Grundlagen der Mathematik für Informatiker 5 1 Grundlagen der Mathematik für Informatiker 2 Graphen 5.1 Gerichtete Graphen Repräsentationen endlicher Graphen Relation G = (V, E) durch (explizite oder implizite) Angabe aller Elemente von V und E Definition 5.1 (V, E) heißt gerichteter Graph (Digraph), wenn • V Menge von Knoten (auch Ecke genannt, vertex) Diagramm des Graphen • E ⊆ V 2 Menge von Kanten (edge). Adjazenzmatrix |V | × |V |-Matrix A = (ai j ) mit Endpunkte von (a, b) ∈ E sind a, b ∈ V Schlinge: Kante (a, a) ∈ E mit a ∈ V ai j = Beispiel: (V, E) mit V = {0, 1, . . . , 4} E = {(i, j) | j = i + 1 oder j = i + 3} 1, wenn (v , v ) ∈ E i j 0, sonst Adjazenzliste LG : V →2V mit u ∈ LG (v) genau dann, wenn (u, v) ∈ E gerichteter Graph: relationale Struktur mit einer zweistelligen Relation Grundlagen der Mathematik für Informatiker 3 Grundlagen der Mathematik für Informatiker 4 5.2 Ungerichtete Graphen Definition 5.2 (V, E) heißt ungerichteter (schlingenfreier ) Graph, wenn • V Menge von Knoten • E ⊆ V2 Menge von Kanten Notation: ab statt {a, b} mit V = {M ⊆ V | M enthält genau 2 Elemente } 2 Graph (ohne Zusatz) bedeutet im folgenden immer: endlich, ungerichtet und schlingenfrei. ungerichteter Graph ohne Schlingen: relationale Struktur mit zweistelliger symmetrischer irreflexiver Relation Ordnung von Graphen Für jede endliche Menge A bezeichnet |A| die Anzahl der Elemente in A. Ordnung des Graphen (V, E): Anzahl |V | der Knoten Der Graph (V, E) heißt leer genau dann, wenn V = 0/ und E = 0/ , isoliert genau dann, wenn E = 0/ , vollständig genau dann, wenn E = V2 . Kn – vollständiger Graph mit n Knoten Grundlagen der Mathematik für Informatiker 5 Grundlagen der Mathematik für Informatiker 6 Knotengrad Nachbarschaft Graph (V, E) Knoten u, v ∈ V heißen im Graphen (V, E) G = (V, E) definiert Funktion gradG : V →N, wobei für alle a ∈ V gilt: benachbart (adjazent) genau dann, wenn uv ∈ E , unabhängig genau dann, wenn uv 6∈ E . gradG (a) = |NG (a)| Nachbarschaft (Menge aller Nachbarn) eines Knotens v in G: gradG (a) heißt Grad des Knotens a. NG (v) = {u ∈ V | uv ∈ E} (V, E) heißt n-regulär (regulär), falls für alle a ∈ V gilt gradG (a) = n. Satz 5.1 Für jeden Graphen (V, E) gilt ∑a∈V gradG (a) = 2|E|. (für gerichtete Graphen: NG (v) = {u ∈ V | uv ∈ E ∪ E −1 } Folgerung 5.2 In jedem endlichen Graphen ist die Anzahl der Knoten von ungeradem Grad gerade. Knoten v ∈ V mit NG (v) = 0/ heißt isoliert. Grundlagen der Mathematik für Informatiker 7 Grundlagen der Mathematik für Informatiker Graph-Isomorphie (siehe Definition der Isomorphie relationaler Strukturen) Definition 5.3 Zwei Graphen G = (VG , EG ) und H = (VH , EH ) heißen isomorph (G ≃ H ), falls eine Bijektion f : VG →VH existiert, sodass für alle a, b ∈ VG gilt: { f (a), f (b)} ∈ EH genau dann, wenn {a, b} ∈ EG . Die Isomorphie ≃ ist eine Äquivalenzrelation auf der Menge aller Graphen. Äquivalenzklassen [G]≃ heißen Isomorphieklassen. / ≃ In := [({1, · · · , n}, 0)] Kn := [({1, · · · , n}, {1,···,n} )]≃ 2 Pn := [({1, · · · , n}, {{i, i + 1}|i ∈ {1, · · · , n − 1}})]≃ Cn := [({1, · · · , n}, {{i, i + 1}|i ∈ {1, · · · , n − 1}} ∪ {{n, 1}})]≃ Graphinvarianten Funktion f von Graphen in eine Menge heißt Graphinvariante genau dann, wenn für isomorphe Graphen G, H gilt f (G) = f (H). Beispiele: • Anzahl der Knoten • Anzahl der Kanten • Menge der Knotengrade Graphinvarianten helfen beim Isomorphietest. 8 Grundlagen der Mathematik für Informatiker 9 Grundlagen der Mathematik für Informatiker 10 Operationen auf Graphen Für zwei Graphen G = (VG , EG ) und H = (VH , EH ) wird definiert: Graph-Relationen G ∪ H = (VG ∪VH , EG ∪ EH ) Für Graphen G = (VG , EG ) und H = (VH , EH ) heißt H G ∩ H = (VG ∩VH , EG ∩ EH ) Teilgraph von G genau dann, wenn VH ⊆ VG und EH ⊆ EG gilt, GH = (VG ×VH , E) mit (a = c ∧ (b, d) ∈ EH ) E = ((a, b), (c, d)) ∨ ((a, c) ∈ EG ∧ b = d) echter Teilgraph von G genau dann, wenn H ist Teilgraph von G und H 6= G, induzierter Teilgraph von G genau dann, wenn VH ⊆ VG und EH = {{a, b} ∈ EG | {a, b} ⊆ VH } (Autotool: Beschränkung von G auf VH ) G ∗ H = (VG ∪VH , EG ∪ EH ∪ (VG ×VH )) für VG und VH disjunkt aufspannender Teilgraph von G genau dann, wenn H ist Teilgraph von G und VH = VG Grundlagen der Mathematik für Informatiker Graphenklassen: Km,n = Im ∗ In , Sterne K1,n allgemein Kn1 ,...,nm = In1 ∗ · · · ∗ Inm für m > 1 11 Grundlagen der Mathematik für Informatiker Bipartite Graphen Definition 5.4 Ein Graph G = (V, E) heißt bipartit genau dann, wenn eine Zerlegung {V0 ,V1 } von V (d.h. V0 ∩V1 = 0/ und V0 ∪V1 = V ) mit ( V20 ∪ V21 ) ∩ E = 0/ existiert. Beispiele: 1. Pn für alle n 2. Km,n für alle m, n ∈ N 3. kein Kn für n > 2 4. Cn für alle n ≥ 1 mit n ≡2 0 Bemerkung: Ein Graph G = (V, E) ist genau dann bipartit, wenn ein Km,n = (V, E ′ ) existiert, sodass E ⊆ E ′ ist. Komplementärgraph Definition 5.5 Das Komplement eines Graphen G = (V, E) ist der Graph G = (V, E) mit uv ∈ E genau dann, wenn uv 6∈ E gilt. G heißt selbstkomplementär genau dann, wenn G ≃ G Beispiele: Pfad P4 , Kreis C5 12 Grundlagen der Mathematik für Informatiker 13 Grundlagen der Mathematik für Informatiker Pfade in Graphen Kreise in Graphen Pfad im Graphen G = (V, E): Teilgraph P von G, der für ein n ∈ N isomorph zu Pn ist. Kreis im Graphen G = (V, E): Teilgraph C von G, der für ein n ∈ N isomorph zu Cn ist. (echte Kreise: isomorph zu Cn mit n ≥ 3) Pfad P = (V ′ , E ′ ) in G = (V, E) ist eindeutig bestimmt durch Kreis C = (V ′ , E ′ ) in G = (V, E) ist eindeutig bestimmt durch 1. Menge E ′ ⊆ E der Kanten oder 2. Folge (v1 , · · · , vn ) der Knoten in V ′ 14 1. Menge E ′ der Kanten oder ⊆ V. 2. Folge (v1 , · · · , vn , v1 ) der Knoten in V ′ ⊆ V . Länge des Pfades = Anzahl der Kanten (z.B. im Pn also n − 1) Länge des Kreises = Anzahl der Kanten (z.B. im Cn also n) Pfad im Graphen von a nach b im Graphen G: P = (v1 , · · · , vn ) in G mit v1 = a und vn = b Satz 5.3 1. Jeder Graph (V, E) enthält einen Pfad mit min{gradG (a) | a ∈ V } + 1 Knoten. Maximaler Pfad in G bzgl. Teilgraph-Relation: P = (V ′ , E ′ ) ist maximaler Pfad in G = (V, E) genau dann, wenn ∀ab ∈ E : (V ′ ∪ {a, b}, E ′ ∪ {ab}) ist kein Pfad in G. Grundlagen der Mathematik für Informatiker 2. Jeder Graph (V, E) enthält einen Kreis mit mindestens min{gradG (a) | a ∈ V } + 1 Knoten. 15 Grundlagen der Mathematik für Informatiker Wege in Graphen Weg w im Graphen G = (V, E): Folge von Kanten w = (v1 v2 , v2 v3 , . . . , vn vn+1 ) ∈ E ∗ (Kanten können mehrfach vorkommen) Länge des Weges w: Anzahl der Kanten in w (hier n) durch Folge der Knoten (v1 , . . . , vn+1 ) eindeutig bestimmt Weg von a nach b in G: Weg (v1 , . . . , vn ) in G mit v1 = a und vn = b Für jeden Knoten v ∈ V ist (v) ein leerer Weg von v nach v. Pfade und Kreise in Wegen Jeder Weg w = (v1 v2 , . . . , vn−1 vn ) im Graphen G definiert einen Teilgraphen Hw = ({v1 , . . . , vn }, {v1 v2 , . . . , vn−1 vn }) in G. Satz 5.4 Jeder Weg von a nach b in G enthält einen Pfad von a nach b in G als Teilfolge. Satz 5.5 Existieren in einem Graphen G = (V, E) zwei verschiedene (nicht überall gleiche) Pfade zwischen a ∈ V und b ∈ V , dann enthält G einen Kreis. 16 Grundlagen der Mathematik für Informatiker 17 Grundlagen der Mathematik für Informatiker Zusammenhangsrelation Bäume Relation RG auf V 2 im Graphen G = (V, E) (u, v) ∈ RG (u und v sind zusammenhängend) genau dann, wenn es einen Weg von u nach v in G gibt. Definition 5.6 G = (V, E) heißt Baum, wenn • G zusammenhängend ist und • kein Teilgraph von G ein echter Kreis ist. Bemerkung: Für jeden Graphen G = (V, E) ist RG eine Äquivalenzrelation auf V . G = (V, E) heißt Wald, wenn kein Teilgraph von G ein echter Kreis ist. v ∈ V mit grad(v) ≤ 1 heißt Blatt Äquivalenzklassen [u]RG sind Knotenmengen induzierter Teilgraphen von G und heißen Zusammenhangskomponenten von G. Grundlagen der Mathematik für Informatiker Lemma 5.6 Jeder Baum mit mindestens 2 Knoten hat mindestens 2 Blätter. 19 Grundlagen der Mathematik für Informatiker Gerüste Charakterisierung der Bäume Teilgraph H von G heißt Gerüst von G, falls Satz 5.7 Für jeden Graphen G = (V, E) sind folgenden Aussagen äquivalent: 1. G ist ein Baum. • H ein Baum und • H ein aufspannender Teilgraph von G ist. Beispiele: 2. Zwischen je zwei Knoten u, v ∈ V existiert genau ein Pfad in G. • P5 in K5 3. G ist minimal zusammenhängend. (G ist zusammenhängend und für jede Kante uv ∈ E ist (V, E \ {uv}) nicht zusammenhängend) • K1,4 in K5 4. G ist maximal kreisfrei. (G enthält keinen echten Kreis, aber für jede Kante uv ∈ enthält (V, E ∪ {uv}) einen echten Kreis) 18 • G für jeden Baum G • I3 hat kein Gerüst V 2 \E • P2 ∪ K4 hat kein Gerüst Satz 5.8 G ist genau dann zusammenhängend, wenn G ein Gerüst besitzt. 20 Grundlagen der Mathematik für Informatiker 21 EULERsche Wege und Das Königsberger Brückenproblem 22 HAMILTONsche Wege (dual zu EULERschen Wegen) Definition 5.7 Es sei G = (V, E) ein Graph. Ein Weg (e1 , ..., en ) ∈ E ∗ heißt EULERscher Weg, falls E = {e1 , ..., en } und ei 6= e j für i 6= j, d.h. der Weg (e1 , ..., en ) ∈ E ∗ enthält jede Kante aus E genau einmal. Definition 5.8 Es sei G = (V, E) ein Graph. Ein Weg (v1 , ..., vn ) ∈ V ∗ heißt HAMILTONscher Weg, falls V = {v1 , ..., vn } und vi 6= v j für i 6= j, d.h. der Weg (v1 , ..., vn ) ∈ V ∗ enthält jeden Knoten aus V genau einmal. Ist der Anfangsknoten v1 , (e1 = {v1 , v2 }) gleich dem Endknoten vn+1 , (en = {vn , vn+1 }), so spricht man von einem EULERschen Kreis. Ist außerdem {vn , v1 } ∈ E , so spricht man von einem HAMILTONschen Kreis. Satz 5.9 (Euler) Ein zusammenhängender Graph G = (V, E) ohne Schlingen hat genau dann einen E ULERschen Kreis, wenn der Grad aller Knoten gerade ist. Bemerkung: Es ist schwierig – genauer gesagt NP-schwierig – herauszufinden, ob ein Graph einen H AMILTONschen Weg hat. Königsberger Brückenprblem Kann man einen Spaziergang durch Königsberg machen und dabei jede der 7 Brücken über den Fluß Pregel genau einmal passieren? Grundlagen der Mathematik für Informatiker Grundlagen der Mathematik für Informatiker Lemma 5.10 (Dirac) Hat ein Graph G = (V, E) einen minimalen Knotengrad von ≥ |V |/2, so hat G einen Hamiltonschen Kreis. 23 Grundlagen der Mathematik für Informatiker 24 Planare Graphen Definition 5.9 Ein Graph G = (V, E) heißt planar, wenn er sich ohne Überkreuzung von Linien in der Ebene zeichnen lässt. Die Zeichnung des planaren Graphen in der Ebene zerlegt die Ebene in eine endliche Anzahl von zusammenhängenden Gebieten (auch Flächen genannt), wobei wir das äußere (unbeschränkte) Gebiet mitzählen. Satz 5.11 (E ULERsche Polyederformel) Ist G = (V, E) mit V 6= 0/ ein zusammenhängender planarer Graph ohne Schlingen mit f Flächen, so gilt |V | + f = |E| + 2 . Folgerung 5.12 Es sei G = (V, E) ein planarer Graph. Dann gilt |E| ≤ 3 · |V | − 6 . Ist G außerdem bipartit, so gilt |E| ≤ 2 · |V | − 4 . Bemerkung: Es gibt genau fünf regelmäßige Polyeder: das Tetraeder (den Vierflächner), das Hexaeder (den Sechsflächner oder Würfel), das Oktaeder (den Achtflächner), das Dodekaeder (den Zwölfflächner) und das Ikosaeder (den Zwanzigflächner).