SCHOSTAKOWITSCH - Badisches Staatstheater Karlsruhe

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SCHOSTAKOWITSCH
PROKOFJEW
BEETHOVEN
1. SINFONIE- & 1. SONDERKONZERT
16/17
Das Konzert wird von SWR2 aufgezeichnet und im SWR2-Mittagskonzert am 27.12.16 um 13.05 Uhr gesendet.
Wir machen darauf aufmerksam, dass Ton- und/oder Bildaufnahmen unserer Aufführungen durch jede Art
elektronischer Geräte strikt untersagt sind.
SCHOSTAKOWITSCH PROKOFJEW BEETHOVEN
1. SINFONIE- & 1. SONDERKONZERT
Dmitri Schostakowitsch
(1906 – 1975)
Sergej Prokofjew
(1891 – 1953)
Kammersinfonie op. 110a 21‘
Orchestrierung des 8. Streichquartetts op. 110
von Rudolf Barschai
1.Largo
2. Allegro molto
3.Allegretto
4. Largo
5. Largo
Violinkonzert Nr. 2 g-Moll op. 63 Percussion Concerto
1. Allegro moderato
2. Andante assai – Allegretto
3. Allegro ben marcato
25‘
– Pause –
Ludwig van Beethoven
(1770 – 1827)
Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68 „Pastorale“ 40‘
1. Allegro ma non troppo: Erwachen heiterer
Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande
2. Andante molto mosso: Szene am Bach
3. Allegro: Lustiges Zusammensein der Landleute
4. Allegro: Gewitter, Sturm
5. Allegretto: Hirtengesänge – Frohe und dankbare
Gefühle nach dem Sturm
Julian Rachlin Violine
Justin Brown Dirigent
BADISCHE STAATSKAPELLE
18.9.16 11.00 GROSSES HAUS
19.9.16 20.00 GROSSES HAUS
Dauer ca. 2 Stunden, Einführung mit Künstlern 45 Minuten vor Konzertbeginn
20.9.16 19.00 GROSSES HAUS
Dauer ca. 2 ¼ Stunden, mit Moderation und anschließendem Künstlertreff
DOPPELTE
BÖDEN
Die drei Werke des 1. Sinfoniekonzerts eint
die Distanz, die ihre Schöpfer quasi als
doppelten Boden eingezogen haben. Bei
Schostakowitsch geschah dies aus Zwang,
um sich äußerlich den Vorgaben der sowjetischen Kulturbürokratie zu beugen und
dem stalinistischen Terror zu entgehen.
Seine auf dem Achten Streichquartett beruhende Kammersinfonie op. 110a trägt die
Widmung „den Opfern des Krieges und des
Faschismus“, ist jedoch vielmehr ein Requiem auf den verfolgten und gegängelten
Komponisten selbst. Prokofjew verbirgt in
seinem melodiereichen Zweiten Violinkonzert höchste Kunstfertigkeit und Virtuosität hinter dem Mantel der „Neuen Einfachheit“ oder „Neuen Sachlichkeit“ – auch
aus persönlichem Antrieb, aber von der
gleichen Kulturbürokratie durchaus gerne
gesehen, da dies im Einklang mit der herrschenden Ideologie stand. Beethoven
schließlich komponiert in seiner Pastoralen
ganz bewusst keine primäre Naturschilderung, sondern seine eigenen Seelenzustände und Empfindungen beim Erleben der Natur.
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Schostakowitsch: Kammersinfonie op. 110a
(1960)
„Kurz nach der Uraufführung des Achten
Streichquartetts 1960 beauftragte mich der
Musikverlag Peters, es für Streichorchester
zu bearbeiten. Da ich Schostakowitschs Ansichten über Bearbeitungen jeder Art kannte
(offen gesagt: Er stand ihnen ziemlich skeptisch gegenüber), bemühte ich mich zunächst
um seine Zustimmung. Als ich die Partitur beendet hatte, zeigte ich sie ihm. Sie gefiel ihm
sehr, und mit dem ihm eigenen Humor und
voller Überschwang rief er: ‚Also, das klingt
ja besser als das Original. Wir werden dem
Stück einen neuen Namen geben: Kammersymphonie op. 110a.’“ Dies notierte der Dirigent und Bratscher Rudolf Barschai, den mit
Schostakowitsch eine enge künstlerische
Beziehung verband. Dem Gründer des Borodin-Quartetts und des Moskauer Kammerorchesters vertraute Schostakowitsch auch
die Uraufführung seiner 14. Sinfonie an.
Insgesamt fünf Streichquartette bearbeitete
Barschai für sein Kammerorchester, die mit
eigenen Opuszahlen in Schostakowitschs
Werkverzeichnis aufgenommen wurden.
Der Kammersinfonie op. 110a liegt das Achte
Streichquartett zugrunde, das 1960 in nur
drei Tagen in Gohrisch bei Dresden entstand. Der Komponist hielt sich dort wegen
eines Filmprojekts über die Bombardierung
Dresdens auf, das als Koproduktion der DDR
und der Sowjetunion geplant und von ihm
vertont werden sollte. Statt großer bombastischer Filmmusik entstand jedoch in der Abgeschiedenheit der Sächsischen Schweiz
ein in höchstem Maße verinnerlichtes Werk,
das „den Opfern des Krieges und des Faschismus“ gewidmet wurde – ob auf eigenen Antrieb oder Druck von außen ist unklar; im ursprünglichen Manuskript taucht
die Widmung jedenfalls noch nicht auf. Man
muss davon ausgehen, dass der Autor die
Widmung nachträglich angebracht hat, um
den eigentlichen Inhalt zu verschleiern. Wie
so oft bei Schostakowitsch, der Zeit seines
Lebens unter der Gängelung des stalinistischen Staatsapparats stand und deswegen
mit scheinbarer äußerlicher Anpassung eine
persönliche wie künstlerische Fassade aufbaute, verbirgt sich hinter dem gleichsam
Eindeutigen ein doppelter Boden. Um den
wahren Inhalt auch nur annähernd zu erreichen, muss man hinter diese Fassade blicken.
Doch manchmal lässt sich der Komponist
auch nachträglich in die Karten schauen,
wenn eine der seltenen direkten und ungefilterten Äußerungen zu einem seiner Werke
Einblicke gewährt. In einem erst vor wenigen Jahren veröffentlichten Brief an seinen
Freund Isaak Glikman schreibt Schostakowitsch nach der Komposition: „... ich [habe]
ein niemandem nützendes und ideologisch
verwerfliches Quartett geschrieben. Ich
dachte darüber nach, dass, sollte ich irgendwann einmal sterben, kaum jemand ein
Werk schreiben wird, das meinem Andenken gewidmet ist. Deshalb habe ich beschlossen, selbst etwas Derartiges zu
schreiben. Man könnte auf seinen Einband
auch schreiben: ‚Gewidmet dem Andenken
des Komponisten dieses Quartetts’. …“
Schostakowitschs späte Werke handeln
zwar beinahe in toto vom Tod und der Vergänglichkeit, aber hier plante er nichts anderes als eine Art Requiem, einen Totengesang auf sich selbst.
Später im Brief fährt er fort: „Grundlegendes Thema des Quartetts sind die Noten D.
Es. C. H, d. h. meine Initialen. Im Quartett
sind Themen aus meinen Kompositionen
und das Revolutionslied Gequält von schwerer Gefangenschaft verwandt. Folgende
meiner Themen: aus der 1. Symphonie, der
8. Symphonie, aus dem [2. Klavier-]Trio, dem
[1.] Cellokonzert, aus der [Oper] Lady Macbeth. Andeutungsweise sind Wagner (Trauermarsch aus der Götterdämmerung) und
Tschaikowsky (2. Thema des 1. Satzes der
6. Symphonie) verwandt. Ach ja: Ich habe
noch meine 10. Symphonie vergessen. Ein
netter Mischmasch. Dieses Quartett ist von
einer derartigen Pseudotragik, dass ich
beim Komponieren so viele Tränen vergossen habe, wie man Wasser lässt nach einem
halben Dutzend Bieren. Zu Hause angekommen, habe ich es zweimal versucht zu spielen, und wieder kamen mir die Tränen. Aber
diesmal schon nicht mehr nur wegen seiner
Pseudotragik, sondern auch wegen meines
Erstaunens über die wunderbare Geschlossenheit seiner Form.“ Auch wenn sich
Schostakowitsch hier in Distanzierung und
Ironie flüchtet, merkt man dennoch, wie viel
ihm dieses Werk bedeutete – und wie viel
Persönliches er hineinlegte, wie viele
Schlüsselwerke aus seinem trotz aller Ehrungen immer fragilen Komponistenleben zitiert werden.
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Das Initial-Thema D. Sch. liegt allen Sätzen
zugrunde, vom einleitenden langsamen Fugato am Beginn bis zu dessen Wiederkehr
beim ebenso langsamen Verklingen des
letzten Satzes. So entsteht eine fünfteilige
Bogenform – obwohl man das Werk auch
ganz klassisch viersätzig verstehen kann,
der erste Satz wäre dann die langsame Einleitung zum Hauptsatz Allegro molto. Es
folgte das Allegretto-Scherzo und auf den
langsamen dritten Satz ein ebenso langsamer düsterer Finalsatz. Die Parallelen zu einem anderen persönlichen Totengesang,
Tschaikowskys 6. Sinfonie, sind unverkennbar.
In der wilden Jagd des zweiten Satzes Allegro molto hörten die oberflächlichen Parteifunktionäre das faschistische Regime mitsamt Verfolgung und Gewalt heraus, doch
für Schostakowitsch unterschieden sich die
stalinistischen Verfolgungsorgien davon
keinen Deut. Neben der Hatz auf Intellektuelle beschäftigte ihn dabei besonders der
Furor Stalins gegen die Juden, auskomponiert im Zitat des jüdischen Klagegesangs
aus dem Zweiten Klaviertrio. Im grotesken
3. Satz Allegretto, einem sarkastisch-banalen Scherzo, verkomponiert Schostakowitsch auf grotesk verzerrte Weise das,
was man von ihm erwartete: Der emsig
komponierende staatstreue Schöpfer. Dass
er dazu in dieser Zeit, in der man ihn frisch
gezwungen hatte, endlich in die KPdSU einzutreten, überhaupt nicht in der Lage war
oder sein wollte, zeigt gleich anschließend
der vierte Satz, der in das revolutionäre Klagelied Gequält von schwerer Gefangenschaft mündet – der hier von der Verfolgung
gequälte ist niemand anderes als Schostakowitsch selbst. Dass es aus dieser Gefangenschaft kein Entrinnen gibt, zeigt der in
der Düsternis des Beginns stehende letzte
Satz, der ohne Hoffnung erstirbt und ein
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letztes Mal das Thema D-Es-C-H anklingen
lässt.
Rudolf Barschai folgte Schostakowitschs
Quartettvorlage bis ins Detail. Das volle
Streichorchester mit seinen zusätzlichen
Kontrabässen verleiht der Bearbeitung einen satteren, sinfonischen Klangeindruck.
Gleichzeitig differenzierte Barschai den
Klang des ursprünglichen Streichquartetts:
Die Stimmgruppen des Streichorchesters
sind mitunter in sich geteilt und ermöglichen
so subtilere Klangschattierungen. Was das
Quartett an herber Sprödigkeit verliert, gewinnt es also an größerer Bandbreite – beide Versionen bringen uns Schostakowitschs vielleicht persönlichstes Werk
nahe. Barschai gebührt das Verdienst,
durch die Bearbeitung entscheidend zu seiner Popularität beigetragen zu haben.
Prokofjew: Zweites Violinkonzert (1935)
War das Erste Violinkonzert 1917 noch unter
größten Mühen und schwierigen Umständen ganz zu Beginn seiner Komponistenlaufbahn entstanden und durch Revolutionswirren und Emigration beinahe unaufgeführt
geblieben, so entstand sein Nachfolger 18
Jahre später weitaus problemloser. Nicht
erst durch das direkt davor entstandene
Ballett Romeo und Julia war Prokofjew inzwischen ein angesehener und arrivierter
Tonschöpfer, der sein eigenes unverwechselbares Idiom gefunden hatte. Seine Stellung als weltweit angesehener Komponist
entspannte auch die Beziehung zu seinem
Heimatland, sodass er in die Sowjetunion
zurückkehrte.
Ohne seinen Personalstil komplett zu verändern, hatte dies dennoch Einfluss auf seine
Art zu komponieren. Melodische Aspekte
Rudolf Barshai & Dmitri Schostakowitsch
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wurden ihm wichtiger, vor allem erfolgte unter der Prämisse der „Neuen Sachlichkeit“
ein Rückgriff auf klassische Formstrukturen
und melodische Entwicklungen. „Wir möchten einen einfacheren und melodischeren Stil
für die Musik, einen einfacheren, weniger
komplexen Gefühlszustand, und wir möchten
die Dissonanz wieder als eines von mehreren,
gleichberechtigten musikalischen Parametern an dem ihr zustehenden Platz sehen“,
schrieb Prokofjew in den 1930er Jahren. In
einem anderen Artikel formulierte er: „Vor allem sollte sie [die Musik] melodisch sein, melodisch auf eine schlichte und verständliche
Weise, ohne sich aber zu wiederholen oder
trivial zu sein. […] Das gleiche gilt für die
Technik, die Form – auch sie muss klar und
einfach, keinesfalls jedoch stereotyp sein. Es
geht hier nicht um die alte, sondern um eine
neue Einfachheit. Diese kann ein Komponist
nur dann erzielen, wenn es ihm gelungen ist,
ernsthafte, bedeutende Musik zu komponieren, und er damit auch die technischen Fähigkeiten errungen hat, sich selbst in einfachen
und doch originalen Worten auszudrücken.“
Zur „Neuen Einfachheit“ ist also nur ein
Meister in der Lage, dem alle Erfahrungen
zur Verfügung stehen und dem es gelungen
ist, die Komplexität abzulegen. Damit einhergehend ist jedoch auch ein Verlust an Individualität zugunsten der Objektivität sowie
die Überwindung von psychologischem Subtext. Hier wurde und wird immer noch diskutiert, ob Prokofjew dabei eigenen Vorstellungen gefolgt ist oder sich den
Anforderungen der sowjetischen Kulturbürokratie unterordnete – wir werden es wohl
nie genau erfahren, denn ähnlich wie
Schostakowitsch legte auch er sich eine
zweite Haut, einen doppelten Boden zu.
Anlass zur Komposition des Zweiten Violinkonzerts war eine ausgedehnte Konzertrei6
se Prokofjews mit dem französischen Geiger
Robert Soëtens. Dieser hatte bereits die Sonate für zwei Violinen aus der Taufe gehoben – gemeinsam mit dem Geiger Samuel
Dushkin, für den Strawinsky sein Violinkonzert schrieb. So beschloss Prokofjew, für
Soëtens das gleiche zu tun. Die Entstehungsgeschichte des Zweiten Violinkonzerts liest sich wie ein Tourneebericht: „Die
Anzahl der Städte, in denen das Konzert
entstand, ist ein Spiegelbild meines Nomadendaseins auf dieser Tournee. Das Hauptthema des Kopfsatzes wurde in Paris geschrieben, das erste Thema des
Mittelsatzes in Woronesh, die Orchestrierung vollendete ich in Baku, und zum ersten
Mal gespielt wurde es im Dezember 1935 in
Madrid. Damit ist eine interessante Konzertreise in Gesellschaft von Soetens durch
Spanien, Portugal, Marokko, Algier und Tunis verknüpft.“ Die Uraufführung erfolgte
durch den Widmungsträger, und Robert
Soëtens hatte für ein Jahr das alleinige Aufführungsrecht. Danach nahmen bedeutende
Geiger wie Jascha Heifetz und David Oistrach es schnell in ihr Repertoire auf.
Das Konzert ist klassisch dreisätzig aufgebaut. Das elegische Hauptthema zu Beginn
wird von der Solovioline gleich zu Beginn
ganz ohne Orchesterbegleitung eingeführt.
Und bereits hier hören wir die „Neue Einfachheit“: Die gesamte Phrase steht in g,
darauf folgen acht Takte in h, sechs wieder
in g und vier in cis. Also keine Modulationen
in entfernte Regionen, keine überraschenden harmonischen Wendungen, vielmehr
klare melodische Kantabilität. Im lang ausgesponnenen zweiten Satz voller blühender
Lyrismen besteht die Hauptaufgabe des Solisten darin, die melodischen Linien des Tutti
zu umspielen. Dies geht natürlich nicht ohne
einige typische grotesk-satirische Einwürfe,
die uns auch im Finalsatz wieder begegnen.
Sergej Prokofjew
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Hier übernimmt ein pochender Rhythmus die
Federführung, darüber ein markant-tänzerisches Thema der Violine. Die kunstvoll polyphone, aber dennoch klare Verarbeitung
dieses thematischen Materials steht vielleicht am sinnfälligsten für die vom Komponisten gewünschte „Einfachheit“, die man
hier ob der großen Kunstfertigkeit und Virtuosität besser mit „Sachlichkeit“ umschreiben sollte. Besondere klangliche Würze erhält besonders diese Satz durch die
außergewöhnliche Orchestrierung im
Schlagzeug: Statt Pauken spielt nur die große Trommel mit einem Schlagzeugensemble
aus kleiner Trommel, Triangel, Becken und
Kastagnetten – eine Reverenz an den Uraufführungsort Madrid?
Beethoven: Sechste Sinfonie „Pastorale“
(1808)
Man mag es kaum glauben, dass diese beiden Sinfonien ein Paar bilden, gemeinsam in
einem Akademiekonzert 1808 uraufgeführt:
Die schicksalsträchtige Fünfte und die heute
zu hörende Sechste verbindet dennoch
mehr, als auf den ersten Blick vermutet.
Man kann sie als zwar gegensätzliche, aber
dennoch inhaltlich verbundene Schwestern
betrachten. Sie eint die Suche nach der
Identität, nach einer Utopie – die der politischen Freiheit bzw. die der Einheit zwischen
Mensch und Natur. Beide sind Finalsinfonien und als solche Entwicklungsgeschichten
mit einem utopischen Abschluss als Antwort.
Zunächst einmal stellt sich Beethoven mit
einer Pastoralsinfonie in eine Tradition, die
sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen
lässt. Die Kunstform der Pastorale (Hirtenstück oder Schäferspiel) zog über die Poesie in die Musik des 17. und 18. Jahrhun8
derts ein als deskriptive Musik mit
Naturschilderungen, Vogelstimmen-Imitation, Sturmmalereien, wie z. B. in Dittersdorfs Sinfonien nach Ovid, wo gar die Frösche quaken. Doch bereits hier gilt es,
Einhalt zu gebieten, denn dies war es genau
nicht, was Beethoven intendierte. Zwar benannte er seine Sechste, nachdem über den
Skizzen noch „Sinfonia caracteristica“ gestanden hatte, als „Pastoral-Sinfonie“, weiter jedoch „oder Erinnerung an das Landleben“ und über die Stimme der 1. Violine
„Mehr Ausdruck der Empfindung als Mahlerey“. Nimmt man dazu noch weitere Bemerkungen aus den Skizzen wie „Jede
Mahlerey, nachdem sie in der Instrumentalmusik zu weit getrieben, verliehrt“, so wird
deutlich, dass Beethoven kein musikalisches Abbild der Natur im Sinne einer Programmmusik geben wollte, sondern seine
seelischen Empfindungen beim Erleben der
Natur. „Erinnerung“ meint somit auch nicht
das entfernt Vergangene, sondern die tatsächliche Reflexion, die Erinnerung als „inneren“ Vorgang.
Diese Distanz oder Überhöhung wirkte auf
manchen Zeitgenossen befremdlich, wie auf
den Kritiker der Allgemeinen musikalischen
Zeitung: „Doch wurde es dem nichteingeweihten Zuhörer schwer, in all diese, ihm
verschlossenen Geheimnisse einzugehen.
Wir haben in dem pantomimischen Tanze
die oft nur willkürlich angenommenen Zeichen verstehen gelernt: die hier gebrauchte
Sprache der Musik aber ist gar Vielen noch
unbekannt, worüber sich Niemand eben
wundern wird, da von ihrer Seite noch so
wenig gethan worden, um sich dem gemeinen Verstande zu erklären.“ Waren die
Zeitgenossen „noch nicht so weit“, so sind
wir heutigen Hörer hoffentlich noch nicht
„zu erfahren“, um diese Musik noch mit unvoreingenommenen Ohren zu hören!
Ludwig van Beethoven
JULIAN RACHLIN
VIOLINE
Julian Rachlin fasziniert durch unverwechselbare Musikalität, seinen reichen und differenzierten Ton und herausragende Interpretationen als Geiger, Bratscher und seit neuestem
auch als Dirigent. Zwölf Jahre lang leitete er
das Festival „Julian Rachlin & Friends“ in Dubrovnik, Plattform für kreative und pulsierende
Projekte mit führenden Musikern und Schauspielern. Anerkennung erfährt er durch seine
Arbeit als Goodwill-Botschafter der UNICEF
und wegen seines sozialen Engagements im Bildungsbereich. Jüngste Konzert-Highlights waren seine Residenz im Wiener Musikverein, wo
er die Saison mit den Münchner Philharmonikern unter Semyon Bychkov eröffnete und das
English Chamber Orchestra während seiner Europatour dirigierte. Daneben stehen die Europatour mit dem Leipziger Gewandhausorchester
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unter Riccardo Chailly, Konzerte mit dem Philharmonia Orchestra unter Vladimir Ashkenazy,
dem London Philharmonic und Andrey Boreyko,
dem Bayerischen Staatsorchester unter Zubin
Mehta bzw. Kirill Petrenko sowie dem Boston
Symphony mit Alan Gilbert. Mit dem Orchestre
National de France und Daniele Gatti als Artist
in Residence des Orchesters folgte eine WeltTournee. Er eröffnete die Konzertsaison der
Scala mit Riccardo Chailly und trat beim Lucerne Festival auf. 2012 spielte er als Widmungsträger die Uraufführung von Pendereckis Concerto doppio im Wiener Musikverein mit Janine
Jansen. CD-Einspielungen erschienen für Sony
Classical, Warner Classics und die Deutsche
Grammophon. Er spielt eine „ex Liebig“-Stradivari von 1704, zur Verfügung gestellt von der
Angelika Prokopp-Privatstiftung.
JUSTIN BROWN
DIRIGENT
Justin Brown studierte in Cambridge und
Tanglewood bei Seiji Ozawa und Leonard
Bernstein und arbeitete später als Assistent
bei Leonard Bernstein und Luciano Berio.
Als Dirigent debütierte er mit der gefeierten
britischen Erstaufführung von Bernsteins
Mass. Für seine Programmgestaltung beim
Alabama Symphony Orchestra, wo er fünf
Spielzeiten als Chefdirigent wirkte, wurde er
drei Mal mit dem ASCAP-Award ausgezeichnet. Auf Einladung des renommierten „Spring
for Music Festival“ dirigierte er 2012 das Orchester in der Carnegie Hall. Brown leitete
zahlreiche Uraufführungen und dirigierte
wichtige Stücke bedeutender Zeitgenossen
wie Elliott Carter und George Crumb. Er musizierte zudem mit namhaften Solisten wie YoYo Ma, Leon Fleisher und Joshua Bell. Zahl-
reiche Gastengagements führten ihn an
renommierte Opernhäuser und zu Orchestern weltweit, in Deutschland u. a. an die
Bayerische Staatsoper München und zu den
Dresdner Philharmonikern. Komplettiert wird
sein Erfolg durch viele CD-Einspielungen,
2006 wurde er für einen Grammy nominiert.
Als Generalmusikdirektor am STAATSTHEATER KARLSRUHE, der er seit 2008 ist, wird
Brown vor allem für seine Dirigate von Wagners Ring sowie den Werken Berlioz, Verdis
und Strauss gefeiert. Unter seiner Leitung
stehen auf dem facettenreichen Konzertspielplan Werke wie Amériques von Edgar
Varèse, Mahlers 5. Sinfonie oder die GurreLieder von Schönberg. Gemeinsam mit seinem Team erhielt er die Auszeichnung „Bestes Konzertprogramm 2012/13“.
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DIE
BADISCHE
STAATSKAPELLE
Als sechstältestes Orchester der Welt kann
die BADISCHE STAATSKAPELLE auf eine
überaus reiche und gleichzeitig gegenwärtige Tradition zurückblicken. 1662 als
Hofkapelle des damals noch in Durlach residierenden badischen Fürstenhofes gegründet, entwickelte sich aus dieser Keimzelle
ein Klangkörper mit großer nationaler und
internationaler Ausstrahlung. Berühmte
Hofkapellmeister wie Franz Danzi, Hermann
Levi, Otto Dessoff und Felix Mottl leiteten
zahlreiche Ur- und Erstaufführungen, z. B.
von Hector Berlioz, Johannes Brahms und
Béla Bartók, und machten Karlsruhe zu
einem der Zentren des Musiklebens. Neben
Brahms standen Richard Wagner und
Richard Strauss gleich mehrfach am Pult
der Hofkapelle; Niccolò Paganini, Clara
Schumann und viele andere herausragende Solisten waren gern gehörte Gäste.
Hermann Levi führte 1856 die regelmäßigen
Abonnementkonzerte ein, die bis heute als
Sinfoniekonzerte der BADISCHEN STAATSKAPELLE weiterleben.
Allen Rückschlägen durch Kriege und
Finanznöten zum Trotz konnte die Tradition des Orchesters bewahrt werden.
Generalmusikdirektoren wie Joseph
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Keilberth, Christof Prick, Günther Neuhold
und Kazushi Ono führten das Orchester in
die Neuzeit, ohne die Säulen des Repertoires zu vernachlässigen. Regelmäßig fanden sich zeitgenössische Werke auf dem
Programm; Komponisten wie Werner Egk,
Wolfgang Fortner oder Michael Tippett
standen sogar selbst vor dem Orchester,
um ihre Werke aufzuführen.
Die große Flexibilität der BADISCHEN
STAATSKAPELLE zeigt sich auch heute
noch in der kompletten Spannweite zwischen Repertoirepflege und der Präsentation zukunftsweisender Zeitgenossen,
exemplarisch hierfür der Name Wolfgang
Rihm. Der seit 2008 amtierende Generalmusikdirektor Justin Brown steht ganz
besonders für die Pflege der Werke
Wagners, Berlioz’, Verdis und Strauss’
sowie für einen abwechslungsreichen
Konzertspielplan, der vom Deutschen
Musikverleger-Verband als „Bestes
Konzertprogramm 2012/13“ ausgezeichnet
wurde. Auch nach dem 350-jährigen Jubiläum 2012 präsentiert sich die BADISCHE
STAATSKAPELLE – auf der reichen Aufführungstradition aufbauend – als lebendiges und leistungsfähiges Ensemble.
BESETZUNG
1. Violine
Janos Ecseghy
Axel Haase
Gustavo Vergara
Rosemarie Simmendinger-Kàtai
Susanne Ingwersen
Thomas Schröckert
Werner Mayerle
Herbert Pfau-von Kügelgen
Ayu Ideue
Juliane Anefeld
Judith Sauer
Eva Unterweger*
2. Violine
Annelie Groth
Shin Hamaguchi
Km. Toni Reichl
Km. Uwe Warné
Christoph Wiebelitz
Dominik Schneider
Birgit Laub
Steffen Hamm
Eva-Maria Vischi
Fiona Doig
Viola
Michael Fenton
Christoph Klein
Ortrun Riecke-Wieck
Kyoko Kudo
Sibylle Langmaack
Akiko Sato
Nicholas Clifford
Anna-Maria Dragun
Violoncello
Fabien Genthialon
Km. Norbert Ginthör
Alisa Bock
Hanna Gieron
Johannes Vornhusen
Emily Härtel*
Kontrabass
Km. Joachim Fleck
Peter Cerny
Xiaoyin Feng
Karl Walter Jackl
Junsu Chun*
Flöte
Thomas von Lüdinghausen*
Horatiu Petrut Roman
Carina Mißlinger
Horn
Dominik Zinsstag
Peter Bühl
Trompete
Jens Böcherer
Km. Peter Heckle
Posaune
Sandor Szabo
Angelika Frei
Pauke & Schlagzeug
Helge Daferner
David Panzer
Km. Rainer Engelhardt
Oboe
Stephan Rutz
Nobuhisa Arai
Klarinette
Daniel Bollinger
Martin Nitschmann
Fagott
Lydia Pantzier
Ulrike Bertram
* Gast der STAATSKAPELLE
Km.: Kammermusiker/in
13
14
15
BILDNACHWEISE
UMSCHLAG
S. 5
S. 7
S. 9
S. 10
S. 11
S. 14, 15
Julia Wesely
Internationale Schostakowitsch-Tage Gohrisch
Unbekannter Fotograf
Porträt von
Ferdinand Schimon
Janine Guldener
Felix Grünschloss
Falk von Traubenberg
IMPRESSUM
HERAUSGEBER
STAATSTHEATER KARLSRUHE
GENERALINTENDANT
Peter Spuhler
KAUFMÄNNISCHER DIREKTOR
Johannes Graf-Hauber
VERWALTUNGSDIREKTOR
Michael Obermeier
TEXTNACHWEISE
S. 2 – 8
Originalbeitrag von
Axel Schlicksupp
Sollten wir Rechteinhaber übersehen
haben, bitten wir um Nachricht.
GENERALMUSIKDIREKTOR
Justin Brown
ORCHESTERDIREKTOR &
KONZERTDRAMATURG
Axel Schlicksupp
REDAKTION
Axel Schlicksupp
KONZEPT
DOUBLE STANDARDS Berlin
STAATSTHEATER KARLSRUHE
Saison 2016/17
Programmheft Nr. 337
www.staatstheater.karlsruhe.de
GESTALTUNG
Kristina Schwarz
DRUCK
medialogik GmbH, Karlsruhe
UNSERE KONZERTE –
AM BESTEN IM ABO!
AB 11,00 BZW. 5,50 EURO PRO KONZERT
Jederzeit einsteigen –
unser Abonnementbüro berät Sie gerne!
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ABONNEMENTBÜRO
T 0721 3557 323
F 0721 3557 346
[email protected]
DIE NÄCHSTEN
KONZERTE
1. KLEINKINDERKONZERT –
EINE BALLONFAHRT 3+
Es geht hoch hinaus! Und wir sind schon ganz
gespannt, wohin unsere Reise mit dem Ballon
führen wird: in weit entfernte Länder oder
nur knapp bis über die Grenze? Auf jeden Fall
gibt es viel Musik zum Hören, Tanzen und
Mitspielen.
Rahel Zinsstag Konzept & Moderation
Mitglieder der BADISCHEN STAATSKAPELLE
2.10. 9.30 & 11.00 INSEL
3.10. 11.00 & 15.00 INSEL
1. KAMMERKONZERT
Sergej Rachmaninow Trio élégiaque Nr. 1
g-Moll Dmitri Schostakowitsch Sieben
Romanzen nach Gedichten von Alexander
Blok op. 127 Robert Schumann Klaviertrio Nr. 3
g-Moll op. 110
Hoch expressiv, wild-romantisch und typisch
melancholisch begegnet uns Rachmaninow in
seinem 1. Klaviertrio. Die Besetzung ergänzt
Schostakowitsch in seinem ausdrucksstarken
Romanzen-Trio um Gesang mit symbolistischen Texten über Liebe, Trauer, Angst und
Tod. Zu Schumanns 3. Klaviertrio bemerkte
Ehefrau Clara: „Es ist originell, durch und
durch voller Leidenschaft, besonders das
Scherzo, das einen bis in die wildesten Tiefen
mit fortreißt.“
Ks. Barbara Dobrzanska Sopran Katrin
Adelmann Violine Thomas Gieron Violoncello
Angela Yoffe Klavier
9.10. 11.00 KLEINES HAUS
Mit Vor-Wort und anschl. Sonntagsbrunch
2. SINFONIEKONZERT
Max Reger Vier Tondichtungen nach Arnold
Böcklin op. 128 Franz Liszt Klavierkonzert Nr. 2
A-Dur Béla Bartók Konzert für Orchester
Für Publikum und Kritik war der „nur“ mit
dem 4. Preis bedachte Lucas Debargue der
wahre Sieger des Tschaikowski-Wettbewerbs 2015, der Autodidakt trat dort zum
ersten Mal mit Orchester auf. Nun zeigt er
seine unglaubliche Musikalität in Liszts farbig instrumentiertem 2. Klavierkonzert. Als
Schlusswerk suchte sich Constantin Trinks,
international erfolgreiche ehemalige Karlsruher Kapellmeister, Bartóks effektvolles und
mitreißendes Konzert für Orchester aus.
Lucas Debargue Klavier Constantin Trinks
Dirigent BADISCHE STAATSKAPELLE
30.10. 11.00 & 31.10. 20.00 GROSSES HAUS
1. NACHTKLÄNGE – EL CIMARRÓN
Zum Eindrücklichsten Henzes gehört dieses Rezital. Die durch einen Bariton verkörperte Titelfigur wird durch Gitarre, Flöte und Schlagzeug
begleitet. El Cimarrón ist unmittelbar ansprechendes und höchst expressives Musiktheater,
es packt den Zuhörer sofort. Der Komponist
durchschreitet musikalisch kongenial die komplette Gefühlswelt zwischen Unterdrückung
und Befreiung, Verfolgung und Liebe, plakativer
Anklage und höchster Verinnerlichung.
Gabriel Urrutia Benet Bariton Ulrich Wagner
Dirigent & Moderator Mitglieder der
BADISCHE STAATSKAPELLE
6.11. 21.00 INSEL
Herunterladen