Kapitel 1.2 Aussagenlogik: Semantik

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Kapitel 1.2
Aussagenlogik: Semantik
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Übersicht
1.2.1 Interpretationen der al. Formeln
1.2.2 Zentrale semantische Begriffe
1.2.3 Der semantische Folgerungsbegriff
1.2.4 Al. Formeln als Darstellungen Boolescher Funktionen
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Vorgehensweise
Wir interpretieren nun Formeln als (zusammengesetze) Aussagen. Dabei
werden die Aussagenvariablen als atomare Aussagen aufgefasst und die
Junktoren als die durch diese bezeichneten Verknüpfungen interpretiert.
Hierbei gehen wir davon aus, dass jede der atomaren Aussagen entweder
wahr oder falsch ist (“tertium non datur’). Wir zeigen dann, wie sich der
Wahrheitswert einer al. Formel ϕ aus den Wahrheitswerten der in der Formel
vorkommenden Aussagenvariablen eindeutig bestimmen lässt (Kapitel 1.2.1).
Hierzu führen wir zunächst (Variablen-)Belegungen B ein, die den
Aussagenvariablen Wahrheitswerte (genauer: die entsprechenden Bits)
zuordnen. Dann definieren wir induktiv nach dem Formelaufbau
korrespondierende Bewertungen B̂ der al. Formeln, wobei wir - wie bereits
gesagt - die Junktoren durch die bereits in Kapitel 1.0 eingeführten
zugehörigen Wahrheitsfunktionen interpretieren. Dabei ordnet jede Belegung
B, die allen Variablen in einer Formel ϕ einen Wahrheitswert zuordnet, der
Formel ϕ einen eindeutig bestimmten Wahrheitwert - nämlich B̂(ϕ) - zu,
wobei dieser Wert nur von der Belegung der in ϕ vorkommenden Variablen
abhängt (Koinzidenzlemma).
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Vorgehensweise
Wir führen dann die zentralen semantischen Begriffe der Logik ein wie
Allgemeingültigkeit und Erfüllbarkeit von Formeln sowie den (semantischen)
Folgerungs- und Äquivalenzbegriff für Formeln (Kapitel 1.2.2), und erweitern
diese Begriffe auf Formelmengen (Kapitel 1.2.3).
Schließlich beobachten wir, dass man al. Formeln als Darstellungen
Boolescher Funktionen auffassen kann (Kapitel 1.2.4).
(In Kapitel 1.3 werden wir dann zeigen, dass sich jede Boolesche Funktion
derart darstellen lässt.)
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1.2.1 Interpretationen der al. Formeln
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Belegungen der Aussagenvariablen
Sei im Folgenden V eine nichtleere (endliche oder unendliche) Menge von
Aussagenvariablen und sei F (V ) = {ϕ : V (ϕ) ⊆ V } die Menge der al. Formeln,
die nur Variablen aus V enthalten.
DEFINITION. Eine Belegung B der Variablenmenge V ist eine Abbildung
B : V → {0, 1} (wobei wir die Bits 0 und 1 als die Wahrheitswerte F und W
interpretieren).
Wir fassen also Aussagenvariablen A als atomare Aussagen auf, und Belegungen
ordnen den atomarer Aussagen einer gegebenen Menge solcher Aussagen jeweils
einen eindeutig bestimmten Wahrheitswert zu.
Mit B(V ) bezeichnen wir die Menge aller Belegungen der Variablenmenge V .
NB: Für endliches V gibt es 2|V | verschiedene Variablenbelegungen (wobei |V |
die Mächtigkeit von V - d.h. die Anzahl der Elemente von V - ist): |B(V )| = 2|V |
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Bewertungen der al. Formeln
Jede Belegung B einer Variablenmenge V induziert eine zugehörige Bewertung B̂
der al. Formeln in F (V ).
DEFINITION. Die zu der Belegung B : V → {0, 1} gehörende Bewertung B̂ der
aussagenlogischen Formeln in F (V ) ist induktiv wie folgt definiert (Ind(ϕ)):
1. ϕ ≡ A: B̂(A) := B(A)
2. ϕ ≡ ¬ψ: B̂(¬ψ) := f¬ (B̂(ψ))
3. ϕ ≡ (ϕ1 ∗ ϕ2 ): B̂(ϕ1 ∗ ϕ2 ) := f∗ (B̂(ϕ1 ), B̂(ϕ2 ))
Hierbei ist f∗ die Boolesche Funktion, die den Junktor ∗ interpretiert (s. Kapitel
1.0). Es gilt also:
B̂(¬ψ)
B̂(ϕ1 ∨ ϕ2 )
B̂(ϕ1 ∧ ϕ2 )
B̂(ϕ1 → ϕ2 ) = 1
B̂(ϕ1 ↔ ϕ2 ) = 1
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= 1 − B̂(ψ)
= max(B̂(ϕ1 ), B̂(ϕ2 ))
= min(B̂(ϕ1 ), B̂(ϕ2 ))
⇔ B̂(ϕ1 ) ≤ B̂(ϕ2 )
⇔ B̂(ϕ1 ) = B̂(ϕ2 )
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Bewertungen der al. Formeln: Notationen und Beispiel
NOTATION. Im Folgenden bezeichnen wir die von einer Belegung B induzierte
Bewertung B̂ häufig einfachheitshalber ebenfalls mit B. Wir sagen, dass die
Belegung B die Formel ϕ wahr macht (falsch macht), falls B(ϕ) = 1 (B(ϕ) = 0)
gilt.
BEISPIEL. Sei V = {A, B, C , D} und sei die Belegung B : V → {0, 1} durch
B(A) = B(B) = B(D) = 1 & B(C ) = 0
gegeben und sei ϕ die Formel ϕ ≡ ¬(A ↔ C ) ∧ ¬D. Dann gilt: B(ϕ) = 0. Man
kann dies zeigen, indem man induktiv die Wahrheitswerte der Teilformeln ψ von
ϕ bezüglich B bestimmt:
ψ
B(ψ)
A
1
B
1
C
0
D
1
(A ↔ C )
0
¬D
0
¬(A ↔ C )
1
ϕ
0
Dies entspricht gerade dem Vorgehen, dass man den Knoten im Strukturbaum (die für die entsprechenden Teilformeln stehen)
von den Blättern aus rekursiv Wahrheitswerte zuordnet, wobei ein mit A markiertes Blatt den Wert B(A) erhält und ein mit ¬
(bzw. ∗) markierter innerer Knoten, dessen Sohn den Wert i hat (bzw. dessen Söhne die Werte i0 und i1 haben) der Wert f¬ (i)
(bzw. f∗ (i0 , i1 )) zugeordnet wird. Der Wert der Wurzel ist dann gerade B(ϕ).
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Koinzidenzlemma
Betrachten wir die Bewertung B(ϕ) einer Formel ϕ bzgl. einer Belegung
B : V → {0, 1}, wobei V (ϕ) echt in V enthalten ist, so hängt der Wert von B(ϕ)
nur von der Belegung B(A) der in ϕ vorkommenden Variablen A ab:
KOINZIDENZLEMMA. Seien Bi : Vi → {0, 1} (i = 0, 1) Belegungen, sei ϕ eine
al. Formel deren Aussagenvariablen in V0 und V1 liegen, und stimmen B0 und B1
auf den in ϕ vorkommenden Variablen überein (d.h. V (ϕ) ⊆ V0 ∩ V1 und
B0 � V (ϕ) = B1 � V (ϕ)). Dann gilt B̂0 (ϕ) = B̂1 (ϕ).
Beweis durch Ind(ϕ):
1. ϕ ≡ A: Dann gilt wegen A ∈ V (ϕ) nach Annahme B0 (A) = B1 (A). Also:
B̂0 (ϕ) = B̂0 (A) = B0 (A) = B1 (A) = B̂1 (A) = B̂1 (ϕ)
2. ϕ ≡ ¬ψ: Dann gilt nach I.V. B̂0 (ψ) = B̂1 (ψ). Also:
B̂0 (ϕ) = 1 − B̂0 (ψ) = 1 − B̂1 (ψ) = B̂1 (ϕ)
3. ϕ ≡ ϕ1 ∗ ϕ2 : Folgt analog aus der I.V.
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1.2.2 Zentrale semantische Begriffe
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Zentrale semantische Begriffe: Überblick
Jede Belegung B der Variablen einer al. Formel ϕ führt zu einer Bewertung
B(ϕ) von ϕ, gibt also eine mögliche Interpretation von ϕ. Wir führen hierauf
nun die Begriffe der Allgemeingültigkeit, Erfüllbarkeit und
Widersprüchlichkeit von al. Formeln zurück:
�
�
�
Die Formel ϕ ist allgemeingültig, wenn alle Belegungen ihrer Variablen
die Formel wahrmachen.
Die Formel ϕ ist erfüllbar, wenn zumindest eine der Belegungen ihrer
Variablen die Formel wahrmacht.
Die Formel ϕ ist widerspüchlich, wenn keine Belegungen ihrer Variablen
die Formel wahrmachen.
Weiter definieren wir die (semantische) Implikation (Folgerung) und
Äquivalenz für Formelpaare. Dabei impliziert eine Formel ϕ eine Formel ψ
(oder: folgt ψ aus ϕ), wenn jede Belegung, die ϕ wahrmacht auch ψ
wahrmacht, und ϕ uns ψ sind äquivalent, wenn sie von denselben
Belegungen wahrgemacht werden, also bzgl. aller Interpretationen denselben
Wahrheitswert haben.
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Zentrale semantische Begriffe: Überblick (Forts.)
Wir werden dann ausführlich auf grundlegende Eigenschaften dieser
Konzepte eingehen und wichtige Beispiele geben.
In Kapitel 1.2.3 werden wir die Begriffe der Erfüllbarkeit und der
semantischen Folgerung (d.h. Implikation) auf Formelmengen ausdehnen.
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Definition erster zentraler semantischer Konzepte der AL
DEFINITION 1. Sei ϕ eine al. Formel.
(i) ϕ ist allgemeingültig (oder logisch wahr oder eine Tautologie; kurz: ag[ϕ]),
falls jede Belegung der Variablen in ϕ die Formel ϕ wahrmacht, d.h. falls
Für alle Belegungen B : V (ϕ) → {0, 1} gilt B(ϕ) = 1.
gilt.
(ii) ϕ ist erfüllbar (kurz: erfb[ϕ]), falls es zumindest eine Belegung der Variablen
in ϕ gibt, die die Formel ϕ wahrmacht, d.h. falls
Es gibt (zumindest) eine Belegung B : V (ϕ) → {0, 1} mit B(ϕ) = 1.
gilt.
(ii) ϕ ist kontradiktorisch(oder widersprüchlich; kurz: kd[ϕ]), falls es keine
Belegung der Variablen in ϕ gibt, die die Formel ϕ wahrmacht, d.h. falls
Für alle Belegungen B : V (ϕ) → {0, 1} gilt B(ϕ) = 0.
gilt.
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Definition erster zentraler semantischer Konzepte der AL
Anschaulich:
Die durch eine allgemeingültige Formel ϕ dargestellten Aussagen sind immer
wahr - egal welche ihrer atomaren Aussagen wahr oder falsch sind.
Entsprechend sind die durch eine kontradiktorische Formel ϕ dargestellten
Aussagen immer falsch - egal welche ihrer atomaren Aussagen wahr oder
falsch sind.
Ist eine Formel ϕ erfüllbar, so ist zumindest eine der dargestellten Aussagen,
deren atomare Aussagen geeignet gewählt sind, wahr. Es ist aber möglich,
dass bei anderer Wahl der vorkommenden atomaren Aussagen, die Aussage
falsch wird.
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Beispiele von Tautologien
Wir geben nun eine Reihe von Tautologien an, die häufig verwendeten logischen
Gesetzen entsprechen:
LEMMA 1. Die folgenden al. Formeln sind Tautologien:
(i) A ∨ ¬A (Tertium non datur)
(ii) A → A (Selbstimplikation)
(iii) A → A ∨ B (Hintere Abschwächung)
(iv) A ∧ B → A (Vordere Abschwächung)
(v) (A → B) ∧ (B → C ) → (A → C ) (Kettenregel)
(vi) (A ∨ B) ∧ (A → C ) ∧ (B → C ) → C (Gesetz der Fallunterscheidung)
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Beispiele von Tautologien: Beweis von Lemma 1
Zum Nachweis, dass eine Formel ϕ eine Tautologie ist, zeigt man, dass jede
Belegung B von V (ϕ) die Formel ϕ wahrmacht. Hierzu berechnet man induktiv
die Werte B(ψ) für alle (oder für geeignete) Teilformeln ψ von ϕ (wobei für die
vorkommenden Variablen A der Wert von B(A) gerade durch die Belegung
festgelegt ist).
Wir führen dies für die Formel ϕ ≡ (A → B) ∧ (B → C ) → (A → C ) aus Teil (v)
exemplarisch aus, wobei in der folgenden Tabelle die einzelnen Zeilen den
möglichen Variablenbelegungen entsprechen und wir ψ :≡ (A → B) ∧ (B → C )
setzen:
B(A)
0
0
0
1
0
1
1
1
B(B)
0
0
1
0
1
0
1
1
B(C )
0
1
0
0
1
1
0
1
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B(A → B)
1
1
1
0
1
0
1
1
B(B → C )
1
1
0
1
1
1
0
1
B(A → C )
1
1
1
0
1
1
0
1
Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
B(ψ)
1
1
0
0
1
0
0
1
B(ϕ)
1
1
1
1
1
1
1
1
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Zusammenhänge zwischen ag, erfb und kd
Die Begriffe der Allgemeingültigkeit, der Erfüllbarkeit und der Widersprüchlichkeit
hängen wie folgt zusammen:
LEMMA 2.
(i) Ist ϕ allgemeingültig, so ist ϕ auch erfüllbar:
ag[ϕ] ⇒ erfb[ϕ]
Die Umkehrung gilt jedoch i.a. nicht.
(ii) ϕ ist genau dann allgemeingültig, wenn ¬ϕ kontradiktorisch ist:
ag[ϕ] ⇔ kd[¬ϕ]
(iii) ϕ ist genau dann erfüllbar, wenn ϕ nicht kontradiktorisch ist:
erfb[ϕ] ⇔ nicht kd[ϕ]
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Zusammenhänge zwischen ag, erfb und kd:
Beweis von Lemma 2
Der positive Teil der Aussage (i) und die Aussage (iii) folgen direkt aus
Definition 1.
Dass in (i) die Umkehrung nicht gilt, zeigt das Beispiel der atomaren Formel
ϕ ≡ A. Diese ist erfüllbar, da es die Belegung B(A) = 1 gibt, die ϕ
wahrmacht. ϕ ist aber nicht allgemeingültig, da die Belegung B � (A) = 0 die
Formel ϕ falsch macht.
Behauptung (iii) folgt unmittelbar aus Definition 1 und der Definition der
Bewertungen: Wegen V (ϕ) = V (¬ϕ) genügt es zu beobachten, dass
B(ϕ) = 1 ⇔ B(¬ϕ) = 0
für jede Belegung B : V (ϕ) → {0, 1} gilt.
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Allgemeingültigkeit und Erfüllbarkeit von Disjunktionen
und Konjunktionen
LEMMA 3.
(i) Eine Konjunktion ϕ ∧ ψ ist genau dann allgemeingültig, wenn die beiden
Konjunktionsglieder ϕ und ψ allgemeingültig sind:
ag[ϕ ∧ ψ] ⇔ ag[ϕ] und ag[ψ]
(ii) Ist zumindest eine der Formeln ϕ und ψ allgemeingültig, so auch deren
Disjunktion ϕ ∨ ψ: ag[ϕ] oder ag[ψ] ⇒ ag[ϕ ∨ ψ]
Die Umkehrung gilt jedoch i.a. nicht.
(iii) Eine Disjunktion ϕ ∨ ψ ist genau dann erfüllbar, wenn zumindest eines der
Disjunktionsglieder ϕ und ψ erfüllbar ist: erfb[ϕ ∨ ψ] ⇔ erfb[ϕ] oder erfb[ψ]
(iv) Ist die Konjunktion ϕ ∧ ψ erfüllbar, so sind auch deren Konjuktionsglieder ϕ
und ψ erfüllbar:
erfb[ϕ ∧ ψ] ⇒ erfb[ϕ] und erfb[ψ]
Die Umkehrung gilt jedoch i.a. nicht.
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Allgemeingültigkeit und Erfüllbarkeit von Disjunktionen
und Konjunktionen: Beweis von Lemma 3
Da die Beweise der einzelnen Teile sehr ähnlich sind, beweisen wir nur Teil (ii):
ag[ϕ] oder ag[ψ]
⇒ Für alle B : V (ϕ) → {0, 1} gilt B(ϕ) = 1
oder
Für alle B : V (ψ) → {0, 1} gilt B(ψ) = 1
(Definition von ag)
⇒ Für alle B : V (ϕ ∨ ψ) → {0, 1} gilt B(ϕ) = 1
oder
Für alle B : V (ϕ ∨ ψ) → {0, 1} gilt B(ψ) = 1
(Koinzidenzlemma)
⇒ Für alle B : V (ϕ ∨ ψ) → {0, 1} gilt
B(ϕ) = 1 oder B(ψ) = 1
(Trivial)
(Weiter auf der nächsten Folie)
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Allgemeingültigkeit und Erfüllbarkeit von Disjunktionen
und Konjunktionen: Beweis von Lemma 2 (Forts.)
⇒
Für alle B : V (ϕ ∨ ψ) → {0, 1} gilt
B(ϕ ∨ ψ) = 1
(Induktive Definition der Bewertungen)
⇒
ag[ϕ ∨ ψ]
(Definition von ag)
In der obigen Folgerungskette lassen sich alle Implikationen bis auf die rot
markierte umkehren. Dass die Umkehrung i.a. nicht korrekt ist zeigt folgendes
Beispiel:
Setzt man ϕ :≡ A und ψ :≡ ¬A, so ist ϕ ∨ ψ ≡ A ∨ ¬A allgemeingültig, da für
jede Belegung B von V (ϕ ∨ ψ) = {A} entweder B(A) = 1 oder B(¬A) = 1 gilt,
also B(ϕ ∨ ψ) = B(A ∨ ¬A) = max(B(A), B(¬A)) = 1. Wie wir bereits gesehen
haben, ist aber weder A noch ¬A allgemeingültig.
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Definition weiterer zentraler semantischer Konzepte der AL
DEFINITION 2. Seien ϕ und ψ al. Formeln.
(i) ϕ und ψ sind äquivalent (kurz: ϕ äq ψ), falls
Für alle Belegungen B : V (ϕ) ∪ V (ψ) → {0, 1} gilt B(ϕ) = B(ψ).
gilt.
(ii) ϕ impliziert ψ oder ψ folgt aus ϕ (kurz: ϕ impl ψ), falls
Für alle Belegungen B : V (ϕ) ∪ V (ψ) → {0, 1} gilt: B(ϕ) = 1 ⇒ B(ψ) = 1.
gilt.
Anschaulich: Bei gleicher Interpretation der vorkommenden atomaren Aussagen haben also durch äquivalente Formeln ϕ und ψ
dargestellte Aussagen denselben Wahrheitswert, wogegen für Formeln ϕ und ψ, wobei ψ aus ϕ folgt, jede Interpretation der
atomaren Formeln, die die ϕ entsprechende Aussage wahrmacht, auch die ψ entsprechende Aussage wahrmacht.
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Implikation und Äquivalenz: Syntax vs. Semantik
In der vorhergehenden Definition haben wir die semantische Implikation und
Äquivalenz eingeführt. Auf der syntaktischen Ebene stehen diesen die
entsprechenden Junktoren → und ↔ gegenüber, die wir auch als syntaktische
Implikation und Äquivalenz bezeichnen. Mit Hilfe des (semantischen) Begriffs der
Allgemeingültigkeit lassen sich semantische Implikation und Äquivalenz auf
syntaktische Implikation und Äquivalenz (und umgekehrt) wie folgt zurückführen:
LEMMA 4. Seien ϕ und ψ al. Formeln.
(i) ϕ impliziert ψ genau dann, wenn die Formel ϕ → ψ allgemeingültig ist:
ϕ impl ψ ⇔ ag[ϕ → ψ]
(ii) ϕ und ψ sind genau dann äquivalent, wenn die Formel ϕ ↔ ψ
allgemeingültig ist:
ϕ äq ψ ⇔ ag[ϕ ↔ ψ]
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Implikation und Äquivalenz: Beweis von Lemma 4
Wir beweisen den ersten Teil des Lemmas (Beweis des zweiten Teils: Übung).
Dabei sei B die Menge aller Belegungen von V (ϕ) ∪ V (ψ).
ϕ impl ψ
⇔
∀ B ∈ B : B(ϕ) ≤ B(ψ)
(Nach Definition von impl und dem Koinzidenzlemma)
⇔
∀ B ∈ B : B(ϕ → ψ) = 1
(Nach Definition der Bewertungen B und dem Koinzidenzlemma)
⇔ ag[ϕ → ψ]
(Nach Definition von ag und dem Koinzidenzlemma)
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Implikation und Äquivalenz: Einfache Eigenschaften
Als nächsten beschreiben wir den Zusammenhang zwischen Implikation und
Äquivalenz, und zeigen, dass beide Relationen reflexiv und transitiv sind und die
Äquivalenz zusätzlich symmetrisch. Die Implikation ist also eine Präordnung auf
den al. Formeln und die Äquivalenz eine Äquivalenzrelation. Hierbei gilt für eine
2-stellige Relation R (in Infixschreibweise):
R is reflexiv, falls xRx für alle x gilt.
R is transitiv, falls für alle x, x, z mit xRy und yRz auch xRz gilt.
R ist symmetrisch, falls für alle x, y mit xRy auch yRx gilt.
LEMMA 5. (BEWEIS: Übung)
(i) A impl A
und
A äq A
(ii) A impl B und B impl C ⇒ A impl C
A äq B und B äq C ⇒ A äq C
und
(iii) A impl B und B impl A ⇒ A äq B
(iv) A äq B ⇒ B äq A
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Boolesche Gesetze
Eine weitere einfache Beobachtung über die Äquivalenz ist, dass diese die
Booleschen Gesetze (= Axiome der Booleschen Algebren) erfüllt.
Wir formulieren diese Gesetze zunächst für die Mengenlehre. Hierbei sei V eine
beliebige nichtleere Grundmenge, A, B, C Teilmengen von V und A das
Komplement von A (relativ zu V ; d.h. A = {x ∈ V : x �∈ A}). Wie üblich
bezeichnen ∪ und ∩ Vereinigung und Durchschnitt und ∅ die leere Menge.
A ∩ B = B ∩ A und A ∪ B = B ∪ A
A ∩ (B ∩ C ) = (A ∩ B) ∩ C
A ∪ (B ∪ C ) = (A ∪ B) ∪ C
A∪A=A=A∩A
A ∩ (B ∪ C ) = (A ∩ B) ∪ (A ∩ C )
A ∪ (B ∩ C ) = (A ∪ B) ∩ (A ∪ C )
A ∩ (B ∪ A) = A = A ∪ (A ∩ B)
A ∪ A = V und A ∩ A = ∅
A = A und ∅ = V und V = ∅
(A ∩ B) = A ∪ B
(A ∪ B) = A ∩ B
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Kommutativgesetze
Assoziativgesetze
Idempotenzgesetze
Distributivgesetze
Absorptionsgesetze
Komplementgesetze
De Morgansche Gesetze
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Boolesche Gesetze (Forts.)
Die Booleschen Gesetze übertragen sich von der Mengenlehre auf die
Aussagenlogik, wenn wir folgende Ersetzungen vornehmen:
Mengenlehre
Aussagenlogik
Teilmenge A von V
=
A
A∩B
A∪B
∅
V
Aussagenvariable A
äq
¬A
A∧B
A∨B
A ∧ ¬A
A ∨ ¬A
Es gilt also:
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Boolesche Gesetze (Forts.)
LEMMA 6 (Boolesche Gesetze). Die folgenden Formeln sind allgemeingültig:
A ∧ B äq B ∧ A und A ∨ B äq B ∨ A
A ∧ (B ∧ C ) äq (A ∧ B) ∧ C
A ∨ (B ∨ C ) äq (A ∨ B) ∨ C
A ∨ A äq A und A ∧ A äq A
A ∧ (B ∨ C ) äq (A ∧ B) ∨ (A ∧ C )
A ∨ (B ∧ C ) äq (A ∨ B) ∧ (A ∨ C )
A ∧ (B ∨ A) äq A und A ∨ (A ∧ B) äq A
A ∨ ¬A äq A ∨ ¬A und A ∧ ¬A äq A ∧ ¬A
¬¬A äq A
¬(A ∧ ¬A) äq A ∨ ¬A und ¬(A ∨ ¬A) äq A ∧ ¬A
¬(A ∧ B) äq ¬A ∨ ¬B
¬(A ∨ B) äq ¬A ∧ ¬B
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Boolesche Gesetze - Beweis von Lemma 6
Die Booleschen Gesetze für die AL in Lemma 6 lassen sich aus den jeweils
entsprechenden Booleschen Gesetzen der Mengenlehre mit Hilfe der folgenden
(Rück-)Übersetzung ableiten:
Da in den betrachteten Formeln ϕ nur die Variablen A, B und C vorkommen, also
V (ϕ) ⊆ {A, B, C } gilt, genügt es Belegungen dieser Variablen zu betrachten.
Definieren wir V := B({A, B, C }) als die Menge aller dieser Belegungen und
ordnen wir einer Formel ϕ die Menge ϕ̂ := {B ∈ V : B(ϕ) = 1} der Belegungen
zu, die ϕ wahrmachen, so gilt nach Definition der Äquivalenz (mit dem
Koinzidenzlemma):
(1) ϕ äq ψ ⇔ ϕ̂ = ψ̂
Weiter gilt nach Definition der Bewertungen
sowie
�
�
(2) ϕ
∨ ψ = ϕ̂ ∪ ψ̂ und ϕ
∧ ψ = ϕ̂ ∩ ψ̂ und ¬ϕ
� = ϕ̂
(3) A�
∨ ¬A = V und A�
∧ ¬A = ∅.
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Boolesche Gesetze - Beweis von Lemma 6 (Fortsezung)
Dass sich mit Hilfe dieser Definitionen und Beobachtungen die Booleschen
Gesetze für AL direkt aus den korrespondierenden Booleschen Gesetze der
Mengenlehre ergeben, illustrieren wir am Beispiel des 1. Distributivgesetzes:
A ∧ (B ∨ C ) äq (A ∧ B) ∨ (A ∧ C )
�
⇔ A ∧�
(B ∨ C ) = (A ∧ B)
∨ (A ∧ C )
(nach (1))
⇔ Â ∩ (B̂ ∪ Ĉ ) = (Â ∩ B̂) ∪ (Â ∩ Ĉ )
(nach (2))
(Ende Beweis Lemma 6)
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Einige weitere Äquivalenzen
Die in Lemma 6 aufgelisteten Booleschen Gesetze fassen die wichtigsten
semantischen Äquivalenzen von mit Hilfe der Junktoren ¬, ∨ und ∧ gebildeten
Formeln zusammen. Von den Gesetzen für die anderen Junktoren → und ↔
betrachten wir hier noch die Distributivgesetze für → und ∨ bzw. → und ∧:
LEMMA 7.
(i) A → B ∨ C
äq (A → B) ∨ (A → C )
(ii) A → B ∧ C
äq (A → B) ∧ (A → C )
(iii) A ∨ B → C
äq (A → C ) ∧ (B → C )
(iv) A ∧ B → C
äq (A → C ) ∨ (B → C )
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Beweis von Lemma 7
Wir beweisen nur Teil (iii) des Lemmas und überlassen die anderen ähnlich
einfachen Beweise als Übung.
Es genügt für eine gegebene Belegung B der vorkommenden Variablen zu zeigen,
dass
B(A ∨ B → C ) = 1 ⇔ B((A → C ) ∧ (B → C )) = 1
gilt. Dies zeigt man wie folgt:
⇔
⇔
⇔
⇔
⇔
B(A ∨ B → C ) = 1
B(A ∨ B) ≤ B(C )
nach Definition der Bewertungen
max(B(A), B(B)) ≤ B(C )
nach Definition der Bewertungen
B(A) ≤ B(C ) und B(B) ≤ B(C )
B(A → C ) = 1 und B(B → C ) = 1 nach Definition der Bewertungen
B(A → C ) ∧ (B → C ) = 1
nach Definition der Bewertungen
Alternativ kann man Lemma 7 auf die Booleschen Gesetze in Lemma 6
zurückführen, indem man die Äquivalenz ϕ → ψ äq ¬ϕ ∨ ψ verwendet.
Wir werden hierauf in Abschnitt 1.3 genauer eingehen.
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Die Einsetzungsregel
Die vorangehenden Lemmata 1 und 5-7 hätten wir schärfer formulieren können,
indem wir die dort vorkommenden Aussagenvariablen A, B, C durch beliebige al.
Formeln ϕ1 , ϕ2 , ϕ3 ersetzt hätten. Dass dies generell möglich ist, besagt die
folgende Einsetzungsregel:
LEMMA 8 (EINSETZUNGSREGEL). Ist die al. Formel ϕ allgemeingültig, so ist
auch die al. Formel ϕ[ψ/A] allgemeingültig, die aus ϕ durch (simultanes)
Ersetzen aller Vorkommen der Variablen A in ϕ durch die Formel ψ entsteht.
BEISPIEL FÜR EINE EINSETZUNG:
(A ∨ B → ¬A)[¬A ∧ A/A] ≡ (¬A ∧ A) ∨ B → ¬(¬A ∧ A)
BEMERKUNG: Formal lässt sich ϕ[ψ/A] durch Ind(ϕ) definieren:
�
ψ
ϕ (≡ An )
falls An ≡ A
falls An �≡ A
ϕ ≡ An :
ϕ[ψ/A] ≡
ϕ ≡ ¬ϕ1 :
ϕ[ψ/A] ≡ ¬ϕ1 [ψ/A]
ϕ ≡ ϕ1 ∗ ϕ2 :
ϕ[ψ/A] ≡ ϕ1 [ψ/A] ∗ ϕ2 [ψ/A]
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Kapitel 1.2: Semantik der Aussagenlogik
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Die Einsetzungsregel: Beweis
Annahme: ϕ sei allgemeingültig und B : V (ϕ[ψ/A]) → {0, 1} sei eine beliebige
gegebene Belegung der Variablen in ϕ[ψ/A].
Zu zeigen: (∗) B(ϕ[ψ/A]) = 1
Kommt die Variable A in ϕ nicht vor, so gilt ϕ[ψ/A] ≡ ϕ. Wegen der
Allgemeingültigkeit von ϕ ist (∗) also trivialerweise erfüllt.
Im Folgenden dürfen wir daher annehmen, dass A in ϕ vorkommt.
Sei also V (ϕ) = {A, B1 , . . . , Bn } und V (ψ) = {C1 , . . . , Cm } und daher
V (ϕ[ψ/A]) = {B1 , . . . , Bn , C1 , . . . , Cm }.
Definiere die Belegung B � : V (ϕ) → {0, 1} durch
B � (A) := B(ψ) und B � (Bi ) = B(Bi )
Wegen ag[ϕ] gilt B � (ϕ) = 1. Zum Nachweis von (∗) genügt es also
(∗∗) B � (ϕ) = B(ϕ[ψ/A])
zu zeigen.
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Die Einsetzungsregel: Beweis (Fortsetzung)
Wir beweisen (∗∗) B � (ϕ) = B(ϕ[ψ/A]) durch Ind(ϕ):
ϕ ist eine AV: Dann muss ϕ ≡ A (also ϕ[ψ/A] ≡ ψ) gelten und daher:
B � (ϕ)
=
=
=
B � (A)
B(ψ)
B(ϕ[ψ/A])
wegen ϕ ≡ A
nach Definition von B �
wegen ϕ[ψ/A] ≡ ψ
ϕ ≡ ¬ϕ1 : Dann gilt ϕ[ψ/A] ≡ ¬ϕ1 [ψ/A], wobei nach I.V.
B � (ϕ1 ) = B(ϕ1 [ψ/A]). Also:
B � (ϕ)
=
=
=
=
=
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B � (¬ϕ1 )
1 − B � (ϕ1 )
1 − B(ϕ1 [ψ/A])
B(¬ϕ1 [ψ/A])
B(ϕ[ψ/A])
wegen ϕ ≡ ¬ϕ1
nach Definition der Bewertungen
nach I.V.
nach Definition der Bewertungen
wegen ϕ[ψ/A] ≡ ¬ϕ1 [ψ/A]
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Die Einsetzungsregel: Beweis (Ende)
Wir beweisen (∗∗) B � (ϕ) = B(ϕ[ψ/A]) durch Ind(ϕ) (Fortsetzung):
ϕ ≡ ϕ1 ∗ ϕ2 : Diesen Fall führt man im Wesentlichen ebenfalls auf die
I.V. zurück:
Es gilt ϕ[ψ/A] ≡ ϕ1 [ψ/A] ∗ ϕ2 [ψ/A], wobei B � (ϕi ) = B(ϕi [ψ/A]) nach
I.V. gilt, falls A in ϕi vorkommt. Kommt A in ϕi nicht vor, so gilt
jedoch B � (ϕi ) = B(ϕi [ψ/A]) ebenfalls. In diesem Fall gilt nämlich
V (ϕi ) ⊆ {B1 , . . . , Bn } und ϕi ≡ ϕi [ψ/A]. Da B und B � auf den
Variablen Bi übereinstimmen gilt also B � (ϕi ) = B(ϕi ) nach dem
Koinzidenzlemma und damit (wegen ϕi ≡ ϕi [ψ/A])
B � (ϕi ) = B(ϕi [ψ/A]).
Also:
=
=
=
=
=
B � (ϕ)
B � (ϕ1 ∗ ϕ2 )
f∗ (B � (ϕ1 ), B � (ϕ2 ))
f∗ (B(ϕ1 [ψ/A]), B(ϕ2 [ψ/A]))
B(ϕ1 [ψ/A] ∗ ϕ1 [ψ/A])
B(ϕ[ψ/A])
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wegen ϕ ≡ ϕ1 ∗ ϕ2
nach Definition der Bewertungen
s.o.
nach Definition der Bewertungen
wegen ϕ[ψ/A] ≡ ϕ1 [ψ/A] ∗ ϕ2 [ψ/A]
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Die Ersetzungsregel
Zum Abschluss betrachten wir noch die Ersetzungsregel. Diese besagt, dass wir
durch Ersetzen von Teilformeln einer Formel χ durch äquivalente Formeln eine zu
χ äquivalente Formel erhalten:
LEMMA 9 (ERSETZUNGSREGEL). Sei ϕ ↔ ψ allgemeingültig. Dann ist auch
χ ↔ χ(ψ/ϕ) allgemeingültig.
Hierbei bezeichnet χ(ψ/ϕ) eine (i.a. nicht eindeutig bestimmte) Formel χ∗ , die
aus χ durch Ersetzen einiger (von keinem bis allen) Vorkommen der Teilformel ϕ
durch ψ entsteht.
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Die Ersetzungsregel: Beispiel zur Definition von χ(ψ/ϕ)
Seien
χ :≡ ¬(A ∨ ¬¬A) → (¬A ∨ A) und ϕ :≡ ¬A und ψ :≡ ¬¬A
Dann tritt ϕ an 2 Stellen als Teilformel von χ auf:
χ ≡ ¬(A ∨ ¬¬A) → (¬A ∨ A)
Die Formel χ(ψ/ϕ) hat also eine der folgenden 4 möglichen Gestalten (kein
Vorkommen ersetzt, erstes Vorkommen ersetzt, zweites Vorkommen ersetzt, beide
Vorkommen ersetzt):
¬(A ∨ ¬¬A) → (¬A ∨ A)
¬(A ∨ ¬¬¬A) → (¬A ∨ A)
¬(A ∨ ¬¬A) → (¬¬A ∨ A)
¬(A ∨ ¬¬¬A) → (¬¬A ∨ A)
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Die Ersetzungsregel: Formale Definition von χ(ψ/ϕ) und
Beweisidee
Formal definiert man die Menge Sub(χ, ϕ, ψ) aller Varianten χ(ψ/ϕ) von χ durch
Ind(χ), wobei wir die folgenden beiden Fälle unterscheiden:
Ist ϕ ≡ χ, so gilt in jedem Fall Sub(χ, ϕ, ψ) = {χ, ψ}.
Andernfalls gilt:
χ ≡ A:
Sub(χ, ϕ, ψ) = {χ}
χ ≡ ¬χ1 :
Sub(χ, ϕ, ψ) = {¬χ∗1 : χ∗1 ∈ Sub(χ1 , ϕ, ψ)}
χ ≡ χ1 ∗ χ2 :
Sub(χ, ϕ, ψ) = {χ∗1 ∗ χ∗2 : χ∗i ∈ Sub(χi , ϕ, ψ)}
Mit dieser formalen induktiven Beschreibung der möglichen Gestalten von χ(ψ/ϕ)
lässt sich das Ersetzungslemma leicht durch Ind(χ) zeigen: s. Übungen.
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1.2.3 Der semantische Folgerungsbegriff
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Vorbemerkungen
In der Untersuchung einer mathematischen Theorie gehen wir in der Regel von
einer (möglicherweise unendlichen) Menge von Axiomen (den Grundsätzen der
Theorie) aus und betrachten die Aussagen, die aus diesen logisch folgen (die
Theoreme oder (Lehr-)Sätze der Theorie). Um den hierbei verwendeten
semantischen Folgerungsbegriff zu definieren, müssen wir den bereits eingeführten
Folgerungsbegriff
ϕ impl ψ (d.h. ψ folgt aus ϕ)
von einer Formel ϕ auf eine Menge T von Formeln verallgemeinern.
Gleichzeitig verallgemeinern wir den Erfüllbarkeitsbegriff von Formeln ϕ auf
Formelmengen T und zeigen, dass sich der Folgerungbegriff auf den
Erfüllbarkeitsbegriff zurückführen lässt. Hierbei nennen wir eine Formelmenge T
erfüllbar, wenn es eine Belegung gibt, die alle Formeln in T wahrmacht.
Im Folgenden sei T stets eine (möglicherweise unendliche) Menge von al. Formeln
und V (T ) sei die Menge aller Variablen, die in den Formeln aus T vorkommen,
d.h.
�
V (T ) =
V (ϕ)
ϕ∈T
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Erfüllbarkeit von Formelmengen: Definition
Wir betrachten zunächst den verallgemeinerten Erfüllbarkeitsbegriff für
(nichtleere) Formelmengen:
DEFINITION 1. Sei T �= ∅ eine nichtleere Menge al. Formeln mit Variablenmenge
V (T ).
(i) Eine Belegung B : V (T ) → {0, 1} macht die Formelmenge T wahr (kurz:
B � T ), falls B alle Formeln ϕ in T wahrmacht, d.h. wenn gilt:
∀ ϕ ∈ T : B(ϕ) = 1
(ii) Die Formelmenge T is erfüllbar (kurz: erfb[T ]), wenn es eine Belegung B
von V (T ) gibt, die T wahrmacht.
Es gilt also:
erfb[T ] ⇔ ∃ B ∈ B(V (T )) : B � T ⇔ ∃ B ∈ B(V (T )) ∀ ϕ ∈ T : B(ϕ) = 1
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Erfüllbarkeit von Formelmengen: Bemerkungen
BEMERKUNG 1. Enthält T nur eine Formel ϕ (d.h. T = {ϕ}), so macht B die
Formelmenge T genau dann wahr, wenn B die Formel ϕ wahrmacht. Schreiben
wir statt B � {ϕ} kurz B � ϕ, so gilt also
B � {ϕ} ⇔ B � ϕ ⇔ B(ϕ) = 1
Es folgt, dass die Formelmenge T = {ϕ} genau dann erfüllbar ist, wenn die
Formel ϕ erfüllbar ist. Die Erfüllbarkeit für Formelmengen verallgemeinert daher
die Erfüllbarkeit für Formeln.
BEMERKUNG 2. Ist T erfüllbar, so ist offensichtlich jede Formel ϕ ∈ T erfüllbar.
Die Umkehrung gilt jedoch i.a. nicht, da die Erfüllbarkeit von T verlangt, dass es
eine Belegung gibt, die gleichzeitig alle ϕ in T wahrmacht. Z.B. ist T = {A, ¬A}
nicht erfüllbar, da es keine Belegung B von V (T ) = {A} gibt, die A und ¬A
wahrmacht (da B(A) = 1 g.d.w. B(¬A) = 0). Die beiden Formeln A und ¬A in
T sind aber beide erfüllbar (nämlich A wird von der Belgung B(A) = 1
wahrgemacht und ¬A wird von der Belegung B � (A) = 0 wahrgemacht).
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Erfüllbarkeit von Formelmengen: Bemerkungen (Forts.)
BEMERKUNG 3. Für endliche, nichtleere Formelmengen lässt sich die
Erfüllbarkeit auf die Erfüllbarkeit von Formeln zurückführen:
Für T = {ϕ1 , . . . , ϕn } gilt:
erfb[T ] ⇔ erfb[ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn ]
Dies ergibt sich unmittelbar aus der Definition, da nach Definition der
Bewertungen B(ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn ) = 1 genau dann gilt, wenn
B(ϕ1 ) = · · · = B(ϕn ) = 1 gilt.
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Der semantische Folgerungsbegriff
DEFINITION 2. Eine al. Formel ϕ folgt aus einer (möglicherweise leeren oder
unendlichen) Menge T von al. Formeln (kurz: T � ϕ), falls jede Belegung B von
V (T ) ∪ V (ϕ), die T wahrmacht, auch ϕ wahrmacht, d.h., falls gilt:
∀ B ∈ B(V (T ) ∪ V (ϕ)) [B � T ⇒ B � ϕ]
BEISPIELE. Es gilt {A} � A und {A} � A ∨ B aber {A} �
� ¬A und {A} �
� A ∧ B.
(Hierbei bezeichnet T �� ϕ, dass ϕ nicht aus T folgt.)
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Der semantische Folgerungsbegriff: einfache
Beobachtungen
BEMERKUNG 4. Ist T die leere Menge, so macht (trivialerweise) jede Belegung
jede Formel in T wahr (da es keine Formeln in T gibt). Also:
∅ � ϕ ⇔ ag[ϕ]
Dies zeigt, dass der Folgerungsbegriff eine Verallgemeinerung des
Allgemeingültigkeitsbegriffs ist.
In Zukunft schreiben wir statt ∅ � ϕ kurz � ϕ. Es gilt also
� ϕ ⇔ ag[ϕ]
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Der semantische Folgerungsbegriff: einfache
Beobachtungen (Forts.)
BEMERKUNG 5. Für 1-elementiges T = {ϕ} stimmt der semantische
Folgerungsbegriff mit der semantischen Implikation überein:
{ϕ} � ψ ⇔ ϕ impl ψ
Schreiben wir statt {ϕ1 , . . . , ϕn } � ψ kurz ϕ1 , . . . , ϕn � ψ, so gilt allgemeiner für
endliches nichtleeres T :
ϕ1 , . . . , ϕn � ψ ⇔ ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn � ψ ⇔ ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn impl ψ
Hiermit lässt sich die Beobachtung aus dem letzten Abschnitt, dass sich die
semantische Implikation mit Hilfe des Junktors der Implikation und der
Allgemeingültigkeit darstellen lässt, nämlich
ϕ impl ψ ⇔ ag[ϕ → ψ]
auf endliche Formelmengen T verallgemeinern:
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Der semantische Folgerungsbegriff: einfache
Beobachtungen (Forts.)
LEMMA 1. Es gilt
ϕ1 , . . . , ϕn � ψ ⇔ ag[ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn → ψ] ( ⇔ � ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn → ψ)
BEWEIS. Es gilt
⇔
⇔
⇔
ϕ1 , . . . , ϕ n � ψ
ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn � ψ
ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn impl ψ
ag[ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn → ψ]
(Bemerkung 5)
(Bemerkung 5)
(Lemma 4 in Abschnitt 1.2.2)
Schließlich beobachten wir noch, dass der Folgerungsbegriff monoton ist:
BEMERKUNG 6. Der semantische Folgerunsgbegriff ist monoton. D.h. es gilt
T ⊆ T� & T � ϕ ⇒ T� � ϕ
(Dies folgt unmittelbar aus der Definition)
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Semantische Folgerung vs. Erfüllbarkeit
Wie wir gezeigt haben, lässt sich für endliches T �= ∅ der Folgerungsbegriff auf
den Allgemeingültigkeitsbegriff zurückführen. Wie wir nun noch zeigen werden,
lassen sich für beliebiges (möglicherweise unendliches) T Folgerungsbegriff und
Erfüllbarkeit wechselseitig aufeinander zurückführen:
LEMMA 2 (Folgerung vs. Erfüllbarkeit).
(i) T � ϕ ⇔ nicht erfb[T ∪ {¬ϕ}]
(ii) T �� ϕ ⇔ erfb[T ∪ {¬ϕ}]
Da (ii) die Kontraposition von (i) ist (modulo doppelter Verneinung), genügt es
(i) zu beweisen:
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Semantische Folgerung vs. Erfüllbarkeit
BEWEIS VON LEMMA 2 (i).
T �ϕ
⇔
∀ B ∈ B(V (T ) ∪ V (ϕ)) [B � T ⇒ B � ϕ]
(Definition von �)
⇔
� ∃ B ∈ B(V (T ) ∪ V (ϕ)) [B � T & B �� ϕ]
(klar)
⇔
� ∃ B ∈ B(V (T ) ∪ V (ϕ)) [B � T & B � ¬ϕ]
(Definition der Bewertungen)
⇔
� ∃ B ∈ B(V (T ) ∪ V (ϕ)) [B � T ∪ {¬ϕ}]
(klar)
⇔
nicht erfb [T ∪ {¬ϕ}]
(Definition von erfb)
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Semantische Folgerung vs. Erfüllbarkeit
Umgekehrt lässt sich für nichtleeres T die Erfüllbarkeit von T auf den
Folgerungsbegriff zurückführen:
LEMMA 3 (Erfüllbarkeit vs. Semantischer Folgerung). Für T �= ∅ sind folgende
Aussagen äquivalent:
(i) erfb[T ]
(ii) � ∃ ϕ [T � ϕ und T � ¬ϕ]
(iii) ∃ ϕ [T �� ϕ]
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Semantische Folgerung vs. Erfüllbarkeit
BEWEIS VON LEMMA 3.
(i) ⇒ (ii). Dies zeigt man durch Kontraposition:
�
�
�
�
Annahme: es gäbe eine Formel ϕ mit T � ϕ und T � ¬ϕ.
Nach Definition bedeutet dies, dass jede Belegung B, die T wahrmacht
auch ϕ und ¬ϕ wahrmacht.
Da es keine Belegung gibt, die sowohl eine Formel als auch deren
Negation wahr macht, folgt dass keine Belegung T wahrmacht.
Also: T ist nicht erfüllbar.
(ii) ⇒ (iii). Nach Annahme (ii) gilt T �� A oder T �� ¬A für jede Variable A.
Also gilt (iii) für ϕ :≡ A oder ϕ :≡ ¬A.
(iii) ⇒ (i). Gelte T �� ϕ. Nach Definition gibt es dann eine Belegung B, die
zwar T wahrmacht nicht aber ϕ. Aus Ersterem folgt aber direkt, dass T
erfüllbar ist.
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1.2.4 Al. Formeln als Darstellungen Boolescher Funktionen
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Die von al. Formeln dargestellten Booleschen Funktionen
Al. Formeln kann man als Darstellungen Boolescher Funktionen auffassen:
DEFINITION 1. Sei ϕ eine al. Formel mit V (ϕ) ⊆ {A0 , . . . , An−1 }. Die von ϕ
dargestellte (definierte) n-stellige Boolesche Funktion fϕ,n ist definiert durch
fϕ,n (i0 , . . . , in−1 ) = B̂i0 ,...,in−1 (ϕ)
wobei die Belegung Bi0 ,...,in−1 : {A0 , . . . , An−1 } → {0, 1} durch
Bi0 ,...,in−1 (Aj ) = ij (j = 0, . . . , n − 1)
gegeben ist.
Gilt V (ϕ) = {A0 , . . . , An−1 }, so schreiben wir statt fϕ,n auch einfach fϕ .
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Bemerkungen (1)
BEMERKUNG 1: Die Boolesche Funktion fϕ,n gibt also gerade die Wahrheitswerte von ϕ bzgl. der möglichen Belegungen der Variablen A0 , . . . , An−1 an.
Dabei erhält man fϕ,n (i0 , . . . , in−1 ) indem man die Variablen Aj mit den
Wahrheitswerten ij (für j = 0, . . . , n − 1) belegt und dann ϕ bzgl. dieser Belegung
auswertet.
Für eine Belegung B der Variablen A0 , . . . , An−1 gilt also:
fϕ,n (B(A0 ), . . . , B(An−1 )) = B(ϕ)
Die schon früher angegebene Bewertungstabelle einer Formel ϕ (siehe z.B. die
Tabelle im Beweis von Lemma 1 in Abschnitt 1.2.2) ist also gerade die
Wertetabelle der Funktion fϕ,n .
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Bemerkungen (2)
BEMERKUNG 2. Durch Umbenennen der Variablen in einer Formel ϕ kann man
immer V (ϕ) = {A0 , . . . , An−1 } erreichen, wobei n die Anzahl der in ϕ
vorkommenden Variablen ist. Modulo dieser Umbenennung stellt also jede al.
Formel ϕ mit n Variablen eine eindeutig bestimmte n-stellige Boolesche Funktion
dar.
BEMERKUNG 3. Die von einer Formel ϕ mit V (ϕ) ⊆ {A0 , . . . , An−1 } dargestellte
n-st. Boolesche Funktion fϕ,n lässt sich alternativ wie folgt durch Induktion nach
dem Aufbau von ϕ definieren (wobei �x = (x0 , . . . , xn−1 ) ∈ {0, 1}n ):
(f1) ϕ ≡ Ai : fAi ,n (�x ) = xi
(f2) ϕ ≡ ¬ψ: f¬ψ,n (�x ) = f¬ (fψ,n (�x ))
(f3) ϕ ≡ ψ0 ∗ ψ1 : fψ0 ∗ψ1 ,n (�x ) = f∗ (fψ0 ,n (�x ), fψ1 ,n (�x ))
(Die Äquivalenz der beiden Definitionen zeigt man leicht durch Ind(ϕ).)
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Beispiele
Für die Formeln ϕ1 ≡ ¬A0 , ϕ2 ≡ A0 ∨ A1 , ϕ3 ≡ A0 ∧ A1 , ϕ4 ≡ A0 → A1
und ϕ5 ≡ A0 ↔ A1 gilt gerade fϕ1 = fϕ1 ,1 = f¬ , fϕ2 = fϕ2 ,2 = f∨ ,
fϕ3 = fϕ3 ,2 = f∧ , fϕ4 = fϕ4 ,2 = f→ und fϕ5 = fϕ5 ,2 = f↔ .
Die Formeln ψ0 ≡ (A0 ∧ ¬A0 ) und ψ1 ≡ (A0 ∨ ¬A0 ) stellen die konstanten
Booleschen Funktionen mit Wert 0 bzw. 1 dar:
fψi ,n (i0 , . . . , in−1 ) = i (für n ≥ 1 und i, i0 , . . . , in−1 ≤ 1)
Die Formel ϕ ≡ (A0 ∧ ¬A1 ) ∨ (¬A0 ∧ A1 ) stellt die EXOR-Funktion
(exklusives oder) dar. D.h. fϕ = fEXOR :
x0
0
0
1
1
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x1
0
1
0
1
fEXOR (x0 , x1 )
0
1
1
0
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Die von einer Formel dargestellte Boolesche Funktion und
die zentralen semantischen Begriffe
Die in Abschnitt 1.2.2 eingeführten zentralen semantischen Begriffe lassen sich
mit Hilfe der von den al. Formeln dargestellten Funktionen wie folgt beschreiben:
SATZ 1. Seien ϕ und ψ al. Formeln, in denen höchstens die Variablen
A0 , . . . , An−1 vorkommen. Dann gilt:
1
2
3
4
5
erfb[ϕ] ⇔ ∃ �x ∈ {0, 1}n : fϕ,n (�x ) = 1
ag[ϕ] ⇔ ∀ �x ∈ {0, 1}n : fϕ,n (�x ) = 1
kd[ϕ] ⇔ ∀ �x ∈ {0, 1}n : fϕ,n (�x ) = 0
ϕ impl ψ ⇔ ∀ �x ∈ {0, 1}n : fϕ,n (�x ) ≤ fψ,n (�x )
(d.h.: ∀ �x ∈ {0, 1}n : fϕ,n (�x ) = 1 ⇒ fψ,n (�x ) = 1)
ϕ äq ψ ⇔ ∀ �x ∈ {0, 1}n : fϕ,n (�x ) = fψ,n (�x )
(d.h.: ∀ �x ∈ {0, 1}n : fϕ,n (�x ) = 1 ⇔ fψ,n (�x ) = 1)
BEWEIS. Dies folgt unmittelbar aus der Definition von fϕ,n bzw. fψ,n .
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Abschließende Bemerkungen
Nach dem vorhergehenden Satz stellen äquivalente Formeln dieselben
Booleschen Funktionen dar. Die Darstellung einer Booleschen Funktion
durch eine al. Formel ist also nicht eindeutig, sondern zu jeder Booleschen
Funktion f , die sich durch eine Formel ϕ darstellen lässt (d.h. f = fϕ ), gibt
es unendlich viele Formeln, die f darstellen (z.B. die zu ϕ äquivalenten
Formeln ϕ ∨ ϕ, ϕ ∨ ϕ ∨ ϕ, . . . ).
Im nächsten Abschnitt werden wir zeigen, dass sich jede Boolesche Funktion
durch eine al. Formel darstellen lässt. Dabei genügt es sogar sog. Boolesche
Formeln zu betrachten, d.h. al. Formeln, in denen die Junktoren → und ↔
nicht vorkommen.
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