Kapitel 2 Die Prädikatenlogik (erster Stufe)

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Kapitel 2
Die Prädikatenlogik (erster Stufe)
Mathematische Strukturen und formale Sprachen
Mathematische Logik (WS 2012/13)
Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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Übersicht
2.0 Vorbemerkungen
2.1 Mathematische Strukturen
2.2 Prädikatenlogik: Grundzeichen der Sprachen
2.3 Prädikatenlogik: Terme
2.4 Prädikatenlogik: Formeln und Sätze
2.5 Prädikatenlogik: Zentrale semantische Konzepte
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Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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2.0 Vorbemerkungen
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Vorbemerkungen
Wir erweitern hier die Aussagenlogik zur Prädikatenlogik, die uns erlauben
wird Aussagen über mathematische Strukturen zu formalisieren und den
Wahrheitswert dieser Aussagen zu analysieren.
Um über Strukturen sprechen zu können, führen wir Individuenvariablen ein,
die für die Grundobjekte (= Individuen) der Strukturen stehen.
Weiter werden wir Funktionszeichen und Relationszeichen zur Bezeichnung
von ausgezeichneten Funktionen und Relationen der Struktur verwenden,
sowie Konstanten zur Bezeichnung ausgezeichneter Individuen. Diese
Zeichen hängen von der zu beschreibenden Struktur - genauer von deren
Typ - ab. In jedem Fall haben wir das Gleichheitszeichen zur Bezeichnung
identischer Individuen.
Weiter benötigen wir die Möglichkeit der Quantifizierung. Hierbei
quantifizieren wir nur über die Grundobjekte (“Für alle Individuen gilt ...”
bzw. “Es gibt ein Individuum, für das ... gilt”).
Da man die Individuen einer Struktur auch die Objekte der Stufe 1, Mengen
von Individuen Objekte der Stufe 2 usw. nennt, sprechen wir hier auch von
der Prädikatenlogik 1. Stufe (PL1).
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Vorbemerkungen
Im Folgenden erläutern wir die gerade genannten Konzepte am Beispiel von
Aussagen über die Struktur der natürlichen Zahlen:
quantifizierte Aussagen über die Grundobjekte (= Individuen)
“Für jede Zahl x gibt es eine Zahl y mit . . . ”
Eigenschaften und Beziehungen (Prädikate und Relationen) von und
zwischen den Grundobjekten
“. . . x ist Primzahl” oder “x ist kleiner als y ”
Abbildungen (Funktionen) von Grundobjekten
“. . . y ist der Nachfolger von x”
Spezielle Grundobjekte (Konstanten)
“. . . y ist kleiner als x, falls x �= 0 gilt”
Die Aussage “Zu jeder von Null verschiedenen Zahl x gibt es eine Zahl y , sodass
x der Nachfolger von y ist, wobei y kleiner als x ist.” werden wir durch die Formel
∀ x (¬(x = 0) → ∃ y (x = S(y ) ∧ y < x))
darstellen, wobei S die Nachfolgerfunktion bezeichnet.
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2.1 Mathematische Strukturen
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Mathematische Strukturen: Idee
Eine (mathematische) Struktur A besteht aus
einer nichtleeren Menge A, dem Individuenbereich (oder Träger oder
Universum) der Struktur
Hierbei kann der Individuenbereich beliebige Kardinalität (�= 0) haben, also
endlich oder unendlich (und hier wiederum abzählbar oder überabzählbar)
sein.
ausgezeichneten Relationen und Funktionen auf dem Träger sowie
ausgezeichneten Elementen des Trägers, den Grundrelationen,
Grundfunktionen und Konstanten von A
Hierbei ist die Anzahl der Grundrelationen und Grundfunktionen (sowie
deren Dimension) und die Anzahl der Konstanten beliebig. Es können also
z.B. gar keine Grundrelationen vorkommen oder unendlich viele.
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Mathematische Strukturen: Formale Definition
DEFINITION. Eine Struktur A ist ein 4-Tupel
A = (A; (RiA |i ∈ I ); (fjA |j ∈ J); (ckA |k ∈ K ))
wobei I , J, K beliebige (möglicherweise leere oder unendliche) Mengen sind und
folgendes gilt:
A ist eine nichtleere Menge (das Universum oder der Träger oder der
Individuenbereich der Struktur A; entsprechend werden die Elemente von A
die Individuen von A genannt),
für jedes i ∈ I ist RiA eine ni -stellige Relation auf A (für ni ≥ 1 geeignet),
d.h. RiA ⊆ Ani (die Grundrelationen von A),
für jedes j ∈ J ist fjA eine mj -stellige Funktion auf A (für mj ≥ 1 geeignet),
d.h. fjA : Amj → A (die Grundfunktionen von A), und
für jedes k ∈ K ist ckA ein Element von A (die Konstanten von A).
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Mathematische Strukturen: Typ oder Signatur
Die Anzahl der ausgezeichneten Relationen und Funktionen zusammen mit deren
Stelligkeiten sowie die Anzahl der Konstanten bestimmen den Typ einer Struktur:
DEFINITION. Die Struktur A = (A; (RiA |i ∈ I ); (fjA |j ∈ J); (ckA |k ∈ K )) ist vom
Typ oder besitzt die Signatur
σ(A) = ((ni |i ∈ I ); (mj |j ∈ J); K ),
falls RiA ni -stellig und fjA mj -stellig ist.
Besitzt eine Struktur keine ausgezeichneten Relationen (bzw. Funktionen), so
spricht man auch von einer algebraischen oder funktionalen (bzw. relationalen)
Struktur.
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Mathematische Strukturen: Notation
Bei einer Struktur A = (A; (RiA |i ∈ I ); (fjA |j ∈ J); (ckA |k ∈ K )) der Signatur
σ(A) = ((ni |i ∈ I ); (mj |j ∈ J); K ) machen wir o.B.d.A. folgende Annahmen:
Sind die Indexmengen I , J, K endlich, so gehen wir davon aus, dass diese
ein Anfangsstück der natürlichen Zahlen sind und schreiben z.B. statt
(RiA |i ∈ {0, . . . , k}) einfach R0A , . . . , RkA und beim Typ statt
(ni |i ∈ {0, . . . , k}) entsprechend n0 , . . . , nk .
Ist eine der Indexmengen leer, so lassen wir die entsprechende Komponente
in der Beschreibung der Struktur auch weg. In der Signatur ersetzen wir eine
leere Indexmenge auch durch “−”.
Wird im Folgenden eine Struktur A nicht näher beschrieben, so gehen wir von der
allgemeinen Form A = (A; (RiA |i ∈ I ); (fjA |j ∈ J); (ckA |k ∈ K )) und der Signatur
σ(A) = ((ni |i ∈ I ); (mj |j ∈ J); K ) aus. Entsprechend nehmen wir von einer nicht
näher beschriebenen Signatur σ an, dass σ = ((ni |i ∈ I ); (mj |j ∈ J); K ) gilt.
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Mathematische Strukturen: Beispiele
Ein (gerichteter oder ungerichteter) Graph ist eine relationale Struktur
G = (V ; E G ), wobei
�
�
V die Menge der Knoten (vertices) und
E G die 2-stellige Kantenrelation (edges) auf der Knotenmenge ist.
Der Typ von G ist also σ(G) = (2; −; −).
Eine partielle oder lineare Ordnung ist eine relationale Struktur O =
(A; ≤O ), wobei
�
�
A die Menge ist, auf der
die 2-stellige Ordnungsrelation ≤O definiert ist.
Der Typ der Ordnung O ist σ(O) = (2; −; −).
Ordnungen und Graphen haben also denselben Typ (wobei jedoch an die
ausgezeichnete 2-stellige Relation unterschiedliche Anforderungen gestellt
werden).
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Mathematische Strukturen: Beispiele (Forts.)
Eine Gruppe G ist gegeben durch
�
�
den Träger A von G und
die 2-stellige Verknüpfung +G auf dem Träger.
Zeichnet man noch das neutrale Element 0G der Verknüpfung +G aus, so
erhält man die Struktur G = (A; +G ; 0G ) vom Typ σ(G) = (−; 2; {0}).
Nimmt man das Inverse als weitere (1-st.) Grundfunktion hinzu, so erhält
man die Struktur G � = (A; +G , −G ; 0G ) vom Typ σ(G � ) = (−; 2, 1; {0}).
G und G � sind algebraische Strukturen.
Ein Körper K kann als (algebraische) Struktur K = (A; +K , ·K ; 0K , 1K ) mit
σ(K) = (−; 2, 2; {0, 1}) beschrieben werden, wobei +K und ·K die
Körperaddition und -multiplikation sind und 0K und 1K die zugehörigen
neutralen Elemente.
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Mathematische Strukturen: Beispiele (Forts.)
Struktur der natürlichen Zahlen (Arithmetik): Versieht man die Menge der
natürlichen Zahlen N mit Addition und Multiplikation und deren neutralen
Elementen, so erhält man die (algebraische) Struktur N = (N; +, ·; 0, 1)
deren Typ σ(N ) = (−; 2, 2; {0, 1}) mit dem Typ der Körper übereinstimmt.
Erweitern kann man diese Struktur z.B. noch dadurch, dass man die
Ordnung ≤ auf N sowie die Nachfolgerfunktion S(x) = x + 1 als
Grundrelation bzw. -funktion hinzunimmt:
N � = (N; ≤; +, ·, S; 0, 1) wobei σ(N � ) = (2; 2, 2, 1; {0, 1}).
Man könnte die Struktur der natürlichen Zahlen auch als reine
Ordnungsstruktur betrachten:
N �� = (N; ≤) wobei σ(N �� ) = (2; −; −).
Die Wahl der Grundrelationen, Grundfunktionen und Konstanten hat
(möglicherweise) Einfluss darauf, was in der zu einer Struktur gehörenden
Sprache über die Struktur ausgedrückt werden kann.
Wir führen nun die zu einer Struktur passende Sprache ein, wobei diese nur
vom Typ der Struktur abhängt.
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2.2 Prädikatenlogik: Grundzeichen der Sprachen
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Die Grundzeichen der Sprache L(σ)
Um über Strukturen eines gegebenen Typs σ = ((ni |i ∈ I ); (mj |j ∈ J); K )
Aussagen machen zu können, führen wir nun die zugehörige Sprache L(σ) ein.
Bei den Grundzeichen der Sprache L = L(σ) unterscheidet man zwischen
den logischen Zeichen (die nicht von σ abhängen) und
den nichtlogischen Zeichen (die von σ abhängen). Die nichtlogischen
Zeichen sind hierbei gerade Namen für die Grundrelationen, Grundfunktionen und Konstanten.
Die Menge aller Grundzeichen vom L bezeichnen wir als das Alphabet von L.
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Die Grundzeichen der Sprache L(σ): logische Zeichen
Logische Zeichen von L(σ):
�
Abzählbar unendlich viele Individuenvariablen (kurz: Variablen):
v0 , v1 , v2 , . . .
Wir bezeichnen Variablen im Folgenden mit x, y , z, xi , . . .
�
Die Junktoren ¬ und ∨.
(Die übrigen üblichen Junktoren ∧, →, ↔ werden wir wiederum als
“Abkürzungen” einführen.)
�
Der Existenzquantor ∃.
(Den Allquantor ∀ werden wir später ebenfalls als “Abkürzung”
einführen.)
�
Das Gleichheitszeichen =.
�
Die Klammern ( und ) sowie das Komma ,.
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Die Grundzeichen der Sprache L(σ): nichtlogische Zeichen
und Typ
Nichtlogische Zeichen von L(σ):
�
Für jedes i ∈ I das ni -stellige Relationszeichen Ri .
�
Für jedes j ∈ J das mj -stellige Funktionszeichen fj .
�
Für jedes k ∈ K die Konstante ck .
Wie bei den Strukturen nennen wir σ den Typ oder die Signatur der Sprache
L(σ).
Sind die Struktur A und die Sprache L vom selben Typ σ, so heißt
L die Sprache von A (und wir schreiben auch L = L(A)) und
A eine L-Struktur.
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Strukturen und deren zugehörige Sprachen: Beispiele
Für die im letzten Beispiel eingeführten Strukturen können wir die zugehörigen
Sprachen (deren Signaturen gerade durch die Signaturen der Strukturen gegeben
sind) durch Angabe der nichtlogischen Zeichen angeben:
Die Sprache der Graphen enthält ebenso wie die Sprache der Ordnungen als
einziges nichtlogisches Zeichen das 2-stellige Relationszeichen R0 . Wir
benutzen statt R0 allerdings in der Regel die suggestiveren Zeichen E (das
für die Kantenrelation steht) bzw. ≤ (das für die Ordnungsrelation steht)
und schreiben L(E ) und L(≤).
Die Sprache der Gruppen verfügt über ein 2-stelliges Funktionszeichen f0
und eine Konstante c0 , für die wir in der Regel aber + und 0 schreiben
werden: L(+; 0). Bei der Sprache der Körper kommen das 2-stellige
Funktionszeichen f1 (·) und die Konstante c1 (1) hinzu: L(+, ·; 0, 1).
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Strukturen und deren zugehörige Sprachen: Beispiele
(Fortsetzung)
Die Sprache L der Struktur N = (N; +, ·; 0, 1) der natürlichen Zahlen
umfasst die 2-stelligen Funktionszeichen f0 und f1 und die Konstanten c0
und c1 . Wir schreiben hierfür i.a. +, ·, 0 und 1: L = L(+, ·; 0, 1).
Man beachte, dass hierbei z.B. + zwei unterschiedliche Bedeutungen hat: in
N ist + die Addition auf den natürlichen Zahlen; in L ist + dagegen ein
Zeichen (genauer: die “Abkürzung” des 2-st. Funktionszeichens f0 ).
Wo diese Mehrdeutigkeit der Notation zu Missverständnissen führen kann,
schreiben wir daher auch +N für die Addition auf N (und entsprechend ·N ,
0N , etc.).
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2.3 Prädikatenlogik: Terme
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Terme: Vorbemerkungen
Terme dienen dazu, Individuen und Funktionen auf dem
Individuenbereich zu bezeichnen.
Vorgehen:
1
Induktive Festlegung der Gestalt der Terme (Syntax)
2
Zuordnung der dargestellten Individuen und Funktionen
(Semantik)
Es ist im Folgenden L wiederum die Sprache L = L(σ) der Signatur
σ = ((ni |i ∈ I ); (mj |j ∈ J); K ).
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2.3.1 Terme: Syntax
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Induktive Definition der L(σ)-Terme (Syntax)
DEFINITION. Sei L = L(σ) mit σ = ((ni |i ∈ I ); (mj |j ∈ J); K ). Die Menge der
(L-)Terme ist induktiv definiert durch:
(T1) Jede Variable vn (n ≥ 0) und jede Konstante ck (k ∈ K ) ist ein Term.
(T2) Sind t1 , . . . , tmj Terme, so ist auch fj (t1 , . . . , tmj ) ein Term (j ∈ J).
NOTATION:
Terme bezeichnen wir mit s, t, si , ti , etc.
Die Terme gemäß (T1) sind die Grundterme oder atomaren Terme.
V (t) bezeichnet die Menge der im Term t vorkommenden Variablen.
Kommen in t keine Variablen vor (d.h. V (t) = ∅), so ist t ein
konstanter Term.
Schreiben wir t(x1 , . . . , xn ) statt t, so bedeutet dies, dass
V (t) ⊆ {x1 , . . . , xn } gilt (d.h. es kommen höchstens die Variablen
x1 , . . . , xn in t vor).
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Terme: Beispiele
In einer relationalen Sprache L sind die Variablen und Konstanten die
einzigen Terme. Enthält eine Sprache L keine Konstanten, so besitzt sie
auch keine konstanten Terme.
In der Sprache der Graphen oder Ordnungen (die weder Funktionszeichen
noch Konstanten besitzt) sind daher die Variablen die einzigen Terme.
In der Sprache der Gruppen kann man z.B. folgenden Term bilden:
t ≡ +(v0 , +(v3 , 0)) [≡ f0 (v0 , f0 (v3 , c0 ))]
wobei wir die suggestiven Abkürzungen + :≡ f0 und 0 :≡ c0 verwenden. Zur
Verbesserung der Lesbarkeit benutzen wir auch die in der Algebra übliche
Infixschreibweise für +, wodurch der Term t die Gestalt v0 + (v3 + 0) erhält.
Letzteres ist aber kein Term im formalen Sinn und wird von uns nur als
(informelle) Abkürzung von t verwendet.
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Terme: Beispiele (Fortsetzung)
Bei der Sprache der Struktur N = (N; +, ·; 0, 1) der natürlichen Zahlen
verwenden wir (wie bereits erwähnt) die Funktionszeichen + und · anstelle
der Funktionszeichen f0 und f1 und die Konstanten 0 und 1 an Stelle von c0
und c1 , und wir benutzen für die Funktionszeichen + und · die Infixschreibweise.
Wiederum sind die entsprechend gebildeten Terme als abkürzende
Schreibweise aufzufassen. So steht
(1 + 0) · (1 · 1)
für den (abgekürzten) Term
·(+(1, 0), ·(1, 1))
und dieser wiederum für den (eigentlichen) Term
f1 (f0 (c1 , c0 ), f1 (c1 , c1 )).
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2.3.2 Terme: Semantik
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Interpretation der L(σ)-Terme
Wir wollen nun die L-Terme in den L-Strukturen interpretieren. Hierzu sei im
Folgenden A = (A; (RiA |i ∈ I ); (fjA |j ∈ J); (ckA |k ∈ K )) eine L-Struktur, d.h. eine
Struktur vom Typ σ = ((ni |i ∈ I ); (mj |j ∈ J); K ).
IDEE:
Konstante L-Terme werden in der L-Struktur A als Individuen interpretiert.
Beliebige L-Terme werden in der L-Struktur A als Funktionen auf dem
Individuenbereich interpretiert.
Wir bestimmen zunächst die von konstanten Termen dargestellten Individuen,
wobei wir induktiv nach dem Aufbau der Terme vorgehen (vgl. mit der
syntaktischen Induktion im Teil über die Aussagenlogik).
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Interpretation konstanter Terme: Definition
Konstante L-Terme werden in der L-Struktur A als Individuen interpretiert.
Hierzu ordnen wir jedem konstanten Term t durch Induktion nach dem Aufbau
der Terme (kurz: Ind(t)) ein Individuum t A aus A zu:
DEFINITION. Für einen konstanten L-Term t ist t A ∈ A wie folgt durch Ind(t)
definiert:
1
(ck )A := ckA
2
A
(fj (t1 , . . . , tmj ))A := fjA (t1A , . . . , tm
)
j
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Interpretation konstanter Terme: Beispiele (1)
Sei L die Sprache der Arithmetik. Der konstante Term t ≡ ·(+(1, 1), ·(1, 1))
erhält in der Struktur N = (N; +, ·; 0, 1) der natürlichen Zahlen den Wert
t N = 2. Da das Zeichen 1 durch die Eins und die Funktionszeichen + und ·
durch Addition und Multiplikation interpretiert werden, sieht man dies
induktiv wie folgt:
1N
= 1
+(1, 1)N = 2
·(1, 1)N
= 1
tN
= 2·1=2
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Interpretation konstanter Terme: Beispiele (2)
Sei L weiterhin die Sprache der Arithmetik und N = (N; +, ·; 0, 1).
Definiert man induktiv die konstanten Terme n (n ≥ 0) durch
0 :≡ 0 und n + 1 :≡ (n + 1),
so gilt gerade nN = n. (Wir nennen n die Ziffer zur Bezeichnung der Zahl
n.) Es lässt sich also jede natürliche Zahl durch einen konstanten Term der
Sprache von N darstellen.
Die Sprache einer Struktur erlaubt aber nicht immer, dass man alle
Individuen durch konstante Terme beschreiben kann: Ersetzen wir oben N
durch den Körper R = (R; +, ·; 0, 1) der reellen Zahlen, so lassen sich in
diesem ebenfalls nur die natürlichen Zahlen durch konstante Terme
darstellen. Erweitert man die Sprache um ein Zeichen − für die 2-stellige
Differenz bzw. ein Zeichen : für die Division, so lassen sich in
R� = (R; −, +, ·; 0, 1) bzw. R�� = (R; −, +, ·, :; 0, 1) gerade die ganzen bzw.
rationalen Zahlen durch konstante Terme darstellen (wobei wir x : 0 = 0
setzen).
Betrachten wir eine Struktur ohne Konstanten, so gibt es - wie bereits beobachtet - keine konstanten Terme in der
zugehörigen Sprache. Hier lässt sich also sogar überhaupt kein Individuum durch einen konstanten Term darstellen.
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Interpretation beliebiger Terme: Definition
Wir betrachten nun die Interpretation beliebiger L-Terme t in der L-Struktur A.
Einem Term t ≡ t(�x ) ≡ t(x1 , . . . , xn ), in dem höchstens die Variablen x1 , . . . , xn
vorkommen, ordnen wir einen Wert aus A in Abhängigkeit von einer Belegung B
der Variablen xi durch Werte ai aus A zu:
DEFINITION. Sei V = {x1 , . . . , xn } eine Menge von Variablen und A eine
L-Struktur. Eine (Variablen-)Belegung B von V in A ist eine Abbildung
B : V → A.
DEFINITION. Sei t ≡ t(�x ) ≡ t(x1 , . . . , xn ) ein L-Term, in dem höchstens die
Variablen x1 , . . . , xn vorkommen, und sei B : {x1 , . . . , xn } → A eine Belegung
dieser Variablen in der L-Struktur A. Der Wert tBA ∈ A von t in A bzgl. der
Belegung B ist durch Ind(t) wie folgt definiert:
1
A
A
(xi )A
B := B(xi ) und (ck )B := ck
2
A
A
A
(fj (t1 , . . . , tmj ))A
B := fj ((t1 )B , . . . , (tmj )B )
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Interpretation beliebiger Terme: Bemerkungen
Ordnet die Belegung B von V = {x1 , . . . , xn } in A den Variablen xi die
Individuen ai zu, so schreiben wir für t ≡ t(x1 , . . . , xn ) statt tBA auch
tBA ≡ t A [B(x1 ), . . . , B(xn )] ≡ t A [a1 , . . . , an ].
(Diese Schreibweise wird im Skript von Gloede verwendet!)
Der Term t ≡ t(�x ) ≡ t(x1 , . . . , xn ) kann in A also als n-stellige Funktion
A
n
A
ft(�
a) = t A [�a]
x ) : A → A mit ft(�
x ) (�
interpretiert werden.
Dabei hängt der Wert von t A [�a] höchstens dann von ai ab, wenn die
Variable xi tatsächlich in t vorkommt (Beweis durch Ind(t); Übung!):
KOINZIDENZLEMMA (für Terme). Sei A eine L-Struktur, t ein L-Term,
V = {x1 , . . . , xm } und V � = {x1� , . . . , xn� } Variablenmengen mit
V (t) ⊆ V , V � und B und B � Belegungen von V bzw. V � in A, sodass
B � V (t) = B � � V (t) gilt. Dann gilt tBA = tBA� .
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Interpretation beliebiger Terme: Beispiel
Der durch
t :≡ f0 (f1 (x1 , x1 ), f1 (f0 (c1 , c1 ), x2 )) ≡ +(·(x1 , x1 ), ·(+(1, 1), x2 ))
definierte Term t der Sprache von N lässt sich in Infixschreibweise auch als
t ≡ (x1 · x1 ) + ((1 + 1) · x2 )
schreiben. Es gilt V (t) = {x1 , x2 }. Wir können t also z.B. als
t ≡ t(x1 , x2 , x3 ) schreiben.
Für die Belegung B(x1 ) = 0, B(x2 ) = 1, B(x3 ) = 2 gilt dann
tBN
=
=
(B(x1 ) · B(x1 )) + ((1 + 1) · B(x2 ))
(0 · 0) + ((1 + 1) · 1) = 2
Die Auswertung von t N [0, 1, 2] = tBN hängt also nicht von der Belegung
B(x3 ) = 2 der nicht in t vorkommenden Variablen x3 ab.
N
3
Die von t(x1 , x2 , x3 ) dargestellte Funktion ft(x
:
N
→ N ist:
,x
,x
)
1 2 3
N
2
ft(x
(a
,
a
,
a
)
=
a
1
2
3
1 + 2a2 (a1 , a2 , a3 ∈ N)
1 ,x2 ,x3 )
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Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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Interpretation beliebiger Terme: Weitere Bemerkungen
A
A
Für einen konstanten Term t ist die Funktion ft(x
=
f
(nach dem
t
,...,x
)
1
n
Koinzidenzlemma) konstant und es gilt ftA (�a) = t A für alle �a ∈ An .
In einer L-Struktur A lassen sich genau die Funktionen durch L-Terme
darstellen, die über den Grundfunktionen und den Konstanten der Struktur
explizit definierbar sind.
Für die Sprache L der Arithmetik N = (N; +, ·; 0, 1) kann man so (durch
Ausmultiplizieren und mit Hilfe der Kommutativität von + und ·) zeigen,
dass die durch Terme definierbaren Funktionen über N gerade die Polynome
(mit Koeffizienten aus N) sind.
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Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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2.4 Prädikatenlogik: Formeln und Sätze
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Formeln und Sätze: Vorbemerkungen
(L-)Sätze dienen dazu, Aussagen über (L-)Strukturen zu machen.
Die von Formeln (auch Satzformen genannt) gemachten Aussagen
hängen noch von der Interpretation der in ihnen vorkommenden freien
Variablen ab, und können so auch als Relationen auf den Trägern von
(L-)Strukturen interpretiert werden.
Vorgehen:
1
Induktive Festlegung der Gestalt der Formeln (Syntax)
2
Interpretation der Formeln in zugehörigen Strukturen (Semantik)
Es ist im Folgenden L wiederum die Sprache L = L(σ) der Signatur
σ = ((ni |i ∈ I ); (mj |j ∈ J); K ).
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Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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2.4.1 Formeln und Sätze: Syntax
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Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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Induktive Definition der L(σ)-Formeln
DEFINITION. Sei L = L(σ) mit σ = ((ni |i ∈ I ); (mj |j ∈ J); K ). Die Menge der
(L-)Formeln ist induktiv definiert durch:
(F1) (a) Sind t1 , t2 Terme, so ist t1 = t2 eine Formel.
(b) Sind t1 , . . . , tni Terme, so ist Ri (t1 , . . . , tni ) eine Formel (i ∈ I ).
(F2) Ist ϕ eine Formel, so ist auch ¬ϕ eine Formel.
(F3) Sind ϕ1 und ϕ2 Formeln, so ist auch (ϕ1 ∨ ϕ2 ) eine Formel.
(F4) Ist ϕ eine Formel und x eine Variable, so ist auch ∃xϕ eine Formel.
Die gemäß (F1) definierten Formeln heißen Primformeln oder atomare Formeln.
Formeln vom Typ (F1)(a) nennt man auch Gleichheitsformeln. Formeln vom Typ
(F2), (F3) und (F4) heißen Negationsformeln bzw. Disjunktionen bzw.
Existenzformeln.
Im Folgenden bezeichnen ϕ, ψ, γ, δ, ϕi , . . . (L-)Formeln.
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Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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Verbesserung der Lesbarkeit von Formeln (“Abkürzungen”)
Zur Verbesserung der Lesbarkeit der Formeln benutzen wir folgende Konventionen
und “abkürzende” Schreibweisen:
Die Junktoren ∧, → und ↔ führen wir wie in der AL ein.
Zusätzlich führen wir den Allquantor ∀ durch ∀xϕ :≡ ¬∃x¬ϕ ein.
Wir verwenden die schon im Teil über die Aussagenlogik eingeführten Regeln
zur Klammerersparnis.
Zusätzlich erlauben wir für ¬ϕ, ∃xϕ und ∀xϕ auch die Schreibweise ¬(ϕ)
bzw. ∃x(ϕ) bzw. ∀x(ϕ).
Statt ¬t1 = t2 schreiben wir auch t1 �= t2 .
Wo üblich benutzen wir für Funktionszeichen (wie + und ·) und
Relationszeichen (wie ≤) auch die Infixschreibweise.
NB: Die derart verallgemeinerten Formeln sind keine eigentlichen Formeln und
sind daher bei formaler Sichtweise (z.B. in Beweisen durch Ind(ϕ)) immer durch
die entsprechenden eigentlichen Formeln zu ersetzen.
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Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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Verbesserung der Lesbarkeit von Formeln: Beispiele
Nach den gerade eingeführten Konventionen sind die folgenden (uneigentlichen)
Formeln alle identisch mit der (eigentlichen) Formel
ϕ ≡ (¬∃x¬ ≤ (x, y ) ∨ ¬y = x) :
¬∃x¬(x ≤ y ) ∨ ¬(y = x)
∀x(x ≤ y ) ∨ ¬(y = x)
∀x(x ≤ y ) ∨ y �= x
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Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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Freie und gebundene Vorkommen von Variablen in Formeln
Eine in einer Formel ϕ vorkommende Variable x kann frei oder (durch einen
Existenzquantor ∃) gebunden auftreten (wobei x in einer Formel ϕ an einer Stelle
frei und an einer anderen Stelle gebunden auftreten kann). Dabei ist ein
Vorkommen von x in einer Formel ϕ gebunden, wenn es in einer Teilformel ∃xψ
liegt (formale Definition: nächste Folie).
Wir bezeichnen mit V (ϕ), FV (ϕ) und GV (ϕ) die Mengen der in ϕ
vorkommenden bzw. frei vorkommenden bzw. gebunden vorkommenden
Variablen.
Gilt FV (ϕ) ⊆ {x1 , . . . , xn }, so schreiben wir auch ϕ(x1 , . . . , xn ) statt ϕ.
DEFINITION. Kommt in einer (L-)Formel ϕ keine Variable frei vor (d.h. gilt
FV (ϕ) = ∅), so ist ϕ ein (L-)Satz.
Im Folgenden bezeichnen σ, τ, σn etc. Sätze.
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Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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Freie und gebundene Vorkommen von Variablen: Definition
Formal definiert man das Vorkommen einer Variablen x und die freien und
gebunden Vorkommen von x in einer Formel ϕ durch Ind(ϕ):
1
Die Variable x kommt in der Primformel t1 = t2 bzw. Ri (t1 , . . . , tni ) vor,
falls x in einem der Terme t1 , t2 bzw. t1 , . . . , tni vorkommt. Alle Vorkommen
von x sind frei.
2
Die Variable x kommt in ¬ϕ vor, wenn sie in der Formel ϕ vorkommt. Ein
Vorkommen von x in ¬ϕ ist frei (gebunden), wenn das entsprechende
Vorkommen von x in ϕ frei (gebunden) ist.
3
Die Variable x kommt in der Formel (ϕ1 ∨ ϕ2 ) vor, wenn sie in der Formel
ϕ1 oder in der Formel ϕ2 vorkommt. Ein Vorkommen von x in (ϕ1 ∨ ϕ2 ) ist
frei (gebunden), wenn das entsprechende Vorkommen von x in ϕ1 bzw. ϕ2
frei (gebunden) ist.
4
Die Variable x kommt in der Formel ∃y ϕ vor, wenn x ≡ y oder x in der
Formel ϕ vorkommt. Ist x ≡ y , so sind alle Vorkommen von x in ∃y ϕ
gebunden. Sonst ist ein Vorkommen von x in ∃y ϕ frei (gebunden), wenn das
entsprechende Vorkommen von x in ϕ frei (gebunden) ist.
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Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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Freie und gebundene Vorkommen von Variablen: Beispiele
In der Formel
ϕ ≡ (¬∃x¬ ≤ (x, y ) ∨ ¬y = x)
der Sprache der Ordnungen sind die ersten beiden Vorkommen der Variablen
x gebunden, während das dritte Vorkommen frei ist. Weiter sind beide
Vorkommen von y frei.
Es gilt also V (ϕ) = FV (ϕ) = {x, y } und GV (ϕ) = {x}.
In der Formel
ψ ≡ ∃y ∃x(¬∃x¬ ≤ (x, y ) ∨ ¬y = x)
sind alle Vorkommen von x und y gebunden. ψ ist also ein Satz.
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Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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2.4.2 Formeln und Sätze: Semantik
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Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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Semantik der L(σ)-Formeln: Idee
Wir wollen nun zeigen, wie ein (L-)Satz σ als eine Aussage über die
(L-)Struktur A interpretiert werden kann.
Hierzu ordnen wir zunächst allgemeiner einer Formel ϕ, in der höchstens die
Variablen x1 , . . . , xn frei vorkommen, und jeder Belegung B dieser Variablen
durch Individuen a1 , . . . , an von A einen Wahrheitswert WBA (ϕ) zu.
Wir zeigen dann, dass dieser Wert höchstens dann von B(xi ) = ai abhängt,
wenn xi in ϕ frei vorkommt (Koinzidenzlemma für Formeln).
Ist ϕ ein Satz, so hängt die Wahrheit von ϕ also nur von der Struktur A und
nicht von der gewählten Variablenbelegung B ab.
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Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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Interpretation einer L-Formel ϕ in einer L-Struktur A
DEFINITION. Sei A eine L-Struktur, ϕ ≡ ϕ(x1 , . . . , xn ) eine L-Formel mit
FV (ϕ) ⊆ {x1 , . . . , xn } und B eine Belegung von {x1 , . . . , xn } in A. Dann ist der
Wahrheitswert
WBA (ϕ) ∈ {0, 1} (= {FALSCH, WAHR})
von ϕ in A bzgl. der Variablenbelegung B durch Ind(ϕ) wie folgt definiert:
1
2
3
4
5
A
WBA (t1 = t2 ) = 1, g.d.w. (t1 )A
B = (t2 )B
(für die Definition von tBA siehe Semantik der Terme).
A
A
WBA (Ri (t1 , . . . , tni )) = 1, g.d.w. ((t1 )A
B , . . . , (tni )B ) ∈ Ri .
WBA (¬ψ) = 1, g.d.w. WBA (ψ) = 0.
WBA (ϕ1 ∨ ϕ2 ) = 1, g.d.w. WBA (ϕ1 ) = 1 oder WBA (ϕ2 ) = 1 (oder beides).
WBA (∃y ψ) = 1, g.d.w. es eine Belegung B � von {x1 , . . . , xn , y } gibt, die mit
B auf {x1 , . . . , xn } \ {y } übereinstimmt und für die WBA� (ψ) = 1 gilt.
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Interpretation uneigentlicher Formeln
Für uneigentliche Formeln ϕ ≡ ϕ(x1 , . . . , xn ) und Belegungen B von {x1 , . . . , xn }
in A ergeben sich hieraus folgende Wahrheitswerte (Beweis: Übung):
WBA (ϕ1 ∧ ϕ2 ) = 1, g.d.w. WBA (ϕ1 ) = 1 und WBA (ϕ2 ) = 1.
WBA (ϕ1 → ϕ2 ) = 1, g.d.w. WBA (ϕ1 ) = 0 oder WBA (ϕ2 ) = 1 (oder beides).
WBA (ϕ1 ↔ ϕ2 ) = 1, g.d.w. WBA (ϕ1 ) = WBA (ϕ2 ).
WBA (∀y ψ) = 1, g.d.w. für alle Belegungen B � von {x1 , . . . , xn } ∪ {y }, die
mit B auf {x1 , . . . , xn } \ {y } übereinstimmen, WBA� (ψ) = 1 gilt.
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Interpretation der L-Formeln: Notation
Ordnet die Belegung B den Variablen �x = (x1 , . . . , xn ) die Individuen
�a = (a1 , . . . , an ) zu, so schreibt man statt WBA (ϕ) = 1 auch
A � ϕ[B(x1 ), . . . , B(xn )] oder kurz A � ϕ[�a]
und sagt: A macht die Formel ϕ ≡ ϕ(x1 , . . . , xn ) bzgl. der Belegung �a wahr (oder
ϕ gilt in A bzgl. �a).
Entsprechend schreibt man auch A �
� ϕ[�a], falls WBA (ϕ) = 0 gilt.
(Diese Schreibweisen werden im Skript von Herrn Gloede verwendet! Im
Folgenden werden wir beide Schreibweisen benutzen.)
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Das Koinzidenzlemma (für Formeln)
Der Wahrheitswert WBA (ϕ) einer Formel ϕ in einer Struktur A bzgl. einer
Variablenbelegung B hängt nur von der Belegung der freien Variablen in ϕ ab:
KOINZIDENZLEMMA (für Formeln). Sei A eine L-Struktur, ϕ eine L-Formel,
V = {x1 , . . . , xm } und V � = {x1� , . . . , xn� } Variablenmengen mit FV (ϕ) ⊆ V , V �
und B und B � Belegungen von V bzw. V � in A, sodass
B � FV (ϕ) = B � � FV (ϕ).
Dann gilt WBA (ϕ) = WBA� (ϕ).
BEWEIS. Induktion nach dem Aufbau von ϕ (wobei man für Primformeln ϕ
natürlich das Koinzidenzlemma für Terme verwendet). Übung!
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Wahrheit und Modelle von Sätzen
Nach dem Koinzidenzlemma hängt der Wahrheitswert eines Satzes σ in einer
Struktur A nicht von der gewählten Variablenbelegung ab: Da σ keine freien
Variablen enthält (d.h. FV (σ) = ∅), gilt für alle Variablenbelegungen B und B �
beliebiger Variablenmengen V und V � in A: WBA (σ) = WBA� (σ)
DEFINITION. Ein L-Satz σ ist in einer L-Struktur A wahr, wenn WBA (σ) = 1 für
die leere Variablenbelegung gilt (d.h. für die eindeutig bestimmte Belegung B der
leeren Menge ∅).
NOTATION. Ist ein Satz σ in der Struktur A wahr, so schreiben wir
A�σ
und sagen, dass A ein Modell von σ ist.
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Wahrheit und Modelle von Formeln: Idee
In der Mathematik ist es üblich, bei Aussagen mit freien Variablen anzunehmen,
dass die freien Variablen implizit allquantifiziert sind. So wird z.B. die Aussage,
dass jede von der Null verschiedene natürliche Zahl Nachfolger einer natürlichen
Zahl ist, durch die Formel
x �= 0 → ∃y (x = y + 1)
ausgedrückt, wobei diese als
∀x (x �= 0 → ∃y (x = y + 1))
gelesen wird. Diese Konvention führt zu folgender Erweiterung des Wahrheitsund Modellbegriffs für Sätze auf beliebige Formeln:
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Wahrheit und Modelle von Formeln: Definition
DEFINITION. Eine L-Formel ϕ ist in einer L-Struktur A wahr, wenn WBA (ϕ) = 1
für alle Variablenbelegungen von FV (ϕ) gilt.
Ist eine Formel ϕ in der Struktur A wahr, so schreiben wir A � ϕ und sagen, dass
A ein Modell von ϕ ist.
NB: Ist ϕ ein Satz, so stimmt diese Definition mit der zuvor für Sätze gegebene
Definition der Wahrheit in einer Struktur überein.
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Wahrheit von Formeln vs. Wahrheit von Sätzen:
Allabschluss
DEFINITION. Der Allabschluss ∀ϕ einer Formel ϕ, in der die Variablen x1 , . . . , xn
frei vorkommen, ist der Satz
∀ϕ :≡ ∀x1 . . . ∀xn ϕ,
wobei wir davon ausgehen, dass die Variable x1 , . . . , xn geordnet bzgl. der
Aufzählung aller Variablen sind.
NB: Für einen Satz σ gilt ∀σ ≡ σ.
SATZ ÜBER DEN ALLABSCHLUSS. A � ϕ ⇔ A � ∀ϕ
BEWEIS: Übung!
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Wahrheit von Formeln vs. Wahrheit von Sätzen:
Bemerkungen
Man beachte, dass nach Definition der Wahrheitswerte WBA (ϕ) und dem
Koinzidenzlemma, für einen L-Satz σ und eine L-Struktur A entweder A � σ
oder A � ¬σ gilt.
Für eine Formel ϕ mit freien Variablen, können wir dagegen i.a. nur feststellen,
dass nicht gleichzeitig A � ϕ und A � ¬ϕ gelten kann. Hier ist jedoch möglich,
dass weder A � ϕ noch A � ¬ϕ gilt.
Der Grund hierfür ist, dass ¬ϕ nicht als Negation von ϕ interpretiert wird,
sondern ϕ als ∀ϕ und ¬ϕ als ∀¬ϕ. Hierbei ist ∀¬ϕ nicht zur Negation von ∀ϕ
(nämlich ¬∀ϕ) äquivalent.
Zum Beispiel gilt für die Formel ϕ ≡ x = y :
A�
� ¬(x = y ) für alle Strukturen A
A�
� x = y für alle Strukturen A, deren Träger zumindest 2 Elemente enthält
Für A mit |A| ≥ 2 gilt also weder A � ϕ noch A � ¬ϕ.
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Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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Durch Formeln dargestellte Relationen
Wir beenden die Diskussion des Interpretationsbegriffs in der Prädikatenlogik mit
der Beobachtung, dass L-Formeln Relationen auf den L-Strukturen A definieren:
DEFINITION. Sei ϕ ≡ ϕ(x1 , . . . , xn ) eine L-Formel mit FV (ϕ) ⊆ {x1 , . . . , xn }.
Die von ϕ auf der L-Struktur A definierte n-stellige Relation RϕA ist durch
(a1 , . . . , an ) ∈ RϕA ⇔ A � ϕ[a1 , . . . , an ]
bestimmt.
BEISPIEL. In der Sprache von N = (N; +, ·; 0, 1) wird die Menge der geraden
Zahlen durch die Formel
ϕ(x) ≡ ∃y (x = (1 + 1) · y )
und die Teilbarkeitsrelation (x teilt y ) durch die Formel
ψ(x, y ) ≡ x �= 0 ∧ ∃z(x · z = y )
definiert.
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Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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2.5 Prädikatenlogik: Zentrale semantische Konzepte
2.5.1 Allgemeingültigkeit, Erfüllbarkeit und Folgerungbegriff:
Definition und Eigenschaften
2.5.2 Beispiele: Aussagenlogik vs. Prädikatenlogik
2.5.3 Beispiele: Gleichheitsformeln
2.5.4 Beispiele: Existenzformeln und deren Instanzen
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Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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2.5.1 Allgemeingültigkeit, Erfüllbarkeit und
Folgerungbegriff: Definition und Eigenschaften
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Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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Zentrale semantische Konzepte: Vorbemerkungen
Nachdem wir die Syntax und Semantik der Sprachen der Prädikatenlogik
eingeführt haben, können wir nun die zentralen (semantischen) Begriffe der
Prädikatenlogik (Allgemeingültigkeit, Erfüllbarkeit, Folgerung, Äquivalenz)
vorstellen.
Diese zentralen Begriffe werden entsprechend wie in der Aussagenlogik definiert,
wobei wir aber statt von der Wahrheit einer (al.) Formel bzgl. einer Belegung der
Aussagenvariablen nun von der Wahrheit einer (pl.) Formel in einer Struktur
ausgehen.
(Wir halten hierbei immer noch eine Sprache
L = L((Ri |i ∈ I ), (fj |j ∈ J), (ck |k ∈ K ))
vom Typ
σ(L) = ((ni |i ∈ I ), (mj |j ∈ J), K )
der Prädikatenlogik fest, und meinen im Folgenden mit einer Struktur A immer
eine L-Struktur.)
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Allgemeingültigkeit und Erfüllbarkeit: Definition
DEFINITION. Eine Formel ϕ ist (logisch) wahr oder allgemeingültig, wenn alle
L-Strukturen Modell von ϕ sind, d.h. wenn
Für alle L-Strukturen A: A � ϕ
gilt.
DEFINITION. (a) Eine Formel ϕ ist erfüllbar, wenn ϕ ein Modell besitzt, d.h.
wenn
Es gibt eine L-Struktur A mit A � ϕ
gilt. Andernfalls ist ϕ unerfüllbar.
(b) Eine Menge Φ von L-Formeln ist erfüllbar, wenn es eine L-Struktur A gibt,
die Modell aller Formeln in Φ ist.
Ist eine L-Struktur A Modell aller Formeln in einer Formelmenge Φ, so nennen
wir A ein Modell von Φ und schreiben A � Φ.
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Allgemeingültigkeit vs. Erfüllbarkeit
Ähnlich wie in der Aussagenlogik beobachtet man die folgenden Zusammenhänge
zwischen Allgemeingültigkeit und Erfüllbarkeit:
Jede allgemeingültige Formel ist erfüllbar.
Die Umkehrung hiervon gilt i.a. nicht. So ist z.B. die L-Formel ϕ ≡ x = y
erfüllbar, da sie in allen L-Strukturen A mit |A| = 1 gilt. Sie ist jedoch nicht
allgemeingültig, da sie in L-Strukturen A mit |A| > 1 nicht gilt.
Ein L-Satz σ (¬σ) ist genau dann allgemeingültig, wenn ¬σ (σ) unerfüllbar
ist.
BEWEIS. Dies folgt aus der Tatsache, dass in jeder L-Struktur A entweder
der Satz σ oder der Satz ¬σ gilt.
Für beliebige Formeln ϕ folgt zwar aus der Allgemeingültig von ϕ auch die
Unerfüllbarkeit von ¬ϕ. Die Umkehrung gilt aber i.a. nicht. So ist für die
Formel ϕ ≡ x = y die Negation ¬ϕ ≡ x �= y nicht erfüllbar, ϕ aber nicht
allgemeingültig (s.o.).
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Erfüllbarkeit von Formeln vs. Erfüllbarkeit von
Formelmengen
Die leere Formelmenge ist erfüllbar.
Ist eine nichtleere Formelmenge Φ erfüllbar, so sind alle Formeln in Φ
erfüllbar, da
A�Φ ⇒ ∀ϕ∈Φ: A�ϕ
Die Umkehrung gilt jedoch i.a. nicht. So sind die Formeln
ϕ1 ≡ ∀x ∀y (x = y ) und ϕ2 ≡ ∃x ∃y (x �= y )
beide erfüllbar. Die Modelle von ϕ1 und ϕ2 sind aber gerade die Strukturen
mit einem Individuum bzw. mit mindestens zwei Individuen, sodass ϕ1 und
ϕ2 kein gemeinsames Modell besitzen. Die Formelmenge Φ = {ϕ1 , ϕ2 } ist
also unerfüllbar.
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Folgerung und Äquivalenz: Definition
DEFINITION. Eine (L-)Formel ϕ folgt aus einer (L-)Formel ψ (ψ � ϕ), wenn
jedes Modell von ψ auch ein Modell von ϕ ist, d.h. wenn
Für alle L-Strukturen A: A � ψ ⇒ A � ϕ
gilt.
ϕ und ψ sind äquivalent (ϕ äq ψ), falls ϕ aus ψ und ψ aus ϕ folgt (also ϕ und ψ
dieselben Modelle besitzen).
Der Folgerungsbegriff lässt sich auf Formelmengen erweitern:
DEFINITION. Eine (L-)Formel ϕ folgt aus einer Menge Φ von (L-)Formeln
(Φ � ϕ), wenn jedes Modell von Φ auch ein Modell von ϕ ist, d.h. wenn
Für alle L-Strukturen A: A � Φ ⇒ A � ϕ
gilt.
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Folgerungsbegriff: Bemerkungen und Beobachtungen (1)
NOTATION:
Für nichtleeres endliches Φ = {ϕ1 , . . . , ϕn } schreiben wir statt Φ � ϕ auch
ϕ1 , . . . , ϕn � ϕ.
Entsprechend schreiben wir statt ∅ � ϕ auch kurz � ϕ.
NB: Dies ist konsistent mit der zuvor eingeführten Schreibweise � ϕ für
allgemeingültiges ϕ: jede L-Struktur A ist ein Modell der leeren
Formelmenge, weshalb ϕ genau dann aus der leeren Formelmenge folgt,
wenn ϕ allgemeingültig ist.
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Folgerungsbegriff: Bemerkungen und Beobachtungen (2)
EINFACHE FAKTEN:
MONOTONIE DES FOLGERUNGSBEGRIFFS:
Φ⊆Ψ&Φ�ϕ ⇒ Ψ�ϕ
VERTRÄGLICHKEIT VON � UND →:
ϕ1 , . . . , ϕ n � σ
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⇔
ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn � σ
⇔
� (ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn ) → σ
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Zusammenhang zw. Folgerungsbegriff und Erfüllbarkeit
Rückführung der Erfüllbarkeit auf den Folgerungsbegriff:
LEMMA. Eine L-Formelmenge Φ is genau dann erfüllbar, wenn es keinen L-Satz
σ mit Φ � σ und Φ � ¬σ gibt.
Rückführung des Folgerungsbegriffs auf die Erfüllbarkeit:
LEMMA (Zusammenhang zwischen Folgerungs- und Erfüllbarkeitsbegriff).
Für jede L-Formelmenge Φ und jeden L-Satz σ gilt:
Φ � σ ⇔ Φ ∪ {¬σ} unerfüllbar
BEWEIS.
Φ�σ
⇔
⇔
⇔
⇔
∀A:A�Φ⇒A�σ
∀A:A�Φ⇒A�
� ¬σ
� ∃ A : A � Φ & A � ¬σ
Φ ∪ {¬σ} unerfüllbar
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(nach Definition)
(da entweder A � σ oder A � ¬σ )
(nach Definition)
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Allgemeingültigkeit und Folgerungsbegriff: Beispiele
In den folgenden Unterabschnitten betrachten wir noch Beispiele für
allgemeingültige Formeln (und korrekte Folgerungen):
2.5.2 Junktoren: aussagenlogische Gültigkeit vs. prädikatenlogische Gültigkeit
2.5.3 Gleichheitszeichen: allgemeingültige Aussagen über die Gleichheit
(Gleichheitsformeln)
2.5.4 Existenzquantor: allgemeingültige Aussagen über Existenzformeln und
deren Instanzen
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2.5.2 Beispiele: Aussagenlogik vs. Prädikatenlogik
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Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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Aussagenlogische Gültigkeit: Aussagenlogische Belegungen
Eine Formel ϕ ist elementar, falls ϕ atomar oder eine Existenzformel
ϕ ≡ ∃xψ ist.
Elementare Formeln lassen sich aussagenlogisch nicht weiter zerlegen,
spielen daher in PL die Rolle der Aussagenvariablen in AL.
Eine aussagenlogische Belegung B von L ist eine Abbildung
B : {ϕ : ϕ elementar} → {0, 1}.
Eine al. Belegung B lässt sich induktive wie folgt auf alle Formeln fortsetzen:
B(¬ϕ) := 1 − B(ϕ)
B(ϕ1 ∨ ϕ2 ) := max(B(ϕ1 ), B(ϕ2 ))
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Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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Aussagenlogische Gültigkeit: Tautologien
DEFINITION. Eine Formel ϕ ist eine Tautologie (oder aussagenlogisch gültig,
�AL ϕ), falls B(ϕ) = 1 für alle al. Belegungen B gilt.
Intuitiv: Eine prädikatenlogische Formel ϕ ist aussagenlogisch gültig, wenn die
aussagenlogische Formel ϕAL , die man aus ϕ erhält indem man alle elementare
Formeln durch Aussagenvariablen ersetzt, allgemeingülting (in AL) ist.)
TAUTOLGIELEMMA. Jede Tautologie ist allgemeingültig:
�AL ϕ ⇒� ϕ
Die Umkehrung des Tautologielemmas gilt i.a. nicht. So ist z.B. die elementare
Formel ∃ x (x = x) allgemeingültig, wogegen keine elementare Formel
aussagenlogisch gültig ist.
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Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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Beweis des Tautologielemmas: elementare Teilformeln
Zum Beweis des Tautologielemmas definieren wir zunächst die Menge ETF (ϕ)
der elemetaren Teilformeln einer Formel ϕ durch Ind(ϕ):
Ist ϕ elementar, so ist ETF (ϕ) = {ϕ}.
Ist ϕ die Negationsformel ϕ ≡ ¬ψ, so ist ETF (ϕ) = ETF (ψ).
Ist ϕ die Disjunktionsformel ϕ ≡ ϕ1 ∨ ϕ2 , so ist
ETF (ϕ) = ETF (ϕ1 ) ∪ ETF (ϕ2 ).
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Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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Beweis des Tautologielemmas: Hilfssatz
HILFSSATZ. Sei A eine L-Struktur und sei B : {v1 , v2 , v3 , . . . } → A eine
Belegung aller Individuenvariablen in A. Dann gibt es eine aussagenlogische
Belegung B � von L, für die
(∗) WBA (ϕ) = B � (ϕ)
für alle L-Formeln ϕ gilt.
BEWEIS. Definiere B � durch B � (ψ) := WBA (ψ) für jede elementare Formel ψ. Die
Behauptung (∗) folgt dann einfach durch Ind(ϕ).
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Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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Beweis des Tautologielemmas: Kern des Beweise
Der Beweis ist durch Kontraposition:
Annahme: ϕ sei nicht allgemeingültig.
Dann gibt es eine L-Struktur A und eine Belegung B : FV (ϕ) → A der in ϕ
vorkommenden freine Variablen in A, sodass WBA (ϕ) = 0.
Setzt man B beliebig zu einer Belegung B̂ aller Variablen fort, so gilt nach
dem Koinzidenzlemma weiterhin, dass WBA (ϕ) = 0.
Nach dem Hilffsatz gibt es nun eine aussagenlogische Belegung B̂ � von L,
sodass B̂ � (ϕ) = WBA (ϕ) = 0.
Folglich ist ϕ keine Tautologie.
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Kap. 2: Prädikatenlogik 1. Stufe
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Aussagenlogische Folgerungen
DEFINITION. Eine Formel ϕ ist eine aussagenlogische Folgerung aus den Formeln
ϕ1 , . . . , ϕn ( ϕ1 , . . . , ϕn �AL ϕ), falls für alle al. Belegungen B gilt:
B(ϕ1 ) = · · · = B(ϕn ) = 1 ⇒ B(ϕ) = 1
LEMMA ÜBER AL. FOLGERUNGEN: ϕ1 , . . . , ϕn �AL ϕ ⇒ ϕ1 , . . . , ϕn � ϕ
BEWEIS:
ϕ1 , . . . , ϕn �AL ϕ ⇒ ϕ1
⇒ �AL ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn → ϕ
⇒ � ϕ1 ∧ · · · ∧ ϕn → ϕ
(Tautologielemma)
⇒ ϕ1 , . . . , ϕ n � ϕ
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2.5.3 Beispiele: Gleichheitsformeln
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Allgemeingültige Gleichheitsformeln
LEMMA. Die folgenden Formeln sind allgemeingültig:
1
γ1 ≡ x = x
2
γ2 ≡ x = y → y = x
3
γ3 ≡ x = y ∧ y = z → x = z
4
γ4 ≡ x1 = y1 ∧ . . . ∧ xmj = ymj → fj (x1 , . . . , xmj ) = fj (y1 , . . . , ymj )
5
γ5 ≡ x1 = y1 ∧ . . . ∧ xni = yni ∧ Ri (x1 , . . . , xni ) → Ri (y1 , . . . , yni )
BEWEIS: Da die Beweis sehr ähnlich sind, zeigen wir hier nur die
Allgemeingültigkeit von γ4 (andere Formeln: Übung).
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Allgemeingültigkeit von γ4
Die Allgemeingültigkeit von
γ4 ≡ x1 = y1 ∧ . . . ∧ xmj = ymj → fj (x1 , . . . , xmj ) = fj (y1 , . . . , ymj )
zeigt man wie folgt:
Gegeben: L-Struktur A und Belegung B : {x1 , . . . , xmj , y1 , . . . , ymj } → A.
Zu zeigen: WBA (γ4 ) = 1.
Gilt WBA (x1 = y1 ∧ . . . ∧ xmj = ymj ) = 0, so ist die Behauptung trivial.
Also o.B.d.A. WBA (x1 = y1 ∧ . . . ∧ xmj = ymj ) = 1.
Es folgt: WBA (xp = yp ) = 1 für p = 1, . . . mj .
A
Also nach Definition von WBA : (xp )A
B = (yp )B für p = 1, . . . mj .
Mit der Definition von tBA folgt:
fj (x1 , . . . , xmj )A
B
=
=
A
f A ((x1 )A
B , . . . , (xmj )B )
A
f A ((y1 )A
B , . . . , (ymj )B )
=
fj (y1 , . . . , ymj )A
B
Mit der Definition von WBA folgt WBA (fj (x1 , . . . , xmj ) = fj (y1 , . . . , ymj )) = 1
und hieraus WBA (γ4 ) = 1.
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2.5.4 Beispiele: Existenzformeln und deren Instanzen
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Existenzformeln und deren Instanzen: Substitution
SUBSTITUTION: Ersetzen wir in einer Formel ϕ alle freien Vorkommen der
Variablen x durch den Term t, so bezeichnen wir das Ergebnis dieser Substitution
mit ϕ[t/x].
INSTANZEN EINER EXISTENZFORMEL: Unter den Instanzen einer
Existenzformel ∃ϕ versteht man die Formeln ϕ[t/x], wobei t ein konstanter Term
ist.
Anschaulich klar ist, dass die Wahrheit einer Instanz ϕ[t/x] in einer Struktur A
(bezüglich einer Belegung B) die Wahrheit der Existenzformel ∃xϕ in A
(bezüglich B) impliziert. (Die Umkehrung braucht im Allgemeinen nicht gelten,
da möglicherweise nicht jedes Indviduum von A durch einen konstanten Term
dargestellt werden kann.) Wir werden dies im folgenden formal beweisen, wobei
wir sogar beliebige Terme t zulassen, solange es nicht durch eine Bindung der in t
vorkommenden Variablen zu einer Sinnentstellung kommen kann.
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Das Substitutionslemma
SUBSTITUIERBARKEITSBEDINGUNG (SB): Ein Term t heisst in einer Formel
ϕ für die Variable x substituierbar, wenn keine in t vorkommende Variable y �= x
in ϕ gebunden vorkommt.
SUBSTITUTIONSLEMMA. Sei der Term t für die Variable x in der Formel ϕ
substituierbar. Dann ist ϕ[t/x] → ∃xϕ allgemeingültig.
BEMERKUNG. Die Substituierbarkeitsbedingung ist notwendig: Für
t ≡ y und ϕ ≡ ∀y (x = y )
ist die Formel
ϕ[t/x] → ∃xϕ ≡ ∀y (y = y ) → ∃x∀y (x = y )
nicht allgemeingültig (sie gilt nämlich in keiner Struktur mit mehr als einem
Individuum).
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Beweis des Substitutionslemmas: Aufgabenstellung
Annahmen:
Keine in t vorkommende Variable y �= x kommt in ϕ gebunden vor (=SB).
FV (ϕ) ∪ V (t) ⊆ {x, x1 , . . . , xn } (wobei x, x1 , . . . , xn paarweise verschieden)
A sei eine L-Struktur und B eine Belegung B : {x, x1 , . . . , xn } → A
Zu zeigen: (*) WBA (ϕ[t/x] → ∃xϕ) = 1
Vorüberlegungen:
Da WBA (ϕ[t/x] → ∃xϕ) = 1 genau dann gilt, wenn
WBA (ϕ[t/x]) ≤ WBA (∃xϕ) gilt, folgt die Behauptung (*) aus
WBA (ϕ[t/x]) = 0 trivialerweise.
Gilt x �∈ FV (ϕ), so gilt ϕ[t/x] ≡ ϕ und es gilt WBA (ϕ) = WBA (∃xϕ), also
auch WBA (ϕ[t/x]) = WBA (∃xϕ) und daher (*).
Wir können also o.B.d.A. zusätzlich annehmen, dass WBA (ϕ[t/x]) = 1 und
x ∈ FV (ϕ) gilt, und müssen dann WBA (∃xϕ) = 1 zeigen.
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Beweis des Substitutionslemmas: Aufgabenstellung neu
Annahmen (aktualisiert):
Keine in t vorkommende Variable y �= x kommt in ϕ gebunden vor (=SB).
x ∈ FV (ϕ) & FV (ϕ) ∪ V (t) ⊆ {x, x1 , . . . , xn } (wobei x, x1 , . . . , xn paarweise
verschieden)
A L-Struktur und B Belegung B : {x, x1 , . . . , xn } → A mit WBA (ϕ[t/x]) = 1
Zu zeigen (aktualisiert): (**) WBA (∃xϕ) = 1
Nach Definition des Wahrheitsbegriffs genügt es eine Belegung
B � : {x, x1 , . . . , xn } → A anzugeben mit B � (xi ) = B(xi ), für die
(∗∗� ) WBA� (ϕ) = 1 gilt.
Definiere solch eine Belegung durch B � (x) = tBA (und B � (xi ) = B(xi )).
Zum Nachweis von (∗∗� ) genügt es wegen WBA (ϕ[t/x]) = 1 (nach
Annahme!) zu zeigen:
WBA� (ϕ) = WBA (ϕ[t/x])
Dies zeigt man aber leicht durch Ind(ϕ) (unter Verwendung von (SB)),
nachdem man zuvor (für beliebige Terme t̂) t̂BA� = t̂[t/x]A
B durch Ind(t̂)
gezeigt hat): Übung.
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