Neutronensterne von Rishi Horn [email protected] Geschichte: Bereits 1931, also ein Jahr vor der Entdeckung des Neutrons durch Sir James Chadwick, wurden zwei wichtige Schritte zur Beschreibung eines Neutronensterns getan. Subrahmanyan Chandrasekhar leitete die nach ihm benannte Massengrenze MCH her. Diese stellt die Obergrenze der Massen für weiße Zwerge und somit die Untergrenze der Massen für Neutronensterne dar. Noch im selben Jahr schlug Lew Dawidowitsch Landau theoretisch die Existenz von Neutronensternen vor. Er bezeichnete diese noch als „Dichte Sterne“. 1933 beschrieben dann erstmals Walter Baade und Fritz Zwicky die Entstehung eines Neutronensterns. 1939 wurde dessen Masseobergrenze MTOV von Tolman, Oppenheimer und Volkoff hergeleitet. Fast 30 Jahre später, also 1967, erfolgte die erstmalige Entdeckung eines Pulsars durch Bell und Hewish. Entstehung: Sterne erzeugen Energie durch Fusion. Durch die Fusion ist eine positive Energiebilanz nur zu erreichen, solange Elemente mit immer höherer Bindungsenergie pro Nukleon entstehen. Dies ist nur möglich bis Eisen und Nickel entstehen. Diese Elemente haben die höchste Bindungsenergie pro Nukleon. Die Fusion stoppt. Dadurch verringert sich der Strahlungsdruck. Der Gravitationsdruck kann nicht mehr mit genügend Gegendruck kompensiert werden und der Stern kollabiert. Wie sich der Stern in Folge weiterentwickelt, ist abhängig von dessen Kernmasse: • • • Für M ≤ MCH entsteht ein durch den Elektronen-Entartungsdruck stabilisierter weißer Zwerg Für MCH ≤ M ≤ MTOV entsteht ein durch den Neutronenentartungsdruck stabilisierter Neutronenstern Für MTOV ≤ M kollabiert der Stern zu einem schwarzen Loch Entartungsdrücke entstehen da es sich bei Neutronen und Elektronen um Fermionen, also um Spin ½-Teilchen handelt. Diese unterliegen dem Pauli-Prinzip, wonach keine Teilchen mit gleichem Spin das gleiche Energieniveau besetzen dürfen. Hierbei entspricht dem höchsten besetzten Energieniveau die Fermi-Energie: 2 E= h² (3 π ² ρ ) 4πm 3 Hierbei ist h das planksche Wirkungsquantum, m die Masse des Teilchens und ρ die Teilchendichte. Demnach müssen bei dichterer Teilchenbelegung höhere Energieniveaus belegt werden, was im Entartungsdruck resultiert. Der Entartungsdruck von Elektronen ist bei Neutronensternen zu schwach, da Elektronen beim Kollaps in die Protonen „gepresst“ werden. Folgende Gleichung zeigt den entsprechenden Zusammenhang: p+e→n+ν e p steht für das Proton, e für das Elektron, n für das Neutron und νe für das emittierte Neutrino. Der Neutronenentartungsdruck reicht jedoch zur Stabilisierung aus. Theoretische Beschreibung: Aufgrund der extremen Bedingungen im Inneren eines Neutronensterns, ist dessen theoretische Beschreibung sehr schwer bis unmöglich. Dichten, in hauptsächlich aus Neutronen bestehender Materie, die bis zu dem 10fachen der Atomkerndichte betragen können sind auf der Erde nicht zu replizieren. Daher gibt es wenige experimentelle Daten, welche die Varietät der aktuellen Theorien bestätigen oder widerlegen. Die wichtigste Grundlage einer solchen Theorie bildet die Zustandsgleichung. Zustandsgleichung: Ein zur Beschreibung des Neutronensterns gewähltes Modell, wird durch die Zustandsgleichung formuliert. Mit dieser wird das System durch seine thermodynamischen Größen beschrieben. Mit diesen ist es möglich die Tolman-Oppenheimer-Volkoff-Gleichung (TOV-Gleichung) zu lösen und eine Massenobegrenze zu bestimmen. Werden Neutronensterne größerer Massen entdeckt, ist das entsprechende Modell auszuschließen. Die Massenobergrenze eines Modells legt fest, ab welcher theoretischen Kernmasse ein Neutronenstern nicht mehr stabil sein kann und zu einem schwarzen Loch kollabiert. TOV-Gleichung: Die TOV-Gleichung basiert auf dem hydrostatischen Druck p und der Gravitationskraft F. Mit einer einfachen mathematischen Herleitung erhält man dann die TOV-Gleichung: dp −G ε(r )M (r ) = dr r ²c² Hierbei steht r für den Radius, G für die Gravitationskonstante, ε für die Energiedichte, M für die Sternmasse und c für die Lichtgeschwindigkeit. Die Gleichung kann dann durch die Multiplikation mit speziellen und allgemeinen relativistischen Korrekturfaktoren ergänzt werden. Hyperonisation: Ab Dichten, welche in etwa der Atomkerndichte entsprechen, wird die Fermi-Energie hoch genug, womit die Erzeugung von Strange-Quarks energetisch günstig wird. Energetisch günstig, da die Strangeness einen weiteren Freiheitsgrad bietet. Die geringere Fermi-Energie bedeutet allerdings auch, dass sich der Fermidruck verringert und somit die Zustandsgleichung weicher wird. Das bedeutet, dass es sich um Materie handelt, welche dem Gravitationsdruck schlechter standhalten kann. Die Folge davon ist, dass Zustandsgleichungen, welche die Hyperonisation berücksichtigen, eine vergleichsweise geringe Massenobergrenze haben. Diese sind derzeit mit beobachteten Neutronensternen nicht vereinbar. Die Möglichkeit kann aber noch nicht vollständig ausgeschlossen werden. Eigenschaften: Ein theoretischer durchschnittlicher Neutronenstern hat eine Masse von ungefähr 1.4 Sonnenmassen, einen Radius von 10 km und eine Oberflächengravitation von 2 X 1012 ms-2. Aufbau: Zur theoretischen Beschreibung wird der Neutronenstern in Atmosphäre, äußere und innere Kruste sowie äußeren und inneren Kern aufgeteilt. Diese Bereiche sind nicht diskret voneinander getrennt sonder gehen vielmehr fließend ineinander über. Manche der Übergangsmechanismen sind noch nicht vollkommen verstanden. Atmosphäre: Abhängig von der Temperatur kann diese Schicht zwischen ca. 10cm bei 106K und wenigen Millimetern bei ca. 105K dick sein. Die Atmosphäre befindet sich im Plasmazustand. Sie setzt sich aus Eisen, Wasserstoff, Helium und Kohlenstoff zusammen. Ihr Dichte beträgt bis zu 5 X 10-9ρ0, wobei ρ0 die Dichte eines Atomkerns ist (ρ0= 2 X 1014gcm-3). Da diese Schicht durch den Strahlungsdruck des Neutronensterns stabilisiert wird, sind auch Neutronensterne ohne Atmosphäre möglich. Äußere Kruste: Diese Schicht ist mehrere hundert Meter dick und kann Dichten von bis zu 0.002ρ0 aufweisen. Sie besteht größtenteils aus schweren Elementen wie Eisen, welche aufgrund der hohen Dichten in einer Gitterstruktur angeordnet sind. Die Beschreibung erfolgt über ein Elektronengas Modell. Dabei ist der Grad der Entartung abhängig von der Tiefe in der sich die Teilchen befinden. Bei größeren Tiefen degeneriert das Elektronengas bis zu einem idealen Fermigas. Diese Schicht wird durch den Elektronen-Entartungsdruck stabilisiert, der mit steigender Tiefe immer Größer wird. Innere Kruste: Diese Schicht hat eine Dicke von etwa 1km und kann Dichten von bis zu 0.5ρ0 aufweisen. Diese Schicht besteht aus Neutronen, neutronenreichen Kernen sowie freien Neutronen. Das Auftreten freier Neutronen kommt durch das sog. „neutron-dripping“ zustande. Das bedeutet, dass bei Neutronenreichen Kernen das emittieren einzelner Neutronen energetisch günstiger wird. Dadurch trägt auch die starke Wechselwirkung zur Stabilisierung dieser Schicht bei. Aufgrund der hohen Dichten bestehen nur geringe Abstände zwischen den Teilchen, womit die starke Wechselwirkung repulsiv wirkt. Äußerer Kern: Diese Schicht hat eine Dicke von mehreren Kilometern und weist Dichten zwischen 0.5 und 2ρ0 auf. Sie besteht hauptsächlich aus Neutronen mit einigen Prozent suprafluider Protonen sowie Elektronen und Myonen. Die Materie ist elektrisch neutral und befindet sich im βGleichgewicht. Innerer Kern: Der innere Kern hat einen Radius von mehreren Kilometern und weist Dichten bis zu 10ρ0 auf. Diese Materie ist aufgrund der hohen Dichten und der starken Konzentration an Neutronen weitestgehend unverstanden. Aktuelle Forschung: Die Beobachtung von Neutronensternen erweist sich als äußerst schwierig zum einen wegen des geringen Radius, zum anderen aber auch wegen der geringen Leuchtkraft, die etwa zehn Größenordnungen kleiner ist als jene des Vorgängersterns. Somit müssen die hohe Gravitation und das emittierte Spektrum des Neutronensterns angemessen werden. Messmethoden: Atmosphärenstrahlung: Die direkte Messung des abgestrahlten Spektrums bildet eine Ausnahme. Über derartige Messungen können dann Eigenschaften wie Temperatur oder Atmosphärenzusammensetzung des Neutronensterns ermittelt werden. Kepller'scher Gesetze: Diese Messmethode kann nur in einem Doppelsternsystem angewandt werden. Wichtig ist die gute Beobachtbarkeit des Begleitsterns. Damit sind dann über verschiedene Observablen Massen und Bahnen beider Sterne bestimmbar. Pulsare: Ein Pulsar ist eine besondere Art von Neutronenstern mit verschiedenen Eigenschaften. Pulsare rotieren mit mehreren hundert Hz. Diese kommt von der Rotation des Vorgängersterns. Durch den Kollaps des Sterns verringert sich der Radius stark, was aufgrund des Pirouetteneffektes zu einer Verstärkung der Rotation führt. Vom Vorgängerstern erhält der Pulsar auch ein Magnetfeld, welches aufgrund der hohen Frequenz und der hohen Dichte Stärken von bis zu 108T aufweisen kann. Durch dieses Magnetfeld wird jede vom Neutronenstern ausgehende Strahlung in von den Polen ausgehende Jets fokussiert. Der Pulsar kann folglich nur wahrgenommen werden, wenn der Beobachter von diesem Jet überdeckt wird. Shapiro-Verzögerung: Dies ist eine relativistische Verzögerung von Licht, welches einen Bereich starker Gravitation durchquert. Diese Methode kann auf Pulsare in Doppelsternsystemen angewandt werden. Die stark regelmäßige Strahlung des Pulsars, erfährt eine Verzögerung in Abhängigkeit davon ob der Begleitstern zwischen Beobachter und Neutronenstern steht. Dadurch ist es möglich die Masse des Begleitsterns und damit indirekt die Masse des Neutronensterns zu bestimmen. Ausblick: Messungen werden nicht nur an Neutronensternen direkt vorgenommen sondern auch in Labors um die Materie im Inneren besser verstehen zu können. Dies geschieht z.B. indem schwere Ionen kollidiert werden, um die Materiedichte nachvollziehen zu können. Auch eine Größe, welche die Komprimierung der Materie nicht beachtet, dafür aber die Asymmetrie zwischen Neutronen und Protonen widerspiegelt, die Neutronenhaut, wird untersucht. Da allerdings das Innere eines Neutronensterns nicht nachgebildet werden kann, werden Messungen an Neutronensternen nach wie vor vorgenommen.