortart. 6 Ausnahmen Duden §357: KONTINENT/LÄNDER/GEBIET/STÄDTE: Maskulina: der Balkan, der Sudan, der Libanon, der Bosporus; Femina auf –ei, -ie, -e, -a: die Türkeit, die Normandie, die Champagne, die Riviera + die Schweiz, die Krim, die Pfalz, die Arktis; Neutra: das Elsaß, das Engadin – pluralische Ländernamen: die USA, die Niederlande – Zusammensetzungen: die Steiermark, das Allgäu, das Mühlviertel... SCHWANKEND mit/ohne: (der) Iran/Irak, (der) Jemen – IMMER bei näherer Bestimmung: das schöne Bern 41 Mag. Ewald Cerwenka Sprachtheorie: Morphologie *Adjektive können in verschiedener Weise verändert werden: I. durch die Deklination ( Deklination der Adjektive): Adjektive werden bei attributivem und nominalem Gebrauch dekliniert (die gute Tat, alles Gute, das Gute,…) II. durch die Komparation (Bildung von Vergleichsformen wie nett – netter – am nettesten) *Adjektive sind wie die Begleiter des Nomens hinsichtlich Genus, Numerus und Deklinationsklasse (stark/ schwach) flexibel. Selbst haben sie im Unterschied zu Nomen kein eigenes Geschlecht. Es gibt auch nicht veränderbare Adjektive: lila, rosa, prima 2. Der Gebrauch des Adjektivs A) attributiv: direkt vor einem Nomen: der heiße Wind, die grünen Bäume,… *mit schwachen Endungen, wenn ein bestimmter Artikel davorsteht. *mit starken Endungen, wenn kein Artikeln oder ein unbestimmter Artikel davor steht. B) prädikativ: Das Adjektiv ist Teil einer ist-/ machen-Prädikation: Der Wind ist heißt, die Bäume sind grün… - Bei dieser Verwendung bleiben Adjektive undekliniert! (Hier ergeben sich Unterschiede zu anderen Sprachen, wie etwa Latein oder Französisch) C) adverbial (als Umstandswort oder Adjektivadverb): Der Wind bläst heiß aus der Wüste. Die Bäume grünen so grün in Spanien. Auch in der adverbialen Verwendung verändert sich das Adjektiv nicht! Welche Verwendung liegt vor? Die Suppe ist kalt. Ich mache die schwierige Aufgabe fertig. Dein Gerede macht mich neugierig. Er spricht leise. Ein furchtbar langweiliger Vortrag. Tief drinnen sitzt der Wurm. Weit unten... Schräg gegenüber siehst du den alten Wehrturm. Zur Deklination des Adjektivs Bei den schwachen Deklinationen gibt es nur die Endungen auf –e bzw. –en. Sie werden dann verwendet, wenn Artikel oder Pronomen den Fall kennzeichnen. Die starken Endungen stimmen weitgehend mir den Endungen der Pronomen/Artikel überein, die als Begleiter gebraucht werden. Ein häufiger Fehler: An einem schönem Morgen... SINGULAR schwache Deklination starke Deklination gemischt/ schwach der teure Wein teurer Wein ein teurer Wein des teuren Weines teuren Weines eines teuren Weines dem teuren Wein teurem Wein einem teuren Wein den teuren Wein teuren Wein einen teuren Wein schwache Deklination die heiße Suppe der heißen Suppe der heißen Suppe die heiße Suppe starke Deklination heiße Suppe heißer Suppe heißer Suppe heiße Suppe gemischt/ schwach eine heiße Suppe einer heißen Suppe einer heißen Suppe eine heiße Suppe Mag. Ewald Cerwenka 42 Sprachtheorie: Morphologie schwache Deklination starke Deklination gemischt das kühle Bier kühles Bier ein kühles Bier des kühlen Bieres kühlen Bieres eines kühlen Bieres dem kühlen Bier kühlem Bier einem kühlen Bier das kühle Bier kühles Bier ein kühles Bier PLURAL aller Geschlechter schwache Deklination starke Deklination gemischt/ schwach die teuren Weine heiße Suppen manche (Ø) kühlen Biere der teuren Weine heißer Suppen mancher (Ø) kühlen Biere den teurenWeinen heißen Suppen manchen (Ø) kühlen Bieren die teuren Weine heiße Suppen manche (Ø) kühlen Biere 4. Zur Komparation des Adjektivs Mit Hilfe der Komparation können wir Dinge und Erscheinungen in Bezug auf Merkmale (Eigenschaften/ Relationen) vergleichen. *Die Vergleichsformen des Adjektivs: Beispiele Bildung Ø -er7 -st8 Positiv (Grundstufe) hell lang Komparativ (Vergleichsstufe/ 1.St.) heller länger Superlativ (Höchsstufe/ 2. St.) am hellsten am längsten *Unregelmäßige Steigerungsformen: Positiv Komparativ Superlativ groß größer am größten hoch höher am höchsten nah näher am nächsten gut besser am besten viel mehr am meisten *Der Gebrauch der Vergleichsformen: I. der Positiv: er ist die neutrale, unmarkierte Form des Adjektivs. Im Vergleich zweier Größen dient er zum Ausdruck der Gleichheit. Die nötigen Vergleichswörter sind „so…wie“: Der Lehrer ist so alt wie mein Vater. Ich lese schnell, so schnell wie meine große Schwester. II. der Komparativ: Er dient zum Ausdruck der Ungleichheit zweier miteinander verglichenen Größen. Das Vergleichswort ist „als“: Einen älteren Bruder zu haben, ist oft von Vorteil. Wiederverwenden ist ökologischer als Wiederverwerten. Holz wirkt wärmer als Plastik. In attributiver Stellung wird er gebeugt, in prädikativer Stellung bleibt er ohne Endung: Bei ihr steht ein schnelleres Auto in der Garage. Ihr Auto ist schneller als meines. *Der Komparativ kann verstärkt werden durch eine Reihe von Wörtern, wie weit, bei weitem, noch, viel, etwas, um einiges,…: Paul läuft weitaus/ ein wenig/… schneller als Markus. *Der Komparativ kann auch ein Weniger ausdrücken: bei bestimmten Wörtern in attributiver Verwendung. Ein älterer Herr etwa ist nicht so alt wie ein alter. Der Enkel ist ein junger Mann – der Sohn ist ein jüngerer Mann (ebenso bei klein, groß, nah, neu, kalt,…). III. der Superlativ: Er wird verwendet, wenn von mindestens drei verglichenen Größen 7 8 Adjektiva mit Stammausgang auf -el und –er verlieren im Komparativ dieses e: dunkel – dunklere - dunkelste selten ein –est: spitz – spitzer – spitzeste; heiß – heißer – heißeste (auf d, t, s, ß, x, tz, z, st) Mag. Ewald Cerwenka 43 Sprachtheorie: Morphologie eine das Höchstmaß erreicht. Vor dem Superlativ stehe die Partikel „am“ oder der Artikel: Von allen meinen Zuhörerinnen war sie die aufmerksamste. Von Bruckners Werken ist dies das vielleicht bedeutendste. Das spannendste Spiel der Saison geht in die letzte Minute. *Nicht alle Adjektiva sind steigerbar, -etwa sogenannte semantische-relative wie väterliches Haus, Schillersche Dramen, tierische Fette, germanistisches Problem, Schweizer Käse, dortige Verhältnisse (meist Ableitung von Substantiven oder Adverbien) -wenn es kein Weniger oder Mehr gibt: tot, stumm, blind, nackt,… -wenn das Adjektiv schon einen Höchstgrad ausdrückt: maximal, optimal, ideal, minimal,… -wenn das Adjektiv eine Form benennt: dreieckig, quadratisch, rautenförmig,… -wenn im Bestimmungswort einer Adjektivzusammensetzung die Steigerung enthalten: steinreich, megacool, uralt, hundemüde,… Das Nomen 1. Nomen est omen Das Nomen ist eine der drei wichtigsten Wortarten des Deutschen, zahlenmäßig die stärkste (sehr produktive Wortbildungsmittel des Deutschen!). Nomina verfügen über eine ausgeprägte lexikalische Bedeutung, die auch unabhängig vom Kontext zur Verfügung steht (Neuheit? Skandal! Frechheit!!). Die verschiedenen Bezeichnungen heben jeweils verschiedene Bedeutungsleistungen hervor: Nomen (Namenwort): Nomina geben Dingen der Welt und Abstrakta einen Namen. Substantiv9 (=für sich stehendes, selbstständiges Wort), Hauptwort: Sie spielen in Sätzen eine wichtige („Haupt“)Rolle. Dingwort: Sie bezeichnen alle Dinge, die man angreifen kann (aber eben auch Liebe und Löwen…) 2. Grammatische Merkmale Nomen sind alle Wörter, die (größtenteils) folgende Eigenschaften haben: • • • Sie haben ein festes Genus (Maskulinum, Femininum, Neutrum) Sie stehen entweder im Singular oder in Plural (Numerus) Sie stehen immer in einem der vier Kasus (Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ) und können so jede Satzgliedrolle übernehmen mit Ausnahme des Prädikats. flektierbar & artikelfähig Das Genus erkennt man am Artikel(wörtern) oder an Begleitern/ Stellvertretern des Nomens: Ich esse gerne Eis. 9 Die begriffliche Verwechslung mit Subjekt lässt manche Grammatiken auf diese Bezeichnung verzichten. Zudem sei über „Nomen“ der Zugang zu engl. noun bzw. frz. nom leichter. Eine Erhellung stelle auch die begriffliche Nähe zu „Pronomen“ dar. Dennoch wird hier wie auch in Schulwerken dieser Begriff verwendet. Mag. Ewald Cerwenka 44 Sprachtheorie: Morphologie Das Eis / Dieses Eis / Es schmeckt gut. Form und Bedeutung lassen nicht auf das Genus schließen: Sie war der Star des Abends, das Mädchen, die Geisel, die Waise (Grammatisches Geschlecht und natürliches Geschlecht müssen einander nicht entsprechen10). Im DaF-Unterricht ist wichtig, den das Geschlecht bezeichnende Artikel mit dem Nomen mitlernen zu lassen. Suffixe (Endungen) können aber Hinweise auf das Genus sein: maskulin Deverbativa mit Nullsuffix der Gang, der Sprung -er der Lehrer, der Maler -ler der Angler, der Angeber feminin neutral Deverbativa auf –t -chen, -lein die Fahrt, die Last das Hänschen, das Büchlein -e -sel die Rose, die Güte das Mitbringsel -ei, -erei Ge- + Nullsuffix die Bücherei, die das Gebäck, das Gehör11 Schweinerei -ig, -ling -keit, -heit, -schaft, -ung -nis der Essig, der Lehrling, die Fähigkeit, die das Geständnis, das der Dichterling Gelegenheit, die Gleichnis Freundschaft, die Lösung -tum -in, -erin der Reichtum, der Irrtum die Lehrerin, die Bäuerin -nis die Erkenntnis Es gibt Ausnahmen: das Zeugnis / die Befugnis; das Erkenntnis / die Erkenntnis 3. Nochmal zum Genus Das Deutsche, gerade auch mit seinen österreichischen und Schweizer Varietäten, verfügt über eine Reihe von Substantiva, die mit doppeltem Genus gebraucht werden (z. Tl. mit gleicher Bedeutung, z. Tl. als Homonyme) I. das / der Katheder, das / der Keks, das / der Knäuel, das / der Marzipan, das Joghurt / der Joghurt… II. der / das Band, der / das Ekel, der / die Hut, der / das Laster, der / die Mast, der / die Otter, der / das Tor, der / die Weise… Andererseits gibt es oft in Dialekt und Umgangssprache einen anderen Artikel als in der Standardsprache: die / das Semmel; die / der Butter, die Zwiebel / der Zwiebel, der / die Husten, das / der Benzin... 4. Zur Flexion der Substantiva Die Deklination wird gebildet durch den Artikel12 (Verschmelzung mit Präposition möglich wie im, ans), durch Endungen und manchmal durch Umlaut des Stammvokals. Ferner können auch Adjektive oder Pronomen mitwirken, die die Funktion des Artikels übernehmen. 10 Sehr viele europäische Sprachen begnügen sich mit den zwei Formen des natürlichen Geschlechts auch bei den grammatischen Formen, wie etwa ……………………….. Das natürliche Geschlecht der Nomen ist im Deutschen dem grammatischen untergeordnet ( generisches Maskulinum wie Alle Bürger sind für geschlechtergerechtes Formulieren zu sensibilisieren – besser: Alle Bürgerinnen und Bürger sind für/ Die ganze Bevölkerung ist für…) 11 Aber: Der Gebrauch, der Gesang, der Geschmack 12 Eigennamen werden in der Regel ohne Artikel dekliniert. Im Süddeutschen ist dies oft anders: der Huber Fritz 45 Mag. Ewald Cerwenka Sprachtheorie: Morphologie a) Nomen, die im Genitiv die Endung –en haben, nennt man schwach deklinierte Nomen. Sie haben in allen übrigen Fällen (Sg./ Pl.) die Endung –en. Oft bezeichnen sie Lebewesen. Auch zahlreiche Fremdwörter folgen diesem Typ (Elefant, Dirigent, Polizist, Automat, Athlet…) b) Nomen, die im Genitiv die Endung –(e)s haben, heißen stark deklinierte Nomen. Die Mehrzahl der Maskulina und alle Neutra (ausg. das Herz) folgen diesem Deklinationstyp. c) Es gibt aber auch Nomen im endungslosem Genitiv. Er umfasst etwa alle Femina. a) Nomen mit n-Genitiv b) Nomen mit s-Genitiv c) Nomen mit endungslosem G. der des dem den Mensch Menschen Menschen Menschen das des dem das Haus Hauses Haus(e) Haus die der der die Nacht Nacht Nacht Nacht der des dem den Rabe Raben Raben Raben der des dem den Würfel Würfels Würfel Würfel der des dem den Radius Radius Radius Radius d) Einige wenige schwach deklinierte Maskulina auf –e (Name, Wille, Friede…) + Herz haben einen – (e)ns-Genitiv: der Glaube – des Glaubens der Name – des Namens das Herz – des Herzens der Funke – des Funkens der Friede(n) – des Friedens der Wille – des Willens Deklination im Plural Die Kasus-Bildung bereitet im Plural keine Schwierigkeiten, da nur der Dativ das Flexionszeichen –n erhält (wenn der 1.Fall Pl. auf –e, -er oder –el endet!), das an den Nominativ im Plural angehängt wird. Entscheidend ist aber die Bildung des Nominativ Plural. Zeichen des Plurals sind Endungen oder/ und Umlaut. Manchmal erfolgt die Pluralbildung auch ohne besondere Kennzeichen. Dann wird der Numerus durch den Artikel oder den Zusammenhang erklärt. mit Endungen mit Umlaut der Tag - die Tage das Feld - die Felder die Tat - die Taten die Kamera - die Kameras der Nagel - die Nägel die Tochter - die Töchter der Garten - die Gärten das Kloster - die Klöster mit Endungen + Umlauten der Baum - die Bäume der Wald - die Wälder der Sprung - die Sprünge das Gut - die Güter ohne besondere Kennzeichen der Schlüssel – die Schlüssel der Brunnen – die Brunnen das Muster – die Muster das Gebirge – die Gebirge Einige wenige Wörter kommen nur im Plural vor (Pluraletantum): die Leute, die Ferien, die Trümmer, die Gliedmaßen, die Lebensmittel. Ebenso gibt es Wörter (Stoff- und Materialnamen), die keinen Plural haben (Singularetantum). Die Pluralbildung kann auch je nach Bedeutung unterschiedlich sein: das Wort die Wörter / die Worte (Einzelwörter vs. (Teile einer) Äußerung) die Mutter die Mütter / die (Schrauben)Muttern die Bank die Banken / die Bänke Unterschiede in der Pluralbildung können sich bei Fremdwörtern ergeben. Sind Antibiotikas schädlich? Lohnen sich Praktikas? Was man nicht selber weiß, das muss man sich erklären. Oder man 46 Mag. Ewald Cerwenka Sprachtheorie: Morphologie schlägt´s im Lexika nach. Viele kennen sich im Einzelfall nicht aus, und erst recht nicht mit der Mehrzahl. 13 Balkons / Balkone Kaktusse / Kakteen Globen / Globusse Lifte / Lifts Atlas / Atlasse Nomina / Nomen Tests / Teste Konten / Kontos Kommata / Kommas Themen / Themas Pizzas / Pizzen Espressi / Espressos 5. Inhaltliche Klassifizierung der Nomen Eigennamen Gattungsnamen (Lebewesen und Dinge werden damit bezeichnet, die in ihrer Art nur einmal vorkommen) Personennamen (Familien-, Vornamen, Individualname für Tiere) geographische Namen (Länder-, Orts-, Berg-, Fluss-, Landschafts-namen) Peter, Anna, Meier, Bello, Micki Österreich, Wiener Straße, Donau, Großer Priel, Atlantischer Ozean, Attersee Produktnamen (Buch-, Bilder-, Musiktitel, Individualnamen für Dinge und Gebäude) „Schöne Tage“, Eroica, Sixtinische Kapelle, Titanic, Pädagogische Hochschule der Diözese Linz (Sie bezeichnen sowohl eine Gattung bzw. auch einzelne Glieder diese Gattung, die wichtige Eigenschaften gemeinsam haben) Abstrakta Konkreta (Eigenschaften, (zählbare Individuativa, Beziehungen, Zustände Stoffnamen, oder Vorgänge – nicht Sammelnamen) sinnlich wahrnehmbar) Härte, Klugheit Kind, Rose, Auto, Kind, Verwandtschaft, Mutter Ordnung Gold, Milch, Schnee, Hoffnung, Arbeit, Wolle, Holz Theorie, Physik Obst, Familie, Gepäck, Herde, Schar 6. Zur Orthografie des Substantivs Großschreibung trägt dazu bei, Wortklassen zu kennzeichnen. Substantive werden generell groß geschrieben, auch als Bestandteile fester Wortgruppen (Tisch, Wasser…zu Händen von, in Bezug auf...heute Abend). Klein schreibt man Wörter, die die substantivischen Merkmale eingebüßt haben und die Funktion anderer Wortarten übernommen haben (= Desubstantivierung): angst und bange sein…abends, angesichts…kraft (meines Amtes), zeit (seines Lebens). Umgekehrt schreibt man Wörter anderer Wortarten groß, wenn sie als Substantive gebraucht werden (=Substantivierung)14. Das betrifft Partizipien und Adjektive (alles Gute, das Gehörte), Verben (ein starkes Klopfen), Pronomen (Mein und Dein nicht unterscheiden) und andere Wortarten (das Für und Wieder abwägen) Trotz formaler Merkmale der Großschreibung werden aber manche Adjektive, Partizipien und Pronomen klein geschrieben: Sie war die aufmerksamste und klügste meiner Zuhörerinnen. Diese Frage ist am schwierigsten. Ich hörte von ferne ein Grollen. Ich sah die beiden schon. Ein jeder musste das wissen. 13 Bastian Sick. Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod. Köln 152005. 51 (Als höchst unterhaltsame Darstellung grammatischer Rat- und Regellosigkeiten sehr zu empfehlen) 14 Zumindest ein formales Merkmal zeigt dies in einem Text an: *vorausgehender Artikel: das Singen *voran gestelltes adjektivisches Attribut: schönes Singen *nachgestelltes Attribut: Singen aus Freude *vorausgehendes Pronomen *unbestimmtes Zahlwort (alles, viel, wenig...) *Fallendung als Subjekt (Das Gute im Menschen ist zu suchen) oder Attribut (die Qualität des Guten) Mag. Ewald Cerwenka 47 Sprachtheorie: Morphologie Präposition fügt Satzglieder in den Satz ein, deshalb auch Fügewort genannt: bei, über, unter, von, … Präpositionen schaffen dabei ähnliche Beziehungsverhältnisse wie die Adverbien (Umstandswörter) und heißen deshalb auch Verhältniswörter: 1. Raum und Ort: über den Berg – unter den Tisch – in das Haus 2. Zeit und Dauer: bis heute Abend – um acht Uhr – in zwei Stunden 3. Begründungen, Ursachen, Umstände (logische und modale Verhältnisse): mit einer Schreibmaschine – unter anderen Bedingungen – von Herrn Müller – seitens des Angeklagten – infolge der Störungen – in diesem Zusammenhang Einzelheiten und Besonderheiten A) Bedeutungsleistung Manche Präpositionen haben mehrere Bedeutungen. Sprachgeschichtlich hatten sie zuerst Bedeutungen des Raumes und des Ortes, dann Zeitbedeutungen und schließlich logische Bedeutungen. Der Bedeutungsstern zeigt auch die Mehrfachbedeutungen (aus Holz, aus Linz, aus Furcht). B) Zum Gebrauch Die meisten Präpositionen fordern einen bestimmten Kasus (Fall) des folgenden Satzgliedes. =REKTION Wenn diese Präpositionen in lokaler Bedeutung gebraucht werden, drückt der Akkusativ die Richtung aus und der Dativ den Ort, wie Beispiele zeigen: Wir tragen uns vor dem Rathaus. (Dativ, Ort) Unser Rundgang führte uns vor das alte Rathaus. (Akkusativ, Richtung) Bedeutungsleistungen der Präpositionen logisch-modal Ort und Raum Zeit und Dauer an, auf, aus, bei, für, in, mit, nach, ob, über, unter, um, vor, zu, zwischen, dank, wegen, damit, trotz, angenommen ab, an, auf, aus, bei, mit, nach, um, vor, zu, zwischen, rechts, links, längs,… ab, auf, aus, bei, bis, gegen, hinter, innerhalb, mit, mal, über, um, unter, von, vor, zu, zwischen, zeit 1. Manchmal haben Präpositionen keine besondere Bedeutung und fügen ein Objekt in den Satz ein. Man spricht dann von einem präpositionalen Objekt. (auch Satzlehre) Vergleiche: Ich warte auf die Straßenbahn. Dabei achte ich auf vorübergehende Fußgänger. Ich will mich um die freie Stelle bewerben. 1. Probe: Die Hilfsfrage ist nicht Wo? Wohin? Wann? Wie lange? usw., sondern Auf was? (besser: Worauf?) Auf wen? Um was?) 2. Probe: Die Präpositionen gehören so eng zum Verb, dass die Verben in dieser Bedeutung nicht ohne Präposition stehen können. Beispiele für Verben mit Präpositionen: beglückwünschen zu, bitten um, danken für, hindern an, sich brüsten mit, sich eignen zu,… 2. RS Manche festen Wendungen sind im Laufe der Zeit zu Präpositionen geworden. Sie können dann oft in einem Wort/klein ODER als Wortgruppe/groß geschrieben werden: in Folge ODER infolge 3. Die Präpositionen als, bis und während können auch als Konjunktionen gebraucht werden: Sie spielten draußen Volleyball, bis es dunkel wurde. (Konjunktion) Mag. Ewald Cerwenka 48 Sprachtheorie: Morphologie dann oft in einem Wort/klein ODER als Wortgruppe/groß geschrieben werden: in Folge ODER infolge 3. Die Präpositionen als, bis und während können auch als Konjunktionen gebraucht werden: Sie spielten draußen Volleyball, bis es dunkel wurde. (Konjunktion) Sie spielten draußen Volleyball bis zur Dunkelheit. (Präposition) Adverb Diese Wortart bestimmt die Umstände eines Geschehens näher. Adverbien heißen deshalb auch Umstandswörter. Sie stehen manchmal näher beim Verb (Tätigkeitswort): Witwe Bolte isst gerne Sauerkraut. Manchmal gehören sie zum ganzen Satz: Jetzt wollen wir endlich anfangen. Schließlich können sie auch zum Adjektiv (Eigenschaftswort) bzw. Adverb gehören: Er stand sehr früh auf. Die Bezeichnung Adverb (= zum Verb gehörig) ist insofern missverständlich. Bedeutungsleistungen Adverbien geben Umstände eines Geschehens an: – des Ortes (Wo?, Wohin?, Woher?): hier, oben, unten – der Zeit (Wann?, Wie lange?): gestern, jetzt, bald – der Art und Weise (Wie?): sehr, so, gern – des Grundes (Warum?): deshalb, folglich Zu den Bedeutungsklassen im Einzelnen: Die Ortsadverbien geben Umstände des Raumes Wo? und der Richtung Wohin?, Woher? an und heißen Lokaladverbien. Die Zeitadverbien machen Angaben zum Zeitpunkt Wann? oder zur Dauer Wie lange? und heißen Temporaladverbien. Die Adverbien der Art und Weise heißen Modaladverbien; man kann sie durch Wie?, Womit?, Wodurch? ermitteln. Die Adverbien des Grundes machen Angaben zu Ursachen und Begründungen Warum?,Weshalb? Wieso?, Wozu?; man nennt sie Kausaladverbien. Die folgende Tabelle zeigt die verschiedenen Bedeutungsleistungen des gar nicht so umfangreichen Adverbwortschatzes: Adverbien bestimmen Umstände eines Geschehens lokal temporal kausal modal Ort Richtung Zeitpunkt Dauer Grund/Ursache Art/Weise da, dort, hierher, jetzt, neulich, lange, darum, daher, so, anders, gern, draußen, hierhin, stets, vorhin, zeitlebens, deshalb, folglich, sehr, drinnen, daher, dahin, demnächst, immer,… trotzdem, … glücklicherweise, daheim, hier, heimwärts, bald, möglicherweise, oben, unten, vorwärts, damals,… … inmitten, … seitwärts, … Mag. Ewald Cerwenka 49 Sprachtheorie: Morphologie Das Verb I. Klassifikation der Verben Tätigkeitswörter können nach semantischen, syntaktischen und morphologischen Gesichtspunkten unterteilt werden. *Inhaltliche Kategorien von Verben Tätigkeitsverben: Ich gehe ins Kino. Er schreibt seine Diplomarbeit. Wir essen Salat. Sie trinken Bier. Wir schleppen die Koffer. Ihr erledigt die Formalitäten. (= Jemand tut etwas) Vorgangsverben: Das Gras wächst. Die Knaben erröten. Du erkältest dich bestimmt. Das Reh verblutet. Es schneit (= Etwas läuft ab, etwas entwickelt sich) Zustandsverben: Ich wohne in Graz. Er lebt auf dem Land. Sie bleibt bei ihrem Vorhaben. Die Kinder schlafen. Die Kirche steht im Dorf. (= Etwas ist so, besteht, befindet sich in einem Zustand) *Unterscheidung nach ihrer grammatischen Rolle Vollverben wie gehen, machen, liegen: Sie sind eigenständig und können allein das Prädikat bilden. Hilfsverben wie haben, sein, werden: Als Hilfsverben brauchen sie andere Verben für die Tempusbildung: Sie ist gegangen, er wird laufen., Modalverben wie müssen, sollen, können, dürfen, wollen, mögen: Sie müssen sich mit dem Infinitiv eines anderen Verbs verbinden. (ohne „zu“).15 Modifizierende Verben kommen nur zusammen mit dem Infinitiv (mit zu!) vor und sind obigen z. Tl. sehr ähnlich: Der Autofahrer weiß sich zu helfen. (= kann sich helfen). Sie braucht nicht zu kommen16. (= muss nicht kommen) – ebenso scheinen, bekommen, drohen, gedenken, pflegen, suchen, verstehen… Funktionsverben / Funktionsverbgefüge: wie (zum Ausdruck) kommen, (zur Geltung) kommen, Mitteilung machen: Sie verbinden sich mit Verbalsubstantiven, die auch die Hauptbedeutung dieser „gestreckten“ Form tragen. Reflexivverben: sind mit einem Reflexivpronomen als Ergänzung verbunden: Er fürchtet sich. Er entsinnt sich dieses Vorfalls. Er schämt sich. Die Wertigkeit eines Verbs – transitive/ intransitive Verben Das Verb als zweithäufigste Wortart im Deutschen spielt im Satz eine zentrale Rolle. Mit wenigen Ausnahmen (Aua!) gibt es keinen Satz ohne ein Verb. Das Verb bestimmt die Satzmuster, d. h. es entscheidet, ob, welche und wie viele Objekte und weitere Ergänzungen noch im Satz stehen (müssen). Man spricht hier auch oft von der Valenz oder Wertigkeit von Verben. Die Valenz eines Verbs kann auch null sein (nullwertige Verben). Dies ist der Fall, wenn keine echte Ergänzung notwendig ist, sondern nur eine Pseudo-Ergänzung eingefügt wird, um die Subjekt -Stelle zu füllen: [es] regnet, [es] schneit. Vater schnarcht. Vater holt das Glas. Er gibt mir die Flasche. Ich stelle sie auf den Tisch. ohne Objekt (einwertig) Akkusativobjekt (zweiwertig) Dativ- und Akkusativobjekt (dreiwertig) Akkusativobjekt und Ergänzung Tätigkeitswörter, die mit einem Akkusativobjekt verbunden werden müssen, werden transitive Verben genannt. Nur sie sind persönlich passivierbar: Die Mädchen bewundern ihn. Du schmiedest einen eigenen Plan. 15 16 Als „Konkurrent“ dazu gilt der modale Infinitiv mit haben und sein: Es ist nicht zu beklagen,… Vgl. die Verwendung von „brauchen“ in diesem Sinne (nicht nur) in der österreichischen Varietät! Mag. Ewald Cerwenka 50 Sprachtheorie: Morphologie Alle Verben, die kein Akkusativobjekt bei sich haben, heißen intransitive Verben (also etwa Objekt im Dativ, Genitiv oder Präpositionalobjekt):. Der Hund gehorcht dem Frauchen. Sei kümmert sich gut um ihn. Sie nahm sich als erste des Ausreißers an. Viele Verben können transitiv oder intransitiv verwendet werden: Ich sehe einen Läufer./ Du siehst nur in die Ferne. Fritz kocht Reis./ Fritz kocht gerne. Warum eine Grammatikwerkstatt? Im eigensprachlichen Grammatikunterricht, insbesondere auf der Sekundarstufe I, geht es vor allem darum, die Regelkenntnis, die den Schülerinnen bereits im vorschulischen kindlichen Spracherwerb vermittelt wurde, ins Bewusstsein zu heben. Ein Paradigmenpauken und bewusstes Regellernen ist hier nur (mehr) selten angebracht. Vielmehr sollen die Lerner zu Sprachuntersuchungen angeleitet werden. Dass im DaF-Unterricht die bewusste Erfassung der Regeln vor und während der Sprachproduktion wesentlich wichtiger ist, sei an dieser Stelle erwähnt. Freilich arbeiten auch hier die meisten Lehrwerke mit induktiver Methode, also ausgehend von konkreten Situationen und Sprachhandlungen. II. Finite und infinite Verbformen Jedes Verb kommt in verschieden Formen vor, die durch innere Abwandlung des Stammes und durch Anhängen von Endungen entstehen (Für einen Überblick auf die Systematik sei hier auf die Grammatiken verwiesen17). Ein Verb wird konjugiert. Man unterscheidet finite Formen (Personalform) wie gehst, lief, griff von infiniten Formen (Infinitiv = Nennform, Partizip I/ II= Mittelwort I/II) wie springen, springend, gesprungen. Die flektierte Form, die im Satz das Prädikat ist oder zumindest ein wichtiger Teil desselben, wird bestimmt in: Person und Numerus – ich gehe, wir gehen, sie geht Tempus – ich ging, brachte, kam Modus (Aussageweise: Indikativ, Konjunktiv oder Imperativ) – man nehme, er ginge, wir brächten, sie kämen … Nimm! Nehmt! Genus verbi (Sichtweise: aktiv oder passiv) Infinite Verbformen stehen nicht in einem direkten Bezug zum Subjekt und drücken nicht Person, Numerus, Tempus und Modus aus. Das Partizip I ist aktiv und drückt einen gleichzeitigen Verlauf aus, nicht aber das Tempus Präsens. Das Partizip II dient zur Zeitenbildung bei Perfekt, Plusquamperfekt und Futur II (außer bei Hilfs- und Modalverben + brauchen: Er hatte das schreiben müssen. Es ist nicht beantwortet worden). Beide können auch attributiv eingesetzt werden (der springende Punkt, das geschriebene Wort) Der Infinitiv wird auch für die umschreibenden Verbformen gebraucht. Daneben ist er auch als einfacher Infinitiv (Er glaubte zu träumen) und als satzwertiger, erweiterter Infinitiv zu finden (Um dies zu verdeutlichen, möchte ich noch ein Beispiel geben) a.) Die Verwendung von infiniten Verbformen bei zweiteiligen Prädikaten – Beispiele: … mit den Hilfszeitwörtern Peter hat mir einen langen Brief geschrieben. Perfekt Er hatte in Australien viel erlebt. Plusquamperfekt Petra ist heute schon nach Hause gekommen. Perfekt 17 Etwa auch auf Gerhard Helbig, Joachim Buscha. Deutsche Grammatik. Ein Handbuch für den Ausländerunterricht. Berlin u.a. 42005 (Dazu auch: dieselben. Übungsgrammatik Deutsch. Berlin 2000) 51 Mag. Ewald Cerwenka Sie Susanne Anna Das war wird wird wird Sprachtheorie: Morphologie in Wien morgen nach Hause schon nach Hause von uns zur Kenntnis gewesen. fahren. gefahren sein. genommen. Die Hilfszeitwörter in der Personalform Plusquamperfekt Futur I Futur II Präsens passiv Infinite Verbformen Infinitiv bzw. Partizip II Satzklammer … mit den Modalverben Wir dürfen können sollen morgen zu euch müssen wollen möchten kommen Personalform Infinitiv Satzklammer … mit modifizierenden Verben Er Du Er Sie Sie versuchte hast pflegt scheint drohen zu schlafen. zu kommen. zu schnarchen. nachzudenken. zu streiken. Personalform des modifizierenden Verbs Infinitiv mit zu Satzklammer b) Die Nominalisierung des Infinitivs oder ein orthografischer Dauerbrenner Die Nominalisierung (= hauptwörtlicher Gebrauch) des Infinitivs ist – neben den Verbalsubstantiva - eine Form der Verdichtung der Aussage (Sachverhalte werden nicht in Satzform, sondern mit einer Nominalphrase wiedergegeben). Sie ist spezifisch für bestimmte Textsorten. Nominalisierungen können in Nebensätze oder in satzwertige Infinitive umgewandelt werden: Das Töten verletzter Tiere ist verboten. Es ist verboten, verletzte Tiere zu töten. 1. 3. 5. Das Betreten der Wiese ist verboten. Mit Wandern halten sich viele ältere Menschen fit. Dein Jammern ist jetzt nicht angesagt. 2. 4. Lautes Singen und Musizieren ist untersagt. Tägliches Zähneputzen beugt Karies vor. 6. Beim Sprechen sollst du mir in die Augen schauen! 52 Mag. Ewald Cerwenka 7. Reden ist Silber, s/Schweigen ist Gold. Sprachtheorie: Morphologie 8. Man liest, g/Geben sei seliger als n/Nehmen. Die Nominalisierung erfolgt: bei vorausgehendem Artikel bzw. Pronomen als Begleiter (1, 5): dieses Schreien, unser Tun bei vorangestelltem oder nachgestelltem Attribut (2,4): deutliches Schreiben, das Schreiben des Briefes wenn der Infinitiv fallbestimmtes Satzglied oder Attribut ist: (7,8,3): er hasst Rechnen (Akkusativobjekt), mit Zittern und Zagen (Modalergänzung). Reden ist Silber (Subjekt) d.h. wenn man sich vor dem Infinitiv einen Artikel denken kann oder wenn vor dem Infinitiv eine Präposition steht, ist er nominalisiert, d. h. er wird großgeschrieben. c) Zum Tempusgebrauch Die sechs Tempora: Präsens, Präteritum18, Futur I, Perfekt, Plusquamperfekt und Futur II bezeichnen als grammatische Zeiten Formen, nicht Inhalte. Präsens ist etwa nicht einfach „Gegenwart“, sondern es kann – wie auch die übrigen Zeitformen - noch vieles anderes sein. Grammatische Zeiten sind relative Zeitangaben im Bezug auf den Akt des Sprechens oder Schreibens. Das Präsens ist das neutrale (unmarkierte) Tempus, von dem sich die anderen Tempora abheben. Zu seiner wie auch zu den Bedeutungsmöglichkeiten der übrigen ist eine Grammatik zu konsultieren. Tempusform Gebrauch Präsens (Gegenwart) für Zukünftiges, Gegenwärtiges, für allgemein/ länger Gültiges, für Vergangenes in lebhaften Schilderungen Präteritum in längeren schriftlichen Erzählungen (betont den (Mitvergangenheit; wörtlich: Verlauf!), in den Medien (Sachlichkeit!) das Vorbeigegangene) Perfekt (Vergangenheit; wörtlich: das Vollendete) für Abgeschlossenes (mit Wirkung in Gegenwart), für Abgeschlossenes, das allgemein gültig; für Abgeschlossenes in der Vergangenheit, Perfekt für Vergangenes in mündlicher Sprache (süddt. Sprachraum) Plusquamperfekt (Vorvergangenheit; wörtlich: mehr als das Vergangene) meist in Erzählungen in Verbindung mit dem Präteritum, drückt die Vorzeitigkeit aus. Futur I (Zukunft) Für Zukünftiges, für Vermutung über Zukünftiges oder Gegenwärtiges, für zeitlos Gültiges, für eine Aufforderung Für Abgeschlossenes in der Zukunft; für Vermutungen über zukünftig Abgeschlossenes (z. Tl. noch im Laufen oder schon vergangen) Futur II (Vorzukunft) 18 „Imperfekt“ ist als Begriff irreführend und wird heute nicht mehr verwendet. In der gesprochenen Umgangssprache des süddeutschen Sprachraums ersetzt das Präteritum übrigens das Perfekt als Zeitform der Erzählung und des Berichts. Mag. Ewald Cerwenka 53 Sprachtheorie: Morphologie d) Zum Modus Sie erzählte, sie sei nach Hause gefahren, nachdem sie sie Prüfungen abgelegt habe. Am vergangenen Freitag hätten Reporter gesehen, wie das Kreuzschiff große Probleme mit den Flutwellen habe und die Besatzung ständig bemüht sei, das Schiff dennoch auf Kurs zu halten. Ich käme gerne mit, wenn ich Zeit hätte. Wenn es in der Nacht geregnet hätte, hätte sie am Morgen die Blumen nicht gegossen. Hätte ich das nicht getan, dann wäre ich jetzt nicht da! Man könnte fast meinen, du würdest so etwas wie Reue doch kennen! Im Kontrast zur neutralen Indikativ-Form ist der Konjunktiv die markierte, die auffällige Form. Anders als etwa im Lateinischen oder Griechischen existiert nicht für jede der genannten Tempora eine Entsprechung im Konjunktiv. Stattdessen stehen dem Sprachbenutzer der Konjunktiv I (primär für die indirekte Rede; Präsensstamm + e), der Konjunktiv II (hauptsächlich zum Ausdruck irrealer/ potentialer Aussagen; ) und die umschreibenden würde-Formen zur Verfügung. Diese bezeichnen aber kein Tempus. Mit dem Imperativ wird er Angesprochene aufgefordert, etwas zu tun ( Aufforderungssätze). Dieser Modus setzt freilich voraus, dass der Sprecher den Aufzufordernden duzt. Andernfalls ist die Höflichkeitsform mittels Konjunktiv I zu wählen (Seien Sie doch nicht so besorgt!) Der Konjunktiv I und II als Kennzeichen der indirekten Rede (Ebner XV, S. 62) Unterschiede zwischen direkter und indirekter Rede: *möglichst wortgetreue Wiedergabe vs. sinngemäße Darstellung aus der Sicht eines Erzählers (Abänderungen *Anführungszeichen vs. Konjunktiv (oder auch Redeeinleitung bzw. Nebensatzform) Folgen Pronomen werden verändert Orts- und Zeitangaben werden verändert Welcher Konjunktiv? Im Prinzip Konjunktiv I, aber auch Konj. II, wenn *Formengleichheit zwischen Indikativ und Konjunktiv I *wenn auch in der direkten Rede ein Konj. II steht *Bevorzugung vom Konj. II in 2.Ps. Sg. und Plural Übungen Ebner, 15 B, C, S.65