Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie Physik V Einführung: Kern und Teilchenphysik Georg Steinbrück, Dieter Horns Universität Hamburg Winter-Semester 2007/2008 Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie Beschleuniger WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 2 Beschleuniger: Prinzipien Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie Warum Teilchenbeschleuniger? • E=mc2: Hohe Energien, um schwere (neue) Teilchen zu erzeugen. • λ=h/p: Untersuchung von Strukturen und Kräften bei kleinen Abständen Geladene Teilchen im elektrischen und magnetischen Feld Lorentzkraft: r dpr r r r F= = e( E + v × B), dt Energiezufuhr durch elektrisches Feld: r r p = mγv r r ∆E = q ∫ E ⋅ ds = q ⋅ ∆U Ablenkung im Magnetfeld: Für vc B-Feld viel effektiver als E-Feld! (1 GV/m entspricht 3 Tesla!) Spiralbahn im homogenen Magnetfeld Radius r r ρ = p /(q ⋅ B) für v senkrecht zu B Lorentzkraft= Zentrifugalkraft ωc = qB γm Zyklotronfrequenz Für γ=1 (nicht-relativistische Teilchen) unabhängig von p: Prinzip Zyklotron! WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 3 Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie 1. Elektrostatische Beschleuniger WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 4 Elektrostatische Beschleuniger I Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie • Einfaches Beispiel: siehe rechts • Cockroft-Walton Generator (1930): Spanung durch Kaskadengenerator 1. Die erste (negative) Halbwelle lädt C1 auf 100V auf. Dabei ist das obere Ende von C1 positiv gegenüber dem unteren, welches demnach auf -100V liegt. 2. In der zweiten Halbwelle polt die Ausgangsspannung des Transformators um, sein oberes Ende hat nun 100V. Zusammen mit den 100V des Kondensators ergeben sich nun 200V am oberen Ende von C1, dh. die Spannung dieses Punktes wurde auf 200V hoch geschoben. Diese 200V laden C2 auf. 3. In der folgenden Halbwelle geht das obere Ende von C1 wieder auf 0V, daher kann nun C3 von C2 auf 200V geladen werden. 4. In der nächsten Halbwelle werden die 200V von C3 nun auf 400V hoch geschoben, damit liegen 200V zwischen dem oberen und unteren Ende von C4 und laden diesen auf 200V. Da das untere Ende von C4 bereits auf 200V liegt, erscheinen jetzt am Ausgang 400V. WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 5 Elektrostatische Beschleuniger II Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie • Van de Graaff Beschleuniger (1930): Potential durch Bandgenerator • Beschleunigungsspannungen bis zu ~10 MV, begrenzt durch Durchschlagsfestigkeit des umgebenden Mediums: Mit Gas befüllter Druckbehälter Prinzip: • Aufbringen von positiven Ladungen auf schwach leitendes Transportband. • Entladen des Bandes an Entladeeinheit • Abfließen der Ladungen auf Hochspannungsterminal • Aufteilen der Gesamtspannung über Widerstände im Ionenstrahlrohr, so dass eine gleichmäßige Beschleunigung ermöglicht wird. WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V Aufteilen der Spannung durch Widerstandskette 6 Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie 2. Linearbeschleuniger WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 7 Linearbeschleuniger Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie • Driftröhrenbeschleuniger nach Gustaf Ising und Rolf Wideröe • Erreichbare Energien bei Gleichspannung begrenzt, da sehr hohe Spannungen zu Koronaentladungen führen. •Lösung: WechselspannungsBeschleuniger mit fester Frequenz ν • Prinzip: Beschleunigung der Teilchen im elektrischen Feld im Spalt zwischen den Driftröhren. • Kein Feld während die Spannung entgegengesetzt gepolt ist: Innerhalb der Driftröhren herrscht kein Feld (Faradayscher Käfig). • Die Längen der Driftröhren sind so angeglichen, dass die Beschleunigung immer in Phase ist. • Anwendung: Protonen, schwere Ionen: ß=0.01-0.1, Vorbeschleuniger WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 8 Linearbeschleuniger II Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie Für hohe Energien: Hohlraumresonatoren – RF-Kavitäten • stehende Wellen in Resonatoren • normal leitende: • Bei hohen Frequenzen hohe Felder (bis 100 MV/m?). Verluste hoher Energieverbrauch • supra-leitende: • Felder bis ~40 MV/m • Tesla Entwicklung (Desy): Hochreines Nb bei 2 K, 1.3 GHz Wahl für ee-Linear Collider (nächster Großbeschleuniger!) 500 GeV-1TeV Linearbeschleuniger für XFEL (xray free electron laser) in Hamburg WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 9 Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie 3. Kreisbeschleuniger WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 10 Kreisbeschleuniger Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie Nachteil Linearbeschleuniger: Energie = Länge * E-Feld Begrenzung Teilchen auf Kreibahn, um gleiche Beschleunigungsstrecke mehrfach zu durchlaufen (aber: bei hohen γ=E/mc2-Werten Verluste durch Synchrotronstrahlung) Zwei Realisierungen: 1. Zyklotron: B konstant Bahnradius wächst mit Impuls 2. Synchrotron (Betatron): Bahnradius konstant, B wächst mit Impuls Zyklotron Zwei „Dosen im Magnetfeld“ mit Hochfrequenz ωc für γ = 1 : • • • • WS 2007/08 ωc = qB γm Einschuss der Teilchen bei r = 0 Ejektion des Strahls bei r = rmax nur solange γ nahe bei 1 Beschleunigung von Protonen und Ionen Typ. Parameter: B=1.5 T, ω= 50 MHz, U = 200-500 kV 25 MeV Strom mA Steinbrück, Horns: Physik V 11 Synchrotron Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie Prinzip: Beschleunigerfrequenz ωHF(t) und Magnetfeld B werden synchron hochgefahren, so daß Teilchen auf konstanter Sollbahn gehalten werden. (Veksler, McMillan, Wideroe 1945) • Teilchen legen riesige Stracken zurück Fokussierung wichtig, Strahloptik • Speicherringe sind ebenfalls Synchrotrone Synchrotronschwingungen und Phasenfokussierung Wie verhindert man, dass Strahlpakete longitudinal auseinander laufen? • relativistische Teilchen: p0… Sollimpuls mit Bahnlänge u0 • p > po u > u0: Teilchen kommen später zum E-Feld kleineres Feld , weniger Beschleunigung nähern sich p0 an • für p < p0 analog, aber mit umgekehrten Vorzeichen • longitudinale Bewegung der Teilchen analog zur Bewegung in einem Parabel-potential, in dem Teilchen Synchrotronschwingungen durchführen • im „stabilen Bereich“ bewegen sich die Teilchenpakete auf stabilen Bahnen • nicht-relativistische Teilchen: • Teilchen mit höherem Impuls höhere Geschwindigkeit kommen früher zum E-Feld der stabile Bereich ist die ansteigende Flanke WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 12 Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie Magnete Teilchen mit q=e in s-Richtung im transversalen B-Feld: r r v = (0,0, vs ) und B(x, y, s) = (Bx , B y , s) Ablenkung in x - Richtung ist dann : R -1 (x, y, s) = eBy (x, y, s)/p Multipolentwicklung nach x für x << R e By ( x) = p ∂By ∂ 2 By 2 ∂ 3 By 3 e B y (0) + x+ x + x + ... 2 3 p ∂x 2!∂x 3!∂x Dipol Quadrupol Sextupol Oktupol Dipol: Ablenkung Quadrupol: Fokussierung Sextupol: Korrektur von Feldfehlern Oktupol: Korrektur von Feldfehlern WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 13 Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie Magnete 1. Dipolmagnete: wegen Stromverbrauch supraleitend. Bsp: B=5.2 T (Hera p: 920 GeV - 6.3 km Umfang) B=8.3 T (LHC p: 7000 GeV - 27 km Umfang) Krümmungsradius: r= 2. p p[GeV / c] → r[ m ] = qB 0.3q[e]B[T ] Horizontal fokussierender Quadrupol Quadrupol „Linsen“ Fokussierung nur in einer Ebene Defokussierung in anderer Ebene Fokussierung im beiden Ebenen durch Kombination von mehreren Quads WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V F 14 Kühlung Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie Jedes Teilchen im Strahlpaket (typisch 1010 Teilchen pro Paket!) besetzt einen Punkt im 6dim Phasenraum (x,x`,y,y`, δs,δ δps). Gesamtheit der Punkte beschrieben durch Phasenraumellipse. Satz von Liousville: In konservativem System ist die Phasenraumdichte konstent (konservativ: Keine Strahlungs oder Dämpfungsverluste). Der Physenraum des Teilchenstrahls im Beschleuniger ist zunächst gleich dem der Quelle! Verbesserung möglich durch „Kühlung“ (nichtkonservative Beeinflussung des Teilchenstrahls). Beispiel: Stochastische Kühlung Erzeugung von Signal an Pickup-Elektrode proportional zutransversaler Auslenkung: „Betatron-Schwingung“ Korrektur durch Kicker Nicht für einzelne Teilchen, sondern für Untersysteme von Teilchen mit ähnlichen Phasenraumkoord.: Makroteilchen WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 15 Synchrotronstrahlung Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie Geladene Teilchen mit Energie E0 erfahren im Kreisbeschleuniger eine Zentripetalbeschleunigung. Energieabstrahlung: Hertz‘scher Dipol Die abgestrahlte Leistung ist: 2 e 2 e2c3 2 2 P= E B 0 2 4 3 4πε 0 (mc ) Für den Krümmungsradius ρ gilt: B= p0 E ≈ 0 eρ eρc Damit ist der Energieverlust pro Umlauf e 2 E0 1 −5 ( E [GeV ] E GeV x ∆E0 = ⇒ ∆ [ ] = 8 . 85 10 0 ρ [ m] 3ε 0 mc 2 ρ 4 4 für Elektronen Beispiel LEP (CERN): E0 = 100 GeV und ρ = 4.2km → ∆E0 = 2.8GeV ! Hohe Elektronenenergien nur mit Linearbeschleunigern! WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 16 Synchrotronstrahlung II Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie Allerdings kann man sich die Synchrotronstrahlung auch zu Nutze machen: Gepulste Photonquellen extrem hoher Brillianz Hervorragend geeignet zu Materialuntersuchungen, Biologie, Chemie, … HASYLAB am Doris Brillianz existierender und Speicherring am DESY geplanter Photonquellen: Brillianz : Anzahl Photonen pro Fläche Raumwinkel und Zeit WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 17 FEL Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie Prinzip: Elektronenstrahl aus relativistischen Strahlenpaketen (GeV) wird durch langen Undulator geschickt. Synchrotronstrahlung, ~ in Strahlrichtung emittiert Wechselwirkung der Synchrotronstrahlung mit dem Elektronenstrahl Mikrostrukturierung der Elektronenpakete: Scheiben senkrecht zur Flugrichtung Kohärente Abstrahlung aller Elektronen in Paket Addition der Amplituden der einzelnen Wellen, nicht der Intensitäten Intensität der emittierten Strahlung proportional zum Quadrat der Anzahl der emittierenden Elektronen Extrem hohe Brilianz: 108 x momentane Leistung im Vergleich zu exist. Quellen, Pulslänge (gegeben durch Länge Elektronenpakete) ~ 30 fs WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 18 Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie Großbeschleuniger, Beschleunigerlabore WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 19 Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie Beschleuniger… Fortschritte bei der Entwicklung von Beschleunigern für pp und e+e- (Energie vs. Jahr): WS 2007/08 Beschleunigte Ladung strahlt Energie ab Synchrotronstrahlung abgestrahlte Leistung: (Energie x B-Feld)2 / (mc2)4 ) „Synchrotronlicht“ für Forschung + industrielle Anwendungen Elektronen verlieren in Kreisbeschleuniger so viel Energie, dass ab ~200GeV Linearbeschleuniger einzige Möglichkeit, um hohe Energien zu erreichen: pSpeicherringe (aber experimentell viel schwieriger, insbesondere für Präzisionsmessungen !) Steinbrück, Horns: Physik V 20 Beschleuniger: HERA Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie Beschleunigeranlage: Teilchenquelle Vorbeschleuniger Hauptbeschleuniger/Speicherring, an dem Experimente gemacht werden HERA-Beschleuniger-Komplex WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 21 Beschleuniger: Der Large Hadron Collider (LHC) am Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie CERN WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 22 Der Beschleunigerkomplex des CERN Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie LEP (1988-2000), LHC (ab 2007) SPS (1978) ISR (1972) PS (1960) WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V CNGs (ab 2006) 23 LHC: 27km supraleitender Magnete Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie Kühlung mit flüssigem Helium (-271.5 0C i.e. 1.7K) WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 24 LHC: 27km supraleitender Magnete Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie 1200 Supraleitende Magneten 11700 Ampere WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 25 Die 4 LHC Experimente 44 m Länge; 22 m Durchmesser Benutzt den grössten supraleitenden Magneten der Welt 100 Millionen Messkanäle WS 2007/08 Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie 30 m Länge; 20 m Durchmesser Benutzt einen der stärksten supraleitenden Gross-Magnete der Welt 100 Millionen Messkanäle Steinbrück, Horns: Physik V 26 Kenngrößen von Großbeschleunigern der Teilchenphysik WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V Vorlesung 3: WW Teilchen-Materie 27