Kapitel 2 Die Prädikatenlogik (erster Stufe) Mathematische Strukturen und formale Sprachen Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 1 / 81 Übersicht 2.0 Vorbemerkungen 2.1 Mathematische Strukturen 2.2 Prädikatenlogik: Grundzeichen der Sprachen 2.3 Prädikatenlogik: Terme 2.4 Prädikatenlogik: Formeln und Sätze 2.5 Prädikatenlogik: Zentrale semantische Konzepte Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 2 / 81 2.0 Vorbemerkungen Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 3 / 81 Vorbemerkungen Wir erweitern hier die Aussagenlogik zur Prädikatenlogik, die uns erlauben wird Aussagen über mathematische Strukturen zu formalisieren und den Wahrheitswert dieser Aussagen zu analysieren. Um über Strukturen sprechen zu können, führen wir Individuenvariablen ein, die für die Grundobjekte (= Individuen) der Strukturen stehen. Weiter werden wir Funktionszeichen und Relationszeichen zur Bezeichnung von ausgezeichneten Funktionen und Relationen der Struktur verwenden, sowie Konstanten zur Bezeichnung ausgezeichneter Individuen. Diese Zeichen hängen von der zu beschreibenden Struktur - genauer von deren Typ - ab. In jedem Fall haben wir das Gleichheitszeichen zur Bezeichnung identischer Individuen. Weiter benötigen wir die Möglichkeit der Quantifizierung. Hierbei quantifizieren wir nur über die Grundobjekte (“Für alle Individuen gilt ...” bzw. “Es gibt ein Individuum, für das ... gilt”). Da man die Individuen einer Struktur auch die Objekte der Stufe 1, Mengen von Individuen Objekte der Stufe 2 usw. nennt, sprechen wir hier auch von der Prädikatenlogik 1. Stufe (PL1). Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 4 / 81 Vorbemerkungen Im Folgenden erläutern wir die gerade genannten Konzepte am Beispiel von Aussagen über die Struktur der natürlichen Zahlen: quantifizierte Aussagen über die Grundobjekte (= Individuen) “Für jede Zahl x gibt es eine Zahl y mit . . . ” Eigenschaften und Beziehungen (Prädikate und Relationen) von und zwischen den Grundobjekten “. . . x ist Primzahl” oder “x ist kleiner als y ” Abbildungen (Funktionen) von Grundobjekten “. . . y ist der Nachfolger von x” Spezielle Grundobjekte (Konstanten) “. . . y ist kleiner als x, falls x �= 0 gilt” Die Aussage “Zu jeder von Null verschiedenen Zahl x gibt es eine Zahl y , sodass x der Nachfolger von y ist, wobei y kleiner als x ist.” werden wir durch die Formel ∀ x (¬(x = 0) → ∃ y (x = S(y ) ∧ y < x)) darstellen, wobei S die Nachfolgerfunktion bezeichnet. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 5 / 81 2.1 Mathematische Strukturen Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 6 / 81 Mathematische Strukturen: Idee Eine (mathematische) Struktur A besteht aus einer nichtleeren Menge A, dem Individuenbereich (oder Träger oder Universum) der Struktur Hierbei kann der Individuenbereich beliebige Kardinalität (�= 0) haben, also endlich oder unendlich (und hier wiederum abzählbar oder überabzählbar) sein. ausgezeichneten Relationen und Funktionen auf dem Träger sowie ausgezeichneten Elementen des Trägers, den Grundrelationen, Grundfunktionen und Konstanten von A Hierbei ist die Anzahl der Grundrelationen und Grundfunktionen (sowie deren Dimension) und die Anzahl der Konstanten beliebig. Es können also z.B. gar keine Grundrelationen vorkommen oder unendlich viele. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 7 / 81 Mathematische Strukturen: Formale Definition DEFINITION. Eine Struktur A ist ein 4-Tupel A = (A; (RiA |i ∈ I ); (fjA |j ∈ J); (ckA |k ∈ K )) wobei I , J, K beliebige (möglicherweise leere oder unendliche) Mengen sind und folgendes gilt: A ist eine nichtleere Menge (das Universum oder der Träger oder der Individuenbereich der Struktur A; entsprechend werden die Elemente von A die Individuen von A genannt), für jedes i ∈ I ist RiA eine ni -stellige Relation auf A (für ni ≥ 1 geeignet), d.h. RiA ⊆ Ani (die Grundrelationen von A), für jedes j ∈ J ist fjA eine mj -stellige Funktion auf A (für mj ≥ 1 geeignet), d.h. fjA : Amj → A (die Grundfunktionen von A), und für jedes k ∈ K ist ckA ein Element von A (die Konstanten von A). Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 8 / 81 Mathematische Strukturen: Typ oder Signatur Die Anzahl der ausgezeichneten Relationen und Funktionen zusammen mit deren Stelligkeiten sowie die Anzahl der Konstanten bestimmen den Typ einer Struktur: DEFINITION. Die Struktur A = (A; (RiA |i ∈ I ); (fjA |j ∈ J); (ckA |k ∈ K )) ist vom Typ oder besitzt die Signatur σ(A) = ((ni |i ∈ I ); (mj |j ∈ J); K ), falls RiA ni -stellig und fjA mj -stellig ist. Besitzt eine Struktur keine ausgezeichneten Relationen (bzw. Funktionen), so spricht man auch von einer algebraischen oder funktionalen (bzw. relationalen) Struktur. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 9 / 81 Mathematische Strukturen: Notation Bei einer Struktur A = (A; (RiA |i ∈ I ); (fjA |j ∈ J); (ckA |k ∈ K )) der Signatur σ(A) = ((ni |i ∈ I ); (mj |j ∈ J); K ) machen wir o.B.d.A. folgende Annahmen: Sind die Indexmengen I , J, K endlich, so gehen wir davon aus, dass diese ein Anfangsstück der natürlichen Zahlen sind und schreiben z.B. statt (RiA |i ∈ {0, . . . , k}) einfach R0A , . . . , RkA und beim Typ statt (ni |i ∈ {0, . . . , k}) entsprechend n0 , . . . , nk . Ist eine der Indexmengen leer, so lassen wir die entsprechende Komponente in der Beschreibung der Struktur auch weg. In der Signatur ersetzen wir eine leere Indexmenge auch durch “−”. Wird im Folgenden eine Struktur A nicht näher beschrieben, so gehen wir von der allgemeinen Form A = (A; (RiA |i ∈ I ); (fjA |j ∈ J); (ckA |k ∈ K )) und der Signatur σ(A) = ((ni |i ∈ I ); (mj |j ∈ J); K ) aus. Entsprechend nehmen wir von einer nicht näher beschriebenen Signatur σ an, dass σ = ((ni |i ∈ I ); (mj |j ∈ J); K ) gilt. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 10 / 81 Mathematische Strukturen: Beispiele Ein (gerichteter oder ungerichteter) Graph ist eine relationale Struktur G = (V ; E G ), wobei � � V die Menge der Knoten (vertices) und E G die 2-stellige Kantenrelation (edges) auf der Knotenmenge ist. Der Typ von G ist also σ(G) = (2; −; −). Eine partielle oder lineare Ordnung ist eine relationale Struktur O = (A; ≤O ), wobei � � A die Menge ist, auf der die 2-stellige Ordnungsrelation ≤O definiert ist. Der Typ der Ordnung O ist σ(O) = (2; −; −). Ordnungen und Graphen haben also denselben Typ (wobei jedoch an die ausgezeichnete 2-stellige Relation unterschiedliche Anforderungen gestellt werden). Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 11 / 81 Mathematische Strukturen: Beispiele (Forts.) Eine Gruppe G ist gegeben durch � � den Träger A von G und die 2-stellige Verknüpfung +G auf dem Träger. Zeichnet man noch das neutrale Element 0G der Verknüpfung +G aus, so erhält man die Struktur G = (A; +G ; 0G ) vom Typ σ(G) = (−; 2; {0}). Nimmt man das Inverse als weitere (1-st.) Grundfunktion hinzu, so erhält man die Struktur G � = (A; +G , −G ; 0G ) vom Typ σ(G � ) = (−; 2, 1; {0}). G und G � sind algebraische Strukturen. Ein Körper K kann als (algebraische) Struktur K = (A; +K , ·K ; 0K , 1K ) mit σ(K) = (−; 2, 2; {0, 1}) beschrieben werden, wobei +K und ·K die Körperaddition und -multiplikation sind und 0K und 1K die zugehörigen neutralen Elemente. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 12 / 81 Mathematische Strukturen: Beispiele (Forts.) Struktur der natürlichen Zahlen (Arithmetik): Versieht man die Menge der natürlichen Zahlen N mit Addition und Multiplikation und deren neutralen Elementen, so erhält man die (algebraische) Struktur N = (N; +, ·; 0, 1) deren Typ σ(N ) = (−; 2, 2; {0, 1}) mit dem Typ der Körper übereinstimmt. Erweitern kann man diese Struktur z.B. noch dadurch, dass man die Ordnung ≤ auf N sowie die Nachfolgerfunktion S(x) = x + 1 als Grundrelation bzw. -funktion hinzunimmt: N � = (N; ≤; +, ·, S; 0, 1) wobei σ(N � ) = (2; 2, 2, 1; {0, 1}). Man könnte die Struktur der natürlichen Zahlen auch als reine Ordnungsstruktur betrachten: N �� = (N; ≤) wobei σ(N �� ) = (2; −; −). Die Wahl der Grundrelationen, Grundfunktionen und Konstanten hat (möglicherweise) Einfluss darauf, was in der zu einer Struktur gehörenden Sprache über die Struktur ausgedrückt werden kann. Wir führen nun die zu einer Struktur passende Sprache ein, wobei diese nur vom Typ der Struktur abhängt. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 13 / 81 2.2 Prädikatenlogik: Grundzeichen der Sprachen Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 14 / 81 Die Grundzeichen der Sprache L(σ) Um über Strukturen eines gegebenen Typs σ = ((ni |i ∈ I ); (mj |j ∈ J); K ) Aussagen machen zu können, führen wir nun die zugehörige Sprache L(σ) ein. Bei den Grundzeichen der Sprache L = L(σ) unterscheidet man zwischen den logischen Zeichen (die nicht von σ abhängen) und den nichtlogischen Zeichen (die von σ abhängen). Die nichtlogischen Zeichen sind hierbei gerade Namen für die Grundrelationen, Grundfunktionen und Konstanten. Die Menge aller Grundzeichen vom L bezeichnen wir als das Alphabet von L. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 15 / 81 Die Grundzeichen der Sprache L(σ): logische Zeichen Logische Zeichen von L(σ): � Abzählbar unendlich viele Individuenvariablen (kurz: Variablen): v0 , v1 , v2 , . . . Wir bezeichnen Variablen im Folgenden mit x, y , z, xi , . . . � Die Junktoren ¬ und ∨. (Die übrigen üblichen Junktoren ∧, →, ↔ werden wir wiederum als “Abkürzungen” einführen.) � Der Existenzquantor ∃. (Den Allquantor ∀ werden wir später ebenfalls als “Abkürzung” einführen.) � Das Gleichheitszeichen =. � Die Klammern ( und ) sowie das Komma ,. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 16 / 81 Die Grundzeichen der Sprache L(σ): nichtlogische Zeichen und Typ Nichtlogische Zeichen von L(σ): � Für jedes i ∈ I das ni -stellige Relationszeichen Ri . � Für jedes j ∈ J das mj -stellige Funktionszeichen fj . � Für jedes k ∈ K die Konstante ck . Wie bei den Strukturen nennen wir σ den Typ oder die Signatur der Sprache L(σ). Sind die Struktur A und die Sprache L vom selben Typ σ, so heißt L die Sprache von A (und wir schreiben auch L = L(A)) und A eine L-Struktur. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 17 / 81 Strukturen und deren zugehörige Sprachen: Beispiele Für die im letzten Beispiel eingeführten Strukturen können wir die zugehörigen Sprachen (deren Signaturen gerade durch die Signaturen der Strukturen gegeben sind) durch Angabe der nichtlogischen Zeichen angeben: Die Sprache der Graphen enthält ebenso wie die Sprache der Ordnungen als einziges nichtlogisches Zeichen das 2-stellige Relationszeichen R0 . Wir benutzen statt R0 allerdings in der Regel die suggestiveren Zeichen E (das für die Kantenrelation steht) bzw. ≤ (das für die Ordnungsrelation steht) und schreiben L(E ) und L(≤). Die Sprache der Gruppen verfügt über ein 2-stelliges Funktionszeichen f0 und eine Konstante c0 , für die wir in der Regel aber + und 0 schreiben werden: L(+; 0). Bei der Sprache der Körper kommen das 2-stellige Funktionszeichen f1 (·) und die Konstante c1 (1) hinzu: L(+, ·; 0, 1). Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 18 / 81 Strukturen und deren zugehörige Sprachen: Beispiele (Fortsetzung) Die Sprache L der Struktur N = (N; +, ·; 0, 1) der natürlichen Zahlen umfasst die 2-stelligen Funktionszeichen f0 und f1 und die Konstanten c0 und c1 . Wir schreiben hierfür i.a. +, ·, 0 und 1: L = L(+, ·; 0, 1). Man beachte, dass hierbei z.B. + zwei unterschiedliche Bedeutungen hat: in N ist + die Addition auf den natürlichen Zahlen; in L ist + dagegen ein Zeichen (genauer: die “Abkürzung” des 2-st. Funktionszeichens f0 ). Wo diese Mehrdeutigkeit der Notation zu Missverständnissen führen kann, schreiben wir daher auch +N für die Addition auf N (und entsprechend ·N , 0N , etc.). Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 19 / 81 2.3 Prädikatenlogik: Terme Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 20 / 81 Terme: Vorbemerkungen Terme dienen dazu, Individuen und Funktionen auf dem Individuenbereich zu bezeichnen. Vorgehen: 1 Induktive Festlegung der Gestalt der Terme (Syntax) 2 Zuordnung der dargestellten Individuen und Funktionen (Semantik) Es ist im Folgenden L wiederum die Sprache L = L(σ) der Signatur σ = ((ni |i ∈ I ); (mj |j ∈ J); K ). Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 21 / 81 2.3.1 Terme: Syntax Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 22 / 81 Induktive Definition der L(σ)-Terme (Syntax) DEFINITION. Sei L = L(σ) mit σ = ((ni |i ∈ I ); (mj |j ∈ J); K ). Die Menge der (L-)Terme ist induktiv definiert durch: (T1) Jede Variable vn (n ≥ 0) und jede Konstante ck (k ∈ K ) ist ein Term. (T2) Sind t1 , . . . , tmj Terme, so ist auch fj (t1 , . . . , tmj ) ein Term (j ∈ J). NOTATION: Terme bezeichnen wir mit s, t, si , ti , etc. Die Terme gemäß (T1) sind die Grundterme oder atomaren Terme. V (t) bezeichnet die Menge der im Term t vorkommenden Variablen. Kommen in t keine Variablen vor (d.h. V (t) = ∅), so ist t ein konstanter Term. Schreiben wir t(x1 , . . . , xn ) statt t, so bedeutet dies, dass V (t) ⊆ {x1 , . . . , xn } gilt (d.h. es kommen höchstens die Variablen x1 , . . . , xn in t vor). Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 23 / 81 Terme: Beispiele In einer relationalen Sprache L sind die Variablen und Konstanten die einzigen Terme. Enthält eine Sprache L keine Konstanten, so besitzt sie auch keine konstanten Terme. In der Sprache der Graphen oder Ordnungen (die weder Funktionszeichen noch Konstanten besitzt) sind daher die Variablen die einzigen Terme. In der Sprache der Gruppen kann man z.B. folgenden Term bilden: t ≡ +(v0 , +(v3 , 0)) [≡ f0 (v0 , f0 (v3 , c0 ))] wobei wir die suggestiven Abkürzungen + :≡ f0 und 0 :≡ c0 verwenden. Zur Verbesserung der Lesbarkeit benutzen wir auch die in der Algebra übliche Infixschreibweise für +, wodurch der Term t die Gestalt v0 + (v3 + 0) erhält. Letzteres ist aber kein Term im formalen Sinn und wird von uns nur als (informelle) Abkürzung von t verwendet. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 24 / 81 Terme: Beispiele (Fortsetzung) Bei der Sprache der Struktur N = (N; +, ·; 0, 1) der natürlichen Zahlen verwenden wir (wie bereits erwähnt) die Funktionszeichen + und · anstelle der Funktionszeichen f0 und f1 und die Konstanten 0 und 1 an Stelle von c0 und c1 , und wir benutzen für die Funktionszeichen + und · die Infixschreibweise. Wiederum sind die entsprechend gebildeten Terme als abkürzende Schreibweise aufzufassen. So steht (1 + 0) · (1 · 1) für den (abgekürzten) Term ·(+(1, 0), ·(1, 1)) und dieser wiederum für den (eigentlichen) Term f1 (f0 (c1 , c0 ), f1 (c1 , c1 )). Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 25 / 81 2.3.2 Terme: Semantik Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 26 / 81 Interpretation der L(σ)-Terme Wir wollen nun die L-Terme in den L-Strukturen interpretieren. Hierzu sei im Folgenden A = (A; (RiA |i ∈ I ); (fjA |j ∈ J); (ckA |k ∈ K )) eine L-Struktur, d.h. eine Struktur vom Typ σ = ((ni |i ∈ I ); (mj |j ∈ J); K ). IDEE: Konstante L-Terme werden in der L-Struktur A als Individuen interpretiert. Beliebige L-Terme werden in der L-Struktur A als Funktionen auf dem Individuenbereich interpretiert. Wir bestimmen zunächst die von konstanten Termen dargestellten Individuen, wobei wir induktiv nach dem Aufbau der Terme vorgehen (vgl. mit der syntaktischen Induktion im Teil über die Aussagenlogik). Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 27 / 81 Interpretation konstanter Terme: Definition Konstante L-Terme werden in der L-Struktur A als Individuen interpretiert. Hierzu ordnen wir jedem konstanten Term t durch Induktion nach dem Aufbau der Terme (kurz: Ind(t)) ein Individuum t A aus A zu: DEFINITION. Für einen konstanten L-Term t ist t A ∈ A wie folgt durch Ind(t) definiert: 1 (ck )A := ckA 2 A (fj (t1 , . . . , tmj ))A := fjA (t1A , . . . , tm ) j Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 28 / 81 Interpretation konstanter Terme: Beispiele (1) Sei L die Sprache der Arithmetik. Der konstante Term t ≡ ·(+(1, 1), ·(1, 1)) erhält in der Struktur N = (N; +, ·; 0, 1) der natürlichen Zahlen den Wert t N = 2. Da das Zeichen 1 durch die Eins und die Funktionszeichen + und · durch Addition und Multiplikation interpretiert werden, sieht man dies induktiv wie folgt: 1N = 1 +(1, 1)N = 2 ·(1, 1)N = 1 tN = 2·1=2 Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 29 / 81 Interpretation konstanter Terme: Beispiele (2) Sei L weiterhin die Sprache der Arithmetik und N = (N; +, ·; 0, 1). Definiert man induktiv die konstanten Terme n (n ≥ 0) durch 0 :≡ 0 und n + 1 :≡ (n + 1), so gilt gerade nN = n. (Wir nennen n die Ziffer zur Bezeichnung der Zahl n.) Es lässt sich also jede natürliche Zahl durch einen konstanten Term der Sprache von N darstellen. Die Sprache einer Struktur erlaubt aber nicht immer, dass man alle Individuen durch konstante Terme beschreiben kann: Ersetzen wir oben N durch den Körper R = (R; +, ·; 0, 1) der reellen Zahlen, so lassen sich in diesem ebenfalls nur die natürlichen Zahlen durch konstante Terme darstellen. Erweitert man die Sprache um ein Zeichen − für die 2-stellige Differenz bzw. ein Zeichen : für die Division, so lassen sich in R� = (R; −, +, ·; 0, 1) bzw. R�� = (R; −, +, ·, :; 0, 1) gerade die ganzen bzw. rationalen Zahlen durch konstante Terme darstellen (wobei wir x : 0 = 0 setzen). Betrachten wir eine Struktur ohne Konstanten, so gibt es - wie bereits beobachtet - keine konstanten Terme in der zugehörigen Sprache. Hier lässt sich also sogar überhaupt kein Individuum durch einen konstanten Term darstellen. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 30 / 81 Interpretation beliebiger Terme: Definition Wir betrachten nun die Interpretation beliebiger L-Terme t in der L-Struktur A. Einem Term t ≡ t(�x ) ≡ t(x1 , . . . , xn ), in dem höchstens die Variablen x1 , . . . , xn vorkommen, ordnen wir einen Wert aus A in Abhängigkeit von einer Belegung B der Variablen xi durch Werte ai aus A zu: DEFINITION. Sei V = {x1 , . . . , xn } eine Menge von Variablen und A eine L-Struktur. Eine (Variablen-)Belegung B von V in A ist eine Abbildung B : V → A. DEFINITION. Sei t ≡ t(�x ) ≡ t(x1 , . . . , xn ) ein L-Term, in dem höchstens die Variablen x1 , . . . , xn vorkommen, und sei B : {x1 , . . . , xn } → A eine Belegung dieser Variablen in der L-Struktur A. Der Wert tBA ∈ A von t in A bzgl. der Belegung B ist durch Ind(t) wie folgt definiert: 1 A A (xi )A B := B(xi ) und (ck )B := ck 2 A A A (fj (t1 , . . . , tmj ))A B := fj ((t1 )B , . . . , (tmj )B ) Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 31 / 81 Interpretation beliebiger Terme: Bemerkungen Ordnet die Belegung B von V = {x1 , . . . , xn } in A den Variablen xi die Individuen ai zu, so schreiben wir für t ≡ t(x1 , . . . , xn ) statt tBA auch tBA ≡ t A [B(x1 ), . . . , B(xn )] ≡ t A [a1 , . . . , an ]. (Diese Schreibweise wird im Skript von Gloede verwendet!) Der Term t ≡ t(�x ) ≡ t(x1 , . . . , xn ) kann in A also als n-stellige Funktion A n A ft(� a) = t A [�a] x ) : A → A mit ft(� x ) (� interpretiert werden. Dabei hängt der Wert von t A [�a] höchstens dann von ai ab, wenn die Variable xi tatsächlich in t vorkommt (Beweis durch Ind(t); Übung!): KOINZIDENZLEMMA (für Terme). Sei A eine L-Struktur, t ein L-Term, V = {x1 , . . . , xm } und V � = {x1� , . . . , xn� } Variablenmengen mit V (t) ⊆ V , V � und B und B � Belegungen von V bzw. V � in A, sodass B � V (t) = B � � V (t) gilt. Dann gilt tBA = tBA� . Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 32 / 81 Interpretation beliebiger Terme: Beispiel Der durch t :≡ f0 (f1 (x1 , x1 ), f1 (f0 (c1 , c1 ), x2 )) ≡ +(·(x1 , x1 ), ·(+(1, 1), x2 )) definierte Term t der Sprache von N lässt sich in Infixschreibweise auch als t ≡ (x1 · x1 ) + ((1 + 1) · x2 ) schreiben. Es gilt V (t) = {x1 , x2 }. Wir können t also z.B. als t ≡ t(x1 , x2 , x3 ) schreiben. Für die Belegung B(x1 ) = 0, B(x2 ) = 1, B(x3 ) = 2 gilt dann tBN = = (B(x1 ) · B(x1 )) + ((1 + 1) · B(x2 )) (0 · 0) + ((1 + 1) · 1) = 2 Die Auswertung von t N [0, 1, 2] = tBN hängt also nicht von der Belegung B(x3 ) = 2 der nicht in t vorkommenden Variablen x3 ab. N 3 Die von t(x1 , x2 , x3 ) dargestellte Funktion ft(x : N → N ist: ,x ,x ) 1 2 3 N 2 ft(x (a , a , a ) = a 1 2 3 1 + 2a2 (a1 , a2 , a3 ∈ N) 1 ,x2 ,x3 ) Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 33 / 81 Interpretation beliebiger Terme: Weitere Bemerkungen A A Für einen konstanten Term t ist die Funktion ft(x = f (nach dem t ,...,x ) 1 n Koinzidenzlemma) konstant und es gilt ftA (�a) = t A für alle �a ∈ An . In einer L-Struktur A lassen sich genau die Funktionen durch L-Terme darstellen, die über den Grundfunktionen und den Konstanten der Struktur explizit definierbar sind. Für die Sprache L der Arithmetik N = (N; +, ·; 0, 1) kann man so (durch Ausmultiplizieren und mit Hilfe der Kommutativität von + und ·) zeigen, dass die durch Terme definierbaren Funktionen über N gerade die Polynome (mit Koeffizienten aus N) sind. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 34 / 81 2.4 Prädikatenlogik: Formeln und Sätze Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 35 / 81 Formeln und Sätze: Vorbemerkungen (L-)Sätze dienen dazu, Aussagen über (L-)Strukturen zu machen. Die von Formeln (auch Satzformen genannt) gemachten Aussagen hängen noch von der Interpretation der in ihnen vorkommenden freien Variablen ab, und können so auch als Relationen auf den Trägern von (L-)Strukturen interpretiert werden. Vorgehen: 1 Induktive Festlegung der Gestalt der Formeln (Syntax) 2 Interpretation der Formeln in zugehörigen Strukturen (Semantik) Es ist im Folgenden L wiederum die Sprache L = L(σ) der Signatur σ = ((ni |i ∈ I ); (mj |j ∈ J); K ). Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 36 / 81 2.4.1 Formeln und Sätze: Syntax Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 37 / 81 Induktive Definition der L(σ)-Formeln DEFINITION. Sei L = L(σ) mit σ = ((ni |i ∈ I ); (mj |j ∈ J); K ). Die Menge der (L-)Formeln ist induktiv definiert durch: (F1) (a) Sind t1 , t2 Terme, so ist t1 = t2 eine Formel. (b) Sind t1 , . . . , tni Terme, so ist Ri (t1 , . . . , tni ) eine Formel (i ∈ I ). (F2) Ist ϕ eine Formel, so ist auch ¬ϕ eine Formel. (F3) Sind ϕ1 und ϕ2 Formeln, so ist auch (ϕ1 ∨ ϕ2 ) eine Formel. (F4) Ist ϕ eine Formel und x eine Variable, so ist auch ∃xϕ eine Formel. Die gemäß (F1) definierten Formeln heißen Primformeln oder atomare Formeln. Formeln vom Typ (F1)(a) nennt man auch Gleichheitsformeln. Formeln vom Typ (F2), (F3) und (F4) heißen Negationsformeln bzw. Disjunktionen bzw. Existenzformeln. Im Folgenden bezeichnen ϕ, ψ, γ, δ, ϕi , . . . (L-)Formeln. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 38 / 81 Verbesserung der Lesbarkeit von Formeln (“Abkürzungen”) Zur Verbesserung der Lesbarkeit der Formeln benutzen wir folgende Konventionen und “abkürzende” Schreibweisen: Die Junktoren ∧, → und ↔ führen wir wie in der AL ein. Zusätzlich führen wir den Allquantor ∀ durch ∀xϕ :≡ ¬∃x¬ϕ ein. Wir verwenden die schon im Teil über die Aussagenlogik eingeführten Regeln zur Klammerersparnis. Zusätzlich erlauben wir für ¬ϕ, ∃xϕ und ∀xϕ auch die Schreibweise ¬(ϕ) bzw. ∃x(ϕ) bzw. ∀x(ϕ). Statt ¬t1 = t2 schreiben wir auch t1 �= t2 . Wo üblich benutzen wir für Funktionszeichen (wie + und ·) und Relationszeichen (wie ≤) auch die Infixschreibweise. NB: Die derart verallgemeinerten Formeln sind keine eigentlichen Formeln und sind daher bei formaler Sichtweise (z.B. in Beweisen durch Ind(ϕ)) immer durch die entsprechenden eigentlichen Formeln zu ersetzen. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 39 / 81 Verbesserung der Lesbarkeit von Formeln: Beispiele Nach den gerade eingeführten Konventionen sind die folgenden (uneigentlichen) Formeln alle identisch mit der (eigentlichen) Formel ϕ ≡ (¬∃x¬ ≤ (x, y ) ∨ ¬y = x) : ¬∃x¬(x ≤ y ) ∨ ¬(y = x) ∀x(x ≤ y ) ∨ ¬(y = x) ∀x(x ≤ y ) ∨ y �= x Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 40 / 81 Freie und gebundene Vorkommen von Variablen in Formeln Eine in einer Formel ϕ vorkommende Variable x kann frei oder (durch einen Existenzquantor ∃) gebunden auftreten (wobei x in einer Formel ϕ an einer Stelle frei und an einer anderen Stelle gebunden auftreten kann). Dabei ist ein Vorkommen von x in einer Formel ϕ gebunden, wenn es in einer Teilformel ∃xψ liegt (formale Definition: nächste Folie). Wir bezeichnen mit V (ϕ), FV (ϕ) und GV (ϕ) die Mengen der in ϕ vorkommenden bzw. frei vorkommenden bzw. gebunden vorkommenden Variablen. Gilt FV (ϕ) ⊆ {x1 , . . . , xn }, so schreiben wir auch ϕ(x1 , . . . , xn ) statt ϕ. DEFINITION. Kommt in einer (L-)Formel ϕ keine Variable frei vor (d.h. gilt FV (ϕ) = ∅), so ist ϕ ein (L-)Satz. Im Folgenden bezeichnen σ, τ, σn etc. Sätze. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 41 / 81 Freie und gebundene Vorkommen von Variablen: Definition Formal definiert man das Vorkommen einer Variablen x und die freien und gebunden Vorkommen von x in einer Formel ϕ durch Ind(ϕ): 1 Die Variable x kommt in der Primformel t1 = t2 bzw. Ri (t1 , . . . , tni ) vor, falls x in einem der Terme t1 , t2 bzw. t1 , . . . , tni vorkommt. Alle Vorkommen von x sind frei. 2 Die Variable x kommt in ¬ϕ vor, wenn sie in der Formel ϕ vorkommt. Ein Vorkommen von x in ¬ϕ ist frei (gebunden), wenn das entsprechende Vorkommen von x in ϕ frei (gebunden) ist. 3 Die Variable x kommt in der Formel (ϕ1 ∨ ϕ2 ) vor, wenn sie in der Formel ϕ1 oder in der Formel ϕ2 vorkommt. Ein Vorkommen von x in (ϕ1 ∨ ϕ2 ) ist frei (gebunden), wenn das entsprechende Vorkommen von x in ϕ1 bzw. ϕ2 frei (gebunden) ist. 4 Die Variable x kommt in der Formel ∃y ϕ vor, wenn x ≡ y oder x in der Formel ϕ vorkommt. Ist x ≡ y , so sind alle Vorkommen von x in ∃y ϕ gebunden. Sonst ist ein Vorkommen von x in ∃y ϕ frei (gebunden), wenn das entsprechende Vorkommen von x in ϕ frei (gebunden) ist. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 42 / 81 Freie und gebundene Vorkommen von Variablen: Beispiele In der Formel ϕ ≡ (¬∃x¬ ≤ (x, y ) ∨ ¬y = x) der Sprache der Ordnungen sind die ersten beiden Vorkommen der Variablen x gebunden, während das dritte Vorkommen frei ist. Weiter sind beide Vorkommen von y frei. Es gilt also V (ϕ) = FV (ϕ) = {x, y } und GV (ϕ) = {x}. In der Formel ψ ≡ ∃y ∃x(¬∃x¬ ≤ (x, y ) ∨ ¬y = x) sind alle Vorkommen von x und y gebunden. ψ ist also ein Satz. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 43 / 81 2.4.2 Formeln und Sätze: Semantik Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 44 / 81 Semantik der L(σ)-Formeln: Idee Wir wollen nun zeigen, wie ein (L-)Satz σ als eine Aussage über die (L-)Struktur A interpretiert werden kann. Hierzu ordnen wir zunächst allgemeiner einer Formel ϕ, in der höchstens die Variablen x1 , . . . , xn frei vorkommen, und jeder Belegung B dieser Variablen durch Individuen a1 , . . . , an von A einen Wahrheitswert WBA (ϕ) zu. Wir zeigen dann, dass dieser Wert höchstens dann von B(xi ) = ai abhängt, wenn xi in ϕ frei vorkommt (Koinzidenzlemma für Formeln). Ist ϕ ein Satz, so hängt die Wahrheit von ϕ also nur von der Struktur A und nicht von der gewählten Variablenbelegung B ab. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 45 / 81 Interpretation einer L-Formel ϕ in einer L-Struktur A DEFINITION. Sei A eine L-Struktur, ϕ ≡ ϕ(x1 , . . . , xn ) eine L-Formel mit FV (ϕ) ⊆ {x1 , . . . , xn } und B eine Belegung von {x1 , . . . , xn } in A. Dann ist der Wahrheitswert WBA (ϕ) ∈ {0, 1} (= {FALSCH, WAHR}) von ϕ in A bzgl. der Variablenbelegung B durch Ind(ϕ) wie folgt definiert: 1 2 3 4 5 A WBA (t1 = t2 ) = 1, g.d.w. (t1 )A B = (t2 )B (für die Definition von tBA siehe Semantik der Terme). A A WBA (Ri (t1 , . . . , tni )) = 1, g.d.w. ((t1 )A B , . . . , (tni )B ) ∈ Ri . WBA (¬ψ) = 1, g.d.w. WBA (ψ) = 0. WBA (ϕ1 ∨ ϕ2 ) = 1, g.d.w. WBA (ϕ1 ) = 1 oder WBA (ϕ2 ) = 1 (oder beides). WBA (∃y ψ) = 1, g.d.w. es eine Belegung B � von {x1 , . . . , xn , y } gibt, die mit B auf {x1 , . . . , xn } \ {y } übereinstimmt und für die WBA� (ψ) = 1 gilt. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 46 / 81 Interpretation uneigentlicher Formeln Für uneigentliche Formeln ϕ ≡ ϕ(x1 , . . . , xn ) und Belegungen B von {x1 , . . . , xn } in A ergeben sich hieraus folgende Wahrheitswerte (Beweis: Übung): WBA (ϕ1 ∧ ϕ2 ) = 1, g.d.w. WBA (ϕ1 ) = 1 und WBA (ϕ2 ) = 1. WBA (ϕ1 → ϕ2 ) = 1, g.d.w. WBA (ϕ1 ) = 0 oder WBA (ϕ2 ) = 1 (oder beides). WBA (ϕ1 ↔ ϕ2 ) = 1, g.d.w. WBA (ϕ1 ) = WBA (ϕ2 ). WBA (∀y ψ) = 1, g.d.w. für alle Belegungen B � von {x1 , . . . , xn } ∪ {y }, die mit B auf {x1 , . . . , xn } \ {y } übereinstimmen, WBA� (ψ) = 1 gilt. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 47 / 81 Interpretation der L-Formeln: Notation Ordnet die Belegung B den Variablen �x = (x1 , . . . , xn ) die Individuen �a = (a1 , . . . , an ) zu, so schreibt man statt WBA (ϕ) = 1 auch A � ϕ[B(x1 ), . . . , B(xn )] oder kurz A � ϕ[�a] und sagt: A macht die Formel ϕ ≡ ϕ(x1 , . . . , xn ) bzgl. der Belegung �a wahr (oder ϕ gilt in A bzgl. �a). Entsprechend schreibt man auch A � � ϕ[�a], falls WBA (ϕ) = 0 gilt. (Diese Schreibweisen werden im Skript von Herrn Gloede verwendet! Im Folgenden werden wir beide Schreibweisen benutzen.) Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 48 / 81 Das Koinzidenzlemma (für Formeln) Der Wahrheitswert WBA (ϕ) einer Formel ϕ in einer Struktur A bzgl. einer Variablenbelegung B hängt nur von der Belegung der freien Variablen in ϕ ab: KOINZIDENZLEMMA (für Formeln). Sei A eine L-Struktur, ϕ eine L-Formel, V = {x1 , . . . , xm } und V � = {x1� , . . . , xn� } Variablenmengen mit FV (ϕ) ⊆ V , V � und B und B � Belegungen von V bzw. V � in A, sodass B � FV (ϕ) = B � � FV (ϕ). Dann gilt WBA (ϕ) = WBA� (ϕ). BEWEIS. Induktion nach dem Aufbau von ϕ (wobei man für Primformeln ϕ natürlich das Koinzidenzlemma für Terme verwendet). Übung! Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 49 / 81 Wahrheit und Modelle von Sätzen Nach dem Koinzidenzlemma hängt der Wahrheitswert eines Satzes σ in einer Struktur A nicht von der gewählten Variablenbelegung ab: Da σ keine freien Variablen enthält (d.h. FV (σ) = ∅), gilt für alle Variablenbelegungen B und B � beliebiger Variablenmengen V und V � in A: WBA (σ) = WBA� (σ) DEFINITION. Ein L-Satz σ ist in einer L-Struktur A wahr, wenn WBA (σ) = 1 für die leere Variablenbelegung gilt (d.h. für die eindeutig bestimmte Belegung B der leeren Menge ∅). NOTATION. Ist ein Satz σ in der Struktur A wahr, so schreiben wir A�σ und sagen, dass A ein Modell von σ ist. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 50 / 81 Wahrheit und Modelle von Formeln: Idee In der Mathematik ist es üblich, bei Aussagen mit freien Variablen anzunehmen, dass die freien Variablen implizit allquantifiziert sind. So wird z.B. die Aussage, dass jede von der Null verschiedene natürliche Zahl Nachfolger einer natürlichen Zahl ist, durch die Formel x �= 0 → ∃y (x = y + 1) ausgedrückt, wobei diese als ∀x (x �= 0 → ∃y (x = y + 1)) gelesen wird. Diese Konvention führt zu folgender Erweiterung des Wahrheitsund Modellbegriffs für Sätze auf beliebige Formeln: Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 51 / 81 Wahrheit und Modelle von Formeln: Definition DEFINITION. Eine L-Formel ϕ ist in einer L-Struktur A wahr, wenn WBA (ϕ) = 1 für alle Variablenbelegungen von FV (ϕ) gilt. Ist eine Formel ϕ in der Struktur A wahr, so schreiben wir A � ϕ und sagen, dass A ein Modell von ϕ ist. NB: Ist ϕ ein Satz, so stimmt diese Definition mit der zuvor für Sätze gegebene Definition der Wahrheit in einer Struktur überein. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 52 / 81 Wahrheit von Formeln vs. Wahrheit von Sätzen: Allabschluss DEFINITION. Der Allabschluss ∀ϕ einer Formel ϕ, in der die Variablen x1 , . . . , xn frei vorkommen, ist der Satz ∀ϕ :≡ ∀x1 . . . ∀xn ϕ, wobei wir davon ausgehen, dass die Variable x1 , . . . , xn geordnet bzgl. der Aufzählung aller Variablen sind. NB: Für einen Satz σ gilt ∀σ ≡ σ. SATZ ÜBER DEN ALLABSCHLUSS. A � ϕ ⇔ A � ∀ϕ BEWEIS: Übung! Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 53 / 81 Wahrheit von Formeln vs. Wahrheit von Sätzen: Bemerkungen Man beachte, dass nach Definition der Wahrheitswerte WBA (ϕ) und dem Koinzidenzlemma, für einen L-Satz σ und eine L-Struktur A entweder A � σ oder A � ¬σ gilt. Für eine Formel ϕ mit freien Variablen, können wir dagegen i.a. nur feststellen, dass nicht gleichzeitig A � ϕ und A � ¬ϕ gelten kann. Hier ist jedoch möglich, dass weder A � ϕ noch A � ¬ϕ gilt. Der Grund hierfür ist, dass ¬ϕ nicht als Negation von ϕ interpretiert wird, sondern ϕ als ∀ϕ und ¬ϕ als ∀¬ϕ. Hierbei ist ∀¬ϕ nicht zur Negation von ∀ϕ (nämlich ¬∀ϕ) äquivalent. Zum Beispiel gilt für die Formel ϕ ≡ x = y : A� � ¬(x = y ) für alle Strukturen A A� � x = y für alle Strukturen A, deren Träger zumindest 2 Elemente enthält Für A mit |A| ≥ 2 gilt also weder A � ϕ noch A � ¬ϕ. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 54 / 81 Durch Formeln dargestellte Relationen Wir beenden die Diskussion des Interpretationsbegriffs in der Prädikatenlogik mit der Beobachtung, dass L-Formeln Relationen auf den L-Strukturen A definieren: DEFINITION. Sei ϕ ≡ ϕ(x1 , . . . , xn ) eine L-Formel mit FV (ϕ) ⊆ {x1 , . . . , xn }. Die von ϕ auf der L-Struktur A definierte n-stellige Relation RϕA ist durch (a1 , . . . , an ) ∈ RϕA ⇔ A � ϕ[a1 , . . . , an ] bestimmt. BEISPIEL. In der Sprache von N = (N; +, ·; 0, 1) wird die Menge der geraden Zahlen durch die Formel ϕ(x) ≡ ∃y (x = (1 + 1) · y ) und die Teilbarkeitsrelation (x teilt y ) durch die Formel ψ(x, y ) ≡ x �= 0 ∧ ∃z(x · z = y ) definiert. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 55 / 81 2.5 Prädikatenlogik: Zentrale semantische Konzepte 2.5.1 Allgemeingültigkeit, Erfüllbarkeit und Folgerungbegriff: Definition und Eigenschaften 2.5.2 Beispiele: Aussagenlogik vs. Prädikatenlogik 2.5.3 Beispiele: Gleichheitsformeln 2.5.4 Beispiele: Existenzformeln und deren Instanzen Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 56 / 81 2.5.1 Allgemeingültigkeit, Erfüllbarkeit und Folgerungbegriff: Definition und Eigenschaften Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 57 / 81 Zentrale semantische Konzepte: Vorbemerkungen Nachdem wir die Syntax und Semantik der Sprachen der Prädikatenlogik eingeführt haben, können wir nun die zentralen (semantischen) Begriffe der Prädikatenlogik (Allgemeingültigkeit, Erfüllbarkeit, Folgerung, Äquivalenz) vorstellen. Diese zentralen Begriffe werden entsprechend wie in der Aussagenlogik definiert, wobei wir aber statt von der Wahrheit einer (al.) Formel bzgl. einer Belegung der Aussagenvariablen nun von der Wahrheit einer (pl.) Formel in einer Struktur ausgehen. (Wir halten hierbei immer noch eine Sprache L = L((Ri |i ∈ I ), (fj |j ∈ J), (ck |k ∈ K )) vom Typ σ(L) = ((ni |i ∈ I ), (mj |j ∈ J), K ) der Prädikatenlogik fest, und meinen im Folgenden mit einer Struktur A immer eine L-Struktur.) Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 58 / 81 Allgemeingültigkeit und Erfüllbarkeit: Definition DEFINITION. Eine Formel ϕ ist (logisch) wahr oder allgemeingültig, wenn alle L-Strukturen Modell von ϕ sind, d.h. wenn Für alle L-Strukturen A: A � ϕ gilt. DEFINITION. (a) Eine Formel ϕ ist erfüllbar, wenn ϕ ein Modell besitzt, d.h. wenn Es gibt eine L-Struktur A mit A � ϕ gilt. Andernfalls ist ϕ unerfüllbar. (b) Eine Menge Φ von L-Formeln ist erfüllbar, wenn es eine L-Struktur A gibt, die Modell aller Formeln in Φ ist. Ist eine L-Struktur A Modell aller Formeln in einer Formelmenge Φ, so nennen wir A ein Modell von Φ und schreiben A � Φ. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 59 / 81 Allgemeingültigkeit vs. Erfüllbarkeit Ähnlich wie in der Aussagenlogik beobachtet man die folgenden Zusammenhänge zwischen Allgemeingültigkeit und Erfüllbarkeit: Jede allgemeingültige Formel ist erfüllbar. Die Umkehrung hiervon gilt i.a. nicht. So ist z.B. die L-Formel ϕ ≡ x = y erfüllbar, da sie in allen L-Strukturen A mit |A| = 1 gilt. Sie ist jedoch nicht allgemeingültig, da sie in L-Strukturen A mit |A| > 1 nicht gilt. Ein L-Satz σ (¬σ) ist genau dann allgemeingültig, wenn ¬σ (σ) unerfüllbar ist. BEWEIS. Dies folgt aus der Tatsache, dass in jeder L-Struktur A entweder der Satz σ oder der Satz ¬σ gilt. Für beliebige Formeln ϕ folgt zwar aus der Allgemeingültig von ϕ auch die Unerfüllbarkeit von ¬ϕ. Die Umkehrung gilt aber i.a. nicht. So ist für die Formel ϕ ≡ x = y die Negation ¬ϕ ≡ x �= y nicht erfüllbar, ϕ aber nicht allgemeingültig (s.o.). Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 60 / 81 Erfüllbarkeit von Formeln vs. Erfüllbarkeit von Formelmengen Die leere Formelmenge ist erfüllbar. Ist eine nichtleere Formelmenge Φ erfüllbar, so sind alle Formeln in Φ erfüllbar, da A�Φ ⇒ ∀ϕ∈Φ: A�ϕ Die Umkehrung gilt jedoch i.a. nicht. So sind die Formeln ϕ1 ≡ ∀x ∀y (x = y ) und ϕ2 ≡ ∃x ∃y (x �= y ) beide erfüllbar. Die Modelle von ϕ1 und ϕ2 sind aber gerade die Strukturen mit einem Individuum bzw. mit mindestens zwei Individuen, sodass ϕ1 und ϕ2 kein gemeinsames Modell besitzen. Die Formelmenge Φ = {ϕ1 , ϕ2 } ist also unerfüllbar. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 61 / 81 Folgerung und Äquivalenz: Definition DEFINITION. Eine (L-)Formel ϕ folgt aus einer (L-)Formel ψ (ψ � ϕ), wenn jedes Modell von ψ auch ein Modell von ϕ ist, d.h. wenn Für alle L-Strukturen A: A � ψ ⇒ A � ϕ gilt. ϕ und ψ sind äquivalent (ϕ äq ψ), falls ϕ aus ψ und ψ aus ϕ folgt (also ϕ und ψ dieselben Modelle besitzen). Der Folgerungsbegriff lässt sich auf Formelmengen erweitern: DEFINITION. Eine (L-)Formel ϕ folgt aus einer Menge Φ von (L-)Formeln (Φ � ϕ), wenn jedes Modell von Φ auch ein Modell von ϕ ist, d.h. wenn Für alle L-Strukturen A: A � Φ ⇒ A � ϕ gilt. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 62 / 81 Folgerungsbegriff: Bemerkungen und Beobachtungen (1) NOTATION: Für nichtleeres endliches Φ = {ϕ1 , . . . , ϕn } schreiben wir statt Φ � ϕ auch ϕ1 , . . . , ϕn � ϕ. Entsprechend schreiben wir statt ∅ � ϕ auch kurz � ϕ. NB: Dies ist konsistent mit der zuvor eingeführten Schreibweise � ϕ für allgemeingültiges ϕ: jede L-Struktur A ist ein Modell der leeren Formelmenge, weshalb ϕ genau dann aus der leeren Formelmenge folgt, wenn ϕ allgemeingültig ist. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 63 / 81 Folgerungsbegriff: Bemerkungen und Beobachtungen (2) EINFACHE FAKTEN: MONOTONIE DES FOLGERUNGSBEGRIFFS: Φ⊆Ψ&Φ�ϕ ⇒ Ψ�ϕ VERTRÄGLICHKEIT VON � UND →: ϕ1 , . . . , ϕ n � σ Mathematische Logik (WS 2012/13) ⇔ ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn � σ ⇔ � (ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn ) → σ Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 64 / 81 Zusammenhang zw. Folgerungsbegriff und Erfüllbarkeit Rückführung der Erfüllbarkeit auf den Folgerungsbegriff: LEMMA. Eine L-Formelmenge Φ is genau dann erfüllbar, wenn es keinen L-Satz σ mit Φ � σ und Φ � ¬σ gibt. Rückführung des Folgerungsbegriffs auf die Erfüllbarkeit: LEMMA (Zusammenhang zwischen Folgerungs- und Erfüllbarkeitsbegriff). Für jede L-Formelmenge Φ und jeden L-Satz σ gilt: Φ � σ ⇔ Φ ∪ {¬σ} unerfüllbar BEWEIS. Φ�σ ⇔ ⇔ ⇔ ⇔ ∀A:A�Φ⇒A�σ ∀A:A�Φ⇒A� � ¬σ � ∃ A : A � Φ & A � ¬σ Φ ∪ {¬σ} unerfüllbar Mathematische Logik (WS 2012/13) (nach Definition) (da entweder A � σ oder A � ¬σ ) (nach Definition) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 65 / 81 Allgemeingültigkeit und Folgerungsbegriff: Beispiele In den folgenden Unterabschnitten betrachten wir noch Beispiele für allgemeingültige Formeln (und korrekte Folgerungen): 2.5.2 Junktoren: aussagenlogische Gültigkeit vs. prädikatenlogische Gültigkeit 2.5.3 Gleichheitszeichen: allgemeingültige Aussagen über die Gleichheit (Gleichheitsformeln) 2.5.4 Existenzquantor: allgemeingültige Aussagen über Existenzformeln und deren Instanzen Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 66 / 81 2.5.2 Beispiele: Aussagenlogik vs. Prädikatenlogik Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 67 / 81 Aussagenlogische Gültigkeit: Aussagenlogische Belegungen Eine Formel ϕ ist elementar, falls ϕ atomar oder eine Existenzformel ϕ ≡ ∃xψ ist. Elementare Formeln lassen sich aussagenlogisch nicht weiter zerlegen, spielen daher in PL die Rolle der Aussagenvariablen in AL. Eine aussagenlogische Belegung B von L ist eine Abbildung B : {ϕ : ϕ elementar} → {0, 1}. Eine al. Belegung B lässt sich induktive wie folgt auf alle Formeln fortsetzen: B(¬ϕ) := 1 − B(ϕ) B(ϕ1 ∨ ϕ2 ) := max(B(ϕ1 ), B(ϕ2 )) Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 68 / 81 Aussagenlogische Gültigkeit: Tautologien DEFINITION. Eine Formel ϕ ist eine Tautologie (oder aussagenlogisch gültig, �AL ϕ), falls B(ϕ) = 1 für alle al. Belegungen B gilt. Intuitiv: Eine prädikatenlogische Formel ϕ ist aussagenlogisch gültig, wenn die aussagenlogische Formel ϕAL , die man aus ϕ erhält indem man alle elementare Formeln durch Aussagenvariablen ersetzt, allgemeingülting (in AL) ist.) TAUTOLGIELEMMA. Jede Tautologie ist allgemeingültig: �AL ϕ ⇒� ϕ Die Umkehrung des Tautologielemmas gilt i.a. nicht. So ist z.B. die elementare Formel ∃ x (x = x) allgemeingültig, wogegen keine elementare Formel aussagenlogisch gültig ist. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 69 / 81 Beweis des Tautologielemmas: elementare Teilformeln Zum Beweis des Tautologielemmas definieren wir zunächst die Menge ETF (ϕ) der elemetaren Teilformeln einer Formel ϕ durch Ind(ϕ): Ist ϕ elementar, so ist ETF (ϕ) = {ϕ}. Ist ϕ die Negationsformel ϕ ≡ ¬ψ, so ist ETF (ϕ) = ETF (ψ). Ist ϕ die Disjunktionsformel ϕ ≡ ϕ1 ∨ ϕ2 , so ist ETF (ϕ) = ETF (ϕ1 ) ∪ ETF (ϕ2 ). Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 70 / 81 Beweis des Tautologielemmas: Hilfssatz HILFSSATZ. Sei A eine L-Struktur und sei B : {v1 , v2 , v3 , . . . } → A eine Belegung aller Individuenvariablen in A. Dann gibt es eine aussagenlogische Belegung B � von L, für die (∗) WBA (ϕ) = B � (ϕ) für alle L-Formeln ϕ gilt. BEWEIS. Definiere B � durch B � (ψ) := WBA (ψ) für jede elementare Formel ψ. Die Behauptung (∗) folgt dann einfach durch Ind(ϕ). Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 71 / 81 Beweis des Tautologielemmas: Kern des Beweise Der Beweis ist durch Kontraposition: Annahme: ϕ sei nicht allgemeingültig. Dann gibt es eine L-Struktur A und eine Belegung B : FV (ϕ) → A der in ϕ vorkommenden freine Variablen in A, sodass WBA (ϕ) = 0. Setzt man B beliebig zu einer Belegung B̂ aller Variablen fort, so gilt nach dem Koinzidenzlemma weiterhin, dass WBA (ϕ) = 0. Nach dem Hilffsatz gibt es nun eine aussagenlogische Belegung B̂ � von L, sodass B̂ � (ϕ) = WBA (ϕ) = 0. Folglich ist ϕ keine Tautologie. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 72 / 81 Aussagenlogische Folgerungen DEFINITION. Eine Formel ϕ ist eine aussagenlogische Folgerung aus den Formeln ϕ1 , . . . , ϕn ( ϕ1 , . . . , ϕn �AL ϕ), falls für alle al. Belegungen B gilt: B(ϕ1 ) = · · · = B(ϕn ) = 1 ⇒ B(ϕ) = 1 LEMMA ÜBER AL. FOLGERUNGEN: ϕ1 , . . . , ϕn �AL ϕ ⇒ ϕ1 , . . . , ϕn � ϕ BEWEIS: ϕ1 , . . . , ϕn �AL ϕ ⇒ ϕ1 ⇒ �AL ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn → ϕ ⇒ � ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn → ϕ (Tautologielemma) ⇒ ϕ1 , . . . , ϕ n � ϕ Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 73 / 81 2.5.3 Beispiele: Gleichheitsformeln Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 74 / 81 Allgemeingültige Gleichheitsformeln LEMMA. Die folgenden Formeln sind allgemeingültig: 1 γ1 ≡ x = x 2 γ2 ≡ x = y → y = x 3 γ3 ≡ x = y ∧ y = z → x = z 4 γ4 ≡ x1 = y1 ∧ . . . ∧ xmj = ymj → fj (x1 , . . . , xmj ) = fj (y1 , . . . , ymj ) 5 γ5 ≡ x1 = y1 ∧ . . . ∧ xni = yni ∧ Ri (x1 , . . . , xni ) → Ri (y1 , . . . , yni ) BEWEIS: Da die Beweis sehr ähnlich sind, zeigen wir hier nur die Allgemeingültigkeit von γ4 (andere Formeln: Übung). Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 75 / 81 Allgemeingültigkeit von γ4 Die Allgemeingültigkeit von γ4 ≡ x1 = y1 ∧ . . . ∧ xmj = ymj → fj (x1 , . . . , xmj ) = fj (y1 , . . . , ymj ) zeigt man wie folgt: Gegeben: L-Struktur A und Belegung B : {x1 , . . . , xmj , y1 , . . . , ymj } → A. Zu zeigen: WBA (γ4 ) = 1. Gilt WBA (x1 = y1 ∧ . . . ∧ xmj = ymj ) = 0, so ist die Behauptung trivial. Also o.B.d.A. WBA (x1 = y1 ∧ . . . ∧ xmj = ymj ) = 1. Es folgt: WBA (xp = yp ) = 1 für p = 1, . . . mj . A Also nach Definition von WBA : (xp )A B = (yp )B für p = 1, . . . mj . Mit der Definition von tBA folgt: fj (x1 , . . . , xmj )A B = = A f A ((x1 )A B , . . . , (xmj )B ) A f A ((y1 )A B , . . . , (ymj )B ) = fj (y1 , . . . , ymj )A B Mit der Definition von WBA folgt WBA (fj (x1 , . . . , xmj ) = fj (y1 , . . . , ymj )) = 1 und hieraus WBA (γ4 ) = 1. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 76 / 81 2.5.4 Beispiele: Existenzformeln und deren Instanzen Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 77 / 81 Existenzformeln und deren Instanzen: Substitution SUBSTITUTION: Ersetzen wir in einer Formel ϕ alle freien Vorkommen der Variablen x durch den Term t, so bezeichnen wir das Ergebnis dieser Substitution mit ϕ[t/x]. INSTANZEN EINER EXISTENZFORMEL: Unter den Instanzen einer Existenzformel ∃ϕ versteht man die Formeln ϕ[t/x], wobei t ein konstanter Term ist. Anschaulich klar ist, dass die Wahrheit einer Instanz ϕ[t/x] in einer Struktur A (bezüglich einer Belegung B) die Wahrheit der Existenzformel ∃xϕ in A (bezüglich B) impliziert. (Die Umkehrung braucht im Allgemeinen nicht gelten, da möglicherweise nicht jedes Indviduum von A durch einen konstanten Term dargestellt werden kann.) Wir werden dies im folgenden formal beweisen, wobei wir sogar beliebige Terme t zulassen, solange es nicht durch eine Bindung der in t vorkommenden Variablen zu einer Sinnentstellung kommen kann. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 78 / 81 Das Substitutionslemma SUBSTITUIERBARKEITSBEDINGUNG (SB): Ein Term t heisst in einer Formel ϕ für die Variable x substituierbar, wenn keine in t vorkommende Variable y �= x in ϕ gebunden vorkommt. SUBSTITUTIONSLEMMA. Sei der Term t für die Variable x in der Formel ϕ substituierbar. Dann ist ϕ[t/x] → ∃xϕ allgemeingültig. BEMERKUNG. Die Substituierbarkeitsbedingung ist notwendig: Für t ≡ y und ϕ ≡ ∀y (x = y ) ist die Formel ϕ[t/x] → ∃xϕ ≡ ∀y (y = y ) → ∃x∀y (x = y ) nicht allgemeingültig (sie gilt nämlich in keiner Struktur mit mehr als einem Individuum). Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 79 / 81 Beweis des Substitutionslemmas: Aufgabenstellung Annahmen: Keine in t vorkommende Variable y �= x kommt in ϕ gebunden vor (=SB). FV (ϕ) ∪ V (t) ⊆ {x, x1 , . . . , xn } (wobei x, x1 , . . . , xn paarweise verschieden) A sei eine L-Struktur und B eine Belegung B : {x, x1 , . . . , xn } → A Zu zeigen: (*) WBA (ϕ[t/x] → ∃xϕ) = 1 Vorüberlegungen: Da WBA (ϕ[t/x] → ∃xϕ) = 1 genau dann gilt, wenn WBA (ϕ[t/x]) ≤ WBA (∃xϕ) gilt, folgt die Behauptung (*) aus WBA (ϕ[t/x]) = 0 trivialerweise. Gilt x �∈ FV (ϕ), so gilt ϕ[t/x] ≡ ϕ und es gilt WBA (ϕ) = WBA (∃xϕ), also auch WBA (ϕ[t/x]) = WBA (∃xϕ) und daher (*). Wir können also o.B.d.A. zusätzlich annehmen, dass WBA (ϕ[t/x]) = 1 und x ∈ FV (ϕ) gilt, und müssen dann WBA (∃xϕ) = 1 zeigen. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 80 / 81 Beweis des Substitutionslemmas: Aufgabenstellung neu Annahmen (aktualisiert): Keine in t vorkommende Variable y �= x kommt in ϕ gebunden vor (=SB). x ∈ FV (ϕ) & FV (ϕ) ∪ V (t) ⊆ {x, x1 , . . . , xn } (wobei x, x1 , . . . , xn paarweise verschieden) A L-Struktur und B Belegung B : {x, x1 , . . . , xn } → A mit WBA (ϕ[t/x]) = 1 Zu zeigen (aktualisiert): (**) WBA (∃xϕ) = 1 Nach Definition des Wahrheitsbegriffs genügt es eine Belegung B � : {x, x1 , . . . , xn } → A anzugeben mit B � (xi ) = B(xi ), für die (∗∗� ) WBA� (ϕ) = 1 gilt. Definiere solch eine Belegung durch B � (x) = tBA (und B � (xi ) = B(xi )). Zum Nachweis von (∗∗� ) genügt es wegen WBA (ϕ[t/x]) = 1 (nach Annahme!) zu zeigen: WBA� (ϕ) = WBA (ϕ[t/x]) Dies zeigt man aber leicht durch Ind(ϕ) (unter Verwendung von (SB)), nachdem man zuvor (für beliebige Terme t̂) t̂BA� = t̂[t/x]A B durch Ind(t̂) gezeigt hat): Übung. Mathematische Logik (WS 2012/13) Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe 81 / 81