Herausgeber: Kurosch Thuro Katja Lokau Frank Deffner Ralf J. Plinninger Festschrift Prof. Georg Spaun zum 60. Geburtstag Münchner Geol. Hefte B7 VI + 162 S. München 1998 Unserem Lehrer Herrn Prof. Dr. Georg Spaun in Dankbarkeit gewidmet. Münchner Geologische Hefte Reihe B: Angewandte Geologie Reihe B: Heft 7 Festschrift Prof. Georg Spaun zum 60. Geburtstag Kurosch Thuro, Katja Lokau, Frank Deffner, Ralf J. Plinninger (Herausgeber) Münchner Geol. Hefte B7 VI + 162 S. München 1998 II Thuro, Lokau, Deffner & Plinninger (eds.): Festschrift Prof. Georg Spaun zum 60. Geburtstag Diese Festschrift wurde aus Beiträgen zum Festkolloquium zu Ehren von Prof. Dr. Georg Spaun am 14. November 1997 und aus Beiträgen einiger seiner ehemaligen Doktoranden zusammengestellt. Adressen der Herausgeber: Dipl.-Geol. Dr. Kurosch T huro, Eidgenössische T echnische Hochschule Zürich, Ingenieurgeologie, ET H Hönggerberg, CH-8093 Zürich Dipl.-Geol. Dr. Katja Lokau, Geologisches Landesamt Rheinland-Pfalz, Abt. Ingenieurgeologie, Emy-Roeder-Str. 5, D-55129 Mainz Dipl.-Geol. Frank Deffner, Müller+Hereth Oberhof, Abt. Geologie & Geotechnik, Eckhardtskopf 4, D-98559 Oberhof Dipl.-Geol. Ralf J. Plinninger, Lehrstuhl für Allgemeine, Angewandte und IngenieurGeologie, T echnische Universität München, Arcisstr. 21, D-80290 München Herausgeber Prof. Dr. G. Spaun Prof. Dr. H. Miller, Prof. Dr. S. Wohnlich Redaktion Dr. K. Thuro, Dr. K. Lokau Dr. T. R. Rüde M. Nickmann, R.J. Plinninger Lehrstuhl für Allgemeine, Angewandte und Institut für Allgemeine und Ingenieur-Geologie Angewandte Geologie Technische Universität München Ludwig-Maximilians-Universität München Arcisstraße 21 Luisenstraße 37 D – 80290 München D – 80333 München Tel.: +49 89 289 - 25851, Fax - 25852 Tel.: +49 89 5203 - 414, Fax - 286 [email protected] [email protected] Ohne ausdrückliche Genehmigung der Herausgeber ist es nicht gestattet, das Werk oder T eile daraus nachzudrucken oder auf fotomechanischem oder elektronischem Wege zu vervielfältigen. Für den Inhalt sind die Autoren allein verantwortlich. Herstellung: Hieronymus GmbH, München ISSN 1430 - 5674 Thuro, Lokau, Deffner & Plinninger (eds.): Festschrift Prof. Georg Spaun zum 60. Geburtstag Inhaltsverzeichnis Impressum.........................................................................................................................................II Inhaltsverzeichnis............................................................................................................................ III Danksagungen ..................................................................................................................................IV Gedicht: „Dem Jubilar“ .....................................................................................................................VI Programm des Festkolloquiums am Freitag, 14. November 1997........................................................... V Grußwort von Dr. Hubert Schmid ....................................................................................................... 1 Grußwort von Prof. Dr. Oskar Nuyken ................................................................................................ 3 W. Eppensteiner: Laudatio auf Herrn Prof. Dr. Georg Spaun................................................................. 4 Curriculum Vitae von Prof. Spaun....................................................................................................... 7 Ausge wählte Publikationen von Prof. Spaun........................................................................................ 8 Be iträge J. Rybár, J. Heiland & E. Fecker: Zur Standsiche rheit de r Hänge in de r Umge bung des Kehrtunnels Weile r / Wutachtal................. 10 A. v. Poschinger: Zur Vorhersage von Hangbe wegungen........................................................................................... 23 F. Deffner: Massenbe we gungen im Schloßalm-Ge bie t westlich Bad Hofgastein ............................................... 31 K. Lokau Die The rmen von Badgastein ......................................................................................................... 46 H. Prinz: Ist das Ve rformungsve rhalte n von te ktonische n Störungsz one n he ute noch ein unvorhe rsehbarer Risikofaktor? .............................................................................................. 54 K.A. Czurda: Grundsätz e de s De ponie baus unte r be sonde re r Be rücksichtigung de r ge ologische n und mine ralischen Barriere............................................................................................................ 65 W. Dietz: Tätigke it im Spannungsfe ld große r Proje kte im Inland und Ausland - Engelbe rg-Basistunnel, Le sotho, Xiaolangdi ................................................................................ 73 M. Eder & T h. Stadlmann : Umfahrung Schwarz ach im Pongau - Schönbe rgtunne l: Bauge ologische Erkundung - Geote chnik – Baute chnik ................................................................. 85 K. T huro: Bohrbarkeit im Sprengvortrie b: Geologisch-geote chnische Grundlagen...................................... 103 J. Kaiser: Unge wöhnliche ge ologische Ve rhältnisse be im Bau de s Sondie rstolle ns des Semme ring-Basistunnels, Öste rreich...................................................................................... 124 R.J. Plinninger Die ge ologisch-inge nie urge ologische n Ve rhältnisse be im Vortrie b de s Meiste rntunnels Bad Wildbad/Schwarz wald................................................................................ 138 S. Kellerbauer: Einaxiale Druckfe stigke it, Ve rformungsve rhalte n und Ge birgsklassifiz ie rung von Haselge birge und Ne bengesteinen im alpinen Salz be rgbau.................................................... 148 E. T entschert: Wörte rbuch des Wasse r-, Tunnel- und Stollenbaus...................................................................... 159 III IV Thuro, Lokau, Deffner & Plinninger (eds.): Festschrift Prof. Georg Spaun zum 60. Geburtstag Danksagungen Wir danken den folgenden Firmen für die grosszügige finanzielle Unterstützung des Festkolloquiums und/oder desFestbandes durch Ihre Anzeigen: Atlas Copco Gesteinsbohrtechnik Beton und Monierbau GmbH Bilfinger + Berger Bauaktiengesellschaft Dyckerhoff & Widmann Aktiengesellschaft Ed. Züblin AG Ingenieurbüro Bernd Gebauer München Ingenieurbüro Laabmayr & Partner, Salzburg Ingenieurbüro Müller + Hereth, Freilassing ÖSTU STETTIN Hoch- und Tiefbau GmbH Für die tatkräftige Mithilfe bei der Organisation des Festkolloquiums möchten wir uns bei allen beteiligten Studenten, Assistenten und Dozenten der T U München herzlichst bedanken. Allen T eilnehmern am Festkolloquium und allen Autoren der Beiträge sei herzlichst für Ihre aktive Anteilnahme und für ihre Geduld bezüglich des Erscheinens des Festbandes gedankt. Die Redaktion Thuro, Lokau, Deffner & Plinninger (eds.): Festschrift Prof. Georg Spaun zum 60. Geburtstag V Programm des Festkolloquiums am Freitag, 14. November 1997 9h00 Grußworte & Eröffnung 9h30 Laudatio auf Prof. Dr. Ge org Spaun Prof. Dr. Walter Eppensteiner, Institut für Geologie, T echnische Universität Wien 10h00 Ge birgsklassifikation im Tunne lbau Anme rkunge n z ur Brauchbarke it nume rische r Ve rfahre n Dipl.-Ing. Wolfram Kagerer, Ingenieurbüro Müller & Hereth, Freilassing 10h30 Diskussion, Kaffeepause 11h00 Zur Standsiche rhe it de r Hänge in de r Umge bung de s Kehrtunnels Weiler / Wutachtal Prof. Jan Rybár, Dipl.-Geol. Juliane Heiland, Czech Academy of Sciences, Institute of Rock Structure and Mechanics, Prag, Prof. Dr. Edwin Fecker, GIF Geotechnisches Ingenieurbüro, Ettlingen. 11h30 Ist das Ve rformungsve rhalte n von te ktonischen Störungszonen heute noch ein unvorherse hbare r Risikofaktor? Prof. Dr. Helmut Prinz Direktor a.D. (Hessisches Landesamt für Bodenforschung), Bingen 12h00 Auch De ponie n sind e ine inge nie urge ologische He rausforde rung! Prof. Dr. K.A. Czurda, Lehrstuhl für Angewandte Geologie, Universität Karlsruhe 12h30 Diskussion, anschließend Mittagspause 14h00 Siche rhe itsmanage me nt be i schwie rige n Tunne lvortrie be n Generaldirektor Dr.-Ing. Georg M. Vavrovsky, Eisenbahn Hochleistungsstrecken AG, Wien 14h30 Tätigke it im Spannungsfe ld große r Proje kte im In- und Ausland Enge lbe rg Basistunne l, Le sotho, Xiaolangdi Dipl.-Ing. Walter Dietz, Direktor Bereich T iefbau/T unnelbau, Ed. Züblin AG, Stuttgart 15h00 Umfahrung Schwarz ach im Pongau / Schönbe rgtunne l. Bauge ologische Erkundung - Ge ote chnik - Baute chnik Dipl.-Ing. Manfred Eder, Ingenieurbüro Laabmayr + Partner, Salzburg, Mag. T . Stadlmann, Büro Dr. Fürlinger, Salzburg 15h30 Diskussion, Kaffeepause 16h30 Unge wöhnliche ge ologische Ve rhältnisse be im Sondie rstolle n de s Se mme ringBasistunne ls. Dr. Josef Kaiser, Eisenbahn Hochleistungsstrecken AG, Projektleitung Semmering. 17h00 Une rwarte te ge ote chnische Me ße rge bnisse - was tun? Prof. Dr. H. Bock, Interfels GmbH, Bad Bentheim 17h30 Tirole r Schmanke rl - aus de m Le be n e ine s Kraftwe rksge ologe n Prof. Dr. Ewald T entschert, Institut für Geologie, T echnische Universität Wien 18h00 Diskussion, Schlußwort 19h30 Abe ndve ranstaltung im Festsaal des Gasthofs Neuwirt, Münchner Straße 10, Garching VI Thuro, Lokau, Deffner & Plinninger (eds.): Festschrift Prof. Georg Spaun zum 60. Geburtstag Dem Jubilar Was, Ihr wollt´s an Tunnel bau´n ? Holt´s enk glei den Georg Spaun ! Wie die Störung steht im Raum ein anderer, er sieht sie kaum ! Die Moränen sind meist braun die Stadien, wie Gschnitz und Daun im Ennstal, die kennt nur der Spaun. Er blickt weithin über´n Zaun es diplomier´n bei ihm auch Frau´n weil auch sie ihm gern vertrau´n. Mit 60 darf man wohl ergrau´n wenn andre nach der Rente schau´n. Ein Festgelag´ wie einst beim Faun wird uns Gäste wohl erbau´n. Wir wollen auf die Pauke hau´n, lasst sie raus, die Glückwunsch-sau´n: Wir feiern unsern Georg Spaun ! Ewald Tentschert Grußworte 1 Grußwort von Dr. Hubert Schmid * Präsident des Bayerischen Geologischen Landesamtes Für die Einladung, bei Ihrem Ehrenkolloquium ein Grußwort sprechen zu dürfen, habe ich mich sehr gefreut. Es sind viele fachliche und kollegiale Berührungspunkte, die Sie und das Bayerische Geologische Landesamt miteinander verbinden, insbesondere aber ist es die Beschäftigung mit der praktischen Geologie. Der Anlaß ist Ihr 60.er Geburtstag, den Sie schon gefeiert haben, und zu dem Sie unsere besten Wünsche begleiten. Der Anlaß betrifft also eine bestimmte Zeit. Gerade so ein runder Geburtstag gibt Anlaß, zurückzublicken, aber auch, und das ist besonders wichtig - sich zur Zukunft zu orientieren. Lassen Sie mich das auf die Geologie übertragen! Die Geologie ist eine Wissenschaft, die sich wie kaum eine andere mit der Zeit beschäftigt. Immer wenn ein Geologe eine Landschaft betrachtet, einen Steinbruch betritt oder einen Dünnschliff untersucht, dann denkt er zunächst an die Entstehung der Formen oder der Gesteine im Lauf der Erdgeschichte. Als Studenten haben wir deshalb gelernt, daß die Geologie eine historische Wissenschaft sei. Aufgabe der praktischen Geologie ist es aber, aus dieser historischen Wissenschaft eine Zukunftswissenschaft zu machen. Das betrifft mittlerweile viele Bereiche der Geowissenschaften, und zwar immer dann, wenn es um die Anwendung, insbesondere um die Vorsorge geht. Bei einem verhältnismäßig neuen Feld, dem Bodenschutz, geht es nicht nur um den Aufbau, die Entstehung und die landwirtschaftliche Leistungsfähigkeit von Böden, sondern um ihr Verhalten gegenüber Belastungen und die Prognose der zukünftigen Entwicklung. Bei der Hydrogeologie kommt neben der Sicherstellung der Wasserversorgung heute der Gewässerschutz als weiterer wichtiger Zukunftsaspekt hinzu. Die Lagerstättenkundler untersuchen heute die Vorkommen nicht nur hinsichtlich genetischer, struktureller oder wirtschaftlicher Aspekte, sondern müssen sich auch um die Sicherung von Rohstoffen gegenüber anderer Flächennutzungsansprüche in der Zukunft kümmern. Bei der Ingenieurgeologie ist dieser Zukunftsaspekt in besonderer Weise immanent. Es geht dabei nicht nur um mögliche langfristige Veränderungen oder Entwicklungen, sondern schließlich um die Sicherheit von Leib und Leben, nicht nur während der Bauphase eines Objektes, sondern auch später im laufenden Betrieb. Bei Ihrem Metier, der Felsmechanik und dem T unnelbau, ist dies von besonderer Bedeutung. Doch nochmals zurück zum Anfang: Die modernen Geowissenschaften sind vor etwa zweihundert Jahren entstanden. Damals ist wohl mehr zusammengekommen. Es waren philosophische Strömungen, wie die Aufklärung, die eine Freude an der Naturbeobachtung förderten, da waren Nachbarwissenschaften, ohne die unsere Geowissenschaften nicht denkbar wären und da war vor allem auch der Bedarf nach geowissenschaftlichen Daten, denn das Industriezeitalter hatte begonnen. Zwischen der sogenannten “ zweckfreien” Wissenschaft und der Anwendung war immer ein Geben und Nehmen. Flurls erste Geologische Karte von Bayern und der dazugehörigen „Beschreibung der Gebürge...“ von 1792 ist einerseits getragen von purer Wissenschaft, andererseits vom Anwendungsbezug. T riebfeder für das Werk war ganz eindeutig die Anwendung, nämlich die Rohstoffwirtschaft. Als in der Mitte des letzten Jahrhunderts in Europa die ersten staatlichen geologischen Dienste gegründet worden sind, war das in einer Zeit des Höhepunkts der Industrialisierung. Ballungszentren sind entstanden, das Eisenbahnnetz ist sprunghaft gewachsen und es ist klar, daß man dringed Daten für die Rohstoffgewinnung, die Grundwassergewinnung und die Beurteilung des Baugrundes brauchte. Heute leben wir wieder in einer Zeitenwende, darüber wird viel gesprochen. Wir erleben nie dagewesene technologische Innovationsschübe und neue Denk- und Arbeitsweisen. Zu unserer Zeit gehören auch ein Anstieg der Bevölkerungsdichte und ein gestiegener Anspruch auf Wohnraum. Dazu kommt eine nie dagewesene Mobilität des Einzelnen mit den entsprechenden Anforderungen an Verkehrswege. Ich erachte gerade geowissenschaftliche Beiträge für den T unnelbau deswegen für besonders zukunftsträchtig, weil abzusehen ist, daß der Nutzung des Untergrundes für Verkehrswege aber auch für andere Zwecke, verstärkte Bedeutung zukommen wird. Die existierenden T unnels sind die in den letzten Jahrzehnten immer dichter genutzt worden und viele T unnelbauwerke sind erst vor kurzer Zeit neu entstanden. Für weitere besteht konkreter Bedarf. Es wird zu Recht herausgestellt, daß solche T unnels nicht nur der Erleichterung und Beschleuni- * Dr. Hubert Schmid, Präsident, Bayerisches Geologisches Landesamt, Heßstraße 128, D-80797 München 2 Grußworte gung des Verkehrs dienen, sondern auch ein Beitrag zur sparsamen Flächennutzung und zum Naturschutz sind. Ich denke auch an die steigende Bedeutung von Bauwerken zur T ieflagerung von Problemstoffen. Es ist klar, daß in einer Zeit, in der unser natürlicher Lebensraum immer intensiver genutzt wird und von daher auch in besonderem Maße schutzbedürftig geworden ist, fundierte Daten und Informationen nötig sind. Der Mensch ist wie nie zuvor zum geologischen Faktor geworden, der die künftige Erdgeschichte beeinflussen kann. Für die Zukunft benötigen wir in besonderem Maße Daten über unsere Erde und über die Handhabung ihrer Potentiale. Von Bedeutung sind dabei gleichermaßen die wissenschaftliche Grundlagenforschung als auch die praktische Anwendung. Beides vereinen Sie, Herr Spaun in Ihrem Werk. Aus gleichem Grund messe ich dem Kontakt zwischen einer praktisch orientierten wissenschaftlichen Fachbehörde, wie dem Geologischen Landesamt und den Hochschulen eine besondere Bedeutung bei und freue mich sehr, heute hier bei Ihnen sein zu können. Lieber Herr Spaun, In Ihren wissenschaftlichen Arbeiten sind die Begriffe wie Stabilität, Festigkeit oder Zähigkeit besonders häufig benutzte Vokabeln. All das wünsche ich Ihnen nun für die Zukunft sowohl für Ihre Gesundheit als auch für Ihre weitere Arbeit. Ad multos annos! Dr. Hubert Schmid Grußworte 3 Grußwort von Prof. Dr. Oskar Nuyken * Dekan der Fakultät Chemie, Biologie und Geowissenschaften, T echnische Universität München Am 21. Juli 1997 konnte Herr Prof. Dr. G. Spaun seinen 60. Geburtstag feiern. Die Fakultät und die Mitarbeiter seines Lehrstuhls nahmen dies zum Anlaß, ihn am 14. November 1997 mit einem Festkolloquium hier in Garching zu ehren. Auch Sie, verehrter Leser, werden sich an die gelungene Veranstaltung mit ihren interessanten baugeologischen Vorträgen und den geselligen Ausklang im „Neuwirt“ in Garching sicher noch bestens erinnern. Der Festband, den Sie heute in den Händen halten, soll Ihnen nicht nur informative Lektüre, sondern auch Erinnerungsstück an diesen freudigen T ag sein. Lassen Sie mich ein paar kurze Worte über das Wirken unseres Jubilars an dieser Fakultät und an dieser Universität sagen. Im Oktober 1982 wurde Prof. Dr. G. Spaun im Alter von 45 Jahren als ordentlicher Professor an die T U München berufen. Mit der Übertragung dieser Professur an einen Ingenieurgeologen, der seit 1973 erfolgreicher Geschäftsführer eines renommierten Ingenieurbüros war, versicherte sich die Technische Universität der Mitarbeit eines wirklichen „Praktikers“ . Herr Prof. Dr. G. Spaun baute in der Folgezeit die Schwerpunkte „Angewandte Geologie“ und „Ingenieurgeologie“ am Lehrstuhl auf und widmete sich mit besonderer Sorgfalt der Anpassung und Erweiterung des Diplom-Studienganges. Gerade von dieser praxisbezogenen Ausbildung und Anleitung zum selbständigen geologischen Arbeiten haben seit damals unzählige Absolventen im späteren Berufsleben profitieren können. Durch seine nach wie vor rege T ätigkeit als international anerkannter Berater und durch die Mitarbeit in zahlreichen Arbeitskreisen und Gesellschaften von nationaler und internationaler Bedeutung hat er sich diesen Bezug zur Praxis erhalten können. Während der Jahre 1993 bis 1995 hat Herr Prof. Dr. G. Spaun unserer Fakultät als Dekan vorgestanden und während dieser Zeit seine Fähigkeiten in der Geschäftsführung erneut zum Wohle der Fakultät einbringen können. Auch für die Ausübung dieses - nicht immer sehr einfach auszufüllenden Amtes - ist ihm die Fakultät zu Dank verpflichtet. Ich möchte Herrn Prof. Dr. Georg Spaun im Namen der Fakultät für Chemie, Biologie und Geowissenschaften nochmals herzlich zu seinem Jubiläum gratulieren und wünsche Ihm viel Gesundheit und Erfolg für seinen weiteren Lebensweg. Ihnen, lieber Leser, wünsche ich viel Vergnügen beim Schmökern im vorliegenden Festband, verbunden mit dem Wunsch, sich dabei mit Freude an das zurückliegende Festkolloquium zu erinnern. Ihr Prof. Dr. Oskar Nuyken * Prof. Dr. Oskar Nuyken, Dekan, Fakultät Chemie, Biologie und Geowissenschaften, Technische Universität München, Lichtenbergstr. 4, D-85747 Garching 4 Prof. Spaun – Laudatio Laudatio auf Herrn Prof. Dr. Georg Spaun Dr. Walter Eppensteiner* Meine Damen und Herren, lieber Georg! Mit Georg von Spaun verbindet mich eine nunmehr 40-jährige Freundschaft. Diese sehr lange Freundschaft, der weder geographische Entfernungen, noch längere zeitliche pausen etwas anhaben konnten, gibt mir den Mut, über sein Leben einiges zu erzählen, vielleicht auch etwas Intimes. Sie werden heute sehr viel Fachvorträge über sich ergehen lassen müssen und ich glaube, daß es ohne weiteres zu vertreten ist, daß ich hier sehr persönlich zu unserem Jubilar Stellung nehme. Ich kann und möchte keine Bilanz seines Lebens ziehen, denn dazu ist er mitten in vollster T ätigkeit und - davon bin ich überzeugt- er wird noch unendlich viel schaffen. Er ist kraftstrotzend, gesund und voller Lebensfreude - ein Mensch, der zwischen Lebensstandard und Lebensqualität zu unterscheiden weiß und dies auch vorlebt. Er ist für mich immer ein Vorbild gewesen. Es beginnt damit, daß er im Jahre 1937 geboren wurde. Das ist etwas besonderes, denn zumindest in Österreich war das der geburtenschwächste Jahrgang dieses Jahrhunderts. Er ist also von daher schon eine Rarität. In der Wirtschaft sagt man: „Kleine Stückzahlen, besondere Qualität“ und das gilt auch für unseren Jubilar. Er ist zwar in Württemberg geboren, ist aber der überzeugteste Österreicher, den ich kenne. Seine Familie stammte aus der Gegend um Ulm, lebt aber schon seit mehr als dreihundert Jahren in Österreich. Aufgewachsen ist Georg Spaun im salzburgerischen St. Jakob und dort, in einem Haus, in dem es eine Bibliothek gab, hat er das Lesen entdeckt. Diese Beschäftigung betreibt er seither sehr intensiv und mit großer Erbauung. Auch begann dort seine sportliche Laufbahn: Bergsteigen, Schwimmen, Radfahren - sechs Jahre lang legte er mit dem Fahrrad täglich die 20 km auf seinem Schulweg zurück. Das hat er weiter perfektioniert bis er schließlich ohne Pause mit dem Rad von Wien nach Salzburg gefahren war. Als begeisterter Schwimmer wurde er sogar salzburger Landesmeister im Brustschwimmen. Dies sind die Grundlagen seiner phantastische Kondition. In den Jahren 1953-55 erbaute er gemeinsam mit seinem Vater ein Haus an einem der schönsten Plätze Salzburgs, am Fuß des Gaisberges. Dieser Bau war ein weiteres prägendes Ereignis für Ihn: Er begegnete dem Bauwesen und nicht zuletzt dem Beton, von dem er unglaublich viel versteht. Nach der Matura und der Ableistung des Präsenzdienstes im österreichischen Bundesheer begann er 1955 sein Studium an der Wiener Universität, zunächst tastend mit zwei Semestern Chemie. Diese kurze Begegnung mir einer exakten Wissenschaft hat sich sicherlich auch prägend auf seine Denkweise ausgewirkt. Mit dem Studium der Geologie begegnete er einem der ganz Großen der Geologie und Ingenieurgeologie, Prof. Dr. Eberhard Clar. Dieser Lehrer war eine wirklich einmalige Persönlichkeit, auf die wir Clar-Schüler unheimlich stolz sind. Clar hat einmal von sich selbst gesagt, eine Generation von wirklich prächtigen, autodidaktischen Geologen erzogen zu haben. Das klingt zunächst etwas ungewöhnlich, aber es war seine unaufdringliche Art uns geologische Begriffe, geologisches Denken und Beobachten näherzubringen. In seinen Vorlesungen, Übungen und Exkursionen hat er wie selbstverständlich eine Brücke geschlagen zur technischen Anwendung all dessen, was er an geologischen Grundlagen vermittelt hat. Er regte an, bevormundete aber nie, was auf uns befruchtend wirkte, uns anspornte. Wir hätten uns geschämt, uns vor einem solchen Menschen zu blamieren. Das war die Wurzel unseres geologischen Daseins. Ich glaube, auch im Namen unseres Jubilars zu sprechen, wenn ich sage, daß Clar die Begegnung seines Lebens war - mit Ausnahme der mit seiner Frau. Schon während des Studiums, in der Blütezeit des österreichischen Wasserkraftbaues, hat Georg Spaun bei der ST EWEAG gearbeitet und war nach seiner 1964 erfolgten Promotion zwei Jahre lang dort als Ingenieurgeologe angestellt. In dieser Zeit war er als Bauleiter beim Ennstalkraftwerk Landl beteiligt, was angesichts der damaligen Zeit für einen Dr. phil. durchaus heraushebenswert erscheint. Seine vielfältigen Aufgaben reichten dort von der Beurteilung der Betonqualität über die Einschätzung der Gebirgsspannungen bis hin zur Bauwerksabnahme. Es war seine technische Begabung, seine damals schon weitreichende Erfahrung und nicht zuletzt sein guter Ruf, die die ST EWEAG dazu veranlaßten, ihm dieses Projekt anzuvertrauen. * Ass. Prof. Dr. Walter Eppensteiner, Institut für Geologie der Technischen Universität Wien, Karlsplatz 13, A-1040 Wien Prof. Spaun – Laudatio 5 1968 fand er inmitten dieses turbulenten Lebens sogar Zeit zu Heiraten. In der Folgezeit gründete er eine prachtvolle Familie, die eine seiner Kraftquellen im Leben darstellt. Bald darauf begegnet er einem weiteren, bedeutenden Zeitgenossen unseres Faches - Prof. Dr. Leopold Müller-Salzburg. In dessen Karlsruher Institut war Georg Spaun Mitarbeiter, später wurde er Geschäftsführer der Firma Müller+Hereth. In dieser Zeit wurde der T unnelbau zu seinem Arbeitsschwerpunkt und ist es - neben seiner Lehrtätigkeit - bis heute geblieben. Im Oktober 1982 wurde Georg Spaun Professor am Lehrstuhl für Allgemeine, Angewandte und IngenieurGeologie der T echnischen Universität München. Es war dies ein übrigens die einzige Bewerbung seines Lebens. Sein weiteres Leben war seither geprägt einerseits von seiner Aufgabe als akademischer Lehrer, andererseits von seiner wahrhaft weltumspannenden T ätigkeit als international gesuchter Fachmann. Bis zum heutigen T age wirkte er bei mehr als 100 Projekten in den Bereichen Planung, Betreuung, Krisenmanagement, Schiedsgutachten mit. Sowohl auf Seite des Bauherrn als auch auf der Seite der bauausführenden Firmen führte er vielfach Projekte aus unmöglichen Situationen zu einem glücklichen Ende. Stellen Sie sich vor, Sie werden heute - vielleicht sogar über Nacht - als Fachmann zu einer ausländischen Baustelle gerufen. Sie müssen dort die Fähigkeit besitzen, sich hier als Ingenieurgeologe blitzschnell in die regionale Geologie einzuarbeiten, sofort das Wesentliche zu sehen und zu erfassen. Das geht nur, wenn Sie auf ein profundes geologisches Grundwissen zurückgreifen und dann Ihre Erfahrung und Begabung einsetzten können. Die Betreuung solcher Baustellen ist darüber hinaus körperlich und seelisch sehr anstrengend. Ich habe mir schon des öfteren die Frage gestellt, wie unser Jubilar das macht. Eigentlich müßte man Ihn nach all dem Gesagten für einen Selbstausbeuter halten - das ist er aber nicht. Er hat offensichtlich eine Reihe geheimer Kraftquellen, die es Ihm ermöglichen, all das schadlos und sogar mit größter Lebensfreude zu bewältigen. Lassen Sie mich auf diese „Kraftquellen“ im Folgenden etwas näher eingehen: Zunächst liebt er seinen Beruf über alles. Wenn er noch mal auf die Welt käme, würde er wieder Geologe werden. Er liebt das Land in dem er lebt. Er lebt in einer ungebrochenen T radition, die für Ihn eine Kraftquelle darstellt und keine Scheuklappe, die für vieles blind macht. Georg Spaun liebt seine Familie. Seine Frau ist ihm eine ganz entscheidende Stütze und auf seine Kinder ist er ausgesprochen stolz. Damit diese Situation nicht allzu lieblich erscheint erlaube ich mir an dieser Stelle zu bemerken, daß manchmal auch eine gute Portion Patriarchismus vorhanden ist. Er hat jedoch noch weitere Kraftquellen, wie sein mit-geschaffenes Heim in einer Salzburger T raumlage. Wenn ich - u.a. anläßlich des Geomechanik-Kolloquiums - die Freude habe bei Ihm wohnen zu dürfen, dann ist es immer eine Erquickung sondergleichen, wenn ich dort nach den unvermeidlichen „matten Wettern“, mancher „Längen“ Zuflucht finden und neue Kraft schöpfen kann. Sein ererbtes Haus am T raunsee, das ehemalige Amtsrichterhaus, ist Raum für herrliche Feste in wunderschönem Rahmen. Nicht zuletzt gibt es da noch sein Wiener Heim in der Einwanggasse, Stützpunkt für seine eigenen Wienbesuche, für seine Kinder beim Studium, für Assistenten, die sich fortbilden und schließlich auch für obdachlose, neuberufene Professoren Wiener Geologischer Institute, die hier Unterschlupf finden bis sie - was das Wohnen betrifft - auf eigenen Füßen stehen. Nicht zuletzt glaube ich, schöpft er auch Kraft aus seiner Lehrtätigkeit. Er ist ein leidenschaftlicher Lehrer und nimmt dies so wichtig, daß er z.B. bei den Anfängerkartierungsübungen mit seinen Studenten 8 T age lang von Morgens bis Abends im Gelände steht. Das ist heute schon sehr selten geworden. Und diese Kartierungsübungen halte ich für einen entscheidenden Punkt bei der Ausbildung junger Geologen: es ist die erste persönliche - ja körperliche - Begegnung mit der Geologie überhaupt. Dort bestens betreut zu werden kann ganz entscheidend sein, häufig weichenstellend für jeden einzelnen Studenten. Unser Jubilar hat den Ruf, als Prüfer manchmal ein bißchen unangenehm sein. Dies hat seine Ursache wohl darin, daß er seinen „Maßstab“ ziemlich hoch anlegt und als Verfechter der Ganzheitsbetrachtung keine zu frühen Spezialisten vor sich haben und ins Berufsleben entlassen will. Er ist der Überzeugung, daß ein breites Allgemeinwissen nicht nur dafür Voraussetzung ist, als Akademiker zu gelten, sondern auch um verantwortungsbewußt handeln und beurteilen zu können. Es ist heute schon eine besondere Empfehlung, ein Spaun-Schüler zu sein. 6 Prof. Spaun – Laudatio Ich glaube eine weitere Kraftquelle ist das, was man jedem Menschen zubilligen muß - der Erfolg, die internationale Anerkennung, das Gebrauchtwerden, das Geholtwerden. Dies alles ist mit Strapazen und Freuden verbunden, die ein wie das andere fest zu seinem Leben gehören. Dies ist nur eine ganz kurze Zwischenbilanz seines bisherigen Lebens und ich möchte nicht fortfahren, weitere Details aus seinem Leben zu erzählen. Georg Spaun wird sich sicher ein Leben lang der Aufgabe stellen, T unnelbau zu betreiben, diese phantastische Herausforderung und Auseinandersetzung mit dem Gebirge wird er sicher nie aufgeben. Er wird dabei Erfahrung über Erfahrung häufen, ja es ist heute schon unheimlich, was er alles an Wissen zusammengetragen hat. Und in diesem Zusammenhang möchte ich eine Bitte aussprechen, die denke ich auch in ihrem Namen ausgesprochen gehört: Er möge daran denken, nicht nur einzelne Publikationen zu schreiben, so interessant und brilliant sie auch sein mögen, sondern langsam versuchen, seine Lebenserfahrung in schriftliche Form zu gießen. Es wäre unverantwortlich, wenn das nicht geschehen würde. Und da möchte ich auch seine jungen Kollegen bitten, Ihn dabei zu unterstützen. Ich wünsche Ihm für die schöne Zeit, die ganz sicher noch vor Ihm liegen wird, vom ganzen Herzen „Glück auf“ ! Dein Walter Eppensteiner Bild: Am Lago Ranco, Südchile (Foto: ALEFS 1997). Prof. Spaun – Curriculum Vitae 7 Curriculum Vitae Geboren am 21. Juli 1937 in Ravensburg, Deutschland Ausbildung 1955 – 1964 Geologiestudium an der Universität Wien 1964 Abschluss als „Dr. phil.“ in Geologie Berufliche Tätigkeiten 1965 – 1967 Ingenieurgeologe bei der ST EWEAG (Steirische Wasser- und Elektrizitätswerke AG), Graz 1968 – 1969 Assistent beim Lehrstuhl für Ingenieurgeologie, T echnische Universität Graz 1970 – 1972 Mitarbeiter von Prof. Dr. Leopold Müller, Abteilung Felsmechanik, am Institut für Boden– und Felsmechanik der Universität Karlsruhe; T unnelbautechnische Beratungstätigkeit im In- und Ausland seit 1977 Geschäftsführer beim Ingenieurbüro Müller+Hereth, Freilassing seit 1982 ordentlicher Professor am Lehrstuhl für Allgemeine, Angewandte und IngenieurGeologie der T echnischen Universität München Akadem ische Aktivitäten !"Mitglied des Arbeitskreises AK 22 „Ausbildung in der Ingenieurgeologie“ der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik (DGGT ) !"Mitglied des Vorstandes der Österreichischen Gesellschaft für Geomechanik !"korrespondierendes Mitglied der Geologischen Bundesanstalt Wien Forschungsaktivitäten !"Geologische Gesichtspunkte bei der Klassifizierung des Gebirges im Fels- und T unnelbau !"Massenbewegungen: instabile T alflanken, Hangbewegungen und ihre Auswirkungen in den Alpen !"Probleme der Gebirgslösung (Bohr-, Fräs- und Sprengbarkeit) !"Probleme mit Quellhebungserscheinungen im T unnelbau (Anhydrit, T onminerale) Gutachterliche Tätigkeiten !"Beratungstätigkeit bei größeren Felsbau- und T unnelprojekten im In- und Ausland 8 Prof. Spaun – Ausgewählte Publikationen Ausgewählte Publikationen SP AUN , G. & T HUR O , K. (2000): Geologische Gesichtspunkte bei der Klassifizierung des Gebirges. - in: Eichler, K. et. al.: Fels- und T unnelbau. Verwitterung und Verbauung, Baustoffe und Umwelt, Vortrieb und Sicherung, Abdichtung und Ankerung. – 353 S., Kontakt und Studium, Bd. 592, Renningen-Malmsheim (Expert), S. 1-53. BAUER , M. & SP AUN , G (1996): Anthropogene Veränderungen am Stubnerkogel in Badgastein (Salzburg, Österreich) und ihr Einfluß auf das Vermurungspotential.- T agungsband Int. Symp. Interpraevent, Garmisch-Partenkirchen, 2, 203-212, Garmisch-Partenkirchen. T HUR O , K. & SP AUN , G. (1996): Drillability in hard rock drill and blast tunnelling. - Felsbau 14: 103-109. T HUR O , K. & SP AUN , G. (1996): Geologisch-felsmechanische Parameter zur Erfassung der Bohrbarkeit beim konventionellen Sprengvortrieb. – in: T aschenbuch für den T unnelbau 1997, 21., Dt. Ges. für Geotechnik e.V., Essen (Glückauf), 63-106. T HUR O , K. & SP AUN , G. (1996): Introducing `destruction work´ as a new rock property of toughness refering to drillability in conventional drill- and blast tunnelling. – in: BAR LA , G. (ed.): Eurock ´96. T urin, Italy. Prediction and performance in rock mechanics and rock engineering. Vol. 2. - 1440 S., Rotterdam, Brookfield (Balkema), 707-713. DIET Z , W. & SP AUN , G. (1995): Der Einsatz von vier T unnelbohrmaschinen bei der Auffahrung von 65 km Stollen in Lesotho.- Felsbau, 13, 1, Essen (Glückauf). SP AUN , G. & T HUR O , K. (1994): Untersuchungen zur Bohrbarkeit und Zähigkeit des Innsbrucker Quarzphyllits. – Felsbau 12: 111-122. BAUR , M., EDM AIER , B & SP AUN , G. (1992): T alzuschübe als Geschiebeherde für Murgangereignisse in Saalbach und Rauris (Land Salzburg).- T agungsband Int. Symp. Interpraevent, Bern, 2, 165180, Bern. SP AUN , G. (1986): Geologische Gesichtspunkte bei der Klassifizierung des Gebirges.- in: WICHT ER, L. 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Heiland &, E. Fecker Zur Standsicherheit der Hänge in der Umgebung des Kehrtunnels Weiler / Wutachtal J. Rybár, J. Heiland & E. Fecker* Zusam m enfassung Der Kehrtunnel im Weiler liegt an der Bahnstrecke Waldshut - Immendingen. Die Baubedingungen der 1889 eröffneten Bahn waren außergewöhnlich schwierig, einerseits bedingt durch das steile Gefälle, andererseits durch ungünstige ingenieurgeologische Verhältnisse. Das obere Portal des Kehrtunnels liegt in einem instabilen Bereich des rutschanfälligen Hanges des Wutachtals. T rotz mehrerer Sanierungsmaßnahmen konnte der Portalbereich nie vollständig stabilisiert werden. Mögliche Probleme beim Betrieb der Museumsbahn Wutachtal waren der Anlaß für eine Untersuchung der Hangstabilität in diesem Bereich. Abstract T he Weiler turning tunnel is part of the Waldshut-Immendingen railroad, which was opened in 1889. The construction works for this railroad track were extraordinary difficult due to steep gradients and disadvantageous geological circumstances. T he upper portal of the Weiler tunnel is located in an unstable slope of the Wutach valley. Despite of several redevelopment works this area could not be totally stabilized. The possibility of problems occuring during the running of the train museum in the Wutach valley led to investigations on the slope stabilty in this area. 1 Einleitung Mögliche Probleme beim Betrieb der Museumsbahn Wutachtal, die im Bereich des Kehrtunnels im Weiler einen Rutschhang quert, waren der Anlaß für eine Untersuchung der Hangstabilität im Wutachtal, Baden. Der Kehrtunnel im Weiler liegt an der Bahnstrecke Waldshut - Immendingen, die aufgrund militärstrategischer und zoll-politischer Überlegungen gebaut wurde. Die strategische Bahn wurde 1889 eröffnet um den Kanton Schaffhausen zu umfahren (W ÜR T HENAU , 1890; MOS ER , 1988). Die Baubedingungen waren außergewöhnlich schwierig, einerseits bedingt durch das steile Gefälle, andererseits durch ungünstige ingenieurgeologische Verhältnisse. Um nicht mit dem Ankuppeln von Schiebelokomotiven den Betrieb aufzuhalten, durfte die Strecke nicht steiler als 1 % ansteigen und führt deshalb wie eine Hochgebirgsbahn mit Viadukten, Kehrtunneln und Wendeschleifen zur Wasserscheide hinauf. 1955 wurde der Betrieb eingestellt, im Jahre 1977 aber in bescheidenem Maße wieder aufgenommen, als die „Museumsbahn Wutachtal“ gegründet wurde. In der touristischen Saison verkehren hauptsächlich samstags und sonntags Dampfzüge von Weizen (471 m ü. NN) bis Zollhaus/Blumberg (702 m ü. NN). Das obere Portal des Kehrtunnels im Weiler liegt in einem instabilen Bereich des rutschanfälligen Hanges des Wutachtals. T rotz mehrerer Sanierungsmaßnahmen konnte der Portalbereich nie vollständig stabilisiert werden. 2 Hänge des Wutachtals Die Museumsbahn muß ein steiles Relief an den Hängen des Wutachtals überwinden. Dieses ist ein sehr junges, bis 150 m tiefes T al, dessen Entwicklung erst am Ende der Würmeiszeit begonnen hat. Damals wurde dieses Gebiet von einem Fluß des Donau-Systems entwässert, der mit einem sehr geringen Gefälle von ca. 1 ‰ von Westen nach Osten geflossen ist (FEZER & MUUS S , 1971). Sein Flußlauf folgte einem tektonischen * Prof. Dr. Jan Rybár, Czech Academy of Sciences, Institute of Rock Structure and Mechanics, V Holesovickach 41, 182 09 Praha 8, Tschechien Dipl.-Geol. Dr. Juliane Heiland, GeoForschungsZentrum Potsdam, Telegrafenberg, D-14473 Potsdam Prof. Dr. Edwin Fecker, GIF Geotechnisches Ingenieurbüro Prof. Fecker & Partner GmbH, Am Reutergraben 9, D-76275 Ettlingen Zur Standsicherheit der Hänge in der Umgebung des Kehrtunnels Weiler / Wutachtal 11 Grabensystem, dem sog. Bonndorfer Graben. Vor ca. 18.000 bis 20.000 Jahren wurde das Flußbett durch Hochwässer aufgeschottert, die mit großer Sedimentfracht beladen waren und aus dem vergletscherten Schwarzwald kamen. Durch rückschreitende Erosion wurde dieses aufgeschotterte Flußbett von Süden angezapft und die mächtige Ur-Donau änderte dadurch ihre Fließrichtung nach Süden zum Rhein hin. Das neue Einzugsgebiet der so entstandenen Wutach führte zusammen mit den Schmelzwässern des Spätglazials zu einer rasanten erosiven Eintiefung des neuen Flußlaufs. Dieser erosive Prozeß hält bis heute an, obwohl er unvergleichbar schwächer als damals ist. Die sich schnell tiefer einschneidende Wutach traf auf mesozoische Gesteine (DEEC KE , 1932; GEYER & GW INNER , 1991), die sehr rutschanfällige Gebirgsverhältnisse zeigen. Die Schichtfolge besteht hier aus einer unregelmäßigen Wechsellagerung von verwitterungsbeständigen, spröden und wasserdurchlässigen Gesteinen mit verwitterungsanfälligen, plastischen und wasserstauenden Gesteinen. Von den mesozoischen Gesteinen ist bekannt, daß dort außergewöhnlich große und tiefgreifende Rutschungen entstehen, wenn im oberen T eil des Hanges eine mächtige Schichtfolge aus rigiden Gesteinen ansteht, die unterlagert wird von plastisch reagierenden, tonigen Gesteinen. Im Schutz der festeren Gesteine bilden sich in den darunterliegenden weniger festen, tonigen Gesteinen Hänge aus, die eine höhere Neigung aufweisen im Vergleich zur kritischen Neigung in dauerhaft stabilen Hängen in demselben Gestein. Dieser Fall gilt für den Abschnitt des Wutachtals, der im Muschelkalkgebiet liegt. Ein schematischer geologischer T alquerschnitt ist in Abb. 1 dargestellt. Der Obere Muschelkalk (mo) wird überwiegend aufgebaut aus rigiden Gesteinen (Kalke und Dolomite), Mittlerer (mm) und Unterer (mu) Muschelkalk andererseits bestehen aus plastisch reagierenden Gesteinen (T one, Evaporite und Mergel). Dieser ganze Abschnitt des Wutachtals ist stark gestört durch tiefgreifende Rutschungen in unterschiedlichen Entwicklungsstadien und Generationen. Der ca. 2,0 km lange T alabschnitt ist auf einer schematischen Karte dargestellt (Abb. 2). Abb. 1: Schematischer Talquerschnitt des Muschelkalkgebietes bei Blumegg (nach Jordan 1993). 3 Kehrtunnel im Weiler Der T unnel liegt am orographisch rechten Ufer der Wutach bei Blumegg. Sein oberes Portal liegt innerhalb der „Wutachhalde“ , die sich in kriechender Bewegung befindet (Abb. 2). Der T unnel ist 1205 m lang und in 126 „Zonen“ , bzw. T unnelblöcke oder Ringe eingeteilt. Das obere Portal liegt bei Zone 126. Nach dem Verlassen des oberen Portals verläuft die Eisenbahnstrecke zuerst in einem Einschnitt und führt dann auf eine Aufschüttung zum rechten Widerlager des Wutachviadukts und quert die Wutach über die Stahlkonstruktion des Viadukts, die am linken Widerlager endet. Das Viadukt ruht auf zwei Pfeilern, die ca. 4 m unter der T alsohle gegründet sind. Am linken Ufer verläuft die Eisenbahnlinie auf einem aufgeschütteten Dammkörper. Das Viadukt überquert das T al in einer Höhe von ca. 27 m über dem Fluß. 3.1 Geologische Verhältnisse Von T unnelzone 35 bis 120 steht sog. „Wellenmergel“ an, der nach heutiger Nomenklatur den Orbicularismergeln (mu2) und dem Wellenkalk (mu3) entspricht. Dieses Gestein ist eine Wechsellagerung aus grauen, welligen Mergelschiefern mit blaugrauen Kalkbänken und grauen Steinmergeln (nach MÜLLER , 1956). Im unteren Portalbereich befinden sich in diesen Wellenmergeln von Zone 39 bis 47 Spalten, die teilweise wasserführend sind. Im oberen Portalbereich durchörtert der T unnel angeblich ab Zone 120 den Schutt der Wu- 12 J. Rybár, J. Heiland &, E. Fecker tachhalde (Abb. 4). Die Wellenmergel zerfallen an der Luft und bei Wassezutritt sehr schnell, im frischen Ausbruch sind sie sehr hart. Überlagert werden diese Gesteine von mittlerem Muschelkalk (mm), der stark gipsführend ist. Durch Gipslösung wurde in diesem Bereich der Schichtstapel oft stark gestört. Abb. 2: Übersichtskarte der Standsicherheit der Hänge im Wutachtal bei der Ortschaft Blumegg. Eine wichtige Mitteilung wurde in einer Unterlage aus dem Jahre 1894 entdeckt. Damals wurde im Voreinschnitt zwischen dem ehemaligen Wachhaus (Wartstation 24) und dem Portalbauwerk ein Schacht abgeteuft (Abb. 3, unten). In diesem Schacht wurden bis zu einer T iefe von 19 m Rutschmassen durchteuft, als deren Liegendes Wutachflußgeschiebe gefunden wurden. Der Schacht wurde in einer T iefe von 25 m beendet, ohne daß der anstehende Felsuntergrund erreicht wurde. Man kann aber annehmen, daß der Felsuntergrund unter den fluviatilen Sedimenten aus Buntsandstein besteht, da dieser bei den Gründungsarbeiten an den Pfeilern des Wutachviadukts gefunden wurde, das in einer T iefe von ca. 4 m unter dem Flußbett gegründet ist. Daraus läßt sich ableiten, daß sich die Wutach in der näheren geologischen Vergangenheit im südlichen T eil des Untersuchungsgebietes schon bis in den Buntsandstein eintiefte, der im Liegenden des Muschelkalks ansteht. Der erodierende Fluß bewegte sich damals in einem Bett, das ca. 150 m nach Nordwesten verschoben war (im T unnelprofil). Durch seitliche Erosion am Prallhang eines Mäanders wurden im anschließenden Hang in den weichen Gesteinen des Unteren Muschelkalks Rutschungsbewegungen ausgelöst. Die Stirn dieser Rutschungen verschütteten das Flußtal und bedeckten die fluviatilen Sedimente. Der Flußlauf wurde dadurch nach Südosten verschoben. 3.2 Baugeschichte und Sanierungsm aßnahm en Der Weiler Kehrtunnel wurde in Alter Österreichischer Bauweise in den Jahren 1887 bis 1889 erbaut. Der obere Portalbereich wurde am 15. Oktober 1887 angeschlagen und zunächst nur ein Sohlstollen vorgetrieben, dem der Firststollen ab März 1888 folgte. Nach der Bogenaufweitung in der Firste folgte dem Schwellen- Zur Standsicherheit der Hänge in der Umgebung des Kehrtunnels Weiler / Wutachtal 13 vorbruch zur Sohle der Vollausbruch und die Mauerung. Aus dem Bauzeitenplan ist zu erkennen, daß der Bau des oberen Portalbereichs größere Schwierigkeiten bereitete und daß insbesondere in der Zone 121 ein mehrmonatiger Stillstand infolge eines Firsteinbruchs auftrat. Diese Zone wurde am 14. September 1888 fertiggestellt. In diesem Zeitraum wurde auch mit dem Aushub des Voreinschnitts begonnen, der mit der Fertigstellung des Portals am 11. Oktober 1889 vollendet wurde. Die Rohbauarbeiten waren am 23. Dezember 1889 beendet und der Eisenbahnbetrieb wurde am 20.05.1890 aufgenommen. Abb. 3: Oben: Übersichtsprofil quer zum Wutachtal im Bereich des Kehrtunnels im Weiler. Unten: Detailprofil im oberen Portalbereich Da der obere Portalbereich in einem langsam kriechenden Hang liegt, traten schon wenige Jahre nach Fertigstellung des T unnels die ersten Schäden auf. Es kam zu einer Längung des T unnels in den Zonen 120 - 126 (Abb. 4) und zu einer Kürzung des ersten Viaduktteils, bzw. zur Bewegung des Viadukt-Widerlagers. Als Sanierungsmaßnahmen wurden einige Entwässerungsstollen in verschiedenen Richtungen und T iefen in diesem Bereich gegraben. Dabei wurden mehrere Rutschflächen gefunden und die Bewegungen gingen auf 1/3 bis 1/4 des früheren Maßes zurück. Als weitere Maßnahme wurden die geborstenen Widerlager der Zonen 124 und 125 in den festen Wellenmergel vertieft und auf 6,3 m bzw. 12,5 m tiefe Brunnenroste gegründet (schematisch in Abb. 3 unten dargestellt). Im Jahre 1898 wurden die Widerlager und das Gewölbe in der Zone 123 erneuert. Die Erneuerung wurde in drei gleichlangen T eilblöcken vorgenommen. Widerlager und Gewölbe wurden gegenüber dem früheren Zustand stärker ausgeführt. Außerdem wurden Granitquader für die Mauerung verwendet. Über weitere Schäden geben Akten aus der Zeit nach dem 2. Weltkrieg Auskunft. In den Jahren 1951 bis 1955 wurden mehrfach die Widerlager in den Zonen 122 bis 126 repariert, desweiteren wurde auf eingleisigen Betrieb in T unnelmitte umgestellt. T rotzdem wurde noch im Jahre 1955 der Betrieb auf der Strecke Weizen - Zollhaus Blumberg aus wirtschaftlichen Gründen, und weil die Schäden im Weiler Kehrtunnel zu groß geworden waren, eingestellt. 14 J. Rybár, J. Heiland &, E. Fecker Im Jahre 1956 wurde Prof. Leopold Müller um ein Experten-Gutachten zur Problematik des T unnels im Weiler gebeten. MÜLLER (1956) schlägt verschiedene Maßnahmen vor, die er auch hinsichtlich der Machbarkeit und Kosten diskutiert. Als erste Möglichkeit wäre die Entwässerung des gesamten Einzugsbereiches zu nennen, was aber vermutlich an der Größe dieses Bereiches scheitern muß. Desweiteren denkt er an eine Verpressung des bewegten Schuttes mit Injektionen um die innere Reibung der Massen zu erhöhen. Dies dürfte aber an dem zu hohen Bedarf an Injektionsgut scheitern. Eine andere Möglichkeit wäre die Entlastung des T ops der Rutschung und die Stabilisierung des Fußes der Rutschung durch Abtrag bzw. Aufschüttung von Erdmassen. Dadurch wäre sicherlich eine Beruhigung der Bewegungen zu erreichen, vermutlich müßten aber zu große Massen bewegt werden um dies wirtschaftlich gestalten zu können. Als letzte Möglichkeit schlägt er vor, nur die T unnelröhre zu sanieren, was sicherlich wieder 50 bis 100 Jahre halten sollte. Dazu macht er den Vorschlag entweder einen flexiblen Ausbau zu wählen, damit die T unnelröhre die Bewegungen bis zu einem gewissen Grade mitmachen kann, oder einen steifen und starken Ausbau zu wählen, der den Bewegungen widerstehen kann. Bei dem steifen Ausbau kann eventuell eine Bewegungsfuge zwischen Zone 124 und 125 vorgesehen werden, der Stelle an der bisher die größten Verformungen auftraten. Abb. 4: Portalbereich des Tunnels Weiler, mit den deformierten Zonen 122 bis 126 (Stand 1976). Aufgrund militärischer Überlegungen sollte die Strecke in den sechziger Jahren wieder in Betrieb genommen werden. Die Zonen 122 bis 126 wurden dafür im Jahr 1962 folgendermaßen saniert. Als erstes wurde das Sohlgewölbe und danach die Widerlager sowie das Deckengewölbe ausgebessert und verpresst. Zum Schluß wurde die T unnelauskleidung durch einen 10 cm dicken, bewehrten Spritzbeton verstärkt. Bereits wenige Jahre nach der Instandsetzung konnten 1966 erneut Schäden in den Zonen 121 bis 126 beobachtet werden. Bis 1962 waren in den Zonen 122 - 126 insgesamt 86 cm Öffnung in der T unnelfirste und 21 cm in der Sohle gemessen worden. In der Sohle wurden bei den Zonen 124/125 und im Scheitel der Zonen 122 - 124 zusammen 30 cm Höhendifferenz gemessen, was zusammen einer Kippung der Blöcke um 65 cm entspricht. Nachdem die Deutsche Bundesbahn den Betrieb auf diesem Streckenabschnitt am 29.05.1976 endgültig eingestellt hatte, wurde am 21.05.1977 der fahrplanmäßige Museumsbahnbetrieb unter der Regie der Stadt Blumberg aufgenommen. 3.3 Heutiger Zustand In heutiger Zeit kann man in Portalbereich des T unnels Verformungen beobachten, die sich nicht von den Beschreibungen älterer Verformungen unterscheiden. In der T unnelfirste lassen sich große Verschiebungen an Spalten zwischen den Blöcken 122 bis 126 verfolgen. Vertikale Sprünge von einigen dm lassen sich mit einer Externrotation der Blöcke erklären. Der Grund für diese Externrotation bleibt unklar, es könnte sich hierbei um den Einfluß der Sanierungsmaßnahmen handeln. Desweiteren sind die Blöcke von einem Netz aus Rissen durchzogen, die meist steil einfallen und nach oben weiter geöffnet sind. Ihre Überwachung wird Zur Standsicherheit der Hänge in der Umgebung des Kehrtunnels Weiler / Wutachtal 15 erschwert durch den nachträglichen Einbau einer Spritzbetonschale, die mit Baustahlgitter verstärkt ist. Auch dieser Putz, der bei der Sanierung im Jahre 1962 eingebaut wurde, ist stark zerstört. Es entstehen durch Abschalung große Betonplatten, die sich auf der Sohle des T unnels akkumulieren und sich sehr ungünstig auf die Betriebssicherheit T unnels auswirken. Auffallend beschädigt ist der Abschnitt des T unnels, der zwischen dem Portalbauwerk und der Randspalte in der Umgebung der Fuge zwischen den Blöcken 122 und 123a liegt. Jene Spalte ist ca. 55 o bis 60 o geneigt und befindet sich in der T unnelsohle bei ca. 29,5 m und in der Firste bei ca. 33 m, gemessen von der Außenkante des Portalbauwerks. Auf dem Photo (Abb. 7) verläuft diese Spalte von der Bildmitte schräg nach links oben. Anhand ihres Verlaufes wurde die Hauptscherfläche in Übersichtsprofil (Abb. 3 und 4) dargestellt. 4 Standsicherheit der Hänge in der Umgebung des Kehrtunnels im Weiler Die Hangentwicklung des Wutachtals im Holozän wurde von JOR DAN (1993) in seiner Doktorarbeit beschrieben. Diese Arbeit beschäftigt sich hauptsächlich mit quartärgeologischen und geomorphologischen Fragen, es werden aber trotzdem einige Überwachungsmessungen an aktiven Hangbewegungen dargestellt. Die Grundzüge der Hangentwicklung im Wutachtal bei Blumegg wurde von MAT T HES IUS (1994) in seiner ingenieurgeologischen Doktorarbeit beschrieben. Im Zusammenhang mit dem T unnel im Weiler wurde die Hangentwicklung in einer breiteren Umgebung des oberen Portals untersucht. Das Wutachtal wurde in der Umgebung der Gemeinde Blumegg ursprünglich im Maßstab 1:5.000 auf einer Länge von ca. 2,5 km kartiert, einschließlich dem Rand des sich anschließenden Plateaus (RYB AR et al., 1995). Ein stark vereinfachtes Schema ist in Abb. 2 dargestellt. 4.1 Lagerungsverhältnisse Im Untersuchungsgebiet stehen ausschließlich Gesteine des Muschelkalks an. Der Obere Muschelkalk (mo) besteht überwiegend aus rigiden, verwitterungsbeständigen Gesteinen, Mittlerer (mm) und Unterer Muschelkalk (mu) dagegen aus plastisch-reagierenden, verwitterungsanfälligen Gesteinen. Aufgrund des hohen Gefälles des Flußbetts sind flußaufwärts immer jüngere Gesteine angeschnitten. Abb. 5: Übersichtsprofil quer zum Wutachtal unterhalb der Ortschaft Blumegg. Das Wutachtal weist eine eindrucksvolle T alasymmetrie auf (Abb. 1, 3 und 5). Der rechtsufrige Hang weist eine generelle Neigung von ca. 20° auf und ist ca. 165 m hoch, der linke Hang hat dagegen ein generelles Einfallen von 30° bis 35° und die Hangkante liegt im Durchschnitt 20 m niedriger. Der rechte Hang ist durch Hangbewegungen intensiv zerstört, während der linke Hang ein ausgeglichenes Relief aufweist, nur am Hangfuß finden sich gelegentlich lokale Rutschungen. Auf dem linksufrigen Hang kann man viele Erosionsrinnen und Seitentäler beobachten. Die T alasymmetrie ist eindeutig durch die Lagerungsverhältnisse beeinflußt. Die mesozoischen Sedimente fallen in dieser Gegend mit ca. 3° bis 5° Grad nach Osten bis Südosten ein (MAT T HES IUS , 1994), was sich sehr günstig auf die Entwicklung von Hangbewegungen am rechtsufrigen Hang auswirkt. Zusätzlich konzentrieren sich an diesem Hang Grundwasseraustritte, die aus einem großen Einzugsgebiet stammen. 16 J. Rybár, J. Heiland &, E. Fecker 4.2 Faktoren, w elche die Standsicherheit der Hänge beeinflussen Die Lagerungsverhältnisse im Muschelkalkgebiet sind eine wichtige Vorraussetzung zur intensiven Entwicklung von Rutschungen am rechtsufrigen Hang. Wichtig ist als permanenter Faktor eine starke erosive Tätigkeit des Flusses, der dadurch immer wieder die Stabilität der Hänge beeinträchtigt. Eine wesentliche Rolle bei der Hangentwicklung spielt außerdem die Gipslösung, die vor allem im Mittleren Muschelkalk ansetzt. Ein Beweis für die Existenz von Gipslösung sind eine Reihe von Dolinen in der Umgebung von Blumegg und Erdfälle an den Hängen des T ales. Man muß damit rechnen, daß der Auslaugungsprozeß in den Hangbereichen am schnellsten abläuft, in denen die stärkste Grundwasserströmung auftritt. D.h. es ist hauptsächlich nahe der Hangoberfläche damit zu rechnen. In dem schematischen Profil nach JOR DAN (siehe Abb. 1) ist dargestellt, wie sich die Mächtigkeit der evaporitischen Gesteine durch die Auslaugung vermutlich verringert. 4.3 Reliefform en Auf beiden Seiten werden die Hänge im oberen Bereich von steilen Wänden aus Kalkstein und Dolomit abgeschlossen. Auf der linken Seite handelt es sich meist um eine durchgehende, stufenförmige Wand, während am rechten Hang die Felspartie den Charakter eines Blockfeldes hat. In der Anfangsphase zerfiel das Massiv entlang vorgezeichneter T rennflächen in Blöcke. Es öffneten sich Spalten ohne daß eine nennenswerte Senkung der Blöcke erkennbar ist. In der nächsten Phase beginnen die Blöcke sich sowohl gegen den Hang als auch mit dem Hang zu verkippen und sinken dabei in die Unterlage ein. Die obersten Blöcke sind dabei zuerst als langgestreckte Blockzüge anzutreffen, die dann später in einzelne, turmartige Blöcke zerfallen. Im mittleren T eil des rechtsufrigen Hanges finden sich ausgeprägte Depressionen, bzw. Senken und Elevationen. Im Kern der Elevationen befinden sich wahrscheinlich zerfallene Felsmassen. Der größte dieser verschütteten Blöcke liegt in der Mitte des Hanges im Übersichtsprofil (Abb. 3). Seine längere Achse verläuft parallel zu den Isolinien und ist ca. 200 m lang. Dahinter befindet sich eine abflußlose Depression. Für die meisten Senken und Elevationen ist eine hangparallele Orientierung typisch. Viele Depressionen sind zumindest zeitweise wassergefüllte, kleine T ümpel. Die meist ausgeprägt ebene Oberfläche der Elevationen ist häufig leicht gegen den Hang geneigt. Schmale, langgestreckte Depressionen finden sich vor allem im unteren Bereich am Hangfuß. Die längste Depression erreicht über 200 m und liegt am Fuß des linksufrigen Hanges, nicht weit entfernt von dem in der Karte eingezeichneten Profilschnitt 1. Die Reliefformen in den Gesteinen der mittleren Partie des rechten Hanges entsprechen überwiegend Bewegungen mit langsamem, kriechendem Charakter. Die Geschwindigkeit der Bewegung ist wahrscheinlich nicht höher als einige mm bis cm pro Jahr. Dies gilt vor allem für den südlichen Abschnitt des untersuchten Gebietes, dort wo das Portal des T unnels im Weiler liegt. Der Bau des T unnels und die nachfolgenden Sanierungsmaßnahmen, wobei bei den letzten vor allem die Unterlage des Portalbereiches verfestigt und entwässert wurde, trugen sicher zur andauernden Verlangsamung der Bewegung des Hanges bei. Ein nicht geringer Anteil daran hatte vermutlich auch der Verbau des Flußbettes im Viaduktbereich. Auf einer Länge von einigen hundert Metern wurde dadurch die erosive Eintiefung des Flusses stark gebremst. Anhand der Reliefformen läßt sich sagen, daß der Bereich mit der höchsten Hangbewegungsaktivität direkt unterhalb der Gemeinde Blumegg liegt. Die Stabilitätsverhältnisse in diesem T alabschnitt sind gut in Übersichtsprofil in Abb. 5 sichtbar. Das Flußbett ist in diesem Bereich durch umgestürzte Bäume und Felsblöcke verschüttet, in der Flußsohle ist sogar eine Aufwölbung der Gesteine zu erkennen. Der Flußlauf hat hier den Charakter einer Stromschnelle. Die größten Hangbewegungen entstehen am rechten Flußufer, aber teilweise drücken, am Prallhang von Mäandern, auch die Hänge am linken Ufer in den Fluß. Eine extrem exponierte Stelle in der T alsohle wurde ca. 600 m flußaufwärts von Profil 3 festgestellt. Hier ist das Durchflußprofil zwischen groben Dolomit- und Kalkblöcken auf ca. 5 m verengt (Abb. 6), von denen einige Blöcke aus dem Oberen Muschelkalk stammen. Diese Stelle ist in der Übersichtskarte (Abb. 2) mit dem Worte „verengt" markiert. Zur Standsicherheit der Hänge in der Umgebung des Kehrtunnels Weiler / Wutachtal Abb. 6: 17 Am stärksten exponierte Stelle im Wutachbett; Abgerutschte Felsblöcke verengen den Wasserlauf von beiden Seiten 4.4 Mechanism us der Hangbew egungen Die Entwicklung der Hänge im Muschelkalkgebiet ist stark von den Lagerungsverhältnissen beeinflußt. Im oberen T eil der Hänge streichen rigide Gesteine aus, im mittleren und unteren T eil der Hänge plastisch reagierende Gesteine. Die Schichten sind dabei an der rechten Seite des T ales leicht hangauswärts geneigt, während sie an der linken T alseite leicht hangeinwärts einfallen. Der Hauptdestabilisierungsfaktor ist die Erosionstätigkeit der Wutach. Im oberen Abschnitt der Hänge am rechten Ufer kommt es zu einem langsamen Zerfallen der steilen Wände aus Dolomit und Kalkstein. Blockartige Kriechbewegungen verursachen die Entstehung von Blockfeldern mit den typischen Felstürmen, wobei die Blöcke hangabwärts schnell zerfallen. Im oberen T eil der Hänge des linken Ufers bleibt eine durchlaufende Felswand bestehen, hinter deren Kante aber auch ähnliche Auflockerungserscheinungen zu finden sind, die teilweise sogar bis 200 m hinter die Kante reichen können. Unterhalb der Felswand treffen wir auf Steinschlag und kleine Felsstürze. Einige der abgestürzten Blöcke erreichen sogar das Flußbett. Die ausgedehntesten Hangbewegungen befinden sich aber am rechtsufrigen Hang. Für diese sind große Elevationen und Depressionen typisch, die parallel zu den Isolinien verlaufen. Dies sind charakteristische Reliefformen von Rutschungen, die als translative oder laterale Rutschungen bezeichnet werden (nach NEMCOK et al., 1972). Sie entstehen vor allem in geschichteten Gesteinen mit subhorizontalen Lagerungsverhältnissen, wie dem Muschelkalkgebiet. Mächtige Felsblöcke verschieben sich als ganzes Stück auf subhorizontalen Scherflächen oder Scherzonen. Hinter den abgeschobenen Blöcken entstehen grabenartige Depressionen. Die Vorstellung vom Versagensmechanismus dieses T yps sind in den Übersichtsprofilen (Abb. 3 und 5) dargestellt. Die Scherflächen liegen nach dieser Vorstellung in mehreren Höhenniveaus und verlaufen bis zu einer T iefe von ca. 50 m unter der Erdoberfläche. In heutiger Zeit aktive Scherflächen können aber auch in höheren Niveaus liegen. Es ist wahrscheinlich, daß ältere Scherflächen unter der T alsohle verlaufen, wie z.B. im Übersichtsprofil (Abb. 5) dargestellt. Die bisherigen Vorstellungen (MÜLLER , 1956; JOR DAN , 1993; MAT T HES IUS , 1994) gingen von Rutschungsbewegungen mit parallel zum Hang liegenden Scherflächen aus, was aber aufgrund unserer Erkenntnisse nicht haltbar ist. Der Anteil der Gipslösung an der Reliefentwicklung des Muschelkalkgebiets ist unstrittig. Man kann feststellen, daß Auslaugungsvorgänge, wenn sie im unteren T eil des Hanges verlaufen, destabilisierend auf die Hangstabilität einwirken. Verfüllte Erdfälle und Dolinen auf dem Plateau in der weiteren Umgebung der 18 J. Rybár, J. Heiland &, E. Fecker Gemeinde Blumegg erleichtern dem eindringenden Wasser den Weg in die unterlagernden Schichten. Dies sollte allerdings die Hangstabilität nicht wesentlich verschlechtern, da es sich hier um einen anhaltenden, seit langem wirkenden Einfluß handelt. 5 Hydrogeologische Verhältnisse Die Eingangsdaten zur Beurteilung der Bergwasserverhältnisse im Untersuchungsgebiet sind sehr bescheiden, weshalb wir nur allgemeine Kenntnisse über die Hydrogeologie des Muschelkalkgebietes benutzen. Erhöhte Wasserdurchlässigkeit zeigen die geklüfteten Kalke und Dolomite des Oberen Muschelkalks, bzw. die kalkigen und dolomitischen Zwischenlagen in den T onsteinen und Mergeln des Mittleren und Unteren Muschelkalks. Die Schichtfolgen, welche Evaporite enthalten, zeigen eine erhöhte Durchlässigkeit als Folge von Verkarstung. Das generelle Einfallen der Schichten beträgt 3° bis 5° nach Ost bis Südost. Das bedeutet, daß das Grundwasser aus dem ausgedehnten Plateau, an dessen Rand die Ortschaft Blumegg liegt, in Richtung des Wutachtals abfließt. D.h. das Flußtal hat die Wirkung einer Drainage. Die Infiltration wird erleichtert durch die Durchlässigkeit der Kalke und Dolomite des Oberen Muschelkalks, der dieses Plateau aufbaut. Mit einer erhöhten Infiltrationswirkung muß man im Bereich der Dolinen und verschütteten Erdfälle rechnen, die in der Umgebung von Blumegg häufig auftreten. Die Aktivität von tiefgreifenden Rutschungsbewegungen in einem Gebirge, das überwiegend aus tonigen Gesteinen besteht, ist abhängig vom Grad der Durchfeuchtung. Aktive Hangbewegungen treten vor allem dort auf, wo sich der Grundwasserspiegel der Erdoberfläche nähert. Dies kann man auch am rechten Hang des Wutachtals zeigen. Die aktivsten Rutschungen befinden sich in dem Abschnitt des Hanges unterhalb der Gemeinde Blumegg, wo am Hangfuß eine Reihe von Wasseraustritten festgestellt wurden. Die drei stärksten Quellen sind in der Karte (Abb. 2) dargestellt. Die Wassersättigung der überwiegend tonigen (bzw. mergeligen) Gesteine steht in Zusammenhang mit der langjährigen Niederschlagsbilanz. Erst eine über einige Jahre erhöhte Niederschlagsbilanz führt zu einer solchen Sättigung der Hänge, welche die Entstehung von Hangbewegungen von größerem Ausmaß hervorruft. Für die Gegend von Blumegg kann man das Niederschlagdiagramm in Abb. 8 verwenden, das aufgrund der Mittelwerte der Meteorologischen Stationen Bonndorf (876 m ü. NN) und Donaueschingen (677 m ü. NN) erstellt wurde. Das Diagramm zeigt die auf drei Jahre verteilten Summen der Niederschläge in Prozent des Mittelwertes. Da die Aktivität von tiefgreifenden Hangbewegungen in tonigen Gesteinen stark abhängig ist von den langzeitlichen Niederschlagsmengen, wurde eine Methode entwickelt, um die Niederschlagstrends darzustellen. Dabei werden zur Jahressumme 60 % bzw. 30 % der Jahressummen der beiden vorhergehenden Jahre addiert, das Ergebnis halbiert und in Prozent des Mittelwertes des Jahresniederschlages dargestellt. Die langjährigen jährlichen Mittelwerte für die Station Bonndorf betragen 976 mm und für Donaueschingen 798 mm. Für das Wutachtal dürfte der wirkliche jährliche Niederschlag etwas niedriger als der von Donaueschingen liegen, aber die allgemeinen T rendänderungen dürften ungefähr gleich sein. Die Maxima des Diagrammes entsprechen den Zeitperioden mit erhöhter Hangbewegungsaktivität in diesem Gebiet Deutschlands. Am 7. Januar 1966 z.B. wurde die größte bekannte Rutschung im Einzungsgebiet der Wutach bei Achdorf ausgelöst (T ANGER M ANN , 1971). Zum Vergleich der Beziehung zwischen Niederschlagsbilanz und Hangbewegungsaktivität fehlen gerade im T unnel im Weiler, mit Ausnahme von zwei kurzen Perioden (1953-1961 und 1985-1995), Angaben über die Bewegung. Mit großer Vorsicht läßt sich die erhöhte Geschwindigkeit der Verschiebungen im Jahr 1955 auf die starken Niederschläge in den Jahren 1952-53 zurückführen. Im Bereich des vom T unnel beeinflußten Geländes sind die ehemaligen hydrogeologischen Verhältnisse stark verändert. Die T unnelröhre, die keine Isolierung gegen das anstehende Gebirge aufweist, fungiert als wichtiges Entwässerungselement. Eine Angabe über die Höhe des Wasserabflusses aus der T unneldrainage konnte nicht gefunden werden. Im Bereich der Firste und Ulme kommt es im zerstörten Portalbereich zu Wasserzutritten, was auf archivierten Photos durch Eiszapfenbildung im Winter dokumentiert ist. Direkt unterhalb des Portalbereiches des T unnels wurde im Rahmen der Sanierungsarbeiten in den Jahren 1893-98 mehrere Entwässerungsstollen in unterschiedlichen Richtungen und T iefen erstellt, die eindeutig zur Entwässerung beitragen. Es war leider unmöglich festzustellen, wie das Wasser gefaßt und abgeleitet wird. Die Überwachung der Abflußmenge des Wassers aus der gesamten T unneldrainage wäre eine gute Verbesserung des ganzen Überwachungssystems. Zur Standsicherheit der Hänge in der Umgebung des Kehrtunnels Weiler / Wutachtal 19 6 Meßbeobachtungen 6.1 Meßbeobachtungen im Tunnel sow ie zw ischen Portal und Wutach Die Messungen, die bisher im Zusammenhang mit der Schädigung des Portalbereichs des T unnels im Weiler durchgeführt wurden, sind von sehr unterschiedlichem Charakter, da bei jeder Meßreihe andere Punkte verwendet wurden. Abb. 7: Rissbild im Spritzbeton des Kehrtunnel-Portalbereiches. An horizontalen Verschiebungsmessungen wurden Relativmessungen sowie Absolutmessungen der Entfernung zwischen Beobachtungspunkten durchgeführt. Gleichzeitig wurden die vertikalen Verschiebungen durch Nivellements beobachtet. Die Messung der Verkippung des Portalbauwerks wird mit dem Prinzip des Senkbleis vorgenommen. Leider wurden die Meßbeobachtungen nicht ohne Unterbrechung seit dem Bau bis heute durchgeführt. Es existieren nur zwei kontinuierliche Meßreihen, die erste in der Zeit von 1953 - 61 und die zweite von 1985 95, bei denen unterschiedliche Beobachtungsnetze verwendet wurden. Zusätzlich fand im Jahr 1968 eine Messung statt, bei der schon dieselben Meßpunkte wie bei der Meßreihe 1985 - 89 verwendet wurden. Im November 1996 hat das Geotechnische Ingenieurbüro Prof. Fecker und Partner GmbH Ettlingen neue Messungen der Entfernungsänderungen zwischen den einzelnen Blöcken im Portalbereich des T unnels begonnen. Desweiteren gibt es eine allgemeine Mitteilung aus dem Jahr 1949 über die gesamte Verkürzung des Abschnitts zwischen dem Portal und dem Viadukt. Es existieren ferner Mitteilungen aus den Jahren 1949 und 1962 über die Verbreiterung von Rissen und Fugen in der Sohle und Firste des T unnels. Die Angaben, welche graphisch darstellbar waren, sind in der Abb. 8 dargestellt. Aus den Meßreihen wurden jeweils die Punkte ausgewählt, die die größten gemessenen Bewegungen zeigen. Der Bewegungsverlauf wurde verglichen mit den Niederschlagsmengen. Bei diesen handelt es sich um zusammengefaßte Werte der meteorologischen Stationen Bonndorf und Donaueschingen. In Abb. 8 sind außerdem die Bauzeit, die Zeiten der Sanierungsarbeiten und die Zeit der Betriebseinstellung eingetragen. Desweiteren sind die maximalen Setzungen der Krone der Dammaufschüttung am linken Wutachufer dargestellt. 20 J. Rybár, J. Heiland &, E. Fecker Der Verlauf der Deformationskurve zeigt, daß die horizontale Komponente der Bewegung unregelmäßig verläuft. Dies gilt vor allem für die T unnelröhre, weil die Ringe trotz ihrer starken Zerbrechung als starrer Körper im Gebirge reagieren. Die Größe der horizontalen Verschiebungen ist ungefähr doppelt so groß wie die vertikale Komponente der Verschiebungen. Abb. 8: Gemessene Verschiebungen im Tunnel im Weiler im Zusammenhang mit den Niederschlägen. Die größten Bewegungen wurden am Portalbauwerk des T unnels beobachtet. Die Sohle verschiebt sich Richtung Wutachtal, zugleich kippt die Firste gegenüber der Sohle in dieselbe Richtung. Die Messungen des letzten Zeitraums (1985-1995) zeigen eine durchschnittliche Geschwindigkeit der horizontalen Verschiebungen um 5 mm/Jahr. Die insgesamt größten Bewegungen wurden im Zeitraum 1953-55 und im Zeitraum 1968-1985 registriert, mit ca. 10 mm/Jahr in der horizontalen und 7 mm/Jahr in der vertikalen Komponente (letzteres nur im Zeitraum 1953-54). In den letzten 10 Jahren kam es zu einer Verminderung der Bewegungen. Die neuen distometrischen Messungen, die seit November 1996 durchgeführt werden, bestätigen die bisherigen T rends. Das Portalbauwerk (Zone 126) entfernt sich von der stabilen Zone 121 mit einer Geschwindigkeit von ca. 8 mm/Jahr in der Firste und ca. 5 mm/Jahr in den Ulmen. Ähnliche Geschwindigkeiten wie der Portalbereich des T unnels zeigen auch die Bewegungen der Punkte zwischen T unnelportal und Viadukt, während der letzten Meßperiode waren es ca. 4 mm/Jahr bei der horizontalen (Kurve 2H) und 1,5 mm bei der vertikalen Komponente (Kurve 2V). D.h. auch das ehemalige Wärterhäuschen bewegt sich mit dieser Geschwindigkeit, aber ohne irgendwelche Schäden zu zeigen. Meßbeobachtungen wurden auch an der Krone der Dammaufschüttung am linken Ufer der Wutach durchgeführt. Dort finden nach wie vor große Setzungen statt, deren Bewegungstendenz aber abnehmend ist. Im Zeitraum 1953-61 waren es ca. 7 mm/Jahr, heute sind es noch 1,5 mm/Jahr. Man kann nicht ausschließen, daß der Grund dafür vor allem in der Auslaugung von Gips liegt, der sich in den Aufschüttungsmassen befindet. Es ist sehr wahrscheinlich, daß für die Dammaufschüttung nur Ausbruchsmaterial des T unnels verwendet wurde. Desweiteren zeigen sich sehr auffallende Ähnlichkeiten zwischen dem Setzungsverhalten der Zur Standsicherheit der Hänge in der Umgebung des Kehrtunnels Weiler / Wutachtal 21 Aufschüttung (Kurve 3V) und der Setzung des Portalbauwerkes (Kurve 1V) im Zeitraum 1968-1995. Es stellt sich dabei die Frage, ob die vertikale Komponente der Verschiebung im Rutschbereich teilweise nicht durch Gipslösung bedingt ist. 6.2 Meßbeobachtungen in der w eiteren Um gebung Unterschiedliche Feldmessungen wurden in der Umgebung des Wutachtals mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft in den Jahren 1989-1993 durchgeführt, die von MATTHESIUS (1994) zusammengefaßt wurden. Es handelt sich um hochpräzise, geodätische Entfernungsmessungen und Nivellements, deren Ziel die Bestätigung der Bewegungsaktivität der Hänge und des Bereiches hinter der Hangkante war. Sie wurden in einem dreihundert Meter breiten Vermessungsnetz zwischen den Ortschaften Blumegg und Fützen durchgeführt. Da der Beobachtungszeitraum sehr kurz war, sind die Ergebnisse leider nicht sehr aussagekräftig. Wichtige Angaben wurden gewonnen durch die extensiometrische Messung an Spalten zwischen einzelnen, turmartigen Felsblöcken mit einem Präzisionsdistanzmeßgerät der Firma Mitutoyo. Diese Messungen wurden an der Meßstelle Nr. 2000 (MAT T HES IUS , 1994: S. 54) durchgeführt, die am westlichen Ende des in der Karte eingezeichneten Profilschnittes 2 liegt. Es wurde dort festgestellt, daß die durchschnittliche Öffnung der Spalten zwischen den Blöcken ca. 1-2 mm/Jahr beträgt. Die maximale Verschiebung von bis zu 8 mm/Jahr wurde im Zeitraum Mai 1992 - Mai 1993 an einem Meßbolzen-Paar festgestellt. Mit Beobachtungsmessungen an flachen Rutschungen und Erdströmen befaßte sich JOR DAN (1993), allerdings befinden sich diese Messungen außerhalb des Muschelkalkgebiets in der Umgebung der Ortschaft Achdorf. 7 Schlußfolgerungen aus den ingenieurgeologischen Feststellungen Das obere Portal des Kehrtunnels im Weiler liegt in einem vergleichsweise wenig aktiven Bereich des rutschanfälligen, rechtsufrigen Hangs des Wutachtals. Zur relativen Beruhigung der Verformungen haben offenbar in der Vergangenheit die Verfestigung und Entwässerung der Unterlage des Portalbereichs, die Drainagewirkung des T unnels, die Verbauung des Flußbettes und damit die Verminderung der Erosionstätigkeit beigetragen. Die T unnelblöcke sind durch Bewegungen zerbrochen, die hinten randlich durch eine Scherfläche begrenzt sind, die im Bereich des Kontakts der Zonen 122 und 123a quer zum T unnel verläuft und steil einfällt (ca. 55° bis 60°). Andere aktive Scherflächen bedrohen den T unnel nicht, da sie in ausreichender Höhe über der T unnelröhre verlaufen (siehe Übersichtsprofil in Abb. 3). Die horizontale Verschiebungskomponente im T unnel und im Vorfeld des Portales sind meistens doppelt so groß wie die vertikale Senkung, beide unterliegen langzeitlichen Schwankungen der Geschwindigkeit. In den vergangenen zehn Jahren zeigte sich eine verlangsamende T endenz. Es wurde keine Erscheinung festgestellt, die eine Vergrößerung des bis heute bekannten Ausmaßes der Risiken anzeigen würden, unter denen der T unnel in Betrieb ist. Als ungünstige Instandsetzungsmaßnahmen muß man die Schutzschicht aus Spritzbeton bezeichnen, die während der letzten Sanierungsphase eingebaut wurde. Das unkontrollierte Abplatzen von Betonplatten kann den Betrieb gefährden. 8 Empfehlungen Aufgrund der Analyse der Erkenntnisse aus dem Studium von Archivmaterial, der Geländearbeit und Kartierung und der Interpretation der Ergebnisse der Überwachungsmessungen kann man für den Betrieb des Kehrtunnels im Weiler folgendes empfehlen: 1. Fortführung des Museumsbahnbetriebes in der heutigen Form 2. Zur Verminderung des Risikos für den Betrieb sollte man die Spritzbetonschicht und die Baustahlgitter entfernen. 3. Weitere Instandsetzungsmaßnahmen können ohne Zeitdruck geplant werden. 22 J. Rybár, J. Heiland &, E. Fecker 4. Um die Betriebssicherheit des T unnels zu erhöhen, sollte die Aussagekraft der Überwachungsmessungen durch weitere Messungen ergänzt werden 5. Installation einer Meßeinrichtung an den Auslässen der T unnelentwässerung zur Erfassung der Wassermenge und damit Gewinnung von Erkenntnissen über die Bergwasserverhältnisse. 9 Literaturverzeichnis DEEC KE , W. 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Common geological assessment tools can be used to make at least some of these predictions. For the topological prognosis (where?) an inventory of former landslide events is useful, especially for soil slips and smaller rockfalls. Larger slope movements in rocks present greater problems as they are commonly bound to tectonic structures that are difficult to detect prior to failure. T he prediction of the mechanisms (what?) in the same way as temporal prognosis (when?) require both a careful ground examination. A long-term slope stability prediction (about 100 years) has nothing to rely on but geological and morphological evidences. In the geologic lifetime of a slope one hundred years is really just the "blink of an eye"; so also predictions on this time scale can be termed "precise". Short-term predictions (hours to days to several years) become necessary after first movements have occurred. In some cases engineering methods can be applied to extrapolate how the pre-failure movements may progress to a final collapse. T his paper presents some examples for the possibilities of prognosis in the practice and for the successful prediction of slope movements in the literature. 1 Einleitung Bei der speziellen Untersuchung instabiler Hänge, wobei hier die bloße Oberflächenerosion und der flache Massenschurf außer acht gelassen werden, ist das grundsätzliche Ziel eine Vorhersage. Es geht dabei um die Fragen des "wo", des "wie" und insbesondere auch des "wann", um gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen zur Gefahrenreduzierung einleiten zu können. Fälschlicherweise wird dieser Arbeitsbereich innerhalb der Geologie häufig pauschal zur Ingenieurgeologie gestellt. T atsächlich handelt es sich aber weitgehend um Untersuchungen, die in den Bereich der "exogenen Dynamik", also der Allgemeinen Geologie fallen. Erst durch den Ansatz des Sanierungsaspektes bei weitergehenden Detailerkundungen oder durch die Einbeziehung mechanischer Überlegungen zum Bewegungsablauf sind dann auch die Bereiche der Angewandten Geologie, speziell der Ingenieurgeologie, sowie der Geotechnik betroffen. Das bloße Erkennen von Hangbewegungen sowie eine erste Beurteilung sollte deshalb jedem Geologen geläufig sein und nicht nur dem Spezialisten überlassen werden. Bereits aus praktischen Überlegungen sollten die Hangbewegungen bei allen Feldgeologen mehr Beachtung finden, denn bereits häufiger entstanden Fehlinterpretationen einer stratigraphischen Abfolge, wenn verrutschte Massen nicht als solche erkannt wurden. In gleichem Maße sind die rezenten Ablagerungen von subaerischen sowie subaquatischen Hangbewegungen für die Interpretation fossiler, analoger Ablagerungen hilfreich. Beispielsweise sei auf die Beschreibung von jungen, submarinen Großrutschungen vor Hawaii durch LEE (1993) hingewiesen. Er berichtet von Einzelablagerungen von 200 km Länge mit Kompartimenten in Kilometergröße. Heute werden bei der stratigraphischen Interpretation fossiler Sedimente derartige "eingerutschte Großschollen" noch weitgehend auf T ektonik zurückgeführt, da eine gravitative Genese aufgrund der Dimensionen nicht vorstellbar erscheint. * Dipl.-Geol. Dr. Andreas von Poschinger, Bayerisches Geologisches Landesamt, Heßstraße 128, D-80797 München 24 A. v. Poschinger 2 Möglichkeiten der Prognose 2.1 Vorhersagen zum Ort Hierzu ist zunächst auf die Eingrenzung potentieller Anbruchgebiete einzugehen. Aufgrund der Erfahrungswerte läßt sich deutlich feststellen, daß ein Großteil der akuten und potentiellen Anbruchgebiete in Bereichen liegt, in denen bereits früher ähnliche Ereignisse aufgetreten sind. Die Aufnahme alter Bewegungsbereiche in einem Hangbewegungskataster ist somit bereits ein wesentlicher Schritt zur Vorhersage zukünftiger Anbruchgebiete. Zudem zeigt es sich, daß für jede Region einzelne Schichtglieder oder spezielle Schichtabfolgen eine besondere Affinität für jeweils spezifische Hangbewegungen aufweisen. Als Beispiel aus den Nördlichen Kalkalpen sei hier die bekannte Felssturzhäufigkeit in Rätriffkalken genannt, die mit der verbreiteten Unterlagerung durch plastisch reagierende und verwitterungsanfällige Kössener Schichten in Zusammenhang steht. Bei der Analyse von bereits erfolgten Hangbewegungen im Bayerischen Alpenraum hat es sich zudem gezeigt, daß der spezifische Ort eines Anbruches im Festgestein in den meisten Fällen durch eine tektonische Besonderheit, also durch Störungen oder Faltenstrukturen bedingt war. Hierbei handelt es sich oft um verhältnismäßig unbedeutende Phänomene, die bei einer Kartierung im Vorfeld eines Anbruches kaum festgestellt werden können. Aus dieser Feststellung läßt sich auch entnehmen, daß die in letzter Zeit in zunehmendem Maße für die Vorhersage von Hangbewegungen propagierten Geographischen Informationssysteme bei zunehmendem Maßstab und insbesondere in Bezug auf Festgesteinsanbrüche rasch an ihre Grenzen stoßen. Sie können die intensive Geländeaufnahme nicht ersetzen oder auch nur spürbar reduzieren. Sie sind allerdings ein sehr gutes Werkzeug für die anschauliche Darstellung von ansonsten unübersichtlichen Flächeninformationen, da eine selektive Informationsauswahl und -kombination erfolgen kann, die umfangreiche Grundinformation jedoch im Hintergrund stets abrufbereit bleibt. Die genannten natürlichen Dispositionsgebiete für Hangbewegungen werden noch durch solche ergänzt, die auf künstlichen Einfluß zurückzuführen sind. Im alpinen Bergland ist der anthropogene Einfluß allerdings weitgehend auf Hänge beschränkt, die ohnehin bereits eine offensichtliche oder latente Instabilität aufweisen. Ansonsten ist der anthropogene Einfluß weitgehend auf kleine, lokal begrenzte Hangbewegungsereignisse und vor allem auf Erosionsprozesse beschränkt. Außer der Frage nach dem potentiellen Anbruchbereich ist die nach dem Weg einer bewegten Masse zu stellen. Zur Beantwortung ist insbesondere eine genaue Kenntnis der voraussichtlichen Bewegungsart und des Volumens erforderlich. Hiervon wird es abhängig sein, ob sich die Masse dem Geländerelief anzupassen vermag und seinen Strukturen folgt, oder ob sie u.U. sogar größere Hindernisse auf ihrem Weg überwindet. Eine entsprechende Aussage ist oft nur nach sorgfältigen Geländeuntersuchungen und vergleichenden Beobachtungen möglich. 2.2 Vorhersagen zum Mechanism us Eine Vorhersage der Mechanismen, die bei einer Hangbewegung ablaufen, ist unerläßlich für die Abschätzung eventueller Folgen. Beispielsweise ist es von fundamentaler Bedeutung, ob ein Kriechvorgang, der oberhalb einer Steilkante abläuft, in eine Sturzbewegung übergehen, oder ob aus einer Rutschung eine Mure erfolgen kann. Eine entsprechende Einschätzung erfordert wiederum üblicherweise intensive Geländeuntersuchungen und den entsprechenden zeitlichen und finanziellen Aufwand. Es müssen hierbei insbesondere auch die geotechnischen Parameter wie z.B. Scherfestigkeit oder Plastizität und ihr jeweiliger Stellenwert sowie die möglichen externen Einflüsse (z.B. Einfluß von Bergwasserspiegelschwankungen) bestimmt werden. Von den spezifischen Mechanismen hängt im wesentlichen die Reichweite einer Hangbewegungsmasse ab. Ein Beispiel für die gelungene Vorhersage des Bewegungsmechanismus bietet der Felssturz von Randa (Abb. 1). Für das zweite Teilereignis wurde zutreffend ein ähnlicher Mechanismus wie beim ersten prognostiziert, so daß von einer geringen Reichweite ausgegangen wurde. Hätte man demgegenüber mit einem bergsturzartigen Abgang mit hoher Reichweite rechnen müssen, wäre auch die nahe Siedlung Randa bedroht gewesen. Eine untergeordnete Rolle für die Reichweite spielt auch noch die Masse. Insbesondere bei sehr großen Sturzmassen (>10 Mio. m 3 ) tritt ein Selbstschmierungseffekt auf, der zu einer Erhöhung der Reichweite führt. Als eine Ursache hierfür wird von ER IS M ANN (1998) der Einfluß von thermischen Veränderungen an der Gleitfläche bis hin zur Schmelze (Friktionitbildung, Hyalomylonite) gesehen. Zur Vorhersage von Hangbewegungen 25 Ein weiterer Faktor für die Erhöhung der Reichweite, insbesondere bei großen Massen, besteht in der Aktivierung von Porenwasserüberdrücken in den Talbodensedimenten, auf die die bewegten Massen niederfahren (AB ELE 1996). Abb. 1: Der Felssturz von 1991 bei Randa im Mattertal. Es handelte sich um zwei aufeinanderfolgende Ereignisse, die jeweils in Form von länger andauernden Felsstürzen abliefen. Der Mechanismus des zweiten Teilereignisses sowie dessen Zeitpunkt wurden korrekt vorhergesagt. Abb. 2: Der Bergsturz von 1987 im Val Pola / Monte Zandila im Veltlin. Vor dem Abgang waren eine Spaltenbildung und vermehrter Steinschlag aufgetreten, worauf noch rechtzeitig eine Evakuierung eingeleitet wurde. 26 A. v. Poschinger 2.3 Vorhersagen zum zeitlichen Ablauf Die wohl prekärste Frage im Zusammenhang mit potentiellen Hangbewegungen ist diejenige nach dem Zeitpunkt eines Anbruches. Grundsätzlich sind hierbei zwei verschiedene Zeitdimensionen zu unterscheiden, die Kurzzeit- sowie die Langzeitprognose. Zudem existieren noch "causal-temporale" Prognosen (Abb. 3), die auslösenden, zeitweise auftretenden Bedingungen für das Auftreten von Rutsch-, Schuttstrom- und Murereignissen festzustellen versuchen. Meist handelt es sich hierbei um die Änderungen der Lastverhältnisse durch äußere Einflüsse, wie sie z.B. durch Erdbeben oder infolge von intensiven Niederschlägen durch Schwankungen im Bergwasserspiegel oder durch Erosion ausgelöst werden. Für einige Gebiete wurden beispielsweise kritische Niederschlagswerte ermittelt, ab denen mit verstärkten Hangbewegungsaktivitäten und entsprechenden Gefährdungen zu rechnen ist (z.B. CER IANI et al. 1992, Abb. 4). Die Langzeitprognosen beziehen sich auf Aussagen im Bereich von Jahrzehnten bis Jahrhunderten (Abb. 3). Insbesondere im Rahmen von langfristigen Planungen (Bauleitplanung etc.) sind Aussagen über das grundsätzliche Verhalten der Hänge erforderlich. Die Aussagen beziehen sich üblicherweise auf ein zu schützendes Objekt oder Objektgebiet. Da meistens noch keine Vorbewegung registriert wurde, kann nur in Einzelfällen ein rechnerischer Ansatz erfolgen. Der empirische Vergleich wird hier vorläufig die Regel bleiben. Eine Langzeitprognose ist z.B. im Rahmen der Prävention als Aufgabe staatlicher Daseinsvorsorge erforderlich. Es handelt sich hier um die Fragestellung, ob in einem bestimmten Gebiet z.B. ein Bauwerk errichtet werden kann, ohne daß während seiner Nutzungszeit von angenommenen 100 - 150 Jahren ein schädigendes Ereignis eintritt. Diese Frage ist also insbesondere bei Planungsvorhaben wie z.B. bei der Erstellung von Bauleitplänen relevant. Bei der Abwägung für derart lange Zeiträume sind meist keine mechanischen Berechnungen möglich und es sind deshalb weitgehend Ansätze der Allgemeinen Geologie zu verwenden. Der Vergleich mit Nachbargebieten, die Stabilität des betroffenen Hanges selbst und die Möglichkeit des Einflusses externer Faktoren lassen üblicherweise nur eine überschlägige Antwort zu. Es bleibt der Erfahrung und dem Geschick sowie in gewissem Maße auch dem Mut des Bearbeiters überlassen, ob er eine entsprechende Gefahr für wahrscheinlich hält. Dabei ist es allerdings nicht ausreichend, von einer bloßen Möglichkeit des Eintretens eines Ereignisses zu sprechen, sondern es müssen begründete Wahrscheinlichkeiten dargelegt werden. Andernfalls müßte wohl der Alpenraum, ebenso wie etliche Talbereiche des Vorlandes, für nahezu unbesiedelbar erklärt werden, da eine bloße Möglichkeit für ein Hangbewegungsereignis an einem Großteil der Hänge besteht. Einen großen Unsicherheitsfaktor für die Langzeitprognose bedeuten sich im Laufe der Zeit verändernde äußere Einflußfaktoren. So kann eine eventuelle Klimaänderung dazu führen, daß Hänge, die bisher als harmlos galten, z.B. aufgrund stärkerer Niederschläge zur Instabilität tendieren. Von der Langzeitprognose zu unterscheiden ist die in akuten Fällen zu erstellende Kurzzeitprognose, die sich meist auf die Dimension von Stunden bis zu mehreren Monaten bezieht. Sie geht üblicherweise auf einen konkreten Anlaß zurück, oft ist bereits eine Vorbewegung mit entsprechender Spaltenbildung o.ä. festgestellt worden. Die Prognose bezieht sich also auf einen mehr oder weniger abgegrenzten Bereich, der bereits erkennbare Vorbewegungen aufweist. In solchen Fällen ist für eine fundierte Prognose zunächst - im Rahmen der noch verbleibenden zeitlichen Möglichkeiten - eine genaue geotechnische Untersuchung erforderlich, aus der der spezielle Mechanismus und seine hangabwärts treibenden und rückhaltenden Kräfte sowie die externen Einflußfaktoren ersichtlich werden. Besonders hilfreich sind - soweit es die meist begrenzte Zeit noch erlaubt - möglichst kontinuierliche Meßreihen über das Bewegungsverhalten im Laufe der Zeit. Aus diesen beiden Komponenten läßt sich aus der aktuellen Entwicklung in die Zukunft extrapolieren. Leider kann hierbei meist nur ein gleichbleibender, linearer Prozeß vorhergesagt werden. In der Realität ist die Linearität jedoch ein Idealfall, der selten eintrifft. Äußere Einflüsse wie starke Niederschläge, Frost etc. oder aber der Übergang in eine andere Bewegungsform können zu einer Abweichung von der bisherigen Entwicklung führen. Sollte es sich bei der Hangdeformation um die Vorbereitung zu einem Neuanbruch handeln, so ist der Zeitpunkt eines eventuellen katastrophalen Abfalls der Scherfestigkeit von der maximalen Scherfestigkeit bis zur Restscherfestigkeit oft kaum genau vorhersagbar. Häufig ist jedoch auch eine weitgehende Bewegung im Rahmen einer Restscherfestigkeit an einer basalen Gleitfläche festzustellen, wobei der Gesamtkörper jedoch vorläufig noch durch seine interne Scherfestigkeit am Abgleiten gehindert wird, also durch die Reibungskräfte innerhalb der Rutschmasse selbst, die zu einer gewissen Steifigkeit führen. Diese "Scheinstabilität" kann durch die Deformationen auch langsam abgebaut werden, so daß eine kontinuierliche Beschleunigung erfolgt, deren Entwicklung u.U. wieder vorhersagbar ist. Zur Vorhersage von Hangbewegungen Abb. 3: Schema zur Einteilung der zeitlichen Prognoseansätze. Abb. 4: Literaturbeispiel für eine Grenzlinie für Niederschlagsintensitäten, ab der mit dem Einsetzen von Mur- und Schuttströmen zu rechnen ist. Die Regenintensität wird gegen den Anteil am durchschnittlichen jährlichen Niederschlag aufgetragen (C ERIANI et al., 1992). 27 Zumindest bei großen Ereignissen ist üblicherweise eine Phase der vorauseilenden Warnsignale festzustellen. Dies traf z.B. für die großen historischen Bergstürze bei Elm, Goldau und Plurs zu, von denen jeweils ein 28 A. v. Poschinger deutliches, z.T. tagelang anhaltendes Vorspiel berichtet wird (HEIM 1932). Bei den Ereignissen von 1987 im Val Pola (Abb. 2) wurde wenige Tage vor dem Anbruch eine verstärkte Felssturzaktivität beobachtet und der Val Pola Bach versiegte trotz starker Niederschläge zeitweise. Aufgrund dieser Anzeichen erfolgte eine Begehung des Hanges, wobei ein bereits weit geöffneter Spalt festgestellt wurde, der sich zunehmend öffnete. Diese Anzeichen genügten, um eine umgehende Evakuierung der am Hangfuß liegenden Ortschaften zu veranlassen. Als der Bergsturz am Morgen des 28. Juli 1987 zu Tal fuhr, wurden dennoch 25 Menschen getötet. Die meisten von ihnen lebten im etwa 2,5 km entfernten Ort Aquilone, das als sicher, weil weit genug vom Anbruchgebiet entfernt angesehen worden war. Die Sturzmasse erreichte allerdings eine unerwartet hohe Geschwindigkeit (ER IS M ANN 1991) und mobilisierte eine im Tal angestaute Wassermasse. Deren Flutwelle, und nicht die Sturzmasse, vernichtete schließlich den Ort. Auch der Felssturz von Randa im Mattertal (1991, Abb. 1) hatte sich durch wiederkehrenden Steinschlag angekündigt, der gehäuft in den letzten Tagen vor dem Anbruch auftrat. Zudem wurde kurz vor dem Ereignis beobachtet, daß Wasser fontänenartig aus der Felswand herausschoß. Solche Vorankündigungen sind allerdings weitgehend auf größere Ereignisse beschränkt. Gerade beim bevorstehenden Absturz von einzelnen Felsblöcken ist allenfalls mit einer kurzfristigen Vorbewegungen im Millimeterbereich zu rechnen, die für eine Vorwarnung kaum tauglich sind. Von verschiedener Seite wurden für Fälle einer akuten Anbruchgefahr bereits Versuche zur rechnerischen Vorhersage des tatsächlichen Anbruchdatums gemacht. Aus dem Verlauf der vorangegangenen Bewegungen wird hierbei die weitere Entwicklung extrapoliert. Es sei z.B. auf die Arbeiten von AZIM I et al. (1988) verwiesen, die den Absturz einer Felsmasse im Gips im Maurienne (Savoien) aufgrund der beobachteten exponentiellen Beschleunigung mit guter Genauigkeit vorhersagen konnten (Abb. 5). Ebenso gelang es, aufgrund der Beschleunigung der Spaltenöffnung, am Felssturz Randa das zweite Teilereignis präzise vorherzusagen (BONNARD et al. 1995). Ein etwas anderer Ansatz erfolgt bei GLAW E & LOT T ER (1996), die aufgrund von kontinuierlichen Kippbewegungen eines Felsblocks, kombiniert mit einer stetigen hangwärtigen Verschiebung der Drehachse, durch geometrische Überlegungen zur Lage des Schwerpunkts ein "Zeitfenster" für ein Sturzereignis vorhersagen. Abb. 5: Literaturbeispiel für die Vorhersage eines Anbruches aufgrund der meßtechnischen Überwachung. Die Zeitintervalle, in denen eine definierte Verschiebung (20 mm) eintritt, werden immer kleiner und gehen schließlich gegen Null (AZIMI et al., 1988). Zur Vorhersage von Hangbewegungen 29 Abb. 6: Schuttstrom bei Maria Eck, Gemeinde Siegsdorf. Wie die Wuchsformen der Bäume anzeigen, besteht bereits seit langem eine anhaltende Bewegungsaktivität. Aussagen über die langfristige weitere Entwicklung sind mit großen Unsicherheiten behaftet. Dies gilt insbesondere für eine eventuelle Änderung des Bewegungsregimes, also z.B. für einen eventuellen Übergang in eine Rutschung oder eine Mure. Abb. 7: Größere Hangbewegungen kündigen sich öfters durch Spaltenbildungen an. Die Aktivität von solchen Bergzerreißungen ist allerdings oft nur durch langandauernde meßtechnische Beobachtung nachzuweisen. Eine Zwischenstellung zwischen Lang- und Kurzzeitprognose nehmen Aussagen über langfristig anhaltende Bewegungsvorgänge ein. Zunächst sind hier offensichtliche Bewegungsbereiche wie z.B. langsam kriechende Schuttströme (Abb. 6) zu nennen. Soweit die beobachteten Mechanismen beibehalten werden, ist meist keine Gefährdung zu befürchten. Ein eventueller Übergang in eine andere, beschleunigte Bewegungsart würde jedoch 30 A. v. Poschinger oftmals ein erhebliches Gefährdungspotential mit sich bringen. Die notwendigen Veränderungen der Rahmenbedingungen für einen solchen Übergang sind allerdings weitgehend nicht vorhersagbar. Ebenso sind hier Hangbewegungsbereiche zu nennen, die früher einmal aktiv waren, deren Aktivität derzeit jedoch nicht erkennbar ist. Beispielsweise sind zahlreiche Bergzerreißungen ein klares Indiz für eine ehemalige Hangbewegung, doch ist ohne eine meßtechnische Überwachung keine Aussage über eine weitere Aktivität möglich (Abb. 7). Oft ist eine langfristige Beobachtung erforderlich um nachweisen zu können, daß an solchen Bereichen doch noch Bewegungen ablaufen, die auf Dauer zu einem Schadensereignis führen können. 3 Schlußfolgerungen Die Vorhersage der potentiellen Anbruchbereiche und des Pfades der bewegten Massen ist in vielen Fällen möglich. Sie erfordert aber, ebenso wie die Klärung der Frage nach den potentiellen Bewegungsabläufen, eine sorgfältige und umfassende Geländeaufnahme mit speziellen Detailuntersuchungen. Hierbei sind noch weitgehend Kriterien der Allgemeinen Geologie sowie der Geomorphologie anzusetzen. Die größten Probleme bereitet nach wie vor die Vorhersage des exakten Zeitpunktes eines Ereignisses. Dies ist nicht zuletzt dadurch bedingt, daß aus geologischer Sicht ein Zeitraum von hundert Jahren in Relation zur Entwicklungsgeschichte eines Hanges "sehr kurzfristig" ist, für Planungsfragen oder Risikomanagement aber Zeitangaben von Jahren, u.U. sogar von Tagen oder Stunden gefordert werden. Aussagen mit dieser Präzision sind unter ausschließlich geologischen Aspekten nicht möglich, hier sind vielmehr mechanische Ansätze des Ingenieurwesens gefordert. Um für kurzfristige Vorhersagen eine ausreichende Präzision zu erreichen, ist die geodätische Beobachtung der Bewegungen unerläßlich. Auch wenn die Messungen kostenintensiv sind und - wie häufig argumentiert wird - "den Berg nicht aufhalten können", kann das tatsächliche Bewegungsverhalten im Vorfeld eines Anbruches nur so erfaßt werden. Eine Vorhersage von Hangbewegungen ist also in einigen Bereichen mit guten Erfolgen möglich. Problematisch ist vorwiegend die zeitliche, kurzfristige Vorhersage, und hierbei besonders die für kleinere Anbruchmassen. Während großen Ereignissen oft eine längere Vorbereitungsphase vorausgeht, sind die Vorbewegungen bei Kleinereignissen oft zu gering, um bemerkt werden zu können. 4 Literatur AB ELE , G. (1997): Rockslide movement supported by the mobilization of groundwater-saturated valley floor sediments.- Zeitschrift f. Geomorphologie, N.F., 41/1, 1-20, Berlin. AZIM I, C., BIAR EZ , J., DES VAR R EUX , P. & KEIM E , F. (1988): Prévision d'éboulement en terrain gypseux.Landslides, 531-536, Rotterdam. BONNAR D , CH ., NOVER R AZ , F., LAT ELT IN , O. & RAET ZO , H. 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(1993): Evidence of Rapid Gravitational Mass Movements on the Submerged Flanks of the Hawaiian Islands.- Proc. of the "Pierre Beghin" int. workshop on rapid gravitational mass movements: 191-196, Grenoble. Massenbewegungen im Schloßalm-Gebiet westlich Bad Hofgastein 31 Massenbewegungen im Schloßalm-Gebiet westlich Bad Hofgastein F. Deffner * Zusam m enfassung Das Gebiet zwischen Leidalmbach und Schloßbach, Gasteiner Ache und Hoher Scharte westlich Bad Hofgastein wurde kartiert und auf Hangbewegungen untersucht. In bezug auf die Hangbewegungen wurde bei den geologischen Feldarbeiten besonderer Wert auf die Aufnahme der bewegungsrelevanten T rennflächen, die Auflockerung des Gebirges, den Oberflächenabfluß sowie die morphologische Überprägung des Gebietes durch glaziale Erscheinungen gelegt. Die mineralogische Zusammensetzung angetroffenen Gesteine wurde anhand von Dünnschliffen untersucht, der Kohlenstoffgehalt der Schwarzphyllite durch Leco-Analysen bestimmt. Außerdem sind der Mechanismus, der zeitliche Ablauf und die Ursachen der aufgetretenen Massenumlagerungen rekonstruiert worden. Als Ergebnis der Untersuchungen ist festzuhalten: Die Morphologie des gesamten Untersuchungsgebietes ist von großräumigen Massenumlagerungen geprägt worden. Diese Massenumlagerungen haben ihre Ursachen in der Überschreitung der Scherfestigkeit der Gesteine infolge der Versteilung der T alflanken durch glaziale Erosion sowie in tektonisch angelegten Schwächezonen (Klüftung und Deckenüberschiebung). Durch die Überschreitung der Scherfestigkeit kommt es zu Zerreißungen des Gebirges entlang NordwestSüdost und Nordost-Südwest streichender Kluftscharen und zum langsamen Abgleiten großer Gebirgspartien auf und in den oberen Bereichen der Schwarzphyllite (der Unteren Schieferhülle nach EXNER ) unter Erhalt des Gefügeverbandes. Die Auflockerung des Gebirges infolge der langsamen Bewegungen führt, besonders an den Stirnbereichen der bewegten Partien, zu sekundären Rutschungen und Felsstürzen. Durch die sowohl post- als auch interglazialen Bewegungsvorgänge wurden im untersuchten Gebiet westlich von Bad Hofgastein unter Erhalt des Gefügeverbandes geschätzte 710 Millionen Kubikmeter Gestein und als Lockermassen geschätzte 62 Millionen Kubikmeter Gestein umgelagert. Ein rezentes Fortschreiten der langsamen Bewegungen unter Erhalt des Gefügeverbandes konnte nicht erkannt werden. Zugleich wird festgestellt, daß diese Bewegungen jedoch vermutlich nicht endgültig zur Ruhe gekommen sind. Die genannten sekundären Rutschungen sind nach wie vor im Gange. 1 Einleitung Auf Anregung und unter der Betreuung meines Lehrers, Prof. Dr. G. Spaun wurde im Rahmen einer Diplomarbeit die Geologie des Schloßalm-Gebietes bei Bad Hofgastein im Bundesland Salzburg, Österreich, unter besonderer Berücksichtigung der Massenbewegungen untersucht. Ziel der Arbeit war es, neben einer allgemeinen geologischen Aufnahme des Gebietes, die dortigen Massenbewegungen zu kartieren, ihre Ursachen und Mechanismen zu untersuchen sowie ihren Ablauf zu rekonstruieren. Die Arbeit entstand in den Jahren 1993 und 1994, die geologischen Felduntersuchungen dazu wurden in den jeweiligen Sommermonaten vorgenommen. Als Grundlage für die geologische Aufnahme im Maßstab 1:10000 dienten Manuskriptkarten des Österreichischen Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen. Im folgenden werden die Ergebnisse dieser Arbeit auszugsweise dargestellt. 2 Beschreibung des untersuchten Gebietes Das Untersuchungsgebiet liegt im Gasteiner T al, Bezirk Pongau, Land Salzburg. Das Gebiet liegt auf der orographisch linken T alseite bei Bad Hofgastein. Es wird im Süden vom Schloßbach begrenzt, der bei Hundsdorf in die Gasteiner Ache mündet. Die nördliche Grenze bildet der Leidalmbach, der seinerseits bei Haitzing in die Ache mündet. Der östliche Rand des Arbeitsgebietes ist die Gasteiner Ache, der westliche die Hohe Scharte (s. Abb.1). Die höchsten Gipfel des Gebietes sind Mauskarkogel (2373 m ü. NN,) und Hirschkarspitze (2119 m). Nördlich und südlich der Linie Mauskarkogel - Hirschkarspitze verflacht das Gelände * Dipl.-Geol. Frank Deffner, Müller+Hereth Oberhof, Abt. Geologie & Geotechnik, Eckhardtskopf 4, D-98559 Oberhof 32 F. Deffner und bildet die zum T eil auch als Schipisten genutzten Weideflächen der oberen Schloßalm im Süden und des Gebietes um das Mooskarl im Norden. Östlich der Hirschkarspitze fällt das Gelände zum Gasteiner T al ab. Das Gasteiner T al befindet sich, geologisch betrachtet, im sogenannten "T auernfenster", in dem durch die bis heute andauernde Hebung die tieferen alpinen Einheiten (das Kristallin des Penninikums) zu T age treten. Das untersuchte Gebiet wird von Gesteinen der Unteren und der Oberen Schieferhülle aufgebaut. Es kann nur ein grober und vereinfachender Überblick über die hier auftretenden Serien gegeben werden. Es sollen an dieser Stelle nur die für die Massenumlagerungen relevanten Gesteine umrissen werden. Abb.1: Übersichtskarte Schloßalmgebiet westlich Bad Hofgastein 2.1 Schw arzphyllite der Unteren Schieferhülle Die Schwarzphyllite der Mittleren Schwarzphyllitzone bzw. Unteren Schieferhülle oder Brennkogeldecke (je nach Autor) bilden im gesamten Untersuchungsgebiet die bis zu 600 m mächtige Basis der überlagernden Grüngesteine und Kalkglimmerschiefer. Sie sind im Bereich des Schloßbaches bis auf eine Höhe vom ca. 2100 m zu finden. Die Schieferung liegt im Bereich der Gipfelregion um die T ürchlwand flach und versteilt sich in nordöstliche Richtung. (s. Abb.10) Es handelt sich bei dieser Serie um die metamorphe Umwandlung eines in anaerobem Milieu abgelagerten, marinen, mergeligen Sedimentes. Die Schwarzphyllite weisen aufgrund ihres Glimmer- und Graphitgehaltes eine hohe T eilbeweglichkeit parallel zur Schieferung auf. Insbesondere im angewitterten oder verwitterten Zustand und bei guter Durchfeuchtung bilden sie einen regelrechten Schmierhorizont. Sie sind somit die lithologische Hauptursache für Massenbewegungen im Untersuchungsgebiet. Es wird angenommen, daß die obersten Zehnermeter der Schwarzphyllite infolge der Hangbewegungen stark beansprucht und zerschert sind. Die Wasserdurchlässigkeit ist - auch bei mechanisch beanspruchten Partien - wegen des hohen Glimmeranteils als gering (< 10 -6 m/s) einzustufen. Massenbewegungen im Schloßalm-Gebiet westlich Bad Hofgastein 33 2.2 Kalkglim m erschiefer-Kalkm arm or der Oberen Schieferhülle Die Kalkglimmerschiefer und -marmore sind, je nach Lesart, Bestandteil der Oberen Schieferhülle oder der Glocknerdecke. Die karbonatischen Gesteine variieren von vorherrschenden, dünnplattigen Glimmerschiefern über Glimmermarmore bis zu dickbankigen Kalkmarmoren, je nach T ongehalt der Ausgangssedimente. Mit abnehmendem Glimmergehalt entwickeln sich die Kalkglimmerschiefer zu Glimmermarmoren bzw. Kalkmarmoren. Die Glimmerlagen bilden mechanische Schwächezonen im Gestein. So kann hier die chemische Verwitterung bzw. Kalklösung ebenso wie an den Kluftflächen besonders gut angreifen. Dieser Vorgang führt zu einer weiteren Zerlegung der durch Massenbewegungen beanspruchten Gesteine. Diese bis zu 300 m mächtige Serie mit eingelagerten Grüngesteinsbändern bildet die stark zerlegten Schollen des Mauskarkogels und der diesem nordöstlich vorgelagerten Gipfel. Ferner darf aufgrund der Situation in benachbarten Gebieten angenommen werden, daß diese karbonatische Serie nach Osten hin an Mächtigkeit verliert und die Grüngesteine der Hirschkarspitze unterlagert. Die Schichtgrenzen Schwarzphyllit - karbonatische Serie - Grüngesteine sind wegen der starken Zerlegung durch Hangbewegungen nicht aufgeschlossen. 2.3 Grüngesteine der Oberen Schieferhülle Die Grüngesteine sind derselben tektonischen Einheit wie der Kalkglimmerschiefer-Kalkmarmor-Komplex zuzuordnen, also der Oberen Schieferhülle bzw. der Glocknerdecke. Unter der Bezeichnung Grüngesteine sind hier sämtliche Gesteine grüner Färbung außer den Serpentiniten zusammengefaßt. Die Grüngesteine liegen im Kartiergebiet auf den Kalkglimmerschiefern und -marmoren und erreichen eine Mächtigkeit von mindestens 120 m. Sie bilden die zerlegten Schollen der Hirschkarspitze und der Bereiche nordöstlich davon. Des weiteren ist ein geringmächtiges, zerlegtes, in die Kalkglimmerschiefer eingeschaltetes Grüngesteinsband am Mauskarkogel und im Bereich der abgesackten Blöcke an der Hohen Scharte zu finden. Zahlreiche, teilweise LKW - große Grüngesteinsblöcke kommen auch, infolge eines Bergsturzes, im Bereich zwischen Standseilbahn und Leidalmbach zu liegen. Bei den Grüngesteinen des Schloßalm-Gebietes handelt es sich um hell- oder dunkelgrüne, manchmal auch gelblich-grüne, geschieferte Gesteine. Oft ist eine Bänderung mit grünen Lagen, meist aus Chlorit oder Epidot bzw. Klinozoisit, und hellen Lagen, die häufig aus Albit und Quarzkörnern bestehen, zu beobachten. Häufig sind auch Albitporphyroblasten in mm-Größe. 2.4 Glaziale Überprägung Für die Analyse der Vergletscherung des Gasteiner T ales ist es von großer Bedeutung, daß das Vorkommen von Gneis (Zentralgneis) auf den inneren T albereich (südlich des Angertales) beschränkt bleibt. Nördlich an den Zentralgneis schließen die Gesteine der Schieferhülle an. Daraus ergibt sich zwingend, daß alle Moränen, die Geschiebe aus Gneis enthalten, von Eis abgelagert wurden, das aus dem inneren Gasteiner T al herausströmte. VAN HUS EN nimmt 1987 im Gasteiner T al einen Eishöchststand während der Würm-Kaltzeit von ca. 2400 m ü. NN an, EXNER (1956) dagegen etwa 1800 m. Die höchstgelegenen Fundstellen von Leitgeschieben (Gneis) der letzten Hauptvereisung im Untersuchungsgebiet befinden sich auf 1620 m ü. NN . Eine weitere grundsätzliche Überlegung zum letzten Eishöchststand beruht auf der T atsache, daß die Hirschkarspitze (heutige Höhe 2119 m) mit ihren scharfkantigen, schroffen Felsformationen während der letzten Eiszeit mit Sicherheit eisfrei war. Die tieferliegenden, stumpfen und gerundeten Geländeformen dagegen weisen auf eine glaziale Überprägung hin. Aufgrund dieser Beobachtungen und Überlegungen wird also eine Eisobergrenze während der WürmKaltzeit im Bereich Bad Hofgastein zwischen 1900 m und 2000 m ü. NN angenommen. Die Moränen der Hauptvereisung überziehen den gesamten Osthang des Untersuchungsgebietes vom T al bis auf eine Höhe von etwa 1600 m. (Zum T eil sind sie von Bergsturzmaterial überlagert, oft ist jedoch eine Differenzierung der Lockermassen in Bergsturzmaterial, Hangschutt und Moränen nicht möglich.) 2.5 Lagerungsverhältnisse und Trennflächengefüge Um eventuelle Verstellungen und Rotationen der von Hangbewegungen betroffenen Bereiche erkennen und deren Gehwerk rekonstruieren zu können, wurde das Gebiet zwischen Leidalm- und Schloßbach zunächst in 34 F. Deffner 6 Meßbereiche gegliedert. Da sich jedoch starke Ähnlichkeiten in den T rennflächengefügen der einzelnen Meßbereiche zeigten, sind große Verstellungen der bewegten Massen gegenüber ihrer ursprünglichen Lagerung (außer Stirnbereich Mooskarl und Bereich oberhalb Hofgasteiner Haus) unwahrscheinlich. So wird hier das gesamte Untersuchungsgebiet als Homogenbereich betrachtet. Anhand von Abb.2 darf folgendes zusammengefaßt werden: !"Die sieben gemessenen Faltenachsen in Marmoren und Grüngesteinen zeigen ein Einfallen zwischen 0° und 15° nach Nordwesten oder Südosten, streichen also schieferungsparallel. !"Die Schieferung liegt an der T ürchlwand flach, fällt am Mauskarkogel und nordöstlich davon mit 30° bis 40° nach Nordosten ein. Auf der östlichen T alseite bei Bad Hofgastein fällt die Schieferung ebenfalls mit 30° bis 40° nach Nordosten ein . Es ist also eine Versteilung der Schieferung in nordöstliche Richtung festzustellen. Abb.2: Polpunktdiagramm und Großkreisdiagramm der Maxima aus 417 Messungen im gesamten Untersuchungsgebiet !"Im gesamten Untersuchungsgebiet lassen sich bei der Auswertung aller Messungen und der Darstellung der Maxima in einem Großkreisdiagramm fünf Hauptkluftscharen, die Schieferung und die Faltenachsen erkennen. Vier dieser Kluftscharen lassen sich zu zwei konjugierten Kluftsystemen zusammenfassen. Aufgrund der beobachteten Schieferung und Faltenachsen wird hier die Interpretation EXNERS (1956, S.129) insoweit unterstützt, als daß es sich bei dem Kluftsystem 1 möglicherweise um eine Längsklüftung und bei dem System 2 um eine Querklüftung der Schieferhülle im Untersuchungsgebiet handelt. Auch die Kluftschar K5 kann als Querkluft der Schieferhülle bezeichnet werden. Aufgrund der T atsache, daß die genannten Kluftsysteme sowohl in den Gesteinen der Oberen Schieferhülle als auch in den im Angertal aufgeschlossenen Zentralgneisen beobachtet wurden, darf geschlossen werden, daß sie sich auch in den Schwarzphylliten wiederfinden. Die Auswirkungen der beschriebenen T rennflächen auf die Stabilität des Gebirges werden im Folgenden beschrieben. Tab.1: Fallrichtung und Winkel des Einfallens der Trennflächen nach Clar Schieferung S 035/00 bis 050/40 System 1 (K1 / K2) 050/75 230/75 System 2 (K3 / K4) 125/85 300/75 K5 235/35 3 Hangbewegungen 3.1 Überblick EXNER berichtet im Badgasteiner Badeblatt vom „Niederdonnern des Mauskarkogel-Bergsturzes“ , seiner Ansicht nach vor der letzten Eiszeit (1952). Er beschreibt auch die Zerlegung in T eilschollen, welche die Gipfel des Mauskarkogels und der Hirschkarspitze in diesem 17 km 2 großen "Bergsturzareal" (1956) bilden. Bisher wurde also angenommen, daß das gesamte Gebiet von einem oder mehreren kurz aufeinander folgenden, schnell ablaufenden "Sturz" - Ereignissen vor der letzten Hauptvereisung erfaßt worden ist. Richtig ist, daß die heutige Morphologie des gesamten Areals zwischen Leidalmbach und Schloßbach und zwischen Hoher Scharte und Gasteiner T al in erster Linie das Ergebnis großräumiger Hangbewegungen ist. Wie in Abb. 3 zu erkennen, sind die Schollen des Mauskarkogels, der Hirschkarspitze und der nördlich und südlich gelegenen weiteren T eilbereiche durch eine halbkreisförmig verlaufende Depression vom Grat Lugenkogel-Siebenspitz-T ürchlwand getrennt. Diese Senke ist durch Kriechbewegungen der genannten T eilschollen in Richtung Nordosten, zum Gasteiner T al hin, entstanden (s. Abb.3). Weitere Bewegungen finden in nördliche und südliche Richtung statt. Durch das langsame Kriechen und die damit einhergehende Zerle- Massenbewegungen im Schloßalm-Gebiet westlich Bad Hofgastein 35 gung des Gebirges werden zahlreiche sekundäre Hangbewegungen vorgezeichnet. Eines dieser Sekundärereignisse ist die große Rutschung nordöstlich der Hirschkarspitze, deren Rutschmassen bis ins Haupttal zu finden sind, und die von EXNER als T rümmer des „Mauskarkogel-Bergsturzes“ bezeichnet werden. Neben dem erwähnten gibt es noch eine Vielzahl weiterer kleinerer Felssturzereignisse, die unter anderem die bereits mit glazialen Lockermassen aufgefüllten Gräben von Leidalm- und Schloßbach weiter mit Lockermaterial beliefern und diese zu gefährlichen Murbringern machen. Wie im folgenden noch dargelegt wird, war das Untersuchungsgebiet vor und nach der letzten Hauptvereisung von Hangbewegungen betroffen. Abb. 3: Das Untersuchungsgebiet vom Gamskarkogel aus gesehen. Blickrichtung West (Foto M. Bauer). Abb.4: Die obere Schloßalm vom Kaffeehaus Gamskar aus gesehen. Blickrichtung Nordwest. 36 F. Deffner 3.2 Langsam ablaufende Hangbew egungen Be re ich Hohe Scharte , Mauskarkoge l Das imposanteste Resultat von Hangbewegungen im Untersuchungsgebiet zeigt die Hohe Scharte. Hier sind die Felsmassen des Mauskarkogel und der östlich folgenden Schollen (Gipfel 2250 und Hirschkarspitze) von der Siebenspitze getrennt und um 100 bis 150 m Luftlinie nach Ost-Nordost gekrochen (s. Abb.3und 4). Dieser Abrißbereich öffnet sich in erster Linie nach der Kluftschar K1 (050/75). Die Bewegung erfolgt an der Grenze Kalkglimmerschiefer-Kalkmarmore und Schwarzphyllit flach nach Nordosten, also entlang der schieferungsparallelen, tektonischen Überschiebungsbahn Obere/Untere Schieferhülle. Es ist jedoch aufgrund der hohen T eilbeweglichkeit der Schwarzphyllite anzunehmen, daß die obersten Zehnermeter der Schwarzphyllite von der Bewegung der überlagernden Gesteine erfaßt werden. Ein Indiz hierfür ist das Absacken einiger T eilschollen im Bereich Hohe Scharte (s. Abb.4). Hier kommt es an der Westflanke des Mauskarkogels durch Sackungen einzelner Bereiche in die Scharte zur Ausbildung von Staffelbrüchen nach K2 (230/75). Dieses Absacken, vor allem in der Mitte der Hohen Scharte, ist nur durch ein Massendefizit im Untergrund zu erklären. Dies ist somit ein Beweis dafür, daß die hier stattfindende Zerreißung auch die obersten Bereiche der Schwarzphyllite erfaßt haben muß. Die beim Abriß und dem Zurücksacken der T eilschollen entstandenen Spalten sind mit Schuttmassen verfüllt. Eine tiefgreifende Bewegung, also eine Bewegungsbahn, die tief durch die Schwarzphyllite verläuft und möglicherweise erst unter der T alsohle ausbeißt, ist hier aufgrund der Geländebeobachtungen unwahrscheinlich. Gegen die Möglichkeit eines T alzuschubes sprechen die wandbildenden Schwarzphyllite am Ausgang des Angertales (vgl. HOF M ANN 1995), was bei einer Auflockerung durch die tiefgreifende Bewegung eines T alzuschubes unwahrscheinlich (aber nicht unmöglich) wäre. Des weiteren ist zu beachten, daß die T auernbahn an der Westflanke des Gasteiner T als zwischen Leidalm- und Angerbach seit fast 90 Jahren in Betrieb ist und bis heute nicht von Hangbewegungen beeinträchtigt wurde. Aufgrund des großen Bewegungsbetrages und der T iefe des Abrisses an der Hohen Scharte ist anzunehmen, daß es sich hier um das Primärereignis der Hangbewegungen im Untersuchungsgebiet handelt. Die im folgenden beschriebenen weiteren Zerlegungen der gesamten bewegten Bereiche zwischen Hoher Scharte, oberem Leidalm- und oberem Schloßbach sind die Folgen dieser großen, primären Bergzerreißung. Ebenso wie der Mauskarkogel gegenüber der Siebenspitz ist der Gipfel 2250 gegenüber dem Mauskarkogel nach Ost-Nordost gekrochen. Wiederum erfolgte der Abriß nach der Kluftschar K1 (050/75), die Bewegung entlang der Grenze Obere/Untere Schieferhülle flach nach Ost-Nordost. Der Abriß zeigt sich in einer Scharte zwischen Mauskarkogel und Gipfel 2250. Der relative Bewegungsbetrag zwischen beiden T eilschollen ist kleiner als an der Hohen Scharte, relativ zur Siebenspitz muß sich der Gipfel 2250 jedoch weiter bewegt haben als der Mauskarkogel. Neben den oben genannten Abrissen ist in diesem Bereich (vor allem am Mauskarkogel) eine starke Zerlegung des Gebirges nach den oben beschriebenen T rennflächen zu beobachten. Außer der beschriebenen Bewegung nach Ost-Nordost, die den größten Bewegungsbetrag aufweist, sind Kriechbewegungen und Sackungen in Richtung Südost und Nordost zu beobachten. An dem Felsrücken, der sich vom Mauskarkogel nach Südosten zieht, sind durch die Südost gerichteten Bewegungen bis zu 5 m weit geöffnete Spalten nach K3 (125/85) entstanden. Der Mauskarkogel weist stellenweise eine so starke Zerlegung in einzelne Kluftkörper auf, daß in manchen Bereichen nur bedingt von einem Erhalt des Gefügeverbandes gesprochen werden kann. Besonders auffällig ist die Hangzerreißung am Südhang von Gipfel 2250 (s. Abb.6). Hier ist der obere T eil dieser (nach den genannten T rennflächen zerlegten) T eilscholle langsam um 1 bis 2 m nach Nord-Nordost geglitten, möglicherweise entlang der Schieferung, die in diesem Bereich ein Einfallen von 020/25 zeigt. An der Ostflanke von Gipfel 2250 bilden sich begehbare Spalten nach K3 (135/75), die durch ein Auseinandergleiten des Gebirges nach Nordwest und Südost entstehen. Etwa 300 m östlich des Gipfels 2250 kommt es durch Kriechbewegungen zur Zerlegung in kubikmetergroße Kluftkörper (s. Abb.7). Die T rennflächen (bevorzugt K1 (065/65) und K3 (135/75)) in diesem "Blockfeld" (Erstreckung ca. 0,5 ha) öffnen sich 20 bis 60 cm weit und sind bis etwa 1 m unter die Geländeoberkante mit Lockermaterial gefüllt. Massenbewegungen im Schloßalm-Gebiet westlich Bad Hofgastein Abb.5: Hohe Scharte. Blickrichtung Nord. Abb.6: Gipfel 2250 mit Hangzerreißung. Blickrichtung Ost. 37 Be re ich Kle ine Scharte und Hirschkarspitz e Eine weitere deutliche Zerlegung des Grates Mauskarkogel-Hirschkarspitze ist an der Kleinen Scharte zu beobachten. Die T rennung des Gebirges in die T eilschollen um Gipfel 2250 und Hirschkarspitze erfolgt wiederum nach den T rennflächen K1 (050/75). Auch das Abgleiten der Hirschkarspitze mit dem größten relativen Bewegungsbetrag gegenüber der Siebenspitz erfolgt entlang der Grenze zu den Schwarzphylliten Richtung Ost-Nordost. Am Hirschkar-Nordhang sind Kriechbewegungen nach Nord-Nordost festzustellen, kombiniert mit Sackungen und T oppling (s. Abb. 8). Die Zerreißung erfolgt bei dieser Bewegungsrichtung hauptsächlich nach der Kluftschar 330/80. 38 F. Deffner Der Osthang der Hirschkarspitze bildet den östlichen Stirnbereich der nach Ost-Nordost geglittenen T eilschollen. Hier sind Sackungen nach K3 (130/70) und ein kleinerer Felssturz zu erkennen. Ebenso wie bei den anderen bewegten Bereichen fällt auch an der Hirschkarspitze insgesamt die starke Auflockerung als Folge der Bewegung auf. Abb.7: Zerlegung in Kluftkörper östlich des Gipfels 2250. Abb.8: Kriechbewegungen, Sackungen, Toppling und Rutschungen an der Hirschkarspitze. Blickrichtung Südost 3.2 Schnell ablaufende Hangbew egungen Die zuerst beschriebenen, langsam ablaufenden Hangbewegungen dürfen wohl als eine Reihe von genetisch zusammenhängenden Primärereignissen verstanden werden. Diese Bewegungen auf der tektonischen Grenze Obere/Untere Schieferhülle haben alle ihre "Initialzündung" in der großen Bergzerreißung an der Hohen Massenbewegungen im Schloßalm-Gebiet westlich Bad Hofgastein 39 Scharte und setzen sich dann in die einzelnen Bereiche mit wachsenden Bewegungsbeträgen fort. Diese langsam ablaufenden Primärereignisse führen zu einer starken Auflockerung des Gebirges nach den genannten T rennflächen und begünstigen damit sogenannte Sekundärereignisse, die meist schnell ablaufen: Rutschungen, Fels- oder Bergstürze sowie Muren. Hier soll nur eines dieser zahlreich zu beobachtenden Sekundärereignisse beschrieben werden. Fe lsrutschung nordöstlich de r Hirschkarspitz e Die vom Volumen der bewegten Massen (26 Mio. m 3 ) her größte Rutschung im Untersuchungsgebiet ist der Felsrutsch nordöstlich der Hirschkarspitze, dessen T rümmer bis ins Gasteiner T al zwischen T alstation und Haitzing vorgedrungen sind. Die Ausbruchsnische erstreckt sich halbelliptisch west-südwestlich der Aeroplanhütte auf einer Länge von ca. 2500 m. Ihr Scheitel liegt auf 1900 m Höhe. Der Ablagerungsraum der chaotisch verstreuten Rutschungsschutt- und T rümmermassen erstreckt sich von einer Höhe von 1300 m bis zur heutigen T alsohle des Gasteiner T als. Die von kleinstückigem und feinerem Material umgebenen, teilweise Lkw - großen Blöcke bilden zwischen T alstation und Haitzing auf etwa 1 km Breite eine Ausbauchung der westlichen T alflanke des Haupttales, welche von früheren Bearbeitern als Stirnbereich eines Talzuschubes gedeutet wurde. In diesem Stirnbereich bilden die Rutschmassen eine Hangneigung von bis zu 30° aus. Abb. 9: Profilskizze der Felsrutschung nordöstlich der Hirschkarspitze. Die Rutschung befindet sich am Ostrand der durch Kriechbewegungen aufgelockerten Bereiche des Untersuchungsgebietes. Durch die glaziale Ausräumung des Gasteiner T ales und die zusätzliche Versteilung durch die andauernden, nach Nordost gerichteten Kriechbewegungen kam es zum Versagen der Böschung. Dieses Versagen geschah wohl hauptsächlich nach den T rennflächen K3 (130/70) (nördlicher T eil der Abbruchkante), K1 (050/75) (westlicher T eil der Abbruchkante) und Kluftschar 330/80 (südlicher T eil der Abbruchkante). Die rutschenden Massen müssen sich nach Nordosten talwärts bewegt und dabei teilweise das Moränenmaterial, das sie überfuhren, aufgearbeitet und mittransportiert haben. Stellenweise wurde das überfahrene Moränenmaterial jedoch nicht von der Bewegung erfaßt. Dies führt dazu, daß in diesem Bereich die Moräne der Hauptvereisung zwar höher liegt als die Rutschmassen, jedoch nicht auf diesen zu liegen kommt, was beispielsweise an dem Aufschluß (1280 m) nördlich der Aeroplanhütte deutlich wird, wo Rutschmassen auf der Moräne liegen, die ihrerseits wiederum direkt auf dem Schwarzphyllit zu finden ist. Anders als von EXNER (1952, 1956) wird hier also ein postglaziales Alter diese Rutschung angenommen. 4 Ursachen 4.1 Lagerungsverhältnisse und Trennflächengefüge Wesentliche Faktoren für die Stabilität von T alflanken, Hängen und Böschungen sind Orientierung und Zustand von Schichtung, Schieferung und Klüftung. Für eine Massenbewegung entlang der Schieferung müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein (nach VON P OS C HINGER 1986): Zunächst muß durch die Raumlage der Schieferungsflächen der Winkel der inneren Reibung überschritten werden (d.h. die Schieferung muß steiler einfallen als der Winkel der inneren Reibung). Als weitere Voraussetzung muß ein eventuelles Widerlager für den sich bewegenden Körper fehlen, d.h. der Hang muß steiler einfallen als die Schieferung, also diese unterschneiden. Diese Bedingungen für Hangbewegungen gelten natürlich nicht nur für Schiefe- 40 F. Deffner rungsflächen, sondern für jede Art von T rennflächen, die als mögliche Bewegungsbahnen in Betracht gezogen werden können. Berücksichtigt werden muß allerdings, daß die Bewegung unter Umständen nicht entlang einer "normalen" Schieferungsfläche im „intakten“ Gebirge, sondern entlang einer vorgezeichneten, in etwa schieferungsparallelen T rennfläche erfolgt. In diesem Falle darf nicht der Winkel der inneren Reibung, sondern muß die sogenannte Restscherfestigkeit (bzw. der Restscherwinkel) betrachtet werden. Die Werte für den Restscherwinkel betragen nach ZIEGLER (1982): Tab. 2: Restscherwinkel der für die Bewegungen relevanten Gesteine Gestein Restscherw inkel Schwarzphyllite 15°- 20° Kalkglimmerschiefer und -marmore 20° - 25° Grüngesteine 20° - 25° Auch bei LAM A & VUT IKUR I (1978, S. 315 ff) finden sich vergleichbare Werte. Aufgrund eigener Beobachtungen wird davon ausgegangen, daß der Restscherwinkel im Bereich der im Untersuchungsgebiet anzutreffenden, tektonisch beanspruchten Schwarzphyllite noch flacher liegt, nämlich in etwa bei 5°. Die mittlere Hangneigung im Untersuchungsgebiet Richtung Gasteiner T al (Nordost) beträgt 20° bis 30°. Die Schieferung liegt im Bereich T ürchlwand-Siebenspitz söhlig, fällt aber bereits auf der östlichen T alseite bei Bad Hofgastein mit 35° bis 40° nach Nordosten ein, so daß sich die Schieferung im Untersuchungsgebiet in nordöstliche Richtung versteilt. Bei der Schichtgrenze zwischen den Schwarzphylliten und den überlagernden Kalkglimmerschiefern handelt es sich um die Überschiebungsbahn zwischen Oberer und Unterer Schieferhülle. Es ist also eine starke tektonische Beanspruchung der Gesteine in diesem Bereich festzustellen, so daß hier der oben genannte niedrige Restscherwinkel in den oberen Bereichen der Schwarzphyllite angenommen muß. Im untersuchten Gebiet sind also die Voraussetzungen (Unterschneidung der Gleitflächen durch den Hang) für Kriechbewegungen in nordöstliche Richtung entlang schieferungsparalleler, vorgezeichneter T rennflächen im Bereich der Schwarzphyllite zweifelsohne erfüllt. Die Versteilung der Schieferung in nordöstliche Richtung ist eine mögliche Erklärung dafür, daß sich die nordöstlichen T eilschollen (Gipfel 2250 und Hirschkarspitze) relativ zur Siebenspitz weiter nach Nordosten bewegt haben als der Mauskarkogel. Die Kluftflächen müssen unter den gleichen Gesichtspunkten betrachtet werden wie die Schieferungsflächen. Sämtliche Kluftflächen im Untersuchungsgebiet stehen so steil, daß sie nicht von der natürlichen Hangneigung unterschnitten werden und somit als Bewegungsbahnen (mit Ausnahme der Sackungen) ausscheiden. Sie sind aber insofern für die Betrachtung der Hangbewegungen von großer Bedeutung als daß sich das Gebirge nach den vorhandenen T rennflächen zerlegt. Selbstverständlich gibt es auch Bewegungen, die sich aus einer Kombination von Kluft- und Schieferungsflächen ergeben. Hierher gehören vor allem die Sackungen im gesamten Gebiet und die T ranslationsrutschungen im Bereich Mooskarl. Bei der Betrachtung von Kluftflächen im Zusammenhang mit Hangbewegungen müssen natürlich auch etwaige Kluftfüllungen oder bestege und ihre mögliche reibungsmindernde Wirkung berücksichtigt werden. Solche Kluftfüllungen konnten zwar bei den Geländearbeiten nicht beobachtet werden, dürfen aber nicht ausgeschlossen werden. 4.2 Wasser O be rfläche nwässe r Im Untersuchungsgebiet gibt es einen Bereich, der durch Hangbewegungen so stark aufgelockert ist und so große Wasserwegigkeiten aufweist, daß es hier keinen oberflächlichen Abfluß gibt. Die Gräben des Leidalm- und des Schloßbaches und die mit ihnen einhergehenden Böschungsunterschneidungen sind zwar hauptsächlich glazialen Ursprungs, jedoch ist in beiden Bächen, vor allem aber im Leidalmbach eine deutliche rezente Erosion der Lockermassen zu beobachten. Dieses Anschneiden der Böschungen führt immer wieder zum Nachrutschen größerer Mengen von Hangschutt und Moränenmaterial, was bei starkem Wasserandrang zur Murenbildung führen kann. Massenbewegungen im Schloßalm-Gebiet westlich Bad Hofgastein 41 Be rg- und Kluftwasse r Wie bereits erwähnt, wirken im gesamten Untersuchungsgebiet die Schwarzphyllite wasserstauend. Die darüberliegenden, bewegten Gesteine der Oberen Schieferhülle weisen dagegen große Wasserwegigkeiten auf. Das Schüttungsverhalten (Einsetzen der Schüttung bei Schneeschmelze sowie nach Regenperioden und späteres Versiegen) der Quelllen zeigt, daß sich im Untersuchungsgebiet immer wieder zumindest ein vorübergehender Bergwasserspiegel und damit ein gewisser Kluftwasserschub einstellt und das Gebirge unter Auftrieb gerät. Es ist anzunehmen, daß sich wegen der großen Wasserwegigkeiten im jetzigen Zustand des Gebirges kein dauerhaft hoher Bergwasserspiegel aufbauen kann. T rotzdem muß der damit verbundene Kluftwasserschub als auslösender Faktor der Hangbewegungen berücksichtigt werden. Die größten Auswirkungen auf die Hangstabilität hat das Bergwasser sicherlich dadurch, daß die Reibung auf den T rennflächen und damit die Restscherfestigkeit deutlich herabgesetzt wird. 4.3 Vorm alige Vereisungen Das Gasteiner T al und seine Seitentäler wurden während mindestens vier Vereisungen von Gletschern ausgeräumt, wobei HANT KE (1978 und 1983) die Auffassung vertritt, daß die glaziale T iefenerosion hauptsächlich während der älteren Vereisungen erfolgte. Im Gasteiner T al wird zwar der klassische, von Gletschern geformte U - Querschnitt nicht gefunden, jedoch ist davon auszugehen, daß es durch die Vereisungen zur Versteilung der T alflanken und damit nach Abschmelzen des Eises zur Unterschneidung des Restscherwinkels auf der westlichen T alseite gekommen ist. Dieser Prozeß der Versteilung der T alflanken fand natürlich auch während früherer Vereisungen statt, was dazu führte, daß die geschilderten Kriechbewegungen nicht nur nach dem Abschmelzen des Würmgletschers, sondern auch in den vergangenen Zwischeneiszeiten bzw. Interglazialen in Gang gesetzt wurden. Ein Beweis hierfür ist die glaziale Überprägung der bewegten Bereiche nördlich der Linie Mauskarkogel Hirschkarspitze. Die glaziale Versteilung der Böschungen ist auch für die Bewegungen Richtung Süd (Schloßgraben) und Richtung Nord (Leidalmgraben) als Ursache zu nennen. Naheliegend ist, daß die Bewegungen immer nur in den Nach - oder Zwischeneiszeiten stattfinden, da während einer Vereisung das Eis als Widerlager für die instabilen Hänge dient. Die durch glaziale T iefenerosion entstandene Übertiefung des Gasteiner T ales, die 100 bis 200 m betragen dürfte, hat keinen Einfluß auf die behandelten Hangbewegungen westlich Bad Hofgastein. Hier ist der Hauptfaktor die Versteilung der Böschung. 5 Rekonstruktion Da die Hangbewegungen im Schloßalm-Gebiet ihre Hauptursache in der Unterschneidung der hangauswärts gerichteten Schieferung und der geringen Restscherfestigkeit der Schwarzphyllite entlang der Deckengrenze haben, ist an den Anfang der Rekonstruktion der Hangbewegungen der Beginn der T alentwicklung zu stellen. Nach FÜC HT B AUER (1967) wurde das Kristallin des T auernfensters erstmals im Chatt durch die Erosion angeschnitten. Es darf also angenommen werden, daß das heutige Entwässerungssystem (zumindest das Gasteiner T al) im Untersuchungsgebiet bereits im Jungtertiär angelegt wurde (s. Abb. 10 ). Zur Ausräumung der T äler, zur Versteilung der T alflanken und damit zur Unterschneidung der für die Bewegung relevanten Flächen kommt es jedoch erst im Pleistozän durch eine Reihe von Vereisungen (s. Abb. 11 und 12). Infolge dieser Versteilungen kommt es in den Zwischeneiszeiten, möglicherweise durch ein Erdbeben als auslösendes Ereignis, zum Versagen der T alflanken und zum Abgleiten der geschilderten Bereiche (Abb. 12). Es ist anzunehmen, daß der erste Abriß entlang der Kluftschar 040/75 im Bereich der Hohen Scharte erfolgt. Durch die Bewegung der östlichen Gebirgspartien entlang der Schwarzphyllit-Obergrenze in nordöstliche Richtung entsteht ein Massendefizit im Bereich der Hohen Scharte, das zum Zurücksacken einzelner T eilschollen und zur Ausbildung von Staffelbrüchen entlang der Kluftschar 240/75 führt (Abb.12 und 13). 42 F. Deffner Abb. 10: Anlage des Entwässerungssystems im Jungtertiär. Abb. 11: Ausgangssituation: Klüftung durch Aufwölbung des Tauernfensters angelegt, Tal durch Vereisungen ausgeräumt. Abb. 12: Ausräumung der Täler und Versteilung der Talflanken nach den vorgezeichneten Trennflächen durch Vereisungen im Pleistozän. Abb.13: Abriß an der Hohen Scharte, Ausbildung von Staffelbrüchen durch Zurücksacken einzelner Teilschollen Massenbewegungen im Schloßalm-Gebiet westlich Bad Hofgastein 43 Abb. 14: Versagen der Talflanken und langsames Abgleiten der Massen entlang vorgezeichneter Trennflächen (Schieferung, K1). Abb. 15: Weitere Zerlegung der abgleitenden Massen östlich des Mauskarkogels. Infolge der genannten Bewegungen kommt es zur weiteren Zerlegung der langsam nach Nordost gleitenden Bereiche, wiederum entlang der Kluftschar 040/75 und zusätzlich entlang der Kluftscharen 300/50 und 130/85, wobei aufgrund der immer steiler einfallenden Bewegungsbahn (Deckengrenze und Schieferung) die weiter nordöstlich gelegenen Partien (Gipfel 2250 und Hirschkarspitze) größere Bewegungsgeschwindigkeiten und -beträge aufweisen als der Mauskarkogel. Durch diese unterschiedlich großen Bewegungen entstehen die Scharte zwischen Gipfel 2250 und Mauskarkogel sowie die Kleine Scharte (s. Abb. 15 und 16). Auffällig ist, daß es bei den eher Nordost-Südwest streichenden Abrissen nördlich von Mauskarkogel und Gipfel 2250 zu Verstellungen kommt, die zu einem flacheren Einfallen der Schieferung nördlich dieser Abrisse führt. Abb. 16: Füllung des Tales, Fortschreiten der Bewegungen, sekundäre Rutschungen infolge der Auflockerung im Holozän 44 F. Deffner Abb. 17: Fortschreitende Zerlegung, sekundäre Rutschungen und Erosion führen zum rezenten Erscheinungsbild Der geschilderte Prozeß schreitet in jeder Zwischeneiszeit (also auch im Holozän) weiter fort, was zu einer so starken Auflockerung führt, daß es zu sekundären Rutschungen kommt. Die größte dieser Sekundärrutschungen ist an der Ostflanke der Hirschkarspitze, also am östlichen Stirnbereich der bewegten Massen zu finden (s. Abb.16 und 17). Bei dem Versuch einer zeichnerischen Rekonstruktion (s. oben) der angenommenen Bewegungsabläufe lassen sich folgende Bewegungsbeträge ermitteln: Tab. 3: Bewegungsbeträge Mauskarkogel: 110 m Gipfel 2250 m NN: 180 m Hirschkarspitze: 200 m Eine überschlägige Berechnung der Kubaturen der bewegten Massen führte zu folgenden Ergebnissen: Abb.18: Überschlägige Kubaturen der bewegten Massen [Mio. m³] Den in Abb. 18 gezeigten Zahlenangabenn liegt die Annahme zugrunde, daß die obersten 80 Meter der Unteren Schieferhülle, also der Schwarzphyllite, von der Bewegung erfaßt werden. Die Ausdehnung der bewegten Massen in der Fläche liegt insgesamt bei etwa 14,5 km². Davon wurden unter Erhalt des Gefügeverbandes etwa 9,5 km² bewegt. Die Sturz- und Rutschmassen erstrecken sich auf ca. 5 km² Fläche. ABELE (1974) gibt dagegen für den "Mauskarkogelbergsturz" von Exner eine Fläche der bewegten Massen von 17 km² an. Folgende bisherigen Annahmen müssen also revidiert werden: Massenbewegungen im Schloßalm-Gebiet westlich Bad Hofgastein 45 Bei den Hangbewegungen im untersuchten Gebiet handelt es sich nicht um einen Bergsturz, sondern um ein Abgleiten großer Felsmassen unter Erhalt des Gefügeverbandes (in EXNER S Profil von 1952 bestehen der Mauskarkogel und die Hirschkarspitze aus "Bergsturz-Schollen"). Durch die Auflockerung infolge dieser Bewegungen kommt es zu den geschilderten Sekundärrutschungen. Die größte Rutschung (am Osthang der Hirschkarspitze), auf die sich EXNER bezieht, ist jedoch nicht vor, sondern nach der letzten Vereisung niedergegangen. 6 Literatur AB ELE , G. (1974): Bergstürze in den Alpen.- Wissenschaftl. Alpenvereinsh., 25, 165 S.; München COR NELIUS , H. & CLAR , E. (1935): Erläuterungen zur geologischen Karte des Großglocknergebietes.- 34 S.; Geol. B.-A., Wien DEF F NER , F. 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However, until now little has been known of the origin of the springs, or at least of how they came to rise from deep strata. One explanation suggests this is due to tectonical tracing, allied to the development of gold mineralization in the T auern area. Now, by studying the intersection of three underlying structures it is possible to explain why the springs reach the surface precisely at the Badgastein terraces. 1 Geschichtliches zu den Thermen Badgastein ist einer der berühmtesten Kurorte Österreichs - nicht zuletzt wegen der heilsamen Thermen, die dort zu T age treten. Schenkt man alten Gasteiner Chronisten Glauben, so erfolgte die Entdeckung der Thermen im 7. Jahrhundert (R. KLEINS OR G 1797). Zunächst wahrscheinlich nur von Einheimischen genutzt, erlangten die Quellen seit dem Mittelalter Bekanntheit als Bad. Von da an erfolgte eine langsame Entwicklung über das Wildbad Gastein zum heutigen Badgastein. 2 Geographie Das Gasteinertal, ein südliches Seitental der Salzach, liegt im Bundesland Salzburg/Österreich. Die Ortschaft Badgastein befindet sich im T alinneren auf 1000 m Seehöhe, am Fuße des T auernhauptkammes. Dort schneidet sich die Gasteiner Ache in das Gebirge ein und fällt in der über 250 m hohen T alstufe des Gasteiner Wasserfalls zu T ale. Vor und nach der T alstufe schließen sich die flachen T alböden von Böckstein und Bad Hofgastein an. 3 Geologie 3.1 Geologische Entw icklung des Tauernfensters Der geologische Rahmen Badgasteins gehört zum T auernfenster der Zentralalpen. Dort sind die Penninischen Einheiten der Zentralgneismassive mit den darüberliegenden Schieferhüllen aufgeschlossen. Zur Zeit der variszischen Orogenese drangen Granite in ein schon bestehendes paläozoisches „Altes Dach“ ein und wurden noch während dieser Orogenese metamorph zu Gneisen umgewandelt. Zwischen Perm und Kreide lagerten sich im Bereich des südlich gelegenen Penninischen Ozeans die Gesteine der späteren Schieferhüllen ab, welche z.T . sedimentären und z.T . vulkanischen Ursprungs sind. Während der alpidischen Orogenese wurden die Gesteine des Penninischen Ozeans als Decken nach Norden über den Zentralgneis geschoben und dabei metamorph überarbeitet. Danach folgten Heraushebung und Abtrag des Gebirges. Während der Eiszeiten wurden die Alpentäler glazial überprägt. * Dipl.-Geol. Dr. Katja Lokau, Geologisches Landesamt Rheinland-Pfalz, Abt. Ingenieurgeologie, Emy-Roeder-Str. 5, D-55129 Mainz Die Thermen von Badgastein 47 3.2 Tektonischer Bau des Hochalm -Ankogel-Massives Neben den großen Gneisgebieten im westlichen (T uxer und Zillertaler Gneiskern) und mittleren Tauernfenster (Granatspitzkern), tritt im östlichen T auernfenster an zwei weiteren Stellen, im Sonnblickkern und im Hochalm-Ankogel-Massiv, die penninische Unterlage zu T age. Die Gneiskerne im Hochalm-AnkogelMassiv streichen NW-SE und werden durch NE-SW liegende Querstrukturen untergliedert. Es handelt sich hauptsächlich um Schieferserien, die in die Zentralgneise eingefaltet wurden. Die Achsen dieser Querstrukturen fallen nach NE. Sie werden, im Gegensatz zu den randlich gelegenen Schieferhüllen, „Zentrale Schieferserien“ genannt und bestehen hauptsächlich aus mächtigen Glimmerschieferpaketen, die auch Amphibolite, Migmatite und Paragneise beinhalten können. Im Gasteiner Raum trennt die Querstruktur des „Gasteiner Synklinoriums“ den südöstlich gelegenen Hölltor-Rotgülden-Kern vom nordwestlich angrenzenden Siglitzlappen (Abb. 1). Abb. 1: Geologische Übersicht des östlichen Tauernfensters nach T OLLMANN (1977) Nördlich an die Gneisgebiete anschließend befindet sich die mesozoische Schieferhülle mit einem flach nach Norden gerichteten Einfallen. 3.3 Gasteiner Goldreviere In den kristallinen Zentralalpen gibt es eine Reihe durch hochtemperierte Erzlösungen entstandener Goldgänge. Eines der reichsten und bekanntesten Goldreviere der Hohen T auern ist die Goldberggruppe, die zwischen dem Großglockner im Westen und dem Gasteiner- und Mallnitzertal liegt. In der Goldberggruppe lassen sich einige Ganggruppen unterscheiden, die in ihrer Position alle an die auffällige tektonische Struktur der Mölltallinie und deren Fortsetzung nach SE gebunden sind. Die meist Arsenkies führenden Goldquarzgänge durchschlagen die Zentralgneiskerne von Sonnblick und Hochalm-Ankogel-Massiv. Es sind weit durchziehende Gänge mit NNE-Streichen und steilem, nach Osten gerichteten Fallen. Diese beiden tektonisch vorgezeichneten Richtungen werden sich noch als bedeutsam für die Gasteiner T hermen herausstellen. 3.4 Die Geologie in der Um gebung von Badgastein Bei den Zentralgneisen handelt es sich typischerweise um saure, porphyrische Orthogesteine mit auffälligen, bis zu 10 cm langen Kalifeldspatleisten, die ein eher sperriges Gefüge aufweisen. Sie stehen in den Gebieten südlich und südöstlich von Badgastein an und zeigen ein dem tektonischen Großbau entsprechendes Fallen von 30 bis 60° nach NW. In den Gesteinen der Zentralen Schieferserie sind zumeist Paragneise, Glimmerschiefer und Quarzite aufgeschlossen. Diese finden sich direkt östlich von Badgastein an den Flanken des Graukogel und Feuersang mit gleicher Raumlage wie die Zentralgneise. Der Siglitzgneis dagegen, ein Au- 48 K. Lokau gen- und Flasergneis, ist wesentlich feinerkörnig und deutlich geschiefert. Er ist in Badgastein und westlich davon z.B. im Sockel des Stubnerkogel mit flachem NE-Fallen anzutreffen. Den Gneissockel überlagern hier Marmore und Schwarzphyllite der Schieferhülle. Legende Junge Talfüllung Schieferhülle Matreier Zone Zentralgneise Altkristallin Golderzgang Abb. 2: Erzgänge der Goldberggruppe nach DAMM & S IMON (1966): 1 Goldzecher Ganggruppe, 2 Parzisselbaue, 3 Hoher Goldberg Gaggruppe, 4 Siglitz-Erzwieser Gangzug, 5 Strabeleben-Wyser Gangzug, 6 Radhausberger Gangzug. Abb. 3: Geologische Detailkarte von Badgastein (nach LOKAU 1996) Die Thermen von Badgastein 49 Im Bereich von Badgastein ist keine genaue Einstufung in das Höhenniveau im Siglitzlappen möglich. Eine Abschätzung der Siglitzgneis-Mächtigkeiten von der Liegendgrenze am Graukogel bis zur Pyrkerhöhe in Badgastein (ca. 300-400 m) und von der Pyrkerhöhe bis zur Hangendgrenze am Stubnerkogel (ca. 550 m) ergibt jedoch bei weitem nicht die von EXNER (1956) angegebene durchschnittliche Mächtigkeit des Siglitzlappens von 1400 m. Denkbar wäre eine Verringerung der Gneismächtigkeit durch Abschiebungen entlang der in Badgastein aufgeschlossenen Großklüfte (115/80), die teilweise eine vertikale Striemung zeigen. Während des Quartärs bildete sich über dem Alpenkörper ein zusammenhängendes Eisstromnetz. Auch das Gasteinertal wurde im Hochglazial durch die T ätigkeit der Gletscher überprägt, doch sind die wahrscheinlich einst steilen T alflanken durch Hangbewegungen wieder abgeflacht worden. So findet man östlich von Badgastein an der Flanke des Graukogels kaum anstehendes Gebirge, sondern nur grobes Blockwerk, das von einer postglazialen Felsgleitung herrührt. Die Gasteiner Ache verlief nicht immer in ihrem heutigen Bachbett, wie verschiedene Geländeeinschnitte mit Kolken und kleineren Strudeltöpfen zeigen. Insgesamt können vier Bachläufe rekonstruiert werden (Abb. 3): !"Der am weitesten im Westen gelegene Lauf benutzte die vom Gletscher ausgetiefte Bahnhofsfurche, welche sich in ihrem weiteren Verlauf nochmals aufgabelt. !"Östlich davon gelegen befindet sich der heutige Flußlauf der Ache mit dem Wasserfall. Betrachtet man diesen, so fallen östlich der St. Preims Kirche zwei markante Knicke auf, zwischen denen die Ache auf ca. 100 m einem Lineament mit schon bekanntem NW-SE gerichtetem Streichen folgt. !"Ein weiteres altes Bachbett verläuft durch die Mühlbachschlucht, in der heute die Druckrohre für das Elektrizitätswerk verlegt sind. !"Das vierte Bachbett, von ST INI schon 1951 postuliert, liegt östlich der Pyrkerhöhe und ist vom Schutt der Graukogel-Felsgleitung begraben. 3.5 Der Franz-Josef-Stollen Einen guten Einblick in die geologische Situation im T hermalquellbereich bietet der Neue Franz-JosefStollen, der in den 70er Jahren aufgefahren wurde. Der Stollen befindet sich in standfestem bis nachbrüchigem Gebirge (Gebirgsklassifikation nach SP AUN 1986), im Gegensatz zu dem teilweise im Lockergestein vorgetriebenen Alten Franz-Josef-Stollen. Probleme beim Auffahren bereitete nur eine „5 Meter breite, mit Grobsand und teilweise ungewöhnlich großen Blöcken erfüllte, parallel zum Hang stehende Schlucht“ (JANS C HEK & KAHLER 1991). Die Fortsetzung der „Schlucht“ , welche insgesamt auch durch seismische Profile nachgewiesen werden konnte, wurde schon beim Bau des benachbarten Alten Franz-Josef-Stollens im Flügelstollen angefahren. Dort befinden sich einige der T hermalwasseraustritte. Von JANS C HEK & KAHLER wird diese Schlucht als T rennfuge einer Bergzerreißung gedeutet, welche durch Schmelzwasser des sich zurückziehenden Gletschers ausgewaschen wurde. Diese Erklärung paßt durchaus zu dem oben erwähnten, verschütteten Bett der Ache, welches von ST INI postuliert wurde. Eine tektonische Vorzeichnung entlang von T rennflächen, so wie diese auch den heutigen Achenverlauf bestimmen, ist dafür maßgeblich. Anzeichen für eine Bergzerreißung können jedoch aufgrund der eigenen Geländearbeiten ausgeschlossen werden. Eine weitere interessante Struktur im Bereich des Alten Franz-Josef-Stollens konnte durch geoelektrische Widerstandsmessungen ausfindig gemacht werden, welche die Lage der Felsoberfläche erkunden sollten. Bei der Interpretation ergaben sich Schwierigkeiten, da sowohl Fels als auch T eile der Überlagerung (trockene Sande, Geröll, Hangschutt) ähnlich hohe elektrische Widerstände aufwiesen. Als wichtigstes Ergebnis konnte eine Minimumzone, die sog. „Kirchbachmulde“ ausgemacht werden, die als schwere Zerrüttungszone und Hauptförderzone des T hermalwassers gedeutet wurde. Die vermutlich steilstehende Zone streicht NW-SE. 4 Geothermische Anomalien im Raum Badgastein Im Raum Gastein und in den angrenzenden Nachbartälern gibt es eine Reihe von Hinweisen auf eine erhöhte geothermische Aktivität. Es sind dies die Zonen mit erhöhten Gesteinstemperaturen im Massiv des südlich Badgastein gelegenen Radhausberges sowie zahlreiche Warmwasser- und T hermalwasseraustritte. In Abb. 4 wurden nach verschiedenen Autoren erstmalig alle geothermischen Phänomene in einer Karte zusammengestellt. 50 K. Lokau 4.1 Gasteinertal Radhausbe rg Im Radhausberg-Massiv wurden in zwei Stollensystemen „Überschußtemperaturen“ festgestellt und von SC HEM INT ZKY & ST INI (1958) nachvollzogen und berechnet. Die Überschußtemperatur errechnet sich demnach aus der Differenz der gemessenen Gesteinstemperatur mit einer aus verschiedenen Parametern (Höhenlage, Überlagerung, geothermische T iefenstufe) berechneten Solltemperatur. Die Berechnung ergab für den T hermalstollen eine maximal erreichte Überschußtemperatur von 22,9°C und für den Paris-Stollen immerhin noch eine von 6,5°C. Beide Stollen sind im Radhausberg-Massiv gelegen. Weiterhin kamen SC HEM INT ZKY & STINI (1958) zu der Erkenntnis, daß die Wärmeausbreitung im Radhausberg bevorzugt entlang von NNE-SSW gerichteten Klüften, den sog. „Hitzeklüften“ erfolgt. Diese tektonische Richtung ist bereits von den Goldquarzgängen her bekannt. Die The rme n von Badgaste in Die Badgasteiner T hermen stellen eine weitere geothermische Anomalie im betrachteten Raum dar. Die maximale Austrittstemperatur wird mit 46,6°C an der Rudolphquelle auf 1018 m Seehöhe gemessen. Eine ausführlichere Beschreibung der T hermen erfolgt im Kapitel 0. Abb. 4: Geothermische Anomalien im Raum Badgastein; 1 Thermalstollen, 2 Tauerntunnel (ohne Anomalie!), 3 Thermalquellen von Badgastein, 4 Druckstollen bei Lend, 5 Lauwasseraustritte bei Wörth, 6 Lauwasseraustritte in der Lichtensteinklamm We ite re the rmale Ersche inunge n im Gaste ine r Tal Neben T hermalquellen und T hermalstollen berichtet SC HEM INT ZKY (1952) von aperen Stellen und Dampfaustritten in der Nähe des Kesselfalls. 4.2 Um gebung des Gasteinertales Warmwasse re inbruch von Le nd Im September 1954 kam es beim Bau des Salzachkraftwerkes Schwarzach der T auern-AG zu einem anfangs 620 l/sec starken Warmwassereinbruch im Bereich der verkarsteten Klammkalkzüge am T alausgang des Gasteinertales (ST INI 1959). Dort wurde eine Wassertemperatur von maximal 30,7°C gemessen. Laue Wasse raustritte in Rauris und Großarl In der Geschichtsschreibung des Unterpinzgaus wird von einer weiteren, 17°C warmen Quelle bei Wörth im Raurisertal berichtet, welche heilende Kräfte haben soll (LAHNS T EINER 1980), ebenso wie in der Lichtensteinklamm des Großarltales (ST INI 1959). Die Thermen von Badgastein 51 5 Hydrogeologie 5.1 Kaltw asser Trinkwasse rve rsorgung von Badgaste in Für die T rinkwasserversorgung von Badgastein werden fünf Quellen genutzt. Vier davon entspringen dem Blockwerk am Graukogel (Schachen- und Kohlgrubenquelle), Hohen Stuhl (Patschgquelle) und Radhausberg (Evianquelle), eine weitere wird in den T alschottern am Eingang zum Anlauftal gefaßt. Dem Chemismus nach handelt es sich bei diesen Kaltwasserquellen um Ca-Hydrogenkarbonat-Wässer mit einer Mineralisation zwischen 500 und 1000 µval/l. Grube nwässe r aus de m Radhausbe rg- und Bockhartse e re vie r Die aus dem Radhausberg- und Bockhartseerevier stammenden und von JOB & ZÖT L (1969) beprobten Wässer gehören zu den Ca-Mg-Hydrogenkarbonat-Sulfat-Wässern und weisen eine Mineralisation von rund 1800 µval/l auf. Der im Vergleich zu den Kaltwässern relativ hohe Sulfatgehalt ist auf die dort vorkommenden sulfidischen Kieserze zurückzuführen, da bei der Oxidation von Sulfiden leicht lösliche Sulfationen entstehen. Wässe r aus de m The rmalstolle n im Radhausbe rg Während die im vorderen T eil des Stollens austretenden Wässer einen mit den Grubenwässern vergleichbaren Chemismus aufweisen, zeigt der aus einer „Hitzekluft“ austretende T hermalwasserriesel einen Ca-NaSulfat-Hydrogenkarbonat-T ypus mit einer schon deutlich erhöhten Mineralisation von 6200 µval/l. Bis auf den fehlenden Chloridgehalt ist dieser Wassertypus mit dem der Gasteiner T hermen chemisch eng verwandt (JOB & ZÖT L 1969). Dieser Sachverhalt beweist den engen Zusammenhang der NNE streichenden Hitzeklüfte mit den T hermalquellen. 5.2 Therm alw asser Die 19 Gasteiner T hermalquellen mit zahlreichen Einzelaustritten entspringen mit zwei Ausnahmen im Ortsgebiet von Badgastein auf der orographisch rechten Achenseite am Fuße des mit Blockwerk und Hangschutt bedeckten Graukogels. Die Austrittsstellen umfassen einen Höhenunterschied zwischen 1034 m SH (FranzJosef-Quelle) und 937 m (Storchner-Quelle), also knapp einhundert Meter. Die Gesamtschüttung des genutzten T hermalwassers beträgt ca. 4500 m 3 pro T ag, dazu kommen noch ca. 400 m 3 ungenutzten T hermalwassers und eine unbekannte Menge an Verlustwasser. Die ergiebigste Quelle ist die Elisabeth-Quelle, die mit 2518 m 3 pro T ag ungefähr die Hälfte des genutzten T hermalwassers erbringt. Bei den Schüttungsschwankungen läßt sich ein antizyklisches Verhalten von Kaltwasser und T hermalwasser erkennen. Erreichen die Schüttungen der Kaltwasserquellen im Frühjahr zur Schneeschmelze ihr Maximum, so kommt es bei der Wasserspende der T hermalquellen zu einem Minimum. Im Herbst zeigt sich eine umgekehrte T endenz. Die zunächst sinnvoll erscheinende Schlußfolgerung, daß sich die Schüttungsschwankungen der kalten Quellen mit einer Verzögerung von einem halben Jahr in den Schüttungen der T hermalquellen abzeichnen, konnte von (JOB & ZÖT L 1969) durch gleichzeitige Beobachtungen des Chemismus der beiden Wassertypen im Jahresgang ausgeschlossen werden. Das Maximum der T hermalquellschüttung stellt also einen echten T hermalwasserschub dar und keine Verdünnung durch vermehrten Eintrag von Kaltwässern. Eine Erklärung für dieses Phänomen könnte darin bestehen, daß sich durch die mit dem Grundwasserstand kommunizierenden Kaltwasserquellen ein hydrostatischer Druck ausbildet, der wie ein „Polster“ auf den T hermalwasseradern lastet. Ist der Grundwasserstand und der somit aufgebaute hydrostatische Druck hoch, sinkt die Spende der T hermalwasserquellen ab und umgekehrt. Mit einer Mineralisation von rund 4600 µval/l und 800 mg/l gehören die Gasteiner T hermen zu den akratischen Wässern, die unter 1 g/l gelöste Substanzen enthalten. Der Chemismus der T hermen ist durch die Ionen Natrium, Calcium, Sulfat und Hydrogenkarbonat sowie durch einen relativ hohen Anteil an Chlorid und Fluorid gekennzeichnet. Weiteres typisches Merkmal ist der Radongehalt von 18 nCi/l (FLATSCHER 1995). 52 Abb. 5: K. Lokau Chemismus der verschiedenen Wässer; #: Thermalwasser, •: Kaltwasser; 1 Thermalmischwasser, 2-4 Tauerntunnel Mitte/N/S, #5 Thermalstollen (310 m), •5 Thermalstollen (1055 m), 6 Grubenwässer, 7 Schachenquelle, 8 Kohlgrubenquelle, 9 Evianquelle, 10 Scholzquelle, 11 Lend. Die Untersuchungen bezüglich des den T hermen beigemischten Kaltwasseranteils ergaben anhand der Parameter Fluorid und T ritium eine Einteilung in drei Gruppen (JOB & SC HEM INT ZKY 1973). Die am weitesten oben, zwischen 1034 und 996 m SH gefaßten T hermen enthalten den niedrigsten Anteil an Kaltwasser (∅ 12%), eine von 983 bis 955 m gefaßte Gruppe enthält ∅ 24% und die beiden am tiefsten gefaßten Quellen enthalten mit 49% und 76% den höchsten Kaltwasseranteil. 6 Überlegungen zu den Gasteiner Thermen Der Vergleich der chemischen Bestandteile der T hermen mit denen der umgebenden Wässer sowie die geologische Situation im Raum Badgastein stellen immer wieder einen engen Zusammenhang zwischen Erz, T hermen und Hitze her, der in dem steilen, NNE streichenden Kluftsystem seinen gemeinsamen Nenner findet. Sowohl die hydrothermalen Erzlösungen als auch der heiße Wasserdampf der Hitzeklüfte im T hermalstollen sowie die T hermen selbst bedienten oder bedienen sich offenbar dieses Weges, um aus der T iefe des Erdinnern aufzusteigen. Die Frage warum die Gasteiner T hermen gerade an diesem Punkt zur Erdoberfläche gelangen, kann nun auch beantwortet werden. Die Badgasteiner T alstufe bildet einen der morphologisch am tiefsten gelegenen Aufschlüsse im Zentralgneis. An dieser T alstufe treffen die als Aufstiegszonen gedeuteten, NNE streichenden Spalten mit der von JANS C HEK & KAHLER (1990) nachgewiesenen „Schwächezone“ zusammen. Genau an der Stelle, an der die drei Phänomene T alstufe, Aufstiegsspalten und Schwächezonen aufeinandertreffen, befindet sich das Quellgebiet der T hermen. JANS C HEK & KAHLER (1990) beschreiben die Schwächezone als große, NW-SE streichende „Mylonitzone“ und „Zerrüttungszone“ . Die Existenz einer solchen, tektonisch angelegten Richtung hat sich bei der Auswertung der strukturgeologischen Merkmale für den Raum Gastein bestätigt. Eine Mylonit- und Zerrüttungszone entsteht jedoch beim Aneinanderreiben zweier Gebirgsblöcke, wobei das Gefüge und der Gesteinsverband zerstört werden. Ursache dafür kann sowohl ein seitlicher Versatz als auch eine Einengung in Form von Aufund Überschiebungen sein. In der Regel wird dabei aber kein so großes Porenvolumen entstehen, das das aufsteigende T hermalwasser speichern und gewissermaßen als Vorfluter dienen könnte. Ebenso ist es nur schwer vorstellbar, daß eine bis zur Felsoberkante reichende Zerrüttungszone die Glazialzeit als solche überstanden hat und nicht von der erosiven T ätigkeit des Gletschers ausgeräumt wurde. Nach meiner Anschauung handelt es sich bei der erkundeten Schwächezone vielmehr um die schon 1951 von ST INI postulierte „alte, nunmehr vollständig verschüttete T alung“ , die ihren Anschluß an die heutige Gasteiner Ache in dem markanten, NW-SE gerichteten Flußabschnitt am Fuße des Wasserfalls findet. Dieses zwischen zwei auffälligen Knicken im Flußlauf gelegene Stück liegt fast genau in der Verlängerung der Schwächezone („Kirchbachmulde“ ). Die Verbindung zwischen dem Flußabschnitt und der Schwächezone trifft exakt auf die Elisabeth-Quelle, die mit Abstand die ergiebigste der T hermen ist. Die Thermen von Badgastein 53 Der Weg des T hermalwassers von der Aufstiegszone bis zu den Quellaustritten könnte folgendermaßen aussehen: Das T hermalwasser steigt in einem System wahrscheinlich kommunizierender Spalten mit der bekannten, steilstehenden und NNE streichenden Kluftrichtung nach oben und wird von der alten T alung der Gasteiner Ache ungefähr im Bereich des Franz-Josef-Stollens angeschnitten. Die alte, mit Blockwerk und eventuell Flußsediment verfüllte T alung dient als Vorfluter für das T hermalwasser und führt es den nordwestlich gelegenen Quellen zu, wobei mit längerem T ransportweg die T emperatur der Quellen nach Nordwesten abnimmt, und der zugemischte Kaltwasseranteil ansteigt. Bei der geophysikalisch erkundeten, schmalen Schlucht im Bereich der beiden Franz-Josef-Stollen handelt es sich um einen kleinen Nebenlauf des alten Flußsystems, der ebenfalls mit Lockermaterial verfüllt ist und als Zubringer des T hermalwassers zu den Quellfassungen fungiert. 7 Literatur DAM M , B. & SIM ON , W. (1966): Das T auerngold.-In: Zur Mineralogie und Geologie des Landes Salzburg und der T auern.-Aufschluss, Sonderheft 15, S. 98-119; Heidelberg. EXNER , CH . (1956): Erläuterungen zur geologischen Karte der Umgebung von Gastein 1:50 000.-168 S., 8 Abb., 8 T af.; Wien (Geol. B.-A.). FLAT S C HER , J. (1994/1995): Die wissenschaftlichen Grundlagen der Kur in Badgastein und Bad Hofgastein.16 S.; Badgastein (Kurverwaltung). JANS C HEK , H. & KAHLER , F. (1990): Geologische und geophysikalische Ergebnisse im T hermalwassergebiet von Badgastein (Salzburg, Österreich).-Mitt. österr. Geol. Ges., 83, T hemenband Umweltgeologie, S. 57-67, 3 Abb.; Wien. JOB , C. & SC HEM INZKY , F. 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Prinz Ist das Verformungsverhalten von tektonischen Störungszonen heute noch ein unvorhersehbarer Risikofaktor? H. Prinz * Zusam m enfassung Durch die Studie der britischen Health and Safety Executive über die hauptsächlichen Ursachen der Tunnelverbrüche bei NÖT -Vortrieben der letzten Jahre kommt der ingenieurgeologischen Vorerkundung und einer baubegleitenden Betreuung von T unnelprojekten besonderer Bedeutung zu. Bei einer Nachbereitung der z. T . großen Firstsenkungen und von 4 T unnelverbrüchen im Mittelabschnitt der Neubaustrecke HannoverWürzburg der Deutschen-Bahn AG in den 80er Jahren waren als Ursache in fast allen Fällen tektonische Scherbruchzonen und ihre Verbindungsstrukturen bzw. eine damit verbundene Gebirgsauflockerung auszumachen. Die Zusammenhänge werden an Fallbeispielen aufgezeigt und die Möglichkeiten der vorherigen Erkundung bzw. des Erkennens der Indikatoren für Schwachstellen des Gebirges beim T unnelvortrieb aufgezeigt. Abstract Large deformations occurred during the excavation of several tunnels of the railway line HannoverWürzburg (Deutsche Bahn AG). T he reason for that has early been described as dilatational behaviour respectively rock mass loosening depending on tectonics but still remained to be proved. In the mean time, further examples of certain tectonomechanical situations under the aspect of interaction between shear fractures were examined. T he following results demonstrate in an abridged version that large deformations often occurred within transtension zones between sinistral, left-stepping shear fractures and negative flowerstructures respectively. T hese structures can only be examined by an analysis of the general tectonic situation in connection with continnuous face mapping, geologic profiles and plan views of the actual tunnel project. In the Bunter Sandstone rocks of Osthessen, large deformations not only occurred inside tectonic shear grabens but at their border areas with dilatational combining structures. T he possibilities to recognize these tectonic structures during investigation as well as during tunnel excavation are shown. 1 Einleitung In einer nach dem Heathrow-T unnelmalheur 1993 von der britischen Health and Safety Executive (HSE) erstellten Studie sind insgesamt 116 publizierte Berichte von T unnelverbrüchen bei NÖT -Vortrieben den letzten Jahre zusammengestellt und ausgewertet worden. Die Studie kommt dabei zu dem Ergebnis, daß die hauptsächlichen Ursachen des Versagens in unverhersehbaren geologischen Anomalien bzw. Störungszonen im Gebirge gelegen haben, die bei den Voruntersuchungen nicht erkannt worden sind. Bei diesen 116 Kollapsereignissen waren auch die T unnelverbrüche im Mittelabschnitt der Neubaustrecke Hannover-Würzburg der Deutschen Bahn AG im Buntsandsteingebirge Nordosthessens dabei. Im Mittelabschnitt der Neubaustrecke Hannover-Würzburg mit einer Gesamtlänge von 111,2 km (Abb. 1) waren 28 T unnel mit einer Länge von zusammen 46.8 km aufzufahren, d. s. 42 % der Streckenlänge. In diesen Abschnitt sind 4 T unnelverbrüche aufgetreten sowie einige weitere Firstsenkungen in DezimeterGrößenordnung. Beide Ereignisse lassen sich in 4 Fallgruppen einteilen: !" Nachbrüche an der Ortsbrust beim Kalottenvortrieb !" Verbrüche und Firstsenkungen von mehreren Dezimetern beim Kalottenvortrieb und zwar in einem Abstand von etwa 2 D (30 m) hinter der Ortsbrust (s. Abschn. 4.1) !" Schadensfälle beim Stroßenvortrieb !" Schadensfälle im Rohbauzustand, häufig bei Nacharbeiten (s. Abschn. 4.2). Die meisten Schadenereignisse sind bei seichtliegenden T unneln mit geringer Überdeckung (< 2D, also etwa 30 m) aufgetreten. * Prof. Dr. Helmut Prinz, Direktor a.D. (ehemals Hessisches Landesamt für Bodenforschung), Stromberger Str. 38, D-55411 Bingen Verformungsverhalten von tektonischen Störungszonen 55 Eine erste systematische Auswertung der ingenieurgeologischen T unnelkartierungen und der Entwicklung der Verformungen ergab damals, auch unter Berücksichtigung, daß die Verformungsmaße nicht nur vom Gebirge abhänig sind, sondern ebenso von der Art des Vortriebs und den eingebrachten Sicherungsmitteln, eine deutliche Abhängigkeit von bestimmten tektonischen Richtungen. PRINZ (1988) und NAUMANN & PRINZ (1988, 1989) erklärten die großen Verformungen der Spritzbetonschale an vorwiegend rheinisch streicheden Großkluftscharen und kleineren Störungszonen mit einer örtlich begrenzten, bruchmechanisch bedingten Gebirgsauflockerung. Grundgedanken waren dabei die Vorstellungen der Plattentektonik und einer damit verbundenen tiefreichenden Schubbeanspruchung des saxonischen Bruchschollengebirges sowie die Bruchhypothesen aus der Felsmechanik und der Erdbebenphysik. Abb. 1: Mittelabschnitt der DB-Neubaustecke Hannover-Würzburg und die saxonischen Grabenstrukturen in Nordhessen (nach GK 300 von Hessen, Rastereinteilung entspricht Blattgrenzen der TK 25). 56 H. Prinz In einer Dissertation von MICHAEL (1997) wurden diese Gedanken weiter verfolgt und der Versuch unternommen, anhand weiterer Beispiele von Vortriebssituationen den Zusammenhang zwischen den tektonischen Strukturen und den erhöhten Verformungen bruchmechanisch zu erklären. Ziel der Arbeit war, u. a. als Anwort auf die Feststellung der HSE, ingenieurgeologische Indikatoren zu finden, die es nach Möglichkeit bereits in der Erkundungsphase, zumindest aber bei der ingenieurgeologischen T unnelkartierung erlauben, entsprechende Strukturen zu erkennen und auf die verformungsanfälligen Schwachstellen des Gebireges mit hinreichender Zuverlässigkeit hinzuweisen. 2 Tektonische Situation Die saxonische Bruchtektonik dieses Gebietes ist im wesentlichen charakterisiert durch flachwellige Schichtverbiegungen mit sehr unterschiedlicher Spannweite. Mit fortschreitender Beanspruchung können kurzwellige Formen in angebrochene faltenartige Flexuren und z. T . in flache Überschiebungen übergehen. Die Buntsandstein-Schichttafeln selbst sind darüber hinaus durch vielgestaltige Bruchflächen in ein Mosaik unterschiedlich großer Schollen zerlegt. Als typische großtektonische Elemente treten in auffallend streng systematischer Anordnung schmale tektonische Grabenbrüche auf, in welche die einstmals überlagernden Schichten des Muschelkalk, Keuper und z. T . Jura in das Niveau des Mittleren Buntsandstein eingesunken sind (Abb. 1). Die Hauptrichung dieser großtektonischen Bruchformen sind, mit regional wechselnder Dominanz, rheinisch (SSW-NNO) und herzynisch (NW-SO). Sehr früh erkannten bereits ST ILLE und einige seiner Schüler (Lit. s. RICHT ER BERNBURG 1968, 1977), daß in diesen sog. saxonischen Gräben tektonische Zerrungs- und Einengungsformen nebeneinander vertreten sind und daß diese Strukturen letzlich nur mit einer + horizontal wirkenden Schubbeanspruchung des mesozoischen Sedimentstapels erkärt werden können. Im Westteil des Südwestdeutschen Großscholle stellen bevorzugt die N-S Strukturen solche Scherbruchrichtungen dar, während es am Ost- und Nordrand der Großscholle vorwiegend die parallel zur fränkischen Linie verlaufenden NW-SO streichenden Bruchformen sind. Derartige Scherbruchzonen sind nicht auf Gebiete mit saxonischer Bruchtektonik i. e. S. beschränkt, sondern durchziehen in Fortsetzung solcher Strukturen, z. B. vom Oberrheingraben ausgehend, auch das variskische Rumpfgebirge des T aunus. Das offensichtlich konjungierte Muster der vorwiegend rheinisch (NNE-SSW) und herzynisch (NW-SE) streichenden Bruchzonen, welche die Südwestdeutsche Großscholle begrenzen und auch in der Scholle selbst das tektonische Bruchschollenmosaik prägen, wird heute auf die Kollision der Afrikanischen und der Eurasischen Platte zurückgeführt, die nicht nur die Auffaltung des Alpenorogens bewirkt, sondern auch zu einer tiefreichenden Schubbeanspruchung der nördlich angrenzenden tektonischen Großschollen geführt hat. Diese Schubbeanspruchung steht dabei in direkten Zusammenhang mit der Öffnung des mittelatlantischen Rückens seit der Oberkreide. Die Öffung des Atlantiks und der von der Jurazeit bis heute andauernde plattentektonische Schub der Afrikanischen Platte prägen das Spannungsbild Mitteleuropas. Hinweise über das Ausmaß einer horizontalen Bewegungskomponente ergeben sich an den Randbereichen einiger der saxonischen Grabenbruchsysteme. Nach den an einigen Grabenrandverwerfungen aufgeschleppten schmalen Zechsteinschollen, die heute im Niveau des Mittleren Buntsandstein bis zum Muschelkalk liegen (LEMMER & RAMBOW 1994) und damit Vertikalversätze von einigen hundert Metern bis über tausend Meter aufweisen, müssen Schleppwege bis in Kilometer-Größenordnung angenommen werden. 3 Bruchmechnische Deutung der tektonischen Strukturen Die Achse der horizontalen Schubbeanspruchung steicht in Mitteleuropa etwa 150°. Die Ebenen der maximalen Scherbeanspruchung liegen demzufolge theoretisch in der 15°-Richtung bzw. in der 105°-Richtung (Abb. 2). In diesen Ebenen der maximalen Scherspannung entwickeln sich Scherbruchzonen mit im Winkel von jeweils 15° abweichenden Riedelbrüchen (R) bzw. synthetischen Scherbrüchen (P∗ ). T ypisch für diese Scherbruchzonen sind sogenannte en écholon-Strukturen, d. h. bajonettartig abgesetzte Scherbrüche. Verformungsverhalten von tektonischen Störungszonen 57 ini str al 15º Rsin σ1 Ebe ne, m ax. Sc hers pan nung ,s N P* sin 45º 45º Rdex Eben e σ1 P*dex ma x Sche rsp 105º a nnu ng, d extra l Horizontale Schubspannung 150º Abb. 2: Prinzipskizze zur Lage von Scherbrüchen in sinistralen und dextralen Scherzonen bei einer 150° gerichteten horizontalen Schubspannung (aus MICHAEL 1997). Abb. 3: Konvergente und divergente Verbindungsstrukturen in Abhängigkeit vom Überschreitungssinn von enéchelon Scherbrüchen (aus MICHAEL 1997). 58 H. Prinz Die Bewertung der tektonomechanischen Situation erfolgt nach dem Schersinn der abgesezten Bruchstrukturen sowie dem Übertrittsinn der Brüche innerhalb der Scherzone. Bei 150° gerichteter Kompression besteht eine sinistrale Scherzone entweder aus etwa 0° steichenden, rechtstretenden Riedelbrüchen oder etwa 30° streichenden linkstretenden P∗ -Brüchen, die beide etwa den weit verbreiteten rheinischen Strukturen entsprechen. Eine dextrale Scherzone besteht unter gleichen Voraussetzungen entweder aus etwa 120° streichenden (herzynischen), linkstretenden Riedelbrüchen oder etwa 90°, also schwäbisch streichenden, rechtstretenden P∗ -Brüchen. Je nach dem Bewegungsinn der abgesetzten Bruchstrukturen entwickeln sich dazwischen divergente Verbindungsstrukturen bzw. dilatative Brücken oder kompressive Verbindungsstrukturen bzw. ebensolche Brücken (Abb. 3) mit Ausbildung von Druckrücken und Kleinfalten. Bei dilatativen Charkter der Verbindungsstrukturen (T ranstension) kann es zu einer merkbaren Gebirgsauflockerung kommen. Als markante Strukturformen, die auch in T unnelaufschlüssen vielfach erkennbar sind, treten zwischen en-échelon Brüchen negative oder positive Blumenstrukturen (Abb. 4) auf. Abb. 4: Negative (a) und positive (b) Blumenstrukturen (WOODCOK & FISCHER 1986). 4 Anwendungsbeispiele Bei der Erarbeitung von tektonischen Strukturmodellen für ein Projektgebiet muß man versuchen, anhand der zur Verfügung stehenden geologischen Karten und weitergehenden Auswertungen (s. PRINZ & MICHAEL 1997) Scherbruchzonen von regionaler Bedeutung sowie besonders bajonettartig abgesetzte Scherbruchzonen und ihren Schersinn sowie die zugehörigen Übertritt- oder Brückenstrukturen zu erfassen. Bei den bekannten Schwierigkeiten tektonische Bruchformen zu kartieren, kommt dabei den indirekten Erkundungsmethoden und besonders den verschiedenen Methoden der Luftbildauswertung besondere Bedeutung zu. Bei der ingenieurgeologischen T unnelkartierung muß man verstärkt auf die entsprechenden Strukturformen achten, die geotechnischen Meßergebnisse analysieren und das tektonische Modell entsprechend fortschreiben. 4.1 Wildsberg-Tunnel Unerwartet große Verformungen des Spritzbetonausbaus sind im Mittelabschnitt der Neubaustrecke erstmals im Februar 1984 im Wildsberg-T unnel aufgeteten. Der T unnel steht bis Station 325 m in Sandsteinen der Gelnhausen-Folge. Die Verformungen aus dem Kalottenvortrieb betrugen 30 bis 80 mm. Mit Anschneiden einer 0,3 bis 0,5 m breiten Störungszone, welche mit einem Vertikalversatz von 140 m die tonsteinreiche Salmünster-Folge in das T unnelniveau versetzt, nahmen die Firstverformungen auf 320 mm und die Verformungen des linken Kalottenfußes in der Störungszone auf 450 mm zu (Bild 5). Die Überlagungshöhe hat hier etwa 70 m betragen (NAUMANN & PRINZ 1989). Verformungsverhalten von tektonischen Störungszonen Abb. 5: Ergebnisse der Tunnelkartierung mit Darstellung der Verformungen beim Kalottenvortrieb (aus NAUMANN & PRINZ 1989). Abb. 6: Behinderung der Spannungsumlagerung durch Ablenkung der Spannungstrajektorien bes. im Bereich der ausbrubchbedingten Gebirgsauflockerung. 59 Der Wechsel in der Petrographie von der sandsteinreichen Gelnhausen-Folge zur tonsteinreichen Saalmünster-Folge bot keine ausreichende Erklärung für die plözlich einsetzenden großen Verformungen. Die Ursache ist damals hauptsächlich in der Behinderung der Spannungsumlagerung an der schräg einstreichenden Störungszone und der dadurch bedingten Spannungskonzentration am Ausbruchrand (Bild 6) gesehen worden 60 H. Prinz sowie gegebenenfalls in einer Abminderung der Gebirgsscherfestigkeit an großflächig durchstreichenden Bruchzonen mit tonigen Störungsbrekzien. Nicht zu erklären waren damit allerdings die 30 m weiter bei TM 360 an einer flexurartigen Schichtverbiegung wieder einsetzenden beiderseitigen Verformungen bis zu 380 mm. Die spätere Auswertung eines größeren Abschnitts durch MICHAEL (1997) ergab, daß hier eine flache Grabenzone mit sinistral scherenden Grabenrändern vorliegt, die im Querschnitt eine negative Blumenstruktur darstellen (Bild 7). Im Anschluß an die 140 m Verwerfung bei T M 330 sind linkstretende en-échelon Brüche erkennbar (2) sowie eine ausgeprägte Schichtverbiegung (5), welche als Ursache für die wieder einsetzenden großen Verformungen gesehen werden müssen (s. d. auch PRINZ & MICHAEL 1997). Abb. 7: Rheinische Schergrabenzone im Südabschnitt des Wildberg-Tunnel (O Beschreibung s. Text), unten Darstellung der Setzungsmessungen in mm (x = Firste, o = Kalottenfuß West, ◊ = Kalottenfuß Ost) (aus MICHAEL 1997). 4.2 Witzelshöhe-Tunnel Im Witzelshöhe-T unnel ist der Verbruch im Rohbauzustand beim Sohlaushub bzw. bei Nacharbeiten im T unnel eingetreten. Beim Kalottenvortrieb waren in diesem Bereich Firstsetzungen in der Größenordnung von 8 cm aufgetreten, die sich beim Stroßenausbruch auf etwa 15 cm erhöht haben. Verformungen in dieser Größenordnung sind damals noch als normal angesehen worden. Die Witzelshöhe-Verbruch ist, u. a. wegen seines schlotartigen Verbruchkraters im Schachtverfahren aufgewältigt worden, so daß man einen großflächigen Aufschluß des Gebirges auch über und neben dem T unnel erhalten hat. Die Abb. 8 zeigt, wie schwierig es im Einzelfall ist. selbst aus dem relativ großen Aufschluß der Ortsbrust die tektonische Situation richtig zu erkennen und zu deuten. Nach dem Schachtaufschluß handelt es sich hier ohne Zweifel um den T eil einer Blumenstruktur, und zwar wahrscheinlich um eine negative Blumenstruktur, für die aus heutiger Sicht auch im Ortsbrustbild Hinweise vorgelegen haben. Eine negative Blumenstruktur würde die erhöhten Verformungen der Spritzbetonschale erklären. Entscheidend für das Verbruchsereignis waren aber hier einige den Vortrieb begleitende Kleinverwerfungen, welche sowohl die Spannungsumlagerung behindert haben als auch infolge mangelhafter Ge- Verformungsverhalten von tektonischen Störungszonen 61 birgseinspannung wahrscheinlich zu einer Abminderung der Scherfestigkeit beigetragen haben. Die Spannungskonzentration im Ulmenbereich hat zusammen mit der niedrigen Schichtflächenreibung auf tonigen Schichtflächen zu einem Versagen der bermenartig freiliegenden Ulmenfüße geführt. Abb. 8: Vergleichende Gegenüberstellung der Aussagekraft einer Ortsbrustaufnahme und der großflächigen Aufnahme der Schachtaufwältigung des Verbruchs (aus NAUMANN & PRINZ 1988). 5 Übertragbarkeit auf andere Mittelgebirgstypen Scherbruchartige Strukturen mit bajonettartig abgesetzten Scherbrüchen sind nicht auf die saxonische Bruchtektonik der Südwestdeutschen Großscholle begrenzt. Das variskische Rumpfgebirge des T aunus wird z. B. geprägt von einem intensiven Schuppenbau mit SWNO streichenden Überschiebungsbahnen. Senkrecht dazu treten zahlreiche Querstörungen auf, die zwar möglicherweise alt angelegt waren, in ihrer heutigen Form aber einer postvariskischen Bruchtektonik zuzuordnen sind. Auf Abb. 9 sind diese vom Oberrheingraben ausgehenden Scherbruchsysteme dargestellt. Ihr Überschreitungsinn ist aus dem Versatz der markanten T aunussüdrandstörung sowie z. T . der verschiedenen Schuppengrenzen ersichtlich. Die tektonischen Querstrukturen sind in dem recht sanften Relief des Südtaunus schwer auszukartieren, so daß im Einzelfall nicht leicht zu entscheiden ist, ob es sich um echte Horizontalbewegungen handelt oder diese durch den Anschnittseffekt einer vertikal versetzten schrägliegenden Scholle vorgetäuscht werden. Ein recht brauchbares Hilfmittel stellen dabei die jüngeren Quarzgänge dar, die offensichtlich in Schwächezonen dieser bruchtektonischen Ereignisse aufgedrungen sind und bei den früher herrschenden guten Kartierbedingungen, als die meisten Gänge bauwürdigen Charakter besaßen und entsprechend bekannt waren, nicht nur die abgesetzten Scherbruchstrukturen nachzeichneten, sondern z. T. auch die divergenten Verbindungsstrukturen dazwischen erkennen liessen (Abb. 10). Derartige Querstörungen sind auch aus anderen Bereichen der variskischen Mittelgebirgszüge bekannt. 6 Möglichkeiten der Erkundung Das Erfassen des tektonischen Modells eines Projektgebietes und besonders das Erkennen von abgesetzten Scherbruchzonen in einem kinematischen Strukturmodell erfordert den Einsatz und die Kombination der verschiedenen indirekten und direkten Erkundungsmethoden sowie einer sorgfältigen ingenieurgeologischen Kartierung beim T unnelvortrieb mit Fortschreibung des tektonischen Modells. 62 H. Prinz 6.1 Indirekte und direkte Erkundungsm öglichkeiten Moderne geologische Spezialkarten stehen nicht immer zur Verfügung. Außerdem entspricht die kartierbare T ektonik durchaus nicht immer der Realität. Auch mit Hilfe einer Streifenkartierung in Kombination mit Bohraufschlüssen können häufig nur Verwerfungszonen mit größeren Vertikalversätzen lokalisiert werden und selbst da ist ihre Raumstellung oft nicht anzugeben. Die häufig nicht zutreffende Vorstellung über das tatsächliche Schichteinfallen führt gerne zu einer Überbetonung von Querströmungen, während die für den T unnelbau kritischeren Längsverwerfungen wegen der meist von horizontaler Schichtlagerung ausgehenden Kartierung und der linear angeordneten Bohrungen vielerorts nicht erkannt werden. Häufig ist es außerordenlich schwierig, die Raumstellung von an Bohrkernen erkannten Störungszonen anzugeben. Die an orientierten Kernstecken erkannten Kluftrichtrungen sind dabei oft aussagekräftiger als andere Kartierhilfemittel, weshalb verstärkt orientierte Kernstrecken ausgeschrieben werden sollten. Die besten Erfahrungen bei der Erkundung des tektonischen Modells sind in den 90er Jahren mit den verschiedenen Methoden der Luftbildauswertung und geziehlt angesetzter Geophysik gemacht worden, insbesondere Seismik, Geoelektrik und gegebenenfalls auch Bodenluftmessungen (siehe zitierte Literatur in PRINZ 1997). Abb. 9: Stratigraphisch-strukturelle Gliederung des Taunus zwischen Limburg und Wiesbaden mit Trassenverlauf der NBS Köln-Rhein/Main (aus ANDERLE & TIEDEMANN 1992). Verformungsverhalten von tektonischen Störungszonen 63 Abb. 10: Nachvariskische Quarzgänge (mit Baryt-Pseudomorphosen) im mittleren Vordertaunus nach alten Kartierungen von KOCH (1880) - Zeichnung LÜTZENKIRCHEN; Marburg. Die tektonischen Lineationen, welche die Scherbruchzonen nachzeichnen treten besonders in einer enéchelon bzw. bajonettartigen Systematik hervor. Sie bestimmen aufgrund der verstärkten Gebirgsauflockerung häufig auch die Richtung von T älern und von natürlichen Fließgewässern. Auch der bajonettartige Verstatz von Scherbruchzonen ist am T alverlauf häufig besser erkennbar als aus der Schichtlagerung, da gerade die Verbindungsstrukturen vielfach keine deutlichen Vertikalversätze aufweisen. Bei der Aufnahme von Bohrungen ist besonders auf die Beschaffenheit des Kernmaterials zu achten. Störungszonen sind fast immer als solche erkennbar. Ihre Ausbildung und Dicke kann gebenenfalls durch geziehlt angesetzte Schrägbohrungen erfaßt werden. Ausgeprägte Störungszonen mit nur geringen Vertikalversätzen sind Hinweise auf Scherbruchstrukturen mit größerer Horizontalkomponente. Außerdem ist immer auf lineare Bewegungsanzeichen auf Schicht- und besonders auf Kluftflächen zu achten. Auf Schicht- und Schieferungsflächen sind Harnische und auch dünne zerscherte T onlagen nicht selten (PRINZ & T IEDEMANN 1983). Bei Verdacht auf versetzte Scherbruchzonen mit Gebirgsauflockerung sind Bohrlochmessungen zweckmäßig. Nicht selten ist eine tektonisch bedingte Gebirgsauflockerung auch an den Ergebnissen von Bohrlochaufweitungsversuchen (Seitendrucksonde, Dilatometer) erkennbar. Weitere Anzeichen für tiefreichende Störungszonen mit Verdacht auf Gebirgsauflockerung sind ungewöhnliche Mineralisationen oder erhöhte CO2Gehalte im Grundwasser und gegebenenfalls in der Bodenluft. Im Zweifelsfall und je nach Problemstellung ist auch ein Erkundungsstollen mit Probeausbruch in Erwägung zu ziehen. 6.2 Indikatoren beim Tunnelvortrieb Beim T unnelvortrieb sind die tektonischen Bruchformen sogfältig zu erfassen und das tektonische Prognosemodell fortzuschreiben. Besonders zu beachten sind den T unnel über längere Strecke begleitende oder schiefwinkelig ein- oder ausstreichende Flächen . Darüber hinaus können auffällige Scharungen von Großklüften und Verwerfungen mit kleinen Versatzbeträgen Verbindungsstrukturen von Scherbruchzonen darstellen und sind auf den Scher- und Überschreitungsinn zu überprüfen (s. Abb. 3) Außerdem ist immer auf flachliegende Verwerungsbahnen, die in einer steileren Störungszone zusammenlaufen und auf blumen- oder tulpenartige Strukturen zu achten. Solche Blumenstrukturen mit verstellten 64 H. Prinz Zwischenschollen kennzeichnen Scherverschiebungen, wobei häufig erst aus der tektonischen Gesamtsituation erkennbar ist, ob es sich im Einzelfall um eine positive oder eine negative Blumenstruktur handelt. Die Größenordnung der Anfangssetzungen (mm/d) der routinemäßigen Verformungsmessungen ist in der Regel ein recht zuverlässiges Anzeichen über das T ragverhalten des Gebirges. Auffälligkeiten im Setzungsverhalten sind unverzüglich mit den Ergebnissen der ingenieurgeologischen T unnelkartierung in Beziehung zu setzen und in das tektonische Gebirgsmodell einzuarbeiten. Mit optischen 3-D-Verformungsmessungen (Konvergenzmessung) ist eine Erfassung des räumlichen Verformungsvorgangs möglich und es können Bewegungen auf bestimmten Flächen erkannt und ihre Auswirkungen gedeutet werden. In den Anfahrbereichen und allgemein bei seichtliegenden T unnelvortrieben geben auch Oberflächennivellements wertvolle Hinweise auf die dem Ausbruch vorauseilenden Verformungen, deren Größenordnung bzw. Differenzverformungen ebenfalls Schwachstellen im Gebirge anzeigen. Durch einen sachverständigen Vergleich der ingenieurgeologischen T unnelkartierung mit den Ergebnissen der geotechnischen Messungen können Schwachstellen im Gebirge erkannt und bruchmechnisch gedeutet werden. Damit sind die Gründe und Ursachen bekannt. Wenn dann im T eam richtig reagiert wird und Versäumnisse vermieden werden, können rechtzeitig Gegenmaßnahmen eingeleitet und möglichen Standsicherheitsproblemen begegnet werden. 7 Literatur ANDER LE , H-J. & T IEDEM ANN ; J. (1992): Die T aunusquerung der geplanten DB-Neubaustrecke KölnRhein/Main.- Strukturgeologie und Prognose der T eilkörperbeweglichkeit. - Felsbau, 10, 120127. LEM M ER , F. & RAM B OW , D. (1994): Die Höhenlage der Rötbasis im Raum Kassel und über Zechsteinaufpressungen an nordhessischen Gräben. - Geol. Jb. Hessen, 122, 13-21. MIC HAEL , J. (1997): T ektonmechanik im nordosthessischen Buntsandsteingebirge. - 215 S., Diss. PhillipsUniv. Marburg. NAUM ANN , G. & P R INZ , H. (1988): Ingenieurgeologische T unnelkartierung als Bestandteil der NÖT. - Felsbau, 6, 174-183. NAUM ANN , G. & P R INZ , H. (1989): Die Bedeutung richtungsabhängiger tektonischer Gebirgsauflockerung für den T unnelbau im Buntsandsteingebirge. - Felsbau, 7, 190-197. P R INZ , H. (1997): Abriß der Ingenieurgeologie. - 466 S., 3. Aufl., Stuttgart (Enke). P R INZ , H. & MIC HAEL , J (1998): T ektonomechanische Auswertung von T unnelvortrieben mit erhöhten Verformungen im osthessischen Buntsandsteinbergland. – Felsbau, 16, 38-47. P R INZ , H. & T IEDEM ANN , J. (1983): Geologisch-Ingenieurgeologische Erkundung tektonischer Strukturen für den T unnelbau im Buntsandstein. - Ber. 4. Nat. T ag. Ing. Geol. Goslar, 139-150, Essen (DGEG). RIC HT ER -BER NB UR G , G. (1968): Saxonische T ektonik als Indikator erdtiefer Bewegungen. - Geol. Jb., 85, 997-1030. RIC HT ER -BER NB UR G , G. (1977): Saxonische T ektonik, Hans Stilles Begriff aus heutiger Sicht. - Z. dt. geol. Ges., 128, 11-13. W OODC OC K , N. H. & FIS C HER , M (1986): Strike-slip duplexes.- J. Struct. Geol., 8, 725-735 . Grundsätze des Deponiebaus und die geologische und mineralische Barriere 65 Grundsätze des Deponiebaus unter besonderer Berücksichtigung der geologischen und mineralischen Barriere K.A. Czurda* Zusam m enfassung Die deutschen Regelwerke für die Abfalldeponierung, also die T A Abfall und die T A Siedlungsabfall, wie auch die meisten internationalen Vorschriften und der diesbezügliche Entwurf der Euro-Norm stellen hohe Anforderungen an den geologischen Untergrund und die mineralische Barriere. Alternative Dichtungssysteme mit Bezug auf die Optimierung der Dichtigkeit und das Retentions- und Retardationspotential erfahren zunehmend bautechnische Zulassungen und stellen der Ingenieur- und Hydrogeologie so wie der angewandten Mineralogie neue Aufgaben. Abstract T he German regulations for the construction of waste deposits (T A-Abfall, T A-Siedlungsabfall) as well as most of the international regulations and the relating concept of the European Commission demand high standards concerning the geological and mineralogical barrier. Alternative sealing systems regarding optimisation of impermeability and retention and retardation potentials are under increasing discussion. They ask for new tasks for engineering geology, hydrogeology and applied mineralogy. 1 Die geologische Barriere nach TA-Abfall und TA-Siedlungsabfall Die T A-Abfall („Sonderabfall“ ) definiert im Kapitel 9 die besonderen Anforderungen an oberirdische Deponien für besonders überwachungsbedürftige Abfälle. Danach wird das Multibarrierensystem gefordert und der Untergrund als Deponieauflager nach folgenden Parametern (Kapitel 9.3.2 und 9.3.3) definiert: !"natürlicher Untergrund !"k f ≤ 1 ∗10 !"Mindestmächtigkeit 3 m !"flächige Verbreitung !"hohes Adsorptionsvermögen !"Verdichtungsgrad der Oberfläche (Deponieplanum) DPr ≥ 95 % !"tonmineralhaltig !"Planum 1 m über der Grundwasseroberfläche -7 m/s Diese Standarddefinition entsprach 1991 den Vorstellungen zahlreicher Expertenmeinungen, die auch noch 1993, dem Jahr des Erlasses der T A Siedlungsabfall, Geltung hatten. Die T A-Siedlungsabfall führt zwar expressiv den Begriff „geologische Barriere“ ein, ohne jedoch weitere Parameter hinzuzufügen. Vielmehr wird von zu genauen Zahlenangaben eher abgerückt - z.B. wird der k f-≤ 1 ∗ 10 -7 m/s nicht mehr gefordert, sondern mit Bezug auf DIN18130 der T erminus „schwach durchlässige Locker- und Festgesteine“ eingeführt und dafür die räumliche Ausbreitung mit „über den Ablagerungsbereich hinausgehende flächige Verbreitung“ angesprochen. Erfahrungsgemäß ist nach den eingangs erwähnten Parametern der T A Abfall mit zwei Ausnahmen die Anforderung an die geologische Barriere hinlänglich genau definiert. Die beiden Ausnahmen betreffen a) das Adsorptionsvermögen, und b) die räumliche Ausdehnung des nach Parametern definierten Standortes. In diesen beiden Punkten sind Präzisierungen nötig. * Prof. Dr. Kurt A. Czurda, Universität Karlsruhe, Lehrstuhl für Angewandte Geologie, Kaiserstr. 12, D-76128 Karlsruhe 66 K.A. Czurda 1.1 Anforderungen an die geologische Barriere In der Frage nach den T ransport- und Retardationsprozessen für Schadstoffe in der geologischen Barriere ist prinzipiell die Bedeutung und Funktionsweise der geologischen Barriere zu definieren. Die geologische Barriere soll, in ihrer maximalen Funktionsbreite, abdichten aber auch Schadstoffe zurückhalten. Aus diesen Gründen kann nach T A-Abfall und T A-Siedlungsabfall, wegen des Multibarrierenkonzeptes, auch auf diese letzte Barriere über dem Grundwasser nicht verzichtet werden. Abb. 1: Mächtigkeiten und kf-Werte von mineralischer Barriere, Deponieauflager und geologischer Barriere für Industrieabfälle. Für Siedlungsabfälle gelten die kf-Werte analog, die Mächtigkeit der mineralischen Barriere beträgt jedoch nur 0,75 m. Wenn sich ein Gesteinskörper in einer Mächtigkeit von 3 m bei flächiger Ausbreitung als „dicht“ bis zum Ausmaß von k f ≤ 1 ∗ 10 -7 m/s (nach T A-Abfall) erweist, und wenn er ein hohes Adsorptionsvermögen besitzt, dann gilt er als Deponieauflager für geeignet. Dafür kommen praktisch nur T one und T ongesteine in Frage. Dies gilt weitgehend für jede Art von geologischer Umgebung, sei dies nun Grundgebirge oder sedimentäre Bedeckung. Das Verhalten gegenüber Sickerwässern, sowohl was die T ransport- wie auch die Retardations-/Retentionsprozesse anlangt, gilt analog zur technischen Barriere. D.h. ein einmal in der mineralischen Barriere oder auch in der Kunststoffdichtungsbahn (KDB) begonnener „Entgiftungsprozeß“ über Sorption und Fällung, soll auch im Untergrund noch weiterwirken. Kann man in der Konzipierung von Deponien für Nuklearabfälle u.U. auf den Sorptionsprozeß verzichten, da man auf Halbwertszeiten z.B. setzt und auch ganz andere Dichtungskonzepte verfolgt, darf dies für Sonderund Siedlungsabfälle nicht verwirklicht werden. Ein Granit z.B. ist, wegen der geringen Sorptionsfähigkeit, als Deponieauflager für Sonder- und Siedlungsabfälle nur bedingt geeignet. Dem Begriff „Deponieauflager“ lt. T A-Abfall ist jedenfalls immer der Begriff „geologische Barriere“ mit entsprechender Definition hinzuzufügen und gilt dann in gleicher Weise für Sonder- wie für Siedlungsabfälle. Für die geologische Barriere stehen zur Debatte: mindestens 50 m flächenhafte Ausdehnung außerhalb der Deponieaufstandsfläche und mindestens 20 m T iefenreichweite unter dem 3 m mächtigen Deponieauflager. Für dieses spezielle geologische Umfeld sind k f-Werte von ≤ 1 ∗ 10 -5 m/s zu fordern. Dadurch entsteht eine k f-Staffelung von innen nach außen in folgender Weise: !"mineralische Barriere ≤ 5 ∗ 10 !"Deponieauflager ≤ 1 ∗ 10 -7 -10 m/s m/s !"geologische Barriere ≤ 1 ∗ 10 -5 m/s Siehe auch Abb. 1 und T ab. 1. Die Gebirgsdurchlässigkeiten (Auflager und geologische Barriere) sind im Gelände zu bestimmen, wobei über die Art der Versuchsdurchführung noch Übereinkünfte getroffen werden müssen. Grundsätze des Deponiebaus und die geologische und mineralische Barriere Tab. 1: 67 Mächtigkeiten und kf-Werte für die Barrierenelemente nach TA-Abfall und TA-Siedlungsabfall. Deponietyp typische Abfallart Mächtigkeit Mächtigkeit geologische DeponieBarriere auflager [m] TA-Si DK I Bauschutt keine keine Anforderung Anforderung TA-Si DK II Siedlungsabfälle ≥ 20 TA-A Industrieabfälle ≥ 20 Mächtigkeit kf-Wert mineralische mineralische Barriere [m] Barriere [m/s] (bei i = 30) kf-Wert Deponieauflager [m/s] kf-Wert geologische Barriere [m/s] ≥ 0,50 ≤ 5 ∗ 10 -10 3 ≥ 0,75 ≤ 5 ∗ 10 -10 ≤1 ∗ 10 -7 ≤ 1 ∗ 10 -5 3 ≥ 1,50 ≤ 5 ∗ 10 -10 ≤ 1 ∗ 10 -7 ≤ 1 ∗ 10 -5 keine keine Anforderung Anforderung 1.2 Lage der Deponiesohle zum Grundw asser Die T A-Abfall sieht im Regelfall vor, dass der Grundwasserspiegel höchstens 1 m unter der Deponieaufstandsfläche zu liegen hat, wobei höhere Druckspiegel zugelassen werden, wenn das am Grundwasserkreislauf aktiv teilnehmende Grundwasser nicht nachhaltig beeinträchtigt wird. Aus geologischer und hydraulischer Sicht sei darüber hinaus betont, dass höhere Grundwasserstände durchaus Vorteile mit sich bringen, wenn der Sickerwasserspiegel innerhalb der Deponie niedriger gehalten wird. Es entsteht dadurch ein hydraulisches Gefälle von außen nach innen, d.h. das Sickerwasser wird im Deponiekörper gehalten und drängt nicht nach außen. Die Potentialgefälledifferenz ist noch zu definieren, da zu geringe Unterschiede bei den zu erwartenden wechselnden Grundwasser - und Sickerwasserständen zu einer Umkehr der hydraulischen Verhältnisse führen können. Ein unter dem Sickerwasserspiegel liegender Grundwasserspiegel bei gleichzeitiger Lage der Deponiesohle in der gesättigten Zone ist nicht zuzulassen. 2 Barrierenreaktion auf den Sickerwasserdurchtritt In der T A-Abfall, Anhang C, ist ein Katalog der möglichen Sonderabfälle aufgeführt. Mit diesen Stoffgruppen bzw. Industrieprodukten ist prinzipiell in einer Sonderabfalldeponie zu rechnen. Die Deponiebetreiber können mit Sicherheit gemäß der potentiellen Anlieferung, Einschränkungen vornehmen. Die kommerziell wichtigen Chemikalien bzw. ihre Rest- und Umsetzungsprodukte erreichen eine Größenordnung von etwa 60.000 bis 100.000 Einzelstoffen. Diese enthalten vor allem Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln, Wirkstoffe von Pharmaka, Industrie- und Haushaltsreststoffe u.a. Somit läßt die komplexe chemische Natur von Deponiesickerwässern nicht zu, dass allgemeingültige Kriterien der Beanspruchbarkeit von z.B. blättchenförmigen silikalischen T onmineralen - die ihrerseits ebenfalls unterschiedliche chemische Stabilität aufweisen - aufgestellt werden. Es lassen sich jedoch Verhaltenstendenzen bestimmter Parameter in Verbindung mit Schichtsilikaten oder anderen Mineralen angeben. So ist jedenfalls das Verhalten von Kationen bzw. Anionen, polaren und unpolaren Molekülen, auch organischen Molekülen in sauren oder alkalischen Milieus prinzipiell und in iher Einwirkung auf Schichtsilikate bekannt. Die Komplexität allenfalls entstehender Sickerwässer - wie vorstehend - erlaubt es nicht, eine allgemeingültige Regel über das Duchtrittsverhalten von Sickerwässern aufzustellen. Jedenfalls kann nicht zwingend aus dem Durchlässigkeitsbeiwert für Wasser auch auf das Sickerwasser geschlossen werden. Hier sind je nach Stoff Korrekturen nach oben oder unten vorzunehmen. Wenn sich auch am Durchtritt von Wasser bei unveränderter Barriereneigenschaft nichts ändern wird, so müssen doch seine Inhaltsstoffe (u.U. potentielle Schadstoffe) differenziert gesehen werden. Ionenaustauschprozesse an den T onmineraloberflächen, die Ausbildung höherwertiger Bindungsformen z.B. über karbonatische oder leicht reduzierbare Phasen, Fällungsprozesse, Umbau des Mikrogefüges durch Flokkulation / Dispersion oder Kompaktion duch die Müllauflast vermögen den Sickerwasserinhalt während der Konvektion - insbesondere aber auch während des wesentlich effektiveren Diffusionsvorganges - zu verändern. Das Sickerwasser trifft dann im Extremfall stark umgewandelt auf die geologische Barriere auf. Als einfachstes aber durchaus praxisrelevantes Beispiel sei angeführt: Die Anwesenheit von Schwermetallen und Chlorid im Sickerwasser läßt in zeitlich weiten Abständen zuerst das Wasser mit dem Chlorid und - wenn überhaupt, d.h. wenn nicht durch Ionenaustausch sorbiert - erst später die Schwermetalle in wässriger Lösung an der Basis des technischen Barrieresystems austreten. Dies ist 68 K.A. Czurda den unterschiedlichen Sorptionsmechanismen von An- und Kationen zuzuschreiben. Ähnliche Wechselwirkungen zwischen Sickerwasserinhaltsstoffen und Barrierematerialien treffen auch auf andere Stoffgruppen zu. Änderungen des Durchtrittsverhaltens von Sickerwasserinhaltsstoffen können über die Verbesserung des Rückhaltepotentials der Barrieren erreicht werden. Das Ziel - wenn auch überwiegend nicht zu 100 % erreichbar - ist die Retardation der Inhaltsstoffe jedoch die Passage des Wassers. Der Weitertransport von Wasser kann dann wieder über einen bestimmten k f - Wert kalkuliert werden. Im Schadensfall, d.h. bei der Durchdringung (über konvektive oder diffusive Prozesse) von Sickerwässern durch eines der Barrierenelemente werden die beiden Hauptfunktionen der Barriere: Abdichtung und Schadstoffretardation beeinflußt. Die Alteration der KDB und der mineralischen Lagen kann optimierend aber auch verschlechternd sein. Eine Versiegelung durch Al-Phosphate als zementierendes Bindemittel durch Fällungsprodukte, etc. ist bekannt. Verschlechternd, d.h. durchlässigkeitserhöhend und sorptionsmindernd wirken Attacken auf das Silikatgitter z.B. durch Säuren oder organische Lösungsmittel, Verlust des Quellvermögens durch Na-Austausch, Verringerung des Sorptionsvermögens und Mobilisierung von Schwermetallen bei saurem pH etc. Die Langzeitbeständigkeit von PEHD - Kunststoffdichtungsbahnen ist jedenfalls kürzer als die von T onen anzusehen und auch sie unterliegen vor allem dem Angriff von Säuren und Basen. Ihre „Regenerierung“ z.B. durch Kationenaustausch wie bei T onmineralen ist nicht möglich. Ihr Vorteil liegt jedoch auf der Hand: sie verhindern konvektiven Schadstofftransport und wirken sorptiv gegenüber unpolaren organischen Molekülen, eine Eigenschaft, die dem unbehandelten T onmineral fehlt. Um das Eigenschaftsspektrum der mineralischen Barriere auch nach Sickerwasserkontakt möglichst zu erhalten - also den eingestellten Verdichtungsgrad und das primär definierte Rückhaltepotential - empfiehlt sich der mineralspezifisch mehrlagige Einbau (W EIS S 1987, W AGNER 1991). Der Einsatz optimierter Tone, wie z.B. organophilierte Bentonite, die Zumischung von Zeolithen, die Zumischung amorpher vulkanischer Gläser mit gesteuerter Bildung neuer authigener Mineralphasen etc. verspricht Optimierung. Die Substituierung der KDB (im Böschungsbereich) durch Asphalt bringt im wesentlichen verlegetechnische aber keine barrierenwirksame Vorteile. Auch kann auf dem Sektor der KDB-Entwicklungen keine entscheidende Verbesserung für den Deponiebau mehr erwartet werden. 3 Technische Nachbesserung des Deponieauflagers Gemäß der Vorgaben durch die technische Anleitungen weist die geologische Barriere und das Deponieauflager immer wieder Defizite auf, die zumindest im Deponieauflager durch technische Maßnahmen ausgeglichen werden können. Das Deponieauflager muß dabei als 3 m mächtiger geologischer Körper und nicht als Fläche definiert werden. Die eigentliche geologische Barriere und auch das Deponieauflager müssen geologische Strukturen bleiben und dürfen nicht zu einer weiteren technischen Barriere bzw. zu einem „Deponieplanum“ minimiert werden. Die Nachbesserung der geologischen Barriere wird als nicht praktikabel angesehen. Das Deponieauflager jedoch kann, wegen seiner relativ geringen Mächtigkeit, durch technische Maßnahmen optimiert werden. Die möglichen Defizite des Deponieauflagers sind vor allem in vier Parametern zu sehen: !"Fehlende Mächtigke it (gefordert: 3 m) !"zu hohe Durchlässigke it (gefordert k f ≤ 1 ∗ 10 -7 m/s) !"fehlendes Adsorptionsve rmöge n (bislang nicht definiert) !"Lage zum Grundwasse r (gefordert: 1 m unter Deponieplanung) 3.1 Nachbesserung bei zu geringen Mächtigkeiten Fe stge ste ine als De ponie auflage r Fehlende Mächtigkeit bedeutet, dass ein Schichtpaket oder Gesteinskörper über eine T eufe von 3 m auf Grund seiner Petrographie und/oder Klüftigkeit Grundsätze des Deponiebaus und die geologische und mineralische Barriere !"den geforderten k f-We rt von ≤ 1 ∗ 10 mit Karsterscheinungen etc. oder -7 69 m/s nicht erfüllt, z.B. grobkörnige Sandsteine, Kalk !"das hohe Rückhalte pote ntial nicht besitzt, z.B. Granit, Quarzit, Dolomite etc. Festgesteine können technisch so weit ertüchtigt werden, dass ein 3 m Gesteinspaket mit entsprechendem kfWert erreicht wird durch, z.B. !"Inje ktion nach de m Nie de rdruckve rfahre n (Einpreßdruck 5-10 bar bei weitständtigem Kluftsystem und Kluftöffnungsweiten von mehreren mm). Die Klüfte und andere Hohlräume werden dabei nicht zusätzlich aufgeweitet. !"Inje ktion nach de m Hochdruckve rfahre n (Einpreßdruck 100-300 bar, z.B. SoilcreteVerfahren, Jet-grouting etc.). Wird bevorzugt in Gesteinen mit geringen Kluftöffnungsweiten (≤ 1 mm) angewendet. Die hohen Drücke bewirken ein Aufweiten der Hohlräume während des Injektionsvorganges. Locke rge ste ine als De ponie auflage r Prinzipiell kann ein flächenhaft über das ganze Deponieareal zu geringe Mächtigkeit des Deponieauflagers nicht durch Aufschüttungen ergänzt werden. Möglich ist jedoch das Auffüllen einer sedimentären Depresseion (z.B. Auskeilen von Schichten, Linsenbildung, Kolke etc.) oder einer Erosionsrinne. Das Nachbessern für diese Fälle ist ja in der T A-Abfall dezidiert angesprochen u. zw. mit der Präzisierung, dass das Auffüllmaterial einen T onanteil von ≥ 10% aufzuweisen hat. Dies wurde vor allem im Hinblick auf die bessere Schadstoffsorption so definiert, wobei allerdings diesbezüglich über das anstehende Material des Untergrundes nichts ausgesagt ist. Auch wird in diesem Zusammenhang kein rechnerischer Wert für die Sorption angegeben. Das Rückhaltepotential (Fällung und Sorption) ist in keiner der technischen Anleitungen näher definiert und stößt daher immer wieder auf Widerstände und Unverständnis. Diese Größe kann jedoch eindeutig - wenn auch mit einem gewissen analytischen Aufwand verbunden - bestimmt werden. Die KAK (Kationenaustauschkapazität), die Adsorptionsisotherme (aus dem Schüttelversuch) und die Durchbruchkurve (aus dem Austauschsäulenversuch) lassen nur unvollständig das Retardationspotential erkennen. Aus dem Perkolationsversuch und der entsprechenden Analytik der Ausgangslösung und des Filtrates lassen sich für bestimmte Sickerwässer - und auf Modellösungen muß man sich einigen - Retardationsfaktoren in folgender Weise errechnen: R= 1 + Kd ρ /n (1) R= Va / Vs (2) R ρ n Va Vs Kd Ca C = = = = = = = = Retardationsfaktor T rockendichte des T ones Porenzahl Abstandsgeschwindigkeit des Porenwassers T ransportgeschwindigkeit des Stoffes Verteilungskoeffizient (Ca/C) sorbierter Anteil Konzentration in der Gleichgewichtslösung 3.2 Nachbesserung bei zu hoher Durchlässigkeit Wenn ein k f-Wert von ≤ 1 ∗ 10 -7 m/s nicht erreicht wird - und dies auch nur wieder lokal und nicht flächenhaft über das gesamte Deponieareal verteilt - dann kann mit Auffüllungen und Injektionen optimiert werden. Das Auffüllen bzw. die Injektionstechnik soll nicht nur Mächtigkeiten ergänzen, sondern vor allem kf-Werte herabsetzten. Bezüglich der Injektionstechnik kann die Anwendung des Düsenstrahlverfahrens, d.h. der Aufbau einer Düsenstrahlsohle in Betracht gezogen werden. 70 K.A. Czurda 3.3 Nachbesserung bei fehlendem Adsorptionsverm ögen Die fehlende Sorptionsfähigkeit kann in Festgesteinen nur nachgebessert werden, wenn Injektionsmaßnahmen gesetzt werden. Ein entsprechend sorbierendes Injektsionsmittel, z.B. eine Bentonit-Suspension, ermöglicht dann zumindest im injizierten Kluft- und Porenraum eine Sorption von Schadstoffen. Bei Lockergesteinen kommen wegen der geforderten geringen Durchlässigkeit ohnedies nur T on-SchluffSand-Gemische in Frage. Der hohe T onanteil garantiert dann in den meisten Fällen - es sei denn der T on wäre ein reiner Kaolinit - ein hohes Sorptionsvermögen. Auch über Niederdruckinjektionen können sorbierende Mineralphasen in den Untergrund verpreßt werden. 4 Die mineralische Barriere nach TA-Abfall und TA-Siedlungsabfall Die Mächtigkeit der mineralischen Barriere für die Basis ist nach der T A-A für Sonderabfall mit 6 ∗25 cm = 150 cm und nach der T A-Si für Siedlungsabfälle mit 3 ∗ 25 cm = 75 cm festgelegt. Als Durchlässigkeitsbeiwert für den mineralischen T eil des Kombinationsdichtungssystems (Basis) k f ≤ 5 ∗ 10 -10 m/s festgelegt. Als mineralische Barriere kommen nach dem heutigen Stand der Wissenschaft und T echnik ausschließlich T on- und Zeolithgemische in Frage. Die Kleinheit der Partikel und ihr Ionenaustauschvermögen prädestiniert sie zu dieser Anwendung. Zeolithe stehen dabei wohl eher noch im Forschungsstadium und sind im Deponiebau noch nicht serienmäßig angewendet worden. T one werden vielfach in optimierter Form, z.B. als sodaaktivierter Bentonit, als organophilierter Bentonit oder in Form von Mixturen mit Silikagelen, neuerdings auch mit Flugaschen, eingesetzt. 4.1 Tonm inerale T onminerale stellen im Multibarrierenkonzept die wichtigste Mineralkomponente dar, die sowohl in der mineralischen Barriere wie auch im Gestein des Deponieuntergrundes den wesentlichen Bestandteil ausmachen. Grundbausteine aller T onminerale sind tetraedrische SiO4 -Gruppen und oktaedrische MX6 m-6b -Komplexe. Die zentrale M-Position kann von verschiedenen Metallkationen eingenommen werden: Al3+, Mg2+, Fe2+, Fe 3+ u.a. Als Anion (x b-) wirken O2- , oder OH--Gruppen. T etraeder und Oktaeder sind jeweils über Ecken und Kanten verknüpft, so daß Schichtstrukturen entstehen, die durch Kombination Schichtsilikate bilden. Je nach der Anordnung der T etraeder oder Oktaeder wird in Lagentypen unterteilt: Zweischichtminerale, Dreischichtminerale und Dreischichtminerale mit Hydroxid-Zwischenschicht. Beim Zweischichtmineral Kaolinit besteht jede Schicht aus je einer T edraeder- und Oktaederschicht. Die Schichten werden durch Bindung von Wasserstoffbrücken verhältnismäßig fest zusammengehalten und der Schichtabstand kann durch Einlagerung von Wasser oder andere polare Flüssigkeiten nicht aufgeweitet werden. Die Silikatschichten sind ladungsmäßig weitgehend ausgeglichen, mit Ausnahme der T etraederAußenfläche. Ein isomorpher Ersatz von in der Regel Si4+ durch Al3+ im T etraederschwerpunkt bewirkt diese negative Überschußladung. Die beiden Elementarschichten, T etraeder und Oktaeder, werden durch Wasserstoffbrücken fest zusammengehalten und der Schichtabstand kann durch Wassermoleküle nicht aufgeweitet werden. Der Schichtabstand von einer T etraeder-Sauerstoffläche zur nächsten Sauerstoff-Ebene beträgt 0,71 nm. Die spezifische Oberfläche ist gering: 15m²/g und auch die Ionenaustauschkapazität erreicht höchstens 10 mmol eq/100 g T on. Der gerade im Deponiebau bekannteste Vertreter der Dreischichtminerale ist der expandierende Montmorillonit. Sein Ladungsdefizit beruht auf isomorphen Substitutionen vor allem im Oktaeder, das beidseitig durch T etraederschichten abgeschirmt ist. Beide Basisflächen sind gleichwertig. Durch elektrostatische Bindungskräfte von im natürlichen Sedimentverband reichlich vorhandenen Alkali- und Erdalkalikaliionen - Zwischenschichtkationen - werden die einzelnen Schichten zusammengehalten. Diese Kationen besitzen eine Hydratationsenergie über die Wasser zwischen die Schichten eindringen kann, ein Vorgang, der als innerkristalline Quellung bezeichnet wird. Z.B. umgibt sich ein zweiwertiges Mg 2+-Kation mit bis zu vier Wassermoleküllagen wobei das Kation in einer Mittelposition zwischen den Schichten verharrt. Die Dicke einer Montmorillonit - Elementarschicht aus T etraeder / Oktaeder / T etraeder beträgt 0,91 nm, die spezifische Oberfläche (mit vorwiegend Zwischengitterflächen) erreicht 750 m²/g und die Austauschkapazität für Kationen liegt bei etwa 90 mmol eq/100g T on. Grundsätze des Deponiebaus und die geologische und mineralische Barriere 71 Se lbsthe ilungsve rmöge n Eine sehr gefragte Eigenschaft, die auf der Plastizität einerseits und dem Quellvermögen andererseits beruht, ist das Selbstheilungsvermögen. Plastizität: diagenetisch nur wenig verfestigte T one werden bei bestimmten Wassergehalten plastisch. Das Wasserbindevermögen ist in seinem Mechanismus - Oberflächenbindung, Zwischengitterraum - als Sorptionsprozeß zu sehen. Quellvermögen: vornehmlich T onminerale der Dreischicht-Gruppe zeigen die Eigenschaft der Quellung. Aufgrund der großen Aufweitbarkeit der Zwischenschichten (von 8,6 auf 13 Å) besteht für viele Ionen (vom Ionenradius her) die Möglichkeit, in diesem Raum aufgenommen zu werden. Der Ladungsausgleich geschieht bevorzugt über 2-wertige Kationen, das polare H2 O-Molekül oder andere polare Flüssigkeiten. Die konkurrierenden einwertigen Ionen werden damit auf die äußere Oberfläche verdrängt. Kaolinite als Zweischichtsilikate haben nur zugängliche äußere Oberflächen. Ihre Austauschkapazität beruht vorwiegend auf der Ausbildung pH-abhängiger Gruppen an den Seitenflächen, sowie zu einem sehr geringen Maß auf isomorphem Ersatz. Die Zwischenschicht ist bei Kaoliniten mit 2,8 Å nicht zugänglich! Das Quellverhalten von T onen wirkt sich in der Deponie-Barrierefunktion aus zwei Gründen positiv aus: a) wegen der Selbstheilfähigkeit = Verschließen von Klüften und Rissen b) wegen der Verringerung der Porendurchlässigkeit durch Vergrößerung der Partikel auf Kosten des Porenraumes. Ad- und De sorption von Schadstoffe n Die durch Konvektion oder Diffusion transportierten Ionen unterliegen Ad- und Desorptionsprozessen. Diese spielen sich überwiegend im Zwischengitterraum von Dreischichttonmineralen (z.B. Montmorillonit, Vermiculit) ab oder vollziehen sich auch an den Partikeloberflächen der T onplättchen, vor allem im Falle des Vorherrschens von Zweischichttonmineralen (z.B. Kaolinit). Die Oberfläche, die für solche Prozesse zur Verfügung stehen sind im Falle eines T ones sehr groß, z.B. 750.- 800 m²/g für einen Na-Montmorillonit. In einem T ongestein ist ein T eil dieser Oberflächen durch die bindende Matrix (z.B. Ca-Karbonat oder Kieselsäure) blockiert. Das i.a. sowohl an seiner Oberfläche wie auch in den Zwischengitterflächen negativ geladene T onmineral hat seine Austauschkapazität quantitativ überwiegend in einer ganz dünnen Schicht, der sogenannten Stern-Lage, nahe den O- bzw.- OH-Ebenen des Zwischengitterraumes, liegen. Die Ionensorption ist reversibel, d.h. adsorbierte Ionen sind austauschbar. Der Austausch erfolgt in äquivalenten Mengen unter Berücksichtigung der Wertigkeit, z.B. 6K+ gegen 3 Ca2+ oder 2 Al3+ oder 2 NO3 - gegen 1 SO2-. Der Ionenaustausch erfolgt nur zwischen fester und flüssiger Phase, d.h. die Gegenwart von Wasser ist notwendig. Mikrogefüge und Matrixbildung bestimmen wesentlich dei Zugänglichkeit der spezifischen Oberfläche. Katione n- und Anione naustauschkapaz ität Das geforderte hohe Schadstoffrückhaltepotential für die Basisbarriere wird im wesentlichen durch Tonminerale, Zeolithe, Fe- und Mg-Oxide und - Hydroxide und durch organische Substanz garantiert. Die angeführten Mineralspezies und die Organik besitzt die Fähigkeit der Adsorption und Desorption von vorwiegend Kationen an den spezifischen Oberflächen aber auch von Anionen an den Kanten der T onminerale bzw. in den Kanälen und Käfigen des Zeolithgitters in Abhängigkeit vom pH-Wert der umgebenden Lösung. Die Kationen-Adsorption aufgrund elektrostatischer Anziehungskräfte bedingt, dass höherwertige Kationen stärker adsorbiert werden als niederwertige, z.B. Al3+ > Ca2+ > Na+ . Werden gleichwertige Kationen gegeneinander ausgetauscht, so ist der Ionenradius im hydratisierten Zustand ausschlaggebend. Alle Ionen sind von H2 O-Dipolen umgeben, d.h. im an sich neutralen H2 O-Molekül decken sich die Schwerpunkte der beiden positiven Ladungen des Wasserstoffs nicht mit dem des negativen des Sauerstoffs, so dass das H2 OMolekül als elektrischer Dipol wirkt. Kleinere Kationen sind stärker hydratisiert als größere, da bei ihnen die positive Kernladung stärker auf negative Schwerpunkte von H2 O-Dipolen wirken können. 4.2 Zeolithe Zeolithe sind hydratisierte Aluminiumsilikate der Alkali- und Erdalkalimetalle die aufgrund zahlreicher gemeinsamer Merkmale eine natürliche Mineralgruppe bilden. Der Chemismus und der Gitterbau ist jedoch für jedes Zeolithmineral spezifisch. Ihre Zusammengehörigkeit zeigen sie in ihrem äußeren Habitus, in ihrer 72 K.A. Czurda allgemeinen chemischen Natur, in der Art der Gitterbau bedingten Wasserbindung, in ihrem Verhalten gegenüber Säuren und in der Art ihres geologischen Vorkommens. Der Wesenszug aller Zeolithstrukturen ist in einem Al-Silikat-Netzwerk zu sehen, welches sich aus (Si, Al) O4 T etraedern zusammensetzt, wobei jedes Sauerstoffatom an jeweils 2 T etraedern beteiligt ist. Die negative Ladung dieser T etraederverknüpfung wird in der Regel durch Ca, Na, oder K-Kationen, die in den Hohlräumen der T etraederstruktur sitzen, ausgeglichen. Die Hohlraumgeometrie wird durch die erwähnten Kationen nicht ganz ausgefüllt und die Resthohlräume kommunizieren miteinander, so daß Strukturkanäle entstehen, in denen einerseits Ionenaustauschprozesse vor sich gehen und andererseits Wassermoleküle gebunden werden können. Das Wasser kann durch Erhitzen leicht ausgetrieben oder in feuchter Atmosphäre ebenso leicht wieder aufgenommen werden. Die hohe Austauschkapazität macht die Zeolithe zum potentiellen Mineralbestand mineralischer Dichtungsschichten im Deponiebau. Mit dem Wasserverlust verringert sich generell die Kationenaustauschkapazität. Kationen sind in Zeolithen mit niedrigem Kationengehalt am mobilsten. Na ist mobiler als Ca, da es monovalent ist und daher durch schwächere elektrostatische Bindungskräfte gehalten wird. Die Strukturkanäle haben je nach Zeolithart Durchmesser zwischen 2,2 Å (z.B. Sodalith) und 9,0 Å (z.B. Faujasit). Zeolithe können auch synthetisch hergestellt werden. Besondere Bedeutung kommt dabei den aus Steinkohleflugaschen synthetisierten Zeolithen zu. Ein hydrothermaler Prozess in alkalischem Milieu führt zu neuen Zeolith-Phasen mit guten Sorptionsqualitäten auch für nichtpolare Substanzen. 5 Literatur CZUR DA , K.A. (1996): Die Funktion eines Multibarriensystems für die Basis und die Oberfläche von Deponieabdichtungen: In: Das Multibarrierensystem in der Deponiebautechnik. Schr. Angew. Geol. Karlsruhe, 44, Karlsruhe. DGEG, Deutsche Gesellschaft für Erd- und Grundbau e.V. , Essen (1990): Empfehlungen des Arbeitskreises "Geotechnik der Deponien und Altlasten“ - GDA, Ernst und Sohn, Berlin. GR ONOW , J.R., SC HOF IELD , A.M., JAIN , R.K. (1988): Land disposal of hazardous waste: engineering and environmental issues, 311 S., Ellis Horwood Publishers, Chichester T A -AB F ALL (1991): Zweite Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Abfallgesetz, T eil 1: T echnische Anleitung zur Lagerung, chemisch-physikalischen, biologischen Behandlung, Verbrennung und Ablagerung von besonders überwachungsbedürftigen Abfällen. In: SCHMEKEN, W. (1993): T A Abfall, T A. T A SIEDLUNGS AB F ALL (1993): Dritte Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Abfallgesetz. Technische Anleitung zur Verwertung, Behandlung und sonstigen Ensorgung von Siedlungsabfällen sowie ergänzende Empfehlungen zur T A Siedlungsabfall des Bundesministerims für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Bundesanzeiger Verlags-Ges. mbH., Köln. W AGNER , J.-F. (1991): Die doppelte mineralische Basisabdichtung - ein Deponieabdichtungssystem mit zwei unterschiedlichen Funktionsweisen. 8. Nationale T agung für Ingenieurgeologie, Berlin. W EIS S , A. (1988): Über die Abdichtung von Mülldeponien mit T onen unter besonderer Berücksichtigung des Einflusses organischer Bestandteile im Sickerwasser. - Mitteilungen des Institutes für Grundbau und Bodenmechanik: 133 - T onmineralogie und Bodenmechanik, Zürich . Tätigkeit im Spannungsfeld großer Projekte im Inland und Ausland 73 Tätigkeit im Spannungsfeld großer Projekte im Inland und Ausland - Engelberg-Basistunnel, Lesotho, Xiaolangdi W. Dietz * Zusam m enfassung Baugrund oder Gebirge sind die eigentlichen Werkstoffe bei der Herstellung eines T unnels in geschlossener Bauweise. Sie bestimmen das Vortriebskonzept in Abhängigkeit von Form und Größe des Ausbruchquerschnitts. Daher kommt der Aufgabe des Geologen, der das Baugrundgutachten für das Bauvorhaben erstellt, ein sehr hoher Stellenwert zu. Mit dieser Aufgaben hat sich der Jubilar, Hr. Prof. Dr. G. Spaun über Jahrzehnte auf zahlreichen Baustellen im In- und Ausland beschäftigt. An welchen herausragenden Bauvorhaben der jüngsten Zeit er in den unterschiedlichsten Funktionen beteiligt war, soll in den weiteren Ausführungen zum Ausdruck kommen. Abstract As a matter of fact, rock and soil are the main building materials in underground tunneling. T heir properties direct the advance methods in connection with the shape and the span width of the construction. As a result, the function of the engineering geologist is a quite value one, for he has to rate this building material´s properties. Prof. Dr. G. Spaun has faced this task for decades, consulting engineers on various building sites throughout the world. T he following article describes the features and problems of some of his recent projects. 1 Der Ingenieurgeologe Baugrund oder Gebirge sind die eigentlichen Werkstoffe bei der Herstellung eines T unnels in geschlossener Bauweise. Sie bestimmen das Vortriebskonzept in Abhängigkeit von Form und Größe des Ausbruchquerschnitts. Daher kommt der Aufgabe des Geologen, der das Baugrundgutachten für das Bauvorhaben erstellt, ein sehr hoher Stellenwert zu. Werden neben Angaben für Geologie und Hydrogeologie auch Aussagen zu den wichtigsten Boden- oder Gesteinskennwerten gemacht und kommt dann noch eine gründliche Interpretation der boden- oder felsmechanischen Verhältnisse im Hinblick auf die am zweckmäßigsten anzuwendende Verfahrenstechnik mit Einstufung in Vortriebsklassen hinzu, dann hat der Verfasser eine qualifizierte Arbeit geleistet und die Bezeichnung Ingenieurgeologe verdient. Eine objektspezifische, aussagekräftige tunnelbautechnische Beschreibung ist die wichtigste, aber auch die schwierigste Ingenieurleistung als Grundlage für Planung und Bauausführung eines T unnels. Ungenauigkeiten oder fehlerhafte Interpretationen können genauso wie unvollständige Untersuchungen im schlimmsten Fall zum Scheitern einer T unnelbaumaßnahme führen. Bei der Bauausführung ist die baubegleitende Dokumentation der angetroffenen Verhältnisse eine weitere wichtige Aufgabe. Nicht nur dann, wenn erkennbar andere Schichten oder Gesteinspartien zu durchörtern sind als prognostiziert. In tunnelbautechnisch schwierigen Zonen ist der fachliche Rat eines Ingenieurgeologen ebenfalls gefragt und äußerst hilfreich. Und der Sachverstand eines solchen Experten ist besonders dann gefordert, wenn es um vertragliche Belange geht, die sich im Zuge der Ausführung aus den Baugrundverhältnissen herleiten. Mit all diesen Aufgaben hat sich unser Jubilar über Jahrzehnte in einem Ingenieurbüro, später auch am Lehrstuhl und auf zahlreichen Baustellen im In- und Ausland beschäftigt. Er hat sich ihnen mit Sorgfalt, sehr viel Sachverstand und schließlich auch mit großer Erfahrung gewidmet und dabei im Laufe der Zeit den richtigen Spürsinn entwickelt, was ihm besonders bei der Beurteilung von Problemfällen zustatten kam. An welchen herausragenden Bauvorhaben der jüngsten Zeit er in den unterschiedlichsten Funktionen beteiligt war, soll in den weiteren Ausführungen zum Ausdruck kommen. * Dipl.-Ing. Walter Dietz, Direktor Bereich Tiefbau/Tunnelbau, Zentrale Technik, Ed. Züblin AG, Albstadtweg 3, D-70567 Stuttgart 74 W. Dietz 2 Engelberg-Basistunnel Zur Bewältigung des hohen Fahrzeugaufkommens auf der A 81 bei Stuttgart/ Leonberg wird als Ersatz für den bestehenden Scheiteltunnel der Engelberg-Basistunnel gebaut, bestehend aus zwei parallelen Röhren mit je 2530 m Länge und maximal 0,9 % Steigung, 1780 m davon in geschlossener Bauweise. Er zeichnet sich dadurch aus, daß er als dreispuriger Autobahntunnel mit Standspur einen Regelausbruchquerschnitt von 200 m 2 aufweist. Dieser muß im Bereich des Anhydrits zur Aufnahme der möglichen Quelldrücke über eine Länge von jeweils 450 m auf 265 m 2 erweitert werden und erreicht damit den weltweit größten Straßentunnelquerschnitt. (Abb. 1) Außerdem gehört er zu den zwölf Pilotprojekten in der Bundesrepublik Deutschland, die privat vorfinanziert und nach der Abnahme der Gesamtbauleistung in 15 Jahresraten durch den Bund refinanziert werden: Auftragssumme der Bauleistung mit Finanzierung 604 Mio. DM 1.050 Mio. DM Die Bauzeit erstreckt sich von Mitte 1995 bis Ende 1999, also über 4 1/2 Jahre. Abb. 1: Engelberg-Basistunnel: Regelquerschnitt mit tiefem, druckhaltendem Sohlgewölbe. Der zu durchfahrende Höhenrücken des Engelbergs besteht überwiegend aus den für Süddeutschland typischen Schichten des Gipskeupers, des Lettenkeupers sowie der bunten Mergel (Abb. 2). Die T unneltrasse erstreckt sich zum größten T eil im ausgelaugten Gipskeuper mit geringer bis mittlerer Festigkeit und schwachem Wasserandrang. Der unausgelaugte Gipskeuper ist dagegen sehr dicht gelagert und hat außerdem die unangenehme Eigenschaft, durch die dort eingelagerten Minerale, wie Anhydrit und Corrensit bei Zutritt von Wasser zum Quellen zu neigen. Eine Baumaßnahme mit diesen extremen Anforderungen bedarf einer sorgfältigen Vorbereitung. Schon 1977 wurde zur Erkundung des Baugrundes ein Probestollen mit ca. 1000 m Länge ausgeführt, der die möglichen Konsequenzen des Quellens mit Hebungen von 20 cm in 24 Stunden durch unplanmäßige Wasserzutritte deutlich machte. Seit Beginn der Planungsphase einschließlich des Erkundungsstollens bis zur Ausschreibung des endgültigen T unnelbauvorhabens war das Ingenieurbüro Müller-Hereth und damit auch Professor Spaun eingeschaltet. Für die Bauausführung erhielt das Ingenieurbüro den Auftrag der Prüfung der sehr anspruchsvollen statischen Berechnung der Außen- und Innenschale. Es leistet damit einen sehr wichtigen Beitrag zur erfolgreichen Ausführung dieses Bauvorhabens. Der T unnel wird in Spritzbetonbauweise aufgefahren, wegen des großen Querschnittes und der Sicherstellung der notwendigen Ortsbruststabilität in T eilausbrüchen, mit Spritzbeton in mehreren Lagen bis zu einer Gesamtstärke von 40 cm, Baustahlgewebe, Stollenbögen und Ankern als Sicherung. (Abb. 3 und 4). Tätigkeit im Spannungsfeld großer Projekte im Inland und Ausland Abb. 2: Geologischer Längsschnitt durch den Engelberg-Basistunnel (10-fach überhöht). Abb. 3: Ausbruchsfolge beim Vortrieb des EngelbergBasistunnels. Abb. 4: 75 Ansicht der Kalotte mit den beiden vorauseilenden Ulmenstollen. Die Innenschale mit im Regelquerschnitt 70 cm Wandstärke in B 35 muß zur Aufnahme des rechnerischen Quelldruckes nach dem Widerstandsprinzip auf bis zu 3 m Wandstärke in der Sohle ertüchtigt werden. Mit Rücksicht auf das sulfathaltige Bergwasser wird eine die Innenschale umschließende 3 mm starke PEAbdichtungsfolie eingebracht. Der Auftrag wurde einer Arbeitsgemeinschaft unter Federführung der Ed. Züblin AG für den T unnel erteilt. Auf der Grundlage angebotener Sondervorschläge kommt folgendes zur Ausführung: !"Vortrieb beider T unnelröhren nur vom Nordportal !"vorauslaufende Kalotte mit geschlossener Kalottensohle auf einer Ebene mit optimalem Abstand zum Sprossen- und Sohlausbruch !"Gegenvortrieb eines Sondierstollens vom Südportal bis zum Erreichen des bestehenden Erkundungsstollens zur Entwässerung des Baugrundes Die Firma Züblin wurde auch mit der statischen Berechnung und Planbearbeitung des äußeren T ragsystems aus Spritzbetonschale und Gebirge in Verbindung mit dem zeitlichen und räumlichen Verlauf des Vortriebs beauftragt. Da der lichte Abstand zwischen den 18,8 bzw. 21,3 m breiten Querschnitten nur etwa 13 m be- 76 W. Dietz trägt, ist die Untersuchung der gegenseitigen Beeinflussung der T unnel während des Vortriebsablaufes ebenfalls erforderlich. (Abb. 5) Abb. 5: Finite-Elemente-Darstellung des Vortriebs des Engelberg-Basistunnels. Um möglichst wirklichkeitsnahe Berechnungsergebnisse zu bekommen, wurden die Spannungen und Verformungen mit einem FE-Programm für fünf in Abhängigkeit von den geologischen Verhältnissen und der Überdeckung definierten Querschnitten berechnet. Dabei waren neben dem Primärzustand für den Einzelquerschnitt sieben Berechnungsschritte und für beide Querschnitte zwölf Berechnungsschritte für spezifische Bauzustände numerisch zu überprüfen. Durch diese Berechnungen konnte nachgewiesen werden, daß das zugrunde gelegte Planungskonzept für diese extremen Querschnittsverhältnisse hinsichtlich der Aufteilung in T eilausbrüche, der Sicherungsmittel und ihrer Mengen zutreffend war. Für den Querschnitt mit der größten Überdeckung von ca. 70 m ergab sich jedoch ein Grenzzustand mit ausgeprägten Plastifizierungszonen und Versagensbereichen, z.B. der Innenstiele der Ulmenstollen. Durch Optimierung der Ausbruch- und Sicherungsvorgänge konnten diese Erscheinungen in der Ausführung beherrscht werden. Eine weitere wichtige Voraussetzung für die Bauausführung war eine sorgfältige Arbeitsvorbereitung aller Betriebsabläufe und des zugehörigen Geräteeinsatzes. So war mit Rücksicht auf die wechselhaften Gebirgsverhältnisse sowohl ein Ausbruch mit Bagger als auch im Sprengvortrieb vorzusehen. Man entschloß sich, besonders große, leistungsfähige Geräte zu verwenden, so z.B. den Hochlöffelbagger CAT 5080 mit 4,5 m3 Löffelinhalt zum Abbau der Strosse und Sohle. Zur Entflechtung der Fördervorgänge und Minderung der Bewetterungskapazität kam zum Abtransport des Ausbruchmaterials eine Förderbandanlage mit vorgeschaltetem Brecher zum Einsatz. Mit Beginn des Vortriebs wurde ein trotz der nicht zu hohen Festigkeit verhältnismäßig standfestes Gebirge angetroffen, das weitgehend entwässert war. Eine positive Folge des tiefliegenden Erkundungsstollens. Dadurch wurde es möglich, sehr gute Vortriebsleistungen zu erzielen, mit bereichsweise über 4 m pro Arbeitstag für den Gesamtquerschnitt. Die Meßwerte zeigten jedoch, wie sensibel der Übergang aus dem Kalottenvortrieb mit Ringschluß in den Bauzustand des Strossen- und Sohlausbruches war. Ohne einen Ringschluß im Gesamtquerschnitt zeichneten sich in dieser Phase erkennbar zunehmende Verformungen ab. Unter Hinweis auf die Berechnungsergebnisse konnte die Baustelle überzeugt werden, die Entwicklungslänge des Strossen- und Sohlausbruches sehr kurz zu halten, was insbesondere durch den extrem leistungsfähigen Bagger möglich war. Sofort stellten sich nach Verlauf und Größe akzeptable Verformungen ein. Daher wurde dieses Konzept beibehalten, was sich im weiteren Vortrieb als sehr zweckmäßig erwies. Denn tatsächlich ist die geplante und ausgeführte Querschnittsunterteilung in T eilausbrüche ein unvollkommener Ulmenstollenvortrieb, eher ein unterteilter Kalottenvortrieb mit nachfolgendem Strossen- und Sohlausbruch. Dieses Vortriebskonzept hat sich in der Gesamtbetrachtung nach Abschluß der Vortriebsarbeiten als sehr sinnvoll erwiesen. Es war damit möglich, unter Anwendung eines wirtschaftlichen Baubetriebs zu angemessenen Vortriebsleistungen zur Einhaltung der geforderten Bauzeit zu kommen (Abb. 6). Tätigkeit im Spannungsfeld großer Projekte im Inland und Ausland Abb. 6: 77 Vortriebsabfolge am Beispiel des Vortriebsstands am 23.9.1996 Merkliche Verschlechterungen der Gebirgsverhältnisse durch starke Wasserzutritte, wie etwa in der Mitte der Vortriebsstrecken, oder durch Auslaugungs- und Subrosionserscheinungen im Bereich der letzten 200 m zum Südportal führten jedoch zu erheblichen Verformungen und machten Zusatzmaßnahmen erforderlich. Da dies auf verhältnismäßig kurze Streckenabschnitte beschränkt blieb, bestätigte sich wiederum die Zweckmäßigkeit der angewandten Verfahrenstechnik. Nach dem Durchfahren der Anhydritstrecke traten völlig überraschend trotz des in diesem Bereich fast trockenen Baugrundes Quellvorgänge auf. Und dies mit einer Geschwindigkeit und Mächtigkeit, daß schließlich Scherbrüche in der Spritzbetonaußenschale und Verschiebungen in mehreren Dezimetern auftraten. Damit waren Sanierungsmaßnahmen über jeweils 300 m Länge in beiden T unneln erforderlich, die unter Beibehaltung des Widerstandsprinzips für die Innenschale durch Anwendung eines belastungsverteilenden Puffers bewältigt werden. Da die dafür notwendige Vertiefung zusätzliche Aushubmengen ergab, ermöglichte die Bandförderung eine rasche Sanierung ohne Einschränkung des normalen Vortriebes in beiden Röhren. Denn in der Oströhre war es unumgänglich, parallel zum Vortrieb die Innenschale herzustellen. Diese Röhre dient der Umlegung des Autobahnverkehrs schon Ende 1998 mit einer befristeten Verkehrsführung in beiden Richtungen. Die Herstellung der Innenschale ist durch den großen Querschnitt und den hohen Bewehrungsgehalt insbesondere in dem gegen Quelldruck zu bemessenden T eil eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe. Die Anwendung eines neuartigen Schalungsprinzips hat sich dabei bestens bewährt. Die Bewehrung wird auf der Gewölbeschalung verlegt und zusammen mit dieser hydraulisch in die endgültige Position gefahren. Damit wurde ein wirksamer Beitrag zur Sicherstellung der Qualität bei gleichzeitig guter Leistung erzielt. Die Arbeiten für den Vortrieb und den Ausbau verlaufen planmäßig zur Zufriedenheit aller Beteiligten. 3 Lesotho Highlands Water Project Lesotho liegt inmitten der Republik Südafrika. Mit Höhenlagen zwischen 1500 und 3500 m sind die Niederschlagsmengen in diesem Gebirgsland sehr hoch. Der Wasserbedarf in dem 300 km nördlich gelegenen Johannesburg und der weiteren Region macht dieses Niederschlagswasser besonders wertvoll. Dazu ist es jedoch erforderlich, die in Richtung Süden abfließenden Wassermengen nach Norden umzuleiten. Mit finanziellen Mitteln der Weltbank, Südafrikas und Finanzierungshilfen der bauausführenden Unternehmen ist ein Projekt angelaufen mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von am Ende 5 Milliarden USD. In der ersten Phase sieht die Nutzung vor, durch eine 180 m hohe Gewölbestaumauer, den Katsedamm, ein Reservoir zu bilden, aus dem das Wasser mit natürlichem Gefälle über eine Entfernung von 45 km durch einen T unnel mit 5 m Durchmesser, dem T ransfertunnel, geleitet wird. Nach Überwindung eines Höhensprunges von 180 m, der zur Energieerzeugung genutzt wird, fließt es über einen 15 km langen Delivery Tunnel bis an 78 W. Dietz die Grenze Südafrikas. Von dort wird die T unnelstrecke über weitere 22 km auf südafrikanischem Gebiet fortgesetzt und endet mit dem Auslauf am Ash River, einem natürlichen Vorfluter Richtung Johannesburg. Ende 1990 erhielt Züblin im Rahmen einer internationalen Bietergemeinschaft den Auftrag zur Herstellung des Einlaufturmes und aller T unnel in Lesotho mit einer Gesamtlänge von 66 km. Hinzu kam dann noch ein weiterer Auftrag für das unterirdische Kraftwerk Muela und den Bau der zugehörigen 55 m hohen Gewölbestaumauer für den Gegenspeicher. Infolge dieser und weiterer Zusatzaufträge ist der Gesamtauftragswert auf fast 1 Milliarde DM angewachsen. Im Laufe der erdgeschichtlichen Entwicklung entstand im Gebiet Lesothos durch aufsteigendes Magma ein Schichtpaket aus Basalt von mehr als 1400 m Dicke, als das Gebiet durch Gebirgshebungsvorgänge immer mehr nach oben geschoben wurde. Die nahezu horizontalen Basaltformationen schützten die darunter liegenden weicheren Sedimentgesteine vor rascher Erosion. Durch die dadurch bedingten Höhenunterschiede zur weiteren Umgebung entstand das sogenannte Dach Südafrikas. Der an den Katsedamm anschließende 45 km lange T ransfertunnel durchfährt ausschließlich diese Basaltformationen, die wegen ihrer vermeintlichen Homogenität günstige Verhältnisse für einen maschinellen T unnelvortrieb erwarten ließen. Dabei hat der Basalt hier meist nur Festigkeiten zwischen 80 und 120 MPa. Der Delivery T unnel wurde planmäßig in den 180 m tiefer liegenden Clarens-Sandstein gelegt, der als weitgehend standfest eingestuft wurde, mit einer mittleren Festigkeit von 85 MPa und Quartzgehalten von 35 90 %. Nur der Dolorit in den weniger als 10 m dicken vertikalen Dykes, die in Abständen von mehreren 100 m auftreten, hat größere Gesteinsfestigkeiten von im Mittel 170 MPa. Örtlich begrenzte Wasserzutritte waren zu erwarten. In Abhängigkeit von den topographischen Verhältnissen wurden Angriffspunkte, Vortriebsrichtungen und Vortriebslängen so optimiert, daß vier T unnelbohrmaschinen ausreichten. Abb. 7: TBM Atlas Copco Jarva MK 5 Abb. 8: TBM Robbins 167. Zum Einsatz kamen: • Für die T ransfertunnel mit 11 und zwei 17 km langen Vortrieben im Basalt eine neue Atlas Copco Jarva MK 5 (Abb. 7) und zwei neue baugleiche Robbins 167 (Abb. 8) • Für den Delivery T unnel mit 2,5 und 6 km langen Vortrieben im Sandstein eine gebrauchte Robbins Die T unnelbohrmaschinen waren mit ihren Nachlaufeinrichtungen und der zugehörigen Logistik so ausgelegt, daß ein Hochleistungsbetrieb mit einer mittleren Leistung von etwa 25 m pro T ag und Spitzenleistungen von über 55 m pro T ag erreicht werden konnten. In jedem T unnel wurde ein eingleisiger Schienenstrang auf 3 m langen Sohlfertigteilen verlegt. Um den Zugbetrieb so wenig wie möglich zu behindern, wurden nur alle 4000 m Ausweichstellen geschaffen, was Züge großer Leistungsfähigkeit und Förderkapazität voraussetzte, Tätigkeit im Spannungsfeld großer Projekte im Inland und Ausland 79 d.h. dieselbetriebene Loks. Mit Rücksicht auf die großen Förderlängen wurden deshalb zusätzliche bis zu 300 m tiefe Lüftungsschächte für die einzelnen Vortriebe hergestellt, die, als sämtliche Vortriebe liefen, mit 32 Ventilatoren bewettert wurden. Dabei war zu beachten, daß aufgrund der bis zu 1000 m hohen Gebirgsüberdeckung in bestimmten Bereichen Gesteinstemperaturen bis zu 50 Grad C zu erwarten waren. Daher mußten zusätzlich Kühlanlagen auf den T unnelbohrmaschinen installiert werden. Die Vortriebsarbeiten begannen im Mai 1992 und fanden ihren Abschluß im September 1994. Im südlichsten Bereich im Anschluß an den Katsedamm waren bessere Gebirgsverhältnisse zu erwarten. Hier wurde daher eine Atlas Copco T BM mit einem Bohrkopf mit freistehenden Meißeln eingesetzt, die von vorne gewechselt werden konnten. Für die beiden anderen Vortriebe im Basalt wurden Robbins T BMs verwendet. Wegen der Gefahr von Gebirgsschlägen durch die hohe Überdeckung und entsprechend hohen Gesteinstemperaturen waren Arbeiten an der Ortsbrust mit einem hohen Gefährdungspotential behaftet. Daher wurden diese mit geschlossenen Bohrköpfen ausgerüstet, die einen Meißelwechsel von hinten zuließen. Es ergab sich somit die interessante Situation, daß drei T BM-Vortriebe unter Einsatz verschiedener Maschinen unter vermeintlich ähnlichen äußeren Voraussetzungen liefen, am Ende jedoch mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Im südlichsten Vortrieb war das Gestein sehr viel nachbrüchiger und blockiger als erwartet, was schließlich zu großen Problemen im Bereich des offenen Bohrkopfes der Atlas Copco T BM führte und man sich entschloß, im T unnel unter großem Aufwand den Bohrkopf umzubauen. Dagegen verliefen die beiden anderen Vortriebe mit den geschlossenen Bohrköpfen zufriedenstellend. Insgesamt gesehen waren aber die Gebirgsverhältnisse in allen Basaltvortrieben deutlich ungünstiger als prognostiziert. Dies bedeutete während des Vortriebs einen erhöhten Sicherungsaufwand im Maschinenbereich mit entsprechenden Leistungseinbußen. Außerdem entstanden zusätzliche Probleme durch Nachfall von Gesteinsmaterial im rückwärtigen Tunnelbereich als Folge von sich rasch entwickelnden Entfestigungserscheinungen, die schließlich auch umfangreiche Nacharbeiten in den Sohlbereichen erforderlich machten (Abb. 9) . Abb. 9: Ansicht des Nachläufers beim TBM-Vortrieb Lesotho Highlands Water Project Nach Abschluß der Vortriebsarbeiten im Basalt ergaben sich folgende Leistungswerte: !"Vortrieb Katse, Atlas Copco T BM, Länge: 10,7 km Mittlere Leistung: 17 m pro Arbeitstag, 380 m pro Monat !"Vortrieb Lotse, Robbins T BM, Länge: 17,4 km Mittlere Leistung: 30,4 m pro Arbeitstag, 700 m pro Monat 80 W. Dietz !"Vortrieb Muela, Robbins T BM, Länge: 17,5 km Mittlere Leistung: 28 m pro Arbeitstag, 636 m pro Monat Als beste Monatsleistung wurden 1344 m mit einer Robbins-Maschine erreicht. T rotz des hohen Quarzgehaltes erwies sich der Clarens-Sandstein im Delivery T unnel als fast ideal für einen maschinellen T unnelvortrieb. Mit der gebrauchten Robbins T BM wurden folgende Leistungswerte erreicht: !"Vortrieb I, Länge: 2 km Mittlere Leistung: 26,5 m pro Arbeitstag, 610 m pro Monat !"Vortrieb II, Länge: 5 km Mittlere Leistung: 40 m pro Arbeitstag, 900 m pro Monat !"Vortrieb III, Länge 6 km Mittlere Leistung: 46 m pro Arbeitstag, 1070 m pro Monat In einem Monat, in dem alle vier T unnelbohrmaschinen ohne wesentliche Störung im Vortrieb liefen, konnten über 4000 m aufgefahren werden, was die Leistungsfähigkeit von T unnelbohrmaschinen unterstreicht. Die ursprüngliche Absicht, beim T BM-Vortrieb auf eine Auskleidung mit einer Ortbetoninnenschale weitgehend verzichten zu können, als Folge sehr guter Profilgenauigkeit und geringer Gebirgsauflockerungen, erfüllte sich durch die erwähnte unerwartete Verschlechterung der Verhältnisse im Basalt allerdings nicht. Daher war schließlich über die Gesamtlänge eine Innenschale herzustellen. T rotz der Erschwernisse konnten die Arbeiten einschließlich des Zusatzauftrages für die Innenschale im Rahmen des ursprünglichen Zeitplanes durchgeführt werden, so daß die Anlage voraussichtlich Mitte 1998 in Betrieb gehen kann. Dies war zu einem Zeitpunkt, als im Basalt die Vortriebsleistungen teilweise sehr unbefriedigend waren, nicht zu erwarten gewesen. Daher entschied sich die Joint Venture, nach einem renommierten Experten Ausschau zu halten, der sie hinsichtlich der angetroffenen geologischen Verhältnisse und der Konsequenzen daraus beraten sollte, und dafür wurde Professor Spaun hinzugezogen. 4 Xiaolangdi Multipurpose Dam Project China befindet sich in einer Phase beachtlichen wirtschaftlichen Aufschwungs. Damit verbunden sind Bauinvestitionen für Infrastrukturmaßnahmen bemerkenswerten Ausmaßes. Ein wichtiger Beitrag, eine solche Entwicklung zu unterstützen, ist auch die Bereitstellung elektrischer Energie. Daher werden in China mehrere sehr große Baumaßnahmen zur Deckung des Strombedarfs aus Wasserkraft ausgeführt. Diese Anlagen dienen dabei auch zur Regulierung der großen Flüsse. Denn durch schwere Hochwässer und Überschwemmungen verlieren in China jährlich etwa 2000 - 3000 Menschen ihr Leben. Eines dieser gewaltigen Bauvorhaben stellt das Xiaolangdi Multipurpose Dam Project dar. Es liegt in der Nähe von Luoyang am Mittellauf des Gelben Flusses (Abb. 10). Dieser soll durch einen 150 m hohen Erdschüttdamm aufgestaut werden, um die Provinzen am Unterlauf des Flusses vor Überschwemmungen zu schützen und um den Fluß hinsichtlich Sediment- und Eisführung besser zu kontrollieren. Die Anlage dient außerdem zur Wasserversorgung und mit 1800 MW zur Stromversorgung des Landes. Die Gesamtinvestitionskosten belaufen sich auf über 2 Milliarden DM für das in drei Baulose aufgeteilte Projekt: Los 1 Erdschüttdamm, Los 2 sämtliche Ein- und Auslaufbauwerke und ca. 10 km T unnel und Los 3 das unterirdische Kavernenkraftwerk mit Druck- und Unterwasserstollen. Die Weltbank trägt den größten T eil der Finanzierung, daher wurden alle drei Lose international ausgeschrieben und vergeben. Das Los 2, mit 930 Mio. DM das größte, erhielt die Chinese-German-Italian Contractors Joint Venture unter der Federführung von Züblin. Baubeginn war Juli 1994. Tätigkeit im Spannungsfeld großer Projekte im Inland und Ausland 81 Abb. 10: Das Projektareal im Luftbild. Mit weißen Linien dargestellt die zu erstellenden Bauwerke: Unten Auslaufbauwerk, Kraftwerkskavernen und Tunnel; oben das eigentliche Dammbauwerk. Abb. 11: Zeichnung des fertiggestellten Einlaufbauwerks mit den Eingängen der Überlauf-, Wasser- und Entsandertunnel. Auszuführen ist das Einlaufbauwerk aus Stahlbeton mit 280 m Breite und 108 m Höhe für die insgesamt 18 T unneleinläufe und Hochwasserüberläufe. Dieses ist einem den Stauraum abschließenden Bergrücken vorgelagert. Dazu war dort gemäß Planung eine sehr steile, abgestufte, rückverankerte Böschung mit ca. 120 m Höhe anzulegen. (Abb. 11 und 13) Die Hauptaufgabe stellen jedoch die 18 T unnel dar: !"Drei je 1000 m lange Umleitungstunnel mit 18 m kreisförmigem Durchmesser und damit 240 m 2 Ausbruchquerschnitt. Sie dienen nach dem Plombieren des Einlaufs später als Grundablaß über einen jeweils höher gelegenen zusätzlichen Zulauf. Es sind außerdem im Mittelbereich 82 W. Dietz drei Schieberkammern für diese T unnel anzulegen, die in größeren, kavernenartigen Bauwerken untergebracht und durch Betriebsschächte zugängig sind (Abb. 12). !"Drei Sedimenttunnel mit 160 m 2 Ausbruchquerschnitt und ebenfalls je 1000 m Länge. Durch den regelmäßigen Betrieb dieser T unnel soll der Einlaufbereich, insbesondere auch die Einläufe zum Kavernenkraftwerk, freigespült und dadurch eine Versandung vermieden werden. !"Drei Free-Flow-T unnel mit ca. 150 m 2 Ausbruchfläche und 300 - 400 m Länge mit einem anschließenden offenen Gerinne sollen Eisfracht und T reibgut wie z.B. Baumstämme ableiten und damit auch Sedimente. !"Sechs Druckstollen, die zur Kaverne führen, mit 10 m Durchmesser, jedoch nur über eine Länge von 50 m. Die restlichen Abschnitte sind T eil des Bauloses 3. Abb. 12: Schnitt durch das Bauwerk mit Einlauf, Druckwasserstollen, Kraftwerkskavernen und Auslauf. Abb. 13: Ansicht des Einlaufbauwerk im Bauzustand mit den Portalen der insgesamt 18 Tunnel. Sämtliche Vortriebsarbeiten für die T unnel sind im Sprengverfahren ausgeführt worden. Sie erhielten eine Stahlbetonauskleidung mit Wandstärken zwischen 0,7 m und 2,5 m. Der Bewehrungsanteil ist zum Teil sehr hoch und beträgt im Mittel ca. 80 kg pro m 3 . Tätigkeit im Spannungsfeld großer Projekte im Inland und Ausland 83 Außerdem war das unterstrom gelegene Auslaufbauwerk herzustellen mit 300 m langen, 16,5 m hohen und im Mittel 6 m starken Leitwänden, die in drei T osbecken mündeten. Eng gesetzte Zwischentermine und die zum T eil gewaltigen Querschnittsabmessungen brachten mit sich, daß Betonierleistungen bis zu 100.000 m 3 pro Monat erbracht werden mußten. Als die schwierigste Aufgabe erwies sich die Herstellung der Umleitungs- bzw. späteren Grundablaßtunnel mit ihrem extrem großen Querschnitt. Sie wurden im Sprengvortrieb aufgefahren und mit Spritzbeton, Baustahlgewebe und systematischer Ankerung gesichert. Sie waren dafür planmäßig unterteilt in Kalotten- und Strossenvortrieb, wobei die Kalotte vorauseilend über die gesamte Länge der T unnel aufgefahren wurde. Der Bauherr hatte zur Einhaltung des relativ kurzen Zwischentermins zur Umleitung des Gelben Flusses in den Viertelspunkten der Umleitungstunnel vorab Zugangstunnel hergestellt, von denen aus in beiden Richtungen die Arbeiten schon sehr früh in Angriff genommen werden konnten. Dadurch ergaben sich schließlich bis zu zwölf gleichzeitig laufende Vortriebe. Außerdem waren durch chinesische Firmen von diesen Zugangstunneln aus über die Gesamtlänge der T unnel zur Erkundung des Baugrundes in der Mitte des Kalottenquerschnitts Pilotstollen hergestellt worden. Die Folgen dieser Vorausmaßnahme erwiesen sich als äußerst unerfreulich. Nicht nur, daß wir die Dokumente der geologischen Erkundung nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt bekamen, sondern die Abmessungen des aufgefahrenen Querschnittes betrugen auch ca. 8 x 8 m. Dadurch verblieb in der linken und rechten Ulme weniger als die Hälfte des Kalottenausbruches. Die Qualität der Vortriebsarbeiten der Chinesen war durch extremes Überprofil, starke Auflockerungen durch unsachgemäße Sprengarbeiten sowie eine mangelhafte Ausführung der Sicherung geprägt, was wir leider erst in vollem Umfange bei der Durchführung unserer Arbeiten feststellten (Abb. 14). Hinzu kam, daß der anstehende horizontal gebankte Sandstein mit Tonsteinzwischenlagen stärker geklüftet und weniger standfest war als prognostiziert. Die ursprüngliche Planung und die vorgesehenen Sicherungsmittel wurden den Erkenntnissen aus der Herstellung der Vorstollen nicht angepaßt. So waren insbesondere die Anker mit nur 5 m Länge in bezug zum Gesamtquerschnitt und den geologischen Verhältnissen zu kurz. Abb. 14: Aufnahme von Soll- und Ist-Querschnitten eines Pilotstollens und der entsprechenden Kalotte. Als wir mit dem Kalottenvortrieb begannen, stellten sich sofort erste Schwierigkeiten durch starkes Überprofil ein, und es traten vermehrt verbruchartige Erscheinungen auf. T rotz unserer Einwendungen und vor allem Sorgen um den später durchzuführenden Strossenvortrieb ließ der Bauherr zunächst keine längeren Anker zu. Mit der Folge, daß wir beim Vortrieb der Kalotten in allen drei T unneln am Ende 18 zum T eil größere Verbrüche hatten. Fraglos ein an sich untragbarer und darüber hinaus gefährlicher Zustand, dem wir zu begegnen versuchten, dabei allerdings wenig Verständnis fanden. Der Bauherr ließ sich schließlich überzeugen, längere Anker zu verwenden und über gewisse Strecken auch nachzusichern. Es gelang dadurch, den Strossenvortrieb erfreulicherweise ohne weitere Verbrüche zu bewältigen. Denn ein Verbruch beim Strossenvortrieb sehr großer Querschnitte kann sich zu einer Katastrophe entwickeln. 84 W. Dietz Durch diese Ereignisse war der Zwischentermin, den Gelben Fluß im Oktober 1997 umleiten zu können, in Frage gestellt. Dies hätte den gesamten Bauablauf aller drei Baulose aus dem Rhythmus gebracht und zu erheblichen Mehrkosten geführt. Damit war eine äußerst mißliche Situation entstanden. In dieser kritischen Phase war wiederum der Rat und die Unterstützung durch einen Fachexperten von internationalem Ruf gefragt. Die Arbeitsgemeinschaft zog dafür Professor Spaun zu Rate. Mit Rücksicht auf die Komplexität der ganzen Angelegenheit entschloß man sich schließlich, ein Expertengremium einzuberufen. Dabei zeigte sich neben dem Fachwissen eine weitere Stärke unseres Jubilars, nämlich daß er sich ohne Vorbehalte und konsensbereit in diese Gruppe einfügte. Es gelang schließlich, die Arbeiten trotz aller Schwierigkeiten so zu beschleunigen (Abb. 15), daß Ende Oktober 1997 zur Erleichterung aller der Gelbe Fluß planmäßig umgeleitet werden konnte. Abb. 15: Schalwagen vor dem Einlaufbauwerk. 5 Literatur BER NHAR DT , K. & ROC K , D. (1995): Bau- und Finanzierungskonzept des Autobahntunnels mit außergewöhnlichen Querschnittsmessungen in schwierigen Gebirgen.- Forschung und Praxis; 36. BER NHAR DT , K. (1996): Der Engelbergbasistunnel, Planung, Bauablauf und Ausschreibung.- Geotechnik, 19, 3; Essen (Glückauf). DIET Z , W. & LOR S C HEIDER , W. (1996): Die Aussagekraft statischer Berechnungen bei extremen Querschnittsabmessungen am Beispiel Engelbergbasistunnel.- Felsbau, 14, 6; Essen (Glückauf). DIET Z , W. & LOR S C HEIDER , W. (1997): Der Engelbergbasistunnel bei Leonberg Baden-Württemberg, ein Autobahntunnel mit großem Querschnitt in wechselhaftem Gebirge.-T unnel für Menschen, Tagungsband World T unnel Congress '97, Wien, Österreich. DIET Z , W. & SP AUN , G. (1995): Der Einsatz von vier T unn elbohrmaschinen bei der Auffahrung von 65 km Stollen in Lesotho.- Felsbau, 13, 1, Essen (Glückauf) . Umfahrung Schwarzach im Pongau - Schönbergtunnel 85 Umfahrung Schwarzach im Pongau - Schönbergtunnel: Baugeologische Erkundung - Geotechnik - Bautechnik M. Eder & Th. Stadlmann* Zusammenfassung Der Beitrag berichtet über den 3 km langen Schönberg-Straßentunnel, der zur Zeit im Bundesland Salzburg als Ortsumfahrung von Schwarzach/Pg. aufgefahren wird. Nach einer Projektsvorstellung wird insbesondere das umfangreiche geologisch-geotechnische Erkundungsprogramm erläutert, welches im Vorfeld der Errichtung des Schönbergtunnels durchgeführt wurde. Detailliert wird hier vor allem auf die baugeologische Erkundung, sowie auf die Auswertung der im Zuge des TBM-Vortriebes des Erkundungsstollens gewonnenen Daten und deren Umsetzung für die Ausschreibung des Tunnels eingegangen. In seinem westlichsten Abschnitt unterfährt der Schönbertunnel im Festgesteinsvortrieb auf eine Länge von ca. 250 m bebautes Gebiet. Aufbauend auf intensive Vorerkundungen in diesem Bereich wurde ein Vortriebskonzept ausgearbeitet, das die durch den Sprengvortrieb induzierten Erschütterungen auf ein für die Anrainer verträgliches Mindestmaß reduziert. Schließlich wird die Umsetzung der geologischen und geotechischen Grundlagen in Vortriebsklassen gemäß ÖNORM B2203 (Matrix) erläutert. Es wird hier auch auf die bisherigen Erfahrungen mit den ausgeschriebenen Vortriebsklassen und der Anwendung der ÖNORM B2203 im Zuge des Bauablaufes eingegangen. Abstract The paper will report on the 3 km long Schönberg Tunnel being driven to provide a traffic bypass for the municipality of Schwarzach/Pg. in Salzburg State. The first part will discuss the geological-geotechnical site investigation works as well as the findings from the exploratory tunnel driven in 1995 and will make particular mention of the evalation of data obtained while driving (using a TBM) the exploratory tunnel and their implications for tendering the tunnel. The Schönberg Tunnel is driven by drilling and blasting and on a length of 250 m it runs beneath residential area. From the intensive exploratory works conducted in this sensitive area, a driving concept was worked out that aimed to reduce the vibrations from blasting to a tolarable minimum for the local area. Thereafter, the paper will deal with the interpretation of geological and geotechnical data into driving classes corresponding to ÖNORM B2203 (matrix). The experience made to date with the tendered driving classes and with application of ÖNORM B2203 during construction will also be mentioned here. 1 Projekterläuterung Der Schönbergtunnel wird im Zuge des Ausbaues der B311 - Pinzgauer Straße als zweispuriger, im Gegenverkehr befahrener Straßentunnel errichtet. Die B311 ist die einzige innerösterreichische Ost-West Bundesstraßenverbindung mit dementsprechendem Verkehrsaufkommen. Das Bauvorhaben "Umfahrung Schwarzach/Pg." ist auf dem Lageplan dargestellt und hat eine Gesamtlänge von 5170 m. Ca. 60% dieser Länge entfallen auf den 2989 m langen Schönbergtunnel. Von Salzburg kommend verläßt die künftige Umfahrung die bestehende B311 im Bereich der sog. "Hohen Mauer". Die ÖBB - Westbahnstrecke und die B311 werden im östlichen Bereich der Umfahrungsstraße parallel geführt, und mit Lärmschutzmaßnahmen versehen, wordurch eine spürbare Entlastung des anliegenden Ortsteiles erreicht wird. Im Zuge dieses oberirdisch geführten Abschnittes der Umfahrungsstraße werden auch die Verkehrsanbindungen für diesen Ortsteil und das dort bestehende Gewerbegebiet neu geregelt. Besonders wichtig ist hier die kreuzungsfreie Einbindung der L218 - St. Veiter Straße in die B311. Dies geschieht durch einen Kreisverkehr, der vom Durchzugsverkehr der künftigen B311 unterfahren wird. In diesem Knotenbereich ist auch einer neue Brücke über die ÖBB-Westbahntrasse integriert. * Dipl.-Ing. Manfred Eder, Ingenieurbüro Laabmayr + Partner, Preishartlweg 4, A-5020 Salzburg Dipl.-Geol. Mag. Thomas Stadlmann, Büro Dr. W. Fürlinger, Ingenieurkonsulent für Technische Geologie, Karlbauernweg 12, A-5020 Salzburg 86 M. Eder & Th. Stadlmann Im weiteren Verlauf wird die Umfahrungsstraße an den Bestand der B311 herangeführt und erreicht unmittelbar vor dem Ortsgebiet von Schwarzach die Halbanschlussstelle "Schwarzach-Ost" und das T unnelostportal. Der wie bereits erwähnt ca. 3 km lange T unnel, umfährt das gesamte Gemeindegebiet von Schwarzach im Norden. Unmittelbar neben der Salzach im Bereich des Stauraumes des Salzachkraftwerkes Wallnerau wird das Westportal und die Halbanschlussstelle "Schwarzach-West" errichtet. Nach einer weiteren Streckenlänge von ca. 200 m bindet die Umfahrung in den Bestand der B311 ein und erreicht das Ende des Gesamtbauloses. Abb. 1: Übersichtskarte des Landes Salzburg mit den Bundesstraßentunnel, die in den letzten Jahren errichtet wurden: Umfahrungen Unken, Lofer, Zell am See und Trattenbach. Erwähnenswert sind auch die beiden, auf Grund der österreichischen Sicherheitsbestimmungen für Straßentunnel, erforderlichen Fluchtstollen. Es sind dies der Fluchtstollen 1, der über eine Länge von ca. 300m in den sog. "Putzengraben" führt und der Fluchtstollen 2, mit einer Länge von ca. 500m, der im Ortsgebiet von Schwarzach endet. Abb. 2: Übersichtslageplan Schönbergtunnel Umfahrung Schwarzach Umfahrung Schwarzach im Pongau - Schönbergtunnel Abb. 3: Regelquerschnitte im Schönbergtunnel. Abb. 4: Geologischer Längsschnitt durch den Bereich „Schönbergsiedlung“ . 87 Der Regelquerschnitt des Schönbergtunnels ist auf Abb. 4 dargestellt. Der T unnel verfügt über eine Fahrflächenbreite von 8,0 m und eine Fahrraumhöhe von 4,70 m. Als Lüftungssystem ist eine Längslüftung mit 14 Strahlventilatoren vorgesehen. Die Ausbruchsfläche mit Sohlgewölbe umfasst 87 m², jene mit Sohlplatte 78 m². Die T unnelabdichtung erfolgt mit einer auf einem Schutzvlies verlegten 2 mm starken PVC-Folie bis auf Höhe der Ulmendrainagen. Die Entwässerung des T unnels erfolgt nach dem T rennsystem, wobei die in den Ulmendrainagen gesammelten Bergwässer über Querausleitung der T unnelhauptentwässerung zugeführt werden. Die Fahrbahnwässer im T unnelbereich werden über kombinierte Putz- und Einlaufschächte im Abstand von 40 m eingezogen und einer im Bereich des T unnelostportals situierten Gewässserschutzanlage zugeführt. Sämtliche Elektro-, Sicherheits- und Lüftungstechnische Ausrüstungen entsprechen den Österreichischen RVS-Vorschriften. Als ein wesentlicher technischer Aspekt war im Zuge der T unnelprojektierung zu berücksichtigen, dass der Vortrieb in seinem westlichsten Abschnitt auf eine Länge von ca. 310 m die sog. Schönbergsiedlung unterfährt (Abb. 5). Die Überlagerung des T unnelquerschnittes zu den Gebäudefundamenten beträgt in diesem Bereich ca. 25 bis 80 m. Aus Vorerhebungen ist bekannt, dass die Gebäude teilweise auf Fels fundiert sind. Die Problematik des T unnelvortriebes in diesem Bereich liegt somit nicht in der Beherrschung von unerwarteten Setzungen, sondern vielmehr in der Minimierung der auf Grund des Sprengvortriebes induzierten Erschütterungen. Die für das Auffahren dieses T unnelabschnittes im Vorfeld durchgeführten Erkundungsmaßnahmen werden im Zuge des Vortrages noch erläutert. 88 M. Eder & Th. Stadlmann Baubeginn des Schönbergtunnels war am 01.12.1996. Mit dem Vortrieb wurde Mitte Februar dieses Jahres begonnen. Der Durchschlag des T unnels wird noch im November 1997 erfolgen, sodass mit einer Durchschnittsleistung für den Kalottenvortrieb von 10,50 m pro T ag für einen 3 km langen Tunnel unter nicht einfachen Randbedingungen eine beachtliche Leistung erzielt wurde. 2 Erkundungsprogramm Tab. 1: Vorerkundungsprogramm Schönbergtunnel in den Jahren 1993 bis 1996. Erkundungsprogramm 1993 Erkundungsprogramm 1995 Geologische Kartierung !"Beginn Hy drogeologische Beweissicherung !"Erkundungsstollen, L = 2829m, TBM Ø 3,60m, Vortriebszeit 3 Monate !"Versuchskalotte, L = 50m, Bereich Schönbergsiedlung: grossräumige Erschütterungsmessungen !"Detaillierte Geologische Dokumentation Geotechnisches Messprogramm Erkundungsprogramm 1994 Erkundungsprogramm 1996 !"Ref raktionsseismik - 10 Prof ile !"8 Kernbohrungen !"1. Mineralogisches Untersuchungsprogramm !"1. Felsmechanisches Laborprogramm !"1. Bergwasseruntersuchung !"Dilatometertests !"Bohrlochsprengv ersuche - Bereich Schönbergsiedlung !"Bautechnische Beweissicherung !"Dilatometertests !"2. Mineralogisches Untersuchungsprogramm !"2. Felsmechanisches Laborprogramm !"2. Bergwasseruntersuchung !"Stollenseismik !"Auswertung Tbm - Daten !"Beurteilung Der Gebirgslösung Sprengtechnisches Gutachten = Auswertung Versuchkalotte Die komplette Projektierung und Ausschreibung des Schönbergtunnels, sowie das gesamte Untersuchungsprogramm inkl. Planung, Ausschreibung und Bau des Erkundungsstollens konnte in nur 3 Jahren abgewickelt werden. Die T abelle 1 zeigt eine kurze Übersicht über das im Vorfeld der Errichtung des Schönbertunnels durchgeführte umfangreiche Erkundungsprogramm. Im Herbst 1993 wurde mit der geologischen Bearbeitung des Projektsbereiches begonnen und eine Kartierung im Maßstab 1: 5.000 durchgeführt. Weiters wurde mit der hydrogeologischen Beweissicherung der Wasserversorgungsanlagen gestartet. Im Jahr 1994 wurden refraktionsseismische Untersuchungen in den Portalbereichen, sowie eine Bohrkampagne, die 8 Kernbohrungen umfaßte, durchgeführt. Da bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt die Entscheidung für die Errichtung eines Erkundungsstollens gefallen ist, wurde das weitere Untersuchungsprogramm als erste generelle Erdundung und als Ausschreibungsgrundlage für den Erkundungsstollen durchgeführt. Dieses zu Gänze im Jahr 1994 abgewickelte Programm umfasste erste mineralogische Untersuchungen, eine erstes felsmechanisches Laborprogramm zur Verfizierung der Gesteinskennwere, eine erste Bergwasseruntersuchung, Dilatometertests in den Bohrlöchern, sowie Borlochsprengversuche im Bereich der Schönbergsiedlung. Weiters wurde eine umfangreiche bautechnische Beweissicherung, vor allem in der Schönbergsiedlung, sowie im Bereich der T unnelportale durchgeführt. Im Jahr 1995 wurde schließlich der 2829 m lange Erkundungsstollen mittels einer T unnelbohrmaschine mit Durchmesser 3,60 m aufgefahren. Die Gesamtvortriebszeit betrug 3 Monate, wobei eine Durchschnittsleistung von 43 m pro Arbeitstag und eine Spitzenleistung von 84 m pro Arbeitstag erreicht wurde. Im Zuge der Errichtung des Erkundungsstollens wurde im Bereich der Schönbergsiedlung eine 50 m lange Versuchskalotte aufgefahren, in der begleitet von großräumigen Erschütterungsmessungen umfangreiche sprengtechnische Untersuchungen durchgeführt wurden. Selbstverständlich wurde der Erkundungstollen intensiv geologisch dokumentiert und ein entsprechendes geotechnisches Messprogramm, insbesondere in der Versuchskalotte abgewickelt. Abgestimmt auf die Gesteinstypen, wurden im Erkundungsstollen an mehreren Stellen Kernbohrungen parallel, rechtwinklig und schiefwinklig zur Schieferungsrichtung ausgeführt. Umfahrung Schwarzach im Pongau - Schönbergtunnel 89 An Hand der gewonnenen Kerne wurden ein zweites mineralogisches Untersuchungsprogramm sowie ein zweites felsmechanisches Laborprogramm durchgeführt. In den Bohrlöchern des Erkundungsstollens wurden die Spannungs-Verformungs-Beziehungen des Gebirges durch Dilatometerversuche ermittelt. Besonders erwähnenswert im Zusammenhang mit dem Erkundungsprogramm war eine intensive Auswertung der T BM-Daten, welche im Weiteren die Grundlage für ein Gutachten zur Beurteilung der Gebirgslösung bildete. Weiters wurde im Zuge der T unnelausschreibung auch ein sprengtechnisches Gutachten für das Auffahren des T unnels im Bereich der Schönbergsiedlung auf Basis der Auswertung der Ergebnisse der Versuchskalotte erstellt. 3 Geologie und baugeologische Erkundung 3.1 Allgem eines Die baugeologische Erkundung für den Schönbergtunnel kann als Beispiel einer umfassenden Vorerkundung für ein T unnelbauvorhaben angesehen werden. Vom Auftraggeber - der Salzburger Landesregierung - wurden, im Wissen um den Nutzen einer fundierten geologischen Untersuchung des Baugrundes, umfangreiche Mittel zur Verfügung gestellt. Weiters konnte das beauftragte Büro für technische Geologie - Dr. FÜRLINGER - neben der Prognose auch die Dokumentation des Erkundungsstollens als wesentlichen T eil der gesamten Bearbeitung durchführen. Damit wurde ein direkter Vergleich der ersten Prognose für den Stollen mit dem aufgefahrenen Gebirge möglich, der sich für die Ausschreibung des Haupttunnels als sehr wertvoll erwies. Im Folgenden soll vorrangig ein Gesamtüberblick über die durchgefüührte Erkundung und deren Auswertung bis zur baugeologischen Prognose geben werden. 3.2 Problem stellung und Übersicht über die gesam te baugeologische Erkundung Vom baugeologischen Gesichtspunkt ist die Erkundung für den Schönbergtunnel in drei Phasen zu gliedern. Die erste Phase betraf die generelle Vorerkundung für das Projekt und die Prognose für den Erkundungsstollen. Die zweite Phase umfasste die Dokumentation des 2829 m langen Erkundungsstollens und einer 50 m langen Aufweitung auf den vorgesehenen Kalottenquerschnitt. In der dritten Phase waren die gesamten baugeologischen Daten der Vorerkundung und Dokumentation des Erkundungsstollens auszuwerten. Auf Basis dieser Auswertung war die baugeologische Prognose für die Ausschreibung des Schönbergtunnels zu erstellen. Abb. 8 gibt einen Überblick über die Erkundungsphasen und die zu klärenden Fragestellungen. Begleitend zur geologischen Bearbeitung war eine hydrogeologische Untersuchung durchzuführen. Diese betraf die Erhebung sämtlicher Wassernutzungen im Projektsgebiet, eine Abschätzung deren Gefährdung durch den tunnelbau sowie eine hydrogeologische Beweissicherung über mehrere Jahre. Mit der Beweissicherung wurde bereits ca. 1 Jahr vor Baubeginn des Stollens begonnen. 3.3 Geologische Rahm enbedingungen Das Projektsgebiet liegt im südlichen Randbereich der Salzburger Grauwackenzone. Die Grauwackenzone wird im S gegen das Penninikum durch die markante Salz achtalstörung begrenzt, die im Raum Schwarzach 1 bis 1,5 km SE des T unnels in WSW-ENE Richtung verläuft. Hauptbestandteil der Grauwackenzone sind hier Phyllite der "Höhe re n Wildschönaue r Schiefer", die auf Grund einer zunehmend kalkreicheren Sedimentationsentwicklung in Karbonatphyllite, Karbonatschiefer und Marmore überleiten. Diese Gesteinsabfolge wird dem Silur zugerechnet. 90 M. Eder & Th. Stadlmann Abb. 8: Links: Problemstellungen und zeitlicher Ablauf der Baugeologischen Erkundung für den Schönbergtunnel. Rechts: Übersicht über den Ablauf der Erkundung. 3.4 Phase 1 - Untersuchung für die Ausschreibung des Erkundungsstollens De taile rkundung Als erster Schritt der Detailerkundung wurde eine ge ologische Kartie rung des Projektgebietes bis ca. 500 m beiderseits der T unneltrasse im Maßstab 1:5000 durchgeführt. Das Projektsgebiet liegt linksseitig der bei Schwarzach WSW-ENE verlaufenden Salzach. Es umfasst die vom T alboden Richtung W und NW aufsteigenden T alflanken sowie die sanftwellig geformten Hochflächenbereiche von St. Veit und Schernberg. Die Hochfläche ist glazial stak überprägt. Der Felsuntergrund wird entlang der T alflanke durch geringmächtige Hangschutt- und T errassenablagerungen der Salzach, im Bereich der Hochfläche auch durch lokale Grundmoränenreste überdeckt. Der markante Einschnitt des Putzengrabens ist durch rückschreitende Erosion des Putzengrabenbaches entstanden und verläuft parallel zur Streichrichtung der Gesteinsschichten. Er teilt die Hochfläche in einen NE-T eil (St. Veit) und einen SW-Teil (Schernberg). Die Grabensohle wird vom Schönbergtunnel mit ca. 18m Überdeckung unterfahren. Die ge ologische Kartie rung ergab die erwartete Dominanz von phyllitischen Gesteinstypen (Schwarzphyllit, Graphitphyllit, Quarzphyllit und karbonatführende Phyllite) unterschiedlicher Ausbildung gegenüber Karbonatgesteinen (Kalk- und Dolomitmarmore, Karbonatschiefer). Gefügedatenauswertungen zeigten relativ einheitliche Lagerungsverhältnisse mit mittelsteilem Einfallen nach NE. Mit Großstörungen war nach dem Geländefund im T rassenbereich nicht zu rechnen. Abgesehen vom Putzengraben ist das Gebiet arm an Felsaufschlüssen. Als relativ kostengünstige Untersuchung des Untergrundes wurden daher großräumig entlang des T rassenbereiches re fraktionsse ismische Me ssunge n durchgeführt. Anhand der Kartierung und seismischen Messergebnisse wurden die Bohrpunkte für vorerst 8 Ke rnbohrunge n ausgewählt. Die ca. 430l fm Bohrkern wurden sorgfältig hinsichtlich der folgenden Parameter ausgewertet: !" Gesteinsart - Gesteinsartenwechsel - Mächtigkeit einzelner Gesteinsarten !" Verwitterungsgrad !" Zerlegungsgrad und Kernqualität (RQD 10-Index) !" T rennflächenbeschaffenheit !" Vorhandensein von Scherzonen, Mylonit IERUN GSBE n Salzach Schloß Schernberg WESTPORTAL 500 m Übersichtslageplan Schönbergtunnel mit Lage der Bohrpunkte und Seismikprofile. Die Kartierungsergebnisse wurden vereinfacht dargestellt (Quartär und Hangschutt abgedeckt).In brauner Farbe wurden Schwarzphyllit und Quarzphyllite, mit Lila Karbonatphyllite bis Karbonatschiefer und mit Blau Marmorzüge eingezeichnet. seismisches Profil REICH ST. VEIT Bohrpunkt KART 11 B3 0 Schönbergsiedlung Lageplan Umfahrung Schwarzach SCHÖNBERGTUNNEL SCHÖNBERGTUNNEL en be Abb. 9: OSTPORTAL Salzburg SCHWARZACH Petrographische Untersuchungen Kernbohrungen Refraktionsseismik Geologische Kartierung 1:5000 31 1 B Z ee mS ell a DETAILERKUNDUNG N tz Pu a gr 92 Abb. 9: M. Eder & Th. Stadlmann Vorherige Seite: Übersichtslageplan Schönbergtunnel mit Lage der Bohrpunkte und Seismikprofile. Die Kartierungsergebnisse wurden vereinfacht dargestellt (Quartär und Hangschutt abgedeckt).In brauner Farbe wurden Schwarzphyllit und Quarzphyllite, mit Lila Karbonatphyllite bis Karbonatschiefer und mit Blau Marmorzüge eingezeichnet. Kennzeichnend für das erbohrte Gebirge war ein oft kleinräumiger Wechsel von unterschiedlichen Phyllittypen. Graphitphyllitbereiche wiesen Scherzonen mit Glanzhrnischen, starke Verfaltung und häufig weiße, gang- und linsenförmige Quarz-Karbonatmobilisate auf. Röntgenographische T onmineraluntersuchungen von Proben aus Scherzonen ergaben nur Spuren quellfähiger T onminerale, die geotechnisch als unbedeutend einzustufen waren. Zusätzlich wurden an über 100 Bohrkernproben petrographische Untersuchungen mittels Elektronenmikrosonde, Röntgendiffraktometer, Dünnschliff- und Erzmikroskopie durchgeführt. Die Ergebnisse der geologischen Detailkartierung sind vereinfacht im Übersichtslageplan (Abb. 9) zusammen mit der Anordnung der seismischen Profile und Bohrpunkte dargestellt. Auswe rtung de s Ge birgsaufbaue s Die Detailerkundung ergab eine gute Kenntnis der geologischen Verhältnisse im Projektsgebiet - allerdings beschränkt auf den Bereich nahe der Geländeoberfläche. Die Kernbohrungen ermöglichten zwar einen Einblick in den Gebirgsaufbau in der T iefe, die Verhältnisse im T rassenbereich wurden jedoch nur nadelstichartig wiedergegeben. Da eine wesentliche Frage des T unnelplaners an den Baugeologen jedoch jene nach den Gebirgsverhältnissen direkt im Bereich des T unnels ist, musste der Gebirgsaufbau in der T iefe über weite Strecken aus den vorhandenen Daten abgeleitet werden. Die gesamte nachfolgende Beurteilung der Gebirgsverhältnisse und Prognose hängt verständlicherweise von einer guten Annährunge des Gebirgsmodelles an den tatsächlichen Gebirgsaufbau ab. Eine wesentliche Hilfestellung für die Interpretation ergaben die seismischen Messergebnisse. Aus der Lage der Refraktoren und den gemessenen P-Wellengeschwindigkeiten konnten Rückschlüsse auf den Verlauf der Felsoberfläche, die T iefe des Auflockerungs- bzw. Verwitterungsbereiches und eventuell vorhandener Schwächezonen gezogen werden. NE SW Vp (Refraktionsseismik) 5500m/s 4500m/s Erkundungsstollen 2500 2600 BL 6/93 (16 m SE d. Achse) Westportal Sc he rzo ne ? Sc he rzo ne ? Sc he rzo ne Goldegger SCH Landesstraße ÖNB ERG SIED LUN G BL 5/93 BL 4/93 (16,6 m NW d. Achse) (16,6 m NW d. Achse) 3500m/s 2700 2800 KARBONATGESTEINE (Karbonatphyllit, -schiefer, mit Kalkmarmorscherlinsen) PHYLLITE (vorwiegend karbonatfreier Graphitphyllit) Abb. 10: Trassenabschnitt Schönbergsiedlung: Interpretation des Gebirgsaufbaues unter dicht bebautem Gebiet. Auswertung einer geologischen Detailkartierung in Kombination mit Kernbohrungsaufnahmen und PWellengeschwindigkeiten aus refraktionsseismischen Meßprofilen. Umfahrung Schwarzach im Pongau - Schönbergtunnel 93 Beim Schönbergtunnel-Erkundungsstollen konnte auf Grund der weitgehend einheitlichen Lagerungsverhältnisse ein sehr einfaches Interpretationsmodell angewendet werden. Als Beispiel wurde der GebirgsHomogenbereich der Schönbergsiedlung in Abb. 10 dargestellt. Vorest wurden die in der dicht bebauten Siedlung teilweise nur lückenhaft vorhandenen Kartierungsergebnisse durch die Bohrergebnisse mittels Extrapolation der erbohrten Schichtgrenzen an die Geländeoberfläche ergänzt. Diese ergänzte Oberflächenkartierung konnte sehr gut mit den seismischen Messergebnissen - d.h. dem Verlauf der P-Wellengeschwindigleiten - korreliert werden. Beispielsweise wird in der Abb. 10 die Korrelationen von P-Wellendepressionen mit graphitischen Scherzonen deutlich. Hohe P-Wellengeschwindigkeiten korrelieren im Projektsbereich mit kompakteren Marmor- und Karbonatschieferzügen. Das auf diesem Weg abgeleitete Profil wurde nun entlang der Fallrichtungen bis auf Höhe des Stollens projiziert. Für qualitative Aussagen hinsichtlich des Gebirges auf Stollenniveau wurden in gleicher Weise mit den, für eine Gesteinsschicht spezifischen Parameter aus Seismik und Bohrungen verfahren. Auswe rtung de r Erkundungsdate n und Prognose für de n Erkundungsstolle n: Der erste Schritt war eine geologischeAuswertung des aufzufahrenden Gebirges, d.h. eine Abschätzung der vorliegenden Gebirgsverhältnisse nach Erfahrungswerten. Danach wurde diese Bewertung mit statistisch aufbereitetem Datenmaterial von baugeologisch relevanten Parametern abgestimmt, und jeder geologische Homogenbereich baugeologisch beurteilt. Zur Verfügung standen die drei Parametern, !" Vp-Verteilung innerhalb eines Homogenbereiches !" Zerlegungsgrad der repräsentativen Bohrkerne !" RQD-Werte des Bohrkerne Abb. 11: Auswertung und Gebirgstypenprognose des Trassenabschnittes „Schönbergsiedlung Nord“ : Die Grundlage ist die geologische Bewertung des Gebirgsaufbaus hinsichtlich des Stollenvortriebes. Wesentliche Hilfestellung bieten statistisch aufbereitete Parameter aus Refraktionsseismik (P-Wellengeschwindigkeit in m/s) und Kernbohrungen (Zerlegungsgrad gemäß ÖNORM B 4401 und RQD-10 Index). Diese Auswertung und Beurteilung ist die Basis für die Prognose der Gebirgstypen (gemäß ÖNORM B 2203; im Diagramm dargestellt in lfm Stollen) in diesem Stollenabschnitt. Abb. 12: Baugeologische Dokumentation des Erkundungsstollen-Vortriebes: CAD-Stollenband eines 100m-Abschnittes mit baugeologischen Eintragungen und eingebauten Stützmitteln. Umfahrung Schwarzach im Pongau - Schönbergtunnel 95 Abb. 12: (Vorherige Seite) Baugeologische Dokumentation des Erkundungsstollen-Vortriebes: CAD-Stollenband eines 100m-Abschnittes mit baugeologischen Eintragungen und eingebauten Stützmitteln. Diese Beurteilung führte zur Prognose der Gebirgstypen gemäß ÖNORM B2203 und deren mengenmäßige Verteilung im jeweiligen Homogenbereich. Die Abb. 10 zeigt als Beispiel den Abschnitt der Schönbergsiedlung. Die hier vorwiegend prognostizierten, günstigen Gebirgstypen A1 (standfest) und A2 (nachbrüchig) entsprechen den relativ guten geologischen Verhältnissen, den meist hohen P-Wellengeschwindigkeiten, sowie der vorwiegend geringen Zerlegung des Gebirges. Die Prognose berücksichtigte die gebirgsschonende Lösungsart mittels TBM, das geotechnisch sehr günstige runde Fräsprofil, sowie den kleinen Durchmesser des Erkundungsstollens von 3,6 m. Zusammenfassend wurde für den Erkundungsstollenvortrieb vorwiegend sehr günstiges bis günstiges Gebirge (A1 und A2) erwartet. In stärker tektonisch beanspruchten Bereichen sowie bei schleifenden Verschnitten der mechanisch am stärksten wirksamen Schieferungsflächen mit dem Stollen wurde gebräches bis stark gebräches Gebirgsverhalten vermutet. Graphitische Scherzonen wurden als potentiell druckhaftes Gebirge prognostiziert. Der Tunnelplaner setzte nun diese baugeologisch erarbeitete Gebirgstypenverteilung für die Ausschreibung des Erkundungsstollens in Fräsklassen um. 3.5 Phase 2 - Dokumentation Erkundungsstollen Während des ca. 3 monatigen TBM-Vortriebes wurde das aufgefahrene Gebirge täglich, teilweise auch in Tag- und Nachtschichten von Baugeologen im Form einer Abwicklung der Leibung aufgenommen. Die Aufnahme des Stollens stellte hohe Anforderungen an die Baugeologie. Die meist grauen bis dunkelgrauen und schwarzen Phyllit- und Karbonatgesteine wechselten oft rasch bzw. zeigten diffuse Übergänge und waren auf Grund der sehr variablen Quarz, Calcit und Dolomitgehalte nur mit dem nötigen Maß an Erfahrung aus der Vorerkundung petrographisch richtig anzusprechen. Zusätzlich treten Trennflächen und tektonische Strukturen in einem Frässtollen - bedingt durch die Lösetechnik in Form kleiner Gesteinschips wesentlich schwächer hervor als in konventionell mit Sprengvortrieb aufgefahrenen Stollen. Große Teile der Leibung sind beim TBM-Vortrieb durch Maschinenteile (Gripper, Maschinenstand, Förderband und Nachläufereinrichtungen) zeitweise nicht oder nur schwer einsehbar. Nach Ende des Fräsvortriebes wurde ein ca. 50 m langer Abschnitt des Stollens auf den späteren Kalottenquerschnitt aufgeweitet. Die Aufweitung sollte einerseits eine Beurteilung des Gebirgsverhaltens für den späteren Tunnelausbruch, andererseits wesentliche Erkenntnisse für den Tunnelvortrieb unter der Schönbergsiedlung hinsichtlich zu erwartender Sprengerschütterungen ergeben. Die gesamte Stollendokumentation wurde mittels CAD in Stollenbändern im Maßstab 1:200 dargestellt.Diese enthalten neben geologischem Längs- und Horizontalschnitt die Fräsklassenverteilung, die geologische Beschreibung von Homogenbereichen, sowie detaillierte Angaben über Scherzonen, Zerlegungsgrad und Bergwasser. Weiters sind die Gefügedaten, getrennt ausgewertet nach Schieferungsflächen, Kluftflächen und Störungen eingetragen. Zusätzliche Bestandteile sind die Beschreibung des Gebirgsverhaltens beim Fräsvortrieb und die eingebauten Stützmittel in Form einer Leibungsabwicklung sowie die Nachsicherungsbereiche.Das Stollenband bietet somit eine komplette Daetaildarstellung des aufgefahrenen Erkundungsstollens. 3.6 Phase 3 - Auswertung der Daten und Prognose für den Tunnelvortrieb Die Arbeitsschritte in der dritten Erkundungsphase sind schematisch in Abb. 13 dargestellt. Grundlagen für die Auswertung waren einerseits die Vorerkundungsergebnisse, andererseits die umfangreiche Dokumentation des Stollens. Als wichtiges Hilsfmittel zur Gebirgsbeurteilung stand eine refraktionsseismische Messung, die direkt entlang der Stollenleibung durchgeführt wurde, zur Verfügung. Weiters wurden die Fräsklassenverteilung und der Stützmittelbedarf beim Auffahren des Erkundungsstollens als Prognosekriterien für das Gebirgsverhalten beim Tunnelvortrieb herangezogen. Zur geotechnischen Einschätzung der aufgefahrenen Stollenbereiche standen die Vorausergebnisse umfangreicher felsmechanischer Untersuchungen an Bohrkernproben aus dem Erkundungsstollen zur Verfügung. 96 M. Eder & Th. Stadlmann Dieses Datenmaterial war baugeologisch auszuwerten und in eine Prognose hinsichtlich der beim Auffahren des Schönbergtunnels zu erwartenden Gebirgsverhältnisse, Gebirgsarten und Gebirgstypen gemäß ÖNORM B2203 umzusetzen. Abb. 13: Auswertungsschema des baugeologischen Teiles für die Ausschreibungsunterlagen: Die Grundlage bilden die Ergebnisse der Vorerkundung für den Erkundungsstollen und dessen detaillierte baugeologische Dokumentation. Zusätzliche Beurteilungshilfen bieten die Stollenseismik (durchgehende Refraktionsseismik im Erkundungsstollen), die beim Stollenvortrieb aufgefahrenen Fräsklassen, die TBM-Maschinendaten (Auswertung des 3-Linienschreibers) und die umfangreichen felsmechanischen Untersuchungen. Der komplexe Weg vom Datenmaterial zur Prognose soll an einem T unnelabschnitt als Beispiel aufgezeigt werden. Ähnlich wie für die Prognose des Erkundungsstollens wurde zuerst eine Bewertung der geologischen Verhältnisse, und nachfolgend eine statistische Auswertung von wesentlichen Gebirgsparametern durchgeführt und beurteilt.Die Bewertung ist zwecks übersichtlicher Zusammenschau in Form von Balkendiagrammen in einen Längsschnitt eingearbeitet worden (siehe Abb. 14). Umfahrung Schwarzach im Pongau - Schönbergtunnel 97 E W Talblicksiedlung 1000 STOLLENMETER GEBIRGSABSCHNITT 50 1100 1200 55 GEOLOGIE GEFÜGE / TRENNFLÄCHEN feucht BERGWASSER tropfend rinnend ZERLEGUNGSGRAD (gemäß ÖNORM B 4401 Teil 4) Z Z Z Z 1 2 3 4 SCHERZONENBEREICHE < 25 % S-FLÄCHEN MIT 25-50 % TONIGEN 50-75 % BESTEGEN >75 % MITTLERER STÖRUNGSABSTAND [m] >5m 3-5 m 1-3 m <1m MYLONIT-BESTEGE Abb. 14: Baugeologische Auswertung: Zusammenschau baugeologischer Parameter aus der Dokumentation des Erkundungsstollens und deren Bewertung hinsichtlich des späteren Tunnelvortriebes (Teil einer LängsschnittDarstellung). Die Bewertung einzelner Parameter erfolgte hier in 4 Gruppen, die mit unterschiedlichen Farben gekennzeichnet wurden: blau = sehr gute Verhältnisse, grün = relativ gute, gelb = mäßige und rot = schlechte Verhältnisse. Die graphische Zusammenstellung erlaubt eine sorgfältige Abschätzung jedes Gebirgsabschnittes mit Berücksichtigung aller wesentlichen Parameter. Weitere Beurteilungshilfen wie die P-Wellengeschwindigkeit aus der Stollenseismik, die aufgefahrenen Fräsklassen und der Stützmittelbedarf beim Vortrieb des Erkundungsstollens sind zusätzlich herangezogen worden (Abb. 15). Die Prognose der Gebirgstypen und deren Verteilung ist letztendlich eine Schlussfolgerung aus allen genannten Parameterauswertungen, die jedoch unterschiedlich zu gewichten sind. 98 M. Eder & Th. Stadlmann E W Talblicksiedlung 1000 1100 Stollenmeter STOLLENSEISMIK P-Wellengeschwindigkeit FRÄSVORTRIEBSKLASSE 6000 m/s 5500 m/s 5000 m/s F F F F 1 2 3 4 NACHSICHERUNG AUFWEITUNGSSTRECKE MESSQUERSCHNITTE Anker vereinzelt STÜTZAnkergruppen MITTELSpritzbeton EINBAU MQ 1009 (5 KV-Bolzen) C 55 1065 PROGNOSE 50 1015 GEBIRGSABSCHNITT B 1150 GEBIRGSBEREICH 1113m Bogenprofile U 100 A 2 - nachbrüchig B 1 - gebräch B 2 - stark gebräch C 2.1-leicht druckhaft C 2.2-druckhaft Abb. 15: Baugeologische Prognose der Gebirgstypen: Die Prognose der Gebirgstypen für den Tunnelvortrieb und deren Verteilung basiert vorwiegend auf der baugeologischen Auswertung des Erkundungsstollens (siehe vorhergehende Abbildung) unter Einbeziehung der abgebildeten Parameter aus dem Stollenvortrieb (Fräsklassen, erforderliche Stützmittel) und der Stollenseimik. Als Beispiel zeigt der unterste Balken der Abb. 15 die, für den jeweiligen Gebirgsabschnitt erstellte Prognose der Gebirgstypen. Hier sind bereits alle relevanten Parameter, z.B. die Stollenseismik und die Erfahrungen des Erkundungsstollenvortriebes mit der baugeologischen Beurteilung abgestimmt und berücksichtigt. Die Gesamtergebnisse und die prognostizierte Gebirgstypenverteilung wurden in einem baugeologischen Längsschnitt des T unnels im Maßstab 1: 2.000 schließlich übersichtlich eingetragen. Die baugeologische Prognose bildete den Abschluss der gesamten Erkundung für den Schönbergtunnel und in weiterer Folge die Grundlage für den Planer zur Ausarbeitung der Vortriebsklassen. Umfahrung Schwarzach im Pongau - Schönbergtunnel 99 4 Auswertung der TBM-Daten Gebirgsabschnitt 105-112 * D = Derbquarz Typ = Gesteinstyp 0 ,3 0 spez. Penetration 2 40 elektr. Leistung 2 20 1 80 1 60 D 0 ,2 0 D 1 40 1 20 0 ,1 5 1 00 80 0 ,1 0 el. Leistung [kW] 2 00 0 ,2 5 25 0 0 2 51 0 2 5 20 25 30 25 4 0 2 55 0 2 5 60 Typ 6 25 70 2 58 0 40 Typ 7 Typ 4 Typ 7 Typ 4 Typ 7 0 ,0 0 Typ 4 60 0 ,0 5 Typ 4 Typ 7 spez. Penetration [mm/Upm/kN] 0 ,3 5 20 Typ 6 0 2 59 0 26 00 Station [m] Abb. 16: Beispiel einer Auswertung des Dreilinienschreibers (TBM-Daten). Dargestellt sind spez. Penetration und elektrische Leistung in abhängigkeit der Stollenstationierung. Deutlich sind Gesteins- (z.B. D-Derbquarz) und Gebirgseinflüsse zu erkennen (aus: T HURO & B RODBECK 1998). Grundlage dieser Auswertung war, dass bereits in der Ausschreibung des Erkundungsstollens der Auftragnehmer verpflichtet wurde, einen geeichten und gewarteten sog. "3-Linien-Schreiber" auf der T unnelbohrmaschine zu installieren. Weiters musste der Auftragnehmer des Erkundungsstollens, es war dies die Fa. ILBAU, detaillierte Aufzeichnungen über die Meisselwechsel führen und diese ebenfalls dem Auftraggeber zur Verfügung stellen. Vom 3-Linien-Schreiber wurden der Vorschub [cm], der Anpressdruck [bar] und die Stromaufnahme [Ampere] aufgezeichnet. Diese Daten wurden parallel zu den Vortriebsarbeiten mittels eines im Ingenieurbüro Laabmayr & Partner erstellten EDV-Programmes ausgewertet. Folgende T BM-Vortriebskennwerte wurden in Zeit- und Stationsabhängigkeit dargestellt: !" Hub [m] !" Vorschubkraft gesamt [kN] !" elektrische Leistung [kW] !" Anpresskraft je Meissel [kN] !" Penetration [mm/U] !" Nettobohrgeschwindigkeit [mm/min] Die Kennwerte Penetration und Nettobohrgeschwindigkeit wurden nicht nur für jeden Hub, sondern als Mittelwert auch für jede Schicht ermittelt und auf dem Datenblatt festgehalten. Im Zuge der Beurteilung der Gebirgslösung wurden diese Daten dann mit der geologischen Dokumentation des Erkundungsstollen überlagert (Abb. 16). 4.1 Geologische, geotechnische und bautechnische Ausschreibungsgrundlagen Neben dem Datenmaterial, dass im Zuge der Erkundung für den Schönbergtunnel gewonnen wurde, und der daraus resultierenden baugeologischen Prognose, waren folgende wesentliche Projektsparameter bei der geotechnischen und bautechnischen Umsetzung in den Ausschreibungsgrundlagen zu berücksichtigen: !" das den Gebirgstypen der geologischen Prognose zuzuordnende Gebirgsverhalten !" das Löseverhalten des Gebirges !" die Ergebnisse der geotechnische Analyse und T unnelstatik, sowie !" der Vortrieb unter dem bebautem Gebiet in der Schönbergsiedlung 100 M. Eder & Th. Stadlmann Abb. 17: Ausschreibungsgrundlagen für den Haupttunnel 4.2 Gebirgstypen Entsprechend den ÖNORM B 2203 wurden Gebirgstypen gemäß T ab. 2 prognostiziert. Tab. 2: Prognostizierte Gebirgstypen im Schönbergtunnel Umfahrung Schwarzach. Typ Gebirgsklasse Anteil A2 nachbrüchig B1 gebräch 31,6 % B2 stark gebräch 38,1 % C2.1 leicht druckhaf t 16,6 % C2.2 druckhaf t 8,8 % 4,85% 4.3 Lösem ethoden Auf Grund der wurde für das Auffahren des Schönbergtunnels ein gebirgsschonender Sprengvortrieb nach den Grundsätzen der NÖT vorgesehen und ausgeschrieben. Der T unnel wird auch dementsprechend vorgetrieben, wobei in den weicheren Gebirgsformationen die Bohrlöcher im Abstand von 30 - 50 cm zum Ausbruchsprofil gesetzt werden. Nach der Sprengung wird hier mittels T unnelbagger die endgültige Ausbruchsgeometrie in sehr gebirgsschonender Weise hergestellt.. 4.4 Geotechnische Analyse Auf Basis der prognostizierten Gebirgstypen und dem erwartetem Gebirgsverhalten war für die geotechnische Umsetzung und die Erarbeitung der Vortriebsklassen besonders die räumliche Stellung der T rennflächen zum T unnel von Bedeutung. Vor allem im östlichen T unnelabschnitt kam es zu einem spitzwinkligen schleifenden Verschnitt zwischen T unnelachse und Streichrichtung der Schieferungsflächen. Auf Grund des mittelsteilen Einfallens der Schieferungsflächen waren somit im bergseitigen nördlichen Kämpferbereich mit plattigen Auflockerungen und Nachbrüchen zu rechnen. Diese Annahme hat sich im Zuge des Auffahrens dieses T unnelabschnittes voll bestätigt. Eine in diesem Zusammenhang im Zuge der Ausschreibung vorgesehene asymmetrische Ankerung zur Stabilisierung dieses Kämpferbereiches wurde mehrmals durchgeführt. Die auf Grund der Gefügeorientierung ebenfalls erwartete T endenz zu Nachbrüchen aus der Ortsbrust oberhalb der Firste des Erkundungsstollens wurde ebenfalls im Zuge des Vortriebes bestätigt. Mit einer Spritzbetonsicherung der Ortsbrust wurde hier jedoch das Auslangen gefunden. 4.5 Tunnelvortrieb unter bebautem Gebiet Um die Einflüsse des T unnelvortriebes im Bereich der Schönbergsiedlung abschätzen zu können, wurden sowohl im Zuge des Abteufens der Erkundungsbohrungen, als auch beim Vortrieb des Erkundungsstollens, umfangreiche Versuche und Untersuchungen durchgeführt. Umfahrung Schwarzach im Pongau - Schönbergtunnel 101 Die Erkundung der elastischen Übertragungseigenschaften des anstehenden Gebirges erfolgte durch Probesprengungen in den Bohrlöchern, im Erkundungsstollen und vor allem in der bereits erwähnten 50 m langen Versuchskalotte. Die verursachten Erschütterungen wurden durch, im Bereich der Schönbergsiedlung installierte Geophone gemessen. Auf Basis dieser Ergebnisse wurde für den T unnelvortrieb in diesem Bereich ein sprengtechnisches Gutachten ausgearbeitet das sowohl Abschlagslängenbeschränkungen als auch Lademengengrenzen für jede Zündzeitstufefestschreibt.Weiters wurde im Bereich der Schönbergsiedlung ein Nachtsprengverbot in der Zeit von 22:00 - 8:00 festgelegt. 5 Vortriebsklassen Zentrale Aufgabe der T unnelausschreibung war es, die baugeologische Prognose, sowie die geotechnischen und bautechnischen Grundlagen in Vortriebsklassen für die Ausschreibung umzusetzen. Grundlage dafür war die, seit 1. Oktober 1994 gültige österreichische Norm für Untertagebauarbeiten ÖNORM B 2203. Diese ÖNORM sieht grundsätzlich vor, dass über eine erste und eine zweite Ordnungszahl Matrixfelder, die sog. "Vortriebsklassen", definiert werden. Für jede dieser Vortriebsklassen ist in der Ausschreibung eine eigene Position vorgesehen, für welche die anbietende Firma einen Ausbruchspreis anzugeben hat. Darüber hinaus muss die Baufirma als Grundlage der Abrechnung der zeitgebundenen Baustellenkosten für jede Vortriebsklasse eine Vortriebsleistung in Meter/Arbeitstag angeben. Die erste Ordnungszahl definiert die Abschlagslängen im T unnel, wobei die zugehörigen, in der Ausschreibung festgelegten Abschlagslängenbereiche in der zweiten Spalte ersichtlich sind. Sie umfassen im Regelfall einen Bereich von ca. 50 cm (z.B. erste Ordnungszahl 4, Abschlagslängenbereich 1,81 - 2,30 m). Die zweite Ordnungszahl, die sog. Stützmittelzahl errechnet sich durch eine in der ÖNORM vorgegebene Bewertung der für den Vortrieb vorgesehenen Stützmaßnahmen. Grundsätzlich gilt hier, je höher der Stützmaßnahmenaufwand, desto größer die Stützmittelzahl. Als Grundtendenz lässt sich somit aus der Matrix ablesen, gute Gebirgsverhältnisse - große Abschlagslänge, kleine Stützmittelzahl, bzw. schlechte Gebirgsverhältnisse - geringe Abschlagslänge, großer Aufwand für Stützmaßnahmen und somit hohe Stützmittelzahl. Abb. 18: Vortriebsklassenmatrix Regelquerschnitt Kalotte. Abb. 18 zeigt als Beispiel, die Vortriebsklassenmatrix für die Kalotte des T unnelregelquerschnittes. Es ist daraus ersichtlich, dass die vorhin erwähnten Eingangsparameter in Summe zu 12 Vortriebsklassen geführt haben. Für jede der Vortriebsklassen wurde ein Stützmaßnahmenplan mit exakter Festlegung der jeweils vorgesehenen Stützmaßnahmen ausgearbeitet und der Ausschreibung beigelegt. Derartige Vortiebsklassen- 102 M. Eder & Th. Stadlmann matrizen waren auch für die Strosse und Sohle des T unnelregelquerschnittes und für Kalotte, Strosse und Sohle der Abstellnischenquerschnitte auszuarbeiten. Wie auf Abb. 19 erkennbar, waren als Besonderheit des Schönbergtunnels eigene Vortriebsklassenmatrizen für den T unnelabschnitt im Bereich der Schönbergsiedlung auszuarbeiten. Abb. 19: Vortriebsklassenmatrix Regelquerschnitte Kalotte unter der Schönbergsiedlung mit Nachtsprengverbot und sprengtechnischen Vorgaben. Diese unterscheiden sich von den Matrizen der übrigen T unnelabschnitte in erster Linie dadurch, dass die Vortriebsklassen für die erste Ordnungszahl zwei und drei, das sind die Abschlagslängenbereiche über 2,30 m, fehlen. Dies deswegen, da derartige Abschlagslängenbereiche auf Grund der Auflagen des sprengtechnischen Gutachtens für diesen Abschnitt nicht vorgesehen waren. Zu den rot dargestellten Vortriebsklassen der restlichen T unnelstrecke kamen weiters die grün dargestellten Vortriebsklassen, die speziell für den Bereich der Schönbergsiedlungunterfahrung gültig sind dazu. Mit diesen Vortriebsklassen sind gute Gebirgsbereiche erfasst, die einen geringen Stützmaßnahmenaufwand erfordern, wo jedoch die Abschlagslänge zur Reduzierung der Erschütterung beschränkt ist. Abschließend sind in Abb. 20 die beiden T unnelportale zum Zeitpunkt der Verkehrsfreigabe im Jahr 1999 zu sehen. Abb. 20: Westportal und Ostportal des Schönbergtunnels im Modell. Bohrbarkeit im Sprengvortrieb - Geologisch-geotechnische Grundlagen 103 Bohrbarkeit im Sprengvortrieb: Geologisch-geotechnische Grundlagen K. Thuro* Zusam m enfassung Die Bohrbarkeit des Gebirges wird durch unterschiedliche geologische und felsmechanische Parameter bestimmt. In diesem Beitrag werden die wesentlichen Abhängigkeiten zwischen den spezifischen Materialeigenschaften von Gestein und Gebirge und den meßbaren Parametern Bohrkronenverschleiß und Bohrgeschwindigkeit aufgezeigt. Neben den konventionellen felsmechanischen Kennwerten (Druck-, Zugfestigkeit und Elastizitätsmodul) wurde ein neues Maß für die Zähigkeit bezüglich der Bohrbarkeit von Gesteinen eingeführt: die spezifische Zerstörungsarbeit W Z. Die neue Auswertemethode ermöglicht es, den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Netto-Bohrgeschwindigkeit und den felsmechanischen Eigenschaften eines Gesteins besser als bisher nachzuvollziehen. Neben den felsmechanischen Parametern bilden die Einflüsse der geologischen Faktoren auf die Bohrbarkeit ein wesentliches Arbeitsthema. Abstract T he drillability of a rock mass is determined by various geological and mechanical parameters. In this report some major correlations of specific rock properties as well as geological factors with measured bit wear and drilling velocity are shown. Apart from conventional mechanical rock properties (compressive and tensile strength, Young's modulus) a new property for toughness/brittleness referring to drillability has been introduced: the specific destruction work W Z. T his new method makes it possible to understand better the connection between drilling velocity and the main mechanical rock character. Besides, there has been a focus on the geological influences of rock and rock mass on drillability. Knowledge of these relations and their causes is necessary to make the choice of drilling rigs easier, to estimate the working and drilling progress and - above all - to calculate drilling expenses. Geologische Parameter Machinenparamter Gestein & Gebirge Bohrausrüstung felsmechanische Eigens chaften Zustand des Gebirges Bohrhammer Sc hlagwerk Bohrgeschwindigkeit Bohrkrone Bohrbarkeit Bohrkronenverschleiß Baubetrieb Vortriebssystem & Logistik Bedienung & Ins tandhaltung der Bohrausrüstung Abb. 1: Schaubild zum Begriff „Bohrbarkeit“ - drei Haupteinflußbereiche lassen sich unterscheiden. 1 Einführung Bei den geotechnischen Voruntersuchungen zu großen T unnelprojekten steht üblicherweise die Vorhersage der Stabilität des auszubrechenden Hohlraums im Vordergrund. Probleme der Gebirgslösung, also des Ausbruchs oder der Gewinnung, fristen demgegenüber eher ein Schattendasein. * Dipl.-Geol. Dr. Kurosch Thuro, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, Ingenieurgeologie, ETH Hönggerberg, CH-8093 Zürich 104 K. Thuro Unter dem Begriff der Bohrbarkeit - der nicht streng definiert ist - verbirgt sich ein komplexes Wirkungsgefüge aus Ursachen und Wirkungen. Üblicherweise wird unterschieden !" zwischen dem Bohrfortschritt (Bohrgeschwindigkeit) - also einem Leistungskriterium !" und dem Verschleiß - z.B. dem Verbrauch von Werkzeugstahl, meist der Bohrkronen (sog. Meißelverschleiß). Dazu können noch Erschwernisse kommen, die sich durch das Gebirge beim Bohrvorgang selbst oder erst beim Besetzen der Bohrlöcher ergeben, z. B. in gestörtem oder quellfähigem Gebirge. Diese Erschwernisse werden häufig bei der Diskussion der Gebirgslösung außer acht gelassen, können jedoch unter ungünstigen Bedingungen für die Wirtschaftlichkeit ausschlaggebend sein. Es lassen sich drei Haupteinflußbereiche unterscheiden, welche die Gebirgslösung beeinflussen (Abb. 1): $" Gestein und Gebirge mit ihrer Ausbildung und den geotechnischen Parametern, $" die Gerätschaft bzw. die Maschinen mit denen der Ausbruch erfolgt und deren technische Daten $" und der Baubetrieb mit seiner Logistik, dem Ineinandergreifen der Bauabfolgen und letztlich der Mannschaft, die die Geräte bedient und wartet. Die erzielbare Ausbruchsgeschwindigkeit und ebenso der Verschleiß der Geräte und Werkzeuge ist zunächst von der verwendeten Ausrüstung abhängig: von System und Leistung des Bohrhammers und von Materialgüte und Bauform der Bohrkrone. Die Auswahl der Ausrüstung wird entscheidend von den geologischen Gegebenheiten beeinflußt. Gestein und Gebirge - sozusagen die geologischen Faktoren - bestimmen durch ihre spezifischen Materialeigenschaften (Mineralzusammensetzung, felsmechanische Eigenschaften, Ausbildung des Gesteins im Gebirgsgefüge) entscheidend die Bohrleistung, den Verschleiß und eventuelle Probleme beim Bohren und Besetzen der Bohrlöcher. Der dritte Faktor ist der Baubetrieb, dem bei Betrachtungen der Bohrbarkeit oft zu wenig Beachtung zukommt. Ohne ein funktionierendes Vortriebssystem und ohne eingespielte Mannschaft können trotz modernster und effektivster Bohrverfahren keine hohen Vortriebsleistungen erzielt werden - von unsachgemäßer oder nachlässiger Bedienung der Bohrgeräte gar nicht zu reden. Geotechn ische Einflußfaktoren bei der Gebirgslösung Abb. 2: Gestein Gebirge Gesteinszusammensetzung Trennflächengefüge - Abstände, Aus bildung, Mineralbestand - Abras ivität Verzahnungsgrad Durchtrennungsgrad Anisotropie - Orientierung, Ausbildung Bindemittel Primärspannungszustand Raumausfüllung - Dichte Festigkeit - Druck~, Zug~, Sc her~ Verwitterung nach Art und Umfang hydrothermale Zersetzung Zähigkeit - elastoplastisches Verhalten Quellvermögen und weitere Besonderheiten Schlüsselfaktoren Gestein Schlüsselfaktoren Gebirg e äquivalenter Quarzgehalt Porosität bzw. Trockenrohdichte Trennflächenabs tände Orientierung der Schieferung Zerstörungs arbeit Verwitterungs- bzw. Zersetzungsgrad Point-Load-Index (Druc kfestigkeit) Bes onderheiten Übersicht über die geologischen und geotechnischen Einflußfaktoren bei der Gebirgslösung. Zur Abschätzung der Vortriebsgeschwindigkeit gehören neben dem Baubetrieb vor allem das geomechanische Gebirgsverhalten, welches die Art und den Umfang der Sicherungsmaßnahmen bestimmt. Über die Ermittlung von Nettobohrgeschwindigkeiten können Abschlagszeiten oder Vortriebsleistungen abgeschätzt werden. Dazu sind sowohl eine Reihe von technischen Faktoren erforderlich als auch die Gesteins- und Gebirgseigenschaften (Abb. 2). Die Prognose des Verschleißes ist eine weitere Problemstellung, die im wesentlichen auf die Ermittlung der mineralogischen Zusammensetzung, den Verzahnungsgrad des Mikrogefüges, die Art des Bindemittels und die Qualität der Kornbindung sowie der Porosität zurückgeht. Neben Verschleißindices (z.B. dem Cerchar Abrasivitäts Index CAI) ist der äquivalente Quarzanteil beispielsweise ein wichtiger Indikator (GEHR ING 1995, T HUR O & SP AUN 1996 a). Bohrbarkeit im Sprengvortrieb - Geologisch-geotechnische Grundlagen 105 Die in Abb. 2 genannten Schlüsselfaktoren von Gestein und Gebirge sind gut meßbare Einflußparameter, von denen einige im vorliegendem Beitrag besonders herausgearbeitet werden. 2 Maschinenparameter 2.1 Bohrgeräte Beim konventionellen Bohr- und Sprengvortrieb kommen heute zum Bohren der Sprenglöcher durchwegs gummibereifte, dieselangetriebene, elektro-hydraulische Bohrwägen verschiedener Ausführungen mit zwei bis drei Bohrarmen und meist zusätzlich einer Hebebühne zum Einsatz. In der Abb. 3 ist ein moderner Bohrwagen des Herstellers AT LAS -COP C O mit 2 Bohrarmen, bestückt mit je einem Bohrhammer COP 1838ME (20 kW) und einer Arbeitsplattform zu sehen. Abb. 3: Bohrwagen Atlas-Copco Rocket Boomer 352S-1838 mit zwei Bohrlafetten und einer Hebebühne (aus: AtlasCopco Firmenprospekt, 1998) Die auf den Bohrwägen eingesetzten Bohrhämmer lassen sich entsprechend ihrer Leistung in die folgenden Kategorien einteilen (T ab. 1). Tab. 1: Übersicht über die wichtigsten Kategorien derzeit im Tunnelbau einsetzbarer Schlagbohrhämmer (nach Firmenunterlagen) Kategorie 15 kW-Bohrhämmer 20 kWBohrhämmer Schlagw erk-optimierte 20 kW-Bohrhämmer Typenbezeichnung COP 1238 COP 1440 series COP 1838, 1840, 1850 series Schlagfrequenz 40-60 Hz 60-70 Hz 60 Hz Drehzahl 0-300 U/min 0-300 U/min 0-300 U/min max. Drehmoment 500 Nm 500 Nm 540 Nm 2.2 Bohrverfahren Der Ausgangspunkt für die untersuchten Größen ist das Bohrverfahren: Das hydraulische Drehschlagbohren besitzt als Bohrverfahren im konventionellen Bohr- und Sprengvortrieb heute Standardcharakter. In Abb. 4 ist der Aufbau eines Bohrgeräts bestehend aus Bohrhammer, Einsteckende, Lafette, Bohrstange und Bohrkrone schematisch dargestellt. Das wesentliche Leistungsmerkmal für die Untersuchungen zur Bohrbarkeit ist die Schlagenergie des verwendeten Bohrhammers. Die vier wichtigsten Parameter zu seiner Charakterisierung sind Drehzahl, Vorschub, Schlagzahl und Spüldruck. Für Vergleiche unterschiedlicher T unnelvortriebe müssen diese Größen weitestgehend identisch sein - d. h. neben der Kontrolle der Einstellungen am Bohrwagen selbst muß darauf geachtet werden, daß möglichst nur gleiche Bohrhämmer und Spülwasserdrücke miteinander verglichen werden. Zusammen mit den Parametern Schlagfrequenz, Drehzahl, Drehmoment und Vorschub - welche auf die jeweilige Hammerleistung abgestimmt sind - bildet die Schlagleistung den maßgeblichen maschinentechnischen Faktor neben dem Bohrkronentyp. 106 K. Thuro Abb. 4: Abb. 5: Schematische Illustration des hydraulischen Drehschlagbohrens. Die wichtigsten Parameter sind als Piktogramme dargestellt. Stifttform Eigenschaften rund (sphärisch) ! "nicht aggressive" Form ! geringe Bohrgeschwindigkeiten ! geringer Vers chleiß ! Lösev organg hs. schlagend durc h Kerbwirkung Gesteine mit hohen Druck festigkeiten und hoher Abrasivität typ.: Granite, Gneise, Amphibolite, Quarzite (semi-) ballistisch ! "aggressive" (Parabol-) Form ! mittlere Bohrgeschwindigkeiten ! mittlerer Verschleiß ! Lösev organg hauptsächlic h scherend - spanend Gesteine mit mittleren Druck festigkeiten und geringer Abras iv ität typ.: kristalline Schiefer, Sandsteine, Kalk e, verwitterte Gesteine konisch (ballistisch) ! "sehr aggress ive" Form ! höchs te Bohrgeschwindigkeiten ! höchs ter Verschleiß ! Lösev organg hauptsächlic h scherend - spanend Gesteine mit geringen Druck festigkeiten und geringer Abras iv ität typ.: Tons chiefer, mürbe Sandsteine, Phy llite Anwendung Formen von Hartmetallstiften in Bohrkronen und ihre Eignung in verschiedenen Gesteinen. Muschelkalk Quarzphyllit [m/min] Bohrgeschwindigkeit [m/min] [%] 2,4 100 2,6 2,4 2,2 90 2,2 2,0 80 2,0 1,8 70 6 x 45 s 7 x 45 s 8 x 45 s 8 x 45 b Stiftbo hrkr one n Abb. 6: 9 x 45 s 9 x 45 b 6 x 45 s 7 x 45 s 8 x 45 s 8 x 45 b 9 x 45 s 9 x 45 b Stiftbo hr kron en Bohrgeschwindigkeiten in Abhängigkeit des Bohrkronentyps am Beispiel von Muschelkalk (links) und Quarzphyllit (rechts). Zeichenerklärung: z.B. 9 x 45 b = 9-Stiftkrone, ∅ 45 mm, b - ballistisch; s - sphärisch). Bohrbarkeit im Sprengvortrieb - Geologisch-geotechnische Grundlagen 107 2.3 Bohrkronen Die Bohrkrone ist der T eil der Bohrausrüstung, der die Zerkleinerungsarbeit ausführt. Sie besteht aus einem Werkzeugträger aus Werkzeugstahl, in den die eigentlichen Werkzeugeinsätze aus Hartmetall (W IDIA , MOHS ' sche Härte 9,5) eingelassen sind (Abb. 7). Die im modernen T unnelbau üblicherweise verwendeten Hartmetalleinsätze sind in Form von Stiften hergestellt und können runde, parabelförmige oder kegelförmige Form aufweisen. Die Stiftform beeinflußt wesentlich die Bohrgeschwindigkeit und das Verschleißverhalten (vgl. T HUR O & SP AUN 1996 a). Abb. 7: Variationsmöglichkeiten bei der Auslegung von Bohrkronen für das Bohren von Sprenglöchern beim konventionellen Bohr- und Sprengvortrieb im Tunnelbau (zusammengestellt von P LINNINGER (o.J.) nach verschiedenen Herstellerangaben). Die Bohrkronen für die Sprenglöcher weisen im allgemeinen - abhängig vom Durchmesser der Sprengstoffpatronen - einen Durchmesser von 43 bis 45 mm, seltener 38 mm auf; Kronen mit 48 mm Durchmesser wer- 108 K. Thuro den üblicherweise für SN-Ankerlöcher verwendet, kurze und daher schlanke Swellexanker erfordern einen Durchmesser von 43 mm. Die verschiedenen Bauformen der Bohrkronen unterscheiden sich durch Anzahl und Form der Stifte sowie die Anzahl und Anordnung der Spüllöcher. Dabei gibt es keine für jedes Gestein gleich optimale Bohrkrone (Abb. 5). Vielmehr muß für das jeweils zu bohrende Gestein ein Kompromiß aus Bohrkronenstandzeit und erzielbarer Bohrgeschwindigkeit gewählt werden, wobei dem höheren Bohrfortschritt immer häufiger der Vorzug gegeben wird. Beispielsweise zeigten die ballistischen 9-Stiftkronen in den meisten zähen jedoch weniger festen Gesteinen wie Phylliten, Schiefern, mürben Sandsteinen und verwitterten Gesteinen häufig den höchsten Bohrfortschritt gegenüber sphärischen 9-, 8-, 7-, oder 6-Stifttypen. Das liegt sicher an der eher schneidendscherenden Wirkungsweise der relativ spitzen Stifte (Abb. 6). 2.4 Bohrvorgang Schlagen Ausgehend vom Bohrverfahren soll hier - soweit es für das Verständnis notwendig ist - ganz kurz auf den physikalischen Bohrvorgang eingegangen werden. Er liefert wichtige Hinweise für die Auswahl der Untersuchungsmethoden. Bei Studien mit Hochgeschwindigkeits-Fotografie und Auswertung von Gesteinsdünnschliffen aus dem Bereich unter den Diskenmeißeln von T unnelbohrmaschinen wurden drei wichtige Zerstörungsmechanismen festgestellt. Diese Ergebnisse dürften weitestgehend auch auf den Zerstörungsmechanismus unterhalb einer Stiftbohrkrone übertragbar sein. Rotation Bohrkrone Stift Rotation Stift 3 1 3 2 2 2 0 1 Zermalmungszone Abb. 8: 2 Radialrisse 5 10 mm 3 losgelöste G esteinssplitter Schematische Illustration des physikalischen Bohrvorgangs beim Drehschlagbohren. Zerstörungsmechanismus unterhalb eines Bohrkronenstifts. Im Gestein wird um den Berührungspunkt des Bohrkronenstifts ein Spannungszustand aufgebaut, bei dem vier wichtige Zerstörungsmechanismen zu unterscheiden sind (Abb. 8): !" Unter einem Kronenstift entsteht eine Zermalmungszone aus feinem Bohrstaub (Druckbeanspruchung). !" Ausgehend von dieser Zermalmungszone bilden sich Radialrisse im Gestein (induzierte Spaltzugbeanspruchung). !" Ist die Spannung im Gestein hoch genug bzw. existieren genügend Risse parallel zur Bohrlochsohle, so werden größere Splitter vom Gestein abgeschert (Scherbeanspruchung). !" Zusätzlich ist diese Beanspruchung zyklisch-dynamisch. Bohrbarkeit im Sprengvortrieb - Geologisch-geotechnische Grundlagen 109 Durch den Bohrvorgang wird deutlich, daß neben der Druck- und Zugfestigkeit (schlagende Beanspruchung) und der Scherfestigkeit (drehende Beanspruchung, untergeordnet dabei Zugbeanspruchung) auch die Elastizitätseigenschaften des zu bohrenden Materials eine wichtige Rolle spielen. Streng genommen durchbohrt die Krone damit immer bereits „vorgebrochenes“ Gestein. Konkret heißt dies, daß es notwendig sein wird, sich auch mit dem Post-failure-Bereich beim Bruchvorgang zu beschäftigen, um dem Zerstörungsmechanismus beim Bohrvorgang näher zu kommen. Der obigen Darstellung des physikalischen Bohrvorgangs ist zunächst der Fall eines isotropen, homogenen Gesteins zugrundegelegt. Bei inhomogenen, anisotropen Gesteinen haben die Anordnung und die Eigenschaften von Mineralkörnern oder Komponenten im Gestein und die Orientierung des T rennflächengefüges im Gebirge d. h. die Anisotropie, einen großen Einfluß auf die Gebirgslösung (T HUR O & SP AUN 1996 b). 3 Bohrbarkeitsparameter 3.1 Bohrgeschw indigkeit und Verschleiß An Untersuchungen vor Ort haben sich zwei Leitparameter als besonders aussagekräftig erwiesen: !" Die (Netto-) Bohrgeschwindigkeit für den Bohrfortschritt !" die Standzeit der Bohrkronen quantitativ als Lebensdauer einer Bohrkrone stellvertretend für den Verschleiß in einem Gestein oder Gebirge !" und der qualitative Verschleiß der Bohrkronen aufgrund des Verschleißtyps. Als wichtigster Leitwert der Bohrbarkeit gilt der Bohrfortschritt in einem bestimmten Gebirge. Die Bohrgeschwindigkeit (DIN 20301) wird aus der Nettobohrzeit ermittelt, die benötigt wird, um ein Sprengloch herzustellen. Demgegenüber haben sich die Bohrzeit (Zeit, um einen Abschlag zu bohren) und die Vortriebsleistung als weniger günstig erwiesen, um die Zusammenhänge mit gesteinstechnischen Parametern nachzuweisen. Der Bohrkronenverschleiß läßt sich quantitativ als Standzeit der Bohrkrone bis zum notwendigen Auswechseln erfassen. Die Standzeit berechnet sich aus den gebohrten Laufmetern (Spreng- und Ankerlöcher), die durch die Anzahl der verbrauchten Bohrkronen geteilt werden. Richtiger müßte dieser Parameter nach DIN 20301 Gesteinsbohrtechnik als Gesamtstandlänge bezeichnet werden. Dieser Ausdruck hat sich jedoch im allgemeinen Sprachgebrauch auf der Baustelle nicht durchgesetzt. Abb. 9: Bohrfortschritt Bohrgeschwindigkeit = Bohrkronenverschleiß Standzeit = Bohrlochtiefe Meter Nettobohrzeit Minute Gesamt-Bohrmeter Meter Anzahl Bohrkronen Krone Bestimmung von Bohrgeschwindigkeit und Bohrkronenverschleiß als Meßgrößen für die Bohrbarkeit. Einen wichtigen Hinweis auf die Abrasivität eines Gesteins stellt die Analyse der abgenutzten Bohrkronen dar. Der Verschleiß der Bohrkronen tritt in drei Grundformen auf, die je nach Ausbildung des Gebirges miteinander kombiniert sind: !" Verschleiß der Hartmetallstifte (Höhenverschleiß) !" Verschleiß des Bohrstahls (Kaliber- oder Durchmesserverschleiß) !" Abbrechen von Stiften als Folge zu hoher Scherbelastung Bei stark abrasiven und sehr harten Gesteinen, z. B. bei Quarziten, Gangquarzen, verkieselten Gesteinen, frischen Graniten und Gneisen, kommt es durch den hohen Quarzgehalt zur verstärkten Abnutzung der Hartmetallstifte der Bohrkrone. Die randlichen W IDIA -Einsätze werden dabei entsprechend der Form der Bohrlochwandung bzw. Bohrlochsohle zugeschliffen . Bei abrasiven, aber wenig harten Gesteinen, z. B. bei verwitterten Graniten oder bei Sandsteinen, wird der Bohrstahl (Werkzeugträger) durch den Quarzgehalt weit stärker abgenutzt als die Hartmetallstifte (Werk- 110 K. Thuro zeugeinsätze). Als Folge der Schleifwirkung des Bohrschmants nimmt der Kronendurchmesser (Kaliber) rasch ab, was bis zum Herausfallen oder -brechen der Stifte führen kann, wenn die Bohrkrone nicht rechtzeitig ausgewechselt wird. Kommt es des öfteren zum Festbohren oder Verklemmen der Bohrkrone an der Bohrlochsohle oder zum Anschlagen gegen harte Komponenten, so entstehen durch diese Scherbelastung Risse im Hartmetall, die bis zum Bruch des Einsatzes führen können. T ypischerweise tritt dies aufgrund klaffender oder tonig-schluffig gefüllter Klüfte und aufgrund besonders harter Quarzit- und Gangquarzgerölle in Konglomeraten und Fanglomeraten (mit weicher Matrix) auf. Verschleißcharakteristik von Stiftbohrkronen 1 Normaler Verschleiß Verschleiß der Hartmetallstifte - Abstumpfung 2 Kaliberverschleiß + Sonderformen 2 a) Verschleiß des Trägermaterials (v.a. Schaft) 2 b) trompetenartige Erweiterung der Spüllöcher 2 c) Verlust der Mittelstifte (Trompetenbildung) 3 Sprödbruch Bruch von Stiften aufgrund hoher Scherbelastung 4 Totalausbruch Herausreißen von Stiften aus dem Trägermaterial 5 Totalverschleiß Abnutzung der Bohrkrone bis zur Basis der Stifte 6 Kronenschaftbruch Bruch des Schafts unterhalb des Stiftbereichs Abb. 10: Verschleißcharakteristik von Bohrkronen - 6 Verschleißklassen können unterschieden werden. kristalline Schiefer und Gneise (4) Totalausbruch Kalk- & Mergelsteine (2) Kaliberverschleiß 36% (3) Sprödbruch 24% 27% 46% 24% 10% (5) T otalverschleiß 8% 4% (3) Sprödbruch (6) Schaftbruch (2) Kaliberverschleiß (1% ) (1) Normalverschleiß Sandsteine mit hoher F estigkeit 12% (4) Totalausbruch (5) Totalverschleiß (1) Normalverschleiß (6) Schaftbruch (2%) Sandsteine mit geringer Festigkeit (2) Kaliberverschleiß 6% (3) Sprödbruch (2) Kaliberverschleiß (4) Totalausbruch 23% 12% (3) Sprödbruch 7% 37% 16% 38% 33% 9% 13% 9% (4) Totalausbruch (5) Totalverschleiß (1) N ormalverschleiß (5) Totalverschleiß (6) Schaftbruch (1% ) (6) Schaftbruch (2%) (1) Normalverschleiß Abb. 11: Qualitativer Verschleiß von Bohrkronen: Charakteristische Verschleißformen in vier beispielhaften Gesteinsgruppen. Bohrbarkeit im Sprengvortrieb - Geologisch-geotechnische Grundlagen 111 Dieser Verschleiß kann auch „selbst“ verursacht werden. Wird die bereits eingebaute Sicherung durchbohrt (Spritzbeton mit Baustahlmatten, Entlang/Vorbeibohren an Stahlbögen) oder werden Anker mit der Bohrlafette eingeschoben, so kann dies zur gleichen Verschleißform der Bohrkrone (Stiftbruch) führen. Eine Folge von Kaliberverschleiß oder Stiftbruch kann der T otalverschleiß sein: Ist die Krone bereits stark abgenutzt, so reißt das herausgebrochene Hartmetallstück, das nicht zermahlen und mit dem Bohrschmant herausgefördert werden kann, durch die Rotation noch weitere Stifte aus dem Werkzeugträger. Das Ergebnis ist die sehr rasche und vollständige Zerstörung der Bohrkrone. Da der Bohrfortschritt fast schlagartig auf Null absinkt, muß die restliche Energie des Anpreßdrucks von Einsteckende und Bohrstange absorbiert werden, die ein solches Ereignis oft nicht ohne Bruch überstehen (Bruchkatastrophe). Diese Grundtypen lassen sich noch weiter spezifizieren und in insgesamt 6 Verschleißklassen unterteilen (Abb. 10). Um den Schadensursachen bzw. qualitativen Zusammenhängen zwischen Verschleiß und Gestein auf den Grund zu gehen, werden in der Regel die ausgewechselten Bohrkronen (jeweils etwa 100 Stück) gemäß ihrer Verschleißform nach den Kriterien der Abb. 10 klassiert und der prozentuale Anteil jeder Klasse für die untersuchten Gesteine ermittelt. Als Beispiel für eine Interpretation der charakteristischen Verschleißformen unterschiedlicher Gesteine wurden in Abb. 11 vier Gesteinsgruppen in Form von T ortendiagrammen zusammengestellt: Bei Kalk- & Mergelsteinen dominieren T otalausbrüche von Hartmetallstiften aus der Bohrkrone zusammen mit T otalverschleiß (als Folge von T otalausbruch) und Sprödbrüchen von Stiften gegenüber Normalverschleiß, Kaliberverschleiß und Schaftbrüchen. Dies kommt hauptsächlich daher, weil durch den geringen äquivalenten Quarzanteil die Bohrkronen fast nicht abgenutzt werden, sondern vor ihrer möglichen Lebensdauer durch Gewaltschäden zerstört werden. Diese Gewaltschäden werden meist durch das Bohren in die bereits bestehende Sicherung entlang von Stahlbögen und durch Baustahlmatten hindurch verursacht sowie durch das Einschieben von Ankern mit der Bohrlafette. Ein Beispiel hierfür sind Kalkmergel, die mit ca. sehr gering e rk ba r h Bo Bohrgeschwindigkeit [m/min] 5 4 ht ni c i rk rw ve l ic ht l ei no rm al ch t it sehr hoch hoch A 3 sc hw er 2 ex sc trem hw er 1 se hr sc hw er mittel ht ni c ht li c k r i rw ve Bohrhammer COP 1440 - 20 kW gering Bohrgeschwindigkeit gering mittel hoch sehr hoch extrem hoch Verschleiß sehr gering 0 0 500 Sandsteine Konglomerate & Fanglomerate 1000 1500 Standzeit [m/Krone] 2000 Kalk- & Mergelsteine A - Anhydrit Phyllite & Gneise Marmore 2500 Quarzite Amphibolite Glimmerschiefer Abb. 12: Klassifikationsdiagramm einiger Gesteine für den 20 kW-Bohrhammer COP 1440. Ergebnisse aus 10 Tunnelprojekten. 112 K. Thuro 20% äquivalentem Quarzanteil nur eine durchschnittliche Standzeit von ca. 1000 m pro Krone aufweisen. Bei kristallinen Schiefern und Gneisen dominiert der Kaliberverschleiß gegenüber Normalausbruch, Sprödbruch, T otalausbruch und T otalverschleiß. Bei den Sandsteinen wurde in vorliegendem Beispiel zwischen Sandsteinen mit hoher und solchen mit niedriger Festigkeit unterschieden. Während die harten Sandsteine einen charakteristisch hohen Normalverschleiß (bei niedrigen Standzeiten) erzeugen, tritt bei den mürben Sandsteinen eher der Kaliberverschleiß (bei hohen Standzeiten) auf. Der große Anteil von T otalverschleiß ist auf ein tendenziell zu spätes Auswechseln der Bohrkronen zurückzuführen. 3.2 Klassifikation der Bohrbarkeit Oftmals stellt sich in der Baupraxis die Frage, welche Bohrgeschwindigkeiten oder Bohrkronenstandzeiten auf eine erschwerte Bohrbarkeit hindeuten. Dazu kann das hier vorgestellte Klassifikationsdiagramm (THUR O 1996) verwendet werden. Die ermittelten Wertepaare von Bohrgeschwindigkeit und Bohrkronenstandzeit können in das Diagramm (Abb. 12) eingetragen werden. Das Diagramm zeigt als Referenzwerte verschiedene Gesteinstypen (d.h. im allgemeinen das zugehörige Gebirge mit seiner speziellen Ausbildung), die in verschiedenen T unnelprojekten mit einem 20 kW-Bohrhammer durchörtert worden sind. Die beiden linearen Einteilungen von Verschleiß und Bohrgeschwindigkeit spannen eine Matrix auf, die alle Kombinationen der beiden Größen erlaubt. Deshalb wurden die Felder in den Abbildungen derart verlängert, daß beispielsweise auch sehr hohe Bohrgeschwindigkeiten und ein mittlerer Verschleiß bzw. mittlere Bohrgeschwindigkeiten und geringer Verschleiß ebenfalls als normal bohrbar bezeichnet werden. Die zusätzlich eingezeichnete Korrelationskurve gibt einen T rend der verknüpften Parameter an: Er besagt, daß in der Regel hoher Verschleiß auch mit einer geringen Bohrgeschwindigkeit verbunden ist, niedriger Verschleiß mit hoher Bohrgeschwindigkeit. Diese Regel wird dabei überwiegend von Kalken durchbrochen, die durch ihren geringen bis sehr geringen Verschleiß und ebenfalls durch ihre mittleren bis geringen Bohrgeschwindigkeiten auffallen. Obwohl es T endenzen für schwer bohrbare Gesteine gibt, kann keine der abgebildeten Gesteinsgruppen pauschal als schwer oder leicht bohrbar bezeichnet werden. Vielmehr liegt dies in den geotechnischen Eigenschaften der Gesteine begründet. 4 Geotechnische Einflußgrößen Die Zusammenhänge zwischen wichtigen felsmechanischen Parametern und der Bohrgeschwindigkeit bzw. dem Bohrkronenverschleiß sind ausführlich in T HUR O (1996) bearbeitet worden. Hier soll ein kurzer Überblick über die wesentlichen Kenngrößen genügen. Die wichtigsten petrographischen bzw. felsmechanischen Parameter sind: %"Der äquivalente Quarzanteil erwies sich als hochsignifikanter Parameter bezüglich der Standzeit der Bohrkronen. %"Die spezifische Zerstörungsarbeit erwies sich als hochsignifikanter Parameter bezüglich der Bohrgeschwindigkeit. Dabei müssen die Leistungsdaten der verwendeten Bohrhämmer berücksichtigt werden. %"Die einaxiale Druckfestigkeit erwies sich als signifikanter Parameter bezüglich der Bohrgeschwindigkeit. Dabei müssen ebenfalls die Leistungsdaten der verwendeten Bohrhämmer berücksichtigt werden. Zu den wichtigsten geologischen Einflußgrößen zählen: %"der Durchtrennungsgrad, der in Form der Kluftabstände berücksichtigt werden kann %"die Anisotropie als Orientierung der Schieferung bezüglich der Bohr- oder Belastungsrichtung %"die Inhomogenität des Gebirges - z.B. der Wechsel zwischen festen und weichen Lagen bzw. harten Komponenten in weicher Matrix oder umgekehrt, %"der Verzahnungsgrad im Mikrogefüge, der im Dünnschliff beschrieben werden kann %"die Porosität und Qualität des Bindemittels in Sandsteinen %"die Verwitterung und die hydrothermale Zersetzung, welche analoge Auswirkungen wie die Verwitterung auf das Gebirge hat Bohrbarkeit im Sprengvortrieb - Geologisch-geotechnische Grundlagen 113 4.1 Bohrgeschw indigkeit Neben den konventionellen felsmechanischen Kennwerten einaxiale Druckfestigkeit, Elastizitätsmodul und Spaltzugfestigkeit wurde ein neuer Kennwert eingeführt: die spezifische Zerstörungsarbeit W z. Die Zerstörungsarbeit stellt ein neues Maß für die Zähigkeit bezüglich der Bohrbarkeit von Gesteinen dar. Anders als das Verhältnis von Druck- zu Zugfestigkeit ergibt die Zerstörungsarbeit einen mechanischen Parameter für die Arbeit, die aufgewendet werden muß, um einen Prüfkörper vollständig zu zerstören (Abb. 13). sprödes σ zähes Bruchverhalten einaxiale Druckspannung σ Pre-failure-Bereich Post-failure-Bereich Hüllkurve Einaxialer Druckversuch Zerstörungsarbeit W z= σ d ε εmax ε Längsdehnung ε εmax Abb. 13: Spannungs-Verformungs-Kurven eines spröden und eines zähen Prüfkörpers. Eingezeichnet sind die Belastungszyklen, die Hüllkurve über die Bruchscheitel und das Kurvenintegral über die grau unterlegten Flächen. Während der Verformungs- oder Elastizitätsmodul die Steigung des lineraren Kurvenabschnitts im Spannungs-Verformungsdiagramm beim einaxialen Druckversuch angibt, berechnet sich die Zerstörungsarbeit aus der zugehörigen Fläche unter der Arbeitslinie. Als Produkt von Druckfestigkeit und Längenänderung stellt sie gewissermaßen die Formänderungsarbeit bis über den Post-failure-Bereich dar. Die maximale Längsdehnung εmax ist dabei diejenige maximale Längsdehnung des Prüfkörpers, die noch bei einem Bruch, also bei Entstehung einer freien Oberfläche, entstand. Die Restfestigkeit eines mehr oder weniger zerbrochenen Materials, welches nur noch über Reibung mit einem Druckanstieg reagiert, soll damit von der Bestimmung der Zerstörungsarbeit ausgeschlossen werden. Die Zerstörungsarbeit hat sich in der Praxis als der wichtigste Parameter zur Untersuchung der Bohrgeschwindigkeit herausgestellt. In Abb. 14 ist deshalb die Bohrgeschwindigkeit in Abhängigkeit der Zerstörungsarbeit aufgetragen. Der hohe Wert des Bestimmtheitsmaßes (R²=85%) belegt die hohe Güte der Korrelation. Der am häufigsten verwendete Parameter zur Korrelation mit der Bohrgeschwindigkeit stellt jedoch nach wie vor die einaxiale Druckfestigkeit dar. Die einaxiale Druckfestigkeit hat den Vorteil, daß sie auch über indirekte Versuche, insbesondere den Point-Load-T est, ermittelt werden kann. Die deutlichen Ausreißer in Abb. 15 zeigen an, daß die Druckfestigkeit alleine nicht geeignet ist, die Bohrgeschwindigkeit vorherzusagen. Der Zusammenhang ist wesentlich weniger signifikant als beim Diagramm der Zerstörungsarbeit. Die Möglichkeit einer Prognose wird in T HUR O 1997 weiter ausgeführt. In den Diagrammen der Abb. 16 ist die Bohrgeschwindigkeit gegen einige weitere felsmechanische Parameter für den 20 kW-Bohrhammer COP 1440 aufgetragen. Dabei zeigt nur die Spaltzugfestigkeit eine mäßige Signifikanz der Korrelation. Sowohl das Verhältnis der Druck- zur Zugfestigkeit - in der Literatur oft als „Zähigkeit“ bezeichnet - als auch der Elastizitätsmodul zeigen schlechte Werte für das Bestimmtheitsmaß und damit keine Signifikanz des Zusammenhangs. Demgegenüber zeigt die T rockenrohdichte der Gesteine sogar noch eine bessere Korrelation. 114 K. Thuro Bohrgeschwindigkeit 5 Bohrgeschwindigkeit [m/min] COP 1440 - 20 kW sehr hoch 4 hoch 3 Anzahl der Werte: n=64 Kurvengleichung: y=a+b·ln x a = 6,08 b = -0,72 Standardabweichung: mittel 2 gering 1 20 70 sehr gering 3 00 yσ(n-1) = 0,33 m/min Korrelationskoeffizient: R=0,922 Bestimmtheitsmaß: R2=85% (p < 0,001%) 0 0 100 200 300 Zerstörungsarbeit Wz 400 500 [kJ/m3] Abb. 14: Bohrgeschwindigkeit, aufgetragen gegen die Zerstörungsarbeit. 20 kW-Bohrhammer COP 1440 mit Klassifizierung der Bohrgeschwindigkeiten und statistischen Maßzahlen. Bohrgeschwindigkeit 5 Bohrgeschwindigkeit [m/min] COP 1440 - 20 kW sehr hoch Anzahl der Werte: n=24 Kurvengleichung: 4 hoch 3 y=a+b·ln x a=5,42 b= -0,70 Standardabweichung: mittel yσ(n-1) = 0,50 m/min Korrelationskoeffizient: gering R=0,804 2 1 10 0 0 30 20 40 135 60 80 100 120 sehr gering Bestimmtheitsmaß: R2=63% (p = 0,002%) 140 einaxiale Druckfestigkeit UCS [MPa] Abb. 15: Bohrgeschwindigkeit, aufgetragen gegen die einaxiale Druckfestigkeit. 20 kW-Bohrhammer COP 1440 mit Klassifizierung der Bohrgeschwindigkeiten und statistischen Maßzahlen. 4.2 Bohrkronenverschleiß Die Standzeit der Bohrkronen wird am stärksten durch den äquivalenten Quarzanteil bestimmt. Im Gegensatz zum Quarzgehalt stellt er die Gesamtheit aller Minerale, bezogen auf die Schleiffestigkeit von Quarz, dar. Diese Berechnungsmethode wird von Bohrstahlherstellern und Ingenieurbüros gleichermaßen verwendet. Die Abrasivität eines Gesteins wird durch den gesamten Mineralbestand, seine Struktur und T extur bestimmt. Nach verschiedenen Autoren (z.B. SC HIM AZEK & KNAT Z 1970, 1976, GUNSALLUS & KULLHAWY 1984) steigt die Abrasivität mit dem Anteil an schleißscharfen Mineralen, vornehmlich Quarz. Obwohl Quarz mit seiner MOHS ´schen Härte von 7 und seiner weiten Verbreitung in Gesteinen als das am stärksten abrasiv wirkende Mineral gegenüber Bohrwerkzeugen gilt, sind auch alle anderen Minerale als verschleißrelevant anzusehen, die eine MOHS ´sche Härte größer ist als diejenige von Werkzeugstahl (ca. MOHS 5,5) besitzen. Darüberhinaus dürfen jedoch auch Minerale mit geringerer Härte aufgrund ihrer Schleifwirkung nicht völlig außer acht gelassen werden. Deshalb wird die Berechnung eines äquivalenten Quarzanteils durchgeführt: die Gesamtheit der den Verschleiß bestimmenden Minerale als Summe ihrer Prozentanteile mal ihrer Schleiffestigkeit bezogen auf Bohrbarkeit im Sprengvortrieb - Geologisch-geotechnische Grundlagen 5 Bohrgeschwindigkeit [m/min] Bohrgeschwindigkeit [m/min] 5 4 3 2 1 y=a+b·ln x yσ(n-1) = 0,50 m/min n=24 R2=63% 4 3 2 1 y=a+b·ln x 0 yσ(n-1) = 0,82 m/min n=24 R2=2,5% 6 16 0 0 2 4 6 8 10 12 0 2 4 Spaltzugfestigkeit SPZ [MPa] 8 10 12 14 18 20 "Zähigkeit" Z=UCS/SPZ [ - ] 5 Bohrgeschwindigkeit [m/min] 5 Bohrgeschwindigkeit [m/min] 115 4 3 2 1 y=a+b·ln x 4 3 2 1 yσ(n-1)= 0,72 m/min n=23 R2=26% y=a+b·x yσ(n-1)= 0,68 m/min n=24 R2=33% 0 0 0 10 20 30 40 50 2,0 60 Elastizitätsmodul [GPa] 2,2 2,4 2,6 2,8 3,0 Trockenrohdichte D [g/m 3] Abb. 16: Bohrgeschwindigkeit (mit dem 20 kW-Bohrhammer COP 1440), aufgetragen gegen die Spaltzugfestigkeit, das Verhältnis von Druck zur Zugfestigkeit („Zähigkeit“ ), das Elastizitätsmodul und die Trockenrohdichte. Zusätzlich angegeben sind einige statistische Parameter (yσ(n-1) = Standardabweichung, n = Anzahl der Werte, R² = Bestimmtheitsmaß). Quarz. Diese Berechnungsmethode wird von den großen Bohrstahlherstellern 1 und Planern 2 bzw. Ingenieurbüros3 verwendet und auch von SC HIM AZEK & KNAT Z (1970) vorgeschlagen. Dabei bestimmen maßgeblich Minerale ab einer MOHS ´schen Härte von 5,5 (≈Stahl) den Verschleiß. Die Bestimmung des äquivalenten Quarzanteils erfolgt über die Schleifhärte nach Rosiwal nach folgender Formel: äQu = ∑ Ai ⋅ Ri n i= 1 mit Ai - Anteil der Mineralart i (nach Modalanalyse) Ri - Schleifhärte der Mineralart i nach ROS IW AL in Prozent von Quarz n - Anzahl aller Minerale Bei der Bestimmung der Schleiffestigkeit (hier gleichgesetzt mit der Schleifhärte) der Minerale bezieht man sich dabei auf die Arbeiten von ROS IW AL (1896, 1916). Den Zusammenhang zwischen Ritzhärte nach MOHS und Schleifhärte nach ROS IW AL gibt Abb. 17 wieder. Mit dem Diagramm lassen sich auch von solchen Mineralen die Schleifhärten abschätzen, die nicht durch Rosiwal im Versuch bestimmt worden sind. Die Streuung kommt zum einen durch die Mischkristallbildung einzelner Mineralfamilien, durch die unterschiedliche Härte entlang einzelner Spaltflächen (Kristallanisotropie) sowie durch Unterschiede in der Verwitterungs- oder Zersetzungsresistenz der Minerale zustande. Der Bezug auf ein technisches Härteprüfverfahren (z. B. Vickers-Härte) wäre zwar grundsätzlich möglich, da auch hier ein guter Zusammenhang besteht. Allerdings existieren bei keinem der gängigen technischen Ver- 1 2 3 z. B. Atlas Copco MCT AB; Sandvic Coromant z. B. TIWAG - Tiroler Wasserkraftwerke AG, frdl. Mittl. von Dr. T ENTSCHERT z. B. Büro für Baugeologie Dr. JACOBS, frdl. Mittl. von Dr. JACOBS; GEOTEST, frdl. Mittl. von Dr. B ÜCHI 116 K. Thuro fahren (Vickers, Brinell, Rockwell) Mineralhärte-Bestimmungen in ausreichendem Maße, da es sich bei ihnen hauptsächlich um Stahlprüfverfahren handelt. Lediglich die Vickers-Härte ist beim T esten von Kohle weit verbreitet. 9 Ritzhärte nach Mohs 8 Quarz 7 6 5 4 3 2 1 y = 2.12 + 1.05·ln x yσ (n-1)= ½ n=24 R2 =95% 0 1 10 100 Schleifhärte nach Rosiwal 1000 Abb. 17: Schleifhärte nach R OSIWAL (Mittelwerte), aufgetragen gegen Ritzhärte nach MOHS in einem halblogarithmischen Diagramm. Eingezeichnet ist eine logarithmische Regressionskurve (erscheint als Gerade) mit statistischen Maßzahlen. Einzelkurven aller Gesteine Verschleiß 2500 Porosität in Sandsteinen Standzeit [m/Krone] 2000 hydrother male Zersetzung sehr gering gering 1500 mittel 1000 hoch Hauptast 500 sehr hoch extrem h. 0 0 20 40 60 äquivalenter Quarzanteil [%] Sandsteine Konglomerate & Fanglomerate Kalk- & Mergelsteine 80 Phyllite & Gneise Marmore hydrothermal zersetz te 100 Quarzite Amphibolite Glimmerschiefer Granite & Gneise Abb. 18: Standzeit der Bohrkronen, aufgetragen gegen den äquivalenten Quarzanteil. Die Werte sind in Gesteinsgruppen zusammengefaßt und in Einzelkurven gezeichnet Werte aus 10 Tunnelprojekten. Im Diagramm der Abb. 18 sind Bohrkronenstandzeit und äquivalenter Quarzanteil von verschiedensten untersuchten Homogenbereiche (Gesteine bzw. Gebirge) gegeneinander aufgetragen. Dabei wird deutlich, daß sich das Diagramm genau betrachtet aus drei Zweigen zusammensetzt, die getrennt diskutiert werden müssen: Bohrbarkeit im Sprengvortrieb - Geologisch-geotechnische Grundlagen 117 !" einem Hauptast, der aus den Werten von Kalken, Konglomeraten, Fanglomeraten, Phylliten und Gneisen besteht, !" einem dem Hauptast ± parallelen Nebenast, der aus den Werten von hydrothermal zersetzten Gesteinen gebildet wird und !" einem steil stehenden Nebenast, der die Werte von Sandsteinen repräsentiert. Im Diagramm der Abb. 19 wurde der äquivalente Quarzanteil als Grundlage für die Klassifizierung der Gesteine des „Hauptastes“ verwendet. Die Grenzen der Klassen sind als Werte gerundet an der x-Achse angegeben. Durch die breite Streuung - die Standardabweichung wurde gestrichelt eingezeichnet - sind die Bereichsgrenzen notgedrungen unscharf. Zu den Gesteinen des Hauptastes gehören Gesteine mit mineralischer Kornbindung wie beispielsweise Kalke, Mergel, Fanglomerate und Konglomerate, Phyllite, Schiefer und Gneise. Bei angegriffener Kornbindung z. B. durch Verwitterung oder hydrothermale Zersetzung, wandern die Bereichsgrenzen etwas in Richtung der höheren Standzeiten. Mit der Einstufung nach dem Hauptast ist man jedoch auf der „sicheren Seite“ . Das Diagramm der Sandsteine (Abb. 20) zeigt, daß die Gefügefestigkeit - und damit bei Sandsteinen hauptsächlich die Porosität - der maßgebliche Parameter für die Standzeit darstellt. Prinzipiell erlauben diese Diagramme auch eine Prognose, die den bisher ermittelten Wertebereichnicht überschreiten sollte (T HUR O 1997). Hauptast Verschleiß 2500 sehr gering Kurvengleichung: y=a+b·ln x 2000 Standzeit [m/Krone] Anzahl der Werte: n=22 gering 1500 mittel 1000 hoch a=3131 b= -624 Standardabweichung: y σ(n-1) = 144 m/Krone Korrelationskoeffizient: R=0,976 Bestimmtheitsmaß: 500 sehr hoch 5% 15% 0 0 30% 20 40 60 R2=95% (p < 0,001%) extrem hoch 70% 80 100 äquivalenter Quarzanteil [%] Abb. 19: Einteilung des Verschleißes (Bohrkronenstandzeit) nach dem äquivalenten Quarzanteil für die Gesteine des „Hauptastes“ (Gesteine mit Korn-Korn-Bindung) mit statistischen Maßzahlen. S andsteine Verschleiß 2500 ton iges Bind emitte l Standzeit [m/Krone] 2000 s te P o ig en r os d e i tä t sehr gering Anz ahl der Werte: n=8 gering Kurv engleichung: y=a+b·ln x a=11030 b= -2334 1500 hoch Standardabweic hung: yσ(n-1) = 233 m/Krone Korrelationskoeffizient: R=0,924 sehr hoc h Bestimmtheits maß: R2 =83% (p = 0,15% ) mittel 1000 si likatisc hes Bindem ittel 500 40% 50% 40 50 60% 75% 90% extre m hoch 0 30 60 70 80 90 100 äquivalenter Quarzanteil [%] Abb. 20: Einteilung des Verschleißes (Bohrkronenstandzeit) nach dem äquivalenten Quarzanteil für Sandsteine (Gesteine mit Bindemittel) mit statistischen Maßzahlen. 118 K. Thuro 5 Geologische Einflußfaktoren Geologische Faktoren üben großen Einfluß auf die Bohrgeschwindigkeit aus. Zu den wichtigsten Einflüssen gehören !" die Klüftigke it bzw. der Durchtrennungsgrad des Gebirges, !" die Anisotropie des Gebirges - z.B. die Lage der Schieferung und Schichtung zur Bohrrichtung und !" die Inhomoge nität des Gebirges - z.B. der Wechsel zwischen festen und weichen Lagen bzw. harten Komponenten in weicher Matrix oder umgekehrt, !" die Porosität und Qualität des Bindemittels in Sandsteinen !" Veränderungen im Gebirge, wie Verwitterung, hydrothermale Zersetzung oder Verkieselung. Im Folgenden können aufgrund der gebotenen Kürze nur die Klüftigkeit und die Anisotropie behandelt werden (vgl. T HUR O 1996). 5.1 Klüftigkeit - Einfluß des Durchtrennungsgrades Als Indiz für den räumlichen Durchtrennungsgrad wurde in der Abb. 21 der mittlere Kluftabstand zum Vergleich mit der Bohrgeschwindigkeit verwendet. Als Beispiel dient ein sehr homogen ausgebildeter Muschelkalk. Das Diagramm zeigt, daß die Bohrgeschwindigkeiten im Bereich zwischen mittel- und sehr weitständigen Kluftabständen in etwa konstant sind. Der Einfluß wird erst bei engständiger Klüftung überhaupt spürbar und ab dichtständiger Klüftung deutlich; in Störungszonen konnten sich die Bohrgeschwindigkeiten sogar verdoppeln. Charakteristisch ist die Zunahme der Streuung mit enger werdenden Kluftabständen. Die Ursache ist sicher darin zu suchen, daß die Einschätzung der Kluftabstände an der gerade aktuellen Ortsbrust vorgenommen wurde, die Verteilung der Kluftscharen vor der Ortsbrust jedoch nicht zu sehen ist. [%] 5 180 4 sehr hoch 160 Kluftabstände groß gegen die Dimension des Bohrlochs 140 3 hoch 120 Zufallen von Bohrlöchern die Regel 100 2 80 200 cm mittel gering sehr weit 63 cm weit 20 cm mittel 6,3 cm eng 2 cm sehr dicht Störung 0,6 cm dicht Bohrgeschwindigkeit [m/min] 200 Kluftabstände Abb. 21: Bohrgeschwindigkeit, aufgetragen gegen den Kluftabstand von Mittlerem Muschelkalk. Als Ergebnis ist zu erkennen, daß ein Einfluß des Durchtrennungsgrades erst deutlich wird, wenn die Kluftabstände in die Dimension des Bohrlochdurchmessers rücken (∅ 45 mm, dichtständige Klüftung). Der weitaus größte Einfluß ist in Störungsnähe zu verzeichnen. Ungewöhnlich hohe Bohrgeschwindigkeiten weisen zum Beispiel in einem Gestein auch auf einen hohen Durchtrennungsgrad beziehungsweise eine Störungszone hin. Ist der Durchtrennungsgrad zu groß, kommt es oft zum Verklemmen der Bohrstange im instabil gewordenen Bohrloch. Dieser Effekt ist jedoch üblicherweise dem der Geschwindigkeitszunahme quantitativ unterlegen. Allerdings kann es in gestörtem Gebirge immer wieder vorkommen, daß die Sprenglöcher bis zum Besetzen bereits zufallen, so daß sie nachgebohrt werden müssen. Diese unangenehme Störung des Betriebsablaufs macht den Zeitgewinn durch die Beschleunigung des Bohrvorgangs wieder zunichte. Hohe Bohrgeschwindigkeiten sind daher eher als Warnsignal vor Störungszonen und den damit üblicherweise verbundenen Stabilitätsproblemen im ausgebrochenen Hohlraum zu werten. Bohrbarkeit im Sprengvortrieb - Geologisch-geotechnische Grundlagen 119 5.2 Anisotropie - Einfluß der Schieferung Der Einfluß der Anisotropie auf die Bohrgeschwindigkeit ist am deutlichsten in geschieferten Gesteinen zu erkennen. Im nachfolgenden Beispiel wird die Winkelabhängigkeit von der Orientierung der Schieferung an den Gesteinen des Innsbrucker Quarzphyllits vorgestellt (Inntaltunnel, T HUR O & SP AUN 1996 b). Die Winkelabhängigkeit von einaxialer Druckfestigkeit und spezifischer Zerstörungsarbeit wird in der Regel mit Hilfe von orientiert gewonnenen Zylinderproben im einaxialen Druckversuch ermittelt. Um die Spaltzugfestigkeit in Abhängigkeit von der Orientierung der Schieferung zu erhalten, mußte die Schieferung zwischen den Grenzfällen „parallel“ und „rechtwinklig“ durchrotiert werden. Die Werte zwischen diesen Grenzfällen sind als Scherfestigkeiten entlang einer erzwungenen Scherfläche zu werten. Allerdings entspricht diese Versuchsanordnung am ehesten der Beanspruchung an der Bohrlochsohle beim Bohrvorgang. In den Diagrammen wurden die Kurven für einen Quarzphyllit mit ebenen, glatten Schieferungsflächen (hochgradige Anisotropie; durchgehende Linie) und für einen Quarzphyllit mit welligen Schieferungsflächen (starke Anisotropie; gestrichelte Linie) dargestellt. Das linke Diagramm in Abb. 22 zeigt die Abhängigkeit der einaxialen Druckfestigkeit von der Orientierung der Schieferung. Die Kurve weist ein typisches Minimum bei ca. 60° auf, das mit der fehlenden seitlichen Einspannung des Prüfkörpers begründet werden kann: Die geringste Druckfestigkeit wird in den Versuchen immer dann ermittelt, wenn die Schieferung in etwa diagonal zu den Stirnflächen durch den Prüfkörper verläuft. Die höchsten Druckfestigkeiten treten immer senkrecht zur Schieferung auf, parallel werden dagegen nur etwa 80-90% erreicht. Bei Prüfkörpern im parallelen Lastfall können während des Versuchs typische T rennbrüche parallel zur Schieferung beobachtet werden. Die Zugkräfte, welche im Prüfkörper rechtwinklig zur Belastungsrichtung auftreten, könnten so der Grund für das (vorzeitige) Versagen und die etwas niedrigeren Druckfestigkeiten sein. Im Diagramm der spezifischen Zerstörungsarbeit ist eine ganz ähnliche Kurvenform zu sehen (Abb. 22, rechts). Das Minimum tritt ebenfalls bei etwa 60° auf, allerdings werden die höchsten Werte der Zerstörungsarbeit durchwegs parallel zur Schieferung gemessen. Dies stimmt mit der Beobachtung bei der Versuchsdurchführung überein: Beim parallelen Lastfall werden die höchsten Verformungen und das ausgeprägteste Post-failure-Verhalten gemessen. Im linken Diagramm der Abb. 23 ist die Spaltzugfestigkeit (bzw. Scherfestigkeit) gegen den Winkel der Einfallsrichtung der Schieferung aufgetragen. Dabei wird eine stetige Abnahme der Zugfestigkeit (bzw. Scherfestigkeit) deutlich. Die geringsten Festigkeiten treten erwartungsgemäß rechtwinklig zur Schieferung (90°) auf. Die Bohrgeschwindigkeit zeigt im rechten Diagramm der Abb. 23 ein analoges Verhalten zur Spaltzugfestigkeit: Die hohen Bohrgeschwindigkeiten korrespondieren mit niedrigen Spaltzugfestigkeiten bei Beanspruchung rechtwinklig zur Schieferung (niedrige Zugfestigkeiten bei 90°), die niedrigen Bohrgeschwindigkeiten mit den hohen Spaltzugfestigkeiten parallel zu ihr (hohe Zugfestigkeiten bei 0°). Ist die Schieferung also rechtwinklig zur Bohrrichtung orientiert, so ist der Scherwiderstand gering - gleichbedeutend mit einer geringen Zugfestigkeit rechtwinklig zur Schieferung - und die Bohrgeschwindigkeit hoch. Liegt dagegen die Arbeitsrichtung parallel zur Schieferung, so ist der Scherwiderstand und damit die Zugfestigkeit gleichermaßen hoch, die Bohrgeschwindigkeit deutlich geringer (bis zu 40%). Im Gegensatz zum Spaltzugversuch (oder Scherversuch) ist der einaxiale Druckversuch - mangels seitlicher Einspannung des Prüfkörpers - offensichtlich nicht in der Lage, den Bohrvorgang an der Bohrlochsohle zu simulieren. Es wird deshalb eine Überlagerung der beiden Zerstörungsmechanismen an der Bohrlochsohle vermutet, die sich bei unterschiedlicher Lage der Schieferung unterschiedlich stark auf die Lösbarkeit auswirkt. In der Folge kann dieses Phänomen möglicherweise auf ein geometrisches Problem zurückgeführt werden. %" Die schlagende Beanspruchung erzeugt Mikrorisse im Gestein. Da parallel zur Schieferung die geringsten Festigkeiten auftreten, sind die Mikrorisse entlang der Schieferungsflächen sicher länger ausgebildet als senkrecht zu ihnen. Die Lagen senkrecht zur Schieferung werden deshalb wahrscheinlich nur von kurzen Mikrorissen durchtrennt. %" Bei der scherenden Beanspruchung werden die bereits latent angelegten Splitter weggedrückt. Im Falle der Orientierung der Schieferung rechtwinklig zur Bohrachse können große, längliche Splitter abgeschert werden. Senkrecht zur Schieferung ist ein Abscheren von langen Splittern nicht möglich, da die Mikrorisse zu kurz sind. In der Folge müssen eher gedrungene Splitter abgelöst werden, die in der Summe eine größere Bohrarbeit verlangen. 120 K. Thuro %" Mit steigendem Winkel zwischen diesen beiden Grenzfällen rechtwinklig bzw. parallel 0 < β < 90° müßte aus geometrischen Gründen die Größe der Splitter in etwa eine Funktion des Cosinus des Zwischenwinkels sein. %" Bei der Spaltzugfestigkeit ist die tatsächliche Zugbeanspruchung σz ebenfalls eine Funktion des Cosinus des Zwischenwinkels. Analog lassen sich auch die Kurvenformen in den Diagrammen der einaxialen Druckfestigkeit und Zerstörungsarbeit abschnittsweise erklären. 90 75 Winkel zur Schieferung 90 75 100 100 60 60 80 45 60 30 40 15 20 0 0 Prozent der Zerstörungsarbeit Prozent der Druckfestigkeit Winkel zur Schieferung 80 45 60 30 40 15 20 0 0 Abb. 22: Abhängigkeit der einaxialen Druckfestigkeit und der Zerstörungsarbeit von der Einfallsrichtung für einen Quarzphyllit mit ebenen, glatten Schieferungsflächen (hochgradige Anisotropie; durchgehende Linie) und mit welligen Schieferungsflächen (starke Anisotropie; gestrichelte Linie). Winkel zur Schieferung 90 75 80 60 75 100 60 45 30 40 15 20 0 0 Prozent der Bohrgeschwindigkeit Prozent der Spaltzugfestigkeit 100 Winkel zur Schieferung 90 80 60 60 45 30 40 15 20 0 0 Abb. 23: Abhängigkeit der Spaltzugfestigkeit von der Einfallsrichtung und der Bohrgeschwindigkeit von der Bohrrichtung für einen Quarzphyllit mit ebenen, glatten Schieferungsflächen (hochgradige Anisotropie; durchgehende Linie) und mit welligen Schieferungsflächen (starke Anisotropie; gestrichelte Linie). Zur überschlägigen Überprüfung dieser Hypothese wurden Spaltzugfestigkeit und Bohrgeschwindigkeit in Abhängigkeit des Winkels zur Schieferung mit einer allgemeinen Cosinus-Kurve angenähert. Bei den verwendeten Werten eines hochgradig anisotropen Quarzphyllits mit glatten, durchgehenden Schieferungsflächen ergeben sich dabei augenscheinlich passende Kurvenformen (Abb. 24). Bohrbarkeit im Sprengvortrieb - Geologisch-geotechnische Grundlagen hohe Zug sp annu ng 121 n iedrig e Zu gspann ung 100 Bohrgeschwindigkeit 75 50 75 50 Spaltzugfestigkeit Bohrgeschwindigkeit [%] Spaltzugfestigkeit SPZ [%] 100 Kurvengleichung y = a + b·cos x 25 25 90 75 60 45 30 15 0 Winkel zur Schieferung [Grad] Abb. 24: Bohrgeschwindigkeit und Spaltzugfestigkeit, jeweils gegen den Winkel zwischen Schieferung und Belastungs- bzw. Bohrrichtung aufgetragen. Mittelwerte eines hochgradig anisotropen Quarzphyllits mit der Standardabweichung als Fehlerbalken. 5.3 Abw eichung von Bohrspuren und Profilungenauigkeiten In metamorphen Schiefern und Gneisen taucht immer wieder das Phänomen auf, daß die Bohrspuren der Sprenglöcher zur Normalen auf die Schieferungsfläche hin abweichen. Dies führt bei ungünstiger Raumstellung, also schräg zur T unnelachse verlaufender Schieferung, zu einer erheblichen Profilungenauigkeit, obwohl oft noch alle Bohrspuren sichtbar sind. Die Abb. 25 und 26 illustrieren die typischen Auswirkungen der Bohrspurkrümmung in Augengneisen bei stumpfwinklig zur T unnelachse streichender Schieferung. Dabei wurde auf der jeweils linken Seite der Ortsbrust ein geologisch bedingtes Überprofil gebildet. Auf der jeweils rechten Seite der Ortsbrust trat dabei ein Unterprofil auf, welches den Vortrieb nur deshalb nicht störte, weil dieses erst im Zuge der Nachprofilierung mit dem Profilwagen beseitigt werden mußte (auch wenn dies wesentlich aufwendiger ist). Eine hilfreiche Methode, um die Auswirkungen derartiger Bohrlochauslenkungen auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, ist die Verwendung steiferer (dickerer) Bohrstangen oder die Zurücknahme der Angriffstiefe. Auch die Verwendung von Bohrkronen mit besonders langem Schaft kann hierbei Abhilfe schaffen. 122 K. Thuro Abb. 25: (linkes Bild) Abweichung (Krümmung) der KranzlochBohrspuren zur Normalen auf die Schieferungsfläche hin. Michaelstunnel, BadenBaden, Stat. 1332,5, Augengneis. Abb. 26: (unteres Bild) Überprofil durch Abweichung der Bohrspuren. Schieferung ca. 135/70°, T unnelachse 25° $ Abweichung von der idealen Bohrachse 20/20°. Michaelstunnel, BadenBaden, Stat. 1112, Augengneis. Bohrbarkeit im Sprengvortrieb - Geologisch-geotechnische Grundlagen 123 6 Literatur AT LAS COP C O (1998): Atlas Copco Underground excavation. Know-how and equipment. - Atlas Copco MCT AB, Rocktec systems, Stockholm. DIN 20301 (1973): Gesteinsbohrtechnik. Begriffe, Einheiten, Formelzeichen. GEHR ING , K. (1995): Leistungs- und Verschleißprognosen im maschinellen T unnelbau. - Felsbau, 13, 439448. GUNS ALLUS , K.L. & KULLHAW Y , F.N. (1984): A comparative evaluation of rock strength measures. - Int. J. Rock Mech. Min. Sci. & Geomech. Abstr., 21., 233-248. P LINNINGER , R. J. (o.J.): Ingenieurgeologische Untersuchungen zur Bewertung und Vorhersage von Werkzeugverschleiß bei T unnelvortrieben im Festgestein. - Diss. T U-München in Vorbereitung. ROS IW AL , A. 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T rotz hoher Überlagerung und trotz ungünstiger, komplizierter Lagerungsverhältnisse bzw. schleifendem Schnitt der Gesteine zu der T unnelachse hat sich das prognostizierte baugeologische hydrogeologische Modell als grundsätzlich richtig erwiesen. Die Abschnitte mit ungünstigen Gebirgseigenschaften haben sich gegenüber der Prognose verlängert. Der verstärkte Bergwasserzutritt im Abschnitt Wallersbachgraben war für alle Beteiligten eine große Herausforderung und verursachte einen erheblichen Zeit- und Kostenaufwand. Die T unnelbaugeschichte ist allerdings auch die Geschichte der unerwarteten Erschwernisse, der Wassereinbrüche und sonstiger Katastrophen. Glück, Wachsamkeit und Sachverstand verhinderten im Pilotstollen Schlimmeres. Es hat sich - wie schon bei unzähligen Beispielen im In- und Ausland nachvollziehbar ist auch im Falle vom Semmering Basistunnel gezeigt, dass es in sehr schwierigen Gebirgsverhältnissen keine Alternative zu einem Erkundungsstollen gibt, weil nur er unkalkulierbare Risiken aufdecken kann und weil nur er die entsprechenden geologischen, hydrogeologischen, geomechanischen Erkenntnisse und darüber hinaus die Betrieblichen und baulichen Erfahrungen liefern kann um den Haupttunnel ohne Überraschung ausführen zu können. Darf der Berichterstatter betonen, dass es sich bei jedem Gebirge um einen Einzelfall handelt und die Faszination und Herausforderung auch in dem Unbekannten vor der Ortsbrust liegt. Von dieser Herausforderung dürfen wir uns genauso wenig scheuen wie die Generation, welcher wir die Neue Österreichische T unnelbauweise verdanken. Abstract Extremely difficult geological conditions have been encountered in the pilot gallery of the Semmering base tunnel, mainly as a result of water encountered in conjunction with the dipping heading. Despite high pressure from overlying strata, unfavourable, complex strata conditions and a looping angle of the rock formations to the tunnel axis, the engineering geological and hydrogeological model has been shown to have been essentially correct. T he sections with unfavourable rock conditions have put works behind schedule. T he increased ingress of water in the Wallersbachgraben section was a major challenge for all concerned, and cost a considerable amount of time and money. Such problems are nothing new in the history of tunnel construction, which has always been characterized by unforeseen difficulties, water incursions and other disasters. Good fortune, vigilance and expertise prevented worse from befalling in the pilot gallery. Like countless other examples both at home and abroad, the case of the Semmering base tunnel has demonstrated that, under exceptionally difficult rock conditions, there is no alternative to an exploration gallery. T his is the only means of revealing incalculable risks, and of acquiring the necessary geological, hydrogeological and geomechanical data, and operational and structural experience, to avoid unforeseen difficulties when driving the main tunnel. T he author stresses that every rock mass is unique, and that it is precisely the element of the unknown that constitutes the fascination and challenge of work at the face. We must accept this challenge in the same way as the generation we have to thank for New Austrian T unneling Method. 1 Einleitung Der Pilotstollen des Semmering Basistunnels mit einer geplanten Länge von 9843 m wurde am 07.12.1994 in Mürzzuschlag - Steiermark angeschlagen. Bis zum 31.01.1998 wurde die Stat. 2946 m erreicht. Es wurde rd. 30% der vorgesehenen Länge im fallenden Vortrieb aufgefahren, wobei eine Reihe von interessanten Ergeb- * Dr. Josef Kaiser, Eisenbahn Hochleistungsstrecken AG, Projektleitung Semmeringtunnel, Vivenotgasse 10, A-1120 Wien Ungewöhnliche geologische Verhältnisse beim Bau des Sondierstollens des Semmering-Basistunnels 125 nissen und auch Lehren gewonnen werden konnten. Bis zum 26.10.1996 liefen die Vortriebsarbeiten zufriedenstellend. An diesem T ag erfolgte ein Wassereinbruch, der die Vortriebsarbeiten vorübergehend stillegte. Seit dem 05.09.1997 laufen die Vortriebsarbeiten in der Überzeugung wieder weiter, dass das Projekt erfolgreich zu Ende geführt werden kann. 2 Das Projekt Die umweltorientierte Verkehrspolitik erfordert die Notwendigkeit eines Ausbaues der wichtigen Schienenverkehrsverbindungen Österreichs. Das sind die T ransitstrecken über die Alpen, die Westbahn und die Südbahn. Ein wesentlicher Bestandteil zur Erneuerung bzw. zur Leistungserhöhung der Südbahn ist das Projekt „Semmering-Basistunnel“ . Die Südbahn ist die wichtigste Bahnverbindung von den neuen Demokratien Ostmitteleuropas zum Mittelmeer und nach Italien. Der Semmering Basistunnel ist daher kein regionales Projekt, sondern eines der vordringlichsten Projekte zum Ausbau dieser Schienenstrecke von europäischer Bedeutung. Die Neubaustrecke zwischen Gloggnitz und Mürzzuschlag, der Semmering Basistunnel, wird die 140 Jahre alte Semmering Bahn - die modernen Anforderungen nicht mehr gewachsen ist - vom Güteverkehr sowie vom Personenverkehr entlasten. Für den Regionalverkehr und dem Ausflugsverkehr wird weiterhin die Ghega Bahn erhalten bleiben. Die Gesamtlänge des Projektes beträgt 22,7 Kilometer. Davon entfällt der überwiegende T eil - nähmlich 22,1 Kilometer - auf die reine T unnelstrecke. Der zweigleisige Haupttunnel besteht aus drei T eilen: !" Von Gloggnitz bis Pettenbach wird ein 1.739 Meter langer T unnel durch den Schafkogel vorgetrieben. !" Danach folgt der 1.125 Meter kurze T unnelabschnitt bis Küb, der in offener Bauweise errichtet wird, weil dort durch die „seichte“ Lage des T unnels das Bauen unter T ag nicht möglich ist. Sobald dieser Abschnitt fertig ist, wird die Baugrube wieder zugeschüttet. Damit verbleibt hier kein dauernder Eingriff. Dieser Bereich kann somit wie bisher landwirdtschaftlich genutzt werden. !" Der größte T eil der T unnelstrecke befindet sich im über 19 Kilometer langen Abschnitt zwischen Küb und Mürzzuschlag. Komplettiert wird der T unnel mit baulichen Vorkehrungen für das Sicherheitskonzept. Das sind im Abschnitt Gloggnitz - Prein insgesamt acht begehbare Fluchtstollen sowie im Abschnitt Mürzzuschlag - Prein der ca. 10 km lange Begleitstollen und ein Lüftungsschacht. Zuerst wird der Begleitstollen für die detaillierte Erkundung des Gebirges vorgetrieben und erfüllt somit auch die Funktion eines „Erkundungsstollens“ . Der Haupttunnel wird von den beiden T unnelportalen (Gloggnitz und Mürzzuschlag) vorgetrieben, der Begleitstollen von Mürzzuschlag aus. An diesen beiden Baustellen werden entsprechende Schutzmaßnahmen vorgesehen, um die Auswirkungen des Baubetriebes möglichst gering zu halten. Am 28. November 1994 wurde vom Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung, - die rechtliche Grundlage - für den Hochleistungsstreckenabschnitt Gloggnitz - Mürzzuschlag, mit Semmering - Basistunnel km 76,100 bis km 98,797 erlassen. !" Bei der Bauzeit ist wegen dem Wassereintritt eine Verzögerung eingetreten. Der Vortrieb soll bis zum Jahr 2000 beendet sein. !" geschätzte Baukosten: ∼ 630 Mio. öS 126 Tab. 1: J. Kaiser Bauwerksdaten des Semmering-Sondierstollens. Länge Pilotstollen Portal Mürzzuschlag Ende Pilotstollen Gef älle Pilotstollen endet blind Portalauf weitung Mürzzuschlag Länge: Prof il: Regelprof il Pilotstollen geotechnische Auf weitungen 9.843 m Höhe ü. A. 683,25 m Höhe ü. A. 582,18 m 9,79 o/ oo 230 m 60 m² . 16 m² 7 Stück mit 47 m² Ausbruch Pilotstollen 180.000 m³ Landwirtschaf tliche Gestaltungsf läche Zwischendeponie 400.000 m³ 1.500 m³ Querschläge Bauweise Vortriebsart Sohlausbildung hinter Ortsbrust 8 Stück NÖT konv entioneller Sprengv ortrieb Ortbetonsohle 160 m 3 Geologischer Überblick Die T unneltrasse befindet sich in einem klassischen Gebiet der Alpengeologie am Ostrand der Ostalpen. UHLIG und MOHR erkannten hier stratigraphische und tektonische Parallelen zu den Radstädter Tauern. Auf Grund dieser Vergleiche entstand die Idee des Ostalpinen T auernfensters, welches ebenso wie das Semmering-Wechsel-Fenster von den Oberostalpinen Einheiten von Süden nach Norden überfahren wurde. Nach MOHR liegen die Einheiten des Semmeringsystems auf dem kuppelförmig aufgewölbten Wechselsystem, somit ist das Wechselsystem die tiefere Einheit. Die T unneltrasse durchfährt ein kompliziert gebautes Gebiet, in welchem mehrere tektonische Einheiten übereinander gestapelt aufgeschlossen sind. Neben den vielen geologischen Arbeiten darf ich vor allem auf die großartige Kartierung von COR NELIUS von 1935 hinweisen, auf die sich auch unsere Geologengeneration stützt, sowie auf die tektonische Deutung durch CLAR und T OLLM ANN . Das unterostalpine Semmeringsystem besteht hier aus einer Reihe nordtauchender, teils zerrissener, liegender Falten mit kristallinen Kernen, die nach Westen rasch an Breite zunehmen. Das Kristallin besteht aus phyllitischen Glimmerschiefern, Quarzphylliten, Amphiboliten und Grobgneisen. Die auf dem Kristallin befindliche permomesozoische Sedimenthülle in zentralallpiner Fazies transgrediert auf variszischen Untergrund und umfaßt Quarzite, Arkosen, Konglomerate, Porphyroide und T riassedimente. Die alpidische Orogenese machte sich in epizonaler Regionalmetamorphose bemerkbar. Die Grobgneise und phyllitischen Glimmerschiefer der buckligen Welt, Rosaliengebirge und Leithagebirge gehören ebenfalls zum Unterostalpin. Unter den unterostalpinen Gesteinen des Semmeringsystems liegt die Wechselserie und tektonisch noch tiefer das Penninikum. Nördlich vom Semmeringsystem befinden sich die oberostalpinen Decken mit ihrer paläozoischen Unterlage bzw. Grauwackenzone, die mit dem Semmeringsystem im tektonischen Kontakt stehen. Die Grauwackenzone läßt sich von Süden nach Norden in die tiefere Veitscher Decke und die höhere, über der Veitscher Decke liegende Norische Decke gliedern. 4 Prognose 4.1 Geologie Die HL-AG hat eine Abfolge von mehreren stufenweise aufeinander abgestimmten Erkundungspasen in Abhängigkeit von der Planungsphase ausgearbeitet. Insgesamt wurden 5 Erkundungsphasen mit 13.500 lfm Kernbohrungen durchgeführt. Auf Grund dieser Erkundungsbohrungen, sowie flächendeckender geologischer Kartierung wurde von Prof. RIEDM ÜLLER T .U. Graz die geologische - baugeologische Prognose erstellt. Geotechnischer Gebirgsbereich 1 Überwiegend Dolomitmarmore; Wechselhafte Gefügeausbildung; Massiges bis bankiges Gebirge. Lehmige Zwischenmittel und Füllungen von Karsthohlräumen. Wechselhaftes Gebirge mit unterschiedlich breiten Zerrüttungsstreifen. Geotechnischer Gebirgsbereich 2 Dolomitmarmore vorherrschend. Neben Rauhwacken, Dolomitmarmorbrekzien, Quarzphyllite, Semmeringquarzite meist mylonitisiert und Mylonitphyllite. Steile Störungen mit kleinstückiger Gebirgszerlegung, Ungewöhnliche geologische Verhältnisse beim Bau des Sondierstollens des Semmering-Basistunnels 127 rasch wechselndes heterogenes Gebirge. Bei stärkeren Wasserzutritten rolliges Verhalten. Bei höherem Anteil toniger Mylonite Druckerscheinungen wahrscheinlich. Geotechnischer Gebirgsbereich 3 Quarzphyllite, tonige Mylonite. Flach lagernde Schieferung. Weitgehend monotones Gebirge. Geotechnischer Gebirgsbereich 4 Vorwiegend mylonitisierte Quarzite und Quarzphyllite, untergeordnet Dolomite, Rauhwacken, etc. Es werden Scherzonen, Gebirgszertrümmerungen mit stark mylonitisierten Gebirgsbereichen erwartet, sowie heterogenes, auf engstem Raum wechselhaftes Gebirge. Möglicherweise druckhaftes Wasser. Möglicherweise rolliges bis druckhaftes Gebirge. Geotechnischer Gebirgsbereich 5 Quarzphyllite, schieferungsparallele Mylonite, Quarzmylonite; Flachwelliger Bau. Es können rollige, wasserführende Quarzmylonite bzw. druckhafte tonige Phyllitmylonite auftreten. Geotechnischer Gebirgsbereich 6 Quarzphyllite. Weitgehend einheitliches Gebirge. Geotechnischer Gebirgsbereich 7 Überwiegend Quarzphyllite; Hoher Anteil von tonigen Myloniten; hohe Gebirgsanistropie. Hier befindet sich eine der Hauptüberschiebungsbahnen. Damit verbunden ist eine hohe T eilbeweglichkeit des Gebirges. Auftreten toniger montmorillonitführender Beläge. Druckhaftes Gebirge herrscht vor. Geotechnischer Gebirgsbereich 8 Wechsel von Kalkmarmoren, Dolomitmarmoren und Rauhwacken. Allgemein massiges Gebirge. Druckhaftes Gebirge, bereichsweise isotrope Festigkeitseigenschaften. Stollen befindet sich weit unter der Verkarstung. Geotechnischer Gebirgsbereich 9 Quarzphyllitmylonite, Karbonatgesteinsmylonite, tektonische Brekzien. Isotroper Gebirgscharakter. In montmorillonitführenden Phyllitmyloniten tiefreichende Scherbrüche möglich. Geotechnischer Gebirgsbereich 10 Überwiegend Kalkmarmore, untergordnet Dolomitmarmore. Antiklinalbau des Kaltenberges. Einheitliche Gebirgsverhältnisse. Lokal Bergschlag möglich. T unnel ca. 150 m unter der Verkarstung. Geotechnischer Gebirgsbereich 11 Phyllite, Quarzphyllite, Chloritphyllite, Quarzschiefer, Quarzite, tonige Mylonite. Hohe Gefügeanistoropie. Zwischen dem steifen Karbonatgesteinskomplex im Süden und dem Quarzitkomplex im Norden wurde die Phyllitzone intensiv zerschert. Stark gebräche bis druckhafte Verhältnisse müssen in Betracht gezogen werden. An der Störungszone T attermannschiefer und Karbonatgesteinskomplex werden Sulfatgesteine erwartet. Langsame Kriechbewegungen über mehrere Jahre möglich. Ende Pilotstolle n Geotechnischer Gebirgsbereich 12 Quarzite, Quarzmylonite, sehr untergeordnet Phyllite. Bereichsweise liegen in größerer Mächtigkeit tektonische Zerreibsel vor. Haakogelquarzitzug tektonisch stark beansprucht. Geotechnischer Gebirgsbereich 13 Quarzite, Metasandsteine, Quarzkonglomerate, Graphitphyllite. Sulfatgesteine, eventuell Karbonatgesteinslinsen. Heterogen gebauter Gebirgsbereich. Rascher Wechsel von Gesteinen mit extrem unterschiedlichen Festigkeiten. Graphitphyllite können dominieren. In einer Bohrung wurde Gips angetroffen. Extrem hohe T eilbeweglichkeit der Phyllite. Überwiegen von druckhaftem Gebirge. Geotechnischer Gebirgsbereich 14 128 J. Kaiser Dünnschiefrige Phyllite, neben Mylonitphylliten, tonige Mylonite. Wegen der hangnahen Lage des Stollens Beeinträchtigungen durch Hangkriechvorgänge nicht auszuschließen. Geotechnischer Gebirgsbereich 15 Massige Grüngesteine, Chloritphyllite, Phyllite, tonige Mylonite. Zähe Grüngesteine alterieren mit dünnschiefrigen Phylliten. Massige Grüngesteine standfest. Geotechnischer Gebirgsbereich 16 Chloritphyllite, Phyllite, tonige Mylonite. Spitzwinkelig zur T unnelachse verlaufende Störungen. 4.2 Hydrogeologie Mit der hydrogeologischen Beurteilung wurde das Institut für Geothermik und Hydrogeologie der Forschungsgesellschaft Joanneum Graz beauftragt. Die Arbeiten wurden von den Herren Prof. ZOJER und Mag. REICHL Joanneum Research Graz durchgeführt. Das Untersuchungsprogramm erfaßte seit 1988 folgende Schwerpunkte: !" Hydrogeologische Kartierung des erweiterten T rassengebietes. !" Kartierung sämtlicher Quellen, Brunnen und Bäche. !" Abteufen von Bohrungen und deren Ausbau als GW-Beobachtungsstellen. !" Beobachtung von Grundwasserspiegellagen. !" Wasserabpreßversuche. !" Auffüllversuche. !" Kurzpumpversuche. !" Monatliche bzw. 14-tägige Messungen an ausgesuchten Meßstellen der Parameter Schüttung, T emperatur, elektrische Leitfähigkeit. !" Hydrogeologische, hydrochemische und isotopen-hydrogeologische Untersuchungen. !" An der Eselbachquelle, Edlachquelle, Wallersbachquelle wurden automatische Schreibpegelanlagen errichtet. Ebenso ist eine automatische Schreibpegelanlage am Unterlauf des Wallersbaches situiert. !" Markierungsversuch. !" Abgrenzung hydrogeologischer Einzugsgebiete. Auf Grund der Untersuchungen wurden folgende Bereiche unterschieden: Portalbereich Mürzzuschlag Neben Verkarstung der Karbonate wurde festgestellt, dass das Grundwasser unter dem Sohlenniveau der nahe gelegenen Fröschnitz liegt. Keine Vorflutstellung der Fröschnitz für das in den Bohrungen angetroffene Karstgrundwasser. Permanenter Wasserzudrang, bzw. das Erreichen der gesättigten Zone erfolgt ab ca. Stat. 200 m - 250 m. Die permanente Wasserführung in den Karbonaten wurde mit 5 - 10 l/s angeschätzt. Scheedgraben Ab dem Scheedgraben werden Phyllite erwartet. Ab dem Auftreten der generell dichten Phyllite werden ca. 2 l/s Bergwasser erwartet. Wallersbachgraben Hier werden zwischen den Phylliten und Karbonaten Quarzite erwartet.Es werden als Spitzenzufluß 50 - 70 l/s Wasser eingeschätzt und im Beharrungszustand 20 l/s Wasser prognostiziert. Die Edlachquelle, die der Stadtgemeinde Mürzzuschlag als Ersatzwasserstandort dient, schüttet im Mittel ca. 20 l/s und ist an diese Karbonate gebunden. Da eine mögliche Beeinträchtigung der Edlachquelle nicht ausgeschlossen werden Ungewöhnliche geologische Verhältnisse beim Bau des Sondierstollens des Semmering-Basistunnels 129 konnte, wurde an der Quelle eine automatische Schreibpegelanlage installiert. U.a. wurde für diesen Fall eine Ersatzwasserversorgungsanlage für Mürzzuschlag errichtet. Wallersbachgraben bis Kampalpe In den altkristallinen Phylliten werden einige wenige Liter pro Sekunde Bergwasser erwartet. Kampalpe Es werden hier Karbonate der Kampalpe, mit einem komplizierten tektonischen Bau durchörtert. Die Wasserzutritte werden als kurzfristige Extremwerte ca. 75 l/s erreichen, als Dauerzufluß werden 10 - 15 l/s im Beharrungszustand erwartet. Der Erkundungsstollen liegt hier ca. 1,5 km östlich der Wallersbachquellen. Ersatzwasserversorgungsanlage für Mürzzuschlag. Die Schüttung des Hauptaustrittes der Wallersbachquelle wird über eine automatische Schreibpegelanlage aufgezeichnet. Saurücken Durch Bergzerreißungen geprägt und auch Kristallin im Grenzbereich der Karbonate durchbewegt. T alhofstörung - Kaltenbergantiklinale Kompliziert gebaute Scherzone. In den Karbonatgesteinen wird keine tiefreichende Verkarstung erwartet. Als Dauerzufluß werden ca. 5 l/s angenommen. Kaltenbergantiklinale - T attermannschieferkontakt Am Kontakt der T attermannschiefer, die als absolute Wasserstauer angesehen werden, werden einige wenige l/s bis 10 l/s angenommen. Die Eselbachquelle, die die Marktgemeinde Reichenau mit T rinkwasser versorgt, ist an diese Grenzfläche gebunden. Im Bereich der Kaltenbergantiklinale werden etwa 5 l/s Bergwasser prognostiziert. An diese Grenzfläche sind die Eselbachquelle und Bertaquelle gebunden. Die Eselbachquelle stellt einen T eil der T WVA der Marktgemeinde Reichenau dar. An der Eselbachquelle ist eine automatische Schreibpegelanlage eingebaut. Haakogel In den Quarziten des Haakogels ist mit einer permanenten Kluftwasserschüttung von 1 - 3 l/s zu rechnen. Grauwackenzone In NE wird die Oberostalpine Grauwackenzone aus Metaquarzkonglomeraten und Quarzsandsteinen durchörtert. Besonderes Augenmerk ist den betonaggressiven Wässern (SO4 ) zu widmen. Es werden wenige l/s Bergwasser erwartet. 4.3 Felsm echanik - Gebirgsm echanik - Gebirgstypisierung Im Rahmen des umfangreichen Aufschlußprogrammes wurden an der Montanuniversität Leoben von repräsentativen Gesteinsproben mechanische Kennwerte, wie: !" Druckfestigkeit !" T rennflächenreibung und Kohäsion !" Scherfestigkeit !" Verformungseigenschaften V-Modul) !" innere Reibung !" Kohäsion (E-Modul, !" Kriecheigenschaften untersucht. Die Ausschreibung bzw. Planung führte das Büro GEOC ONS ULT durch. Auf Grund der felsmechanischen Laborergebnisse wurden die Gebirgskennwerte ermittelt, wobei der Maßstabeffekt, T rennflächengefüge und der Einfluß der Anisotropie berücksichtigt wurden. Spannungtheoretische Untersuchungen führten zum Einschätzen des Gebirgsverhaltens. Besonderes Augenmerk wurde auf die Frage der Druckhaftigkeit gelegt. Diese Untersuchungen und Überlegungen führten gemäß ÖNORM B 2203 zu folgenden Gebirgstypen in der Ausschreibung: 130 J. Kaiser Ge birgstyp A1 A2 B1 B2 B3 C1 C2 C3 standfest nachbrüchig gebräch stark gebräch rollig druckhaft kriechend druckhaft stark druckhaft In den vorhin erwähnten geotechnischen Gebirgsbereichen erfolgte selbstverständlich eine Einteilung der Gebirgstypen. Prognose für Gebirgstypenverteilung Tab. 2: Verteilung der Ausbruchsklassen auf die Pilotstrecke Ausbruchsklasse Verteilung [m] Verteilung [%] A 2316 m 23,50 % B (Festgestein) 5278 m 54,00 % 46 m 0,50 % 2203 m 22,00 % 9843 m 100,00 % B (Lockergestein) C 5 Stand der Arbeiten Die Vortriebsarbeiten begannen am 07.12.1994 in Mürzzuschlag mit rd. 1% fallend. Sie liefen bis zum Wassereinbruch bei Stat. 2301,50 m am 26.10.1996 zufriedenstellend. Beim Portal wurde die Portalaufweitung in einer Länge von 230 m und in der Folge ab Stat. 350 m in Abständen von 100 m linksseitig die Betriebsnischen hergestellt. Auf Grund der Flutung wurde die Förderleistung des Pumpsystemes von ursprünglich 140 l/s auf 400 l/s erhöht. Die Abpumparbeiten begannen am 30.10.1996. Der Stollen war am 22.03.1997 leergepumpt. Größere Baumaßnahme war nach dem Leerpumpen des Stollens die Herstellung der Filterbrunnennische bei Stat. 2285 m. Sie hat den Zweck den Vortrieb voreilend zu entwässern. Der Vortrieb des Pilotstollens wurde am 05.09.1997 wieder aufgenommen. Tab. 3: Betriebsdaten des Semmering-Sondierstollens: Auftragnehmer PORR Technobau Betriebsart Gleisbetrieb Schutterung ITC-Schäffbagger Typ 312 Firstförderband auf Laufschiene, 1 m Gurtbreite Firstförderbandlänge 300 m Materialübergabe bei ca. 300 m hinter der Ortsbrust Bohrwagen ATLAS COPCO, 2-armig auf Raupe; 2x 1838 Cop HydraulikHämmer Mühlhäuserkipper 12 m² (8 Rotationskipper) Schöma Lok 185 PS, 136 kW, Spur 900 mm, 30 t Sohle parallel mit Vortrieb ca. 150 m hinter Ortsbrust, 7 - 11 m Abschnitte, B 300 Ortbeton Betriebsnischen ca. alle 100 m Versorgung vor Ort 2 Spritzbetonzüge, l = 40 m, 7-8 m 3/h Betontransporteinrichtung 4 Stück KBM9 Pumpstationen 2 mobile Pumpstationen mit 4 Tauchkörperpumpen je 70 l/s, mit 90 m Höhe, (110 kW) Bewetterung 1200 mm ∅, Sekundärlutte 700 mm ∅, 500 m³/min Ungewöhnliche geologische Verhältnisse beim Bau des Sondierstollens des Semmering-Basistunnels 131 Neben den normalen Vortriebsarbeiten wurde eine geotechnische Aufweitung und der Ausbruch für die fixe Pumpstation durchgeführt. Die Betriebsnischen werden nach wie vor in den Abständen von 100 m linksseitig ausgebrochen. Bis zum 31.01.1998 erreichte der Vortrieb die Station 2946 m. 6 Baugeologische - Hydrogeologische Ergebnisse (Die geologischen Aufnahmen erfolgten gemeinsam mit Mag. MER INGER ) 6.1 Vortriebsarbeiten bis Stat. 2301,50 m Stat. 0,00 m - Stat. 840,00 m Nach lehmig, karbonatischem Hangschutt und kristallinem Bachgeschiebe wurden schwach metamorphe, plattige Kalkmarmore und bankige Dolomitmarmore angetroffen. Diese Gesteine sind stark verkarstet und das z.T . geöffnete Kluftgefüge verlehmt. Es wurden an einigen Karsthohlräume ansehnlicher Größe festgestellt. Bis etwa Stat. 400 m wurden in geöffneten Klüften Feinsandeinlagerungen festgestellt. Größere tektonische Verstellungen konnten in den Karbonaten nicht festgestellt werden. Die laufenden bzw. routinemäßigen Beobachtungen der Bergwassereigenschaften (Schüttung, Leitfähigkeit, T emperatur) ergaben bis Stat. 600 m eine Abhängigkeit mit den Obertagsverhältnissen. Der Bergwasserandrang war allgemein gering. Drei Charakteristika kann man für diesen Bereich herausheben: Ve rle hmung, Ve rkarstung, We chse lhaftigke it. Stat. 840,00 m - Stat. 1040,00 m Übergang von den Karbonatgesteinen, Karbonatkataklasit (Abb. 1), Rauhwacke durch eine Schuppungs- und Scherzone in grüne Semmeringquarzite. Bei 970 m eine Karsthöhle; Kein Bergwasser; Geringe Gebirgsfestigkeit. Abb. 1: Schematische Darstellung des Kataklasits Abb. 2: Schematische Darstellung des Phyllits 132 J. Kaiser Stat. 1040,00 m – Stat. 1095,00 m Es treten das erste Mal im Vortrieb dunkelgraue Phyllite (Abb. 2) auf. Sie sind im Schieferungsflächengefüge mylonitisiert. Hochteilbewegliche Gesteine, die plötzlich ein höheres Konvergenzverhalten zeigen als die Karbonate. Bei Stat. 1040,00 m fallen sie flach in den Vortrieb. Dies entspricht der generellen Lagerung. Bei Stat. 1095,00 m grenzen sie mit einer sehr steilen Störungszone zu den Karbonatkataklasiten. Sehr geringe Gebirgsfestigkeit. Stat. 1095,00 m – Stat. 1120,00 m Einheitliche Karbonatkataklasite, Rauhwacken mit einzelnen Phyllitfetzen. Stat. 1120,00 m – Stat. 1770,00 m Ab 1120,00 m kommen mit grünen, schiefrigen Semmeringquarziten graue, wechselhafte, sowohl im Schieferungsflächengefüge als auch an Klüften und Störungen mylonitisierte Phyllite (Abblildung 3). Wieder typisches langsam ausklingendes Konvergenzverhalten. Der Übergang vom völlig mylonitisierten Abb. 3: Darstellung der Gefügemessungen Quarzphyllit erfolgte bei Stat. 1770,00 m auf den Semmeringquarzit völlig abrupt und sehr scharf durch eine schwarze Harnischfläche, die steil aus der Ortsbrust fällt und spitzwinkelig zu ihr verläuft. Der Quarzit erschien zunächst blockig, hart und brachte etwas Bergwasser. Die Vielfalt der Semmeringquarzite war hier schon auffällig. Stat. 1770,00 m - Stat. 1880,00 m An einer Störungszone taucht ein Phyllitkeil nach unten. Stat. 1880,00 m - Stat. 2301,50 m Semmeringquarzit. Die Wechselhaftigkeit schwankt zwischen sandigen, mürben, vergrusten, fast isotropen Semmeringquarziten und sehr harten bankigen Sandsteinen. Stellenweise kam der Semmeringquarzitgrus wie ein sandiger Schlamm aus der Ortsbrust. In solchen Fällen fehlte scheinbar jede Gebirgsfestigkeit (Abb. 4). Auch bei den Farben war eine tolle Varietät zwischen rosa, pink, grün und braun zu beobachten. Nach dem Erscheinungsbild, wie der spröde Semmeringquarzit vorliegt, muß er tektonisch ziemlich viel mitgemacht haben. Bis zu dieser Station ist eigentlich das eingetreten was in der Prognose beschrieben wurde. RIEDMÜLLER:“ Die bisherigen baugeologischen Erkundungen ermöglichten grundsätzliche Vorstellungen vom geologischen Bau des T rassenbereiches. Gesteinsverteilungen, Störungssysteme sowie die T rennflächensituation konnten in ihren prinzipiellen Zügen erfaßt werden. Die in großen Bereichen sehr komplizierten geologischen Verhältnisse und die hohen Überlagerungen lassen trotz detaillierter geologischer Gelände- Ungewöhnliche geologische Verhältnisse beim Bau des Sondierstollens des Semmering-Basistunnels 133 untersuchungen und einem großem Aufwand von Erkundungsbohrungen noch Prognoseunsicherheiten offen. Auf Grund des derzeitigen Erkundungsstandes kann gefolgert werden, dass die geotechnischen Schwierigkeiten größer sind, als dies im Zuge der ersten Projektsphasen erwartet wurde.“ Abb. 4: Hohlraumverfüllung bei Station 2245 m 6.2 Bergw assereinbruch am 26.10.1996 bei Stat. 2301,50 Zitat aus der laufenden geologischen Berichterstattung: „Bis zum 13.10.1996 wurden durch eine Vertikalbohrung bei Station 2.292,00 m und durch eine Horizontalbohrung bei Stat. 2.300,00 m 12 l/s Bergwasser vor Ort, gesamt 62 l/s im Stollen angetroffen. Am 14.10.1996 erfolgte bei der Ortsbrust Stat. 2.300,00 m ein Wassereintritt mit einer Anfangsschüttung von ca. 85 l/s. Auf Grund dieser Situation wurde der Vortrieb am 14.10.1996 eingestellt. Die Gesamtwassermenge betrug schließlich am 15.10.1996 als T agesmittel 116 l/s. Zwischen dem 15.10. und 26.10.1996 stieg im Stollen die Gesamtwassermenge auf ca. 200 l/s. Am 26.10.1996 steigerte sich die Gesamtwassermenge zwischen 03:15 Uhr bis 07:00 Uhr auf 217 l/s (Fernübertragung AG). Dieser Wert stieg bis etwa 14:20 Uhr auf ca. 240 l/s an. Um 14:20 Uhr erfolgte ein zusätzlicher Bergwasserzuwachs aus der Sohle bei Stat. 2.298,00 m mit einer geschätzten Menge von 100 l/s. Somit erhöhte sich die Gesamtbergwasserschüttung im Stollen auf ca. 350 l/s. Dieses Ereignis führte dazu, dass der Stollen wegen nicht ausreichender Pumpleistung geflutet werden mußte. Die Wasserzunge erreichte am 27.10.1996 das Stollenportal. Aus Sicherheitsgründen wurde der Stollen bei Stat. 250 m mit einer Betonwand abgeschottet, die im Zuge der Absenkung wieder herausgerissen wurde.“ 134 J. Kaiser Bauge ologischsche Vorbe re itunge n nach de r Flutung und Le e rpumpe n de s Stolle ns Die Zeit wurde zur Kontrolle des Bergwasserspiegels im größeren Bereich des Pilotstollens genützt, um von Obertag 2 Vertikalbohrungen bis unter Stollensohle abzuteufen. Bohrung 96/1 Oberkante Bohrung (S.H.): 1020,70 m Endteufe (S.H.): 569,70 m Bohrlochtiefe SOK Stollen (S.H.): Ursprünglicher Bergwasserspiegel (S.H.) Abgesenkter Bergwasserspiegel (S.H.) Vortriebsstation: 451,00 m 650,20 m 683 m 630 m 2850 m Bohrung 97/1 Oberkante Bohrung (S.H.): Endteufe (S.H.): Bohrlochtiefe SOK Stollen (S.H.): Ursprünglicher Bergwasserspiegel (S.H.) Abgesenkter Bergwasserspiegel (S.H.) Vortriebsstation: 867,19 m 626,00 m 240,00 m 654,50 m 683 m 639 m 2415 m Nach Errichten der Filterbrunnennische bei Stat. 2285 m und Inbetriebnahme der 12 Pumpen wurde der Bergwasserspiegel bis 20 m unter die Stollensohle abgesenkt. Bohrprogramm z w. Stat. 2.265,00 m - 2.301,50 m Um die Vortriebsarbeiten sicher bzw. mit möglichst geringem Risiko wieder aufzunehmen zu können wurde ein umfangreiches Bohrprogramm (ges. Länge 451,70 m) durchgeführt. Die Kernbohrungen hatten auch den Zweck, die Verhältnisse im Bereich der geplanten Filterbrunnennische zu erkunden. Das Bohrprogramm war ein voller Erfolg, denn es gelang nicht nur eine sehr gute Prognose über die Gebirgsverhältnisse in der Vortriebsrichtung Pilotstollen, sondern auch die Optimierung der Filterbrunnennische bei Stat. 2285 m und auch die Optimierung der Entwässerungsbohrungen aus der Filterbrunnennische. Filte rbrunne nnische mit 12 Entwässe rungsbohrunge n be i Stat. 2285 m Um den Pilotstollen in einem entwässerten Gebirge vortreiben zu können, legte der Projektant (Geoconsult) den Plan vor, das Bergwasser mit fächerartig nach vorne gebohrten Brunnen, Durchmesser 150 mm, aus einer Filterbrunnennische durchzuführen. Diese Lösung wurde anfänglich mit großer Skepsis aufgenommen. Die Vortriebsarbeiten bestätigten aber die Richtigkeit dieser Lösung. 6.3 Überprüfungen nach dem Leerpum pen des Stollens bis zur Wiederaufnahm e des Vortriebs Der Bergwassereintritt erfolgte am 26.10.1996, das Stollenmundloch wurde am 27.10.1996 von den Wassermassen erreicht. Der Abpumpvorgang dauerte bis 22.03.1997. An diesem T ag wurde wieder die Ortsbrust bei Stat. 2301,50 m sichtbar. Zwecks intensiver Datengewinnung wurden zu dem üblichen Programm, die beiden Bohrungen 96/1 mit einer T iefe von 451 m (Endteufe S.H. 569,70 m) und die Bohrung 97/1 mit einer T iefe von 240 m (Endteufe S.H. 626 m) abgeteuft, um die Bergwasserstände in diesen Pegeln zu beobachten. Die Ergebnisse dieser Pegelmessungen waren und sind noch immer die wichtigsten Stützen der Bergwasserbeobachtungen auf Stolleniveau, bzw. der Vortriebsplanung. Eine wesentliche Frage galt nach irgendwelchen Schäden an der Stollneauskleidung bzw. der Standsicherheit des Stollens. Das Beobachtungsprogramm erfaßte im wesentlichen folgende Punkte: !" Visuelle Beobachtung der Spritzbetonschale bzw. der Einbauteile im Zusammenhang mit der Flutung und Geologie. Als sichtbare Zeichen waren nur weiße, fahnenartig ausgebildete Versin- Ungewöhnliche geologische Verhältnisse beim Bau des Sondierstollens des Semmering-Basistunnels 135 terungen sowie gelbbraune, tonige Beläge (Letten) bei einigen Ringen. Die tonigen Beläge könnten von lehmigen Kluftfüllungen im Karbonat stammen. Schäden wurden keine beobachtet. !" Genaue Beobachtung der bereits bekannten Wasserzutrittsstellen im Stollen. Nach dem Abstau konnten keine neuen Wasserzutritte beobachtet werden. Die Schüttung, Leitfähigkeit, Temperatur waren so wie vor der Flutung bzw. vor dem Wassereinbruch. !" Entlastungsbohrungen. Sie brachten nur kurzfristig unbedeutendes Wasser. Es wurde kein Anzeichen dafür gefunden, dass es außerhalb der Schale zu einem Bergwasserrückstau gekommen wäre. !" 3 D Messungen, Konvergenzmessungen. Es wurde jeder Meßquerschnitt nachgeprüft. Die Ergebnisse liegen nach Interpretation im Bereich der Meßungenauigkeit. Es wurde bei keinem der Meßquerschnitte eine Zunahme der Bewegungen festgestellt. Bisher konnten keine negativen, die Standsicherheit beeinflussenden Auswirkungen der Flutung beobachtet werden. Die Schale ist, bis auf die schon vor der Flutung bekannten Schäden intakt. Eine zweite wesentliche Frage galt den geologischen und hydrogeologischen Verhältnissen im größeren Umfeld von Stat. 2301,50 m bzw. vor ihr. Hiezu wurden in der Gesamtlänge von 451,70 m Kernbohrungen durchgeführt. Die längste war mit 118 m in Vortriebsrichtung. Auf Grund dieser Bohrung wurden nicht nur Gesteinstypen, Gesteinswechsel, Hydrogeoloie sondern auch Felstypen mit Abschlagslänge Gebirgstypen prognostiziert, die sich im Vortrieb voll bestätigen. Als Abschluss dieses Programmes wurden von der Filterbrunnennische bei Stat. 2284,636 m zwölf Brunnenbohrungen ausgeführt um das Gebirge vor 2301,50 m großräumig zu entwässern. „Die Bergwasserabsenkung ist trotz massiver Bedenken und Einwände gelungen. Bei der sichtbaren Reaktion zwischen der 500 m vor der Ortsbrust liegenden Bohrung 96/1 und den bereits jetzt wirksamen Entwässerungsmaßnahmen können wir davon ausgehen, dass es im vor uns liegenden Vortriebsbereich zu keinen nennenswerten Wasserzutritten, sondern nur mehr zu Restentwässerungen kommen wird.“ Bis zu Stat. 2700 m wurden nicht einmal Restwässer beobachtet. 6.4 Wiederaufnahm e des Vortriebs am 05.09.1997 bei Stat. 2301,50 m Nach nur ein paar Metern wurde der Semmeringquarzit (Abb. 5) durchörtert und der Vortrieb gelangte in eine sandige Zerrüttungszone aus Semmeringquarzit. Ab Stat. 2304 m waren bereits Kalkmarmore an der Sohle sichtbar. Zwischen 2304 m und 2340 m waren noch zwischen der Zerrüttungszone und gelblich brauner Rauhwacke Rötschiefer eingeschaltet. Ab 2340 m treten nur mehr allgemein sehr stark geklüftete plattige Kalkmarmore (Abb. 6) auf. Das steile Kluftgefüge zeigt durchgehend rostige Beläge. Man fühlt, dass hier Bergwasser gewesen sein muß. Die Kalkmarmore fallen allgemein mit einem flachen Winkel nach Süden und Südosten ein. Osteinfallen ist ebenfalls beobachtbar. Der Vortrieb erfolgt im Streichen der Gesteine. Die Vortriebsarbeiten laufen in diesem stark nachbrüchigen und gebrächen Gebirge sehr gut. Die Wechselhaftigkeit ist nach wie vor ein kennzeichnendes Merkmal. Ab Stat. 2301,50 m wurde kein Bergwasser angetroffen. Die Vorentwässerung durch die Brunnenbohrungen der Filterbrunnennische bei Stat. 2385 m funktioniert tadellos. Die Wirkung sieht man bei der Bohrung 96/1 in welcher der Bergwasserspiegel bei ca. Stat. 2850 m unter die Stollensohle gesunken ist. Um den Bergwasserspiegel mit dem laufenden Vortrieb in Auge zu behalten werden in den Betriebsnischen, die sich im Abstand von 100 m befinden, Vertikalbohrungen abgeteuft und die Bergwassersstände gemessen. Vortriebsbegleitend wurden reflexionsseismische Untersuchungen (VSP = Vertikal Seismic Profiling) durchgeführt. Dieser Methode gelang es bei Stat. 2500 m und 2650 m eine Störung vorauszusagen, bzw. lokalisieren. Zwischen den Stationen 2301,50 m und 2675 m gestalteten sich die Vortriebsarbeiten auf Grund der durchgeführten Vorentwässerung sehr günstig mit überraschend guten Vortriebsleistungen bis zu 10 m am T ag. Der Abstand bis zur nächsten Bohrung 96/1 verringerte sich auf 175 m. Die Bergwasserspiegelstände in den Stollenpegeln 2365 m, 2485 m, 2585 m, 2685 m befinden sich ca. 20 m unter dem Stollenniveau. Das in Vortriebsrichtung ansteigende Gefälle beträgt ca. 1,7 o /oo . Auf Grund dieser Situation (große Durchlässigkeit) wird mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, dass bis 2850 m an der Ortsbrust Bergwasser angetroffen wird. Es spricht sehr viel dafür, dass der Karbonatmarmor großräumig entwässert ist und dass auch bis zum Antreffen von Phyllit mit keinen nennenswerten Wassermengen zu rechnen ist. Da der Phyllit aufgrund seiner Lagerung nicht als Stauer wirkt, wird ein Vortrieb bis in den Phyllit zwar schwierig aber ohne Gefährdung durch Bergwasser angesehen. 136 Abb. 5: J. Kaiser Gefügeverhältnisse an der Ortsbrust im Semme- Abb. 6: ringquarzit Bevorzugte Wasserwegigkeit im Kalkmarmor 7 Literatur CLAR , E. (1965): Über den geologischen Gegensatz von Gestein und Fels. Mitt. Inst. Grundbau und Bodenmachanik, T .H. Wien, 6, 41-53, 1965. COR NELIUS , H. P. (1936): Geologische Spezialkarte des Bundesstaates Österreich, Blatt Mürzzuschlag, Geologische Bundesanstalt, Wien 1936. COR NELIUS , H. P. (1952): Die Geologie des Mürztalgebietes (Erläuterungen zu Blatt Mürzzuschlag 1:75 000). Jb. Geol. B. -A. Sbd. 4, Wien 1952, a. KAIS ER , J., MER INGER , J. (1994-1997): Geologische Aufnahmen des Semmering Basistunnel Pilotstollens. Eisenbahn Hochleistungsstrecken AG. Wien. KAIS ER , J., MER INGER , J. (1996): Semmering Basistunnel Pilotstollen (9843 m), Baugeologische Ergebnisse. Mitt. 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Plinninger * Zusam m enfassung In den Jahren 1994 bis 1996 wurde als T eilsortsumfahrung der Kurstadt Bad Wildbad im Schwarzwald der insgesamt 1684 m lange Meisterntunnel vorgetrieben. Der NÖT -Vortrieb durchörterte in seiner gesamten Länge klastische Sedimentfolgen des Perms, die bis dahin im Untersuchungsgebiet kaum aufgeschlossen waren. Die im Auftrage der bauausführenden ARGE dokumentierten geologischen Verhältnisse ließen eine erstmalige, detaillierte Beschreibung der lokalen permischen Ablagerungsfolge zu. Die damit verbundenen ingenieurgeologischen Untersuchungen ergaben ebenfalls neue Erkenntnisse zur Bohr- und Fräsbarkeit klastischer Sedimentgesteine. Abstract In 1994 to 1996 the 1684 m long „Meisterntunnel“ was built as a traffic bypass for Bad Wildbad, a health resort located in the Northern Blackforest. T he tunnel was driven using the NAT M. T hroughout the tunnel´s total length the excavation-works encountered clastic permian sediments, that were only little known before. T he geological documentation of the situation during the advance work allowed for the first time a detailed description of the local permian stratigraphic sequence. T he geotechnical research has also led to some new findings referring to the drillability of clastic sediments and their excavation with roadheaders. 1 Einführung: Projekt „Meisterntunnel Bad Wildbad“ Der T hermalkurort Bad Wildbad, der auf eine über 600 Jahre alte Kurtradition zurückblicken kann, liegt im Herzen des Nordschwarzwaldes, etwa eine halbe Autostunde südlich von Pforzheim (Baden-Württemberg). Die Enge des rund 300 m tief eingeschnittenen Enztales führt dazu, daß im Ort selbst die Interessen von Individualverkehr und ruhesuchendem Kurgast auf engstem Raum kollidieren. Zur Verbesserung des Kurambientes wurde bereits in den frühen 60er Jahren das Konzept einer immissionsverringernden T eilortsumfahrung geboren, für die 1991 die Planfeststellung abgeschlossen werden konnte. Die im September 1994 begonnenen Vortriebsarbeiten für den 1338 m langen Hauptabschnitt in bergmännischer Bauweise konnten schließlich Ende 1996 abgeschlossen werden (T ab. 1). Tab. 1: Wichtige Projektdaten des Meisterntunnels in Kurzform. Übersicht Meisterntunnel/Bad Wildbad Zweck Ortsumfahrung der L 350 Länge 1684 m, davon 1338 m in bergmännischer Bauweise Vortriebsweise Neue Österreichische Tunnelbauweise in konventionellem Bohr- und Sprengvortrieb. Fräsvortrieb in Probestrecken Ausbruchsquerschnitt Kalotte ca. 45 m², Größter Gesamtquerschnitt (Lüfterkaverne) bis 140 m² * Bauzeit (Vortrieb) September 1994 bis Oktober 1996 Bauherr Stadt Bad Wildbad (mitfinanziert durch Bund und Land BadenWürttemberg) Planung ILF Beratende Ingenieure, München Bauausführung Arbeitsgemeinschaft Entlastungstunnel Bad Wildbad: Beton- und Monierbau, Heitkamp, Stetzler Ingenieur- und Tiefbau Dipl.-Geol. Ralf Josef Plinninger, Lehrstuhl für Allgemeine, Angewandte und Ingenieur-Geologie, Technische Universität München, Arcisstr. 21, D-80290 München Geologisch-ingenieurgeologische Verhältnisse beim Vortrieb des Meisterntunnels Bad Wildbad 139 Der Anfang Juni 1997 dem Verkehr übergebene, zweispurige „Meisterntunnel“ umfährt heute den Kurort in einer insgesamt 1684 m langen, S-förmigen Schleife (siehe auch Abb. 1). Abb. 1: Geologische Übersichtskarte von Bad Wildbad mit der Lage des Meisterntunnels (umgezeichnet nach P LINNINGER, 1997). Abb. 2: Geologisch-petrographische Übersichtskarte des nördlichen Schwarzwalds (umgezeichnet nach: METZ, 1977, Abb. 3, S. 13). 2 Geologisch-geographischer Überblick Die Übersichtskarte (Abb. 2) veranschaulicht die Lage Bad Wildbads im geologisch auch als „Buntsandsteinschwarzwald“ bezeichneten, östlichen T eil des Nordschwarzwalds. Die ursprünglich vermutlich bis zum Malm reichende Schichtfolge wurde im Raum Wildbad seit der Kreide erodiert. Die heute ausgeprägt eben verlaufende Hochfläche der Enz-Nagold-Höhen verdankt ihre Entstehung zum einen der leichten Erodierbarkeit der überwiegend tonig-schluffigen Ablagerungen des oberen Buntsandsteins (Röt), zum anderen den 140 R.J. Plinninger überaus verwitterungsresistenten Sandsteinen des Hauptkonglomerats (smg) des mittleren Buntsandsteins. Im Untersuchungsgebiet selbst fehlen die Schichtglieder des oberen Buntsandsteins aufgrund großräumiger Erosion völlig, während die „wetterfeste Decke“ des meist gut silikatisch zementierten Hauptkonglomerates die Plateaus der Erhebungen bildet. Infolge der wahrscheinlich heute noch andauernden Vorgänge der Rheingraben-Entwicklung weist die Schichtfolge eine nordöstliche Neigung von nur wenigen Grad auf. Die noch vorhandenen Buntsandstein-Sedimente des Schwarzwalds werden gegen Osten nur noch in den Flußtälern der Nagold (bei Liebenzell) und der Großen Enz (bei Bad Wildbad) bis auf ihr Liegendes „durchnagt“ . Dort, wo die meist rot gefärbten Sand- und T on-Schluffsteine nicht direkt dem Grundgebirge auflagern, zeigen sich auch ältere - permische - Ablagerungen, das sog. „Rotliegende“ . Im Liegenden dieser klastischen Sedimente treten im Untersuchungsgebiet der sudetisch intrudierte Wildbadgranit sowie die asturisch datierten Forbachgranite (DR AC H , et al., 1974) auf, die dem sog. „Nordschwarzwälder Granitmassiv“ zugerechnet werden. Besondere Bedeutung für den T hermalkurort besitzt der Forbachgranit als Lieferant der fluoridhaltigen Akrato-T hermen: Ausschließlich aus geöffneten Klüften dieses Zweiglimmergranites strömen den T iefbohrungen der Kuranlagen heute täglich rd. 1200 m 3 des im Mittel 40 o C warmen T hermalwassers zu. 3 Angetroffene geologische Verhältnisse Der Meisterntunnel liegt auf der gesamten Länge seiner bergmännischen Bauweise in klastischen Sedimenten des Perms (Abb. 3). Die Lage der T unneltrasse sowie deren Gradiente wurde dabei aufgrund der Voruntersuchungsergebnisse so gewählt, daß ein Anfahren des thermalwasserführenden Grundgebirges im Liegenden verhindert werden konnte: Da die T rasse die engeren Heilquellenschutzgebiete (HQSG II-IV) durchquert, war im Falle eines „Anschneidens“ einer Granitschwelle eine qualitative und quantitative Beeinflussung der T hermen zu befürchten (siehe auch W ENDT , 1997). Abb. 3: Schematisches geologisch-bautechnisches Profil durch den Meisterntunnel. Bei der Dokumentation der geologischen Verhältnisse konnten aufgrund ihrer unterschiedlichen lithofaziellen und geomechanischen Eigenschaften die folgenden beiden Einheiten unterschieden werden: !"Im Liegenden: Gesteine der Rotlie ge nd-Faz ie s, pz R die bisher als „Oberes Rotliegend“ bezeichnet wurden und jetzt stratigraphisch vor allem dem Zechstein zugeordnet werden. Es handelt sich hierbei um meist ungeschichtete, überwiegend grobklastisch ausgebildete, terrigene Sedimente von fast ausschließlich dunkelroter Farbe. Diese Schichten nahmen bis etwa Baustation 200 m den gesamten Querschnitt des T unnels ein und wanderten dann aus dem Kalottenquerschnitt heraus. Sie verlassen den Querschnitt jedoch nie gänzlich. !"Im Hangenden: Gesteine der Tige rsandste in-Formation, pz T, früher als „Unterer Buntsandstein“ im Sinne von EC K , 1875 bezeichnet. Diese intern deutlich feingeschichteten, grauen und hellroten Sandsteine sind zeitlich ebenfalls ins Perm (Zechstein) zu stellen. Geologisch-ingenieurgeologische Verhältnisse beim Vortrieb des Meisterntunnels Bad Wildbad 141 3.1 Perm in Rotliegend-Fazies Mächtigke it Die Sedimente in Rotliegend-Fazies treten diskordant über den variszischen Graniten auf. Die Abrasionsfläche im Liegenden der Sedimente repräsentiert dabei eine Erosionsphase von fast 20 Mio. Jahren, in denen metamorphes Nebengestein und Intrusiva von vermutlich mehreren km Mächtigkeit der Abtragung zum Opfer fielen. Obertägige Kartierergebnisse und Bohrungen weisen auf ein ausgeprägtes, kleinräumiges Relief mit z.T . nur wenige 100 m messenden Senken und Schwellen hin (siehe auch Abb. 3). Die Mächtigkeit der Rotliegend-Fazies schwankt infolgedessen erheblich, von 0 m über Schwellen bis maximal 25 m in Senkenbereichen. Abb. 4: Zusammengesetzte, schematische Schichtsäule der Gesteinsabfolge in Rotliegend-Fazies während des Meisterntunnel-Vortriebs. Ge ste insausbildung Vom Liegenden zum Hangenden konnten 5 lithofazielle Untereinheiten (pzR1 - pzR5 ) ausgeschieden werden (siehe Abb. 4). Generell handelt es sich bei den überwiegend kräftig rot gefärbten, überwiegend grobklastischen Sedimenten um terrestrische Bildungen, die unter wüstenhaften Bedingungen in Schuttfächern („alluvial fans“ ) abgelagert wurden. Die dabei ständig wechselnden und sehr kleinräumigen Ablagerungsverhält- 142 R.J. Plinninger nisse führten dazu, daß sich in nur wenigen Metern mächtigen Lagen mürbe, tonig gebundene Fanglomerate mit festen T on-Schluff-Steinen und unterschiedlich gut zementierten Sandsteinen abwechseln. Das granitische Ausgangsmaterial bedingte dabei Quarzgehalte von bis über 75 %. Zusätzlich wurden in der Abfolge konkretionäre Lagen von kompaktem, sehr hartem Dolomit (Abb. 5) sowie darin eingelagertem kryptokristallinem Quarz („Karneol“ ) angetroffen. An diesen Konkretionen durchgeführte Point-Load-T ests ergaben einaxiale Gesteinsdruckfestigkeiten von bis zu 150 MPa. Die von RÖPER (1980) im Mittelschwarzwald rekonstruierten Bildungsvorgänge zeigen, daß es sich bei diesen Konkretionen und Lagen um fossile Caliche-Krusten handelt, die unter den damaligen semiariden Umweltbedingungen an der Erdoberfläche entstanden (Abb. 6). Abb. 5: Karneol-Dolomit, pzR2. REM-Aufnahme einer dolomitischen Konkretion mit äußerst dichtem Gefügeverband aus überwiegend Dolomit, Tonen bzw. Glimmer und wenigen eingebetteten, großen Quarzsandkörnern (Bildmitte). 25 kV; Untere Bildkante 1,6 mm. Abb. 6: Schematisches Blockbild zur Genese der Karneoldolomitkonkretionen. Dargestellt sind die ionenliefernden aszendenten und deszendenten Faktoren in einem Ablagerungsraum, wie er zur Zeit des Perm im Untersuchungsraum ausgesehen haben mag. Es wird angenommen, daß sich durch ein Zusammenspiel von aszendenten (in Verwitterungsprozessen mineralisierte Lösungen und hydrogencarbonathaltige Bodenwässer) als auch deszendenten Lösungen (wie Geologisch-ingenieurgeologische Verhältnisse beim Vortrieb des Meisterntunnels Bad Wildbad 143 mineralisierte Niederschläge, carbonathaltiger Staub oder Nebel) Lösungen zunächst calcitische Krusten bildeten. Vermutlich frühdiagenetisch erfolgte dann eine Dolomitisierung der Kalkkrusten sowie die Bildung der porzellanfarbigen Karneolschnüre durch lokale Ausfällung gelöster Kieselsäure. RÖP ER vertrat 1980 aufgrund klimatologischer Schlußfolgerungen die Meinung, daß die Karneolhorizonte an der Perm/Buntsandstein-Grenze terrestrische Äquivalente zu den marinen Zechstein-Evaporiten sind - eine Auffassung, die heute angesichts der Befunde von Gamma-Strahlungsmessungen und magnetochronographischen Methoden als gesichert angenommen wird (GEYER & GW INNER , 1986, S. 61; WALTER, 1994, S. 364). Ve rhalte n im Ge birgsve rband Die ungeschichteten Gesteine der Rotliegend-Fazies traten im Gebirge zumeist auch ungeklüftet auf, was besonders in Hinblick auf den Schutz des T hermalwassers im darunterliegenden Grundgebirge von Vorteil war. Das Gebirgsverhalten war über weite Bereiche als „stark nachbrüchig“ bis „gebräch“ (RAB C EW IC Z , P AC HER , GOLS ER , erweitert durch SP AUN ; in: SP AUN , 1986) zu klassifizieren. Abschnitte, in denen ausgeprägte Kluftflächen erkennbar waren, beschränkten sich auf wenige, meist eng begrenzte Bereiche („Störungszonen“ ). Diese, in Hinblick auf T hermalquellenschutz und Hohlraumstabilität überaus günstigen Verhältnissen hatten jedoch auch nachteilige Auswirkung - auf die Gebirgslösung: Wie in Abschnitt 4 noch näher erläutert, sank die Vortriebsleistung der für den T unnelvortrieb vorgesehenen T eilschnittmaschine aufgrund des geringen Durchtrennungsgrades des Gebirges und hohen Gesteinsdruckfestigkeiten (u.a. im Karneoldolomithorizont, s.o.) so weit ab, daß schließlich auf einen konventionellen Bohr- und Sprengvortrieb umgestellt werden mußte. 3.2 Perm der Tigersandstein-Form ation Mächtigke it Die Maximalmächtigkeit der gesamten T igersandstein-Formation beträgt im Untersuchungsgebiet etwa 50 m. Während des T unnelvortriebes wurden Gesteine dieser Einheit auf einer Strecke von etwa 1100 m Länge durchfahren, wobei jedoch aufgrund des schleifenden Anschnitts lediglich eine maximale Mächtigkeit von 8 Metern aufgeschlossen wurde. Ge ste insausbildung Bei den Sedimenten der T igersandstein-Formation handelt es sich um intern deutlich feingeschichtete, graue und hellrote Sandsteine vor allem limnisch-fluviatiler Genese. Die T igersandstein-Formation setzt sich im gesamten Nordschwarzwald aus drei T eilgliedern (pzT1 , pzT2 , pzT3 ) zusammen, die sich faziell vertreten können. Das „Basiskonglomerat“, pzT1 setzt mit einem lithologisch scharfen Schnitt über den bereits beschriebenen Sedimenten ein. Es handelt sich vorwiegend um hellgraue, auch hellrot gefärbte, meist fein- bis mittelkörnige Quarzsandsteine. An der Basis sind häufig „Grobschüttungslagen“ eingeschaltet, deren Farbe, Kornrundung und Zusammensetzung auf eine Herkunft aus bereits abgelagerten Sedimenten der Rotliegend-Fazies hinweist. Offensichtlich handelt es sich hierbei um „Rotliegend“ -Material, das in der näheren Umgebung exponiert war, von den Gewässern erodiert und dann resedimentiert wurde. Jede dieser Lagen unterscheidet sich durch interne Feinschichtung jedoch deutlich von den ungeschichteten Ablagerungen der RotliegendFazies selbst. Die Häufigkeit dieser Lagen nimmt zum Hangenden rasch ab. Abb. 7: Ortsbrustaufnahmen aus dem Meisterntunnel, Kalottenvortrieb. Links bei Baustation 87,0 m. Die nahezu ungeklüftete Ortsbrust liegt zur Gänze in Schichten der Rotliegend-Fazies und zeigt die Ausbildung der Horizonte pzR 1 bis pzR 4 . Rechts die Ortsbrust bei Baustation 462,5 m, jeweils zur Hälfte in Feinfanglomeraten und Ton-Schluff-Steinen der Rotliegend-Fazies (pzR 4 , pzR 5 ), und Sandsteinen der Tigersandsteinfolge (nach Aufnahmen ARGE Entlastungstunnel, 14.11.94 und 3.3.95). 144 R.J. Plinninger Zum Hangenden hin gewinnen allmählich meist dunkel- und hellrot gefärbte Feinsandstein- und T onSchluffsteinlagen an Bedeutung. Es handelt sich hierbei um den unscharfen Übergang zu den „roten tonigen Feinsandsteinen“, pzT2 . Fossile T rockenrisse konnten sowohl im Abdruck als auch auf Schichtflächen nachgewiesen werden. Vor allem der pzT2 zeigt in weiten Bereichen überaus deutliche bioturbate T exturen: In den Sandstein-T onschluffstein-Wechselfolgen sind auf den Oberflächen der verwitterungsresistenteren Sandsteine zahlreiche, hervorragend ausgebildete Invertebraten-Wühlspuren erhalten geblieben. Neben silikatischer und tonig-ferritischer Kornbindung tritt auch kleinräumige carbonatische Zementierung auf, die an der Erdoberfläche zur Bildung von „Mucken“ führt: Die bei der Verwitterung der Fe- und Mn-haltigen Carbonate entstehenden Oxide und Hydroxide bilden mm-große, mürbe, bräunlich-schwarze Sprenkel, die dem „T igersandstein“ auch seinen - nicht ganz schlüssigen - Namen gaben. Ve rhalte n im Ge birgsve rband Obwohl in der T igersandstein-Formation des Untersuchungsgebietes mehrere obertägige Aufschlüsse existieren, zeigte der Vortrieb, daß das Aussehen und Verhalten der Sandsteine sich untertage oftmals deutlich von den obertägigen Beobachtungen unterschied: In Oberflächenaufschlüssen zeigen die Gesteine der Tigersandsteinfolge generell eine regelmäßige, überwiegend mittelständige Klüftung. Auch klaffende Klüfte sind keine Seltenheit. Das während des Vortriebs angetroffene Gebirge war dagegen über weite Strecken als „kompakt“ , mit Kluftabständen von > 2,0 m zu klassifizieren. Die wenigen Bereiche besserer Durchtrennung beschränkten sich auf meist wenige dekameter-breite Abschnitte, in denen zudem oft Flächen ein- und derselben Orientierung stark dominierten. Dies führte dazu, daß das Gebirgsverhalten über weite Bereiche als „stark nachbrüchig“ bis „gebräch“ (RAB C EW IC Z , P AC HER , GOLS ER , erweitert durch SP AUN ; in: SPAUN, 1986) zu klassifizieren war. Die unterschiedliche Intensität der ober- und untertägigen Durchtrennung des Schichtverbandes legt den Schluß nahe, daß die tektonisch angelegte Klüftung zwar generell (auch untertage) vorhanden ist, jedoch die deutliche Zergliederung nur übertage - wahrscheinlich durch Erweiterung und Öffnung der Klüfte infolge von Entspannungs-, Auflockerungs- und Kriechvorgängen - sichtbar wird. Ebenfalls deutliche Unterschiede zeigten sich in karbonatisch zementierten Partien der Sandsteinfolge: Eine charakteristische Sprenkelung mit „Mucken“ war vor allem entlang von Klüften zu beobachten, während in intakten Bereichen nur spätig glitzernde Bruchflächen auf das karbonatische Bindemittel hinwiesen. Zahlreiche dieser „frisch“ im Vortrieb entnommenen Proben verfärbten sich an der Luft innerhalb von wenigen Monaten gelblich-bräunlich. einaxiale Druckfestigkeit [MPa] 160 140 ! ! 120 hohe Gesteinsdruckfestigkeit massiges Gebirge 100 80 60 40 20 13 m3/h Min Max 0 0 50 100 150 unwirtschaftliche Schneidleistung Schneidleistung [m 3/h] Abb. 8: Ansicht der Teilschnittmaschine Paurat E 242B. Tunnelvortriebsmaschine mit teleskopierbarem Längsschneidkopf, 300 kW installierter Schrämleistung und 120 t Gesamtgewicht. (aus: P AURAT, Firmenprospekt). Abb. 9: 200 Schneidleistungsdiagramm der Teilschnittmaschine E 242B. Die geomechanischen Eigenschaften des angetroffenen Gebirges führten zu einer nicht wirtschaftlichen Fräsleistung von rd. 13 m3 /h (aus: T HURO & P LINNINGER, 1998). Geologisch-ingenieurgeologische Verhältnisse beim Vortrieb des Meisterntunnels Bad Wildbad 145 4 Ingenieurgeologisch-bautechnische Verhältnisse 4.1 Fräsleistung Zunächst war vorgesehen, den Vortrieb mit einer 300 kW starken T eilschnittmaschine Paurat E 242B mit Längsschneidkopf (Abb. 8) durchzuführen. Nach zwei kurzen Probeabschnitten, die geringe Bruttoschneidleistungen von rund 13 m³/h ergeben hatten, ließ man dieses Vortriebskonzept jedoch fallen und stellte auf einen konventionellen Bohr- und Sprengvortrieb um. Das bereits im vorhergehenden Abschnitt beschriebene, weitgehend ungeklüftetes Gebirge und horizontbeständig auftretenden Lagen von bis zu 150 MPa festem Karneoldolomit und bis 90 MPa festen T on-Schluff-Steinen führten dazu, daß die Schneidleistung der Teilschnittmaschine unter die Grenze der Wirtschaftlichkeit rutschte (Abb. 9). Nachdem man auf einen konventionellen Vortrieb umgestellt hatte, verlief der weitere Vortrieb problemlos. Zum Einsatz kam ein Bohrwagen vom T yp Atlas-Copco Rocket Boomer 352 mit zwei Bohrlafetten, die mit jeweils einem Bohrhammer COP 1440 bestückt waren (Abb. 10). Auch den hohen Anforderungen, die die Unterfahrung einer in Betrieb befindlichen Kurklinik bei einer äußerst geringen Felsüberlagerung von nur etwa 15 m stellte, wurde diese Vortriebsweise dank sprengtechnischer Maßnahmen und ständiger Überwachung gerecht (siehe auch AR NOLD 1995). Die weiterhin baubegleitend durchgeführte ingenieurgeologische Baudokumentation erbrachte jedoch zahlreiche Ergebnisse, die nicht in das bekannte Schema zu passen schienen. 4.2 Bohrgeschw indigkeit Üblicherweise besteht zwischen der Bohrgeschwindigkeit, die ein Bohrgerät erreicht und den geomechanischen Gesteinseigenschaften ein enger Zusammenhang. Die Zerstörungsarbeit (T HUR O 1996, SP AUN & T HUR O , 1996) stellt dabei ein hochsignifikantes Maß für die zu erwartende Bohrleistung dar (Abb. 11). Im Falle des Meisterntunnel-Vortriebes liegen die ermittelten Punkte jedoch so weit außerhalb der Norm, daß weder die natürliche Wertestreuung, noch Meßfehler eine Erklärung liefern konnten. Ein ebenfalls ungewöhnliches Phänomen stellt die stark differierende Bohrgeschwindigkeit zweier baugleicher, jedoch unterschiedlich stark abgenutzter Bohrkronen dar, die auf identischen Bohrhämmern eingesetzt wurden. Entgegen der Erwartungen erzielten Bohrkronen, die bereits seit mehreren Abschlägen eingesetzt wurden, erheblich höhere Bohrgeschwindigkeiten als fabrikneue Kronen. Bohrge schwin digkeit B oh rge sch win di gk eit [m/min ] 5 se hr h och Bad Wildbad 4 h och 3 mi tte l 2 bisherige Tunnelprojekte g eri ng COP 1440 - 20 kW se hr g eri ng 1 0 0 10 0 20 0 3 00 4 00 5 00 Zerstö run gsa rb eit W z [k J/m3] Abb. 10: Bohrwagen Atlas-Copco Rocket-Boomer 352 mit zwei drehschlagenden Hydraulikhämmern COP 1440 (aus: ATLAS-C OPCO, Firmenprospekt) Abb. 11: Zusammenhang von Bohrgeschwindigkeit und Zerstörungsarbeit für bisher untersuchte Tunnelprojekte (gestrichelt) und das Projekt Meisterntunnel/Bad Wildbad 4.3 Bohrkronenverschleiß Auch bei der Begutachtung der Verschleißform der Stiftbohrkronen stellten sich ungewöhnliche Formen des Werkzeugverschleißes heraus: Generell handelte es sich um einen für weniger harte Sandsteine typischen Verschleiß des Werkzeugträgermaterials. Das Ungewöhnliche bei diesem Projekt war jedoch eine trompetenförmige Erweiterung der an der Stirnseite der Krone austretenden Spüllöcher. Wie die Schnitte (Abb. 12) 146 R.J. Plinninger zeigen, ging dies bei 8-Stift-Kronen bis hin zur völligen Abtragung des Kronenzentrums. Bei allen Kronen führte dieser Effekt sehr frühzeitig zum Verlust der zentralen Hartmetallstifte. Abb. 12: Schematische Schnitte durch Stiftbohrkronen ∅ 45 mm mit typische Verschleißformen aus dem Meisterntunnel-Vortrieb. Vor allem bei der 8-Stift-Krone (links) wird die trompetenförmige Erweiterung der zentralen Spülöffnungen deutlich. Verschleiß 2500 sehr gering Sands teine "Hauptast" Standzeit [m/Krone] 2000 gering 1500 mittel Fanglomerate 1000 hoch 500 483 m/Krone ∅ 64 % se hr h oc h e xtrem h . 0 0 Abb. 13: 20 40 60 äquivalenter Quarzanteil [%] 80 100 Bohrkronenverschleiß (als Gesamtstandlänge, d.h. Standzeit) in Abhängigkeit des äquivalenten Quarzanteils in Sandsteinen und Fanglomeraten. Der in den Gesteinen des Meisterntunnels ermittelte äquivalenter Quarzanteil ist als schwarzer Punkt eingetragen (Sandsteine), der für diese Gesteine charakteristische Schätzwert als grauer Punkt auf dem Sandstein-Ast. Dieser - bisher tatsächlich nur am Meisterntunnel beobachtete - Effekt bot aber auch eine Erklärung für all die bisher beschriebenen Phänomene. Diese „von innen angreifende“ Abrasion der Spüllöcher scheint durch feinstkörnige Quarzpartikel verursacht worden sein, die im Spülwasser mitgeführt wurden. Als Spülwasser wurde beim Vortrieb ausschließlich T unnelsickerwasser verwendet, das in offenen Gerinnen abgeleitet wurde. Hier konnte sich feiner Quarzstaub niederschlagen, der auch durch ein Absetzbecken nicht vollständig aus dem Wasser entfernt werden konnte. Durch die Erweiterung der Spülöffnungen könnte sich das Spülsystem soweit verbessert haben, daß sich in den überwiegend tonig gebundenen Sedimenten tatsächlich verbesserte Bohrleistungen ergaben. Als negative Folge dieses nicht nur von der Gebirgsseite, sondern zusätzlich auch von Innen heraus angreifenden Verschleißvorgangs sank jedoch auch die Standzeit der Einzelbohrkronen auf knapp 500 m/Krone (Abb. 13). 5 Schlußfolgerung Der Vortrieb des Meisterntunnel hat durch die hervorragenden Aufschlußverhältnisse untertage einen Einblick in die regionale Ausbildung der permischen Schichtfolge gegeben. In diesem Zusammenhang erwäh- Geologisch-ingenieurgeologische Verhältnisse beim Vortrieb des Meisterntunnels Bad Wildbad 147 nenswert ist vor allem der Nachweis eines dolomitisch und silikatisch ausgebildeten Karneoldolomithorizontes. Dieser stellt bis heute eines der nördlichsten Vorkommen im Schwarzwald dar. In ingenieurgeologischer Hinsicht wird deutlich, daß die Wirtschaftlichkeit des T eilschnittmaschinenVortriebs weitaus stärker von den hohen Gesteinsdruckfestigkeiten beeinträchtigt wurde, als der konventionelle Bohr/Spreng-Vortrieb. Zur Bohrbarkeit ist anzumerken, daß in diesem speziellen Fall die Bohrgeschwindigkeit höher und weniger von den geomechanischen Gesteinseigenschaften gesteuert wurde, als dies die Laboruntersuchungen erwarten ließen. Der bisher nach eigener Ansicht unterschätzte Einfluß des Spülsystems auf die Gesamtleistung eines Bohrgeräts wird u.a. durch die Verschleißform und deren Auswirkung deutlich. 6 Danksagungen Hr. Dr. K. T huro, Hr. Dr. J. Müller, den bauausführenden Firmen der ARGE Entlastungstunnel und allen voran Hr. Prof. Dr. G. Spaun sei für die tatkräftige Unterstützung während des Projektes und meiner damit verbundenen Diplomarbeit gedankt. Ich bedanke mich bei der Stadtverwaltung Bad Wildbad für die Erlaubnis zur Publikation der vorliegenden Ergebnisse. 7 Literatur AR NOLD , K. (1995): Sprengvortrieb eines Verkehrstunnels bei extremen Bedingungen für den Immissionsschutz. - Nobel Hefte, 3, 100-111. DR AC H , V.V ., LIP P OLT , H.J. & BR EW ER , M.S. 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Abstract T he unconfined compressive strength of different rock types of alpine Haselgebirge is analysed by standard methods of rock mechanics testing. Special creep tests show the plastic deformation behavior of the salt bearing rock types. Rock mechanic parameters depend on the salt content of the special rock type. There is a correlation between the results of the laboratory testings and in situ deformation investigations in mine openings. A method of rock- classification for relevant rock types in alpine salt mining is introduced. 1 Einleitung: Salzbergbau einst und heute 1.1 Keltischer Bergbau Schon in der Eisenzeit (800 v. Chr.) wurde von den Kelten der Bergbau auf salzführendes Haselgebirge aufgenommen. In den keltischen Bergbauzentren um Hallstatt und um Hallein am Dürrnberg wurde von den damaligen Bergleuten ein besonders reichhaltiger Gesteinstyp des alpinen Haselgebirges, das sogenannte Kernsalz, gewonnen. Dabei folgte der Abbau einzelnen Kernsalzstrichen, deren Steinsalz mit primitiven Werkzeugen aus dem Gebirgverband gelöst, nach Übertage transportiert und dem Handel zugeführt wurde. Um diese „Salzadern“ zu erreichen, wurde die 30 bis 40 Meter mächtige, tonige Deckschicht aus ausgelaugtem Haselgebirge mit Stollen durchörtert. Diese wurden dort, wo es notwendig war, mit Holzausbauten versehen. Beim Verlauf dieser Stollen fällt auf, daß sie, wenn sie die Gesteinsgrenze zum salzführenden Haselgebirge erreicht hatten, meist schleifend an seiner Grenze verlaufen und erst mit dem Antreffen eines Kernsalzzuges in das wesentlich standfestere, aber auch schwerer lösbare salzführende Haselgebirge eintreten. Diese Kernsalzstreifen verloren die Bauwürdigkeit, wenn sie zu schmal wurden und deshalb zu viel unbrauchbares Nebengestein im Verhältnis zum Steinsalz abgebaut werden mußte. Die folgende „Erkundungsstrecke“ bis zum Auffinden des nächsten Kernsalzstriches wurde dann meist wieder im ausgelaugten Haselgebirge aufgefahren, weil dieses sehr viel leichter lösbar war. Die Untertagebauten im Haselgebirgston sowie an der Gesteinsgrenze zum salzführenden Haselgebirge stürzten mehrfach ein bzw. wurden verschüttet. Bei einem dieser Unglücke kam der „Mann im Salz“ ums Leben, der 1577 am Dürrnberg gefunden wurde. 1.2 Alpiner Salzbergbau Der keltische Bergbau kam aus nicht bekannter Ursache zum Erliegen und im späten Mittelalter begann mit der Einführung der untertägigen Solegewinnung der alpine Salzbergbau. Bis heute wurden verschiedenste Abbauverfahren entwickelt. Vor der Herstellung des eigentlichen Abbaues, wo das Steinsalz aus dem Gebir* Dipl.-Geol. Dr. Stephan Kellerbauer, Ingenieurbüro Müller + Hereth, Laufener Str. 16, D-83395 Freilassing Einaxiale Druckfestigkeit, Verformungsverhalten und Gebirgsklassifizierung im alpinen Salzbergbau 149 ge mit Wasser herausgelaugt wird, müssen Zugangsstrecken aufgefahren werden. Die Herstellung dieser Zugangstrecken innerhalb der Salzlagerstätten erfolgte im Mittelalter mit Eisen und Schlägel, heute mittels Bohr- und Sprengarbeit oder durch T eilschnittmaschinen. Im ausgelaugten Haselgebirge mit tonigem, manchmal stark wasserführendem Gebirge sind Methoden der Lockergesteinsgewinnung anzuwenden. Die sehr unterschiedliche Lösbarkeit und Standsicherheit der im alpinen Salzbergbau anzutreffenden Gesteinstypen ist eine Funktion ihrer Gesteins- beziehungsweise Gebirgsfestigkeit. Diese üblicherweise sehr wesentliche Unterscheidung ist bei den meisten Gesteinstypen des alpinen Haselgebirges überflüssig, da außer im Anhydrit, der manchmal geklüftet ist, innerhalb der Salzlagerstätten keinerlei Klüfte auftreten. Der Salzanteil des Haselgebirges reagiert stark plastisch, so daß sämtliche Klüfte, die sich während der geologischen Geschichte gebildet haben, immer wieder mit Salz verheilt sind. Sogar die Klüfte in spröde reagierenden Anhydrit- und Fremdgesteinseinlagerungen, die sich während der tektonischen Vorgänge mehrfach gebildet haben, sind meist komplett mit Salz verheilt. Das die Salzlagerstätte umgebende ausgelaugte Haselgebirge besteht aus Rückstandstonen, die in der Regel plastisch reagieren. Diese T one enthalten als Komponenten Anydritkomplexe aus dem Haselgebirge sowie tektonisch eingebrachte Fremdgesteine, in der Regel Kalke und Dolomite aus der Gesteinsfolge der Nördlichen Kalkapen. Solche spröde reagierenden Härtlinge sind durch die Auflösung des Salzanteils des Haselgebirges durch Umlagerungen und Sackungen stark aufgelockert worden. Durch diese Auflockerungserscheinungen wird oft eine starke Wasserdurchführung verursacht. Im ausgelaugten Haselgebirge findet ständig die Umwandlung von Anhydrit zu Gips statt. Dieser Gips wird durch das Grundwasser ausgelaugt, wobei es zu Gipskarsterscheinungen kommen kann. Abb. 1: Schemaprofil durch eine alpine Salzlagerstätte eines Salzbergwerks. 2 Einaxiale Druckfestigkeit alpiner Salinargesteine Die einaxiale Druckfestigkeit ist eine einfache Methode zur Bestimmung der Gesteinsfestigkeit und ihre Ergebnisse werden in vielen Fällen für weiterführende Überlegungen zur Dimensionierung von untertägigen Hohlräumen benutzt. Die Dimensionierung der im alpinen Salzbergbau hergestellten Laugkavernen ist ein für die Wirtschaftlichkeit der Bergwerke entscheidendes Kriterium. Deshalb wurde die einaxiale Druckfestigkeit verschiedener 150 S. Kellerbauer alpiner Salinargesteine im Rahmen einer systematischen Untersuchung (W ES T INER , 1991) an 261 Proben bestimmt. Die Probenahme erfolgte in Anlehnung an die von SC HAUB ER GER (1986) eingeführte Kartiermethode. An sämtlichen Bohrkernproben (48 mm Durchmesser) wurde nach den Druckversuchen der Salzgehalt bestimmt. Die höchsten mittleren Druckfestigkeiten weist das graue bzw. rote Kernsalz mit 46 bzw. 43 MPa auf. Steinsalzproben aus dem norddeutschen Zechsteinsalinar weisen ähnliche Werte auf. Die Druckfestigkeiten der Gesteinstypen des alpinen Haselgebirges sinken mit abnehmendem Salzgehalt auf Werte bis zu 15,4 MPa beim Blättersalzgebirge. Mit noch weiter sinkenden Salzgehalten steigen die Druckfestigkeiten beim reinen Salzton und beim Anhydrit wieder deutlich an.Das durchschnittliche Haselgebirge weist einaxiale Druckfestigkeiten um 30 MPa auf, wobei die Schwankungsbreite vom reichen zum armen Haselgebirge etwa 10 MPa beträgt. 10 0 90 Sal zg ehal t Gew. % 80 70 64,1 MPa Salzgehalt Gew. % 60 50 43,0 MPa46,0 MPa 39,1 MPa 35,3 MPa 40 30 19,6 Mpa15,4 MPa 20 24,9 MPa24,4 MPa Einaxiale Druckfestigkeit 10 Abb. 2: z al al ns ns er K s ue ra G ot R ge el H as es bi K rg e er re bi ge el as z h ic e rg m e rg H el as H Sa lz gl ge an bi zs Sa ch lz ie ar fe n to rit yd nh A r 0 Einaxiale Druckfestigkeit verschiedener Salzgesteinstypen des alpinen Haselgebirges. Die Ergebnisse älterer Würfeldruckversuche (AM B AT IELLO , 1981) an Haselgebirgsproben stimmen gut mit den bestimmten einaxialen Druckfestigkeiten überein. Die Druckfestigkeitswerte von Würfeldruckversuchen liegen nach Literaturangaben etwa 10 % höher als die von einaxialen Druckversuchen an zylindrischen Prüfkörpern mit einem Längen- / Durchmesserverhältnis von 2,5 zu 1. Dies war bei den untersuchten Proben ebenfalls der Fall. Beim Vergleich der in den Versuchen mit 48 mm Kerndurchmesser bestimmten Druckfestigkeiten (WESTINER , 1991) mit den Ergebnissen von Proben mit 80 mm Kerndurchmesser (BAUM GÄR T NER , 1995) wurde ebenfalls Übereinstimmung festgestellt. Die einaxiale Druckfestigkeit der verschiedenen Haselgebirgstypen ist direkt von ihrem jeweiligen Salzgehalt abhängig. Die Erklärung für diese Abhängigkeit liefert das Gefüge der jeweiligen Haselgebirgstypen. Im Kernsalz, das mehr oder weniger aus reinem Steinsalz bzw. Halit besteht, sind keine Komponenten mit anderen Festigkeiten vorhanden. Die Gesteinseigenschaften wie Druckfestigkeit und Verformungsverhalten werden ausschließlich vom Steinsalz bestimmt . Beim Haselgebirge nimmt mit zunehmendem Komponentengehalt und abnehmendem Salzgehalt der Einfluß der Komponenten auf die Gesteinsfestigkeit zu. Das Steinsalz bildet eine Matrix, in der die Komponenten aus verschiedenen T onsteinen und untergeordnet Anhydrit enthalten sind. Die Komponenten weisen für sich betrachtet zwar ähnliche Druckfestigkeiten wie reines Steinsalz auf, unterscheiden sich in ihrem Verformungsverhalten jedoch grundsätzlich. Die Verformung des Steinsalzes erfolgt Einaxiale Druckfestigkeit, Verformungsverhalten und Gebirgsklassifizierung im alpinen Salzbergbau 151 praktisch als reine Kriechverformung. Dabei treten innerhalb der Probe Verschiebungen bzw. Bewegungen einzelner Kristallite auf. Die T on- und Anhydritkomponenten reagieren auf die Belastung durch elastische Verformungsvorgänge. Abb. 3: Matrixgestütztes Gefüge im reichen Haselgebirge. Wird nun ein Haselgebirge, welches aus einer Steinsalzmatrix mit eingelagerten T onsteinkomponenten besteht, im Druckversuch oder in situ belastet, so laufen beide Verformungsmechanismen gleichzeitig ab. Innerhalb der Steinsalzmatrix laufen die Kriechverformungen ab, die mit einer Stauchung der Probe einhergehen. Die elastischen Verformungen in den Komponenten haben solange keinen Einfluß auf die Gesteinsfestigkeit, bis sich aufgrund von immer weiter abnehmendem Salzgehalt die Komponenten berühren. Dann geht das matrixgestützte Gefüge in ein komponentengestützetes Gefüge über. Von nun an bestimmen bei weiter abnehmendem Salzgehalt die Komponenten die Festigkeits- und Verformungseigenschaften. Das Steinsalz füllt nur noch die Zwickel zwischen den Komponenten aus und hat auf die Gesteinseigenschaften keinen wesentlichen Einfluß mehr. Dieser Umkehrpunkt der Druckfestigkeiten tritt bei Salzgehalten von 15 bis 20 % auf, was dem Zwickelinhalt eines korngestützten Gefüges entspricht. Die aufgebrachte Belastung wird beim korngestützten Gefüge von den Komponenten aufgenommen. Abhängigkeiten der einaxialen Druckfestigkeit von der Art, Größe und Färbung der T onsteinkomponenten entsprechend der Nomenklatur nach SC HAUB ER GER (1986) waren nicht nachweisbar. An allen im einaxialen Druckversuch geprüften Proben wurden Point Load T est´s, durchgeführt. Eine Korrelation der Ergebnisse mit denen der einaxialen Druckversuche war nicht feststellbar. Der Point Load Test ist deshalb für die schnelle Abschätzung von Gesteinsfestigkeiten im alpinen Haselgebirge nicht anwendbar. 3 Verformungsverhalten alpiner Salinargesteine Das Deformationsverhalten der verschiedenen Gesteinstypen zeigt eine Abnahme des elastischen Anteils der Verformungskurve mit zunehmendem Salzgehalt. Die Ursache ist die entsprechend dem steigenden Salzgehalt zunehmende irreversible Kriechverformung in den Proben. Das Versagen der Prüfkörper im einaxialen Druckversuch erfolgte als duktiler Bruch, Sprödbruch und als Ausbruch einzelner Komponenten. Bei Gesteinstypen mit hohem Salzgehalt überwog der duktile Bruch, bei niedrigem Salzgehalt der Sprödbruch. 152 S. Kellerbauer Verformung % 10 0 90 80 Salzgehalt Gew % 71% 65 % 70 60 52 % 50 41% 40 30 Elastischer Verformungsanteil 20 21 % 15 % 9% 10 z ns al rg er el H as K ge bi re e rg bi ge H as el an gl lz Sa Abb. 4: e h ic n to lz Sa z- A sc nh hi yd ef rit er 0 Elastischer Verformungsanteil an der Gesamtverformung. Der Anteil der reversiblen elastischen Verformung an der Gesamtverformung der Proben beträgt im einaxialen Druckversuch beim Haselgebirge 21 %, beim Kerngebirge noch 15 % und beim reinen Kernsalz nur noch 9 %. Diese Gesteine bilden die bauwürdigen T eile der alpinen Salzlagerstätten. Deren Gesteinseigenschaften sind daher für weiterführende Überlegungen zur Dimensionierung der Abbauhohlräume zu verwenden Der überwiegende T eil der Verformung läuft in Form von irreversibler Kriechverformung ab. Dies ist im alpinen Haselgebirge der für praktische Anwendungen entscheidende Anteil der Verformung. Die Gesteinseigenschaften unterscheiden sich grundsätzlich nicht von denen reiner Salzgesteine im norddeutschen Zechstein und allen anderen Salzlagerstätten. Die makroskopische Beobachtung von Verformungsvorgängen an Streckenquerschnitten und anderen untertägigen Hohlraumprofilen bestätigt diese aus den felsmechanischen Laborversuchen abgeleitete Überlegung. Abb. 5 zeigt ein Streckenprofil in einem bereits abgeworfenen Feldesteil, das mit einem hölzernen Türstockausbau ausgebaut ist. Dieser Ausbau, der vermutlich nur dem Verhindern von oberflächlichen Ablösungen durch Feuchtigkeitszutritt diente, ist durch die Konvergenz bereits beschädigt. Die Kappe des im Vordergrund stehenden T ürstockes ist bereits durchgebrochen, was einer horizontalen Konvergenz von mindestens 20 cm entspricht. T rotzdem sind in der Firste keine makroskopischen Veränderungen des Gebirges zu erkennen. Die freie Höhe des Streckenquerschnittes hat sich von ursprünglich ca. 2,20 m auf unter 1,80 m verringert. Dabei erfolgte in dem unten offenen Ausbau eine beträchtliche Sohlhebung. Die beschriebenen Verformungen fanden im Gebirge durch irreversible Kriechverformung statt, wobei erst bei Überschreiten einer gewissen Maximalkonvergenz Sekundärklüfte und Ablösungen entstehen. Im zweiten Ausbau dieses Bildes ist links oben eine beginnende Sekundärkluftbildung zu sehen. Hier ist das Gebirge nicht mehr in der Lage, die auftretenden Bewegungen durch Kriechverformung aufzunehmen. Es bildet sich eine Sekundärkluft bzw. eine oberflächliche Abschalung. Abb. 6 zeigt einen bereits stark verformten T ürstockausbau, bei dem die Kappe bereits durchgebrochen und entfernt ist. Das ursprünglich gerade Widerlager der Kappe im Gebirge wurde durch die Kriechverformung durchgebogen. Da das Gebirge die aufgebrachte Last nicht vollständig durch Kriechverformung abbauen konnte, hat sich im rechten T eil aufgrund der Scherbewegungen eine Sekundärkluft gebildet. Einaxiale Druckfestigkeit, Verformungsverhalten und Gebirgsklassifizierung im alpinen Salzbergbau 153 4 Langzeitversuche und ihre Übertragung auf die Stabilität von Hohlräumen im alpinen Haselgebirge Die Belastung weit unterhalb der eigentlichen Bruchlast über lange Zeiträume simuliert im Gegensatz zum einaxialen Druckversuch sehr viel besser den wirklichen Belastungszustand des Gebirges im Einflußbereich von untertägigen Hohlräumen. BAUM GÄR T NER (1995) hat mit seiner Diplomarbeit aufbauend auf den Ergebnissen von W ES T INER (1991) das Verformungsverhalten von Haselgebirgsbohrkernen in Langzeitdruckversuchen untersucht. Dazu hat er in einer zu diesem Zweck entwickelten Versuchsanordnung Haselgebirgskerne mit 50 bis 70 % der in einaxialen Druckversuchen nach ISRM- Empfehlungen bestimmten Bruchlast beaufschlagt. Die Versuchsdauer wurden teilweise bis über mehrere Wochen ausgedehnt, um den Proben Zeit zu geben, durch interne Spannungsumlagerungen die entsprechenden Kriechverformungsvorgänge ablaufen zu lassen. DR EYER (1967) erklärt dieses kriechende Verformungsverhalten durch die ständige Neubildung von NaCl- Kristallen in der Probe. Solange die Kristallneubildungsrate der Zerstörung standhält, befindet sich die Probe im linearen Abschnitt der Verformungskurve. Erst wenn die Zerstörungsrate größer als die Neubildungsrate wird, beginnt die irreversible Zerstörung des Gesteinsgefüges. Nach Abb. 5: Deformation eines Streckenquerschnittes. Versuchsende bleibt eine geringe Restfestigkeit bestehen, da noch einige Kristallbindungen vorhanden sind. Übereinstimmend mit diesen theoretischen Überlegungen wurde in den Langzeitdruckversuchen der „plastische“ Verformungsanteil des Haselgebirges zwischen 88,1 % und 100 % der Gesamtverformung bestimmt. Der elastische Anteil der Verformung ist des- Abb. 6: Plastisch verformtes Widerlager eines Türstockausbaues. 154 S. Kellerbauer halb bei anwendungsbezogenen Überlegungen vernachlässigbar gering. Beim grüngrauen Haselgebirge lag der "plastische" Verformungsanteil bei durchschnittlich 96,2 % der Gesamtverformung. Insgesamt kann aus den Langzeitdruckversuchen gefolgert werden, daß der plastische Anteil der Gesamtverformung bei den normalen Gesteinstypen des salzführenden Haselgebirges über 90 % beträgt. Damit prägt das "plastische" Verhalten das Verformungsverhalten des gesamten alpinen Haselgebirges. Dies stimmt mit den in situ Beobachtungen und den Ergebnissen von Verformungsmessungen in Hohlräumen (KELLER B AUER , 1996) überein. 3 Verformung [mm] 2,5 2 1,5 1 0,5 0 0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 korrigierte Zeit [Min] Abb. 7: Langzeitdruckversuch mit Zeitkorrektur. Abb. 7 zeigt eine Verformungskurve eines Langzeitversuches, bei dem die Verformung von Beginn bis zum Ende des Versuches im linearen Abschnitt der Verformungskurve erfolgte. Hier konnte eine reine Kriechverformung des Probenkörpers simuliert werden. Die in den Langzeitversuchen erhaltenen Zeit- Verformungskurven lassen sich generell in 3 Abschnitte unterteilen: !"Im e rste n Abschnitt findet mit dem Anfahren des Versuchs eine Konsolidierung der Probe statt. Diese Konsolidierung entspricht ungefähr der Entlastung, die die Probe nach dem Herausbohren aus dem Gebirgsverband erfahren hat. Die aufgewendete Energie wird zum T eil in eine elastische Stauchung des Prüfkörpers umgesetzt. In dieser Phase des Versuches wird der Ausgangszustand der Probe vor der Entlastung durch die Probenahme hergestellt. Vor der Probenahme vorhandene Veränderungen des Gebirges durch benachbarte Abbauhohlräume etc. werden nicht rückgängig gemacht. !"Mit Beginn des z we ite n Abschnitte s ist die Konsolidierung der Probe abgeschlossen. Die nun stattfindenden Bewegungen sind ausschließlich auf das Fließ- bzw. Kriechverhalten des Salzes zurückzuführen. Die Verformungsgeschwindigkeit bei gleichbleibender Belastung nimmt einen konstanten Wert an (vgl. Abb. 7). Diese Phase des Versuches simuliert den Zustand im Gebirge, wenn durch das Herstellen von Hohlräumen zusätzliche Belastungen auf das umgebende Gebirge aufgebracht werden. Das Gebirge reagiert auf diese Belastungen mit Kriechverformungen. Diese Kriechverformungen laufen bei konstanter Belastung mit gleichbleibender Geschwindigkeit, also mit konstanter Kriechrate, ab. Während dieser Kriechverformungen erfolgt keine Verringerung der T ragfähigkeit des Gebirges, sie sind in der Umgebung von Hohlräumen im Salzgebirge der Normalzustand. Die Verformungsraten verringern sich erst, wenn eine Verringerung des Belastungs- bzw. Spannungszustandes auftritt. In einem Gebirgspfeiler erfolgt diese Verringerung entweder durch das Ein- Einaxiale Druckfestigkeit, Verformungsverhalten und Gebirgsklassifizierung im alpinen Salzbergbau 155 bringen und Wirksamwerden von Versatzmaterial oder durch das vollständige Schließen der benachbarten Hohlräume durch die Konvergenz. !"Der dritte Abschnitt der Verformungskurve ist von einer starken Zunahme der Verformungsgeschwindigkeit gekennzeichnet. Durch die starken Verformungen wird es unmöglich, den Druck auf die Probe konstant zu halten. Dieser Abschnitt kennzeichnet den Beginn des Versagens des Prüfkörpers. In dieser Phase beginnt die Überlastung eines Gebirgspfeilers. Die Konvergenz in den Hohlräumen steigt über die konstante Konvergenzrate der vorhergehenden Phase an. Das Gebirge ist nicht mehr in der Lage, die aufgebrachten Belastungen vollständig durch Kriechverformungen aufzunehmen. Es bilden sich bevorzugt an Korngrenzen und Inhomogenitäten erste Schwächezonen im Probekörper bzw. im Gebirge. Dadurch vermindert sich die Festigkeit der Probe bzw. des Gebirges und es kommt nach der Bildung von Sekundärklüften und Abschalungen relativ bald zum Bruch der Probe bzw. zum Versagen des Gebirgspfeilers. Das eigentliche Versagen der Probe tritt in der Regel relativ plötzlich ein. Die erhaltenen Bruchfiguren sind durch viele Abb. 8: Bruchfigur eines Haselgebirgsbohrkerachsenparallele Risse gekennzeichnet. Die Salzmatrix des nes nach dem Langzeitdruckversuch. Haselgebirges bleibt bis zum Versuchsende relativ stabil. Nach Versuchsende ist es fast immer möglich, den zerstörten Prüfkörper in einem Stück aus dem Prüfrahmen zu entfernen. Der Verbruch eines Abbauhohlraumes im alpinen Haselgebirge erfolgt normalerweise schlagartig. Progressiv ansteigende Verformungsraten, beginnende Sekundärkluftbildung und Auflockerungserscheinungen des Gebirges kündigen ihn jedoch frühzeitig an. Wenn dieser Verformungszustand erreicht ist, kann ein Verbruch durch aktive Gegenmaßnahmen wie Verringerung der Belastungen, Einbringen von Stützmitteln oder Versatz verhindert werden. 5 Gebirgsklassifizierung von alpinem Haselgebirge und Nebengesteinen im Streckenvortrieb Die Herstellung der Abbauhohlräume erfolgt im alpinen Salzbergbau durch Auflösen des salzhaltigen Haselgebirges mit Süßwasser. Bei diesem Abbauverfahren entstehen Abbauhohlräume mit freitragenden Hangendflächen von über 3500 m² und Rauminhalten von mehr als 30 000 m³. Vor der Aussolung dieser Hohlräume muß eine kostenintensive untertägige Infrastruktur durch Strecken und Schächte hergestellt werden. Die Herstellungs- und Instandhaltungskosten dieser Infrastruktur belasten die Erzeugungskosten der gewonnenen Salzsole erheblich. Der Querschnitt dieses Streckensystemes wird so klein wie möglich gewählt, da keine großen Nutzquerschnitte erforderlich sind. Der Abtransport der Sole sowie die Zuleitung des Laugwassers erfolgen über Rohrleitungen, welche in einem kleinen Querschnitt gut untergebracht werden können. Bei der Querschnittsbemessung und Ausrüstung der Strecken mit Rohrleitungen, Kabeln und Geleisen ist es notwendig, die Konvergenzen von üblicherweise etwa 1 cm pro Jahr zu berücksichtigen. Bei allen Maßnahmen von der Auffahrung bis zur Sanierung der Strecken ist die für die jeweilige Strecke notwendige Lebensdauer zu berücksichtigen. Diese muß mit möglichst geringem Aufwand erreicht werden. Im salzführenden Haselgebirge werden normalerweise keine besonderen Ausbau- und Sicherungsmaßnahmen in den Strecken vorgenommen. Ausnahmen sind punktuelle Anker und Firstsicherungen gegen das Abblättern von sogenanntem Blättersalzgebirge. 156 S. Kellerbauer Mit T eilschnittmaschinen hergestellte Strecken zeigen gegenüber in Bohr- und Sprengarbeit aufgefahrenen wesentlich längere Standzeiten. Durch die schonendere Gebirgslösung wird das Gebirge nicht aufgelockert und die Kriechverformungen können im weitgehend unbeeinflußten Gebirge ablaufen. Die durch die Konvergenz ausgelösten oberflächlichen Abschalungen, die beim vermehrten Auftreten Sanierungsmaßnahmen erforderlich machen, treten in diesen Strecken später auf. Machmal wird deshalb eine im Sprengvortrieb hergestellte Strecke vor Einbau der Versorgungsleitungen mit einer T eilschnittmaschine (T SM) nachprofiliert. Flexible Aufhängungen von Kabeln und Rohrleitungen verhindern deren vorzeitiges Versagen durch konvergenzbedingte Bewegungen. Rohrleitungen sollten auf keinen Fall in der Sohle eingegraben werden, da bei Undichtigkeiten das Salzgebirge der Sohle aufgelöst wird. Normalerweise werden solche Schäden erst nach einiger Zeit bemerkt, Abb. 9: Teilschnittmaschine AM 50 im salzführenden Haselgebirge. da die Laugung bevorzugt nach unten erfolgt. Durch den Rückstandston in Verbindung mit dem ausgetretenen Wasser entsteht in der Sohle eine aufgeweichte Stelle, die normalerweise nur durch kompletten Bodenaustausch saniert werden kann. Im salzführenden Haselgebirge müssen Ausbauten in jedem Fall nachgiebig ausgelegt werden, da die ständig ablaufenden Kriechverformungen jeden starren Ausbau (z. B. Ortbetonauskleidungen) unweigerlich zerstören. Eine Dimensionierung müßte gegen die wirksame Überlagerung erfolgen, was bei normalerweise mehr als 100 Metern völlig unwirtschaftlich ist. Die im Bergbau durch die Betriebszeit der Abbaue begrenzte Lebensdauer von Strecken sollte in der Dimensionierung des Nutzquerschnittes und der Sicherungsmaßnahmen dergestalt berücksichtigt werden, daß die Benutzung der jeweiligen Zugangsstrecken bis zur Beendigung der Abbaue möglich ist. Danach ist die Strecke nicht mehr notwendig und wird aufgegeben. Die notwendigen Lebensdauern der Zugangsstrecken zu den Abbaubetriebspunkten betragen je nach Abbauverfahren 20 bis 30 Jahre, die der Hauptstrecken bis zu 50 Jahre. Im ausgelaugten Haselgebirge müssen alle Strecken durchgehend gesichert und ausgebaut werden. In früherer Zeit erfolgte dieser Ausbau durch T ürstockzimmerungen. Diese wurden bei hohem Gebirgsdruck in der Sohle ausgesteift und mit geringerem Abstand eingebaut. Diese Ausbauart kann dem Gebirgsdruck nicht standhalten und erreicht maximale Lebensdauern von 30 Jahren. Dann muß die Strecke saniert werden. Zugangsstollen und Hauptstrecken wurden deshalb schon Anfang des 18. Jahrhunderts mit in der Sohle geschlossenem Natursteinmauerwerk zu einem Eiprofil von knapp 3 m² Querschnittsfläche ausgebaut. Bereits zu dieser Zeit hatte man mit dieser Ausbauart ein wirksames Mittel zur dauerhaften Verhinderung der Konvergenz gefunden. Die Kalksteinmauerungen aus exakt behauenen Steinen sind trocken versetzt und weisen Materialstärken von 40 bis 60 cm auf. T rotz dieser Materialstärke wird der Kalkstein dieser Mauerungen in Bereichen mit großem Gebirgsdruck derart zerdrückt, daß die Druckfestigkeit der einzelnen Mauersteine überschritten wird. Die Ausmauerung kann dann aufgrund der fehlenden Gewölbewirkung dem Druck nicht mehr standhalten und versagt. Die im ausgelaugten Haselgebirge derzeit eingebauten, meist aus Wirtschaftlichkeitsgründen sohloffenen Ausbausysteme (Gleitbogenausbau, Spritzbetonausbau ) sollten ein Nachsenken der Sohle erlauben. Oft erfolgen beträchtliche Sohlhebungen durch die Plastizität des Haselgebirgstones, bevor das eigentliche Ausbausystem seine Lebensdauer erreicht. Einaxiale Druckfestigkeit, Verformungsverhalten und Gebirgsklassifizierung im alpinen Salzbergbau 157 In der folgenden T abelle wird eine Gebirgsklassifizierung für den alpinen Salzbergbau vorgestellt, mit der die anzutreffenden Gebirgsarten bezogen auf den im alpinen Salzbergbau üblichen Ausbruchsquerschnitt von 5 -10 m 2 bezüglich Auffahrung und Sanierung beschrieben werden. 6 Literatur ALB R EC HT , H. & MEIS T ER D. (1984): Ingenieurgeologie im Salzgebirge (Salzmechanik).- In: Bender,F. (Hrsg.): Angewandte Geowissenschaften Band III.- S. 463 - 478; Stuttgart. AM B AT IELLO , P. (1981): Erstellung von Großhohlräumen im alpinen Salinar unter besonderer Berücksichtigung der Förderung der dabei anfallenden Feststoffe. - Dissertation an der Fakultät für Bergbau, Hüttenwesen und Maschinenwesen der T U Clausthal. BAUM GÄR T NER , W. 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Kellerbauer Tab. 1: Gebirgsklassifizierung von Haselgebirge und Nebengesteinen im alpinen Salzbergbau Klassifizierung nach Bergwasser- Konvergenz Kosten je lfm Lebensdauer Einfluß der Überlagerung einfluß der Strecke Ausbruch + Sanierung SPAUN 1984 bis Sanierung Sicherung Gebirgsart Ausbruch Sicherung Funktion der Sicherung Kernsalz Sprengen TSM Keine Keine > 30 a gering trocken 1 cm/a 1 KE 0,3 KE pseudostandf est Haselgebirge Sprengen TSM Keine Keine > 30 a gering trocken 1 cm /a 0,8 - 1 KE 0,3 KE pseudostandf est Blättersalzgebirge Sprengen TSM Versiegelung Firstsicherung Verhindert Abblättern durch Feuchtigkeit < 20 a gering trocken 1 cm /a 0,8 - 1 KE 0,3 KE pseudostandf est Salzglanzschief er Sprengen TSM Gleitbogenausbau, Anker Verhindert Gleitkeilbildung 20 a groß trocken 2 - 5 cm/a 1,5 KE 0,3 KE stark nachbrüchig Anhy drit Sprengen Keine Keine > 30 a keiner trocken keine 1 KE 0,3 KE standf est Massiger Kalk Dolomit Sprengen Keine / Anker Verhindert Ablösen v on Kluf tkörpern > 30 a keiner gering, trocken keine 1 KE 0,3 KE standf est Gebankter Kalk Sprengen Keine Anker Firstsicherung Verhindert Ablösen an Trennf lächen > 30 a keiner gering, trocken keine 1 KE 1,0 KE standf est, nachbrüchig Ausgelaugtes Haselgebirge Schrämen GleitbogenBaggern ausbau TSM Spritzbeton Verhindert / behindert Konv ergenz 5 - 20 a sehr groß deutlich 0 - 10 cm/a e nach Ausbau 5 - 10 KE 3 KE stark druckhaf t Ausgelaugtes Schrämen GleitbogenausHaselgebirge Baggern bau, Ortbeton, mit LockermaSpritzbeton mit terial Sohlschluß Verhindert / behindert Konv ergenz, Drainage 5 - 20 a sehr groß stark 0 - 15 cm/a je nach Ausbau 10 KE 6 KE rollig zerrütteter Sprengen GleitbogenKalk / Dolomit Schrämen ausbau, Spritzbetonschale Verhindert Nachf all, Drainage 5 - 20 a groß stark 0 - 10 cm/a je nach Ausbau 5 KE 3 KE gebräch TSM – Teilschnittmaschine. Die schattierten Gebirgsklassen treten innerhalb der Salzlagerstätte auf, die anderen im unmittelbaren Kontakt. Wörterbuch des Wasser-, Tunnel- und Stollenbaus 159 Wörterbuch des Wasser-, Tunnel- und Stollenbaus von Prof. Dr. Ew ald Tentschert, Institut für Geologie der Technischen Universität Wien, Karlsplatz 13, A-1040 Wien Bergwasserspiegel %o-Gehalt nach gehabten Gipf elschlucken A Abgangstag Zeiteinheit f ür Def izit Betonprobe Abschlagszahlung nicht anerkannte Nachtragsf orderung Verkostung v erschiedener Betonsorten Betonung Lehmschlag Absetzversuch letzte Chance, sich der Verantwortung zu entziehen Betonwürfel Baumeister-Spielzeug Bettungsziffer Auslastungsquote eines Hotels Ab- und Zuwasser periodische Naßstelle Bindemittel Fessel Anmachwasser prickelndes Getränk im chambre separeé Blindleistung nicht erkennbares Arbeitsergebnis Anschlagsfeier Gelage nach geglücktem Terrorakt Blindstrom Elektrizität bzw. Gewässer, sehbehindert Aufmass Auf ruf zum Zuprosten (bay risch) Bodenfliessen keramischer Bodenbelag Auftrieb steigender Hormonspiegel Bodenkriechen Arbeitsfuge Musikstück f ür Bauarbeiter Fortbewegungsart nach einem Sauf gelage Architektonik Archaische Erdkrustenbewegungen Boden Hy mnen auf 2. Buchstaben des Alphabets Ausbauwiderstand Volksbegehren gegen Kraf twerksprojekt Bodenkultur Gegenteil v on: Hochkultur Brauchwasser Ausspruch Verdurstender Ausgussbeton Beton f ür Sanitärinstallationen Buckelwiese Ausrollgrenze Ende des roten Teppichs f ür Rasenmäher nicht geeignete Graslandschaf t Ausschalen entkleiden Ausziehversuch Tätigkeit des Strip-Lehrlings C Computer Aided Design (CAD) B Bachverlegung Verlust eines kleinen Fließgewässers Barbar-A auch ein Gastarbeiter ! Bauaufsicht v orsichtiger Baubetrieb bei Nebel Bauausschreibung ungekürzte Schreibweise des Wortes "Bau" v on Rechenmaschine inf izierte Modeschöpf ung D Dammbalken Donnerbalken f ür Wasserbauer Dammfuss Talsperren-Extremität Dammkrone Machtsy mbol des Dammexperten Derrikkran Baugerät eines FernsehKomissars Detonation Entf ernen eines Tones Doppelgrat Angabe in Alt- und Neugrad (m. Schreibf ehler) Baudirektor Gef ängnisv orsteher Baugrund Anlaßf all f ür eine Bautätigkeit Bauleiter Hilf smittel zum Fensterln bei der Baustellensekretärin Baulos Techniker-Schicksal Baurechtsexperte politisch einseitiger Ingenieur Drehofen rassiger Sportwagen Baustrom in die Baugrube f ließendes großes Gewässer Drosselklappe Schnabel eines v orlauten Vogels Druckabfall Gesteinsprobe nach (Druckv ersuch Bauweise Lied der Arbeit Benetzen Böschungssicherung Druckluft quälende Darm-Aktiv ität Bergschlag Tick eines Bergf exen Druckversuch 1.: Chef -Aktiv ität Bergwasser Spirituosen f ür Bergtouren (Gipf elschluck) 2.: Erpressung Druckzwiebel Vorarbeiten f ür Zwiebelsaf t 160 E. Tentschert Durchlaufbetrieb Firma mit sportlichen Mitarbeitern Ge (h) ologe gebildeter Fußgänger Durchlaufträger Eilbote Geländemodell FKK-Gespielin Generator Zugang zu lateinischen Geschlechtern Geographologe Kind v on Geologen mit Geographin oder umgekehrt Geologe Theatersitz eines Reisemagazins Geo-Software weiches Gestein Geotextil Geländekleidung eines Erdwissenschaf tlers Geschiebe Drängerei Geschiebefalle Munitionsdepot f ür Steinschleudern E Einfachträger einteilige Hosenhalterung Einlaufbauwerk Gebäudeteil der Darmklinik Einstein einsames Überkorn (> 63 mm) Elastizitätsmodul Maß f ür die Fähigkeit, der Arbeit auszuweichen Erdgeschoss Bodenpatrone Erdruhedruck Auf last auf Sarg im Endzustand Geschiebespende steinernes Geschenk Erosion kleinstes geladenes Teilchen des griechischen Liebesgottes Geschiebetrieb 1. animalischer Sedimenttransport Estrich Teil des 2. Vokales im Alphabet F 2. Nordisches Langlauf zentrum Gesteinskunde Käuf er einer Gesteinsprobe Gewässerkunde Pächter eines Fischwassers Gipsspiegel Toiletteartikel f ür Gipsköpf e Gleichrichter rasch reagierender Jurist Gleichstrom Ausruf bei Kraf twerksinbetriebnahme Fachmann Möbeltischler Faltenschenkel umgangssprachlich f ür Cellulitis Felsanker Bef estigung f ür Boote auf hartem Seegrund Gleitschütz wehrhaf ter Tiroler beim Eislauf en Griffigkeit weibliche Eigenschaf t (positiv ) Felsspion Steinzeit-Agent Grundablass Fensterstollen Weihnachtskuchen in der Auslage v ollständiger Nachlaß aller Sünden Grundwasserleiter Gerät zur Brunnenbesteigung Fertigbeton Gastarbeiterausruf nach Feierabend Festbeton Beton f ür f eierliche Anlässe Festigkeitsabfall Überreste v on Probewürf eln Festigkeitszunahme beginnendes Übergewicht Festzug entgleistes Stollenf ahrzeug Feuerbeton Brennmaterial südamerikanischer Indianerstämme Firstfeier Gelage v on Dachbewohnern Fischaufstieg Karriere v on Wasserbewohnern Fischrampe Verladestation der Fa. Nordsee Flussbett Schlaf möglichkeit in natürlichem Gerinne Förderband Gängelungsinstrument v on Mäzenen Fräsennachläufer Bauleiter einer schnell v ortreibenden TBM Freibord Schif f sdeck f ür blinde Passagiere Frostkoffer kleiner Reisekühlschrank H Hangbewegung dichter Pistenv erkehr Hanglabilität Skiabf ahrt nach mehreren ( Hangwässern Hangstabilität sicheres Fahren auf der Piste Hangwasser Spirituosen auf Skitouren HIV Positiv gelungenes HochdruckInjektions-Verf ahren Hochbauer Gebirgslandwirt Hochdruckinjektion Goldener Schuß eines Junkies (HDI) Hochwasserüberfall Straf tat bei HQ 100 Hornblende Tarnkappe f ür betrogene Ehemänner Hosenrohr schamhaf te Wasserbedeckung Hüllkurven Auf f orderung an nackte Dame Hüttenbims Brot in Alpenv ereins-Haus G Gebirgsklasse Unterrichtsraum einer Bergbauernschule Gegensperre Anti-Kraf twerks-Bewegung I Injektionspumpe Rationalisierung v on Impf serien Wörterbuch des Wasser-, Tunnel- und Stollenbaus Injektionsschleier Bewußtseinszustand nach Heroinspritze Icold Kleinkind will Rev olv er Isolator italienische Inseleinf ahrt J Jeepologist f ußmaroder amerikanischer Geologe Jet Grouting Bodenv erbesserung durch Düsenf lugzeug Judenstein semitische Gesteinsart K Kalktreiben alter schweizerischer Hüttenbrauch 161 Lastannahme Wareneingang Lastverteiler Chef , der Arbeit an mehrere Mitarbeiter delegiert Laufrad Draisine Laufkatze schnelles Haustier Lichtraum beleuchtetes Zimmer Lehrstuhl Prof essoren-WC M Magerbeton unterernährtes Baumaterial Magma Konsens der Beliebtheit („des/den/die mag ma“) Mannloch Gegenteil v on ..... Manschetteninjektion Abdichtung des Hemdärmels Mantelreibung Hautjucken durch Übergewand Massenbewegung Volksauf stand v on Gebirgshängen Massenbeton Beton f ür das gemeine Volk; Gegenteil: (Festbeton Kames Frage, ob Beischlaf durch Höhepunkt gekrönt wurde Kanaldiele Vorraum einer Wasserstraße Kaplanturbine 1.: ohne Entwurf hergestelltes Wasserrad Mehrfachgrat Wegbeschreibung: immer geradeaus 2.: Wasserrad eines Geistlichen Mehrausbruch Flucht mehrerer Gef angener Kerndichtung Roman über Atomkraf t Messkammer Kernkraftwerk Verbrennungsanlage f ür Steinobstsamen Tref f punkt okkulter Vereinigungen Messpunkt Auf trag an Geodäten Kluftlänge Konf ektionsgöße Minister Ausspruch beim Abmessen v on Liliputanern Kluftkörper Schauf ensterpuppe Mischanlage Gerät f ür Kartenspieler Kluftrichtung Modetrend Mischgut Auf f orderung beim Kartenspielen Kluftweite Textilmaß Modellbau 1.: Gef ängnis in M 1: 100 Krafthaus Body -Building-Center Kragplatte Halsstütze bei Wirbelv erletzungen Montageleiter Konkubinat Herstellen v . Probewürf eln Mure Kopfschutz Hohlraumschutz leichtes Mädchen, in Motel absteigend Kornfraktion Partei der Getreidebauern Muttergestein Korngruppe Schnapssorte Frau Hitt (v ersteinerte Tiroler Sagenf igur) Kornverteilung Getreide-Ausgabe Kornwichte Heinzelmännlein bei der Ernte Korrosionsschutz Maßnahme gegen Bestechung Kriechen weitv erbreitete Verhaltensweise bei Druck v on oben Kugelschieber Schwarzmarkthändler f ür Kinderspielzeug Landslide 1.: Chef nur f ür 1. Tag der Woche 2.: Hilf sgerüst N Nachdruck zweiter Belastungszy klus Nachläufer v erspäteter Sportler Nachtschicht Make - up eines Barmädchens Nackentälchen Spalte zwischen 2 Fettpölsterchen im hinteren Halsbereich Niederschrift Anhäuf ung kleiner Buchstaben Normalspannung 220 Volt allmorgendliche Flurbereinigung Normen germanische Fabelwesen Landschaf tsdia Normgerecht (gibt`s das überhaupt ?) L Landschaftspflege 2.: Figur eines Mannequins 162 NÖT E. Tentschert Bezugspunkt der Tiroler Zeitrechnung (Nach Ötzis Tod) R Radlader 1. Arbeiter in einer Fahradf abrik 2. Krampf ader eines MountainBikers O Oberflächendichtung Triv ialliteratur Oberingenieur kaf f eeserv ierender Techniker Oberkammer Frauenzimmer Ödometertest Messung der Langeweile mittels Sanduhr Ökologe begrünter Opernsitz Ortbeton Gegenteil v on Überlandbeton Ostermann Gegenstück zum Weihnachtshasen P Panzerrohr Teil der Hose einer Ritterrüstung Patina Patin (Mehrzahl) Parameter 1.: esoterische Maßeinheit 2.: ungef ähr ein Meter 3.: Gerät zur Vermessung v on Paranüssen Pendelschacht Straßenablauf bei Erdbeben Planpause 1.: Freizeit f ür Projektanten 2.: Bef ehl zur Arbeitsunterbrechung Polierplan Gedanken an Osterputz Porenwasserüberdruck Schweißausbruch Probewürfel v ersuchtes Glücksspiel Profi halber Prof essor Protest Vorv ersuch Prüfkörper Meßinstrument zur PotenzKontrolle Pseudomorphose Ersatzdroge Pumpbeton geliehener Beton Pumpversuch Kreditantrag Q Quadratloch Schimpf wort (Steigerung) Qualmwasser entsteht durch rauchende Taucher Quellstube sich ausdehnender Büroraum Quellzement Zement direkt v om Hersteller für Frischbeton Raupenschlepper Träger zukünf tiger Schmetterlinge Rechenmodell kleines Gartengerät Rechenraum Auf bewahrungsort desselben