Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie

Werbung
Bundesverband der Deutschen
Süßwarenindustrie e.V.
Position
zur Diskussion über eine
Reglementierung der Lebensmittelwerbung zur Bekämpfung
von Übergewicht
Schumannstraße 4-6, 53113 Bonn
Postfach 19 01 28, 53037 Bonn
Telefon: 0228 26007-0
Telefax: 0228 26007-89
[email protected]
www.bdsi.de
Die Position des BDSI kurz gefasst:

Mit einer Einschränkung der Freiheit bei der Werbung für Lebensmittel lässt
sich die gesamtgesellschaftliche Herausforderung des Vorkommens von Übergewicht nicht lösen. Werbung spielt nach Ansicht vieler Wissenschaftler, wenn
überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle für das Essverhalten von Kindern.

Auch die Verzehrhäufigkeit bestimmter Lebensmittelgruppen ist nicht für die
Entstehung von Übergewicht verantwortlich.

Zu wenig Bewegung, z. B. durch langes Sitzen in der Schule, vor dem Fernseher
und Computerbildschirm, kann zu einer positiven Energiebilanz und damit zu
Übergewicht führen.

Werbung findet bereits heute verantwortungsbewusst statt und ist ausreichend reglementiert. Was hingegen verstärkt werden sollte, ist die Vermittlung von Handlungskompetenzen, insbesondere an Kinder und Jugendliche, im
Umgang mit Medien und Werbung. Auf diesem Feld ist z. B. die europäische
Bildungsinitiative Media Smart e. V. aktiv.

Der BDSI unterstützt die seit dem 1. Juli 2009 gültigen Verhaltensregeln für die
kommerzielle Kommunikation für Lebensmittel des Deutschen Werberats.

Auf europäischer Ebene haben sich bedeutende Unternehmen im Rahmen des
sog. EU-Pledge zusammengeschlossen. Die Mitgliedsunternehmen des EUPledge haben sich freiwillig verpflichtet, keine Werbung für Produkte an
Kinder unter 12 Jahren zu richten, mit Ausnahme von Produkten, die
spezifische ernährungsphysiologische Kriterien erfüllen.
Mit einer Einschränkung der Freiheit bei der Werbung für Lebensmittel lässt sich
die gesamtgesellschaftliche Herausforderung des Vorkommens von Übergewicht
nicht lösen. Werbung spielt nach Ansicht vieler Wissenschaftler, wenn überhaupt,
nur eine untergeordnete Rolle für das Essverhalten von Kindern.
Die Entstehung von Übergewicht – da ist sich die Wissenschaft einig – ist ein
multifaktorielles Geschehen. Sozioökonomische Faktoren sind offenkundig eine der
wesentlichen Ursachen für Übergewicht. Verzahnt sind sie mit mangelnder
Bewegung und unausgewogener Ernährung sowie Erbanlagen. Zum Einfluss der
Werbung auf das Verhalten von Kindern zeigen Studien unterschiedliche Ergebnisse, es dominiert aber die Erkenntnis, dass der Lebensstil der Familie, des
Freundeskreises und weiteren Umfelds ein für die Sozialisation eines Kindes
prägender Faktor ist. Werbung spielt nach Meinung der Wissenschaftler – wenn
überhaupt – nur eine untergeordnete Rolle für das Verhalten von Kindern. Dass
Werbung kein Verursacher von ungünstigem Ernährungsverhalten ist, und umgekehrt Werbeverbote nicht zu einem vorteilhafteren Lebensstil führen, zeigt auch
die Praxis. In der kanadischen Provinz Quebec ist an Kinder unter 13 Jahren
gerichtete Lebensmittelwerbung seit 1980 gesetzlich untersagt. Der Anteil übergewichtiger Kinder war dort jedoch 16 Jahre später ebenso hoch wie in den übrigen
Provinzen Kanadas, in denen es ein solches Werbeverbot nicht gibt.
Auch die Verzehrhäufigkeit bestimmter Lebensmittelgruppen ist nicht für die
Entstehung von Übergewicht verantwortlich.
Die Bedeutung der Ernährung insgesamt und die des Konsums einzelner Lebensmittelgruppen werden als Ursache für die Entstehung von Übergewicht weit überschätzt. Groß angelegte Studien zum Ernährungsverhalten von Kindern in Deutschland zeigen kaum Beziehungen zwischen dem Ernährungsmuster, dem Verzehr
einzelner Lebensmittel (wie z. B. Süßwaren) und dem Ernährungszustand. Auch
unterscheidet sich bei übergewichtigen und normalgewichtigen Kindern die
Lebensmittelauswahl kaum. Bei deutschen Schulanfängern beispielsweise zeigte
sich, dass zwischen normal- und übergewichtigen Kindern keine Unterschiede bei
der Verzehrhäufigkeit von Lebensmitteln wie Schokolade, gesüßten Getränken,
Chips, Erdnüssen, Keksen und Kuchen bestehen. Süßwaren und Kartoffelchips aßen
übergewichtige Kinder sogar seltener als es bei normalgewichtigen der Fall war.
Auch im internationalen Vergleich bestätigt sich eine negative Beziehung zwischen
dem Body Mass Index (BMI) und dem Süßigkeitenverzehr, d. h. bei Menschen mit
hohem BMI war der Süßwarenverzehr niedrig und umgekehrt. Daran wird auch
deutlich, dass es nicht zielführend ist, Lebensmittel in vermeintlich gute und
schlechte einzuteilen: Jedes Lebensmittel hat in einer ausgewogenen Ernährung
seinen Platz.
Zu wenig Bewegung, z. B. durch langes Sitzen in der Schule, vor dem Fernseher
und Computerbildschirm, kann zu einer positiven Energiebilanz und damit zu
Übergewicht führen.
Studien zeigen, dass die Energiezufuhr bei Kindern und Jugendlichen den
Empfehlungen der Fachgesellschaften nahekommt. Aber: Unsere Bewegungswelt
ist – auch durch zunehmenden Fernsehkonsum und langes Sitzen vor dem
Computer sowie in der Schule – zu einer Sitzwelt geworden, d. h. der Energieverbrauch ist reduziert. Längst ist der Begriff des sitzenden Lebensstils (sedentary
lifestyle) in der internationalen Fachwelt etabliert und wird von einigen Wissenschaftlern als eigenständiger Risikofaktor u. a. für Übergewicht angesehen. Untersuchungen machen deutlich, dass der tägliche Fernsehkonsum von Kindern und
Jugendlichen mit dem Körpergewicht korreliert, d. h. je höher die tägliche Fernseh2
dauer ist, desto höher ist das Körpergewicht. Die Frage nach der Kausalität dieser
Beziehung bleibt dabei offen, da nicht zu klären ist, ob Kinder fernsehen, weil sie
übergewichtig sind oder übergewichtig geworden sind, weil sie viel fernsehen.
Werbung findet bereits heute verantwortungsbewusst statt und ist ausreichend
reglementiert. Was hingegen verstärkt werden sollte, ist die Vermittlung von
Handlungskompetenzen, insbesondere an Kinder und Jugendliche, im Umgang
mit Medien und Werbung. Auf diesem Feld ist z. B. die europäische Bildungsinitiative Media Smart e. V. aktiv.
Zahlreiche europäische und nationale Regelungen enthalten detaillierte
Bestimmungen zur Lebensmittelwerbung und tragen dabei der anerkanntermaßen
besonderen Schutzbedürftigkeit von Kindern Rechnung. Darüber hinaus hat die
Wirtschaft funktionierende Systeme der Werbeselbstkontrolle eingerichtet und
freiwillige Verhaltensregeln entwickelt. Die bestehenden gesetzlichen und freiwilligen Regelungen reichen nach Ansicht des BDSI grundsätzlich aus, um eine
verantwortliche Bewerbung von Lebensmitteln zu gewährleisten. Für mehr
Informationen siehe
http://www.zaw.de/zaw/werbepolitik/lebensmittel/ZAW-PositionspapierLebensmittelwerbung_Nov.-2015.pdf.
Statt weitere Reglementierungen von Werbung vorzusehen, ist es wichtiger, die
Vermittlung und Stärkung von Medienkompetenz – insbesondere bei Kindern und
Jugendlichen – als Bildungsziel zu verfolgen und Maßnahmen zu einem positiven
und offenen Umgang mit Medien und Werbung zu fördern. Dabei ist Medienkompetenz nicht als eine Ansammlung von klar definierbaren Fertigkeiten zu
verstehen. Vielmehr ist sie zu integrieren in allgemeine Kompetenzen, bei deren
Vermittlung auch Eltern und die Familie eine wesentliche Rolle spielen. Schließlich
sind Werbung und Marketing ein unverzichtbarer Teil unserer Gesellschaft und
spielen eine fundamentale Rolle in einem fairen und lauteren Wettbewerb. Nach
Ansicht vieler Pädagogen wäre es in einer omnipräsenten Medienwelt ein fataler
Ansatz, Medienkompetenz von Kindern durch „beschützende“ Verbote fördern zu
wollen. Medienkompetenz lässt sich nur entwickeln, wenn Kinder frühzeitig zur
Selbstständigkeit erzogen werden, also befähigt werden, autonom und eigenverantwortlich mit Medienangeboten u. a. umzugehen.
Auf dem Feld der Vermittlung von Werbekompetenz ist z. B. Media Smart e. V.
aktiv. Media Smart gibt Lehrern, Erziehern, pädagogischen Fachkräften und Eltern
Werkzeuge und Materialien an die Hand, die eine nachhaltige Vermittlung von
Werbekompetenz ermöglichen und zur Bildung von selbstbestimmten Verbrauchern beitragen. Die Materialien stehen zum Download auf den Internetseiten
www.mediasmart.de bzw. www.mediasmart-lehrer.de bereit.
Der BDSI unterstützt die seit dem 1. Juli 2009 gültigen Verhaltensregeln für die
kommerzielle Kommunikation für Lebensmittel des Deutschen Werberats.
Durch die EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste sowie durch den nationalen Aktionsplan der Bundesregierung „IN FORM – Deutschlands Initiative für
gesunde Ernährung und mehr Bewegung“ liegen Aufforderungen an die Medien
und die Lebensmittelwirtschaft zu einer freiwilligen Selbstbeschränkung bei der
Werbung gegenüber Kindern vor. Der Deutsche Werberat hat zusammen mit der
Lebensmittelwirtschaft diese Aufforderungen aufgegriffen und Verhaltensregeln
über die kommerzielle Kommunikation für Lebensmittel verabschiedet (im Internet
unter: http://www.zaw.de/doc/DW_Flyer_Lebensmittel.pdf). Dieses Regelwerk ist
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seit dem 1. Juli 2009 von allen Unternehmen der deutschen Lebensmittelwirtschaft
zu beachten. Es umfasst sowohl die online- als auch die offline-Werbung, garantiert
eine verantwortungsvolle Marktkommunikation allgemein und insbesondere
gegenüber Kindern und wird vom BDSI unterstützt.
Auf europäischer Ebene haben sich bedeutende Unternehmen im Rahmen des
sog. EU-Pledge zusammengeschlossen. Die Mitgliedsunternehmen des EU-Pledge
haben sich freiwillig verpflichtet, keine Werbung für Produkte an Kinder unter
12 Jahren zu richten, mit Ausnahme von Produkten, die spezifische ernährungsphysiologische Kriterien erfüllen.
Die aktuellen Selbstverpflichtungen des EU-Pledges lauten:
 Keine Werbung für Produkte an Kinder unter 12 Jahren, außer bei Produkten, die spezifische ernährungsphysiologische Kriterien erfüllen, auf der
Grundlage allgemein anerkannter wissenschaftlicher Nachweise und/oder
unter Berücksichtigung anwendbarer nationaler und internationaler
Ernährungsleitlinien.
 Für die Zwecke dieser Initiative bedeutet „Werbung für Kinder unter
12 Jahren“, Werbung gegenüber einem Medienpublikum, das zu mindestens 35 Prozent aus Kindern unter 12 Jahren besteht.
 Im Online-Bereich gilt diese Verpflichtung für die Marketingkommunikation
für Lebensmittel und Getränke auf den eigenen Webseiten, neben der
Internetwerbung durch Dritte.
 Keine Kommunikation in Bezug auf Produkte an Grundschulen, außer wenn
dies ausdrücklich von der Schulverwaltung aus pädagogischen Gründen
beantragt oder mit ihr vereinbart worden ist.
Die oben genannten Vorgaben gelten für alle Mitgliedsunternehmen. Es ist jedem
Unternehmen aber auch freigestellt, individuell noch strengere Regeln anzuwenden. Die EU-Pledge-Selbstverpflichtung wird regelmäßig von externen Stellen
auf ihre Compliance geprüft. Aktuell gehören dem EU-Pledge über 20 Mitgliedsunternehmen an, diese stehen zusammen für über 80 Prozent der Werbeausgaben
für Lebensmittel und Getränke. Für mehr Informationen siehe www.eu-pledge.eu.
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Verzeichnis ausgewählter Literatur
Zu: Werbung für Lebensmittel ist keine Ursache für Übergewicht und umgekehrt
führt eine Einschränkung der Werbefreiheit nicht zu einem gesundheitsförderlichen Lebensstil in der Bevölkerung. Werbung spielt nach Ansicht vieler Wissenschaftler, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle für das Essverhalten
von Kindern.
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Zu: Auch die Verzehrhäufigkeit bestimmter Lebensmittelgruppen ist nicht für die
Entstehung von Übergewicht verantwortlich.
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Teil 2: Vermittlung von Fernseh- und Werbekompetenz. aid-ernährung im fokus 7 (3):
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Köln
Weitere Positionen/Themen finden Sie unter:
http://www.bdsi.de/positionen-themen/
Bonn, 07.09.2016
Der Branchenverband:
Der BDSI vertritt die wirtschaftlichen Interessen von über 200 meist mittelständischen deutschen
Süßwarenunternehmen. Er ist sowohl Wirtschafts- als auch Arbeitgeberverband. Die deutsche
Süßwarenindustrie ist mit einem Anteil von etwa 10 % am Umsatz die viertgrößte Branche der
deutschen Ernährungsindustrie. Ihr besonderes Kennzeichen ist ihre starke Exportorientierung. Die
deutschen Süßwarenhersteller beschäftigen rund 50.000 Mitarbeiter.
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