Infektionsgefahr durch die Zahnbürste?

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BERICHTE AUS DER LAGH
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Aktuelles Thema
Infektionsgefahr durch
die Zahnbürste?
Wenn es ums Zähneputzen im Kindergarten geht, fürchten sich
Eltern und ErzieherInnen oft vor der Infektionsgefahr. Dabei
wird außer Acht gelassen, dass auch bei höchster Sorgfalt
durch den engen sozialen Kontakt innerhalb der Kindergruppe
(niesen, trinken aus einem Becher, abbeißen vom Brot, schmusen etc.) sowieso ein hohes Ansteckungsrisiko besteht. Es stellt
sich also lediglich die Frage, wie sich das Risiko einer Infektion
so gering wie möglich halten lässt.
Z
u der Frage, ob Zahnbürsten eine
Infektionsquelle darstellen und
durch welche Maßnahmen man eine
Infektion minimieren kann, hier zwei wissenschaftliche Stellungnahmen.
1. Robert Koch-Institut (Zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem
Gebiet der Krankheitskontrolle und
Prävention und damit auch die zentrale Referenzeinrichtung des Bundes
auf dem Gebiet der anwendungs- und
maßnahmeorientierten Forschung für
den öffentlichen Gesundheitsdienst).
Gibt es Empfehlungen
zum Umgang mit Zahnbürsten
in Kindergemeinschaftseinrichtungen?
Die Mundhöhle gehört zu den am intensivsten bakteriell besiedelten Regionen des
Menschen. Zudem ist sie durch die Aufnahme von Nahrung gegenüber Mikroorganismen aus der Umwelt grundsätzlich
exponiert. Im Kindergarten kommt es
bekanntermaßen durch Speichel- oder
Tröpfcheninfektion immer wieder zu Ansteckungen, wenn sich Kinder anniesen
oder anhusten. Auch beim Spielen kommt
es z. B. dadurch, dass Spielzeug in den
Mund gesteckt wird, immer wieder zu Keimübertragungen, die mitunter zu Infekten
führen können. Erfahrungsgemäß werden
die dabei übertragenen Keime rasch von
der körpereigenen Infektabwehr eliminiert.
Dieses Abwehrsystem unseres Körpers beginnt in der Mundhöhle und verhindert,
dass jeder Kontakt mit Infektionserregern
auch tatsächlich eine Erkrankung nach sich
zieht. Auch die benutzte Zahnbürste ist
nach dem Zähneputzen mit Mikroorganismen kontaminiert, die üblicherweise zur
normalen Schleimhautflora des Mundes
gehören. Eine anschließende Vermehrung
von Bakterien und Pilzen soll durch gründliches Ausspülen der Bürste mit Leitungswasser und Trocknung bei Raumtemperatur
vermieden werden. Dennoch können Keime mit der Zahnbürste weitergegeben werden, genauso wie mit Spielzeug oder durch
persönlichen Kontakt sowie in Form von
Speichel- und Tröpfcheninfektionen.
Aus diesem Grund haben sich eine Vielzahl
von Studien mit der Frage beschäftigt, ob
eine Infektionsgefährdung von der Zahnbürste ausgeht. Sie kommen zu dem Schluss,
dass eine Gefahr für die Übertragung gefährlicher Krankheitserreger beim Verwechseln von Zahnbürsten nicht ersichtlich ist. Es sind keine Berichte über virale
oder bakterielle Infektionen beim Verwechseln von Zahnbürsten mitgeteilt worden.
Zahnbürsten sind keine Medizinprodukte,
sondern Bedarfsgegenstände des täglichen
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Lebens, für die die Kosmetikverordnung
und übergeordnet das Lebensmittel- und
Bedarfsgegenständegesetz gilt. Die Borstenstruktur handelsüblicher Zahnbürsten
ist so gestaltet, dass sie aus glatten, gerundeten Nylonborsten bestehen und somit die Anheftung von Mikroorganismen
erschweren. Zudem besitzen Zahnpasten
viele Bestandteile, die eine antimikrobielle
Wirksamkeit besitzen und eine Hemmung
des Wachstums oraler Keime bewirken.
Für das tägliche Putzen im Kindergarten
sollten folgende Regeln beachtet werden:
Jedes Kind hat seine eigene Zahnbürste und seinen eigenen Becher.
Nach dem Zähneputzen sollte die
Bürste gut unter fließendem Wasser
ausgespült werden.
Aufbewahrung stehend mit dem Kopf
nach oben bei Zimmertemperatur.
Zahnbürsten müssen spätestens nach
drei Monaten gewechselt werden,
denn abgenutzte bzw. zerkaute
Bürsten haben eine schlechtere
Reinigungswirkung.
Nur in den Fällen, in denen die Besorgnis
der Eltern von Kindergartenkindern über
eine mögliche Weitergabe von Krankheitserregern durch vertauschte Zahnbürsten
nicht anderweitig zerstreut werden kann,
besteht die Möglichkeit der Reinigung und
weitgehender Keimbefreiung in der Spülmaschine, obwohl diese im Temperaturbereich
von unter 60° C nicht die hygienischen
Anforderungen für Medizinprodukte erfüllt.
In Kindergärten kommt deshalb folgendes
Verfahren als praktikables Vorgehen in Betracht: Freitags werden die namentlich gekennzeichneten Zahnbürsten in der nur mit
diesen beladenen Spülmaschine gereinigt,
getrocknet, gegebenenfalls neu gekennzeichnet und stehen montags wieder zum
Zähneputzen zur Verfügung.
2. Antwort vom 7. 4. 2004 von Prof.
Dr. K. Bößmann (Prof. Dr. Bößmann
war wissenschaftlicher Direktor im
Bereich der Kariesforschung an der
Klinik für Zahnerhaltungskunde und
Parodontologie in Kiel. Seine Kompetenz zu Fragen der zahnärztlichen
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Hygiene basiert auf seinem Studium
der Biologie und Mikrobiologie) auf
eine Anfrage der LAGH zum Einsatz
der Spülmaschine im Hinblick auf
die Zahnbürstenhygiene.
…halte ich an meiner Empfehlung, Haushaltsspülmaschinen zur Reinigung von
Zahnbürsten zu verwenden, fest.
Es ging ursprünglich um die Frage, wie
man verhindern kann, dass durch Zahnbürstentausch oder -verwechslung Kinder gefährdet werden, wenn z. B. ein
Kindergartenkind HIV-positiv ist.
Werden die Zahnbürsten in einer Haushaltsspülmaschine behandelt, unterlie-
BERICHTE AUS DER LAGH
gen sie Temperaturen, die durchaus HIVinaktivierend sind. Hierzu Belege aus der
Literatur:
1. HIV wird um mehr als 4 Zehnerpotenzen (also 99,99 %) bei 65° C /
10 min reduziert (Martin et al., J Int
Dis 152, 400–403 (1985)
2. HIV wird noch immerhin um den Faktor 10 bei 56° C / 2 min reduziert
(Mc Dougal et al., J Clin Investig 76,
875–877 (1985)
Betrachten wir darüber hinaus HBV / HCV,
dann nimmt … Inaktivierung bei 93° C /
10 min Bezug auf die damalige Zielvorgabe des BGA (heute RKI), eine Reduk-
tion um 7–8 Zehnerpotenzen erzielen zu
können. Wenn sich überhaupt HBV / HCV
an den Zahnbürsten befinden, dann werden diese Viren schon allein durch den
mechanischen Reinigungsprozess in ihrer Menge um 2–3 Zehnerpotenzen reduziert. Dieser Vorgang wird als sog.
Abreicherung z. B. im Rahmen der Instrumentenaufbereitung vom RKI als sehr bedeutsam eingestuft.
Ich denke also, dass in der Spülmaschine eine einwandfreie hygienische Aufbereitung der Zahnbürsten erzielt wird,
ohne dass dabei die Gefahr der Kontamination anderer Zahnbürsten besteht.
Am 15. Juni 2004 fand das große LAGH-Referententreffen in Frankfurt-Niederrad statt
Das LAGH-Referententeam trifft sich jährlich, um die Fortbildungen für ErzieherInnen und
Patenschaftsteams abzugleichen und zu aktualisieren.
Dr. Andrea Thumeyer,
Wiesbaden, Zahnärztin,
Vorsitzende der LAGH
Ralph Pfeiffer,
Wildeck, Zahnarzt
Anke Heinen,
Nackenheim,
Pädagogin
Dr. Klaus Dürr,
Dreieich, Zahnarzt
Dr. Ute von
Nordheim,
Frankfurt,
Zahnärztin
Dr. Andrea Plewe,
Kassel, Zahnärztin
Christa Born,
Marburg,
Zahnärztin
Dr. Ulrike Kreinhoff,
Niddatal,
Oecotrophologin
Dr. Ulrike Freund,
Laubach,
Oecotrophologin
Petra VölknerStetefeld, Marburg,
Zahnärztin
Cordula Buschmann, Wiesbaden,
Pädagogin
Christina Caselitz,
Bad Hersfeld,
Zahnärztin
IRMA,
Nr. 1 in Hessen
Dr. Simone Strein,
Butzbach,
Zahnärztin
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