36 Expertenrunde Gesund oder Diät-Lüge? D Weit verbreitet. In sieben Mittelmeerländern auf drei Kontinenten wird mediterran gegessen: Griechenland, Italien, Frankreich, Spanien, Kroatien, Türkei, Marokko. ie mediterrane Küche wurde 2010 als „immaterielles Kulturerbe“ von der UNESCO geschützt. Sie gilt als qualitativ besonders hochwertig: gehaltvoll, vielseitig, ausgeglichen, gesund und schmackhaft. Ernährungs- und Diätratgeber setzen auf die Mittelmeer-Küche für ein langes und gesundes Leben. Eine Expertenrunde, bestehend aus Anti-AgingExperte Markus Metka, DiabetesExperte Raimund Weitgasser, Diätologin Maria Anna Benedikt, SPAR-Sortimentsmanager Tanja Wiesmann und Antonio Trezza, diskutiert mit Chefredakteurin Carmen Wieser Vor- und Nachteile dieser Ernährungsform und be- leuchtet das Thema aus Gesundheits-, Konsum- und Genuss-Sicht. Carmen Wieser: Was versteht man unter mediterraner Küche? Markus Metka: Genau genommen gibt es keine Mittelmeerküche. Bei diesem Begriff handelt es sich eigentlich um ein Schlagwort. Der Laie verbindet damit meist Olivenöl, Rotwein und Fisch. Wenn wir aber über die gesunde Mittelmeerkost sprechen wollen, dann dürfen wir nicht darüber diskutieren, was im Mittelmeerraum heute gegessen wird, sondern wir müssen über die traditionelle mediterrane Kost sprechen. Wieser: Wie sieht die aus? Metka: Vier Dinge machen die positive Wirkung dieser Ernäh- Fotos: Getty Images, Doris Wild Mediterrane Kost unter der Lupe: Ein Runder Tisch, veranstaltet von der Initiative „SPAR Ernährung heute“, diskutiert Pro und Contra. 37 Raimund Weitgasser, Internist: »Eine brandneue Studie zeigt, dass man einem Diabetes durch mediterrane Ernährung gut vorbeugen kann.« Runder Tisch. SPAR-Einkäufer und wissenschaftliche Beiräte beim Talk über die mediterrane Ernährung. rungsform aus: die ausgewogene und ausreichende Zufuhr von Eiweiß, kaltgepresste Engels-Öle, langsam verwertbare Kohlenhydrate und sekundäre Pflanzenstoffe, wie etwa das Lykopin in Tomaten. Hülsenfrüchte, vor allem Gerste und Kichererbsen, liefern Eiweiß, Ballaststoffe und Kohlenhydrate, im Olivenöl findet sich das entzündungshemmende Hydroxytyrosol und mit dem Gemüse werden dem Körper Kohlenhydrate, Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe zugeführt, wobei hier auch die großzügige Verwendung von Kräutern, Gewürzen und Nüssen eine wesentliche Rolle spielt. Raimund Weitgasser: Nicht zu vergessen die Nudeln! Die WeltDiabetes-Gesellschaft hat bestätigt, dass Nudeln einen niedrigen glykämischen Index haben, wenn sie al dente gekocht werden. Denn auch dann werden die Kohlenhydrate der Nudeln langsam aufgeschlüsselt. Das Problem bei Pasta sind meist die üppig-sahnigen Saucen, die ganz und gar nichts mehr mit der puren, traditionellen Mittelmeerküche zu tun haben. Tanja Wiesmann: Der Trend zu gesunden hochwertigen Ölen hat sich in den letzten Jahren durch diverse Informationsmaßnahmen stark entwickelt. Besonders das Olivenöl ist fixer Bestandteil jedes österreichischen Haushaltes geworden. Maria Anna Benedikt: Auch das Glas Rotwein, mit seinem AntiAging-Vitamin Resveratrol, fehlt bei den Südländern selten. Wenn es täglich bei 1/8 Liter bei Frauen und 1/4 Liter bei Männern bleibt, so die Empfehlung der Österreichischen Ernährungsgesellschaft, dann kann das durchaus der Gesundheit zuträglich sein. Ganz abgesehen von den Lebensmitteln, ist es nicht nur das Essen selbst, sondern auch der Lebensstil der Südländer, der sich positiv auf die Gesundheit auswirkt. Das Essensritual, meist lange und in Gesellschaft, spielt in diesen Ländern eine viel wichtigere Rolle. Antonio Trezza: Ja genau! Mediterrane Küche muss man in einem weiteren Rahmen sehen. Auch Schlagworte wie Saisonalität und Regionalität spielen eine große Rolle, weil damit Qualität und Wissen verbunden ist. Viele Italiener haben Tanja Wiesmann, SPAR-Sortimentsmanagerin: »Besonders Olivenöl ist fixer Bestandteil jedes österreichischen Haushaltes geworden.« 38 Expertenrunde Maria Anna Benedikt, Diätologin: »Die tatsächliche Kost dieser Region enthält oft viel mehr Olivenöl als die Rezepte der bekannten Kreta-Diät.« ein präzises Wissen über Lebensmittel-Inhaltsstoffe und deren Verwendung – nehmen wir die Artischocke: Aus diesem Gemüse können fantastische Gerichte kreiert werden, hierzulande finden wir meist nur eine minderwertige Qualität auf der Pizza. Wieser: Was ist mit Fisch? Metka: Darüber lässt sich streiten! Fisch ist und war immer schon rar und daher teuer. Im italienischen 800-Seelen-Ort Campodimele etwa, wo die meisten Hundertjährigen Europas leben, essen die Menschen gar keinen Fisch! Benedikt: Zurzeit kommt der Fischkonsum auch wegen der Atomkatastrophe in Japan immer wieder in die Negativ-Schlagzeilen. Wieser: Deswegen hat SPAR eine Kooperation mit dem WWF abgeschlossen – nachhaltiger und sicherer Fischfang ist SPAR ein besonderes Anliegen. Welche Fische sollte man aus gesundheitlicher Sicht bevorzugen? Mittelmeer-Feeling. Olivenöl, Hülsenfrüchte, Gemüse, Obst, Kräuter, Pasta, Fisch, Nüsse und wenig Salzverwendung prägen die mediterrane Kost. Wichtig ist aber auch der Lebensstil der Südländer, der im Essen ein gemeinsames Erlebnis sieht. Metka: Die Sardine, mit essenziellem Omega 3 und hochwertigem Eiweiß, ist sehr gesund. Sardinen haben wenig Schadstoffe, weil sie nicht lange leben. Auch heimische Fische sind nicht belastet! Wildlachs oder Alpenlachs haben besonders entzündungshemmende Eigenschaften durch das Omega 3. Wieser: Ist nun die mediterrane Küche Gesundheitsvorsorge? Weitgasser: Generell ist zu sagen, dass mehrere medizinische Studien bei Bewohnern der Mittelmeerländer eine geringere Anzahl von HerzKreislauferkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes und Übergewicht festgestellt haben. So beweist etwa Markus Metka, Anti-Aging-Experte: »Wichtiger Gesundheitsaspekt in der mediterranen Kost ist die großzügige Verwendung von Hülsenfrüchten, Kräutern und Nüssen.« 39 eine brandneue Studie, dass man einem Diabetes durch mediterrane Ernährung gut vorbeugen kann. Benedikt: Aus genau diesen Erkenntnissen wurde der Zusammenhang mit der Ernährung in diesen Ländern hergestellt. Deshalb wurden Ernährungsempfehlungen entwickelt, die unter dem Namen Mittelmeer- oder Kreta-Diät bekannt geworden sind. Wobei man aber sagen muss, dass diese Empfehlungen von den tatsächlichen Essgewohnheiten der Mittelmeerländer deutlich abweichen! Die Rezepte enthalten oft viel weniger Fett als die heutige Kost dieser Region. Wieser: Auffallend ist aber, dass in Griechenland, Italien und Spanien die Adipositas-Rate vor allem bei Jugendlichen rapide ansteigt. Wie erklärt sich so eine Entwicklung? Weitgasser: Die Bewohner der Mittelmeerländer halten sich nicht mehr an ihre eigene Ernährungstradition. Es findet eine Veramerikanisierung statt. Auch beim Kochen und Essen muss alles schnell gehen, niemand hat mehr Zeit, auch nicht für ausreichende Bewegung und Lebensqualität. Trezza: Dass das nicht gesund ist, liegt auf der Hand. Für mich als Italiener spielt auch immer das soziale Moment eine wesentliche Rolle: Das gemeinsame Essen mit Familie oder Freunden, sich Zeit nehmen dafür, plaudern und lachen. Wieser: Das ist ein schönes Schlusswort. Vielen Dank für die Diskussion, deren Fazit lautet: Traditionelle unverfälschte mediterrane Kost und südländische Lebensweise – ja bitte! Antonio Trezza, SPAR-Sortimentsmanager: »Für mich als Italiener spielt auch immer das soziale Moment eine wesentliche Rolle.« Voilà: die neuen Bistro Minis! ZZZRHWNHUDW 0LWGHQNQXVSULJNOHLQHQ%DJXHWWHVNDQQPDQ ZXQGHUEDUJHPHLQVDPIUDQ]|VLVFKJHQLHHQ 2EVSRQWDQPLW)UHXQGHQDEHQGVPLWGHU)DPLOLH RGHUHLQIDFKVR]XP6SD%RQDSSpWLW