Vorlesung 1: Einführung Physik V Einführung: Kern und Teilchenphysik Georg Steinbrück, Dieter Horns Universität Hamburg Winter-Semester 2007/2008 Vorlesung 1: Einführung Inhalt 1: Übersicht 1.1 Skalen, Quanten, Kräfte 1.2 Kurze Übersicht Kern- und Teilchenphysik 1.3 Kernphysik 1.4 Methoden der Kern- und Teilchenphysik WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 2 Literaturempfehlungen Vorlesung 1: Einführung Kernphysik: • T. Mayer-Kuckuk: Kernphysik (Teubner) Standardwerk über Kernphysik Teilchenphysik: • E. Lohrmann: Hochenergiephysik (Teubner, 2005) experimentell, gut, ausführlich, aktuell • Ch. Berger: Elementarteilchen (Springer 2001) experimentell, gut, ausführlich, aktuell • Martin, Shaw: Elementary Particle Physics (Wiley) relativ einfache Experimentelle Einführung, aktuell, knapp • Halzen, Martin: Quarks and Leptons (Wiley) theoretische Ergänzung, kurz und gut • D. Grifith: Introduction to Elementary Particle Physics theoretische Ergänzung, gut, vieles wird explizit gerechnet • Donald H. Perkins, Introduction to High Energy Physics (Oxford) Standardwerk Povh, Rith, Scholz, Zetsche: Teilchen und Kerne (Springer) schöne, einfache Einführung •Aussserdem: Frauenfelder und Henley: Teilchen und Kernphysik (Oldenbourg Verlag) Standardwerk, aber etwas veraltet WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V • Als Abendlektüre: Steven Weinberg: Die ersten 3 Minuten 3 Vorlesung 1: Einführung weitere Literatur Particle Physics Booklet, Particle Data Group, extracted from Review of Particle Physics, J. Phys. G: Nucl. Part. Phys. 33 (2006); http://pdg.lbl.gov/ Synchrotronstrahlung: Beugungsbild eines Biomoleküls WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 4 Vorlesung 1: Einführung 1.1 Skalen, Quanten, Kräfte Größe in Metern in Atomen 10−10 1 1 10000 pn n np p 10−14 1 100000 p 10−15 1 100000000 q e- ≤ 10−18 Typische Energien -19 J eV = 1.6x10 Atomphysik Kernphysik keV…MeV GeV Teilchenphysik TeV (Elementar)Teilchen Wechselwirkungen WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 5 Kern und Teilchenphysik Vorlesung 1: Einführung Zum Vergleich: Atom- und Festkörperphysik: • Längenskalen >10-10m • Quantenmechanik: Schrödingergleichung mit Elektrodynamik, Vielteilchensysteme Teilchen/ Kernphysik: • Längenskalen < 10-14 m …. 10-18 m … • Unschärferelation: kleine Abstände große Energien • Quantenmechanik, spezielle Relativitätstheorie relativistische Quantenfeldtheorie Elementarteilchenphysik: Ziel: • Auffinden der elementaren (=strukturlosen) Bausteine: Proton u u d Quark • Untersuchung ihrer Eigenschaften • Untersuchung der Kräfte, die zwischen den Teilchen wirken: Starke + schwache Kraft neu • allgemeine Theorie, Grundlagenforschung WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 6 1.2 Kern und Teilchenphysik: Übersicht • 3 Familien von je zwei Quarks (q) • Kommen nur in gebundenen Zuständen vor! • qq (Mesonen) und qqq (Baryonen) Vorlesung 1: Einführung Baryonen Mesonen • 3 Familien von je zwei Leptonen (e-,νe) • Fermionen: Spin 1/2 Proton WS 2007/08 Neutron Steinbrück, Horns: Physik V 7 Fundamentale Wechselwirkungen Vorlesung 1: Einführung • Kräfte vermittelt durch Austauschteilchen. • Bosonen: Haben geradzahligen Spin • Form der Kräfte folgt aus Symmetrieprinzip (Eichinvarianz) • Ziel: Konsistente Theorie, die mit möglichst wenigen Parametern auskommt. WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 8 Vorlesung 1: Einführung Elementare Bausteine der Materie Teilchen Antiteilchen νe νµ ντ e— µ— τ— 2 2 Leptonen: 2 Quarks: u+3 c+3 +3 1 1 1 –3 d –3 s Ladung t –3 b νe νµ ντ e+ µ+ τ+ -2 -2 -2 u3 c3 1 d +3 1 +3 s t3 1 +3 b in jeweils 3 Familien (vergl. Periodensystem) Symmetrie: Ordnung Zu jedem Teilchen existiert ein Antiteilchen mit: gleicher Masse entgegengesetzter Ladung WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 9 Wechselwirkungen und Symmetrien Vorlesung 1: Einführung • Wechselwirkungen unterscheiden sich durch ihre Stärke, Reichweite und Erhaltungsgrößen. • Verbindung von Symmetrie Erhaltungsgröße Zeitverschiebung Energieerhaltung Ortsverschiebung Impulserhaltung Drehung Drehimpulserhaltung Noether-Theorem Analog: Ladung, Leptonenzahl, Baryonenzahl für alle WW erhalten(?) “Quantenzahlen“ Motivation Quantenzahlen: Beispiel Baryonenzahl • Das Proton (leichtestes Baryon) ist stabil (τ>1031 a) • Beoachtet wird Neutron beta-Zerfall: Aber nicht: WS 2007/08 n → p + e − +ν e n → p + e − +ν e Steinbrück, Horns: Physik V 10 Vorlesung 1: Einführung Baryonenzahl • Beoachtet wird: pp → p + p + p + p • p, n wird Baryonenzahl B=+1 zugeordnet • p n wird Baryonenzahl B=-1 zugeordnet • Baryonenzahl additiv, Bein=Baus • beobachtet wird pp → π 0 pp oder pp → γpp Photon, Meson, (W, Z, g) haben B=0 • Das ganze ist konsistent, wenn Baryonen (qqq) B=1 WS 2007/08 B(q) = 1 3 B (q ) = − 1 3 Mesonen (qq)B=0 Steinbrück, Horns: Physik V 11 Vorlesung 1: Einführung Leptonenzahl • Beoachtet wird: • nicht aber µ − → e −ν eν µ µ − → e −γ Erlaubt durch Energie-, Impuls, Drehimpulserhaltung Einführung Leptonenzahl (e − ,ν e ) : Le = 1, Lµ = 0, Lτ = 0 ( µ − ,ν µ ) : 0 1 0 (τ − ,ν τ ) : 0 0 1 Alle anderen Teilchen haben Leptonenzahl L=0. Leptonenzahl additiv. Es gilt auch hier: Lein = Laus WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 12 Vorlesung 1: Einführung Weitere Erhaltungsgrößen Folgende Größen sind nur zum Teil erhalten: „Flavourquantenzahlen“ Isospin, Charm, Beauty, Top Nicht in allen WW erhalten Allgemein gilt: Je stärker die WW, desto mehr Quantenzahlen sind erhalten. Raum-Zeit, Teilchen-Antiteilchen Symmetrie/ Quantenzahlen: P Parität (Raumspiegelung) C Ladungskonjugation T Zeitspiegelung Und Kombinationen wie CP, CPT. Bemerkung: CPT immer erhalten! WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 13 Vorlesung 1: Einführung Zusammenfassung aktueller Stand http://pdg.lbl.gov WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 14 Stabile Teilchen WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V Vorlesung 1: Einführung 15 Das Standardmodell der Teilchenphysik WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V Vorlesung 1: Einführung 16 Das Standardmodell der Teilchenphysik Vorlesung 1: Einführung • Beschreibt das gesamte exp. Wissen, in Bereichen, wo Theorie ausgerechnet werden kann. Vorhersagen! • Bisher noch keine ernsthaften Widersprüche Experiment Theorie! • Alle Kräfte folgen aus einheitlichem Prinzip • Beschreibung der Massen der Elementarteilchen möglich. Aber: Higgs-Teilchen noch nicht gefunden. • >20 freie Parameter (experimentel bestimmt) viel für elementare Theorie • 3 Teilchenfamilien, 3+1 WW • Massen der Elementarteilchen sehr unterschiedlich: mtop/me~400000: Warum? • Unterschied der Kräfte: em/grav=1014. Einbindung der Gravitation noch nicht gelungen. Standardmodell erster Schritt. Nicht endgültige Theorie. WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 17 Vorlesung 1: Einführung 1.3 Kernphysik • Nuklidkarte: >6000 Kerne, ~300 stabil • Aufbau der Kerne-Grenzen der Stabilität • WW zwischen Nukleonen, Rest-WW der gebundenen gg-Zustände • Kernmaterie unter hohem Druck: Ursprung der Materie, Quark-Gluon Plasma •Vielkörperprobleme kompliziert, nicht analytisch zu lösen. Schwierig, fundamentale Gesetze zu finden. • Zahlreiche Anwendungen WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 18 1.4 Methoden der Kern- und Teilchenphysik Vorlesung 1: Einführung Exp. Ergebnisse Beschreibung durch Modelle, Theorie Vorhersage neuer Experimente • enge Zusammenarbeit Experiment-Theorie wesentlich • Entdeckungen als Überraschung: Messgeräte in neuem Bereich • Bsp. Röntgenstrahlen, J/Ψ-Teilchen, CP-Verletzung • Entdeckungen aufgrund theor. Vorhersagen: Antiproton, P-Verletzung, W, Z Bosonen, Higgs-Teilchen?, Supersymmetrie? • Experimente meist an Teilchenbeschleunigern HERA ep-Beschleuniger am DESY WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 19 Methoden der Kern- und Teilchenphysik Vorlesung 1: Einführung An Großexperimenten in großen Kollaborationen: Bsp Zeus/ Hera Enge Verknüpfung mit Theorie: Phenomenologie, Modellbildung, Vorhersagen Enge Verbindungen zu Kosmologie, Astrophysik, Mathematik, Informatik WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 20 Beschleuniger: Beispiel LHC am CERN Vorlesung 1: Einführung CERN WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 21 Das CMS Experiment am CERN Vorlesung 1: Einführung CMS Teil des CMS Silizium Spurdetektors: Hamburger Beteiligung an Aufbau und Inbetriebnahme WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 22 Das CMS Experiment am CERN WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V Vorlesung 1: Einführung 23 Das Higgs Boson bei CMS Vorlesung 1: Einführung Gluonen aus Protonen: gg H Higgs Entdeckung unvermeidbar (falls es existiert) WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 24 Ein Higgs Ereignis bei CMS WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V Vorlesung 1: Einführung 25 Historische Entwicklung (willkürliche Auswahl) Experiment 1895 Röntgen Röntgenstrahlen 1896 Becquerel Radioaktivität 1897 Thomson Elektron (e/m) 1911 Rutherford Atomkern 1922 Compton Compton Effekt 1932 Chadwick Neutron 1932 Anderson Anti-Elektron 1937 Anderson, Neddermayer Myon 1939 Hahn, Straßmann Kernspaltung 1952 Fermi, Anderson Nukleonresonanzen 1955 Chamberlain, Segre+ Anti-proton 1956 Reines,Cowan Neutrino 1964 Cronin, Fitch CP-Verletzung 1968 SLAC Quarks in ep-WW 1974 Richter,Ting J/ψ-Teilchen 1974 Ledermann Υ-Teilchen 1979 DESY Gluon 1983 CERN W-Z-Teilchen 1989 CERN No. Neutrinos = 3 1994 FNAL Top-Quark 1998 Japan Neutrinooszillation 1998 GSI Kern mit Z=114 Vorlesung 1: Einführung Theorie 1900 Planck Wirkungsquantum 1905 Einstein Photon, E=mc2 1927 Dirac Antimaterie 1932 Heisenberg Isospin 1933 Pauli Neutrino 1934 Fermi Theorie β-Zerfall 1935 Yukawa Mesonen-hypothese der Kernkraft 1935 Weizsäcker Kern-Massenformel 1949 Tomonaga, Feynman, Schwinger QED 1949 Göppert-Mayer, Jensen Schalenmodell Kern 1956 Lee, Yang Paritätsverletz. 1964 Gell-Mann, Zweig Quark-hypothese 1964 Glashow,Weinberg,Salam Elektroschwache Verein. 1973 Fritzsch, Gell-Mann QCD 1973 Green, Politzer, Wilczek Asymptotische Freiheit 2000 FNAL τ-Neutrino WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 26 Vorlesung 1: Einführung Anwendungen Abfallprodukte der Kern- und Teilchenphysik • WWW + grid Computing • Beschleuniger und Nachweismethoden in • Festkörperphysik, Materialwissenschaften • Chemie, Biowissenschaften • Medizin (Therapie und Diagnose) • Energie Gasdetektor für Röntgenanalyse Synchrotronstrahlung: Beugungsbild eines Biomoleküls Strukturbestimmung Biomolekül Fledermaus: Radiographie 9 keV Photonen WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 27 Kern- und Teilchenphysik im frühen Universum Vorlesung 1: Einführung Beobachtung: Universum expandiert Anfangszustand großer Dichte, hoher Temp. Urknall Thermodynamik im sehr frühen Universum Reaktions-Gleichgewicht aller Prozesse, für die bei dieser Temp. genug Energie vorhanden ist. z.B. z.B. e+pH+γγ γ+He+p Eγ>13.6 eV 4p He++ E~MeV Synchrotronstrahlung: e+e-tt Eee>mtopc2 = 175 GeV, ½ kT = Eee T=1026K Beugungsbild eines Biomoleküls Zeit seit Urknall: 10-34 s Teilchen und Kernphysik (Quantenmechanik) bestimmen Entwicklung des Universums Experimente der Kosmologie beeinflussen Teilchenphysik • kosmische Hintergrundstrahlung • großräumige Strukturen im Kosmos • Dunkle Materie •kosmologische Konstante WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 28 Kern- und Teilchenphysik im frühen Universum Vorlesung 1: Einführung Synchrotronstrahlung: Beugungsbild eines Biomoleküls WS 2007/08 Steinbrück, Horns: Physik V 29