Lestes virens vestalis (Rambur 1842)

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ARTENSCHUTZBLATT - 1/6
Lestes virens vestalis (Rambur 1842) - Lestidae
Kleine Binsenjungfer
Beschreibung
Oberseits smaragdgrün- bis kupferrot-metallisch gefärbte Kleinlibelle, die ihre Flügel bei
Ruhe in typischer Art der Binsenjungfern
schräg abstellt. Von allen Arten der Gattung
die kleinste und am zartesten gebaute; im
Feld jedoch oft nicht auf den ersten Blick von
andern Lestes-Arten zu unterscheiden, mit
denen sie vielfach zusammen vorkommt.
Untrügliche Kennzeichen: Färbung von
Hinterkopf und Flügelmal sowie Bau der
Hinterleibsanhänge und des EiablageApparates. Der untere Teil des Hinterkopfes
ist scharf abgesetzt gelb wie bei L. barbarus
(bei den übrigen Arten ist der ganze
Hinterkopf einfarbig dunkel). Das Flügelmal
ist einfarbig rotbraun mit hellen Randadern
auf den Schmalseiten; L. barbarus besitzt
hingegen scharf abgesetzt zweifarbige
Flügelmale.
Die Larven der Lestes-Arten sind am Bau
der Kiemenblättchen und der Fangmaske
erkenntlich: Bei den Kiemenblättchen
zweigen die Seitentracheen senkrecht von
der Haupttrachee ab; die Fangmaske ist
langgestielt und gegen das Ende plötzlich
stark verbreitert. Die Artbestimmung der
Larven und Exuvien erfordert mikroskopische Untersuchung.
Allgemeine Verbreitung und internationaler Status
Das Verbreitungsgebiet von Lestes virens in
der West-Ost-Ausdehnung liegt zwischen
Portugal und Kasachstan und erstreckt sich
in der Nord-Süd-Ausdehnung von der Ostsee
bis Nordafrika unter fast vollständiger
Ausschliessung
Grossbritanniens
und
Skandinaviens. In Mitteleuropa kommt nur
die Unterart L. v. vestalis vor. Sie ist in weiten
Teilen dieses Gebietes stark gefährdet oder
vom Aussterben bedroht.
Hansruedi Wildermuth, Haltbergstrasse 43, CH-8630 Rüti
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Verbreitung und Status in der Schweiz
Ursprünglich im ganzen Mittelland und teilweise auch im Jura verbreitet, im Alpenraum
jedoch
vollständig
fehlend.
Heute
beschränken sich die wenigen lokalen
Vorkommen mit kleinen Populationen auf die
Nordostschweiz. Vertikalverbreitung haupt-
sächlich zwischen 400 und 600 m. Die
meisten Entwicklungsgewässer liegen in der
Unteren und Mittleren Obst-Ackerbaustufe mit
einer Jahresmitteltemperatur von 8.5 –9.5° C.
Status in der Roten Liste: Vom Aussterben bedroht.
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Ökologie und Verhalten
Die Eier werden im Spätsommer oder Herbst
abgelegt und überwintern. Zum Schlupf
kommen die Larven im Frühling und entwikkeln sich im Verlauf von zwei bis drei
Monaten. Sie leben meist in 20-40 cm Tiefe
über dem Schlammgrund, zwischen untergetauchten Teilen von Helophyten. Mit ihrer
Entwicklungsweise erträgt die Art gelegentliches Austrocknen des Gewässers im
Hochsommer. Überschwemmung und Überstauung während der Larvalzeit wirken sich
wegen der dadurch erniedrigten Temperatur
ungünstig auf die Entwicklung aus. Fatal ist
die Austrocknung des Gewässers während
der Larvenzeit. Der Schlupf zur Imago erfolgt
an Halmen zwischen 20 und 60 cm Höhe
über dem Wasserspiegel.
Die ausgedehnte Schlüpfperiode dauert von
Juli (Juni) bis August. Während der etwa
sechs- bis siebenwöchigen Reifezeit bleiben
die jungen Imagines meist im näheren
Umkreis des Entwicklungsgewässers, auf
ungemähten, gut besonnten Streuwiesen
oder kaum genutztem Gelände mit locker
stehenden Büschen und Bäumen; sie können
sich aber in günstigen Habitaten bis zu 1 km
vom Wasser entfernen. Die Hauptflugzeit
dieser Hochsommer- und Herbstart liegt
zwischen Juli und September. Am meisten
Individuen
werden
in
der
zweiten
Augusthälfte angetroffen. L. v. vestalis fliegt
mit anderen Lestes-Arten zusammen. Da
sich die Tiere unauffällig verhalten, können
sie leicht übersehen werden. Die letzten Tiere
– sie leben maximal drei Monate lang –
fliegen im Oktober.
Schlüpfenperiode
Zu Beginn der Paarungszeit erscheinen die
Männchen 10 – 12 Tage früher als die
Weibchen an den Eiablageplätzen. Die 4 –
40 Minuten dauernde Paarung findet am
Wasser statt, wobei die Tiere an der
Vegetation über dem Wasser oder am Ufer
sitzen. Dann erfolgt die Eiablage, meist in
Begleitung des Männchens (im Tandem),
seltener allein. Die Eier werden einzeln in
Pflanzenteile, die über das Wasser ragen,
eingebohrt.
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Flugperiode
L. v. vestalis besiedelt meist wenig tiefe,
mässig verwachsene Gewässer kleineren
Ausmasses, die sich im Sommer rasch
erwärmen und mesotrophe bis schwach
eutrophe Verhältnisse aufweisen. Günstig
sind gut besonnte, langsam verlandende
Torfstiche mit lockeren Beständen von
Schlammschachtelhalm (Equisetum fluviatile), Schnabelsegge (Carex rostrata) und
anderen dünnhalmigen Helophyten. In Frage
kommen auch seichte Kiesgrubengewässer
und speziell zu Naturschutzzwecken
geschaffene flachufrige Weiher, die locker
mit Binsen (Juncus spp.), Seggen (Carex
spp.) oder Teichbinsen (Eleocharis spp.)
bewachsen sind. Bei Beschattung und
dichtem Bewuchs mit Schilf (Phragmites
australis) oder Rohrkolben (Typha spp.)
verschwindet die Art.
Bedeutsam im Lebenszyklus von L. v.
vestalis ist auch der Landlebensraum. Die
Imagines halten sich meist auf gut
besonnten Flächen mit Halm- oder
Krautvegetation auf, zum Beispiel in
Streuwiesen oder Moorheiden, wo auch
zahlreich Kleininsekten als Beutetiere
vorhanden sind. Büsche oder Bäume dienen
als Windschutz. Die Landhabitate der
verhältnismässig wenig wanderfreudigen Art
befinden
sich
im
Umkreis
der
Entwicklungsgewässer.
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Gefährdung
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Zerstören von Flachwasserbereichen mit locker stehender Emersvegetation
Absenken oder Heben des Grundwasserspiegels im Bereich der von L. v. vestalis besiedelten Gewässer
Störung des Moorwasserhaushaltes, insbesondere Entwässerung
Verdichtung der Verlandungsvegetation, insbesondere durch verstärkten Bewuchs mit
Schilf (Phragmites australis) oder Rohrkolben (v.a. Typha latifolia)
Eutrophierung der Larvenhabitate aus landwirtschaftlich intensiv genutztem Umgelände
(führt zur Verdichtung der Verlandungsvegetation)
Beschattung der Entwicklungsgewässer durch Gehölze
Verkleinerung der Flächen mit extensiv genutzter, krautiger Vegetation in der Umgebung
der Entwicklungsgewässer
Massnahmen
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Uneingeschränkte Erhaltung der Moore mit offenen Wasserstellen
Nötigenfalls langsames Anheben des Grundwasserspiegels
Auslichten der Randbereiche – mindestens auf der Südseite – von flachen Stehgewässern
sowie von Torfstichen und anderen Stellen mit offenem Wasser in verwaldeten/verbuschten
Mooren
Regenerieren von zugewachsenen Torfstichen durch vorsichtiges Abtragen der Pflanzendecke
Schaffen kleiner Torfgewässer und grösserer Flachweiher an geeigneten Stellen
Keine Streunutzung im Bereich der Eiablageplätze von L. v. vestalis
Literatur
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OTT, W. PIPER, F.-J. SCHIEL & M. WINTERHOLLER (2000): Ermittlung der Gefährdungursachen
von Tierarten der Roten Liste am Beispiel der gefährdeten Libellen Deutschlands - Projektkonzeption
und Ergebnisse. Nartur und Landschaft 75 (9/10): 393-401.
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Unveröff. Bericht z.H. Fachstelle Naturschutz, Amt für Landschaft und Natur, Zürich, 19. S.
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Handbuch für Exuviensammler. Verlag Erna Bauer, Keltern: 391 S.
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JÖDICKE, R. (1997): Die Binsenjungfern und Winterlibellen Europas: Lestidae. Die Neue Brehm
Bücherei, 631. Westarp Wissenschaften, Magdeburg: 277 S.
SCHORR, M. (1990): Grundlagen zu einem Artenhilfsprogramm Libellen der Bundesrepublik
Deutschland. Ursus Scientific Publishers, Bilthoven: S. 80-85.
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WILDERMUTH, H. (1980): Die Libellen der Drumlinlandschaft im Zürcher Oberland. Vierteljahrsschrift
der Naturforschenden Gesellschaft Zürich 125: 201-237.
WILDERMUTH, H. (1986): Die Auswirkungen naturschutzorientierter Pflegemassnahmen auf die
gefährdeten Libellen eines anthropogenen Moorkomplexes. Natur und Landschaft 61: 51-55.
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