Stammzellen – Ersatzteillager für den - biomed

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wissenschaft & praxis
regelung bzgl. des Imports. Zuwiderhandeln
kann mit Gefängnisstrafe geahndet werden,
dies gilt auch für deutsche ForscherInnen, die
im Ausland tätig sind
bzw. Kooperationen mit
Embryonale Stammzellen – Stammzellen aus dem Hoden – induzierausländischen Forte pluripotente Stammzellen: Woher sie kommen, was sie können.
schungspartnern. Am
11. April 2008 hat der
Auf dem Weg, mein Versprechen einzulösen, deutsche Bundestag beschlossen, den Stichtag für den Import
über den Festvortrag von Professor Wolfgang von ESZ zu Forschungszwecken auf jenes Datum (1. Mai
Engel von der Tagung der deutschen Gesell- 2007) vor dem Beginn der Debatte um die Neuauflage des
wissenschaft
schaft für Entwicklungsbiologie 2007 in Mar- Gesetzes vorzuverlegen. Diese restriktive Haltung des Ge& praxis
burg mit dem Thema „Stammzellen für die re- setzgebers zeigt die Sensibilität dieser ethisch so heiklen und
generative Medizin“ zu berichten, ist ein Meilenstein in der kontroversiellen Frage, ab wann der Schutz menschlichen LeStammzellforschung gesetzt worden: nämlich die Repro- bens gegeben ist bzw. ab wann ein solches definiert werden
grammierung somatischer Zellen zu so genannten induzier- muss.
ten pluripotenten Stamm-(iPS)-Zellen.
Stammzellen – Ersatzteillager für
den menschlichen Körper in Sicht?
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Gesetzliche Regelungen
Aber zunächst zur Ausgangslage: Embryonale Stammzellen
(ESZ) sind pluripotent und können aus der inneren Zellmasse
von Embryonen im Blastulastadium gewonnen werden. Pluripotenz von Zellen bedeutet, dass alle somatischen und auch
Keimzellen entstehen können, aber keine Trophoblastenzellen, also kein kompletter Embryo mehr daraus hervorgehen
kann. Dazu sind totipotente Zellen notwendig (befruchtete Eizellen, beim Menschen etwa bis zum 8-Zellstadium).
Nun ist die Verfügbarkeit dieser als „Alleskönner“ angesehenen ESZ
aus ethischen Gründen
nur unter sehr eng begrenzten Bedingungen gegeben. Die gesetzliche Regelung für Gewinnung
und Verwendung menschlicher ESZ zum Zwecke
der Forschung ist in den
einzelnen EU-Ländern
sehr unterschiedlich. Die Abb. 1: Humane Blastozyste, jenes
Stadium, in dem die embryonalen
Verwendung von Em- Stammzellen entnommen werden
bryonen, die mittels
Präimplantationsdiagnostik als pathologisch befundet und
nicht implantiert wurden, ist überall untersagt. In England
aber ist selbst die Erzeugung zum Zwecke der ESZ-Gewinnung erlaubt. Österreich hat weder ein Stammzellforschungsnoch ein Embryonenschutzgesetz, allerdings ist die Gewinnung von (humanen) hESZ indirekt verboten. Dieses Verbot
bezieht sich auf das Fortpflanzungsmedizingesetz von 1992,
das die Verwendung befruchteter und nicht implantierter Eizellen aus der IVF zu Forschungszwecken untersagt. Darin
wird explizit nur der Begriff entwicklungsfähige Zellen, nicht
Embryonen, verwendet. Erlaubt ist allerdings die Forschung
an importierten hESZ-Linien.
Deutschland hat eines der strengsten Gesetze in Europa.
Das Arbeiten mit ESZ ist in dem im Embryonenschutzgesetz
von 1999 enthaltenen Stammzellgesetz geregelt. Die Verwendung überzähliger Embryonen aus der IVF ist wie in Österreich
und auch der Schweiz gänzlich untersagt. Die Forschung mit
hESZ ist prinzipiell erlaubt, allerdings gibt es eine Stichtags-
Stammzellen aus dem adulten Hoden
Aber wenden wir uns nun den „spermatogonial stem
cells“ (SSC) zu. Nicht ohne Grund gibt es gerade in Deutschland intensive Bemühungen, die Forschung an jenen Stammzellen aus dem adulten Hoden voranzutreiben.
Grundlagen zur Entwicklung der männlichen Keimzellen
Keimzellen werden in der Embryonalentwicklung bereits
sehr früh quasi „auf die Seite gelegt“. Sie differenzieren sich
in der 4. Schwangerschaftswoche im extraembryonalen Dottersackgewebe. Gonoblasten (Urkeimzellen) entstehen, die
über den embryonalen Darm in die Urogenitalfalte des Embryo einwandern. Bereits während der Wanderung unterliegen sie einer strengen Teilungskontrolle, um letzten Endes
zu einer Gesamtzahl von etwa 22.000 Gonozyten heranzuwachsen. Wenn die Gonozyten im Hoden angekommen sind,
nennt man sie primordiale Germinalzellen (=primordiale
Keimzellen). Mit der Ausbildung der Hodentubuli werden
sie zu Spermatogonien, basal in den Tubuli gelegen und von
Stützzellen, den Sertolizellen, umhüllt. Angeregt durch die
Testosteronproduktion der Leydigzellen des Hodeninterstitiums in der Pubertät beginnt die Teilungsaktivität der Spermatogonien. Nach mehreren Mitosen entstehen asymmetrische Tochterzellen. Während eine Tochterzelle, Typ B-Spermatogonie, in Richtung Differenzierung fortschreitet, verbleibt Typ A-Spermatogonie weiter als Stammzelle an der
Basis der Tubuli. Die aus der B-Spermatogonie entstandene
Spermatozyte I überschreitet die Blut-Hodenschranke. Die
Verdoppelung des Chromosomensatzes bedingt eine Zellkernvergrößerung, an der die Spermatozyte II im Hodenschnitt deutlich zu erkennen ist. In der anschließenden Meiose oder Reduktionsteilung findet die Rückführung auf den
haploiden Chromosomensatz statt. Die weitere Entwicklung,
Spermiohistogenese oder Spermatidenreifung genannt, führt
schließlich zum reifen Spermium.
Die zweite Tochterzelle, A-Spermatogonie, exprimiert
gleiche Marker für Pluripotenz wie embryonale Stammzellen
(stage specific embryonal antigen = SSEA 1 und 3, cKit, Transkriptionsfaktoren wie Oct 4, NANOG …). A-Spermatogonien
sind somit die Quelle für SSC.
Gewinnung von SSC
Die ersten Versuche fanden am Mausgewebe statt.
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Die Isolierung wurde aus kollagenaseverdautem Hodengewebe mit der „magnet cell sorting“-Methode über den Antikörper SSEA1 durchgeführt. Während es bei der Maus bereits gelungen ist, aus adultem Hodengewebe SSCs zu gewinnen, auch multipotent adult germ line stem cells (maGSCs)
genannt, und diese weiter zu differenzieren, können bis dato
humane maGSCs nur aus fötalen, primordialen Germinalzellen (7.-15. Woche) gewonnen werden. Möglicherweise
liegt der Kernpunkt im zeitlich unterschiedlichen Abschalten embryonaler Gene in Keimzellen bei Maus und Mensch.
Trotzdem zeigte sich Prof. Engel zuversichtlich, dass man in
den nächsten zehn Jahren mit maGSCs aus adultem, humanem Hodengewebe erfolgreich sein wird.
MaGSCs zeigen phänotypisch Eigenschaften von ESZ
und können spontan in alle drei Keimblätter (germ layers) differenzieren. Versuche laufen in Richtung Pankreas-Inselzelldifferenzierung, Gefäß- und Nervenzellen. Auch fertilisierungsfähige Spermien konnten hergestellt werden. Die Kultur
dieser „Stammzellen“ mit entsprechenden cardiogenen Faktoren führte zur Bildung von schlagenden Cardiomyozytenclustern, deren Aktionspotenziale die Anwesenheit von
Schrittmacher-, Ventrikel-, Atrium- und Purkinjeähnlichen
Herzmuskelzellen zeigte.
Bei Implantation von maGSCs in Mausherzen hatten diese Teilungsaktivität und Differenzierungsfähigkeit. Tumorbildung konnte nicht beobachtet werden (bis ein Monat post
implantatem), während dies bei ESZ derzeit noch ein Problem
darstellt. Überdies zeigten Embryonen, die durch Fertilisation von ESZ-generierten Keimzellen hergestellt wurden, einen
globalen Methylierungsdefekt.
iPS-Zellen – mehr als ein wissenschaftlicher
Hype
Der große Durchbruch in der Reprogrammierung adulter
zu ES-ähnlichen Zellen ist der Forschungsgruppe um Shinya
Yamanaka am Institut für Medizinische Grundlagenwissenschaften in Kyoto gelungen.
Auch iPS wurden zunächst im Maussystem etabliert. In embryonale und adulte Hautfibroblasten wurden mittels retroviraler Transduktion kodierende Gene für TranskriptionsfaktoQuellen:
(1) Tagung des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin und
der Bioethikkommission „Stammzellforschung“, Wien
17./18. Januar 2008
(2) Stammzellforschung: „Viele Wege führen nach Rom“; Interview mit dem Chef des Max-Planck-Instituts für molekulare Medizin in Münster, Hans Schöler, Nov 2007
(3) Festvortrag „Stammzellen für die regenerative Medizin“,
Wolfgang Engel, Professor für Humangenetik in Göttin-
ren eingeführt. Nach einer Vielzahl von Versuchen mit diversen,
aus der embryonalen Stammzellforschung bekannten Transkriptionsfaktoren zeigte sich bei einer Kombination aus den
vier Faktoren Oct3/4, Sox2, Klf4 und c-Myc spontane Ausbildung von Zellklumpen mit pluripotenten Eigenschaften wie
bei ESZ. Dies konnte mit PCR nachgewiesen werden und war
ganz deutlich an der Morphologie zu erkennen. In immundefizienten Mäusen erzeugten iPS Teratome, die Gewebe von Knorpel, Muskel, Fett und Nerven, aber auch komplexe Organansätze wie darmähnliche Strukturen enthielten. Während
drei der eingeführten Transkriptionsfaktorgene an ihren Promotoren im Verlauf der Kultur in Richtung Differenzierung inaktiviert (methyliert) wurden, blieb die Genaktivität des c-Myc,
just die eines Onkogens, bestehen. Inzwischen ist es gelungen,
berichtete Yamanaka kürzlich bei seinem Aufenthalt in Wien,
mit nur drei der oben genannten Faktoren, ohne c-Myc, iPS-Zellen zu generieren. Ein weiteres Sicherheitsproblem stellt die retrovirale Transduktion dar, da somit die Retroviren fixer Bestandteil des iPS-Zell-Genoms sind. Mittlerweile gelang die Induktion mittels adenoviraler Transfektion.
Keine Schwierigkeit stellte die Übertragung der Mausergebnisse auf das Humansystem dar. Bald konnten auch aus
adulten menschlichen Hautfibroblasten erfolgreich iPS-Zellen gewonnen werden. Ebenso schon sehr früh konnte man einen erfolgreichen therapeutischen Ansatz zeigen. So gelang es
der Forschergruppe Jänisch, an Testmäusen mit Sichelzellanämie aus dermalen Fibroblasten der kranken Mäuse iPSZellen zu reprogrammieren. Nach „Austausch“ des defekten
Allels wurden sie zu Knochenmarkstammzellen differenziert.
Diese kranken Mäuse wurden mit autologen Zellen mittels
Knochenmarkstransplantation erfolgreich behandelt.
Mit den iPS-Zellen sahen die GegnerInnen der Forschung
an embryonalen Stammzellen ihre Stunde gekommen. Von katholischen Kreisen wird die ESZ-Forschung bereits für obsolet
erklärt. In den USA müssen alle Forschungsanträge von ESauf iPS-Zellen umgeschrieben werden. Es wird auch in Hinkunft nicht möglich sein, ohne ESZ auszukommen, da ein
ständiges Abgleichen der beiden Zelllinien und deren Derivate
erforderlich ist. So konnte bereits gezeigt werden, dass sie
sich in ihrem epigenetischen Verhalten unterscheiden.
Sowohl ESZ wie iPS-Zellen, aber auch SSC bieten die Voraussetzung zum Einsatz in der regenerativen und Transplantationsmedizin als autologe Zellen mit geringem Abstoßungsrisiko, auch wenn von SSC „frau“ nicht profitieren kann. n
Marianne Fliesser
Biomedizinische Analytikerin
Medizinische Universität Wien, Zentrum für Anatomie und
Zellbiologie, Abt. Kern-, Entwicklungsbiologie und
funktionelle Mikroskopie
Danken möchte ich Prof. Schöfer für die Bearbeitung des
Manuskripts und Dr. Willy Weiß für ergänzende
Informationen zur ethischen Problematik.
gen; gehört bei der Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Entwicklungsbiologie, März 2007
(4) Generation of pluripotent stem cells from neonatal mouse
testis. M. Kanatsu-Shinohara et al.; Cell 2004
(5) Generation of Functional Cadiomyocytes From Adult
Mouse Spermatogonial Stem Cells. Guan K. et al., Circulation Research, 2007
(6) Induction of Pluripotent Stem Cells from Adult Human Fibroblasts by Defined Factors. K. Takahashi et al.; Cell 2006
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