11.00 9.00 //25 25 Möglichkeiten und Grenzen von «Eisprungspritzen» Sowohl im Breiten- und Spitzensport wie auch in der Humanmedizin wird heute die Anwendung von Hormonen vielerorts zu locker gehandhabt. Auch bei der Fortpflanzung im Bereich des Rindviehs ist dieser Trend deutlich zu erkennen und hat bei der systematischen Verabreichung von sog. «Eisprungspritzen» in vielen Betrieben zu einer problematischen Entwicklung geführt. sko. Der weibliche Sexualzyklus wird durch ein fein abgestimmtes Zusammenspiel von mehreren Hormonen gesteuert. Allen gemeinsam ist, dass kleine Mengen grosse Wirkungen haben. Deshalb sind planlose und zu wenig durchdachte Hormoneinsätze mit gewissen Risiken verbunden. Sie verlangen beim therapeutischen Einsatz viel Fachwissen und gehören deshalb ausschliesslich in die Hände der Tierärzte. Wie diese Hormone zusammenspielen und was sie bewirken, ist in Abb. 1 dargestellt. Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) wird im Hirnteil Hypothalamus produziert und über ein Pfortadersystem in die Hirnanhangsdrüse befördert. Dort bewirkt es die Freisetzung von follikelstimulierendem (Stimulierung des Eiblasenwachstums) Hormon (FSH) und luteinisierendem Hormon (LH). FSH bewirkt auf den Eierstöcken die Reifung der Eiblase (Follikel) vor und während der Brunst. Beim LH verhält es sich so, dass dieses Hormon plötzlich innerhalb der Brunst, während einer kurzen Zeitspanne, in sehr grossen Mengen freigesetzt wird. Dies bewirkt den Eisprung, der etwa 24 Stunden nach diesem LH-Gipfel stattfindet. (Abb.1) Was geschieht während des Eisprungs? Durch die Vorbereitung des Hormons LH öffnet sich an einer vorbestimmten Stelle der Eiblase die Membran. Die Eizelle wird durch eine Art Trichter aufgenommen und in den Eileiter befördert. Dies geschieht etwa acht bis sechzehn Stunden nach Abklingen der äusseren Brunstsymptome und ist die Voraussetzung für eine normale Befruchtung. Wegen diesen fein abgestimmten Abläufen auf dem und um den Eierstock ist ein Abtasten der Eierstöcke während der Brunst - ohne Verdacht auf Störungen - wenig sinnvoll. Störungen im Bereich des Eisprungs Wird das Hormon LH in zu geringer Menge produziert oder abgegeben oder stimmen die zeitlichen Verhältnisse nicht überein, kann es zu einem verzögerten Eisprung kommen. Es kann aber auch sein, dass sich die Eiblase überhaupt nicht öffnet und eine Eierstockszyste entsteht. Deshalb können verzögerter Eisprung und Eierstockszysten vielfach den gleichen Ursprung haben. In vielen Fällen geht der verzögerte Eisprung mit verlängerten äusseren Brunstsymptomen einher. Eine exakte Diagnose ist aber sehr schwierig und bedingt wiederholte Untersuchungen in kurzen Abständen. Je nach Untersuchungen ist das Problem des verzögerten Eisprungs in unseren Rinderherden mit 10 bis 20% vertreten. Vor allem bei Hochleistungstieren mit Mängeln in Fütterung und Management sind Eierstocksstörungen immer häufiger anzutreffen. Was bewirken Eisprungspritzen? Am häufigsten wird bei der Eisprungspritze ein Präparat appliziert, welches das Hormon GnRH enthält. Dadurch wird der natürliche Vorgang des Zusammenspiels der Hormone und die Auslösung des Eisprungs unterstützt. Verschiedene klinische Studien belegen, dass die Wirkung auch tatsächlich erfolgt und eine Anwendung in begründeten Fällen deshalb sinnvoll ist. Wer die zyklischen Abläufe und die Steuerungsmechanismen einigermassen kennt, kann sich leicht vorstellen, dass der Zeitpunkt der Hormonverabreichung eine entscheidende Rolle spielt. Um die natürlichen hormonellen Abläufe B E R A T U N G Sprungreife Eiblase (Follikel) auf dem Eierstock. Der Eisprung lässt nicht mehr lange auf sich warten. während der Brunst nicht zu stören, sollte eine Eisprungspritze innerhalb der Zeit gemacht werden, während der auch die vermehrte Ausschüttung von LH erwartet werden kann. Wenn man jetzt noch die Brunstdauer und die Überlebenszeit der Spermien und der Eizellen miteinbezieht, ergibt sich eine Zeitspanne für die Anwendung der Spritze von sechs Stunden vor bis zur Besamung. Anwendungen vor oder nach dieser Zeitspanne sollten nicht stattfinden. Dies geht aus mehreren Untersuchungen deutlich hervor. Schon ein Tag nach dem Eisprung füllt sich die Follikelgrube mit Gelbkörpergewebe aus. Wann sollen Eisprungspritzen verabreicht werden? Die Meinungen, wann eine Eisprungspritze Sinn macht und wann nicht, gehen stark auseinander. Es gibt eine stattliche Anzahl von Betrieben, welche die Eisprungspritze systematisch bei jeder Besamung anwenden. Obschon wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass durch solche Massnahmen die Trächtigkeitsraten um ein paar Prozente verbessert werden können, ist ein solches Vorgehen klar abzulehnen. Meistens wird dadurch versucht, Fehler in Management, Fütterung und Brunstbeobachtung auszubügeln. Letztendlich sollten bei solchem Vorgehen auch die wirtschaftlichen Fragen nicht ausser Acht gelassen werden. Unkontrollierter Hormoneinsatz kann sehr schnell mehr Kosten als Nutzen bringen. Auch andere Hormonprogramme sind be- B E R A T U N G kannt, die man bei Kühen systematisch anwenden kann. Auch bei diesen sind die gleichen Fragezeichen zu machen. Die Hormone haben in der Regel mehrere Wirkungen und sind in einem komplexen System zu sehen. Wenn dieses System von aussen gestört wird, weil zum Beispiel das Management oder die Fütterung nicht stimmt, kann es schnell zu Fehlleistungen der Fortpflanzung kommen. Doch sehr selten tritt eine Störung isoliert auf. Mehrere Probleme können zusammen auftreten. Des- 9.00 / 26 halb ist eine genaue Untersuchung mit einer klaren Diagnose immer der bessere Weg, um an die Probleme heranzugehen. Daraus ist zu schliessen, dass die Anwendung von Hormonen und besonders der Eisprungspritze zur Verbesserung der Fruchtbarkeit des Rindes nur Sache des Tierarztes sein kann und ohne genaue Untersuchungen wenig sinnvoll ist. Richtig angewendet ist die Eisprungspritze aber ein wichtiges Instrument im Kampf gegen ungenügende Trächtig■ keitsraten. In der Anwendung von Hormonen liegen Nutzen und Gefahr nahe beieinander; es braucht deshalb viel Fachwissen