Merkblätter Arten – Libellen – Lestes virens vestalis | BàT (1306)

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Régions concernées: Mittelland
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Kleine Binsenjungfer – Leste verdoyant – Leste virente
RL: CR | PRIO: 2 | NHV: –
Beschreibung
Ökologie
Die Kleine Binsenjungfer ist eine oberseits smaragdgrün bis
kupferrot gefärbte, metallisch glänzende Kleinlibelle, die ihre
Flügel in Ruhelage in typischer Art der Binsenjungfern schräg
vom Körper abstellt. Sie ist kleiner und zarter gebaut als die
übrigen Arten der Gattung, jedoch im Feld oft nicht auf den
ersten Blick von andern Lestes-Arten zu unterscheiden, mit
denen sie vielfach zusammen vorkommt. Ein untrügliches
Kennzeichen ist der scharf abgesetzte, nach unten gelbe Teil
des Hinterkopfs, der bei L. sponsa und L. dryas dunkel gefärbt ist.
Das Flügelmal ist einfarbig hellbraun mit hellen Randadern auf
den Schmalseiten. Die am Hinterkopf ebenfalls gelbe gefärbte
Art L. barbarus besitzt hingegen scharf abgesetzt zweifarbige
Flügelmale.
Beim Männchen von L. virens ist die blaue Körperbereifung auf
die Hinterleibssegmente 9 und 10 beschränkt. Die Larven der
Lestes-Arten sind am Bau von Kiemenblättchen und Fangmaske
erkenntlich: Bei den Kiemenblättchen zweigen die Seitentracheen senkrecht von der Haupttrachee ab; die Fangmaske ist
langgestielt und gegen das Ende plötzlich stark verbreitert. Die
Artbestimmung der Larven und Exuvien erfordert mikroskopische Untersuchung.
Lestes virens vestalis besiedelt meist wenig tiefe, mässig
verwachsene Gewässer kleineren Ausmasses, die sich im
Sommer rasch erwärmen und oligotrophe bis schwach
eutrophe Verhältnisse aufweisen. Günstig sind gut besonnte,
langsam verlandende Torfgewässer mit lockeren Beständen von
Schlammschachtelhalm (Equisetum fluviatile), Schnabelsegge
(Carex rostrata) und anderen dünnhalmigen Sumpfpflanzen.
In Frage kommen auch Bestände von Grossseggen (z.B. Carex
elata) mit hohem Grundwasserstand, seltener auch seichte
Kies- und Lehmgrubengewässer sowie speziell zu Naturschutzzwecken geschaffene flachuferige Weiher, die locker mit Binsen
(Juncus spp.), Seggen (Carex spp.) oder Teichbinsen (Eleocharis
spp.) bewachsen sind. Beschattung und dichten Bewuchs
mit Schilf (Phragmites australis) oder Rohrkolben (Typha spp.)
meidet die Art.
Die Eier werden im Spätsommer oder Herbst abgelegt und
überwintern. Zum Schlupf kommen die Larven im Frühling und
entwickeln sich im Verlauf von zwei bis drei Monaten. Sie leben
meist in 20 – 40 cm Tiefe über dem Schlammgrund, zwischen
untergetauchten und abgestorbenen Teilen von Sumpfpflanzen.
Mit ihrer Entwicklungsweise erträgt die Art gelegentliches
Männchen von Lestes virens vestalis.
Die Paarung findet in der dünnhalmigen Vegetation im oder
am Larvengewässer statt. © H. Wildermuth
© S. Kohl
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Austrocknen des Gewässers im Hochsommer. Überschwemmung und Überstauung während der Larvalzeit wirken sich
wegen der dadurch erniedrigten Temperatur ungünstig auf
die Entwicklung aus. Fatal ist die Austrocknung des Gewässers
während der Entwicklungsperiode.
Der Schlupf zur Imago erfolgt an Halmen zwischen 20 und 60
cm Höhe über Wasser. Die Schlüpfperiode dauert von Juli (Juni)
bis August. Während der sechs- bis siebenwöchigen Reifungszeit bleiben die jungen Imagines meist im näheren Umkreis
des Entwicklungsgewässers; sie können sich aber in günstigen
Habitaten bis zu einem Kilometer vom Wasser entfernen.
Die Hauptflugzeit dieser Hochsommer- und Herbstart liegt
zwischen Juli und September. L. v. vestalis fliegt mit anderen
Lestes-Arten zusammen. Da sich die Tiere unauffällig verhalten,
können sie leicht übersehen werden. Die Letzten fliegen je nach
Wetter bis Anfang November.
Bedeutsam im Lebenszyklus von L. v. vestalis ist auch der
Landlebensraum, der sich gewöhnlich im nahen Umkreis der
Entwicklungsgewässer befindet. Dies sind Streuwiesen, Moorheiden und Waldränder. Die Imagines halten sich meist an gut
besonnten Stellen mit Halm- oder Krautvegetation auf, wo sie
jagen, ruhen und reifen; oft im Windschutz von Gehölzen.
Nach der Reifung erscheinen die Männchen 10 – 12 Tage früher
als die Weibchen an den Eiablageplätzen. Die 4 – 40 Minuten
dauernde Paarung findet am Wasser statt, wobei die Tiere an
der Vegetation über dem Wasser oder am Ufer sitzen. Dann
erfolgt die Eiablage, meist in Begleitung des Männchens (im
Tandem), seltener allein. Die Eier werden einzeln in Pflanzenteile, die über das Wasser ragen, eingebohrt.
Häufige Begleitarten sind Lestes sponsa, L. viridis, Coenagrion
puella, Libellula quadrimaculata und Sympetrum sanguineum.
Seichter Moorgraben mit dünnhalmiger, lockerer Vegetation als
Entwicklungsgewässer von Lestes virens vestalis. © H. Wildermuth
Dans cet étang tourbeux, les plantes utilisées pour la ponte
sont Carex rostrata et Equisetum fluviatile. © H. Wildermuth
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Situation in der Schweiz
Das Verbreitungsgebiet von Lestes virens in der West-OstAusdehnung liegt zwischen Portugal und Ost-Kasachstan und
erstreckt sich in der Nord-Süd-Ausdehnung von der Ostseeküste bis zum nördlichsten Nordafrika unter weitgehender
Ausschliessung Grossbritanniens und Skandinaviens. In Mitteleuropa kommt nur die Unterart L. v. vestalis vor. Diese ist in
Teilen dieses Gebietes stark gefährdet (z.B. Deutschland) oder
vom Aussterben bedroht (z.B. Österreich).
Ursprünglich war die Kleine Binsenjungfer im ganzen Mittelland und teilweise auch im Jura verbreitet. Zwischen Bern
und Burgdorf, wo sie im 19. Jahrhundert als die häufigste
Libelle überhaupt galt, ist sie wie in der übrigen Westschweiz
verschwunden. Heute beschränken sich die wenigen, meist
kleinen Populationen auf die Nordostschweiz mit ­Schwerpunkt
in den Kantonen ZH und SG. Kleine Vorkommen sind ferner in
den Kantonen AG, TG, TI, SH und SZ bekannt. L. virens vestalis
wird in der Schweiz als vom Aussterben bedroht (CR) eingestuft.
2500
Situation weltweit
Altitude
2000
Verbreitung, Höhenverbreitung und Phänologie
von Lestes virens vestalis in der Schweiz.
500
1000
1500
© CSCF
0%
70%
40
30
20
< 1970
1970 - 1999
2000 - 2009
10
0
J
F
M
A
M
J
J
A
S
O
N
D
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4
Priorität
Gefährdung
Schutz- und Förderungsmassnahmen
In ihrem Gesamtverbreitungsgebiet ist die Kleine Binsenjungfer
nicht vom Aussterben bedroht, in Mitteleuropa jedoch allgemein selten geworden und regional verschwunden. In der
Schweiz wird sie in die zweithöchste Prioritätsstufe 2 gestellt.
Zerstören von bestehenden
Flachwasserbereichen mit
locker stehender, emerser
Vegetation
Erhalten, Fördern und Neuanlegen von
Flachwasserbereichen
Dauerhaftes oder
kontinuierliches
Absenken bzw. Heben des
Grundwasserspiegels im
Bereich der von L. v. vestalis
besiedelten Gewässer
Erhalten bzw. Stabilisieren
des Wasserspiegels in
Flachwasserbereichen zumindest
während der Larvenentwicklung (April
bis Juli)
Zuwachsen bzw. Verlanden
des Gewässers
Regenerieren von zugewachsenen
Gewässern (v.a. Torfstiche) durch
vorsichtiges teilweises Abtragen der
Pflanzendecke
Verdichtung der Vegetation,
insbesondere durch
verstärkten Bewuchs mit
Schilf (Phragmites australis)
oder Rohrkolben (v. a. Typha
latifolia)
Auslichten der dichten Vegetation,
partielles Eliminieren von Schilf und
Rohrkolben
Eutrophierung der
Larvenhabitate durch
Einsickern von Düngstoffen
aus dem Umgelände, in
der Folge Verdichtung der
Verlandungsvegetation
Schaffen genügend breiter
Pufferzonen; Ableiten des
einsickernden belasteten Wassers über
Randgräben
Beschattung der
Entwicklungsgewässer
durch Gehölze
Auslichten der Randbereiche von
flachen Stehgewässern sowie von
Torfstichen und anderen Stellen mit
offenem Wasser in verwaldeten und
verbuschten Mooren
Zerstörung der Eier durch
Mahd der Eiablagepflanzen
Grosse Brutgewässer (Seggenwiesen)
nur teilweise mähen und 10 cm
Stoppeln stehen lassen, kleine
Brutgewässer nicht mähen
Verbuschung oder
sonstige Zerstörung
extensiv genutzter,
besonnter Landhabitate
in der Umgebung der
Brutgewässer
Entbuschen, langhalmige
Grasvegetation fördern. Flächen
alternierend nur alle zwei Jahre
mähen.
Gefährdungsursachen
Hauptursache für das Aussterben der Art in der Westschweiz
und für den starken Rückgang im östlichen Schweizer Mittelland
war die Entwässerung der grossflächigen Sümpfe und Moore.
Die verbliebenen Vorkommen sind heute mit ihren Brutgewässern grösstenteils geschützt. Dennoch ist ihre Weiterexistenz
nicht in jedem Fall gesichert. Absinken des Grundwasserspiegels, Zuwachsen oder Beschattung der Gewässer können auch
innerhalb von Schutzgebieten zum Erlöschen der Populationen
führen.
Erhaltungs- und Förderungsmassnahmen
Da sich die Art in der Regel ortstreu verhält, besiedelt sie
neu geschaffene Lebensräume abseits von existierenden
Vorkommen nur zögerlich, wenn überhaupt. Wichtigste Massnahme ist deshalb, die noch vorhandenen Populationen zu
überwachen, zu erhalten und zu fördern. Wo die Brutgewässer
an Qualität einbüssen, werden Eingriffe nötig. In bestehenden
Entwicklungsgewässern kann beispielsweise zu dicht gewordene Vegetation ausgelichtet oder fleckenweise entfernt
werden. Dasselbe gilt für aufkommendes Gebüsch, das die
Larvenhabitate beschattet. Speziell zu beachten ist, dass
diese während der Larvenentwicklung zwischen Frühling und
Sommer nicht austrocknen, was eine Überwachung des Wasserregimes erfordert. Neu geschaffene Flachgewässer sollen wenn
möglich nicht weiter als 100m von besiedelten Stellen entfernt
liegen. Die einzelnen Gewässer können so miteinander vernetzt
werden. Massnahmen und Eingriffe sollten unter Beizug von
Spezialisten geplant und durchgeführt werden.
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Literatur
Flöss I. (1999): Die Libellenfauna der Glattläufe von Rümlang und Oberglatt
(Kt. Zürich) 1999. Unveröff. Bericht z.H. Fachstelle Naturschutz, Amt für Landschaft
und Natur, Zürich.
Gonseth Y. & C. Monnerat (2002): Rote Liste der gefährdeten Libellen der Schweiz.
BUWAL, Bern & CSCF, Neuchâtel.
Heidemann H. & R. Seidenbusch (1993): Die Libellenlarven Deutschlands und
Frankreichs. Handbuch für Exuviensammler. Verlag Erna Bauer, Keltern.
Hoess R. (1994): Libelleninventar des Kantons Bern. Sonderdruck aus dem Jahrbuch
des Naturhistorischen Museums Bern 12: 3-100.
Jödicke R. (1997): Die Binsenjungfern und Winterlibellen Europas: Lestidae.
Die Neue Brehm Bücherei, 631. Westarp Wissenschaften, Magdeburg.
Leuthold W. (2009): Libellen (Odonata) im Neeracherried (Kanton Zürich).
Das Artenspektrum und seine Veränderungen in 20 Jahren. Vierteljahrsschrift der
Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 154: 1-9.
Schorr M. (1990): Grundlagen zu einem Artenhilfsprogramm Libellen der
Bundesrepublik Deutschland. Ursus Scientific Publishers, Bilthoven.
Sternberg K. & C. Röhn (1999): Lestes virens vestalis Rambur, 1842. In: Sternberg K.
& R. Buchwald (Hrsg.): Die Libellen Baden-Württembergs, Bd. 1. Ulmer, Stuttgart,
S. 418-427.
Wildermuth H. (1980): Die Libellen der Drumlinlandschaft im Zürcher Oberland.
Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 125: 201-237.
Wildermuth H. (1986): Die Auswirkungen naturschutzorientierter
Pflegemassnahmen auf die gefährdeten Libellen eines anthropogenen
Moorkomplexes. Natur und Landschaft 61: 51-55.
Wildermuth H. (2005): Lestes virens vestalis. In: Wildermuth H., Y. Gonseth &
A. Maibach (Hrsg.): Odonata – Die Libellen der Schweiz. Fauna Helvetica 12, CSCF/
SEG, Neuchâtel: 100-103.
Wildermuth H. (2008): Konstanz und Dynamik der Libellenfauna in der
Drumlinlandschaft Zürcher Oberland – Rückblick auf 35 Jahr Monitoring.
Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich 153: 57‑66.
Wildermuth H. & D. Küry (2009): Libellen schützen, Libellen fördern. Leitfaden für
die Naturschutzpraxis. Beiträge zum Naturschutz in der Schweiz Nr. 31. Pro Natura,
Basel.
Abkürzungen
Impressum
RL
Autor
Rote Liste der gefährdeten Libellen der Schweiz
(Gonseth & Monnerat 2002, http://www.bafu.admin.ch)
PRIO
Liste der National Prioritären Arten
(BAFU 2011, http://www.bafu.admin.ch)
NHV
Verordnung über Natur- und Heimatschutz SR 451.1
(16. Januar 1991)
Hansruedi Wildermuth
Zitierung Wildermuth H. 2013. Merkblätter Arten – Libellen – Lestes virens
vestalis. Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Libellenschutz, CSCF
info fauna, Neuenburg und Bundesamt für Umwelt, Bern. 5 S.
Kontakt
Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Libellenschutz,
c/o Life Science SA, 4058 Basel · [email protected]
Herausgegeben mit fachlicher und finanzieller Unterstützung des Bundesamtes
für Umwelt (BAFU), dieses Merkblatt kann unter www.cscf.ch
abgerufen werden
SAGLS
GTCLS
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